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Ausgedehnte Kortexnekrose der rechten Gehirnhemisphäre bei ...

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Aus <strong>der</strong> Chirurgischen Veterinärklinik, Kleintierchirurgie (Prof. Dr. M. Kramer) 1 ,<br />

<strong>der</strong> Abteilung Diagnostische Radiologie (Prof. Dr. W. S. Rau) 2 ,<br />

dem Institut für Veterinärpathologie (Prof. Dr. M. Reinacher) 3 ,<br />

<strong>der</strong> Medizinischen und Gerichtlichen Veterinärklinik 1 (Prof. Dr. R. Neiger) 4<br />

und <strong>der</strong> Klinik für Neuroradiologie (Prof. Dr. H. Traupe) 5<br />

<strong>der</strong> Justus-Liebig-Universität Giessen<br />

<strong>Ausgedehnte</strong> <strong>Kortexnekrose</strong> <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> <strong>Gehirnhemisphäre</strong> <strong>bei</strong> einem<br />

Yorkshire-Terrier<br />

Oliver LAUTERSACK 1 , Burkard IRNICH 2 , Sabine TACKE 1 , Kernt KÖHLER 3 , Knut<br />

FRESE 3 , Mathias SCHNEIDER 4 und Ralf SIEKMANN 5<br />

Zusammenfassung<br />

<strong>Ausgedehnte</strong> <strong>Kortexnekrose</strong> <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> <strong>Gehirnhemisphäre</strong> <strong>bei</strong> einem Yorkshire-<br />

Terrier<br />

Ein 6 jähriger Yorkshire-Terrier wurde wegen zunehmenden neurologischen Ausfällen und<br />

epileptischen Anfällen in <strong>der</strong> Chirurgischen Veterinärklinik, Kleintierchirurgie, <strong>der</strong><br />

Universität Giessen vorgestellt. Die Läsion wurde klinisch-neurologisch rechtsseitig zerebral<br />

lokalisiert und eine Magnetresonanztomografie des Gehirns durchgeführt, durch die eine<br />

rechtsseitige <strong>Kortexnekrose</strong> nachgewiesen wurde. Auf diffusionsgewichteten Aufnahmen<br />

zeigte sich im <strong>rechten</strong> Frontallappen eine deutliche Signalanhebung in 2 Ebenen, die als<br />

Nachweis einer frischen Thrombembolie anzusehen ist. Histologisch zeigten sich zeitlich<br />

unterschiedliche Stadien <strong>der</strong> kortikalen Glianarbe. Wir gehen daher von multiplen, zeitlich<br />

versetzten Thrombembolien aus, wo<strong>bei</strong> eine Ursache nicht gefunden werden konnte.<br />

Summary<br />

Wide necrosis of the right brain cortex at a Yorkshire-Terrier<br />

A 6 year old Yorkshire-Terrier with progressive neurological signs and epileptic seizures was<br />

presented at the veterinary teaching hospital for small animal surgery of the Justus-Liebig-<br />

University Giessen. The symptoms were referred to a lesion in the right cerebrum and a<br />

magnetic resonanz tomography of the brain was done, which showed a necrosis of the right<br />

brain cortex. Diffusion weighted images showed an increased signal in the right frontal cortex<br />

in 2 planes, which is a sign of a fresh thrombembolism. In the histological examination<br />

different states of a cortical glia scar were seen. In our view multiple infarcts at different times<br />

happened in this dog, although we were not able to find a cause.<br />

Einleitung<br />

Falldarstellung<br />

Ein 6 Jahre alter, männlicher Yorkshire-Terrier wurde wegen zunehmenden neurologischen<br />

Ausfällen in <strong>der</strong> Chirurgischen Veterinärklinik, Kleintierchirurgie, <strong>der</strong> Justus-Liebig-<br />

Universität Giessen vorgestellt. Die klinischen Symptome hatten 6 Monate zuvor mit<br />

plötzlicher Erblindung auf dem linken Auge begonnen, so dass <strong>der</strong> Hund <strong>bei</strong><br />

Linksbewegungen häufig an Gegenstände gestoßen war. Kurz darauf traten epileptische<br />

Anfälle vom Typ Grand mal auf, die sich im Abstand von etwa 3 Wochen wie<strong>der</strong>holten.


