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Wir pflanzen die Freiheit, das Vaterland

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„<strong>Wir</strong> <strong>pflanzen</strong> <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong>, <strong>das</strong> <strong>Vaterland</strong> auf!“ Das Hambacher Fest 1832<br />

von Harald Lönnecker<br />

Edgar Wolfrum hat in seiner 1999 erschienenen Habilitationsschrift über „Geschichtspolitik in der Bundesrepublik<br />

Deutschland“ gezeigt, daß „Geschichte als Waffe“ bzw. Geschichtspolitik „als Kampfmittel gegen innere<br />

und äußere Feinde“ genutzt wird. Geschichte ist „eine geeignete Mobilisierungsressource im politischen Kampf<br />

um Einfluß und Macht. Sie kann als Bindemittel <strong>die</strong>nen, um nationale,<br />

soziale oder andere Gruppen zu integrieren. Sie kann ausgrenzen,<br />

Gegner diffamieren und gleichzeitig <strong>das</strong> eigene Handeln legitimieren.<br />

Will man <strong>die</strong>se Mechanismen näher betrachten, so empfiehlt<br />

es sich, vielfältige Formen der Geschichtspräsentation zu<br />

untersuchen, <strong>die</strong> von der Präsentation von Mythen und Nationalhelden<br />

bis hin zur Sinnstiftung durch Museen und Denkmäler reichen.<br />

Sie schaffen Erinnerungslandschaften – und Erinnerungslandschaften<br />

beeinflussen <strong>die</strong> Vorstellungen und Werte von Menschen.“ Eine<br />

solche Erinnerungslandschaft ist real und im symbolischen Sinne<br />

auch <strong>die</strong> Feste Hambach und <strong>das</strong> Hambacher Fest vom 27./28. Mai<br />

1832.<br />

Geschichtspolitik als „Kampffeld der Vergangenheitsinterpretationen<br />

und der Zukunftserwartungen“, so Wolfrum weiter, ist argumentatives<br />

und publizistisches Mittel zur Gegnerbekämpfung, zur<br />

Legitimierung eigenen politischen Handelns oder zur Herrschaftslegitimation,<br />

unabhängig von der jeweiligen Herrschafts- oder Staatsform.<br />

Es gilt <strong>das</strong> gesellschaftliche Geschichtsbewußtsein zu formen,<br />

um identitätsstiftende <strong>Wir</strong>kung zu erzielen und Zustimmung zu<br />

historischer Legitimation politischen Handelns zu erhalten.<br />

Die 50- und <strong>die</strong> 75-Jahr-Feier des Hambacher Festes 1882 und 1907<br />

waren nur von kleinräumig-regionaler Bedeutung, staatliches Gedenken<br />

und Handeln blieb aus, selbst <strong>die</strong> Burschenschaften gedachten<br />

der Jahrestage nicht. Auch zur 100-Jahr-Feier 1932 gab es keinerlei Feierlichkeit, es erschien lediglich ein<br />

historischer Aufsatz von einem der Begründer der burschenschaftlichen Geschichtsforschung, Prof. Dr. Herman<br />

Haupt (Arminia Würzburg, Frankonia und Germania Gießen, Saxonia Hannoversch-Münden), über „Das Hambacher<br />

Fest vom 27. Mai 1832 und <strong>die</strong> erstmalige Entfaltung der burschenschaftlichen Fahne als deutsches Nationalbanner“,<br />

sowie ein Buch des als republikfreundlich bekannten Historikers Veit Valentin.<br />

Kaum jemand interessierte sich für <strong>die</strong> 125-Jahr-Feier des Hambacher Festes 1957, erst zur 150-Jahr-Feier 1982<br />

erschienen zahlreiche Beiträge einschließlich solcher der Bundes-<br />

und Landeszentralen für politische Bildung. Es wurden Geldmittel<br />

bereitgestellt, <strong>die</strong> Bundespost gab eine Sonderbriefmarke heraus,<br />

auf der Feste Hambach richtete man eine Ausstellung ein, Regierungsstellen<br />

des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz wurden<br />

aktiv, Feier- und Gedenkstunden fanden statt. Die Deutsche Burschenschaft<br />

erinnerte sich der rund fünfhundert Burschenschafter<br />

vor allem aus Bonn, Gießen, Jena, Heidelberg, Freiburg, Tübingen,<br />

Würzburg, Erlangen und München, <strong>die</strong> 1832 in Hambach dabei<br />

waren. Offensichtlich hatte <strong>das</strong> Interesse am Ereignis und Ort<br />

Hambach massiv zugenommen. Warum? Wo lag der Grund?<br />

Während in der älteren burschenschaftlichen Geschichte, in der burschenschaftlichen Geschichtsbetrachtung und<br />

im burschenschaftlichen Geschichtsbewußtsein <strong>die</strong> nationalstaatliche Einigung im Vordergrund stand, waren<br />

jetzt verstärkt Töne zu hören, <strong>die</strong> <strong>die</strong> freiheitlich-demokratische Tradition betonten. Das korrespon<strong>die</strong>rte mit<br />

einer Entwicklung, <strong>die</strong> auf der staatlichen Seite 1970 begonnen hatte. In <strong>die</strong>sem Jahr äußerte Bundespräsident<br />

