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Christiane Lukatis, Museumslandschaft Hessen Kassel<br />

Die digitalen Bestandskataloge der Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen<br />

Kassel - Konzepte, Erfahrungen, Visionen<br />

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

erlauben Sie mir eine Vorbemerkung, bevor ich Ihnen die drei digitalen Bestandskataloge der<br />

Graphischen Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel vorstelle. Verfolgt man die<br />

Wege der Digitalisierung, die vor allem die großen Graphischen Sammlungen in den letzten<br />

Jahren beschritten haben, so fällt folgende Diskrepanz auf: Immer mehr Sammlungen stellen<br />

zum Teil riesige Bestandsgruppen an Handzeichnungen oder druckgraphischen Blättern mit<br />

technischen Daten und hoch aufgelösten Abbildungen ins Netz. Dreht es sich jedoch um<br />

wissenschaftliche Bestandskataloge, in die aufwendige wissenschaftliche Recherchen<br />

eingeflossen sind, so bevorzugen gerade deutsche Sammlungen nach wie vor fast<br />

ausnahmslos die traditionelle Buchform. Dabei haben Online-Publikationen dem gedruckten<br />

Buch einiges voraus. Sie sind in der Regel kostengünstiger. Die Qualität ihrer Abbildungen<br />

übertrifft diejenige von Büchern bei weitem. Durch die Möglichkeit, die Bilder problemlos zu<br />

vergrößern, sind digitale Abbildungen zum Teil besser lesbar als das Original. Weiter<br />

versprechen Online-Kataloge eine größere Verbreitung als die zumeist in niedriger Auflage<br />

gedruckten, nur in Fachbibliotheken zugänglichen Kataloge. Warum sind digitale<br />

Bestandskataloge dennoch eher die Ausnahme als die Regel?<br />

Lassen Sie mich kurz von meinen Erfahrungen berichten: Die Graphische Sammlung der<br />

Museumslandschaft Hessen Kassel (ehemals Staatliche Museen Kassel) hat seit 1999 ihre<br />

Bestandskataloge überwiegend digital publiziert. Die Anfänge waren gewissermaßen aus der<br />

Not geboren. Ein Bestandskatalog der Zeichnungen des hessischen Architekten Heinrich<br />

Christoph Jussow mit über 900 Zeichnungen, der in den 70er Jahren von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft gefördert, aber nie vollendet worden war, sollte nach seiner<br />

grundlegenden Überarbeitung endlich publiziert werden. Ein Druck des umfangreichen<br />

Kataloges mit über 1.000 Manuskriptseiten und ebenso vielen Abbildungen hätte unser<br />

schmales Budget gesprengt. Auch erschien es unbefriedigend, die zum Teil großformatigen<br />

und schwer lesbaren Architekturzeichnungen aus Kosten- und Platzgründen auf<br />

Briefmarkengröße zu reproduzieren oder zum Teil ganz auf ihre Abbildung zu verzichten.<br />

Wir entschieden uns deshalb dafür, das vorhandene Geld lieber in eine digitale<br />

Fotoausstattung zu stecken und den Katalog kostengünstig als CD-ROM zu publizieren. 1 Der<br />

Aufbau des digitalen Bestandskataloges sollte den Gepflogenheiten des an Bücher gewöhnten<br />

Lesers entgegenkommen. Der Zugang erfolgte deshalb zum einen über vorgegebene<br />

„Rundgänge“: Wie in den Kapiteln eines Buches wurden Konvolute von inhaltlich<br />

zusammengehörigen Blättern zu einer verbindlichen Abfolge zusammengestellt. Zum anderen<br />

war der Bestand über eine gezielte, differenzierte Suche nach Kriterien wie Künstler,<br />

Standort, Funktion des Gebäudes, Datierung oder Inventarnummer erschlossen, was eine<br />

schnelle Orientierung bei wissenschaftlichen Fragestellungen ermöglichte. Das Layout, bei<br />

dem alle Abbildungen in ein virtuelles Passepartout eingepasst wurden, das die<br />

Bedienungsfunktionen aufnahm, orientierte sich an dem heutigen Erscheinungsbild<br />

graphischer Blätter.<br />

1 Christiane Lukatis, Gerd Fenner und F. Carlo Schmid: Heinrich Christoph Jussow (1754 - 1825). Architekt.<br />

Katalog der Zeichnungen aus dem Besitz der Staatlichen Museen Kassel, der Verwaltung der Staatlichen<br />

Schlösser und Gärten Hessen, Bad Homburg v. d. H. und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin -<br />

Brandenburg, Potsdam. Hrsg. von den Staatlichen Museen Kassel und Hans Ottomeyer. CD-Rom. Kassel 1999.