Vor 3 Monaten begann <strong>der</strong> Hund, sich häufig und ohne erkennbare Ursache nach rechts im<br />

Kreis zu drehen und da<strong>bei</strong> umzufallen. Der Hund wurde vom Haustierarzt mit Prednisolon<br />

behandelt, worauf sich die klinisch-neurologischen Ausfälle deutlich besserten.<br />

3 Tage vor <strong>der</strong> Vorstellung in <strong>der</strong> Chirurgischen Veterinärklinik <strong>der</strong> Universität Giessen hatte<br />

<strong>der</strong> Yorkshire-Terrier 2 generalisierte epileptische Anfälle von kurzer Dauer, nach denen er<br />

mehrere Stunden gehunfähig war und sich danach wie<strong>der</strong> verstärkt im Kreis nach rechts<br />

drehte. Die Behandlung mit Prednisolon, Diazepam und Furosemid durch den Haustierarzt<br />

ergab keine Besserung.<br />

Anamnestisch waren sowohl das Laufen im Kreis, als auch die Häufigkeit <strong>der</strong> epileptischen<br />

Anfälle stärker sowie die Dauer <strong>der</strong> postiktalen Phasen länger geworden.<br />

Die klinische Allgemeinuntersuchung des Hundes ergab eine leichte erhöhte<br />

Körperinnentemperatur, die auf die Aufregung zurückgeführt wurde.<br />

Bei <strong>der</strong> klinisch-neurologischen Untersuchung zeigte <strong>der</strong> Hund deutliche Ausfälle. Nach<br />

jeweils 2 bis 3 Schritten begann er, sich im Kreis nach rechts zu drehen. Da<strong>bei</strong> war ein<br />

Überköten <strong>der</strong> linken Hintergliedmaße auffällig. Die Drehbewegung wurde nur durch<br />

Umfallen des Hundes o<strong>der</strong> Aufheben durch den Besitzer beendet. Der Patient zeigte eine<br />

Kopfschiefhaltung nach rechts um etwa 10° und hatte deutliche Orientierungsprobleme. Die<br />

Haltungs- und Stellreaktionen waren links hochgradig herabgesetzt.<br />

Die Untersuchung <strong>der</strong> Kopfnerven ergab Blindheit auf dem linken Auge, wo<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Palpebral-<br />

, Pupillar- und Cornealreflex <strong>bei</strong><strong>der</strong>seits erhalten war. Es bestand eine Isokorie. Auffällig war,<br />

dass sich <strong>bei</strong>de Augenli<strong>der</strong> nicht synchron bewegten. Weitere Kopfnervenausfälle konnten<br />

nicht festgestellt werden.<br />

Die anschließend durchgeführte Herz- Kreislauf und Laboruntersuchung sowie die<br />

röntgenologische Untersuchung von Thorax und Abdomen waren ohne beson<strong>der</strong>en Befund.<br />

Als Sitz <strong>der</strong> Erkrankung wurde klinisch-neurologisch die rechte Großhirnhemisphäre<br />

vermutet und zur weiteren Diagnostik eine Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) des Gehirns<br />

durchgeführt.<br />

Magnetresonanztomografische Untersuchung<br />

Die Magnetresonanztomografische Untersuchung wurde in Allgemeinanästhesie mit einem<br />

neurooptimierten Sigma Horizont <strong>der</strong> Firma GE mit einer Feldstärke von 1,5 Tesla<br />

durchgeführt. Folgende Sequenzen wurden durchgeführt: Eine T1 gewichtete Turbospinecho-<br />

Sequenz (TR 445 und TE 10), eine T2 gewichtete Turbospinecho Sequenz (TR 4125 und TE<br />

85) sowie diffusionsgewichtete Aufnahmen mit TR 5000 und TE Minimum.<br />

Rechtshemisphärisch waren ausgedehnte kortikal und subkortikal gelegene Areale zu<br />

erkennen, die sich T1 gewichtet signalarm und T2 gewichtet signalreich (wasseräquivalent)<br />

darstellten. Die Stammganglien rechts und <strong>der</strong> größte Teil des Stromgebietes <strong>der</strong> Arteria<br />

cerebri rostralis blieben ausgespart, während das Versorgungsgebiet <strong>der</strong> Arteriae cerebri<br />

media und caudales am stärksten betroffen waren.<br />

Cerebellum, Hirnstamm und das linksseitige Cerebrum sowie die rechtsseitigen Kerngebiete<br />

(Thalamus, Nucleus caudatus sowie Basalganglien) erschienen unauffällig. Das rechtsseitige<br />

Ventrikelsystem war in Richtung <strong>der</strong> untergegangenen Hirnareale ausgezogen, es bestand ein<br />

Hydrozephalus ex vacuo. Die Mittellinie war nicht verlagert (Abb. 1).<br />

In den diffusionsgewichteten Aufnahmen war lediglich rechts frontal eine Signalanhebung zu<br />

erkennen, die auf eine Schrankenstörung hindeutet und somit einen Zellschaden vermuten ließ<br />

(Abb. 2).


