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Raus aus der Rolle - GiLLARDON GmbH & Co. KG

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<strong>R<strong>aus</strong></strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Rolle</strong><br />

von Elke Susanne Gillardon<br />

„Mach mir den Egon 1 !“ – Wirtschaft in drei Aufzügen. In den Hauptrollen: Ein Banker (im<br />

Volksmund liebevoll Bankster genannt), ein Lehrer und ein Handwerksmeister. Ihre<br />

persönlichen Vorlieben: Überfor<strong>der</strong>ung, Unzufriedenheit und Stress.<br />

Wie kommt´s? - Der Hintergrund:<br />

Steigende Unsicherheiten, ein sich stet verschärfen<strong>der</strong> Wettbewerb, das „Buhlen“ um<br />

Kunden und Aufträge, eine wachsende Sensibilität [For<strong>der</strong>n! For<strong>der</strong>n! For<strong>der</strong>n!] einerseits<br />

und stoische Zurückhaltung an<strong>der</strong>erseits [um nicht zu sagen: ist-mir-doch-egal-Gefühl],<br />

permanenter Erfolgsdruck, ein immerwährendes Streben nach Gewinnmaximierung, eine<br />

hohe und schnelllebige Informationsdichte, Rufbereitschaft und eine Rund-um-die-Uhr-<br />

Erreichbarkeit for<strong>der</strong>n ihre Opfer. Burn-out trifft den Studenten, die H<strong>aus</strong>frau, den<br />

Selbständigen, den Manager, den Politiker gen<strong>aus</strong>o wie den Arzt, Apotheker,<br />

Therapeuten und Heiler. Betroffen sind alle Ausbildungs-, Arbeits-, Fach- und<br />

Führungskräfte quer durch alle Berufsgruppen und Branchen. Seit geraumer Zeit und<br />

aufgrund massiv gestiegener Burn-out-Raten sind mittelständische Unternehmen,<br />

Konzerne und Personalabteilungen mehr denn je bestrebt, ihre Belegschaft mit<br />

Gesundheitsprogrammen, -Strategien und –Management-Systemen aller Art in Balance<br />

zu bringen.<br />

Einleitung<br />

Der Banker, <strong>der</strong> Lehrer und <strong>der</strong> Handwerker sind drei unabhängig voneinan<strong>der</strong> stehende<br />

Personen. Und alle drei haben eines gemeinsam: Sie drehen am Rad. Der Grund sind die<br />

rasanten Verän<strong>der</strong>ungen, die auf sie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, finanzieller,<br />

technologischer, gesetzlicher, organisationaler und persönlicher Weise einströmen und<br />

begleiten und tagtäglich ihre gesamte Aufmerksamkeit und Kraft for<strong>der</strong>n. Die Drei haben<br />

in ihrer langjährigen Berufs<strong>aus</strong>übung bereits Kontakt und einschlägige Erfahrungen zum<br />

Thema Work-Life-Balance o<strong>der</strong> besser - um im aktuellen Neudeutsch zu bleiben – Life-<br />

Balance-Work erfahren. Sie geben uns einen kleinen Einblick in ihre Geschichte.<br />

Der Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung im Umgang mit <strong>der</strong> stetig wachsenden Komplexität und Dynamik<br />

im Arbeitsleben und seinen Auswüchsen hat sich je<strong>der</strong> zu stellen – ohne Ausnahme. Ein<br />

Grund für Burn-out? Ich kann es nicht sagen. Ich kann Sie nur teilhaben lassen an diesen<br />

Geschichten und meinen Beobachtungen. Welche Perspektiven sich hier<strong>aus</strong> ergeben,<br />

welche Schlüsse gezogen werden, welche Denkprozesse angeregt werden o<strong>der</strong> welche<br />

1 Aus Gründen <strong>der</strong> Lesbarkeit wird auf die Nennung <strong>der</strong> weiblichen Ausdrucksformen verzichtet und die<br />

männliche Form gewählt. Die weiblichen Formen sind immer inkludiert. Ich bitte die weiblichen Leserinnen um<br />

Verständnis.<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 1 von 13


Lösung für die eigene Geschichte möglich ist, das überlasse ich Ihnen. Die Personen sind<br />

frei erfunden. Ähnlichkeiten und Parallelen zu eigenen Begebenheiten können jedoch<br />

nicht <strong>aus</strong>geschlossen werden.<br />

Erster Aufzug – Die Hauptrollen<br />

Der Banker<br />

Kaiserstrasse, starker Regen und die Straßenbahn hat heute wie<strong>der</strong> Verspätung. Die<br />

Produktschulung in Köln war turbulent und anstrengend. Gen<strong>aus</strong>o wie die zahlreichen<br />

Geschäftsessen mit den Bankvorständen und Abteilungsleitern zwecks Erörterung und<br />

Einführung neuer Kundenbindungsmethoden. Die Zugfahrt wurde in Frankfurt<br />

unterbrochen und für ein Treffen mit dem Vorstand <strong>der</strong> neu gewonnenen Partnerbank<br />

genutzt. Morgen geht es nach Stuttgart. Ein Seminar für die kundenzentrierte<br />

Individualberatung. Und für heute sind noch ein CEO 2 -Meeting zwecks Kreditaufstockung,<br />

ein Mitarbeitergespräch und drei Neukunden-Termine auf dem Plan. Der Besuch im<br />

Fitness-Studio muss wie<strong>der</strong> warten. Der alljährliche Routine-Check beim Betriebsarzt ist<br />

bereits auf nächsten Montag verschoben. Der stellvertretende Bankvorstand lässt durch<br />

die Abteilungssekretärin <strong>aus</strong>richten, dass demnächst mit einer Innenrevision zu rechnen<br />

ist, neue Zielvorgaben für den Verkauf <strong>der</strong> h<strong>aus</strong>eigenen Bankprodukte vorliegen,<br />

