23.04.2013 Aufrufe

Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik

Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik

Gesundheitsfördernde Gesamtpolitik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Auslauf- Auslauf oder Zukunftsmodell<br />

Gesundheitsförderung?<br />

Gesundheitsförderung<br />

20 Jahre Ottawa-Charta<br />

Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung<br />

Gesundheitsfördernde <strong>Gesamtpolitik</strong><br />

Prof. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz<br />

Direktor der Abteilung für Epidemiologie,<br />

Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung<br />

(unter Mitarbeit von MA Claudia Diederichs)<br />

Medizinische Hochschule Hannover<br />

20. November 2006


»Gesundheit für alle – im Jahr 2000«. Das hatte die<br />

Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am<br />

10. September 1978 in Alma Ata als Ziel der<br />

Weltgemeinschaft beschlossen. 25 Jahre danach sind<br />

wir von seiner Verwirklichung weiter entfernt als<br />

damals.<br />

Geschichte


Geschichte<br />

Im Sinne von Alma Ata verabschiedete die WHO<br />

Europa 1984 erstmals strategisch und inhaltlich<br />

begründete Ziele, um Gesundheit für alle zu erreichen.


Geschichte<br />

Mit den 38 ausgearbeiteten Zielen wird erstmalig eine<br />

gemeinsame Vorgabe für die europäische<br />

Gesundheitspolitik bis zum Jahr 2000 beschlossen.<br />

Gesundheit wird dabei nicht allein als Abwesenheit von<br />

Krankheit und Gebrechen verstanden, sondern bedeutet<br />

physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden. Auf<br />

Grundlage der Erkenntnis, dass die menschliche<br />

Gesundheit von einer Reihe von Umweltfaktoren<br />

beeinflusst ist, werden erstmalig auch acht Ziele für den<br />

umweltbezogenen Gesundheitsschutz definiert.


Geschichte<br />

Auf der ersten Internationalen Konferenz 1986 zur<br />

Gesundheitsförderung in Ottawa (Kanada)<br />

verabschiedeten die Mitgliedstaaten der WHO die „Ottawa-<br />

Charta“ als Umsetzungsstrategie für „Gesundheit für alle“:<br />

„Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen<br />

Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre<br />

Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung<br />

ihrer Gesundheit zu befähigen.“<br />

Entsprechend werden drei zentrale Handlungsstrategien für<br />

die Gesundheitsförderung benannt:<br />

• Interessen vertreten<br />

• Befähigen und ermöglichen<br />

• Vermitteln und vernetzen


Geschichte<br />

Fünf Handlungsbereiche werden<br />

unterschieden:<br />

• Schaffung gesundheitsfördernder Lebenswelten<br />

• Förderung persönlicher Kompetenzen zur gesunden<br />

Lebensweise<br />

• Unterstützung gesundheitsbezogener<br />

Gemeinschaftsaktionen<br />

• Neuorientierung der Gesundheitsdienste<br />

• Entwicklung einer gesundheitsfördernden<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong>


Geschichte<br />

Entwicklung einer gesundheitsfördernden<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong><br />

Gesundheitsförderung beinhaltet weit mehr als medizinische<br />

und soziale Versorgung. Gesundheit muss auf allen Ebenen und<br />

in allen Politiksektoren auf die politische Tagesordnung gesetzt<br />

werden.<br />

Politikern müssen dabei die gesundheitlichen Konsequenzen<br />

ihrer Entscheidungen und ihre Verantwortung für<br />

Gesundheitsförderung verdeutlicht werden. Dazu wendet eine<br />

Politik der Gesundheitsförderung verschiedene, sich gegenseitig<br />

ergänzende Ansätze an, u. a. Gesetzesinitiativen, steuerliche<br />

Maßnahmen und organisatorisch strukturelle Veränderungen.<br />

Nur koordiniertes, verbündetes Handeln kann zu einer größeren<br />

Chancengleichheit im Bereich der Gesundheits-, Einkommensund<br />

Sozialpolitik führen.