Abbildung 1:<br />

MRT Gehirn, T2-Wichtung, coronare<br />

Schnittebene. <strong>Ausgedehnte</strong> rechtsseitige<br />

kortikale und subkortikale Signalanhebung, die<br />

sich wasseräquivalent (Liquor) darstellt.<br />

Auffällig ist die rechtsseitige<br />

Seitenventrikelausziehung in Richtung <strong>der</strong><br />

kortikalen Nekrose. Der Bereich <strong>der</strong><br />

rechtsseitigen weißen Substanz sowie die<br />

gesamte linke Seite sind nicht betroffen.<br />

Abbildung 2:<br />

MRT Gehirn, T2-Wichtung, coronare<br />

Schnittebene. Diffusionsgewichtete Aufnahmen.<br />

Die deutliche Signalanhebung (Pfeil) im Kortex<br />

des <strong>rechten</strong> Frontallappens ist in 2 Ebenen<br />

(coronar und axial) nachweisbar und gilt damit<br />

als Nachweis eines Infarktareals, das nicht älter<br />

als 8 bis 15 Tage ist.<br />

Beurteilung:<br />

Das beschriebene Bild zeigte einen Untergang von Hirngewebe in <strong>der</strong> Kortikal- und<br />

Subkortikalregion, wo<strong>bei</strong> insbeson<strong>der</strong>e das Mediastromgebiet <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> Seite, aber auch in<br />

geringerem Ausmaß das Gebiet <strong>der</strong> Arteriae cerebri caudales betroffen waren. Als Ursache<br />

sind insbeson<strong>der</strong>e rezidivierende Embolien in Betracht zu ziehen, die zum Beispiel nach<br />

Gefäßdissektion <strong>der</strong> Arteria carotis interna entstehen. Diese Ätiologie wurde durch den<br />

Nachweis eines kleinen, frischen Infarktareals im <strong>rechten</strong> frontalen Gehirnbereich gefestigt.<br />

Eine Blutung konnte <strong>bei</strong> <strong>der</strong> beschriebenen Konfiguration ausgeschlossen werden. Die<br />

Einseitigkeit sprach gegen ein Systemerkrankung.<br />

Wegen <strong>der</strong> hochgradigen Verän<strong>der</strong>ungen des Gehirns wurde <strong>der</strong> Hund in Absprache mit den<br />

Besitzern euthanasiert.<br />

Angiografie<br />

Unmittelbar post mortem wurde eine Angiografie <strong>der</strong> zerebralen Gefäße über die Arteria<br />

carotis communis <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> Seite durchgeführt und fluoroskopisch aufgezeichnet.<br />

Die Füllung <strong>der</strong> Arteria carotis interna und im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Arteria communicans<br />

caudalis sowie <strong>der</strong> Arteria basilaris <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> und retrograd <strong>der</strong> linken Seite zeigten keine<br />

Auffälligkeiten. Die vom Sinus cavernosus abgehenden Arteriae cerebri rostrales, cerebri<br />

mediae und cerebri caudales <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> und linken Seite stellten sich ebenfalls unauffällig


dar. Die retrograde Füllung <strong>der</strong> Arteria carotis interna und communis <strong>der</strong> linken Seite war<br />

vollständig und ohne beson<strong>der</strong>en Befund (Abb. 3).<br />

Abbildung 3:<br />

Postmortale Angiografie über die rechte Arteria carotis communis. Die Gefäße stellen sich<br />

unauffällig dar, ein Hinweis auf Thrombembolie o<strong>der</strong> Vaskulitis ist nicht sichtbar. Die<br />

retrograde Füllung des linken Gefäßbaums erfolgt unauffällig.<br />

Sektionsbefunde<br />

Bei <strong>der</strong> Sektion fand sich am Gehirn ein großflächiger Defekt <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> parietalen und<br />

temporalen Großhirnseite (chronischer Infarkt) mit konsekutiver Erweiterung des <strong>rechten</strong><br />

