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Wie kommt Arznei in die Kapsel? - Kinderkrankenhaus Wilhelmstift

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<strong>Wie</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Arznei</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Kapsel</strong>?<br />

<strong>Wie</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Arznei</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Kapsel</strong>?<br />

In der mediz<strong>in</strong>ischen K<strong>in</strong>derakademie lernen <strong>die</strong> Kle<strong>in</strong>en <strong>die</strong> Praxis kennen<br />

von Simone Meyer<br />

Seite 1 von 2<br />

"Das muß Lukas dr<strong>in</strong>gend mal se<strong>in</strong>em Papa erzählen", f<strong>in</strong>det Tim. Daß vom Rauchen <strong>die</strong> Flimmerhärchen<br />

abknicken, <strong>die</strong> eigentlich den Dreck aus der Lunge kehren sollen, haben <strong>die</strong> beiden Neunjährigen <strong>in</strong> der<br />

mediz<strong>in</strong>ischen K<strong>in</strong>derakademie gelernt. "Warum wird man krank, wenn man raucht?" lautet das Thema ihrer<br />

zweiten Ferien-Vorlesung im Katholischen K<strong>in</strong>derkrankenhaus <strong>Wilhelmstift</strong>. Assistenzarzt Christoph Zweyrohn<br />

erklärt an <strong>die</strong>sem Morgen rund 80 K<strong>in</strong>dern, was da überhaupt vor sich geht, wenn Lukas' Vater schmutzige<br />

Luft e<strong>in</strong>atmet. Er klopft sich auf den Kopf: "Der kle<strong>in</strong>e Computer da oben gibt uns ständig Befehle: ,E<strong>in</strong>atmen,<br />

ausatmen!"" Das ist wichtig, damit das Herz schlägt und das Blut fließt. "Sonst ist man ja gleich tot", weiß<br />

Matti. Er kennt sich schon e<strong>in</strong> bißchen aus mit solchen Sachen. Se<strong>in</strong> Papa arbeitet im <strong>Wilhelmstift</strong> <strong>in</strong><br />

Rahlstedt. Heute besucht er ihn <strong>in</strong> der "Firma" - nicht, um hallo zu sagen, sondern um selbst etwas zu lernen.<br />

"Am meisten freu' ich mich auf den Erste-Hilfe-Kursus", sagt Matti. <strong>Wie</strong> er Verletzten und Kranken schnell<br />

helfen kann, steht auch auf dem Stundenplan der ersten mediz<strong>in</strong>ischen K<strong>in</strong>derakademie <strong>in</strong> Hamburg und<br />

Umgebung. An drei Vorlesungstagen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Jahr können sich Schüler von acht bis 14 Jahren wie M<strong>in</strong>i-<br />

Mediz<strong>in</strong>studenten fühlen. Anders als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der-Uni, <strong>die</strong> es mittlerweile <strong>in</strong> vielen Städten gibt, sollen <strong>die</strong><br />

jungen Zuhörer im <strong>Wilhelmstift</strong> auch <strong>die</strong> Praxis kennenlernen.<br />

Neben drei Pflichtvorlesungen darf sich jedes K<strong>in</strong>d zwei von fünf Praktika aussuchen. Im Kochkursus machen<br />

sie Obst-Pral<strong>in</strong>en, Müsliriegel und Gummibärchen aus Diät-Limonade. In der "Bären-Apotheke" mixen sie<br />

<strong>Arznei</strong>mittel. "Ich wollte schon immer wissen, wie <strong>die</strong> Mediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Kapsel</strong> <strong>kommt</strong>", sagt Isabel. Apotheker<br />

Jens Woost hat der Gruppe gerade gezeigt, wie <strong>die</strong> kle<strong>in</strong>en Plastikhülsen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Spezialgestell, das an e<strong>in</strong><br />

Solitärspiel er<strong>in</strong>nert, mit Pulver gefüllt werden. Nun steht <strong>die</strong> 13jährige an der Waage und streicht Vasel<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Rührschüssel. Als sie hört, daß <strong>die</strong>ser Stoff e<strong>in</strong> Abfallprodukt der Erdölraff<strong>in</strong>erie ist, rümpft Isabel <strong>die</strong><br />

Nase. Julia gießt etwas aus e<strong>in</strong>er braunen Flasche dazu: "Glycer<strong>in</strong> macht <strong>die</strong> Salbe geschmeidig", verrät der<br />

Apotheker aus Wandsbek.<br />

Daß nicht jede Mediz<strong>in</strong>, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Haut wirkt, Salbe heißt, erstaunt se<strong>in</strong>e Praktikanten. Woost erklärt e<strong>in</strong>en<br />