Gustav Heinemann grundsätzliche Überlegungen zum Thema Geschichtsbewußtsein und Tradition, <strong>die</strong> letztendlich<br />

in <strong>die</strong> Einrichtung der „Erinnerungsstätte für <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong>sbewegungen in der deutschen Geschichte“ im<br />

badischen Rastatt mündeten. Stärker als bisher ins Bewußtsein treten sollte <strong>die</strong> demokratische deutsche Überlieferung<br />

vom Bauernkrieg des frühen 16. Jahrhunderts über <strong>die</strong> deutschen Jakobiner des späten 18. bis hin zum<br />

Zeitalter der Befreiungskriege, <strong>die</strong> Revolutionen von 1830, 1848/49 und 1918/19, der Widerstand nach 1933 und<br />

der DDR-Volksaufstand von 1953. Dies natürlich nicht als Selbstzweck, sondern vor allem zur Legitimierung<br />

einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie 1949 im Westen Deutschlands installiert worden war.<br />

Hambach bekam eine Funktion, <strong>die</strong> sich in den letzten Jahren wiederum änderte: So verschwand der burschen-


schaftliche, wohl zu nationale Anteil einschließlich der Replik der Fahne der Urburschenschaft weitgehend aus<br />

der Hambacher Ausstellung. Dafür wird dort nun <strong>die</strong> SPD-Keimzelle, der am 23. Mai 1863 in Leipzig immerhin<br />

vom Burschenschafter Ferdinand Lassalle (Raczeks Breslau, heute Bonn) gegründete Allgemeine Deutsche<br />

Arbeiterverein, gewürdigt, der zwar direkt nichts mit Hambach zu tun hat, aber der SPD-geführten Landesregierung<br />

von Rheinland-Pfalz ideologisch wesentlich näher stehen dürfte als <strong>die</strong> Burschenschaft.<br />

Die Burschenschaft im Vormärz<br />

Nation, Demokratie und Christentum waren <strong>die</strong> drei Pfeiler, auf <strong>die</strong> <strong>die</strong> frühe Burschenschaft gegründet worden<br />

war. Seit 1815 war sie <strong>die</strong> Avantgarde der deutschen Nationalbewegung. Die Burschenschaft wurzelte in den<br />

<strong>Freiheit</strong>skriegen, stand unter dem Einfluß von Friedrich Ludwig Jahn, Ernst Moritz Arndt und Johann Gottlieb<br />

Fichte, war geprägt durch eine idealistische Volkstumslehre,<br />

christliche Erweckung und patriotische<br />

<strong>Freiheit</strong>sliebe. Diese antinapoleonische Nationalbewegung<br />

deutscher Studenten war politische Jugendbewegung<br />

– <strong>die</strong> erste in Europa – und <strong>die</strong> erste nationale<br />

Organisation des deutschen Bürgertums überhaupt,<br />

<strong>die</strong> 1817 mit dem Wartburgfest <strong>die</strong> erste gesamtdeutsche<br />

Feier ausrichtete und mit rund dreitausend<br />

Mitgliedern 1818/19 etwa ein Drittel der Studentenschaft<br />

des Deutschen Bundes umfaßte.<br />

Die zur nationalen Militanz neigende Burschenschaft,<br />

zu einem Gutteil hervorgegangen aus dem Lützow-<br />

Fichte, Schleiermacher, Jahn, Arndt<br />

schen Freikorps, setzte ihr nationales Engagement in<br />

neue soziale Lebensformen um, <strong>die</strong> <strong>das</strong> Studentenleben<br />

von Grund auf reformierten. Aber nicht nur <strong>das</strong>: Die Studenten begriffen <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong>skriege gegen Napoleon<br />

als einen Zusammenhang von innerer Reform, innenpolitischem <strong>Freiheit</strong>sprogramm und Sieg über <strong>die</strong> Fremdherrschaft.<br />

Nationale Einheit und <strong>Freiheit</strong> wurden propagiert, Mannhaftigkeit und Kampfbereitschaft für <strong>das</strong><br />

deutsche <strong>Vaterland</strong>.<br />

Dem Wartburgfest, der Gründung der Allgemeinen deutschen Burschenschaft und der Ermordung August von<br />

Kotzebues durch den Jenaer Burschenschafter Karl Ludwig Sand folgten <strong>die</strong> Karlsbader Beschlüsse und <strong>die</strong><br />

Unterdrückung der Burschenschaft. Sie wurde zu einer sich mehr und mehr radikalisierenden Bewegung an den<br />

deutschen Hochschulen, <strong>die</strong> bald mehr, bald weniger offiziell bestand. War in der Urburschenschaft neben der<br />

Sicherung des Volkstums nach außen <strong>die</strong> „Erziehung zum christlichen Studenten“ für den Innenbereich bestimmend<br />

gewesen und der Zusammenhang von Wartburg, Luther und Reformation 1817 mehr als deutlich geworden,<br />

so ließ der Frankfurter Burschentag 1831 <strong>die</strong> Forderung nach „christlich-deutscher Ausbildung“ zu Gunsten<br />

einer zunehmenden Politisierung endgültig fallen. Der Stuttgarter Burschentag faßte im Dezember 1832 einen<br />

Beschluß zur Tolerierung und Förderung revolutionärer Gewalt zum Zweck der Überwindung der inneren Zersplitterung<br />

Deutschlands. Das mündete in <strong>die</strong> Beteiligung am Hambacher Fest und am Preß- und <strong>Vaterland</strong>sverein<br />

sowie in den Frankfurter Wachensturm vom April 1833, an dem vor allem Heidelberger und Würzburger<br />