Zusatzgeschäfte mit B<strong>aus</strong>par- und Risikolebensversicherungen generiert werden müssen<br />

und vorübergehend eine Urlaubssperre verhängt wurde. Die Vorbereitung auf das<br />

Kreditvergabe-Gespräch mit einem alteingesessenen Handwerksbetrieb muss warten.<br />

Fünf weitere Businesspläne stehen zur Prüfung noch an. Der Liveticker meldet eine<br />

erneute Talfahrt <strong>der</strong> weltweiten Börsenkurse. Der aktuelle Wert des eigenen Aktien-<br />

Depots und die anstehende Ablösung des H<strong>aus</strong>kredits bereiten Magenschmerzen. Das<br />

private Handy klingelt permanent. Für den Vater muss ein Pflegeplatz gefunden werden<br />

und <strong>der</strong> Sohn hat wie<strong>der</strong> einmal die Schule geschwänzt. Das geschäftliche Smartphone<br />

gibt eine Meldung und Email nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en durch. Der <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Abteilung neu<br />

gewählte „Mitarbeiter des Monats“ steht diese Woche wegen Krankheit nicht zur<br />

Verfügung. Zwei weitere Mitarbeiter fehlen ebenfalls. Eine ad hoc einberufene<br />

Betriebsversammlung för<strong>der</strong>t weiteren Unmut zwischen den Mitarbeitern und zwingt zu<br />

personalpolitischen Konsequenzen.<br />

Der Lehrer<br />

Gymnasium. Der Schulbetrieb läuft auf Hochtouren. Die Vergabe von<br />

Zwischenzeugnissen und die anstehenden Prüfungen for<strong>der</strong>n die volle Aufmerksamkeit.<br />

Die Wochenenden müssen momentan für die Korrektur von Kl<strong>aus</strong>uren, die Vorbereitung<br />

2 CEO bedeutet Chief Executive Officer (US-amerikanisch) zu deutsch hier: Geschäftsleitung<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 2 von 13


des P-Seminars 3 , <strong>der</strong> Planung <strong>der</strong> Lehrerexkursion und <strong>der</strong> anstehenden Elternabende<br />

genutzt werden. Für Familie und Sport bleibt keine Zeit. Die Lehrerkonferenz ergibt eine<br />

erneute Än<strong>der</strong>ung des Stundenplans und erfor<strong>der</strong>t erhöhten Einsatz aufgrund<br />

längerfristigen Ausfalls zweier Kollegen. Durch den steigenden Kostendruck stehen<br />

weitere Etat-Kürzungen an. Das Kultusministerium for<strong>der</strong>t mehr Praxisbezug des<br />

Lernstoffs, deshalb wurden auch für heute drei Vertreter des Verbands junger<br />

Unternehmer eingeladen. Sie sollen „<strong>aus</strong> dem Nähkästchen plau<strong>der</strong>n“ und den Schülern<br />

berufliche Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen. Die Vorbereitung hierfür muss noch<br />

getan werden. Unterrichtsevaluationen erhöhen zusätzlich den bürokratischen Aufwand<br />

und Zeitbedarf. Die Theater-AG sucht gerade noch einen Proberaum. Die übermorgen<br />

stattfindende Podiumsdiskussion des P-Seminars verlangt nach weiterem<br />

Organisationsaufwand. Die Benutzung <strong>der</strong> neuen Whiteboards 4 – die gewohnten Tafeln<br />

wurden demontiert – bereitet immer noch große Schwierigkeiten. Zusätzlich zehrt nach<br />

zwanzig Jahren Schuldienst das gestiegene unflätige Verhalten vieler Schüler an den<br />

Nerven. Die Übernahme elterlicher Pflichten weicht zunehmend dem originären<br />

Bildungsauftrag. Unterrichtsstörer, Lehrer-Bewertungen in Facebook 5 & <strong>Co</strong>. sowie erneut<br />

auftretende Schmierereien am Schulgebäude sorgen für Missmut. Die zunehmende<br />

Geräuschkulisse und <strong>der</strong> Lärmpegel haben schon den zweiten Hörsturz verursacht. Die<br />

Schulsekretärin lässt <strong>aus</strong>richten, dass die Frau auf Rückruf wartet. Der Anruf zuh<strong>aus</strong>e<br />

ergab, dass <strong>der</strong> Termin bei <strong>der</strong> Eheberatung verschoben wurde. Der Schulrat hat sich<br />

angekündigt, die Schülerverpflegung muss für nächsten Monat neu organisiert und<br />

beaufsichtigt werden. Der Schulsozialarbeiter, <strong>der</strong> Vertrauenslehrer und <strong>der</strong><br />

Schulpsychologe bitten um eine Unterredung, deshalb ist für den morgigen<br />

Nachmittagsunterricht noch eine Vertretung zu organisieren. Der Finanzierungsberater<br />

<strong>der</strong> H<strong>aus</strong>bank hat ebenfalls angerufen und teilt mit, dass für den Erwerb <strong>der</strong><br />

Eigentumswohnung weitere Unterlagen und Sicherheiten zur Prüfung vorgelegt werden<br />

müssen.<br />

Der Handwerker<br />

Familienbetrieb in dritter Generation. Die anstehende Betriebserweiterung hängt vom<br />

aktuellen Betriebsergebnis ab. Der Steuerberater hat sich für morgen angekündigt, um<br />

das bevorstehende Bankgespräch und weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu<br />

besprechen. Der langjährige Mitarbeiter und Meister hat gestern völlig überraschend<br />

seine Kündigung vorgelegt. Heute kommt die Sachbearbeiterin freudestrahlend vom<br />

Arztbesuch zurück und bescheinigt „Schwangerschaft“. Ein Mechaniker hat sich am<br />

Vormittag bei einer Reparatur verletzt. Zum Glück ist <strong>der</strong> Rettungswagen - wegen<br />

Kundendienst - gerade auf das Werkstattgelände eingefahren und kann die tiefe<br />