Seitenventrikels (Hydrocephalus ex vacuo). Von <strong>der</strong> Nekrose war insbeson<strong>der</strong>e das<br />

Versorgungsgebiet <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> A. cerebri media betroffen. Es fanden sich keine Hinweise auf<br />

Gefäßwandverän<strong>der</strong>ungen, insbeson<strong>der</strong>e keine Vaskulitis o<strong>der</strong> Thrombose <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> Arteria<br />

cerebri media. Die linke Großhirnhemisphäre und das Kleinhirn waren makroskopisch<br />

unverän<strong>der</strong>t (Abb. 4). An den Organen waren lediglich tötungsbedingte Verän<strong>der</strong>ungen zu<br />

finden.


Abbildung 4:<br />

Gehirn in situ, dorsale Ansicht nach Entfernung <strong>der</strong> Kalotte. Homogene, rechtsseitige<br />

<strong>Kortexnekrose</strong> unter Verlust sämtlicher Gyri und Sulki. Ein Hinweis auf ein entzündliches<br />

Geschehen besteht nicht. Die linke Seite ist unauffällig.<br />

Histologisch zeigte die rechte Großhirnhemisphäre eine ausgeprägte, massive <strong>Kortexnekrose</strong><br />

(Malazie) mit Kavernenbildung und astrozytärem Narbengewebe. Vereinzelt fanden sich<br />

Gitterzellen, pigmentbeladene Makrophagen sowie dezente perivaskuläre, gemischtzellige<br />

Infiltrate.<br />

In <strong>der</strong> Läsion konnten zeitlich unterschiedliche Infarktstadien gefunden werden, beginnend<br />

mit Nekrose noch verbliebener einzelner Neuronen, über lokale, angiomatöse<br />

Gefäßproliferationen bis hin zu ausgeprägter kavernöser Narbenbildung. Die pyramidalen<br />

Neuronen des Hippokampus waren ebenfalls nekrotisch mit dezenter Gliose und<br />

perivaskulären gemischtzelligen Infiltraten. Die basalen Kerngebiete und Thalamus waren<br />

nicht verän<strong>der</strong>t.<br />

Gefäßverschlüsse o<strong>der</strong> Hinweise auf eine bestehende Vaskulitis fanden sich nicht. Das<br />

Myokard wies eine herdförmige, ausgeprägte interfaszikuläre Fibrose auf. Das Endokard,<br />

insbeson<strong>der</strong>e die Herzklappen, waren ohne beson<strong>der</strong>en Befund. Die Leber zeigte eine dezente<br />

zentroazinäre Vakuolisierung von Hepatozyten. Die Lunge wies ein tötungsbedingtes,<br />

alveoläres Emphysem und Ödem neben einer akuten Stauung auf. Die restlichen Organe<br />

zeigten keine pathologischen Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

Diskussion<br />

Infarkte des Gehirns treten <strong>bei</strong>m Hund äußerst selten auf. HOERLEIN und VANDERVELDE<br />

(1978) beschreiben in einer vergleichenden neuropathologischen Studie ischämische<br />

Gehirninfarkte <strong>bei</strong> mehreren Tierarten, unter an<strong>der</strong>em auch <strong>bei</strong>m Hund.<br />

Klinisch-neurologische Symptome eines Gehirninfarkts unterscheiden sich je nach<br />

Lokalisation, weisen jedoch meist gewisse Gemeinsamkeiten auf. Typische seitenbezogene<br />

Schäden mit gesichts- und armbetonten Ausfällen sowie Gefühlsstörungen sind <strong>bei</strong>m<br />

Menschen immer wie<strong>der</strong>kehrende Symptome (HACKE et al., 1993). HOERLEIN und<br />

VANDERVELDE (1978) beschreiben <strong>bei</strong>m Hund Bewusstseinsverlust o<strong>der</strong> –störung sowie<br />

unilaterale Paralyse. Wir konnten <strong>bei</strong> unserem Patienten mit einer linksseitigen Parese sowie


Erblindung auf dem linken Auge ebenfalls eine seitenbetonte klinische Symptomatik<br />

feststellen.<br />

Die <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Magnet-Resonanz-Tomografie gefundene Signalanhebung im <strong>rechten</strong><br />

