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Orientierungshilfe zu Leistungen nach SGB XII und SGB VIII für ...

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Landkreistag Baden-Württemberg Kommunalverband <strong>für</strong> Jugend <strong>und</strong> Soziales Städtetag<br />

Baden-Württemberg Baden-Württemberg<br />

<strong>Orientierungshilfe</strong><br />

<strong>zu</strong><br />

<strong>Leistungen</strong> <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>und</strong> <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>für</strong> junge Menschen mit seelischer,<br />

körperlicher <strong>und</strong> geistiger Behinderung<br />

Gliederung:<br />

vom 22.07.2011<br />

Vorbemerkung<br />

1. Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

2. Zuordnung <strong>zu</strong>r Jugend-oder Sozialhilfe<br />

3. Besondere Betreuungsangebote <strong>und</strong> <strong>Leistungen</strong><br />

Vorbemerkung<br />

Die einheitliche Zuständigkeit der Stadt-<strong>und</strong> Landkreise in Baden-Württemberg <strong>für</strong> alle Sozial<strong>und</strong><br />

Jugendhilfeleistungen bietet die Chance, auch bei <strong>Leistungen</strong> <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit<br />

Behinderung 1<br />

neue Wege <strong>zu</strong> beschreiten <strong>und</strong> gemeinsame Lösungen vor Ort <strong>zu</strong> finden. Diese<br />

<strong>Orientierungshilfe</strong> soll Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Anregung <strong>für</strong> Diskussions-<strong>und</strong> Entscheidungsprozesse<br />

zwischen Sozial-<strong>und</strong> Jugendämtern sein. Außerdem soll sie eine Orientierung <strong>für</strong> Einzelfälle bieten,<br />

die nicht eindeutig der Sozial-oder Jugendhilfe <strong>zu</strong>geordnet werden können. Die <strong>Orientierungshilfe</strong><br />

basiert auf geltendem Recht <strong>und</strong> berücksichtigt die Rechtsprechung. Bei Zuständigkeiten, die über<br />

einen Stadt-bzw. Landkreis hinausgehen soll sie <strong>zu</strong> kreisübergreifender Kooperation anregen.<br />

Spielräume <strong>für</strong> eigene örtliche Regelungen sollen durch die <strong>Orientierungshilfe</strong> keinesfalls<br />

eingeschränkt werden.<br />

Die <strong>Orientierungshilfe</strong> vom 12.04.2007 (R<strong>und</strong>schreiben KVJS Nr. Dez 4-11/2007) wird mit<br />

Bekanntmachung dieser <strong>Orientierungshilfe</strong> gegenstandslos.<br />

1<br />

Es gilt Behinderungsbegriff <strong>nach</strong> § 35a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> bzw. § 53 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> i.V.m. § 2 Abs. 1 <strong>SGB</strong> IX


1. Gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

1.1. Entsprechend dem Normalitätsprinzip, das in der UN-Kinderrechtskonvention <strong>und</strong> in der<br />

UN-Behindertenrechtskonvention <strong>zu</strong>m Ausdruck kommt, sind auch Kinder mit Behinderung in<br />

erster Linie Kinder <strong>und</strong> haben somit ein Recht auf Erziehung (§ 1 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>). Dieses Recht <strong>und</strong><br />

der sich daraus ergebende allgemeine erzieherische Bedarf (Sozialisation) der gedeckt<br />

werden muss, ist gr<strong>und</strong>gesetzlich verbrieftes Recht – <strong>und</strong> gleichzeitig auch Verpflichtung – der<br />

sorgeberechtigten Eltern. Über diese Verpflichtung <strong>zu</strong>r Erziehung wacht die staatliche<br />

Gemeinschaft (staatliches Wächteramt). Eltern, die der Verpflichtung <strong>zu</strong>r Erziehung ihrer<br />

Kinder nicht <strong>nach</strong>kommen, sind von den entsprechenden staatlichen Institutionen so <strong>zu</strong><br />

motivieren <strong>und</strong> <strong>zu</strong> unterstützen, dass die Erziehung des Kindes gewährleistet wird. Die da<strong>für</strong><br />

erforderlichen <strong>Leistungen</strong> sind in jedem Einzelfall fest<strong>zu</strong>legen <strong>und</strong> können unterschiedlichster<br />