3 P-Seminar: Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung<br />

4 Whiteboard – digitale und interaktive Wandtafel<br />

5 Soziales Netzwerk im Internet<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 3 von 13


Fleischwunde Erstversorgen. Die Mutter hat von ihrem täglichen Botengang die<br />

Bank<strong>aus</strong>züge und Eingangspost mitgebracht. Ein Brief vom Rechtsanwalt ist dabei. Ein<br />

seit drei Jahren krankgeschriebener und laut Berufsgenossenschaft berufsunfähiger<br />

Mitarbeiter macht vom neuen EU-Recht Gebrauch und for<strong>der</strong>t die Auszahlung von<br />

Urlaubsansprüchen <strong>der</strong> letzten Jahre. Heute Abend muss <strong>der</strong> Familienrat tagen. Die<br />

Existenz steht auf dem Spiel. Der angekündigte TÜV-Prüfer verspätet sich wie<strong>der</strong> einmal<br />

wegen an<strong>der</strong>weitiger Terminverzögerungen. Die Mittagsp<strong>aus</strong>e fällt also erneut flach. Ein<br />

Autoteile-Vertreter nutzt die Gunst <strong>der</strong> Stunde und möchte den Ablauf <strong>der</strong> morgigen<br />

Mitarbeiterschulung besprechen. Die eiligst herbeigerufenen EDV-Service-Techniker<br />

kämpfen bereits seit Stunden mit <strong>der</strong> <strong>Co</strong>mputeranlage. Der Server stürzt ständig ab. Die<br />

von den Autoherstellern bereitgestellten Reparatur- und Schaltpläne sind fast nur noch<br />

online verfügbar und benötigen eine Unmenge an Arbeitsspeicher. Eine neue<br />

<strong>Co</strong>mputeranlage wird demnächst fällig sein. Ob die Bank das mitmacht? Der Stift 6 ist<br />

noch mit dem Werkstattwagen unterwegs Teile besorgen und die an<strong>der</strong>en Mechaniker<br />

sind gerade in die Mittagsp<strong>aus</strong>e gegangen. Soeben hat sich beim Vater ein Kunde<br />

lautstark beschwert - die passende Standheizung für seinen Wagen sei nicht lieferbar. Er<br />

hat sie sich extra im Internet bestellt. Ob er weiß, dass die Montage noch on Top kommt?<br />

Hätte er das Winterangebot genutzt, hätte er sich viel Geld, Zeit und Ärger erspart. Und<br />

eine Garantie hierauf erhält er nicht. Vor zwei Wochen hat <strong>der</strong> Winter endlich Einzug<br />

gehalten, zumindest ist ein gutes Winterreifen-Geschäft sicher. Allerdings kommen schon<br />

die ersten Meldungen <strong>der</strong> Händler, dass Lieferengpässe auftreten und vergriffene Reifen-<br />

Modelle eine schnelle Abwicklung <strong>der</strong> Kunden-Bestellungen erschweren. Der Winter<br />

kommt doch immer wie<strong>der</strong> sehr plötzlich. Der Vater möchte noch die Planung <strong>der</strong><br />

Gerätebestellung sowie die Voror<strong>der</strong> besprechen. Die heutige Teilnahme an <strong>der</strong><br />

wöchentlichen Serviceclub-Sitzung muss <strong>aus</strong>fallen und die Geschäfts- und Privat-<br />

Korrespondenz warten auch noch auf Erledigung.<br />

Zweiter Aufzug<br />

Es kommt so schleichend. Alles scheint normal und geht seinen Gang. In Gesprächen<br />

wird immer wie<strong>der</strong> laut, dass die Wahrnehmung <strong>der</strong> Zeit eine an<strong>der</strong>e geworden ist. Sie<br />

scheint viel schneller zu vergehen. Ist das so? Wir alle haben täglich die gleichen 24<br />

Stunden zur Verfügung. Ist es ist die mo<strong>der</strong>ne Einstellung und Erwartung, dass alles, was<br />

zu tun und zu erledigen ist, sofort zu passieren hat? Je<strong>der</strong> will etwas. Je<strong>der</strong> verlangt nach<br />

ungeteilter Aufmerksamkeit. Und je<strong>der</strong> ist Erfüllungsgehilfe des An<strong>der</strong>en. Das Rad dreht<br />

und dreht sich – unaufhörlich. Wie ein Perpetuum mobile 7 . Anhalten? Aussteigen? Es geht<br />

nicht. Ich laufe und laufe. Es macht mir Spaß. Und die tägliche Routine ist so vertraut.<br />

6 Lehrling<br />

7 (lat.) Eine Konstruktion, die einmal in Gang gesetzt, ewig in Bewegung ist.<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 4 von 13


Ja, <strong>der</strong> ein o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Ausschlag – Spitzenzeiten und Extreme - nach oben und unten<br />

gehören nun einmal einfach zum Leben. So ist das halt. Wäre ja auch langweilig, wenn<br />

nix passieren würde und alles einträchtig vor sich hinplätschert. Und außerdem muss ich<br />

ja arbeiten, Geld verdienen.<br />

Wenn ich es mir so überlege...bin ich denn eigentlich gefragt worden, ob ich das Rad<br />

möchte? Ja, bin ich denn überhaupt gefragt worden, ob ich im Rad laufen will? Und<br />

warum gerade dieses? Wer hat mir dieses Ding denn hingestellt?<br />

Egon<br />

Egon fühlt sich wohl. Er genießt das betreute Wohnen, die behagliche Umgebung und die<br />

tolle Aussicht. Er liebt die Geselligkeit und <strong>aus</strong>gedehnte Wellness-Einheiten. Das kleine<br />

Päuschen am Vormittag, <strong>der</strong> alltägliche Mittagsschlaf und eine <strong>aus</strong>gedehnte Nachtruhe<br />

halten ihn jung, frisch und munter. Vergnügt und äußerst fröhlich bewegt er sich<br />

regelmäßig. Schlechte Laune kennt er nicht. Negative Gedanken genau so wenig. Die<br />

vierteljährlichen Routine-Untersuchungen bestätigen seine gute und robuste Verfassung.<br />