Geschichte<br />

Entwicklung einer gesundheitsfördernden<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong><br />

Eine Politik der Gesundheitsförderung muss<br />

Hindernisse identifizieren, die einer gesundheitsgerechteren<br />

Gestaltung politischer Entscheidungen<br />

und Programme entgegenstehen. Sie muss<br />

Möglichkeiten einer Überwindung dieser Hemmnisse<br />

und Interessensgegensätze bereitstellen.<br />

Ziel muss es sein, auch politischen<br />

Entscheidungsträgern die gesundheitsgerechtere<br />

Entscheidung zur leichteren Entscheidung zu<br />

machen.


Die „klassischen“ Themen der deutschen Gesundheitspolitik,<br />

nämlich: Finanzierung und Ressourcen,<br />

Management der Krankenversorgung und Technologien<br />

spielen bei dieser Betrachtung eine eher nachgeordnete<br />

Rolle, da sie aus WHO-Sicht zweitrangig zur Gesundheit<br />

der Bevölkerung beitragen.<br />

Ende der 90er Jahre entwickelte allerdings die WHO Genf<br />

unter der norwegischen Ex-Premierministerin Brundlandt<br />

Ziele, die sich auf Ökonomie- und auf Managementziele,<br />

z.B. integrierte Versorgung, Qualifizierung, Partizipation<br />

und „Responsiveness“ des Systems, bezogen.<br />

Gesundheitsförderung geriet als Version in eine<br />

legitimatorische Krise.


„Gesundheit für alle“<br />

Die fortgeschriebene WHO-Strategie WHO Strategie der<br />

Europäischen Regionen „Gesundheit 21“ wurde<br />

1998 veröffentlicht.<br />

Sie orientiert sich an generellen Zielen, Werten<br />

und Strategien, die noch Verwandtschaft mit<br />

umfassender Gesundheitsförderung aufweisen,<br />

aber mit abgeschwächter visionärer Kraft.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: WHO 2006


II. Zu Realität und Rhetorik in<br />

Deutschland<br />

2005: Ein nationales Präventionsgesetz<br />

scheitert. Es sah neue koordinierende<br />

Zuständigkeiten auf Bundesebene zu<br />

Lasten der Sozialversicherungen, aber<br />

ohne eigene neue Bundesmittel, vor.


Gesundheitsfördernde<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong>? – Nationale Ebene<br />

„Gesundheitliche Prävention ist eine<br />

Querschnittsaufgabe aktivierender Politik!“<br />

„Die Bundesregierung sieht es als ihre Aufgabe an,<br />

gemeinsam mit der gesamten Gesellschaft in allen<br />

Lebensbereichen auf einen gesunderhaltenden<br />

Lebensstil hinzuwirken. Hierzu zählen insbesondere die<br />

Familie, die Lern- und Arbeitswelt, das Wohnumfeld und<br />

die Umwelt.“<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: BMG Konzeptpapier 2006: Gesund in die Zukunft


Gesundheitsfördernde<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong>?<br />

BMG 2006, Konzeptpapier:<br />

< Es ist möglich, durch effektive und effiziente<br />

Prävention und Gesundheitsförderung die Gesundheit,<br />

Lebensqualität, Mobilität und Leistungsfähigkeit der<br />

Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und einen<br />

großen Teil der sonst erforderlichen<br />

Gesundheitsausgaben zu vermeiden.<br />

Prävention und Gesundheitsförderung sind bei diesem<br />

Prozess als gesamtgesellschaftliche und nicht nur als<br />

gesundheitspolitische Aufgabe zu verstehen ><br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Konzeptpapier BMG 2006


Gesundheitsfördernde<br />

<strong>Gesamtpolitik</strong>?<br />

Die Arbeitsgemeinschaft der<br />

Spitzenverbände der Krankenkassen<br />

entwickelte ein Positionspapier zum Thema<br />

„Stärkung der Prävention in Deutschland –<br />

Anstoß für einen neuen Dialog“.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: AG der Spitzenverbände der Krankenkassen 2006


GKV<br />

Erwartungen an ein deutsches<br />

Präventionsgesetz:<br />

Präventionsgesetz<br />

Forderung der GKV nach Stärkung und Entwicklung<br />

bestehender, übergreifender Präventionsmaßnahmen sowie<br />

Ausdehnung auf weitere Akteure (gesetzliche Kranken-, Kranken ,<br />

Pflege-, Pflege , Unfall-, Unfall , Renten- Renten und Arbeitslosenversicherung<br />

sowie private Kranken- Kranken und Pflegeversicherungen)<br />

Forderung nach einer stärkeren Beteiligung der öffentlichen<br />

Hand an gesamtgesellschaftlichen Aufgaben im Bereich<br />

Prävention und Gesundheitsförderung.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Spitzenverbände der Krankenkassen