Dass wir Schwierigkeiten hatten, die CD-Rom hier in Wolfenbüttel heute noch zum Laufen<br />

zu bekommen, damit ich Sie Ihnen kurz vorstellen kann, führt uns zu den Tücken derartiger<br />

Publikationen. Sie halten nicht so lange wie Bücher. In diesem Fall läuft die CD nur noch auf<br />

wenigen Betriebssystemen, auf Windows 2000 oder Windows 7. Die Langzeitarchivierung<br />

derartiger Publikationen ist bekanntlich ein Problem.<br />

In diesem Fall haben wir das Problem der Veraltung der CD-Rom insofern gelöst, als wir die<br />

meisten der Texte in ein nachfolgendes Projekt eingespeist haben, den Bestandskatalog der<br />

Architekturzeichnungen des 16.-20. Jahrhunderts in Kassel, der von 2000-2006 von der<br />

Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde. Er stellt über 4.000 Zeichnungen mit<br />

ausführlichem wissenschaftlichen Kommentar vor und wurde in Teilabschnitten sukzessive<br />

von 2002-2007 meines Wissens als erster frei zugänglicher Bestandskatalog eines deutschen<br />

Museums online publiziert. 2 Die technische Aufbereitung und die Gestaltung ist in<br />

Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Georg-August-Universität<br />

Göttingen auf low-budget-Niveau erarbeitet worden. Der Aufbau folgt dem Konzept der CD-<br />

Rom.<br />

http://212.202.106.6:8080/dfg/museumkassel/home.jsp/<br />

Startseite<br />

Stadt Kassel<br />

Residenzschloss am Friedrichsplatz<br />

Architektenbiographien<br />

Suchfunktion<br />

Ähnlich wie eine CD-Rom müssen auch Online-Kataloge regelmäßig aktualisiert und dem<br />

jeweiligen neuen technischen Stand angepasst werden. Hier ist inzwischen nicht nur das<br />

Layout veraltet, sondern auch die Zoomfunktion für die Abbildungen funktioniert derzeit<br />

nicht mehr. Digilib, ein spezieller, von der Universität Bern im Rahmen des ECHO (European<br />

Cultural Heritage Online)-Programms der EU erstellter Graphik-Server, von dem erst seit<br />

kurzem eine aktualisierte Version vorliegt, müsste neu installiert werden.<br />

Als die Graphische Sammlung im Jahr 2000 ein umfangreiches Vermächtnis erhielt, zu dem<br />

u. a. ca. 200 bislang unpublizierte italienische Handzeichnungen gehörten, sollten die<br />

Ergebnisse der aufwendigen Erforschung dieses Bestandes erneut digital publiziert werden. 3<br />

Dabei sollte eine digitale Publikationsform entwickelt werden, die in ihrer ästhetischen wie in<br />

der technischen Aufbereitung den spezifischen Anforderungen von Handzeichnungen und<br />

ihrer Erforschung entgegenkommt.<br />

http://handzeichnungen.museum-kassel.de/<br />

• Hochaufgelöste, unproblematisch zu vergrößernde Bilder, die in der Qualität dem<br />

Original weitgehend gleichkommen, ermöglichen es, der Handschrift des Künstlers bis<br />

in die Details hinein nachzugehen. Angesichts der diffizilen Methodik der<br />

Handzeichnungsforschung, bei der es bei Zuschreibungsfragen häufig auf minuziöse<br />

2 Bestandskatalog der Architekturzeichnungen, Kassel 2004/2005/2007<br />

<br />

3 Katalog der italienischen Handzeichnungen. Graphische Sammlung der Museumslandschaft Hessen Kassel.<br />

Hrsg. von Ernst Wegener. Bearb. von Christiane Lukatis. Online-Kataloge der Museumslandschaft Hessen<br />

Kassel, Kassel 2009


stilistische Vergleiche ankommt, sollte dem Nutzer eine direkte Gegenüberstellung<br />

zweier Zeichnungen am Bildschirm, in die parallel hineingezoomt werden kann,<br />

geboten werden.<br />

• Die Zuschreibung von Handzeichnungen ist ein diffiziles Feld und der Ort<br />

kontroverser Diskussionen. Als Ersatz für die traditionelle Passepartoutnotiz lädt ein<br />

