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Ausgabe 04-2011 - GEW-Saarland

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THEMA: ARBEITSZEIT UND ARBEITSBELASTUNG<br />

Andrea Wirtz (Ver.di,<br />

Betriebsrätin bei Schlecker)<br />

Die Öffnungszeiten der Schlecker-<br />

Filialen wurden verlängert, und am<br />

Personal wurde und wird gespart. Wie<br />

passt das zusammen? Wir haben nicht nur<br />

alle Hände voll zu tun, wir werden auch<br />

häufig kontrolliert. Und es wird von uns<br />

verlangt, uns hohe Ziele zu stecken. Wie<br />

wenig Zeit man uns aber einräumt, zeigt<br />

sich oft daran: Längst ist der Laden zu –<br />

und wir erledigen immer noch Arbeiten,<br />

die vorher einfach nicht beendet werden<br />

konnten.<br />

Und wenn wir dann nach Hause kommen<br />

- dann warten Wäscheberge…, und<br />

es sollte gekocht sein…, und ich bin müde<br />

und schlapp und habe keine Energie mehr,<br />

irgendetwas zu tun. In der Filiale und<br />

zuhause dasselbe Gefühl: unter Druck zu<br />

stehen!<br />

Und sonntags sollen wir dann auch<br />

noch verkaufen, sagt mein Chef. „Es sind<br />

ja nur ein paar Stunden“, sagt er. Ja, es sind<br />

leider die Stunden, die dann fehlen: für<br />

den Spaziergang mit dem Hund, die<br />

Gelegenheit abzuschalten oder was mit<br />

den Kindern zu machen oder Kaffee zu<br />

trinken bei den Eltern oder um den neuen<br />

Film im Kino anzuschauen.<br />

„Es sind ja nur ein paar Stunden“, sagt<br />

nicht nur mein Chef. So denken auch viele<br />

Menschen, für die der Einkaufsbummel<br />

am Sonntag „Freizeitgestaltung“ ist. Ich<br />

wünsche mir oft, sie würden nicht nur an<br />

ihre eigene Freizeitgestaltung denken, sondern<br />

auch an die anderer Menschen. Ob<br />

das zu viel verlangt ist? Als Kundin lassen<br />

mich spezielle Angebote kalt, die es nur an<br />

Sonntagen in den Geschäften gibt, weil sie<br />

anderen das Leben schwer machen. Wenn<br />

viele mitmachten und nicht an den<br />

Sonntagen einkaufen gingen, käme unser<br />

Leben wieder ins Lot, stünden wir viel<br />

weniger unter Druck.<br />

Wir eroberten uns Zeit zurück – gerade<br />

auch gemeinsame Zeit. Zeit zum Mensch-<br />

Sein! Darum wehre ich mich als<br />

Betriebsrätin gegen Sonntagsarbeit und<br />

gegen Öffnungszeiten bis spät in die<br />

Nacht. Sie bringen uns aus dem Lot.<br />

EuWiS <strong>04</strong>/<strong>2011</strong> | 6<br />

Allianz für den freien Sonntag<br />

Beiträge zum Rundfunk-Gottesdienst am 20. Februar <strong>2011</strong><br />

Stefanie Nutzenberger<br />

(Gewerkschaftssekretärin<br />

bei ver.di.)<br />

Ich bin froh und stolz über die Allianz<br />

für den freien Sonntag … Mir geht es um<br />

die Frauen und Männer im Einzelhandel.<br />

Für sie ist es schwieriger geworden, ihre<br />

Arbeit und ihren übrigen Lebensalltag gut<br />

mit einander in Einklang zu bringen, denn<br />

die Geschäfte haben die Belegschaft einerseits<br />

verkleinert, andererseits die Öffnungszeiten<br />

ausgedehnt. Das heißt ja: Die<br />

Einzelnen müssen mehr Arbeit verrichten.<br />

Es kommt aber noch etwas<br />

Bedenkliches hinzu: Viele der Frauen<br />

arbeiten in geringfügiger Beschäftigung.<br />

Oder Männer und Frauen werden immer<br />

häufiger als Leiharbeitnehmerinnen und<br />

Leiharbeitnehmer eingesetzt. Sie wissen<br />

nicht, wie sie ihre Miete bezahlen sollen.<br />

Oder ob sie in einem Jahr noch ihre Arbeit<br />

haben, wissen sie auch nicht. Sie fühlen<br />

sich daher schwach und wehren sich oft<br />

nicht, wenn sie sonntags arbeiten sollen.<br />

Sie fürchten um ihre Arbeit!<br />

Wir wollen und können sie als<br />

Gewerkschaft unterstützen. Damit sie<br />

unter besseren Bedingungen arbeiten und<br />

leben können. Dabei ist es mir wichtig, in<br />