GKV- GKV Realität<br />

Die GKV geben in Deutschland zur Zeit jährlich von<br />

insgesamt etwa 150 Milliarden € etwa 3 Milliarden € für<br />

Prävention aus:<br />

individuelle Primärprävention<br />

Gesundheitsförderung in Lebenswelten<br />

Früherkennungsprogramme<br />

Schutzimpfungen<br />

Vorsorgeleistungen für gesundheitlich Gefährdete<br />

zahnmedizinische Prophylaxe<br />

tertiärpräventive Leistungen (Patientenschulungen)<br />

Selbsthilfeförderung<br />

Quelle: AG der Spitzenverbände der Krankenkassen<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Eigenverantwortung der Patienten<br />

Dr. Köhler, Vorstandsvorsitzender der<br />

Kassenärztlichen Bundesvereinigung:<br />

„Gegen viele Krankheiten existieren nicht-<br />

medikamentöse Therapien, die aber meist<br />

unbequemer sind, als ein Medikament zu schlucken.“<br />

…z.B. z.B. Änderung der Lebensgewohnheiten<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Deutsches Ärzteblatt 2006


Eigenverantwortung der Patienten<br />

Die sieben führenden Risikofaktoren, die eng mit den individuellen<br />

individuellen<br />

Lebensgewohnheiten in Verbindung stehen, wie<br />

• Tabak<br />

• Bluthochdruck<br />

• Alkohol<br />

• hohe Cholesterinwerte<br />

• Übergewicht<br />

• geringer Verzehr von Obst und Gemüse sowie<br />

• Bewegungsmangel<br />

sind hauptverantwortlich für fast 60% der Krankheitslast in der<br />

Region der WHO Europa“.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: WHO 2006


z.B. Risikofaktor Bewegungsmangel<br />

Anteil der Männer und Frauen, die wöchentlich 2 und mehr Stunden<br />

körperlich aktiv sind<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: RKI 2006


Positive Bewertung der infrastrukturellen<br />

Möglichkeiten für Sport und sportliche<br />

Aktivität: D-West und –Ost und Europa<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Eurobarometer 2002


Medikalisierung der Gesellschaft<br />

Die Kosten für Substanzen und Waren, die Ärzte<br />

verschreiben - Arzneimittel inklusive Verbandmittel,<br />

Hilfsmittel, Zahnersatz sowie „sonstiger<br />

medizinischer Bedarf“ – liegen in der GKV (2004)<br />

mittlerweile deutlich höher als die Ausgaben für die<br />

ärztliche Dienstleistung.<br />

Indikandum für Medikalisierung,<br />

Medikalisierung<br />

Medikalisierung, ,<br />

Industrialisierung und schleichende<br />

Entpersonalisierung des Systems<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


GKV Ausgaben 2004:<br />

Ärzte und Zahnärzte<br />

30,6 Mrd. Euro<br />

Arznei-, Arznei , Verband- Verband und Hilfs-<br />

mittel, sonst. Bedarf sowie<br />

Zahnersatz<br />

33,4 Mrd. Euro<br />

Quelle: AOK-Bundesverband<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Fehlsteuerung von Mitteln<br />

Die Anreize im ärztlichen System selbst wirken<br />

pharmakoorientiert:<br />

Innerhalb der Ärzteschaft werden durch das<br />

Vergütungssystem Anreize gesetzt, eher<br />

Wiederholungsrezepte auszustellen als eine<br />

patientenorientierte Versorgung mit einem<br />

Schwerpunkt auf Kommunikation und<br />

Verhaltensänderung mit dem Patienten anzustreben.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Fehlsteuerung:<br />