Er hat kein Gramm zu viel. Und auf die Ernährung legt er sehr viel wert. Er bevorzugt<br />

vegetarisches Essen – veganes Essen, um genau zu sein. Das ist In. Seit geraumer Zeit<br />

hat er ein neues Fitnessgerät. Einer seiner neuen Mitbewohner hat es ihm besorgt. Es<br />

steht im Wohnzimmer ist rund und mannshoch. Wenn er es mit dem Bein berührt setzt<br />

es sich in Bewegung. Toll. So oft er kann wird es benutzt. In je<strong>der</strong> freien Minute. Egon ist<br />

voller Stolz und zeigt jedem Besucher, wie das geht. Mit prüfendem Blick positioniert er<br />

sich, atmet bewusst tief ein und <strong>aus</strong> und bewegt dann langsam und mit Bedacht ein Bein<br />

nach dem an<strong>der</strong>en. Ohne große Anstrengung und fast geräuschlos bedient er es. Das<br />

Gerät verfügt über verschiedene Geschwindigkeitsstufen, welche er mühelos selbst<br />

regulieren kann. Und hat er einmal einen mutigen Tag und sehnt sich nach<br />

Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung, wechselt er die Ausgangsposition. Yippieh! Und los geht´s.<br />

Selten verliert er die Lust, meistens langweilt er damit seinen Besuch o<strong>der</strong> nervt seine<br />

Mitbewohner. Einen Trainingsplan hat er nicht. Und das Gerät ist ja immer in greifbarer<br />

Nähe. So läuft und läuft und läuft er. Tag ein, Tag <strong>aus</strong>. Nach Lust und Laune. Quietsch-<br />

vergnügt mit strahlenden Augen. Und sieht man genau hin, verziehen sich seine<br />

Tasthaare und das kleine Mäulchen zu einem ganz breiten Grinsen.<br />

Seltsam. Ob Egon die Bedeutung „am Rad drehen“ kennt? Hm. Und ob Egon jemals<br />

etwas von Burn-out gehört hat?<br />

Kaiserstrasse<br />

Ein Unternehmensberater hat gerade alle Abteilungen durchleuchtet. Er wurde damit<br />

beauftragt für das Bankinstitut und <strong>der</strong>en Belegschaft ein betriebliches Gesundheits-<br />

Managementkonzept zu erstellen. Wissenschaftliche Studien und Untersuchungen von<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 5 von 13


Krankenkassen belegen, dass betriebliche Gesundheitsprogramme die Leistungsfähigkeit<br />

und Motivation <strong>der</strong> Mitarbeiter för<strong>der</strong>n sowie Absenzen und Krankheitstage verringern.<br />

Der Bankvorstand genehmigt ein umfassendes Programm inklusive Maßnahmen zur<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das neben den bereits existenten betriebsärztlichen<br />

Check-ups, Mitarbeitergesprächen und Teamentwicklungs-Trainings zum Wohlbefinden<br />

und zum guten Life-Balance-Work <strong>der</strong> Bankangestellten beitragen soll. Laut<br />

Unternehmensberater sind Einsparungen im 6-stelligen Bereich möglich und die<br />

Wahrnehmung und <strong>der</strong> Image-Gewinn in <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit – auch als attraktiven<br />

Arbeitgeber – sind enorm. Zeitgleich beschäftigt sich <strong>der</strong> Bankvorstand gemeinsam mit<br />

dem Aufsichtsrat zum Einen mit mittelfristig anstehenden personalpolitischen<br />

Umstrukturierungen und schärferen <strong>Co</strong>ntrollingmaßnahmen, zum An<strong>der</strong>en müssen die<br />

Marketing- und Vertriebsstrategien auf die aktuelle und zukünftige Wirtschafts- und<br />

Finanzlage abgestimmt werden.<br />

Das Rad <strong>der</strong> Zeit<br />

Die Bank,- Finanz- und Versicherungsbranche klagt über dasselbe Leid: Die Kunden<br />

haben kein Vertrauen mehr - reagieren sensibel. Die Institute und Anbieter erreichen die<br />

Kunden nur noch bedingt – sie durchschauen langsam die Taktiken. Die Glaubwürdigkeit<br />

wird bereits intern und extern in Frage gestellt. Steigen<strong>der</strong> Kosten- und Erfolgsdruck<br />

sowie noch mehr Effizienz för<strong>der</strong>n den Unmut in <strong>der</strong> Belegschaft. Die Burn-out-Rate bei<br />

Fach- und Führungskräften nimmt rasant zu.<br />

Gymnasium<br />

Das P-Seminar hat heute Eltern, Lehrer, Schüler und örtliche Vertreter <strong>aus</strong> Politik und<br />

Wirtschaft zu einer Podiumsdiskussion geladen. Es ist die Abschlussveranstaltung des P-<br />

Seminars mit dem Thema: „Stirbt <strong>der</strong> Landkreis langsam <strong>aus</strong>?“ Ein Jahr lang wurden die<br />

P-Seminaristen von Mentoren <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft begleitet. Ziel war, neben <strong>der</strong><br />

Persönlichkeitsentwicklung und einem ersten Blick ins Unternehmens- und Berufsleben<br />

die selbständige Konzipierung, Planung und Durchführung dieser Veranstaltung. Die<br />

Mentoren konnten zeitgleich als Sponsoren gewonnen werden und fungieren zum Teil als<br />

aktive Diskussionsteilnehmer. Die Halle ist voll. Je<strong>der</strong> Platz besetzt. Das regionale<br />

Fernsehen zeichnet die Veranstaltung auf. Der Mo<strong>der</strong>ator holt von jedem Statements ein.<br />