Burschenschafter beteiligt waren, und löste eine neue Welle der Verfolgungen durch <strong>die</strong> eigens eingerichtete<br />

Bundeszentralbehörde in Frankfurt a. M. bis in <strong>die</strong> vierziger Jahre hinein aus, <strong>die</strong> der älteren burschenschaftlichen<br />

Bewegung <strong>das</strong> Rückgrat brach und den (Wieder-) Aufstieg anderer Korporationsformen an den Hochschulen<br />

ermöglichte.<br />

Warum Hambach?<br />

Hambach war auch eine Apotheose der Burschenschaft, vor allem der Heidelberger, <strong>die</strong> sich vorrangig aus der<br />

Pfalz rekrutierte. Aber warum ausgerechnet Hambach? Die ehemalige Kurpfalz, regiert von Wittelsbachern, war<br />

seit Mitte der 1790er Jahre teilweise von französischen Truppen besetzt und fiel 1797 an <strong>die</strong> französische Republik.<br />

Die neue Obrigkeit war beeinflußt von den Idealen der Revolution von 1789, von „Liberté, Egalité, Fraternité!“,<br />

etablierte eine moderne Justiz, Verwaltung und Gesetzgebung, Schwurgerichte und Gewerbefreiheit,<br />

beseitigte <strong>die</strong> Ständeordnung, trennte Kirche und Staat und gewährte einige <strong>Freiheit</strong>srechte. Die Aushebungen<br />

für <strong>die</strong> napoleonische Armee waren zwar wenig beliebt aber schnell vergessen, als der Wiener Kongreß <strong>die</strong> Pfalz<br />

1815 dem Königreich Bayern zuschlug. Das französische Verwaltungs- und Justizsystem blieb bestehen, <strong>die</strong><br />

Regierung beschnitt aber mehr und mehr <strong>die</strong> bürgerlichen Rechte und <strong>Freiheit</strong>en. Sehr hohe Steuern und ein<br />

drückendes Zollsystem, <strong>das</strong> vor allem den Weinbau belastete, begleitet von Mißernten und Hunger, zogen wirtschaftliche<br />

Not und politische Unzufriedenheit nach sich. Dies zumal, wenn man sich der Zeit der französischen<br />

Herrschaft erinnerte. In der Pfalz hatte man schon einmal Trikoloren gehißt und <strong>Freiheit</strong>sbäume aufgepflanzt.


Die Julirevolution 1830 in Paris gab allen Unzufriedenen Auftrieb, was „<strong>die</strong> Gärung bis zum kochenden Sud<br />

steigerte“, wie der ehemalige Bonner und Göttinger Burschenschafter Heinrich Heine schrieb. Zugleich erhoben<br />

sich <strong>die</strong> Polen erfolglos gegen <strong>die</strong> russische Herrschaft, was eine Welle der Polenbegeisterung auslöste und als<br />

Erbe <strong>die</strong> studentische Pekesche hinterließ. Dabei wurde übersehen, daß nur <strong>die</strong> Oberschicht den Kampf aufnahm<br />

und polnische <strong>Freiheit</strong> vor allem im Sinne der alten Adelsrepublik interpretierte. Um <strong>die</strong> sechstausend Polen<br />

gingen nach dem gescheiterten Aufstand ins Exil, in Deutschland vielfach durch eigens gegründete Polenvereine<br />

unterstützt, in denen zahlreiche Burschenschafter mitwirkten. Die Regierungen reagierten repressiv und suchten<br />

<strong>die</strong> freiheitlichen Bestrebungen zu unterbinden. Dazu gehörte in Bayern und der Pfalz in erster Linie <strong>die</strong> Be-<br />

schneidung der Pressefreiheit,<br />

<strong>die</strong> Durchsetzung von Zensur<br />

und Druckverboten. Liberale<br />

Bürger gründeten deshalb<br />

1832 den „Deutschen Preß-<br />

und <strong>Vaterland</strong>sverein“, der<br />

nicht nur als Unterstützung<br />

einer freien Presse konzipiert<br />

war, „sondern als Kristallisationskern<br />

für eine politische<br />

Umgestaltung Deutschlands“.<br />

Er war der erste Vorläufer<br />

politischer Parteien, zählte in<br />

kürzester Zeit über fünftausend<br />

Mitglieder bis nach<br />

Mitteldeutschland und wurde<br />

maßgeblich von Burschenschaftern<br />

beeinflußt, so etwa<br />

Rudolf Lohbauer (1802-<br />

1873), Herausgeber des<br />

„Hochwächters“, des „Organs der württembergischen <strong>Freiheit</strong>smänner“, Gustav Eduard Kolb (1798-1865) von<br />

der „Speyerer Zeitung“, der später <strong>die</strong> „Augsburger Allgemeine Zeitung“ zur bedeutendsten in Deutschland<br />

machte, Johann Gottfried Eisenmann (1795-1867), Herausgeber des „Bayerischen Volksblattes“ in Würzburg<br />

und bereits Teilnehmer am Wartburgfest, Karl August Mebold (1798-1854) von der „Deutschen Zeitung“ in<br />

Stuttgart, Karl Mathy (1807-1868) und sein Schwager und Bundesbruder Franz Joseph Stromeyer (1805-1848)<br />

vom „Wächter am Rhein“ in Karlsruhe bzw. vom „Freisinnigen“ in Freiburg, und Johann Adam Förster (1796-<br />