„Disease Disease Mongering“<br />

Mongering<br />

n Krankheitskonzepte werden (von der Industrie und industrienahen<br />

Medizinern) systematisch auf physiologische Veränderungsprozesse<br />

ausgeweitet<br />

n Primäres Ziel: Ausweitung / Erschließung von Märkten<br />

Beispiel:<br />

Interessenkonflikte bei der Erstellung von Behandlungsleitlinien und<br />

Definition von Normwerten (z.B. Hypertonie, Fettstoffwechsel)<br />

Taylor & Giles, Nature 2005; Studdert et al., N Engl J Med 2004


,,physiologische Prozesse als<br />

Krankheit verkaufen“<br />

Das Phänomen wurde vor fast 25 Jahren in den USA erstpubliziert<br />

und u.a. folgendermaßen charakterisiert:<br />

"Nehmen Sie eine normale physiologische Funktion und behaupten<br />

Sie, dass damit etwas nicht stimme und die `Krankheit` behandelt<br />

werden müsse" und "Versuchen Sie, die in Frage kommende<br />

Bevölkerungsgruppe, die angeblich daran leidet, so groß wie<br />

möglich zu definieren". (Payer 1992)<br />

Im April 2006 fand in Australien erstmals eine eigene internationale<br />

Konferenz zum Thema „Disease Mongering“ statt. Thema eines<br />

Beitrages:,,Cholinesterase Inhibitors: Drugs Looking for a Disease?“<br />

(Maggiani et al. 2006)


Weitere Beispiele:<br />

Disease Mongering<br />

Reizdarm<br />

prämenstruelle Syndrome<br />

leichte Merk - oder Aufmerksamkeitsstörungen<br />

Veränderung der Knochenstruktur im Alter<br />

häufige sgn sexuelle Dysfunktionen ( zB Boehringer-<br />

Boehringer<br />

Ingelheim: Ingelheim:<br />

neues Mittel gegen das Nachlassen des sexuellen Verlangens bei Frauen<br />

im höheren Alter; es wird vom Hersteller angestrebt, dass das Mittel Mittel<br />

im GKV- GKV<br />

Rahmen verschreibungsfähig zugelassen wird)<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: KBV 2003; Literatur


Medikalisierung der Konsumenten<br />

In den USA wird der durchschnittliche<br />

Fernsehzuschauer täglich mit zehn, zum Teil<br />

sehr aggressiven Werbespots bombardiert“.<br />

Im ersten Halbjahr 2006 gaben die US- US<br />

Pharmakonzerne nur für die Direktwerbung<br />

2,46 Milliarden $ aus<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 11/12.11.06


… die Folge..<br />

Die Amerikaner stellen nur 5 % der<br />

Weltbevölkerung, verbrauchen aber<br />

42 % der globalen Ausgaben für<br />

verschreibungspflichtige Medikamente.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 11/12.11.06


Nebenfolgen der Medikalisierung<br />

Das Schmerzmittel Vioxx von Merck, wurde<br />

wegen erhöhter kardiovaskulärer Risiken aus<br />

dem Verkehr gezogen. Über 20 Millionen<br />

Amerikaner konsumierten Vioxx, Vioxx,<br />

bis zu<br />

144 000 sind daran gestorben.<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 11/12.11.06


Soziale Lebensbedingungen<br />

und Gesundheit<br />

Gesellschaftliche Hierarchisierung und<br />

soziale Marginalisierung und Armut haben nach<br />

allen vorliegenden Befunden den stärksten<br />

negativen Einfluss auf eine gesunde Entwicklung.<br />

Auch in modernen westlichen Gesellschaften<br />

unterscheidet sich die Lebensdauer von<br />

Angehörigen der Ober- Ober und Unterschicht um bis<br />

zu 10 Jahre .<br />

Quelle: Bielefelder Memorandum zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Gesundheitszustand und soziale<br />

Schicht ff<br />

eine sozial benachteiligte Lage begünstigt unter anderem<br />

Schlaganfälle, Bronchialleiden, Rückenschmerzen und<br />

Depressionen<br />

Zigarettenkonsum und Übergewicht sind in der unteren<br />

Schicht stärker verbreitet<br />

Männer aus der Unterschicht leiden 2-mal 2 mal häufiger an<br />

Depressionen als Männer aus der Oberschicht<br />

Arbeitslose sind von einem mehrfach erhöhten Krankheits-<br />

und Sterberisiko betroffen<br />

auch allein erziehende Frauen sind häufiger krank<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: RKI 2006