Art sein. Der Schutzauftrag (§ 8a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>) <strong>und</strong> die Inobhutnahme (§ 42 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>) bleibt<br />

immer ein Auftrag der Jugendhilfe, auch wenn Kinder bzw. Jugendliche mit Behinderung<br />

betroffen sind, die ansonsten Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe erhalten.<br />

1.2. Die Hilfen <strong>zu</strong>r Erziehung, die im <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> genannt sind, setzen einen erzieherischen Bedarf<br />

voraus, der nicht gedeckt ist, dessen Befriedigung aber <strong>zu</strong>m Wohl des Kindes erforderlich ist.<br />

Die Eingliederungshilfe im <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> setzt behinderungsspezifische Bedarfe voraus, deren<br />

Deckung erforderlich ist, um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sicher<strong>zu</strong>stellen. Das<br />

alltägliche Erziehungsgeschehen ist im behindertenspezifischen Bedarf eingeschlossen. Sind<br />

beide Bereiche betroffen, wird das unter Nr. 2 <strong>und</strong> 3 beschriebene Verfahren vorgeschlagen.<br />

2. Zuordnung <strong>zu</strong>r Jugend-oder Sozialhilfe<br />

2.1 Gr<strong>und</strong>sätze <strong>für</strong> die Zuordnung Rechtsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Zuordnung ist § 10 Abs. 4 Satz 1<br />

u. 2. <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>. (Abweichend davon <strong>Leistungen</strong> der Frühförderung vgl. Nr. 3.1)<br />

2.1.1 Für die Zuordnung ist allein die Art der festgestellten Behinderung aus-<br />

schlaggebend. Bei ausschließlich wesentlich körperlich <strong>und</strong>/oder geistig behinderten<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen wird entsprechend § 10 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>und</strong> der da<strong>zu</strong> ergangenen<br />

Rechtsprechung immer die Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> als vorrangig angesehen.<br />

2.1.2 Die Art der Leistung (z.B. in einer Einrichtung der Jugendhilfe oder der Einglie-<br />

derungshilfe i.R.d. Sozialhilfe) muss geeignet <strong>und</strong> erforderlich sein. Für die Abgren<strong>zu</strong>ng<br />

der Hilfen <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>und</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> ist sie nicht maßgebend. Falls mit dem hier<strong>nach</strong><br />

<strong>zu</strong>ständigen Jugend-oder Sozialhilfeträger keine Vereinbarungen bestehen, ist ggf.<br />

eine Einzelvereinbarung <strong>zu</strong> schließen.


2.1.3 Im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>für</strong> Menschen mit Behinderung kommen auch andere,<br />

nicht ausdrücklich in § 54 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>und</strong> § 55 Abs 2 <strong>SGB</strong> IX genannte Maßnahmen,<br />

in Betracht, sofern sie geeignet <strong>und</strong> erforderlich sind, die Aufgaben der Eingliederungshilfe<br />

<strong>zu</strong> erfüllen, weil von einem lediglich beispielhaften, offenen Leistungstatbestand<br />

("insbesondere") ausgegangen wird. Die Vorschriften über die Eingliederungshilfe zielen<br />

allerdings auf die Eingliederung des behinderten Menschen <strong>und</strong> damit auf <strong>Leistungen</strong> an<br />

diesen, nicht an dritte Personen, wenn nichts anderes ausdrücklich im Gesetz geregelt ist<br />

(vgl. BSG-Urteil vom 24.3.2009, B 8 SO 29/07 R). Damit sind erzieherische <strong>Leistungen</strong>, die<br />

nicht direkt am Kind bzw. Jugendlichen erbracht werden (z.B. Sozialpädagogische<br />

Familienhilfe), dem <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen. Sofern <strong>Leistungen</strong> der Eingliederungshilfe <strong>nach</strong><br />

dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> erbracht werden, umfassen sie auch die damit verb<strong>und</strong>ene alltägliche<br />