Kommentarfeld unter jedem Katalogeintrag dazu ein, Fehleinschätzungen zu<br />

korrigieren, Ergänzungen einzufügen oder abweichende Forschungsmeinungen<br />

darzustellen<br />

• Als letzte Anforderung sollte der Katalog ohne großen Aufwand um andere<br />

Sammlungsbereiche wie die niederländischen, deutschen oder französischen<br />

Zeichnungen erweitert und so nach und nach zu einem Gesamtkatalog der<br />

Altmeisterzeichnungen in Kassel ausgebaut werden können. Diese Form bietet den<br />

Vorteil auch kleinere Bestandsgruppen publizieren zu können, über die sich die<br />

Erarbeitung eines eigenständigen wissenschaftlichen Bestandskataloges nicht lohnen<br />

würde.<br />

Wie alle Online-Kataloge der MHK ist auch dieser Katalog nicht direkt mit der<br />

Museumsdatenbank MuseumPlus verknüpft. Veränderungen in der Datenbank spiegeln sich<br />

also nicht im Online-Katalog. Will man den Katalog aktualisieren, so ist das aufwendig. Die<br />

Kataloge orientierten sich konzeptionell noch an Büchern, d.h. für ihre Bearbeitung war ein<br />

Ende vorgesehen. Ganz anders sieht das Konzept des ersten „Online Research Catalogue“ des<br />

British Museum aus dem Bereich Graphik aus. Die Publikation von Martin Royalton-Kisch<br />

„Catalogue of Drawings by Rembrandt and his School in the British Museum“ aus dem Jahr<br />

2009 wird unmittelbar aus der Museumsdatenbank gespeist und soll fortlaufend aktualisiert<br />

dem jeweils neuesten Stand der Forschung angepasst werden. 4 So faszinierend diese neue und<br />

dem Medium des Internets entsprechende Publikationsform anmutet, für viele Kollegen von<br />

kleineren Graphischen Sammlungen hätte dies wohl zur Perspektive, dass sie nur noch damit<br />

beschäftigt wären, ihre eigenen Texte zu überarbeiten, um die Online-Kataloge à jour zu<br />

halten.<br />

Ausblick<br />

Das nächste Online-Projekt der Graphischen Sammlung soll dem Kupferstichkabinett der<br />

Landgrafen von Hessen-Kassel gewidmet sein. 5 Erhalten haben sich etwa 60 Klebebände mit<br />

über 15.000 druckgraphischen Arbeiten, die zum überwiegenden Teil noch nicht einmal<br />

entsprechend der gängigen Werkverzeichnisse bestimmt wurden. Das Projekt soll zum einen<br />

diese geschlossene fürstliche Sammlung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich machen. Zum<br />

anderen kann anhand der Kasseler Sammlung exemplarisch der Funktion einer<br />

Graphiksammlung vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein nachgegangen werden. Jeder<br />

der Landgrafen setzte andere Sammlungsschwerpunkte, die seine Interessensgebiete spiegeln.<br />

4<br />

http://www.britishmuseum.org/research/online_research_catalogues/rembrandt_drawings/drawings_by_rembran<br />

dt.aspx. Zum Konzept dieser Publikation vgl. Antony Griffiths: Collections online. The experience of the British<br />

Museum. In: Master Drawings 48, 2010, 3, S. 356-367.<br />

5 Vgl. dazu: Rudolf Hallo: Das Kupferstichkabinett und die Bücherei der Staatlichen Kunstsammlungen zu<br />

Kassel. 2. veränderte Aufl. Kassel 1933; Christiane Lukatis: ”allerhand Kupferstiche und Zeichnungen<br />

berühmter Meister”. Die Landgrafen von Hessen-Kassel als Graphiksammler. In: Zeitschrift des Vereins für<br />

hessische Geschichte und Landeskunde 104, 1999, S. 131-154; Stephan Brakensiek: Vom "Theatrum mundi"<br />

zum "Cabinet des Estampes". Das Sammeln von Druckgraphik in Deutschland 1565-1821 (Studien zur<br />

Kunstgeschichte 150). Hildesheim-Zürich-New York 2003, S. 389-424.


Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang Wilhelm VIII., der Begründer der<br />

Kasseler Gemäldegalerie, der systematisch Reproduktionsgraphik etwa der Rubensstecher<br />

zusammentrug.<br />

Zusammenfassung:<br />

Plädoyer für Online-Kataloge. Vorteile überwiegen bei weitem die Nachteile. Wir haben mit<br />

den beiden Online-Katalogen mit Sicherheit mehr Leser erreicht als mit gedruckten Büchern.

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