Frontallappen in diffusionsgewichteten Sequenzen weist <strong>bei</strong>m Menschen auf einen frischen<br />

Infarkt hin. Die diffusionsgewichteten Aufnahmen können Schrankenstörungen nachweisen,<br />

die nicht älter als 8 bis 15 Tage sind (WEBER et al., 2000). Danach gleicht sich das<br />

Signalverhalten wie<strong>der</strong> an. Dies würde die klinische Verschlechterung 3 Tage vor <strong>der</strong><br />

Erstvorstellung in unserer Klinik erklären, als <strong>der</strong> Hund 2 generalisierte epileptische Anfälle<br />

mit ungewöhnlich langer postikterischer Phase und verstärktem Kreisdrehen gezeigt hatte.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Epilepsie ist ein typisches Symptom <strong>bei</strong> Läsionen des Großhirns (BAGLEY<br />

et al., 1999) und stützt den magnetresonanztomografischen Befund <strong>der</strong> Signalanhebung im<br />

frontalen Kortex, die als frisches Infarktareal zu werten ist.<br />

Beim Menschen werden <strong>der</strong> Gehirninfarkt und die intraparenchymale Blutung unter dem<br />

Begriff <strong>der</strong> zerebrovaskulären Erkrankung zusammengefasst. Beide erscheinen klinisch als<br />

Schlaganfall, <strong>der</strong> sich je nach Schweregrad unterschiedlich darstellt.<br />

Die häufigsten Ursachen zerebrovaskulärer Erkrankungen <strong>bei</strong>m Menschen sind<br />

Atherosklerose, Thrombose o<strong>der</strong> Embolie <strong>bei</strong> kardialer Grun<strong>der</strong>krankung sowie die Ruptur<br />

von Aneurysmen. Insbeson<strong>der</strong>e das Auftreten mehrerer, keilförmiger Territorialinfarkte ist<br />

<strong>bei</strong>m Menschen eine typische Folge von multiplen kardialen Embolien sowie von Vaskulitis<br />

(HACKE et al., 1993).<br />

Nach dem Verschluss einer Gehirnarterie durch einen Embolus ist <strong>der</strong> einsetzende<br />

Kollateralfluss entscheidend für den weiteren Verlauf. Beim Hund kann ein Verschluss <strong>der</strong><br />

Arteria basilaris o<strong>der</strong> des ringförmigen Sinus cavernosus durch Kollateralgefäße kompensiert<br />

werden. Nach dem Abgang <strong>der</strong> Arteria cerebri media aus dem vor<strong>der</strong>en Teil des Sinus<br />

cavernosus stehen jedoch keine Kollateralgefäße mehr zur Verfügung, so dass eine<br />

Blutflussunterbrechung zur Infarzierung führt (NICKEL et al., 1992).<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> betroffenen Gehirnbereiche <strong>bei</strong> dem hier beschriebenen Patienten ist<br />

beson<strong>der</strong>s auffällig. Während die rechte Großhirnrinde fast vollständig involviert ist, bleibt<br />

die linke Seite ausgespart. Ebenso beschränkt sich das Nekroseareal auf den Cortex cerebri,<br />

während das innen liegende Corpus medullare cerebri keine Verän<strong>der</strong>ung aufweist. Diese<br />

Verteilung lässt sich <strong>bei</strong>m Menschen durch multiple Infarkte im Endstromgebiet des Cortex<br />

cerebri erklären, während <strong>bei</strong> einem hypoxischen Hirnschaden eine Atrophie <strong>der</strong><br />

Basalganglien zu erwarten wäre (GUSMAO und PITTELLA, 2002; CHRISTOPHE et al.,<br />

2002).<br />

Differentialdiagnostisch kommt eine temporäre, pränatale Ischämie in Betracht, die <strong>bei</strong>m<br />

Menschen beobachtet wird. Durch Umschlingung des Halses <strong>der</strong> Frucht mit <strong>der</strong> Nabelschnur<br />

entsteht eine kurzfristige, inkomplette und oft einseitige Ischämie des Gehirns, die zu Nekrose<br />

des gleichseitigen Cortex cerebri führt. Beim Mensch kommt es häufig erst nach vielen Jahren<br />

durch zunehmende Narbenbildung zu klinisch-neurologischen Ausfällen (FRICKER et al.,<br />