Erziehung (vgl. Nr. 1.1).<br />

2.1.4 Ist über die Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> hinaus ein erzieherischer Bedarf <strong>nach</strong><br />

dem <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> ab<strong>zu</strong>decken, so fällt dieser in die Zuständigkeit der Jugendhilfe. Dabei ist<br />

eine gemeinsame Hilfe-bzw. Gesamtplanung des Sozial-<strong>und</strong> Jugendhilfeträgers <strong>zu</strong><br />

empfehlen. (vgl. Beispiele in Anlage 1)<br />

2.2 Eindeutige Zuständigkeit der Jugendhilfe Ein<br />

ausschließlicher Bedarf<br />

. o an Hilfe <strong>zu</strong>r Erziehung (§27 ff <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>) oder<br />

. o wegen (drohender) seelischer Behinderung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

(§ 35a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>) wird durch die Jugendhilfe <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> abgedeckt.<br />

2.3 Eindeutige Zuständigkeit der Sozialhilfe Kinder <strong>und</strong> Jugendliche mit wesentlicher körperlicher<br />

<strong>und</strong>/oder geistiger Behinderung haben <strong>nach</strong> § 53 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> Anspruch auf <strong>Leistungen</strong> der<br />

Eingliederungshilfe; bei nicht wesentlich behinderten Personen entscheidet der Sozialhilfeträger im<br />

Rahmen seines Ermessens. Von einer wesentlichen Behinderung bedrohte Personen <strong>nach</strong> § 53<br />

Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> sind wesentlich behinderten Personen gleichgestellt.<br />

2.4 Zuordnung bei Mehrfachbehinderung oder bei gleichzeitigem Anspruch auf Hilfe <strong>zu</strong>r<br />

Erziehung<br />

2.4.1 Kongruente bzw. konkurrierende Leistungsansprüche Ist ein junger Mensch seelisch<br />

<strong>und</strong> wesentlich geistig/körperlich behindert oder besteht <strong>für</strong> geistig/körperlich behinderte<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche daneben ein gr<strong>und</strong>sätzlicher Anspruch auf Hilfe <strong>zu</strong>r Erziehung,<br />

sind <strong>Leistungen</strong> der Sozialhilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> vorrangig, wenn <strong>für</strong> einen bestimmten<br />

Bedarf tatsächlich <strong>und</strong> gegenwärtig ein gleichartiger (kongruenter) oder sich<br />

überschneidender (konkurrierender) Leistungsanspruch <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>und</strong> <strong>VIII</strong> besteht (vgl.<br />

BVerwG-Urteil vom 23.09.1999 – 5 C 26/98). Es kommt nicht darauf an, welche<br />

Behinderung im Vordergr<strong>und</strong> steht oder welcher Bedarf ursächlich ist. Wenn keine<br />

kongruenten Leistungsansprüche <strong>nach</strong> beiden Gesetzen bestehen, entsteht keine<br />

Konkurrenzsituation. Es besteht auch keine Konkurrenzsituation, wenn der durch ein<br />

Erziehungsdefizit ausgelöste jugendhilferechtliche Bedarf keine inhaltsgleiche Maßnahme<br />

der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe wegen einer vorhandenen wesentlichen<br />

geistigen/körperlichen Behinderung in Betracht kommen lässt.


2.4.2 Zuordnung bei Autismus Autistische Störungen (tief greifende Entwicklungsstörungen,<br />

F 84 – F 84.9/ ICD 10) sind gekennzeichnet durch ein charakteristisches Muster<br />

qualitativer Auffälligkeiten der sozialen Interaktion <strong>und</strong> der Kommunikation sowie durch<br />

eingeschränktes Interesse mit stereotyp repetitivem (sich wiederholendem) Verhalten.<br />

Die einzelnen Krankheitsbilder (z.B. frühkindlicher oder atypischer Autismus,<br />

Asperger-Syndrom) unterscheiden sich in der Ausprägung der Symptomatik. Sofern<br />

durch diese Symptome eine wesentliche Beeinträchtigung von Aktivität <strong>und</strong> Teilhabe<br />

bedingt ist, liegt eine seelische Behinderung vor. Unabhängig davon sind die kognitiven<br />