einer Gesellschaft zu leben, in der wir<br />

unser Leben perspektivisch gestalten können.<br />

Unbefristete Arbeitsverträge sind<br />

daher wichtig. Dadurch fühlen sich<br />

Menschen respektiert und in ihrer Würde<br />

geachtet.<br />

Wir möchten doch alle gut leben. Eine<br />

wichtige Voraussetzung dafür: Arbeitszeiten,<br />

die uns ermöglichen, Zeit für uns<br />

selbst zu haben. Zur Ruhe zu kommen, in<br />

einem zeitlichen Rhythmus zu leben.<br />

Dann kann man auch die manchmal<br />

unvermeidliche Hektik an den Werktagen<br />

ertragen, wenn es Sonntage gibt, an denen<br />

man ausspannen, durchatmen und Kraft<br />

tanken kann.<br />

„Nein“ sagen zum Arbeiten an<br />

Sonntagen und an Feiertagen, spät abends<br />

noch oder gar rund um die Uhr – das ist<br />

für mich ein Menschenrecht, um Mensch<br />

zu sein. Und um gesund zu bleiben, um<br />

fröhlich und engagiert und energiegeladen<br />

in Job und Gesellschaft leben und arbeiten<br />

zu können.<br />

Albert Ottenbreit<br />

(Katholische Arbeitnehmerbewegung.)<br />

Wir arbeiten im Wesentlichen ehrenamtlich:<br />

Wenn wir uns treffen, kommen<br />

wir abends zusammen. Planen wir<br />

Aktionen oder eine Bildungsveranstaltung,<br />

laden wir dazu am Wochenende ein.<br />

Das aber setzt voraus, dass das Wochenende<br />

gemeinsam gestaltbare freie Zeit ist.<br />

Nun stellen wir aber fest: Schichtdienste<br />

nehmen zu, die Arbeitszeiten werden zwar<br />

flexibler, umfassen dann aber auch oft das<br />

Wochenende – und zunehmend müssen<br />

Menschen für einen Arbeitsplatz weite<br />

Anfahrten in Kauf nehmen. Das sind<br />

wenig familienfreundliche Entwicklungen.<br />

Wir von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung<br />

bekommen das auch zu<br />

spüren. Die Leute fühlen sich von ihrer<br />

Arbeit so in Beschlag genommen, dass es<br />

ihnen schwer fällt, bei uns oder anderswo<br />

ehrenamtlich mitzuarbeiten. Damit verlieren<br />

die Leute eine Möglichkeit, aus der sie<br />

für sich viel Sinn schöpften: nämlich sich<br />

einzubringen in Bereiche gesellschaftlichen<br />

Lebens und diese mit zu gestalten.<br />

Mir macht das deutlich, wie wichtig es<br />

ist, dass es den geregelten Feierabend an<br />

Werktagen und besonders den arbeitsfreien<br />

Sonntag gibt. Die Fixierung auf die<br />

Arbeit raubt uns Lebensqualität. Wir<br />

brauchen Zeit für uns, wir brauchen die<br />

Unterbrechung: damit die Familie zu<br />

ihrem Recht kommt, dass wir freundschaftliche<br />

und nachbarschaftliche Kontakte<br />

pflegen, dass wir uns gesellschaftlich<br />

und politisch engagieren können, dass wir<br />

in den Gottesdienst gehen oder kulturelle<br />

Bedürfnisse befriedigen können.<br />

Aus diesen Gründen setzen wir uns bei<br />

der Katholischen Arbeitnehmerbewegung<br />

dafür ein, dass Erwerbsarbeit am Abend<br />

und am Wochenende auf das wirklich notwendige<br />

Maß beschränkt bleibt. Deshalb<br />

haben wir uns auch mit anderen Verbänden<br />

in der „Allianz für den freien Sonntag“<br />

zusammengeschlossen. Uns eint die<br />

Auffassung, dass Leben mehr ist als Arbeit,<br />

Produktion und Geld verdienen. <br />

THEMA: ARBEITSZEIT UND ARBEITSBELASTUNG<br />

Helden des Alltags<br />

Ergebnisse der Schulleitungs- und Lehrkräftebefragung TALIS in Deutschland<br />

Bereits im letzten Jahr wurden die ersten<br />

Ergebnisse der Online-Befragung der<br />

<strong>GEW</strong> in einem Beiheft der ‚Deutschen<br />

Schule’ vorgestellt. Neben vielen erwarteten<br />

Ergebnissen gibt es auch die eine oder<br />

andere Überraschung, die uns ins<br />

Nachdenken versetzen sollte. Insbesondere<br />

sind viele der Antworten auch interessant<br />

für die Arbeit der <strong>GEW</strong>.<br />

In der Studie wird über die<br />

