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karl ludwig schweisfurth - Herrmannsdorfer Landwerkstätten

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enschen<br />

Menschen<br />

Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth<br />

Menschen<br />

Gut Herrmannsdorf<br />

Karl Ludwig Schweisfurth wollte<br />

gesunde Lebensmittel. Doch er war<br />

seiner Zeit auch bei der Baubiologie<br />

weit voraus und entwickelte das<br />

erste ganzheitliche Gut.<br />

PionieroBjeKt DeS<br />

„Vor uns lag ein Gut, das von so<br />

außergewöhnlicher Schönheit war,<br />

wie wir es selten oder noch nie in<br />

unserem Leben gesehen hatten.“<br />

(Karl Ludwig Schweisfurth)<br />

ganzheitlichen Bauens<br />

i<br />

Lebensmittel und lebenswertes<br />

Arbeiten und Wohnen als<br />

Herzensangelegenheit:<br />

Karl Ludwig Schweisfurth und<br />

sein Sohn Karl.<br />

xxo


Mitten in der oberbayerischen<br />

Voralpenlandschaft in der Nähe<br />

von München liegt Gut Herrmannsdorf.<br />

Ein Besuch dort ist<br />

spannend und es gibt viel zu sehen.<br />

Scheinbar nur ein ländliches Idyll mit grünen<br />

Wiesen und glücklichen Ferkeln, ist es bei näherer<br />

Betrachtung eine wohldurchdachte und effiziente<br />

Welt für sich. Praktisch alle wesentlichen Anlagen<br />

von der Produktion bis zur Entsorgung sind innerhalb<br />

des Gutes so angeordnet, dass sich vielfältige<br />

Synergie-Effekte ergeben. Die Entstehungsgeschichte<br />

dieses Hofes ist mindestens ebenso<br />

interessant. Untrennbar verbunden ist damit ein<br />

Name: Schweisfurth.<br />

Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth,<br />

Jahrgang 1930, war als Eigentümer von<br />

Herta lange DER Wurstfabrikant Europas<br />

schlechthin. Nachdenklich<br />

geworden durch das schon seit<br />

längerem bohrende Unbehagen<br />

wegen der industriellen Tierhaltung<br />

und -verwertung fällte er<br />

seine Entscheidung und verkaufte<br />

1984 die Firma. Es folgte<br />

eine Phase der Neuorientierung,<br />

in der er zusammen mit Menschen<br />

verschiedenster Berufe intensiv über<br />

artgerechte Tierhaltung, optimale Ener-<br />

xxo<br />

Visionär und Pionier:<br />

Karl Ludwig Schweisfurth<br />

giekreisläufe und einen<br />

erfüllenden Lebensstil in<br />

Harmonie mit der natürlichen<br />

Umgebung nachdachte.<br />

So nahm die Idee<br />

der <strong>Landwerkstätten</strong> langsam<br />

Gestalt an. Schweisfurth wollte<br />

weiterhin Lebensmittel produzie-<br />

Menschen Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth<br />

Sehenswert: Das Gut ist<br />

landschaftlich reizvoll in die<br />

Umgebung eingebettet<br />

ren, aber anders und vor allem besser. Er strebte<br />

nach der höchstmöglichen Qualität nicht nur<br />

beim Produkt, sondern auch beim Wohlbefinden<br />

von Mensch und Tier. Das organisatorische und<br />

technische Zusammenspiel der einzelnen Produktionsschritte<br />

sollte darüberhinaus so effizient und<br />

nachhaltig wie möglich sein.<br />

Dieses Ziel verlangte viel: Für bestes Fleisch benö-


enschen<br />

Menschen<br />

Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth<br />

Menschen<br />

tigt man entsprechende Tierrassen, erstklassiges<br />

Futter, einen guten Metzger, vor allem aber ideale<br />

Bedingungen, damit das Schwein zufrieden heranwächst,<br />

denn dies sei – so der Wurstexperte – von<br />

entscheidendem Einfluss auf den Geschmack.<br />

Doch gute Rohstoffe sind nur der erste Schritt.<br />

Für gute Produkte braucht es zusätzlich gute und<br />

zufriedene Mitarbeiter. Um das zu erreichen, wollte<br />

er auch für die Mitarbeiter und ihre Familien ein<br />

Alles aus der natur: So entstand ein<br />

kleines Dorf ganz nach ökologischen<br />

Bauprinzipien – damals echte Pionierarbeit<br />

Wohn- und Arbeitsumfeld „im Einklang mit<br />

der Natur“ schaffen.<br />

Mit herrMannSdorf wurde<br />

schließlich auch der Ort gefunden, an dem<br />

seine Vision Realität werden konnte. Nach<br />

und nach verwandelte sich das ehemalige<br />

landwirtschaftliche Gut in das heutige kleine Dorf<br />

mit ca. 85 Bewohnern. Bei dem dafür nötigen Um-<br />

Bei einem Besuch können Sie sich selbst einen<br />

eindruck der <strong>Herrmannsdorfer</strong> <strong>Landwerkstätten</strong><br />