Die Vertreter <strong>der</strong> Wirtschaft beklagen sich über das gesunkene Bildungsniveau, den<br />

gestiegenen Aufwand Schulabgänger Arbeitsplatztauglich zu machen und die<br />

schwindende Perspektive Fachkräfte in die Region zu locken. Bürgermeister und Landrat<br />

stellen die guten Infrastrukturen und das erweiterte Kultur-, Sport- und Freizeitangebot<br />

her<strong>aus</strong> und loben die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wirtschaft. Der Podiumsteilnehmer und<br />

zukünftige Schulabgänger möchte auf jeden Fall die Region verlassen, <strong>aus</strong>wärts studieren<br />

und nach Möglichkeit im Ausland arbeiten. Eine Perspektive für die Jugend sieht er hier<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 6 von 13


nicht. Ob er jemals zurück in die Heimat kommt ist fraglich. Eine rege Diskussion. Die<br />

geladenen Unternehmer propagieren ihre Trainee-Programme für die duale Ausbildung,<br />

Jobangebote, Praktika und weitere betriebliche Vorzüge. Ein Handwerker beschwert sich,<br />

dass Lehrer, Eltern und Schüler heutzutage nur noch auf Studium gepolt sind.<br />

Ausbildungen in ehrbaren Handwerksberufen möchte keiner mehr wahrnehmen, aber<br />

je<strong>der</strong> braucht doch einen Handwerker. Zudem schöpft die Industrie die guten Schüler ab.<br />

Aus dem Publikum bombardieren Schüler die Vertreter <strong>der</strong> Politik mit For<strong>der</strong>ungen für<br />

mehr Freizeitangebot, angepasste Bus- und Bahn-Fahrpläne, Einbeziehung in<br />

Entscheidungen und mehr Mitspracherecht. Politiker und Unternehmer halten das<br />

Verhalten <strong>der</strong> Jugendlichen, wie z.B. das Komasaufen, zunehmend auftretende<br />

Massenschlägereien bei Veranstaltungen, dagegen. Die Vertreter <strong>der</strong> Wirtschaft werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t mehr Ferienjobs, Praktikumsplätze und Ausbildungsstellen zur Verfügung zu<br />

stellen und sich offensichtlicher, wahrnehmbarer und attraktiver zu präsentieren. Ein<br />

Unternehmer <strong>aus</strong> dem Publikum stellt fest, dass die örtlich ansässigen Betriebe gut<br />

aufgestellt sind und eigens Abteilungen bzw. Programme initiiert haben, die sich <strong>der</strong><br />

optimalen Lehrstellen- und Fachkräfterekrutierung widmen, die Internetpräsenzen gut<br />

gepflegt und auf dem aktuellsten Stand sind. Von den Anwesenden Schülern will er<br />

genau wissen, was sie denn an Eigeninitiative und Engagement bereit sind beizusteuern.<br />

Eltern und Lehrer melden sich nicht zu Wort.<br />

Die Beobachtung <strong>der</strong> Zeit<br />

Politik, Wirtschaft, Institutionen, Verbände, Vereinigungen, Netzwerke versuchen<br />

heutzutage im Rahmen ihrer Möglichkeiten und auf ihre Art und Weise das Bestmögliche<br />

zu tun und differenzierten Entwicklungen gegenzusteuern.<br />

Familienbetrieb<br />

Der neue Motortester ist da und die abendliche Mitarbeiterschulung startet gleich. Der<br />

Chef bespricht mit dem Referenten nebenan noch letzte Details. Die Mutter bereitet im<br />

Schulungsraum das im Anschluss versprochene Vesper. Der Ausrutscher des zu spät<br />

kommenden Mitarbeiters wird nun für alle Anwesenden zur Zerreißprobe. Eine “Tretmine”<br />

hatte sich an seinen Schuh geheftet und Spuren im Raum hinterlassen. Der Mechaniker<br />

hat sich schnurstracks zur Schuhreinigung in den Waschraum begeben. Die an<strong>der</strong>en<br />

Mitarbeiter mockieren sich lautstark und auf ihren Stühlen klebend “hier stinkt´s!”, “pfui<br />

deibel, das ist ja eklig!”, “wer macht das weg?” usw. und so fort. Eine heiße,<br />

zeitraubende und eigentlich für alle nervtötende Diskussion entbrannte, bis sich endlich<br />

<strong>der</strong> Geselle erhebt und seinen Beitrag dazu leistet: Er besprüht das Areal mit<br />

parfümiertem Raumspray! Gefühlte endlose Minuten später und <strong>aus</strong> Leibeskräften von<br />

den Anwesenden kommentiert “ihgitt, ist das eklig”, “Bäh!”, erbarmt sich letztendlich<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 7 von 13


Kopf schüttelnd und genervt von so viel es-geht-mich-nichts-an-Verhalten die Mutter und<br />

beseitigt den “Stein des Anstoßes”.<br />

Die Entwicklung <strong>der</strong> Zeit<br />

Ist diese Beobachtung ein Synonym für den Zustand <strong>der</strong> heutigen Gesellschaft? Einer<br />

baut „Mist“, alle sehen zu und keiner tut etwas? Schlimmer noch, es wird übertüncht<br />

bzw. schön „unter den Teppich“ gekehrt, so dass es erst recht zu stinken anfängt! Ja,<br />

pfui deibel. Ist denn niemand mehr in <strong>der</strong> Lage für den An<strong>der</strong>en einzuspringen? Und<br />

je<strong>der</strong> jammert auch noch darüber, dass die Zeiten immer schwieriger werden! Was ist<br />

denn bloß los da draußen?<br />

Erziehen übernommene, an internationale Standards angepasste Businessmodelle,<br />

wissenschaftlich vielgerühmte Managementkonzepte, institutionalisierte Standards und<br />