Fähigkeiten im Einzelfall <strong>zu</strong> klären. Sofern <strong>zu</strong>sätzlich eine Intelligenzminderung (F70<br />

-F73/ ICD 10) vorliegt, ist von einer <strong>zu</strong>sätzlichen geistigen Behinderung aus<strong>zu</strong>gehen.<br />

Entsprechend der unter Nr. 2 genannten Gr<strong>und</strong>sätze sind gem. §10 Abs. 4 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> bei<br />

solchen Mehrfachbehinderungen <strong>Leistungen</strong> <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> vorrangig.<br />

2.4.3 Feststellung der Behinderung Zur Feststellung einer seelischen Behinderung im<br />

Rahmen der Jugendhilfe ist <strong>nach</strong> § 35a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> die Stellungnahme eines Facharztes<br />

erforderlich. Bei der Definition <strong>und</strong> Feststellung der seelischen / geistigen Behinderung<br />

kann auf die <strong>Orientierungshilfe</strong> der B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozial-<br />

hilfeträger (BAGüS) „Der Behinderungsbegriff <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> IX <strong>und</strong> <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>und</strong> die<br />

Umset<strong>zu</strong>ng in der Sozialhilfe“ <strong>zu</strong>rückgegriffen werden (www.bagues.de).<br />

3. Besondere Betreuungsangebote <strong>und</strong> <strong>Leistungen</strong><br />

3.1 Frühförderung Die Frühförderung im Sinne dieser <strong>Orientierungshilfe</strong> ist in der<br />

Frühförderverordnung gemäß § 29 Landeskinder-<strong>und</strong> -jugendhilfegesetz (LKJHG) definiert.<br />

Abweichend von § 10 Abs. 4 Satz 3 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> gilt hier<strong>nach</strong> der Vorrang der Sozialhilfe.


Diese Leistung erbringen in Baden-Württemberg insbesondere Frühförderstellen <strong>und</strong> so-<br />

zialpädiatrische Beratungsstellen. Die integrative Förderung in Kindertageseinrichtungen <strong>und</strong><br />

Kindertagespflege ist nicht Frühförderung im Sinne der Frühförderverordnung.<br />

3.2 Behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in Pflegefamilien <strong>Leistungen</strong> <strong>für</strong> geistig <strong>und</strong>/oder<br />

körperlich behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in Pflegefamilien werden <strong>nach</strong> § 54 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

gewährt. Die Empfehlungen unter Nr. 1 <strong>und</strong> 2 dieser <strong>Orientierungshilfe</strong> gelten auch hier<strong>für</strong>.<br />

Detaillierte Ausführungen sind aus Anlage 2 <strong>zu</strong> entnehmen.<br />

3.3 Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen<br />

3.3.1 Nicht behinderte Mütter/Väter mit behindertem Kind in anerkannten<br />

2 3<br />

Mutter/Vater-Kind-Einrichtungen Die Gesamtleistung wird im Rahmen der Jugendhilfe erbracht<br />

(§ 19 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>und</strong> Rechtsprechung).<br />

3.3.2 Behinderte Eltern mit nichtbehinderten Kindern <strong>Leistungen</strong> <strong>für</strong> das Kind werden im Rahmen der<br />

Jugendhilfe erbracht, <strong>Leistungen</strong> <strong>für</strong> behinderte Eltern als Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong><br />

<strong>XII</strong>.<br />

3.4 Junge Volljährige mit seelischer Behinderung 4<br />

3.4.1 Frühzeitig vor Ende der Jugendhilfe-Zuständigkeit sollten Hilfeplanung <strong>und</strong> Gesamtplanung<br />

vom Jugend-<strong>und</strong> Sozialhilfeträger gemeinsam durchgeführt werden.<br />

3.4.2 Soweit der Bedarf erst <strong>nach</strong> Vollendung des 18. Lebensjahres festgestellt wird, wird eine<br />

Hilfeleistung im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> empfohlen, außer es<br />

besteht die Aussicht, dass alleine durch Maßnahmen <strong>nach</strong> § 41 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> eine<br />

eigenverantwortliche Lebensführung auf Dauer ermöglicht wird. 5<br />

2<br />

3<br />

Diese Empfehlung kann auch auf andere Fallkonstellationen angewandt werden vgl. BSG-Urteil vom<br />