1983). Die Kolliquationsnekrose <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> Großhirnrinde ließe sich mit einem<br />

vergleichbaren pränatal-hypoxischen Ereignis erklären. Da <strong>bei</strong>m Hund die Nabelschnur<br />

jedoch sehr kurz ist, erscheint diese Pathogenese unwahrscheinlich. Weiterhin würde das<br />

späte Einsetzen klinischer Symptome zwar die zunehmende Epilepsie erklären, progressive<br />

Gangverän<strong>der</strong>ungen, die <strong>der</strong> hier beschriebene Patient gezeigt hat, wären jedoch nicht zu<br />

erwarten.<br />

Die <strong>bei</strong>m Yorkshire-Terrier beschriebene „Nekrotisierende Enzephalitis“ unterscheidet sich<br />

ebenfalls deutlich von den Befunden unseres Patienten (TIPOLD et al., 1993; SAWASHIMA<br />

et al., 1996; JULL et al., 1997; DUCOTÉ et al., 1999; LOTTI et al., 1999; KUWAMURA et<br />

al., 2002). Während <strong>bei</strong> <strong>der</strong> „Nekrotisierenden Enzephalitis“ beson<strong>der</strong>s die weiße Substanz im


periventrikulären Bereich des Cerebrums sowie die basalen Nuklei, <strong>der</strong> Thalamus und <strong>der</strong><br />

Hirnstamm betroffen sind (KUWAMURA et al., 2002), ist <strong>bei</strong> unserem Patienten fast<br />

ausschließlich die graue Substanz <strong>der</strong> <strong>rechten</strong> Hemisphäre betroffen. Das Großhirnmark sowie<br />

Stammganglien und Hirnstamm zeigen sich unverän<strong>der</strong>t.<br />

Beim Menschen kann eine diffuse, hochgradige Vaskulitis zu multiplen Infarkten führen. Im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Vaskulitis kommt es zur Wandentzündung <strong>der</strong> kleinen und mittleren Arterien. Es<br />

bilden sich Pseudoaneurysmata aus, die rupturieren und bluten, aber auch zu einer<br />

Gefäßverengung o<strong>der</strong> –verschluss führen können und auf diese Weise einen ischämischen<br />

Insult her<strong>bei</strong>führen können. Dies führt zu einem Mischbild aus Mikroangiopathie,<br />

hämodynamischen und territorialen Infarkten. (SARTOR, 2001). Wir konnten jedoch we<strong>der</strong><br />

in <strong>der</strong> Magnet-Resonanz-Tomografie, noch in <strong>der</strong> postmortalen Angiografie o<strong>der</strong><br />

histologischen Untersuchung Hinweise für eine Vaskulitis finden, so dass diese Genese<br />

ausgeschlossen werden kann.<br />

Bei dem in unserer Klinik vorgestellten Patienten konnte durch die Magnet-Resonanz-<br />

Tomografie die Diagnose eines Hydrozephalus ex vacuo gestellt werden, <strong>der</strong> wahrscheinlich<br />

durch Kolliquationsnekrose nach mehreren Infarkten entstanden ist. Auf Grund <strong>der</strong> streng<br />

einseitigen Lokalisation liegt <strong>der</strong> Verdacht einer Abschwemmung multipler Emboli aus dem<br />

Bereich <strong>der</strong> rechtsseitigen Arteria carotis interna nahe. Da jedoch eine Verbindung über den<br />

Circulus arteriosus cerebri zur unauffälligen linken Hirnhemisphäre besteht, müsste die<br />

Gefäßläsion nach dem rechtsseitigen Abgang des Circulus arteriosus cerebri aus <strong>der</strong> Arteria<br />

carotis interna zu suchen sein. Neben <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Abschwemmung mehrerer Emboli<br />

ist jedoch auch eine pränatale Ischämie denkbar, die zu multiplen ischämischen Läsionen<br />

geführt haben könnte. Auch hier wäre die streng rechtsseitige Verteilung erklärbar. Beide<br />

Ätiologien konnten durch die Untersuchungen we<strong>der</strong> bestätigt, noch wi<strong>der</strong>legt werden.<br />

Anschrift <strong>der</strong> Autoren:<br />

Dr. Oliver Lautersack, Kleintierpraxis Ettlingen, Hertzstrasse 25, 76275 Ettlingen.<br />

e-mail: lautersack@kleintierpraxis-ettlingen.de<br />

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