machen. Vor ort können Sie im Hofmarkt einkaufen,<br />

die Schweine beobachten oder im restaurant<br />

schlemmen. Öffnungszeiten und Weiteres unter<br />

www.herrmannsdorfer.de.<br />

Die ausführliche Lebensgeschichte von K. L.<br />

Schweisfurth finden Sie in seinem sehr empfehlenswerten<br />

Buch „Wenn‘s um die Wurst geht“,<br />

iSBn 3442151503. im Buchhandel ist es leider<br />

vergriffen, allerdings finden sich über das internet<br />

noch leicht restbestände, es lohnt sich!<br />

Stetige Weiterentwicklung: Hier entsteht das<br />

reifegebäude für Parma-Schinken.<br />

und Aufbau wurde konsequent ökologisch vorgegangen,<br />

stets unter dem Leitspruch: „Die Natur<br />

xxo<br />

i


ideale Arbeitsumgebung:<br />

Auch an die Mitarbeiter<br />

wurde gedacht.<br />

bietet alles an Baumaterialien, was man braucht!“<br />

Nach Schweisfurths Wunsch, einen funktionierenden<br />

Kreislauf aller Ressourcen zu erschaffen,<br />

wurden neue, gewagte Schritte gemacht. Zum Teil<br />

wurde auch einfach getestet, denn etwas Vergleichbares<br />

wie Herrmannsdorf gab es bis dahin einfach<br />

noch nicht. Was heute Standard im ökologischen<br />

Bauen ist, wie z. B. Wandheizungen oder die regenerative<br />

Energieerzeugung durch ein Blockheizkraftwerk,<br />

war zu Beginn der 90er Jahre noch die<br />

exotische Ausnahme.<br />

Bäckerei, Metzgerei, Brauerei und Käserei sollten<br />

unter einem Dach vereinigt werden – auch aus<br />

heutiger Sicht noch eine wagemutige Gratwanderung.<br />

Doch Schweisfurth ließ sich nicht beirren,<br />

analysierte Kälte- und Hitzebedarf der verschiedenen<br />

Handwerke und ließ ein kompliziertes System<br />

ausklügeln, wie sich die verschiedenen Prozesse<br />

optimal ergänzen und ein Betrieb vom anderen<br />

z. B. energietechnisch profitiert.<br />

xxo<br />

BeMerKenSwert an Schweisfurths<br />

Werk ist auch der hohe Stellenwert<br />

der Schönheit. In seinem ganzheitlichen<br />

Ansatz gehört sie zu einem erfüllten Leben<br />

und erstreckt sich auch auf die Arbeitsstätten.<br />

So arbeiten z. B. die Metzger vor farbig<br />

gestalteten Fliesen und die Bäcker formen<br />

ihren Teig vor einem Ostfenster. Denn sie<br />

sind diejenigen, die die ersten Sonnenstrahlen<br />

am meisten genießen.<br />

Aus der Absicht, einen Kreislauf in der Region anzuregen,<br />

wurde ein funktionierendes Konzept. Bewährt<br />

haben sich auch viele damals neue Baustoffe und<br />

Techniken in der Lebensmittelverarbeitung, die der<br />

industriellen Produktion ökologisch und qualitativ<br />

überlegen sind. Vieles von dem, was hier seinen Ursprung<br />

nahm, wird auch heute noch nicht bewusst<br />

wahrgenommen. Insofern schlummert hier noch<br />

Potenzial für die von Schweisfurth gewünschten<br />

weiteren 1000 Herrmannsdörfer. | Claudia Klein<br />

KlicKinfo<br />

• www.oekosiedlungen.de<br />

internetportal für nachhaltige Siedlungen!<br />

• www.eble-architektur.de<br />

joachim eble, Architektur für Ökosiedlungen<br />

• www.herrmannsdorfer.de<br />