24.3.2009, B 8 SO 29/07 R, BVerwG-Urteil vom 22.10.2009 -5 C 19.08 4<br />

vgl. Beispiele Nr. 6 bis 8 in Anlage 1 5<br />

Da die Jugendhilfe auch <strong>für</strong> junge Volljährige <strong>zu</strong>ständig ist, deren seelische Behinderung erst <strong>nach</strong> Vollendung<br />

des 18. Lebensjahres festgestellt wurde, besteht gr<strong>und</strong>sätzlich ein Vorrang der Jugendhilfe. Wird jedoch im<br />

Rahmen der Hilfeplanung deutlich, dass mit Mitteln der Jugendhilfe voraussichtlich bis <strong>zu</strong>m 21. Lebensjahr keine<br />

Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ohne weitere <strong>Leistungen</strong> der Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

möglich sein wird, kann die Sozialhilfe die Hilfe bereits von Anfang an übernehmen. Die Hilfeplanung sollte<br />

gemeinsam durchgeführt werden.


Beispiele<br />

Anlage 1 <strong>zu</strong>r <strong>Orientierungshilfe</strong> Jugendhilfe-Sozialhilfe vom 17.05.2011<br />

Beispiel 1 -Stationäre Maßnahme wegen familiärer Situation<br />

Ein wesentlich geistig behindertes Kind muss wegen der desolaten Familiensituation in einer<br />

stationären Behinderteneinrichtung untergebracht werden. Der Sozialhilfeträger übernimmt im<br />

Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten, weil aufgr<strong>und</strong> von § 10 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>und</strong> der da<strong>zu</strong><br />

ergangenen Rechtsprechung allein die Art der festgestellten Behinderung ausschlaggebend ist (vgl.<br />

Nr. 2.1.1).<br />

Erläuterungen: Lt. Nr. 2.1.1 ist <strong>für</strong> die Zuordnung <strong>zu</strong>r Sozialhilfe allein die Art der festgestellten<br />

Behinderung ausschlaggebend (hier: geistige Behinderung). Dies gilt, obwohl neben dem<br />

behinderungsspezifischen Bedarf auch ein erzieherischer Bedarf besteht. Die<br />

behinderungsspezifischen <strong>Leistungen</strong> im Rahmen der Sozialhilfe gehen hier entsprechend Nr. 2.4.1<br />

vor, weil die Leistungsansprüche <strong>nach</strong> <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>und</strong> <strong>XII</strong> deckungsgleich sind. Im Falle einer<br />

Rückkehroption könnte unabhängig davon gleichzeitig im Rahmen der Hilfe <strong>zu</strong>r Erziehung <strong>nach</strong> dem<br />

<strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie vorbereitet werden.<br />

Beispiel 2 -Geistige/körperliche Behinderung zieht eine seelische Behinderung <strong>nach</strong> sich<br />

Ein geistig behinderter Jugendlicher, der im Laufe der Zeit starke Verhaltensauffälligkeiten entwickelt<br />

<strong>und</strong> fremdaggressiv wird, benötigt ein besonderes Betreuungssetting (Intensivgruppe). Durch<br />

fachärztliches Gutachten wird <strong>zu</strong>sätzlich eine seelische Behinderung begründet. Die Sozialhilfe ist<br />

<strong>für</strong> alle Hilfen vorrangig <strong>zu</strong>ständig (vgl. Nr. 2.1.1 <strong>und</strong> Beispiel 1).<br />

Beispiel 3 -Tagesbetreuung behinderter Kinder<br />

Ein 4-jähriges geistig behindertes Kind, das im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

einen Schulkindergarten <strong>für</strong> geistig Behinderte besucht, benötigt außerhalb der Öffnungszeiten<br />

wegen Berufstätigkeit der Eltern eine Tagesmutter. Besondere behinderungsbedingte<br />