<strong>aus</strong>geklügelte Normen, gesellschaftspolitische Organisationsstrukturen und ein<br />

differenziertes Werteverständnis möglicherweise Menschen zur Hilflosigkeit, Untätigkeit<br />

und Phlegma? Eigeninitiative und eigenverantwortliches Handeln werden offiziell verlangt<br />

und sind gefragt, [nachlesbar in den vielen Stellen<strong>aus</strong>schreibungen <strong>der</strong> renommierten<br />

Tageszeitungen] werden förmlich propagiert! Ja - o<strong>der</strong> ist dies etwa doch unerwünscht?<br />

Einerseits bieten Organisationen und Betriebe bestmögliche Arbeitsplatzbedingungen und<br />

Karrierechancen o<strong>der</strong> tun sie das nur, um im Gegenzug Mitarbeitern noch mehr die<br />

Daumen-Schrauben anzulegen und die Taktung und Kontrolle höher zu fahren? Wen<br />

wun<strong>der</strong>t´s da, dass Unzufriedenheit, innere Kündigung, Absentismus 8 und gestiegene<br />

Burn-out-Raten Anzeichen eigens geschaffener „Tretminen“ sind, denen sich<br />

Unternehmen hilflos <strong>aus</strong>gesetzt sehen und zu “aggressivem” Handeln – durch weitere<br />

neue (von außen aufgesetzte bzw. übergestülpte) Konzepte und Modelle – motiviert<br />

fühlen. Da mach mir doch den Hamster! Eine verrückte Welt!<br />

Das Perpetuum mobile gibt es tatsächlich – mit dem liebevollen Namen „Egon“!<br />

8 (lat. absentia), in <strong>der</strong> Arbeits- und Organisationspsychologie: Fehlzeiten, die aufgrund Probleme im privaten<br />

Umfeld o<strong>der</strong> motivationale Ursachen haben.<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 8 von 13


Dritter Aufzug<br />

Zuckerbrot und Peitsche. Den Beobachtungen naheliegend scheint es mir, als ob die<br />

Menschheit sich im Zustand des Tiefschlafs befindet, sie zwar das Sklaventum in den<br />

Geschichtsbüchern hinterlegt hat, sich aber seit <strong>der</strong> Industrialisierung und<br />

Hochtechnisierung offensichtlich erst recht im „persönlichen“ Sklaventum befindet.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Zeiten. Nur mit dem kleinen, feinen Unterschied, dass sie es selbst so will und<br />

braucht. Den momentanen Zustand unserer Welt betrachtend könnte ich fast denken,<br />

<strong>der</strong> global agierende Welthandel, die soziale Marktwirtschaft, die Demokratie und unsere<br />

Gesellschaft leiden selbst unter Burn-out! Hat vielleicht das kleine possierliche Tierchen<br />

Egon den Burn-out erfunden? Als Hallo-Wach für die Menschheit? Sozusagen als <strong>der</strong><br />

Hamster und sein Rad? Wer weiß...<br />

Egons´ Rad<br />

Ich bin groß, mannshoch und äußerst robust. Von Natur <strong>aus</strong> biete ich zwei<br />

Aktivitätsstufen, die ich selbst nicht steuern kann: Null und Eins. Steht <strong>der</strong> Schalter auf<br />

Null, bin ich in Ruhe und habe P<strong>aus</strong>e. Steht er auf Eins, ist Action angesagt. Dann bin ich<br />

beweglich und funktioniere wie ein „Duracell 9 -Hase“. Die Eins hat zudem unterschiedliche<br />

Geschwindigkeitsphasen, die stufenlos regelbar von „Schneckentempo“ bis<br />

„Hochgeschwindigkeit“ variieren. Meine Aura hat etwas Magisches an sich und ist extrem<br />

anziehend für die Spezies des Homo sapiens 10 . Für die Gattung <strong>der</strong> neugierigen Nagetiere<br />

bin ich eine willkommene und gern genutzte Abwechslung. Ich bin Zeitvertreib,<br />

Spielzeug, Lebenspuls und Droge zugleich. „Sichtbar Unsichtbar“ das ist mein<br />

Markenzeichen. Und ich habe Macht. Viel Macht! Denn: wer mich einmal betreten hat,<br />

verlässt mich so schnell nicht wie<strong>der</strong>. Es sei denn, er kennt mein Geheimnis.<br />

Auslöser von grundlegenden Verän<strong>der</strong>ungen in Lebens- und Arbeitsgewohnheiten sind<br />

größtenteils gravierende Einschnitte, Situationen, Ereignisse und Erlebnisse. Dinge, die in<br />

unserem unmittelbaren Umfeld passieren, uns direkt - und in den meisten Fällen - die<br />

eigene Gesundheit betreffen, unser aktuelles Lebensmodell überdenken, den verloren<br />

gegangenen Lebensfaden aufgreifen o<strong>der</strong> uns <strong>aus</strong> alt gedienten Überzeugungen und<br />

Werten handeln lassen. Wieso entdecken Banker auf einmal ein Leben außerhalb von<br />

Investments, Derivaten, Termingeschäften, H<strong>aus</strong>se & Baisse 11 , steigen <strong>aus</strong> und schreiben<br />

Bücher? Weshalb sind engagierte Lehrer nach den ersten Jahren des Schuldienstes<br />

geläutert, demotiviert und zunehmend dienstunfähig? Was veranlasst Handwerksbetriebe<br />

und Familienunternehmen trotzdem dazu, Traditionen fortzuführen obwohl die Aussicht<br />

9<br />

Batterien <strong>der</strong> Firma Duracell; bekannt <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Fernseh-Werbung mit dem Hasen – www.duracell.de<br />

10<br />

(lat.) einsichtsfähiger / weiser Mensch<br />

11<br />

(frz.) beschreiben die Kursentwicklung an <strong>der</strong> Börse; H<strong>aus</strong>se = anhaltend steigende Kurse; Baisse =<br />

anhaltend fallende Kurse<br />

2012 © Elke Susanne Gillardon. Alle Rechte vorbehalten. Seite 9 von 13


auf Existenzsicherung schwindet? Warum erlebt das Pilgern eine Renaissance? Ist „Ich<br />

bin dann mal weg“ gleichbedeutend mit „<strong>aus</strong> dem Hamsterrad <strong>aus</strong>steigen“?<br />