Unterschied: "E<strong>in</strong>e Creme enthält Wasser - e<strong>in</strong>e Salbe ist fast wasserfrei." Julia hört gespannt zu. Trotzdem<br />

hätte sie ke<strong>in</strong>e Lust, im weißen Kittel zu arbeiten. "In me<strong>in</strong>er Familie s<strong>in</strong>d schon so viele Mediz<strong>in</strong>er, ich will<br />

lieber was anderes machen."<br />

Mit der K<strong>in</strong>derakademie wollen <strong>die</strong> Organisatoren auch ke<strong>in</strong>en Nachwuchs rekrutieren. "Wir möchten<br />

Interesse für mediz<strong>in</strong>ische Fragen wecken - und Verständnis für Kranke und Beh<strong>in</strong>derte", sagt Dr. Rüdiger<br />

Werbeck, ärztlicher Leiter der K<strong>in</strong>derchirurgie. <strong>Wie</strong> sich Menschen fühlen, <strong>die</strong> sich nicht ohne fremde Hilfe<br />

bewegen können, erfahren <strong>die</strong> Mädchen und Jungen nachmittags im nächsten Praktikum: Auf dem<br />

Hubschrauberlandeplatz des Krankenhauses testen sie Rollstühle und Unterarmgehilfen.<br />

Stu<strong>die</strong>ngebühren kostet <strong>die</strong> K<strong>in</strong>derakademie nicht. Das Krankenhaus stellt Ärzte, Schwestern und<br />

Pflegeschüler zum Vortragen und Betreuen. Das Mittagessen und Naschereien zwischendurch bezahlt e<strong>in</strong><br />

Sponsor, auch bei den kommenden zwei Veranstaltungen. Am Sonnabend, 18. Juni, geht es zum Beispiel um<br />

das Rätsel: Woher weiß e<strong>in</strong> Baby im Bauch der Mutter, wann es fertig ist? Dritter Vorlesungstag ist der<br />

5. Oktober, der erste Tag der Herbstferien. Am Ende der Akademie können <strong>die</strong> jungen Mediz<strong>in</strong>er sogar e<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong>derdoktortitel erwerben. Dafür müssen sie e<strong>in</strong>e Hausarbeit schreiben, <strong>die</strong> sich mit e<strong>in</strong>em Organ oder e<strong>in</strong>er<br />

Krankheit beschäftigt. "Die Doktortitel werden wir wahrsche<strong>in</strong>lich bei unserem Neujahrsempfang verleihen",<br />

plant Mitorganisator Dr. Sönke Siefert, Oberarzt der Intensivmediz<strong>in</strong>.<br />

"Das hier ist viel besser als Schule", stellt Calv<strong>in</strong> nach der zweiten Stunde fest. "Da muß man nicht so viel<br />

schreiben." Was mit se<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>gern passiert, wenn er e<strong>in</strong>en Stift hält, erklärt ihm <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>derakademie<br />

Dr. <strong>Wie</strong>bke Hülsemann. Mit e<strong>in</strong>em Modell aus Holz und Fäden führt <strong>die</strong> Oberärzt<strong>in</strong> der Handchirurgie den<br />

jungen Akademikern vor, was sich unter der Haut e<strong>in</strong>er Hand abspielt. "Am wichtigsten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Knochen",<br />

sagt Matti, "sonst würde der F<strong>in</strong>ger ja h<strong>in</strong>- und herschlackern." Dr. Hülsemann ist überrascht, wie gut sich <strong>die</strong><br />

K<strong>in</strong>der schon <strong>in</strong> Humanbiologie auskennen. Alle Teile der Hand nennen sie ihr, von den Gelenken über <strong>die</strong><br />

http://www.welt.de/data/2005/03/29/618723.html?prx=1<br />

03.04.2005


<strong>Wie</strong> <strong>kommt</strong> <strong>Arznei</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Kapsel</strong>?<br />

Nerven bis zu den Schweißdrüsen.<br />

Nebenan zählen Grundschüler dem Lungenfachmann Zweydrohm <strong>die</strong> Bestandteile der Luft auf. "Sauerstoff ist<br />

da dr<strong>in</strong>", sagt F<strong>in</strong>n, "und ganz viel Stickstoff. Und Kohlendioxyd." Daß mehr als 4000 Giftstoffe <strong>in</strong><br />

Zigarettenrauch stecken, hätte er allerd<strong>in</strong>gs nicht gedacht. Warum sich Leute trotzdem e<strong>in</strong>e Zigarette<br />

anstecken? Antonia kennt e<strong>in</strong>en Grund: "Me<strong>in</strong>e Mama hat sich gerade scheiden lassen - jetzt raucht sie."<br />

Artikel erschienen am Die, 29. M? 2005<br />

© WELT.de 1995 - 2005<br />

http://www.welt.de/data/2005/03/29/618723.html?prx=1<br />

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03.04.2005

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