Arbeitssituation, Haltungen und Überzeugungen<br />

sowie über die Bedingungen der<br />

täglichen Arbeit berichtet. Die komplette<br />

Zusammenfassung aller Ergebnisse, aus<br />

der hier sinngemäß und wörtlich zitiert<br />

wird, findet sich in dem von Marianne<br />

Demmer und Matthias von Saldern<br />

herausgegebenen 11. Beiheft zur Zeitschrift<br />

‚Die Deutsche Schule’ und ist im<br />

Jahr 2010 im Waxmann-Verlag erschienen<br />

(ISBN: 978-3-8309-2312-1). In den folgenden<br />

Zeilen soll versucht werden, einen<br />

Überblick über besonders interessante<br />

Ergebnisse zu geben. Diese Auswahl ist<br />

natürlich subjektiv geprägt.<br />

Im ersten Teil der Studie geht es um das<br />

Profil der an Schule beteiligten Menschen<br />

in Deutschland. Von den Lehrerinnen und<br />

Lehrern in Deutschland besitzen ca. 2/3<br />

eine Stelle mit vollem Stundendeputat.<br />

Ihre Arbeitsbelastung schätzen die<br />

LehrerInnen sehr unterschiedlich ein. In<br />

Ihren Einschätzungen gelangen Sie durchschnittlich<br />

auf ca. 43 Zeitstunden pro<br />

Woche. Spannend erscheint die Tatsache,<br />

dass im internationalen Vergleich in<br />

Deutschland mehr unterstützendes Lehrpersonal<br />

vorhanden ist, dagegen das<br />

Verwaltungspersonal auf einem niedrigen<br />

Zahlenwert stagniert. Auch an pädago-<br />

gisch unterstützendem Personal scheint<br />

nach Ansicht vieler SchulleiterInnen in<br />

Deutschland eher Mangel zu herrschen.<br />

Aus diesem Grunde ist es auch nicht verwunderlich,<br />

dass viele LehrerInnen ihre<br />

Verwaltungstätigkeit als anteilmäßig überdimensioniert<br />

empfinden. Als ebenfalls<br />

sehr belastend werden Unterrichtsstörungen<br />

wahrgenommen.<br />

Bei den Überzeugungen und Einstellungen<br />

der LehrerInnen zeigt sich im<br />

zweiten Teil ein ebenfalls interessantes<br />

Bild. Weiterhin ist Deutschland ein Land<br />

des stark strukturierten Unterrichts.<br />

Deutsche LehrerInnen tendieren auch in<br />

dieser Umfrage deutlich in diese Richtung,<br />

wobei zu erwähnen ist, dass Lehrerinnen<br />

eher zu schülerorientierten Methoden neigen<br />

als Lehrer. Sehr selten ist in Deutschland<br />

auch echte Kooperation in den<br />

Kollegien, wie z.B. fächerübergreifendes<br />

Unterrichten, kollegiale Hospitation oder<br />

gemeinsame Aktivitäten zwischen verschiedenen<br />

Klassen. Positiv ist anzumerken,<br />

dass über 90 % der LehrerInnen sich<br />

als erfolgreich empfinden. Leider sind<br />

auch viele Lehrkräfte der Meinung, dass<br />

ihr Ansehen gering ist - ein Umstand der<br />

nicht notwendigerweise zu mehr Arbeitszufriedenheit<br />

beiträgt.<br />

Die Kapitel 3 und 4 beschäftigen sich<br />

mit Evaluation und Schulleitung. Die<br />

deutschen Schulleitungen teilen ihren<br />

Lehrkräften häufiger als im TALIS-<br />

Durchschnitt ihre Schwächen mit.<br />

Allerdings ist der Anteil darauf aufbauender<br />

konkreter Maßnahmen im Vergleich<br />

zu den internationalen Daten geringer.<br />

Deutlich unter dem Durchschnitt liegt<br />

Deutschland bei der Sicherstellung häufigerer<br />

Kontrollen der betroffenen Lehrkräfte.<br />

Während international 78,6 % der<br />

Befragten das Feedback der Schulleiter als<br />

Hilfe für die Weiterentwicklung ihrer<br />

Arbeit sehen, sind dies in Deutschland nur<br />

50 % der LehrerInnen. Dazu passt auch<br />

die Erwähnung der Tatsache, dass zwischen<br />

der Wahrnehmung der Schulleitung<br />

durch die Lehrkräfte und der Selbstbeschreibung<br />

der Schulleitungen große<br />

Differenzen bestehen. Lehrkräfte nehmen<br />

die Bemühungen der Schulleitung deutlich<br />

seltener wahr, als es die Schulleitungen<br />

tun. <br />

Matthias Römer<br />

EuWiS <strong>04</strong>/<strong>2011</strong> | 7

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