1890), der in Fulda <strong>das</strong> „Teutsche Volksblatt. Eine konstitutionelle Zeitschrift für Volks- und Staatsleben“ herausgab.<br />

Geführt wurde der Preßverein von zwei bekannten Liberalen, vom Journalisten, Publizisten und ehemaligen<br />

Verwaltungsjuristen Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und von Johann Georg August <strong>Wir</strong>th (1798-<br />

1848), der während seines Studiums in Erlangen zunächst der Landsmannschaft Franconia angehörte und 1817<br />

Mitgründer der Burschenschaft war, insgeheim aber auf <strong>die</strong> Gründung der Landsmannschaft der Franken – <strong>das</strong><br />

spätere Corps Franconia – hinarbeitete, deren erster Senior er wurde. <strong>Wir</strong>th entwickelte sich zu einem scharfen<br />

Gegner der Burschenschaft, arbeitete als Anwalt, Journalist und Redakteur. Bekannt wurde er durch seine liberale<br />

Zeitung, <strong>die</strong> an wechselnden Orten in der Pfalz erscheinende „Deutsche Tribüne“, <strong>die</strong> er gemeinsam mit dem<br />

Jenaer, Göttinger und Heidelberger Burschenschafter Karl Georg Heinrich Fein (1803-1869) herausgab.<br />

Vorbereitungen<br />

Im Frühjahr 1832 wurde in Weinheim nicht nur ein „Fest der freien Presse“ gefeiert, <strong>das</strong> Siebenpfeiffer und<br />

<strong>Wir</strong>th ausrichteten und an dem auch zahlreiche Heidelberger Burschenschafter teilnahmen, sondern auch ein<br />

Fest zur Feier der regierungsseitig vielfach gebrochenen bayerischen Verfassung auf der Feste Hambach geplant,<br />

deren Jahrestag der 26. Mai war. Es wurde vor allem durch Siebenpfeiffer zu einem Fest gegen <strong>die</strong> Regierung<br />

umfunktioniert. Unter dem Titel „Der Deutschen Mai“, angelehnt „an <strong>die</strong> Maiversammlungen der Franken<br />

[Franzosen, H. L.] und an <strong>die</strong> Maiverfassung der Polen“, richtete er einen Aufruf an „alle deutschen Stämme“:<br />

„Auf, ihr deutschen Männer und Jünglinge jedes Standes, welchen der heilige Funke des <strong>Vaterland</strong>es und der<br />

<strong>Freiheit</strong> <strong>die</strong> Brust durchglüht, strömet herbei! Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Mißachtung in<br />

der europäischen Ordnung ein Fehler und ein Flecken ist, schmücket und belebet <strong>die</strong> Versammlung durch eure<br />

Gegenwart! Kommet Alle herbei zu friedlicher Besprechung, inniger Erkennung, entschlossener Verbrüderung<br />

für <strong>die</strong> großen Interessen, denen ihr eure Liebe, denen ihr eure Kraft geweiht.“ Mit <strong>die</strong>sen Worten traf Siebenpfeiffer<br />

genau den Geist der Zeit. Das Echo auf den Aufruf war enorm und überraschte <strong>die</strong> Initiatoren. Der<br />

Jenaer Burschenschafter Hermann von der Hude (1811-1858) schrieb am 18. Juni an seinen Bundesbruder Maximilian<br />

Heinrich Rüder (1808-1880) in Eutin: „Wie wir nach Hambach zogen, trugen <strong>die</strong> meisten von uns den<br />

festen Glauben in sich, jetzt ihr Leben für <strong>die</strong> heilige Sache des <strong>Vaterland</strong>es aufopfern zu müssen.“ Aber auch<br />

<strong>die</strong> Regierung wurde aufmerksam und verbot am 6. Mai 1832 <strong>das</strong> Fest, was allgemeine Empörung auslöste. Sie


wurde so stark, daß <strong>das</strong> Verbot am 17. Mai<br />

wieder aufgehoben werden mußte.<br />

Überall bereitete man sich auf <strong>das</strong> Fest<br />

vor. Es <strong>die</strong>nte der Herstellung politischer<br />

Öffentlichkeit und wurde als wichtige<br />

Kommunikationsmöglichkeit begriffen.<br />

Hier konnten nationale Reden gehalten<br />

und Lieder gesungen werden, hier war <strong>die</strong><br />

Verbreitung liberaler Ideen möglich, hier<br />

konnte <strong>die</strong> nationale Einheit propagiert<br />

und damit verbundene politische Aufbruchshoffnungen<br />

geweckt und geschürt<br />

werden. Soziale und regionale Grenzen<br />

wurden im Zeichen der Nation aufgebrochen,<br />

im Fest wurde <strong>die</strong> Nationsbildung zu<br />

einem Massenerlebnis. Und <strong>das</strong> nicht nur<br />

in Hambach. Die Daheimgebliebenen<br />

setzten eigene <strong>Freiheit</strong>sbäume mit<br />

schwarz-rot-goldenen Bändern und Fahnen. In Homburg wurden Regierung und Bürgermeister bedroht, als sie<br />

den Baum entfernen wollten. Im Landkommissariat Pirmasens wurden 26 Bäume gesetzt, über 230 werden der<br />