Fortschritte und doch wachsende<br />

Ungleichheit: Anteil der Männer und Frauen, die<br />

ihren Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht<br />

bewerten<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: RKI 2006


Wachstum sozialer Ungleichheit in<br />

Deutschland<br />

Angesichts schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen<br />

und der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit haben Ungleichheit<br />

und Armutsrisiko in Deutschland tendenziell zugenommen.<br />

Beispiele: während die Armutsrisikoquote von 12,1 %<br />

im Jahr 1998 auf 13,5 % in 2003 gestiegen<br />

ist, wuchs die Zahl der Menschen, die über<br />

mehr als das Doppelte des durchschnittlichen<br />

Nettoäquivalenzeinkommen verfügen in nur 3<br />

Jahren von 5,2 % (1995) auf 5,9 % (1998)<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

die unteren 50 % der Haushalte verfügen nur<br />

über 4 % des gesamten Nettovermögens,<br />

während die vermögenstärksten 20 % der<br />

Haushalte rund zwei Drittel des gesamten<br />

Nettovermögens auf sich vereinen<br />

Quelle: RKI 2006


Fazit<br />

Sich den Forderungen der Spitzenverbände<br />

anschließen…?<br />

Engagement der politischen und wirtschaftlichen<br />

Entscheidungsträger zur Schaffung von gesundheitsfördernden<br />

Rahmenbedingungen _ wer wollte widersprechen?<br />

„insbesondere muss der bisher auf die GKV beschränkte<br />

Grundsatz der besonderen Fokussierung der<br />

Präventionsleistungen auf die Verringerung der sozialen<br />

Ungleichheit von Gesundheitschance für alle Akteure<br />

verpflichtend werden, denn Gesundheit ist in Deutschland<br />

immer noch eine Frage der sozialen Schichtzugehörigkeit“<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: AG der Spitzenverbände der Krankenkassen


Fazit<br />

Sich den Forderungen den Spitzenverbände anschließen... ?<br />

Schwerpunkt auf den Ausbau vorhandener Strukturen<br />

(anstelle von Schaffung neuer zusätzlicher<br />

Parallelstrukturen) ?<br />

gesamtgesellschaftliche Einbindung von Prävention in<br />

den Handlungsfeldern Schul-, Schul , Familien-, Familien , Wirtschafts-<br />

und Sozialpolitik<br />

Einbeziehung des öffentlichen Gesundheitsdienstes<br />

und des Schulwesens<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: AG der Spitzenverbände der Krankenkassen


Fazit<br />

Entsprechen die Kassenpositionen den<br />

Forderungen der WHO nach einer<br />

multisektoralen, integralen,<br />

resultatorientierten und partizipatorischen<br />

Politik?<br />

Und wie lassen sich die Äusserungen bzw.<br />

die realpolitischen Entscheidungen der<br />

deutschen oder europäischen Politik<br />

einordnen? Dabei kann es hier nicht nur um<br />

Gesundheitspolitik im engeren Sinne gehen.


Fazit<br />

Im Klima der wachsenden Ungleichheit lässt sich<br />

keine Politik der gesamthaften gesellschaftlichen<br />

Gesundheitsförderung glaubhaft entfalten.<br />

Der ungleiche Zugang zum Gut Gesundheit<br />

bedeutet zudem eine Verletzung von<br />

Gerechtigkeitsnormen. Das bedroht langfristig<br />

auch die Stabilität und die Legitimität<br />

demokratischer Gesellschaftsentwürfe …<br />

„Wer Wer Gesellschaften gesünder machen will, muss<br />

ihren Reichtum umverteilen!“<br />

umverteilen!“<br />

Quelle: Bielefelder Memorand. zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten 2006/<br />

Schwartz 2006<br />

Quelle: Wilkinson 2005: The impact of inequality<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Vielen Dank für Ihre<br />

Aufmerksamkeit!<br />

Prof. Dr. med. Friedrich Wilhelm Schwartz<br />

Direktor der Abteilung für Epidemiologie,<br />

Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung


Zusammenhang zwischenvorzeitiger<br />

zwischen<br />

Sterblichkeit und dem Sozialindex in Berlin<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: Meinlschmidt, Hermann 1996 in:<br />