Egon tut es freiwillig und hat noch Spaß dabei. Egons´ Rad ist erschaffen. Das<br />

Geheimnis: Es wird durch jeden einzelnen von uns selbst erschaffen. Auch von mir. Ich<br />

kann es bedienen, in Bewegung setzen, <strong>aus</strong>steigen, drum herum laufen, es betrachten<br />

und stehen lassen. Ich kann es mit Gelassenheit, Neugier, Freude und Vergnügen<br />

betätigen. Wie Egon. O<strong>der</strong> mit Gleichmut, Beharrlichkeit, Angst, Frustration und<br />

Aussichtslosigkeit. Ich habe die Wahl.<br />

Unser Banker, unser Lehrer und unser Handwerker haben auch die Wahl. Tagtäglich.<br />

Hingegen bemerkten sie nicht, wie sie sich haben verführen lassen. Und wie<strong>der</strong> ein<br />

An<strong>der</strong>er sieht und weiß es, kommt aber nicht alleine da r<strong>aus</strong>. Ein Fall für „<strong>R<strong>aus</strong></strong>-<strong>aus</strong>-<strong>der</strong>-<br />

<strong>Rolle</strong>.“<br />

<strong>R<strong>aus</strong></strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Rolle</strong><br />

Es wäre doch schön, eine gute Fee zu haben, die im Falle eines Falles uns sofort per<br />

Stups mit dem Zauberstab auf die Nase daran erinnert in welchem „Fahrwasser“, welcher<br />

liebgewonnenen Gewohnheit o<strong>der</strong> besser gesagt „in welchem Hamsterrad 12 “ wir uns<br />

gerade – und wie<strong>der</strong> einmal gerne - befinden. Die uns veranlasst innezuhalten, das Rad<br />

[o<strong>der</strong> die Mühle] für uns anhält, uns <strong>aus</strong>steigen und es uns – losgelöst - von außen<br />

betrachten lässt. Um dann vielleicht wie<strong>der</strong> einzusteigen. Diesmal mit an<strong>der</strong>er<br />

Aufmerksamkeit. Sensibler. Bewusster.<br />

Kein leichtes Unterfangen. Ich weiß. Schwupdiewups sind wir wie<strong>der</strong> schneller in unseren<br />

Gewohnheiten verfallen, als uns lieb ist. Ob in <strong>der</strong> Kommunikation mit unseren<br />

Angehörigen, Partnern, Mitarbeitern o<strong>der</strong> dem Chef, in <strong>der</strong> Umsetzung von guten<br />

Vorsätzen, im Ernährungs- und Bewegungsverhalten, im Umgang mit unserem Körper<br />

und unserer Gesundheit, im Gebrauch von Mobiltelefonen, Internet und Social Media 13 , in<br />

<strong>der</strong> Art und Weise wie wir Denken und Handeln, usw. und so fort. Dabei fehlt noch etwas<br />

ganz Entscheidendes: 1. Je<strong>der</strong> von uns hat die Fähigkeit das Hamsterrad zu sehen. 2.<br />

Je<strong>der</strong> von uns kennt das Geheimnis. Nur: Es wird zuerst und gerne vor <strong>der</strong> Tür des<br />

Nachbarn gekehrt, d.h. spielend bemerken wir das „Hamsterrad“ bei Menschen in<br />

unserem Umfeld. Es ist nun einmal viel leichter Dinge im Außen und in <strong>der</strong> Beobachtung<br />

festzustellen als bei sich selbst. Und es sich eingestehen.<br />

12 gerne auch als Tretmühle bezeichnet<br />

13 Soziale Medien: digitale Medien (Plattformen) und Technologien, die zur gegenseitigen Kommunikation und<br />

zum interaktiven Aust<strong>aus</strong>ch von Informationen genutzt werden.<br />

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O<strong>der</strong> sind es vielleicht die uns zugedachten <strong>Rolle</strong>n, die uns „ins <strong>Rolle</strong>n bringen“, „ins<br />

Hamsterrad einsteigen lassen“? <strong>Rolle</strong>n, die wir tagtäglich spielen. Der Banker, <strong>der</strong> Lehrer,<br />

<strong>der</strong> Handwerker sind <strong>Rolle</strong>n <strong>aus</strong> denen Zuständigkeiten, Verantwortung und Aufgaben<br />

erwachsen und denen damit teils strenge Handlungsspielräume definiert sind. Und so wie<br />

ich hier in die verschiedenen <strong>Rolle</strong>n geschlüpft bin und <strong>aus</strong> <strong>der</strong> jeweiligen <strong>Rolle</strong><br />

beobachtet habe, so befinde ich mich und wir uns tagtäglich bewusst und unbewusst in<br />

den unterschiedlichsten <strong>Rolle</strong>n wie<strong>der</strong>. Wir handeln <strong>aus</strong> unseren zugedachten,<br />

angenommenen, erworbenen, entwickelten, erlernten <strong>Rolle</strong>n her<strong>aus</strong> - <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Rolle</strong> des<br />

Anwalts, des Steuerberaters, des Mo<strong>der</strong>ators, <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Mutter- o<strong>der</strong> Vaterrolle, <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Rolle</strong> des Beraters, Heilpraktikers, Bru<strong>der</strong>s, Schülers, Azubi, Freundes, Ehepartners etc.<br />

Sind es die uns zugedachten <strong>Rolle</strong>n, denen wir um ein Vielfaches gerecht werden wollen<br />

und zum Teil müssen? Können wir sie nicht einfach wie ein Kleidungsstück ablegen, bei<br />