Regierung von ihren Beamten innerhalb weniger Tage gemeldet.<br />

Aus allen Himmelsrichtungen strömten <strong>die</strong> Festbesucher zusammen, aus Baden und Hessen kommen sie, Polen<br />

und Franzosen nehmen teil. „Man bemerkte insbesondere Bürger aus Straßburg, Colmar, Paris, Metz, Weißenburg,<br />

Manchester, Konstanz, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg, Mannheim, Marburg, Tübingen, Würzburg, Jena,<br />

Göttingen, Stralsund, Coburg, München, Frankfurt, Nürnberg ...“ Dreißigtausend Menschen finden sich im nur<br />

sechstausend Einwohner zählenden Neustadt a. d. Haardt ein: „Von Viertelstunde zu Viertelstunde langten neue<br />

Züge von Patrioten an, <strong>die</strong> meisten auf offenen mit Eichenlaub bekränzten Wagen, auf denen <strong>die</strong> deutsche Fahne<br />

wehte“. In Hambach setzte sich Schwarz-Rot-Gold als <strong>die</strong> deutsche Trikolore durch, schwarz-rot-goldene Kokarden,<br />

Schärpen, Fahnen und Bänder waren künftig <strong>das</strong> Zeichen nationaler <strong>Freiheit</strong> und Einheit. Einige Fahnen<br />

haben sich erhalten, eine hängt heute etwa im Plenarsaal des rheinland-pfälzischen Landtags in Mainz, eine andere<br />

im Großen Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe.<br />

Das Hambacher Fest<br />

Philipp Jakob Siebenpfeiffer<br />

(1789-1845)<br />

Johann Georg August <strong>Wir</strong>th<br />

(1798-1848)<br />

Über den Ablauf des Festes sind wir gut unterrichtet, vor allem durch <strong>die</strong> zahlreichen Berichte der Polizeispitzel.<br />

Einer aus Mainz wurde sogar erkannt, verprügelt und eingesperrt. Junge Leute stimmten ein Lied an, <strong>das</strong> „zum<br />

Refrain hatte: ‚Nun kommt der Völker Schmaus, Fürsten zum Land hinaus ...‘“ Advokaten und Prediger wurden<br />

als <strong>die</strong> eifrigsten Teilnehmer gemeldet, es „bedürfe nur eines Winks der Anführer und Alles sei zum gewaffneten<br />

Widerstande bereit, man sei völlig gefaßt darauf ... Der berüchtigte Boerne und Harro Harring“ – 1818/19 wahrscheinlich<br />

Kieler und sicher Dresdner Burschenschafter – „waren auch anwesend“.<br />

In Gasthäusern und Tanzsälen „ist der Teufel los“. Devotionalien von eigens komponierten Musikstücken bis hin<br />

zum schwarz-rot-goldenen Bonbonpapier werden angeboten und finden reißenden Absatz. Im Schießhaus, einer<br />

<strong>Wir</strong>tschaft vor der Stadt, sammelt sich ein großer Teil der bekannteren Gäste. <strong>Wir</strong>th bemerkt in der von ihm<br />

herausgegebenen Festbeschreibung „Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach“, man habe Vertreter aller<br />

deutschen Stämme dort gesehen, „und unter Ihnen <strong>die</strong> in Deutschland am höchsten stehenden Namen. Es war ein<br />

großer, schöner Moment, wo alte Freunde einander wiedersahen, wo neue Freundschaften geschlossen wurden,<br />

und wo vor allem <strong>die</strong> Brüderstämme der Deutschen ... mit Begeisterung sich umschlangen und <strong>die</strong> großen Interessen<br />

des gemeinsamen <strong>Vaterland</strong>es ... lebhaft verhandelten“: aus der Pariser Emigration war der Schriftsteller<br />

Ludwig Börne gekommen, der nordfriesische Revolutionsdichter Harro Harring und der Advokat und Publizist<br />

Jacob Venedey (1805-1871) – alte Bonner und Heidelberger Burschenschaft sowie Germania Jena – waren erschienen.<br />

Besonders stürmisch gefeiert wurden Karl Heinrich Brüggemann (1810-1887), Mitglied der Bonner<br />

Burschenschaft Germania, Heidelberger Fäßlianer und Mitglied der dortigen alten Burschenschaft Franconia,<br />

und der Jenaer, Münchner und Heidelberger Burschenschafter Gustav Peter Körner (1809-1896), im nächsten<br />

Frühjahr ein Führer der Wachenstürmer, später Vizegouverneur von Illinois und US-Gesandter in Madrid. Beide<br />

sprachen für <strong>die</strong> anwesenden Studenten. Allein über dreihundert Heidelberger Burschenschafter waren am 25.<br />

Mai „im langen Zug gekommen, vor sich eine große Schwarz-Roth-Goldene Fahne hertragend“.<br />

Sie stellten nur eine, wenn auch sehr aktive und auf Grund ihrer Bänder und Mützen besonders auffallende Minderheit,<br />

als <strong>das</strong> Fest am Abend des 26. Mai begann. Glocken läuteten, Böller erdröhnten und auf den höchsten<br />

Gipfeln des Haardtgebirges erleuchteten Freudenfeuer <strong>die</strong> Nacht bis zum nächsten Morgen. Es wurden Reden


gehalten, gezecht und gesungen. Am 27., früh um 8.00 Uhr, versammelten sich <strong>die</strong> Teilnehmer auf dem Neustädter<br />