Schwartz, Siegrist, Troschke 1998


„Gesundheit für alle“<br />

Die 21 Ziele:<br />

Ziel 1: Solidarität für die Gesundheit in der Europäischen Region<br />

Ziel 2: Gesundheitliche Chancengleichheit<br />

Ziel 3: Ein gesunder Lebensanfang<br />

Ziel 4: Gesundheit junger Menschen<br />

Ziel 5: Altern in Gesundheit<br />

Ziel 6: Verbesserung der psychischen Gesundheit<br />

Ziel 7: Verringerung übertragbarer Krankheiten<br />

Ziel 8: Verringerung nicht-übertragbarer Krankheiten<br />

Ziel 9: Verringerung von auf Gewalteinwirkung und Unfälle<br />

zurückzuführenden Verletzungen<br />

Ziel 10: Eine gesunde und sichere natürliche Umwelt<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: WHO 2006


„Gesundheit für alle“<br />

Ziel 11: Gesünder leben<br />

Ziel 12: Verringerung der durch Alkohol, Drogen und Tabak<br />

verursachten Schäden<br />

Ziel 13: Settings zur Förderung der Gesundheit<br />

Ziel 14: Multisektorale Verantwortung für die Gesundheit<br />

Ziel 15: Ein integrierter Gesundheitssektor<br />

Ziel 16: Qualitätsbewußtes Management der Versorgung<br />

Ziel 17: Finanzierung des Gesundheitswesens und<br />

Ressourcenzuweisung<br />

Ziel 18: Qualifizierung von Fachkräften für gesundheitliche Aufgaben<br />

Ziel 19: Forschung und Wissen zur Förderung der Gesundheit<br />

Ziel 20: Mobilisierung von Partnern für gesundheitliche Belange<br />

Ziel 21: Konzepte und Strategien zur „Gesundheit für alle"<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: WHO 2006


Kosten der ambulanten ärztlichen<br />

Versorgung und Präventionsausgaben<br />

Patienten kosten ambulant pro Jahr zwischen 140 Ł 900 €<br />

(GEK2004)<br />

Behandlungskosten in der ambulanten Versorgung<br />

(Euro)<br />

1000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

0-* 1- 5- 10- 15- 20- 25- 30- 35- 40- 45- 50- 55- 60- 65- 70- 75- 80- 85- 90-<br />

Altersgruppe<br />

Frauen 2004<br />

Männer 2004 Ausgaben<br />

für<br />

Prävention<br />

(rote Linie)<br />

Quelle: GEK / ISEG 2006


Elemente einer Good Governance-<br />

Governance<br />

Charta für die Pharmaindustrie<br />

Verantwortung oder Mitverantwortung übernehmen für:<br />

Förderung einer objektiveren Information der Patienten<br />

in Verbindung mit der Verschreibung oder dem<br />

Gebrauch von wirksamen Arzneimitteln<br />

Mitspracherecht der Patienten bei der Formulierung der<br />

Forschungsagenda (Quelle: Institute of Medicine, Medicine,<br />

USA)<br />

Berücksichtigung und Einflussnahme auf<br />

sozioökonomische Faktoren (z.B. Armut und Bildung),<br />

die einen entscheidenden Einfluss auf die<br />

Lebensqualität und –erwartung erwartung haben, bei der<br />

Bereitstellung von Gesundheitsgütern bzw. -waren waren<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Good Governance<br />

Verantwortung oder Mitverantwortung übernehmen für:<br />

nicht allein von monetären Interessen geleitete<br />

Forschungsagenda (Disease ( Disease Mongering, Mongering,<br />

seltenere<br />

Erkrankungen, positive Würdigung von Placebo- Placebo und<br />

andere „weichen“ Medizinformen), ggf. in Kombination<br />

mit neu „inspirierter“ staatlicher Förderung<br />

trotz wirtschaftlicher Eigeninteressen Förderung von<br />

Strukturen, die die Patientensicherheit nachhaltig<br />

verbessern<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz


Zusammenhang zwischen sozialem<br />

Status und Gesundheitszustand<br />

Prävalenz verhaltensbezogener Risikofaktoren nach sozialer<br />

Schichtzugehörigkeit in der 18-79 18 79-jährigen jährigen Bevölkerung<br />

Prof. Dr. F.W. Schwartz<br />

Quelle: RKI 2006

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!