Bedarf wie<strong>der</strong> anziehen o<strong>der</strong> wenn wir her<strong>aus</strong>gewachsen sind, erneuern? Es wie Altes<br />

und Abgetragenes in den Klei<strong>der</strong>sack geben? O<strong>der</strong> es sogar ganz weglassen?<br />

Je<strong>der</strong> von uns kommt und geht nackt. Klei<strong>der</strong> machen Leute und Funktionen. Aus<br />

Funktionen entstehen <strong>Rolle</strong>n. Und hier<strong>aus</strong> entstehen wie<strong>der</strong>um Erfahrungen, Erlebnisse,<br />

Geschichte. Die <strong>Rolle</strong>n sind wie Gewohnheiten, liebgewonnene Kleidungsstücke, die ich<br />

trage – mehr o<strong>der</strong> weniger intensiv, mehr o<strong>der</strong> weniger nah am Körper, mehr o<strong>der</strong><br />

weniger auffällig, offensichtlich o<strong>der</strong> verdeckt. O<strong>der</strong> manchmal auch nur als ein Schutz.<br />

Gelingt es uns diese <strong>Rolle</strong>n bewusst und in vollem Gewahrsein zu erkennen, zu tragen,<br />

und wie<strong>der</strong> abzulegen, sind wir meines Erachtens im Gleichgewicht. Denn dann haben wir<br />

erkannt, dass wir selbst es sind, die das Rad bedienen. Den Schalter betätigen. Und<br />

gelingt es uns zusätzlich, sich für einen Moment in Situationen in die <strong>Rolle</strong> des An<strong>der</strong>en<br />

hineinzuversetzen, die Situation <strong>aus</strong> seiner Perspektive und <strong>aus</strong> einer „neutralen“<br />

Vogelperspektive zu betrachten, gewinnen wir Abstand und Ruhe. Neue<br />

Handlungsmöglichkeiten, Perspektiven und Lösungen eröffnen sich. Und das Rad steht in<br />

diesem Augenblick ganz still. Ich kann es förmlich spüren.<br />

Entsteht Burn-out erst, wenn uns die Kleidung (<strong>Rolle</strong>) unserem Körper zu eng geworden<br />

ist. O<strong>der</strong> ist es ein Infarkt <strong>der</strong> Seele? Der Ruf <strong>der</strong> Seele nach Wahrnehmung? Der Schrei<br />

nach Anerkennung und Annahme des eigenen und wahren ICH und <strong>der</strong> eigentlichen<br />

(Lebens-)Aufgabe?<br />

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Fragen über Fragen auf die ich keine konkrete Antwort geben kann. Denn je<strong>der</strong> erlebt<br />

diese Situationen an<strong>der</strong>s und je<strong>der</strong> hat seine Sicht <strong>der</strong> Dinge. Seine Wirklichkeit. Sein<br />

Weltbild. Aber vielleicht ist es mir anhand <strong>der</strong> drei <strong>Rolle</strong>n ein klein wenig gelungen einen<br />

Denkprozess anzustoßen, <strong>der</strong> dazu animiert, das eigene Leben einmal zu reflektieren.<br />

Dem Lauf <strong>der</strong> Zeit können wir uns nicht entziehen. Ihm mutig entgegen gehen mit <strong>der</strong><br />

Einstellung und dem Bewusstsein, dass je<strong>der</strong> seinen Beitrag dazu leistet durch Tun o<strong>der</strong><br />

Lassen – aktiv wie passiv, dass es ist, wie es ist! Und wir sollten wie<strong>der</strong> lernen, Mensch<br />

zu sein. Ein Mensch in seiner Ganzheit.<br />

Eine Empfehlung kann ich gerne weitergeben: Beobachten Sie sich selbst. Die Sinne<br />

werden dadurch geschärft und eine höhere Wahrnehmung gewinnt an Raum. Und die<br />

<strong>Rolle</strong> fällt <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Rolle</strong>.<br />

Im Vertrauen üben.<br />

Augenblicke<br />

In <strong>der</strong> Magie – und im Leben –<br />

gibt es nur den gegenwärtigen Augenblick, das JETZT.<br />

Man misst die Zeit nicht wie die Entfernung zwischen zwei Punkten.<br />

Die »Zeit« vergeht nicht.<br />

Der Mensch tut sich ungeheuer schwer damit,<br />

sich auf die Gegenwart zu konzentrieren;<br />

er denkt ständig an das, was er getan hat,<br />

daran, was er hätte besser machen können,<br />

an die Folgen seines Handelns,<br />

warum er nicht so gehandelt hat,<br />

wie er es hätte tun müssen.<br />

ALEPH<br />

Aus Paulo <strong>Co</strong>elho, Augenblicke,<br />

Buchkalen<strong>der</strong> 2012, Diogenes Verlag<br />

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Zur Person:<br />

Elke Susanne Gillardon<br />

Geschäftsführende Gesellschafterin <strong>der</strong><br />

<strong>GiLLARDON</strong> <strong>KG</strong> – ist <strong>aus</strong>gebildeter<br />

systemischer <strong>Co</strong>ach, und Erfolgstrainerin<br />

mit langjähriger Erfahrung im<br />

Führungskräfte- und Management-<br />

Training und hat die Medial- und<br />

Heilerschulung nach Kn<strong>aus</strong>s/Sonnenschmidt<br />

abgeschlossen.<br />

Mit Klarheit, Gespür und Weitblick<br />

inspiriert sie Menschen und Unternehmen,<br />

regt zum Nachdenken an, bringt positive<br />

Verän<strong>der</strong>ungsprozesse in Gang und<br />

motiviert zum Handeln. Mit ihrer lockeren<br />

und klaren Art Wissen zu vermitteln,<br />

begeistert sie ihre Teilnehmer und erzielt<br />

so nachhaltige Verän<strong>der</strong>ungseffekte.<br />

Weitere Infos zur Person finden Sie unter www.gillardon.org o<strong>der</strong> in ihrem Blog<br />

www.elke-gillardon.de.<br />

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