Marktplatz zum Zug auf <strong>die</strong> Hambacher Ruine, voran eine Abteilung der Bürgergarde, gefolgt von „Frau-<br />

en und Jungfrauen mit<br />

der polnischen Fahne“,<br />

wiederum Bürgergarde,<br />

dann „eine Abtheilung<br />

der Festordner, von welchen<br />

jeder eine Schärpe<br />

aus schwarz, roth und<br />

gold trug, in der Mitte<br />

<strong>die</strong> deutsche Fahne mit<br />

der Inschrift ‚Deutschlands<br />

Wiedergeburt‘“.<br />

Der Zug sang Ernst Moritz<br />

Arndts „Was ist des<br />

Deutschen <strong>Vaterland</strong>?“,<br />

<strong>das</strong> bis 1870 als heimliche<br />

deutsche Nationalhymne<br />

galt, dazu <strong>die</strong><br />

beliebten Polenlieder<br />

„Noch ist Polen nicht<br />

verloren“ – später polnische<br />

Nationalhymne –<br />

und „In Warschau<br />

schwuren Tausend auf<br />

Der Zug auf <strong>die</strong> Hambacher Ruine am 27. Mai 1832.<br />

In Hambach setzte sich Schwarz-Rot-Gold als <strong>die</strong> deutsche Trikolore durch.<br />

Patrioten, zum Schloß“ nach der Melo<strong>die</strong> von Schillers Reiterlied:<br />

Hinauf, Patrioten, zum Schloß, zum Schloß!<br />

Hoch flattern <strong>die</strong> deutschen Farben:<br />

Es keimet <strong>die</strong> Saat und <strong>die</strong> Hoffnung ist groß,<br />

Schon binden im Geiste wir Garben:<br />

Es reifet <strong>die</strong> Ähre mit goldenem Rand,<br />

Und <strong>die</strong> goldne Ernt’ ist <strong>das</strong> – <strong>Vaterland</strong>.<br />

<strong>Wir</strong> sahen <strong>die</strong> Polen, sie zogen aus,<br />

Als des Schicksals Würfel gefallen;<br />

Sie ließen <strong>die</strong> Heimat, <strong>das</strong> Vaterhaus,<br />

In der Barbaren Räuberkrallen:<br />

Vor des Zaren finsterem Angesicht<br />

Beugt der <strong>Freiheit</strong> liebende Pole sich nicht.<br />

Auch wir, Patrioten, wir ziehen aus<br />

In festgeschlossenen Reihen;<br />

<strong>Wir</strong> wollen uns gründen ein Vaterhaus,<br />

Und wollen der <strong>Freiheit</strong> es weihen:<br />

Denn vor der Tyrannen Angesicht<br />

Beugt länger der freie Deutsche sich nicht.<br />

Was tändelt der Badner mit Gelb und Rot,<br />

Mit Weiß, Blau, Rot Bayer und Hesse?<br />

Die vielen Farben sind Deutschlands Not,<br />

Vereinigt’ Kraft nur zeugt Größe:<br />

D’rum weg mit der Farben buntem Tand!<br />

Nur eine Farb’ und ein <strong>Vaterland</strong>!<br />

D’rum auf, Patrioten, der Welt sei kund,<br />

Daß eng, wie wir stehen gegliedert,<br />

Und dauernd wie Fels der ewige Bund,<br />

Wozu wir uns heute verbrüdert.<br />

Frisch auf, Patrioten, den Berg hinauf!<br />

<strong>Wir</strong> <strong>pflanzen</strong> <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong>, <strong>das</strong> <strong>Vaterland</strong> auf!<br />

den Knien“ sowie immer<br />

wieder Siebenpfeiffers<br />

Festhymne „Hinauf,


Die Reden<br />

Oben wurde „auf einem erhöhten Punkte <strong>die</strong> polnische, und oben auf den höchsten Zinnen der Ruine <strong>die</strong> deutsche<br />

Fahne aufgepflanzt. Weithin über <strong>die</strong> gesegneten Auen wehte nun <strong>das</strong> stolze Banner unseres <strong>Vaterland</strong>es. ...<br />

Oben ganz nahe an den Burgmauern war ein schöner ebener Platz mit Verzierungen von grünem eichenen Laub<br />

und einer Ehrenpforte, dann eine Tribüne, wo <strong>die</strong> Volksredner Reden gehalten haben.“ Siebenpfeiffer pries den<br />

Tag, „an welchem <strong>die</strong> Fürsten <strong>die</strong> bunten Hermeline feudalistischer Gottstatthalterschaft mit der männlichen<br />

Toga deutscher Nationalwürde vertauschen müßten! Hoch lebe jedes Volk, <strong>das</strong> seine Ketten bricht und mit uns<br />

den Bund der <strong>Freiheit</strong> schwört: <strong>Vaterland</strong>, Volkshoheit, Völkerbund hoch!“<br />

Dann sprach <strong>Wir</strong>th über Österreichs und Preußens partikulare und volksfeindliche Politik, über <strong>die</strong> geknechteten<br />

Völker Ungarns, Polens, Italiens und Deutschlands. Er entwickelt seine Vision von einem republikanischen<br />

Europa der Nationen, vom freien Handel und einer Gesellschaft mit Bildung und Wohlstand für alle, gefolgt von<br />

einem dreimaligen Fluch auf <strong>die</strong> Könige und Fürsten als Volksverräter. An <strong>die</strong>ser Stelle habe <strong>Wir</strong>ths Wut, so ein<br />