<strong>Herrmannsdorfer</strong> <strong>Landwerkstätten</strong><br />

Fotos: Gut Herrmannsdorf<br />

Schneller zu Ihrer persönlichen Traumwohnung oder<br />

Ihrem Traumhaus. Egal ob mieten oder kaufen.<br />

Einfach www.immowelt.de


enschen<br />

Menschen<br />

Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth<br />

Menschen<br />

Axxio sprach mit dem heutigen Leiter und Sohn des erbauers,<br />

Karl Schweisfurth, und dem Architekten joachim eble<br />

„menschen lechzen<br />

nach schönheit.“<br />

xxo<br />

xxo<br />

xxo<br />

Sie haben die Anfangsphase der<br />

Neuausrichtung Karl Ludwig Schweisfurths<br />

begleitet. Wodurch entstand diese Umorientierung,<br />

weg von Europas größter<br />

Fleischfabrik hin zur ökologisch wirtschaftenden<br />

Landwerkstätte?<br />

Joachim Eble: Zum einen wollte er weg von<br />

dieser industriellen Produktion. Aufgrund<br />

des Keimproblems muss im Wurstbereich<br />

z. B. mit Giftgas und täglichen Desinfektionen<br />

gearbeitet werden. Dafür hat Schweisfurth<br />

vor allem die Technik, die Methoden,<br />

aber auch die Baumaterialien als Ursache<br />

erkannt. Er wollte in einem völlig natürlichen<br />

Rahmen produzieren und dabei an<br />

die Grenzen gehen.<br />

Also handelte es sich eher um eine Entscheidung<br />

aus Pragmatismus als aus ideologischer<br />

Überzeugung?<br />

JE: Ja, tatsächlich war es für Herrn Schweisfurth<br />

sen. vor allem auch eine Qualitätsfra­<br />

ge, keine politische oder ideologische. Sein<br />

Anliegen war es, die höchst denkbare Lebensmittelqualität<br />

zu erreichen. Dabei war<br />

für ihn völlig klar, dass er eine neue Form<br />

von Landwirtschaft braucht. Im Einklang<br />

mit der Natur entstehen bessere Qualitäten,<br />

wofür er die Rahmenbedingungen schaffen<br />

wollte.<br />

Karl Schweisfurth: Wir waren allein aufgrund<br />

unserer Herkunft nie direkt in der<br />

alternativen Ecke.<br />

JE: Er wollte ja auch nicht auf den technologischen<br />

Fortschritt verzichten, das war nicht<br />

Karl <strong>schweisfurth</strong><br />

Leiter vom Gut<br />

Hermannsdorf, links<br />

Joachim eble<br />

Architekt des restaurant-<br />

und Werkstattgebäudes<br />

(49), rechts<br />

sein Ziel. Aber er hat ganz<br />

bewusst gesagt: ‚Da nehm‘<br />

ich nur das mit, was funktional<br />

Sinn macht‘.<br />

Nach reiner Zweckgestaltung sieht es hier<br />

aber nicht aus, vielmehr nach einem sehr<br />

hohen Bewusstsein für natürliche Ästhetik.<br />

KS: Ein Leitspruch war damals immer:<br />

‚Was praktisch ist, muss auch schön sein‘.<br />

Die Praxis sollte nicht alles beherrschen.<br />

So spielte auch die Kunst eine große Rolle,<br />

denn Kunst bringt Schönheit ins Leben.<br />

!<br />

Deshalb soll sie seiner Meinung nach nicht<br />

im Museum verstauben, sondern der täglichen<br />

Verschönerung des Lebens dienen,<br />

auch der Arbeitswirklichkeit.<br />

JE: Das war für ihn ein innerer Systemzusammenhang.<br />

Er sah in den Naturmaterialien<br />

sein eigenes Schönheitsideal und hat<br />

das ganz speziell definiert, als das absolut<br />