Burschenschafter, ihren Gipfel erreicht: „Der Schweiß rann ihm vom Gesicht, sein Mund schäumte ...“ Anschließend<br />

schlug <strong>Wir</strong>th ohne Erfolg eine politische Organisation vor, wozu zwanzig Patrioten als Wahlmänner<br />

gewählt werden sollten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Reform in und für ganz Deutschland vorbereiteten. Er schloß: „Hoch! dreimal<br />

hoch leben <strong>die</strong> vereinigten Freistaaten Deutschlands! Hoch! dreimal hoch <strong>das</strong> conföderirte republikanische Europa!“<br />

Geantwortet wird ihm erst mit Staunen, gefolgt von unbeschreiblichem Jubel.<br />

<strong>Wir</strong>th ist der einzige Redner, der konkrete Vorschläge unterbreitet. Zugleich warnte er vor der „Mithilfe Frankreichs“,<br />

<strong>das</strong> doch nur <strong>die</strong> Rheingrenze als Preis <strong>die</strong>ser Hilfe im Kopf habe, was <strong>die</strong> anwesenden Franzosen ebenso<br />

wie <strong>die</strong> Rückforderung Elsaß-Lothringens nicht wenig verletzte: „Selbst <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong> darf auf Kosten der Integrität<br />

unseres Gebietes nicht erkauft werden; der Kampf um unser <strong>Vaterland</strong> und unsere <strong>Freiheit</strong> muß ohne<br />

fremde Einmischung durch unsere eigene Kraft von innen heraus geführt werden, und <strong>die</strong> Patrioten müssen in<br />

dem Augenblicke, wo fremde Einmischung statt findet, <strong>die</strong> Opposition gegen <strong>die</strong> inneren Verräter suspendiren<br />

und <strong>das</strong> Gesammtvolk gegen den äußeren Feind zu den Waffen rufen.“ Hier klangen <strong>die</strong> Erfahrungen der Befreiungskriege<br />

nach, aber auch aktuelle Meldungen über einen bevorstehenden republikanischen Aufstand in Paris,<br />

den manche wie der Festmitorganisator, der Zweibrücker Rechtsanwalt Friedrich Schüler (1791-1873), bis auf<br />

<strong>die</strong> Pfalz meinten ausdehnen zu können. <strong>Wir</strong>th befürchtete, „daß vielen <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong> oder gar eine Loslösung der<br />

Pfalz von Bayern wichtiger sein<br />

könnte als <strong>das</strong> gemeinsame<br />

<strong>Vaterland</strong>. Statt allzu lange auf<br />

‚Deutschlands Wiedergeburt‘ zu<br />

warten, würde sich in der Tat<br />

manch einer lieber mit dem<br />

Spatz in der Hand begnügen,<br />

einer linksrheinischen Republik<br />

etwa mit französischer Unterstützung.“<br />

<strong>Wir</strong>ths Rede wird von den Regierungen<br />

als direkte Aufforderung<br />

zu Revolution und Umsturz<br />

gewertet. Zumindest viele<br />

der anwesenden Burschenschafter<br />

sehen es so, einer der Samen<br />

des elf Monate später stattfindenden<br />

Frankfurter Wachensturms<br />

ist hier gelegt worden.<br />

Die Studenten jubelten, als<br />

<strong>Wir</strong>th nach seiner Rede wegen<br />

seines Kampfes für <strong>die</strong> Presse- Das Schießhaus vor Neustadt an der Haardt (= Weinstraße)<br />

freiheit ein eigens angefertigtes<br />

Schwert überreicht wird, in dessen Klinge „Dem <strong>Wir</strong>th/Deutsche in Frankfurt“ und der leicht veränderte burschenschaftliche<br />

Wahlspruch „<strong>Vaterland</strong> – Ehre – <strong>Freiheit</strong>“ eingraviert ist.<br />

Ausklang<br />

Mit den Reden und Feierlichkeiten auf dem Hambacher Schloß war <strong>das</strong> Fest nicht zu Ende. An den nächsten<br />

Tagen hielten sich noch Tausende in und um Neustadt auf, <strong>die</strong> Fahnen wurden erst am 1. Juni eingeholt. Am<br />

Montagvormittag, am 28. Mai, trafen sich im Schießhaus fünfhundert führende Demokraten, darunter zahlreiche<br />

ehemalige Burschenschafter. Das Treffen ist weder in der Festbeschreibung erwähnt noch melden es alle Agen-


ten. „Der spezielle Gegenstand, welcher hier im Schießhause verhandelt wurde, bestand aber darin, daß <strong>die</strong> Redner<br />

darauf drangen, es sollten <strong>die</strong> einzelnen deutschen Stämme jeder einen Mann aus seiner Mitte wählen, welcher<br />

<strong>das</strong> Vertrauen seiner Mitbürger genieße.“ Die Gewählten sollten einen „National-Konvent“ bilden, <strong>die</strong> Radikalen<br />

verlangten <strong>die</strong> Bestimmung eines Tages, an dem „losgeschlagen“ werden sollte. Schließlich verständigte<br />

man sich auf den Ausbau des Preßvereins, der zu einem Nationalkomitee werden sollte, einer „National-<br />

Repräsentation“, <strong>die</strong> dem Bundestag der Fürsten als Volksvertretung bei- oder übergeordnet wird. Brüggemann<br />

äußerte Bedenken, Venedey erschien <strong>die</strong> Debatte absurd: Man solle jeden Gedanken an Legalität abtun, solle <strong>das</strong><br />

Gesetz der Fürsten brechen und sich <strong>das</strong> Recht zum gewaltsamen Umsturz auf ungesetzlichem Wege nehmen.<br />

Ein Ergebnis zeichnete sich nicht ab, <strong>die</strong> Versammlung endete chaotisch, eine revolutionäre Aktion wird nicht<br />

gestartet. Schließlich setzte man sich im kleinen Kreis nochmals zusammen. Der Preß- und <strong>Vaterland</strong>sverein<br />

wird in „Deutscher Reformverein“ umbenannt, soll <strong>die</strong> politischen Ergebnisse der Hambacher Volksversammlung<br />

auswerten und <strong>die</strong> liberalen Ideen weiterentwickeln und verbreiten. Dazu kam es nicht, denn <strong>die</strong> Polizei<br />

entdeckte bei Siebenpfeiffer ein Programm mit Forderungen wie Volksbewaffnung, Volkssouveränität und Völkerbund.<br />

Er und <strong>Wir</strong>th wurden verhaftet, angeklagt und im Aufsehen erregenden Landauer „Assisenprozeß“<br />

verurteilt, beiden gelingt <strong>die</strong> Flucht in <strong>die</strong> Schweiz.<br />

Folgen<br />

Wie ihnen ergeht es vielen. Körner vermutete schon, „daß der Zorn der Könige und Fürsten viele unter uns treffen<br />

würde“. Der Deutsche Bund reagiert mit Verfolgung und Repression – der anfangs genannte Hude sitzt drei<br />

Jahre in Haft –, Truppen werden in <strong>die</strong> Pfalz verlegt, 8.500 Mann, fast <strong>die</strong> Hälfte der bayerischen Armee. Deren<br />

Befehlshaber, Feldmarschall Fürst Wrede, droht mit Stand- und Kriegsrecht und möchte Rädelsführer aufhängen<br />

oder erschießen lassen, was <strong>die</strong> Münchner Regierung jedoch nicht genehmigt. Liberale und Demokraten gehen<br />

ins Exil in <strong>die</strong> Schweiz, nach Frankreich oder in <strong>die</strong> USA, <strong>die</strong> Versammlungs- und Pressefreiheit wird weiter<br />

eingeschränkt und <strong>die</strong> Karlsbader Beschlüsse wieder in Kraft gesetzt, vor allem nach dem Frankfurter Wachensturm,<br />

als dessen eigentlichen Auslöser <strong>die</strong> Regierungen <strong>das</strong> Hambacher Fest betrachten. Es findet Nachahmung<br />

in Vach, St. Wendel, Königstein i. Ts., Butzbach i. Hess., Regensburg, Augsburg, Dinkelsbühl, Schmalkalden,<br />

auf dem Niederwald, in Badenweiler, Spaichingen i. Württ. und auf dem Wollenberg bei Marburg, vor<br />

allem <strong>die</strong> Feste in Gaibach bei Würzburg und in Wilhelmsbad bei Hanau – dort war Brüggemann wiederum sehr<br />

engagiert – sind erwähnenswert. Doch erst mit der Märzrevolution 1848 gelingt der nationalen und liberalen<br />

Opposition ein erneuter, <strong>die</strong>smal wenigstens zeitweise erfolgreicher Vorstoß. Viele, <strong>die</strong> in Hambach teilnahmen,<br />

saßen sechzehn Jahre später als Abgeordnete in der Nationalversammlung, so auch <strong>Wir</strong>th, Hudes Briefpartner<br />

Rüder, Mathy, Eisenmann und Förster.<br />

Fazit<br />

Hambach war <strong>die</strong> Fortsetzung des Wartburgfestes – so bereits Brüggemann in seiner Festrede –, was auf der<br />

Wartburg <strong>die</strong> Studenten, <strong>das</strong> habe in Hambach <strong>das</strong> ganze Volk geschworen. Alles sei „deutsch und Schwarz-<br />

Roth-Gold“ gewesen. Hambach war <strong>die</strong> größte und bedeutendste demokratische Volksversammlung des Vormärz,<br />

<strong>die</strong> erste politische Massenveranstaltung in Deutschland, der Höhepunkt einer breiten Bewegung in den<br />

deutschen Staaten, <strong>die</strong> erstmalige massenhafte Vertretung nationaler, radikaler republikanischer Forderungen<br />

und mit dem Preßverein der erste Versuch des Aufbaus einer organisierten Partei sowie <strong>die</strong> „erste Formulierung<br />

und Proklamation der Grundrechte des deutschen Volkes. Das Einzigartige und bis dahin noch nie Dagewesene<br />

hat <strong>Wir</strong>kung und Sprengkraft über <strong>das</strong> Jahrhundert hinaus.“<br />

Quellen und Literatur:<br />

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Zylka, Sylvia (Hg.): Philipp Jakob Siebenpfeiffer. Ein Leben für <strong>die</strong> <strong>Freiheit</strong> 1789-1845, Homburg 1992.<br />

Dieser Aufsatz wurde zuerst in den Burschenschaftlichen Blättern 122/1 (2007), S. 23-28 veröffentlicht<br />

und mit der freundlichen Genehmigung des Verfassers in <strong>die</strong> Jahn-Bibliothek eingestellt.<br />

Layout und Illustrierung : Karl Thielecke

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