Authentische. Und das gilt für die Werkstätten<br />

wie auch für die Wohngebäude und<br />

natürlich die Ställe.<br />

Wie wurde dann gebaut, welche Baumaterialien<br />

wurden verwendet?<br />

KS: Ganz konsequent nur ökologische<br />

Baustoffe, viel Holz, das meiste ist sogar<br />

Vollholz, das nur geölt und gewachst ist.<br />

xxo


Ansonsten wenig Beton, Fliesen und Mauerdecke<br />

statt Industrieböden. Auch die Farben<br />

sind Biofarben. Das verwendete Isoflock<br />

als Dämmstoff war damals noch völlig<br />

neu.<br />

JE: Vor allem traditionelle Materialien, Ziegel<br />

und eben Holz, Fundamente aus Kalkbeton,<br />

Kalkputze. Wo es ging, wurde das<br />

Bestehende weiterverwendet. Auch auf die<br />

elektromagnetische Abschirmung achteten<br />

wir. Die Wandheizungen stellten damals<br />

ein ganz neues Wärmekonzept dar und wir<br />

verzichteten auch auf eine Klimaanlage und<br />

setzten stattdessen auf natürliche Luftströme.<br />

Gab es bei soviel Neuem nicht auch einige<br />

Schwierigkeiten?<br />

KS: Einiges war schön, aber nicht praktisch.<br />

In der Metzgerei herrschen z. B. solch extreme<br />

Bedingungen durch die Feuchtigkeit,<br />

dass wir die ursprünglich eingebauten Fenster<br />

nach einigen Jahren gegen Kunststofffenster<br />

austauschen mussten und die Bio­<br />

Farben gegen konventionelle.<br />

In den Wohnungen bekamen wir dagegen<br />

Probleme mit einem Teil der Schafwolldämmung,<br />

die von Insekten befallen wurde.<br />

Durch den Verzicht auf Isolationsschäume<br />

sind die Wohnungen sehr hellhörig bzw.<br />

durchlässig gegen Gerüche.<br />

xxo<br />

Menschen Karl <strong>ludwig</strong> SchweiSfurth<br />

Würden Sie Herrmannsdorf heute nochmal<br />

neu bauen, was würden Sie ändern?<br />

KS: Den Gedanken würde ich auf jeden Fall<br />

beibehalten, aber ich würde nicht mehr so<br />

sehr Pionier sein wollen. An Dinge, die sich<br />

noch überhaupt nicht bewährt haben, würde<br />

ich vorsichtiger rangehen.<br />

Auch war früher der Schwerpunkt mehr auf<br />

den Materialien als auf dem Wärmeschutz.<br />

Heute setzen wir vor allem auch auf`s Energiesparen,<br />

denn Sparen ist das einzige, was<br />

keinen Nachteil hat.<br />

Ist das Konzept von Karl Ludwig Schweisfurth<br />

aufgegangen?<br />

JE: Ich würde sagen: Ja. Alles, was in Herrmannsdorf<br />

erzeugt wurde, sprengte auf Anhieb<br />

alle Qualitätsmaßstäbe. Die Kreislaufidee<br />

kann man global auf Städte übertragen.<br />

Gerade bauen wir eine Stadt in Taiwan für<br />

50.000 Einwohner. Alle Systeme, die wir in<br />

Herrmannsdorf getestet haben, finden dort<br />

in hohem Maße Eingang. Insofern ist es eine<br />

Keimzelle für die Eco­City­Bewegung. Und<br />

im Gesamtkonzept von Herrmannsdorf sind<br />

noch viele Schätze verborgen.<br />

Vielen Dank auch an Frau Artmann, die zur Bauzeit<br />

das Sekretariat in Herrmannsdorf leitete und<br />

im Interview einige wertvolle Informationen hinzugefügt<br />

hat.

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