Anforderungen an die Tagesmutter werden nicht gestellt. Die Kosten der Tagespflege übernimmt<br />

das Jugendamt <strong>nach</strong> § 23 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>.<br />

Erläuterungen: Dies trifft immer dann <strong>zu</strong>, wenn es sich um eine klassische Kinderbetreuung handelt<br />

<strong>und</strong> die in § 24 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> genannten Vorausset<strong>zu</strong>ngen erfüllt sind (keine behinderungsbedingte<br />

Hilfegewährung notwendig). Auch in (normalen) Kindertageseinrichtungen stellt die Regelbetreuung<br />

eine Leistung der Jugendhilfe dar. Erst wenn eine Maßnahme aufgr<strong>und</strong> der Behinderung notwendig<br />

wird, muss diese im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährt werden. In solchen Fällen ist eine<br />

gemeinsame Hilfe-bzw. Gesamtplanung durch das <strong>zu</strong>ständige Jugend-<strong>und</strong> Sozialamt angezeigt.<br />

Beispiel 4 -Besondere Maßnahmen wegen über die Behinderung hinaus bzw. aus anderen<br />

Gründen, Familienhilfe<br />

Ein Kind mit Hörbehinderung besucht eine private Schule <strong>für</strong> Schwerhörige teilstationär. Die Kosten<br />

hier<strong>für</strong> übernimmt das Sozialamt im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>für</strong> behinderte Menschen.<br />

Gleichzeitig treten In der Herkunftsfamilie Probleme erzieherischer Art auf, die den Einsatz einer<br />

sozialpädagogischen Familienhilfe notwendig machen. Die Kosten hier<strong>für</strong> übernimmt das<br />

Jugendamt im Rahmen der Hilfe <strong>zu</strong>r Erziehung.


Erläuterungen: Aufgabe der sozialpädagogischen Familienhilfe <strong>nach</strong> § 31 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> ist die Betreuung<br />

<strong>und</strong> Unterstüt<strong>zu</strong>ng der Familie in ihren Erziehungsaufgaben usw. Dies stellt keine (direkte) Hilfe <strong>für</strong><br />

das behinderte Kind dar, sondern fördert die Familienstruktur <strong>und</strong> soll die Selbsthilfekräfte stärken.<br />

Außerdem ist eine gleichartige Hilfe im Leistungskatalog des § 54 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> nicht enthalten. Die dort<br />

aufgeführten <strong>Leistungen</strong> sind zwar nicht abschließend, aber sie zielen in allen Fällen auf die direkte<br />

Förderung des behinderten Menschen ab <strong>und</strong> nicht auf die Stabilisierung bzw. Förderung des (u.a.<br />

familiären) Umfeldes. In solchen Fällen ist eine gemeinsame Hilfe-bzw. Gesamtplanung durch das<br />

<strong>zu</strong>ständige Jugend-<strong>und</strong> Sozialamt notwendig.<br />

Beispiel 5 -Verhaltensauffälligkeiten bei jungen Menschen mit geistiger <strong>und</strong> körperlicher<br />

Behinderung (atypisches aggressives Verhalten)<br />

Der Sozialhilfeträger übernimmt <strong>für</strong> einen wesentlich geistig <strong>und</strong> körperlich behinderten jungen<br />

Menschen Kosten <strong>für</strong> den Schulkindergarten im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>für</strong> behinderte<br />

Menschen. Nach einiger Zeit sind infolge aggressiven Verhaltens weitere Maßnahmen notwendig. Im<br />

Rahmen der Gesamt<strong>zu</strong>ständigkeit übernimmt auch hier<strong>für</strong> der Sozialhilfeträger die Kosten (vgl. Nr.<br />

2.4).<br />

Erläuterungen: Es ist nicht fest<strong>zu</strong>stellen, dass die Verhaltensauffälligkeit nicht mit der Behinderung<br />

<strong>zu</strong>sammenhängt, deshalb umfängliche Leistung der Eingliederungshilfe.<br />

Beispiel 6 -Junge Volljährige mit seelischer Behinderung ab 21. Lebensjahr<br />

Bei einem Zuständigkeitswechsel ab dem 21. Lebensjahr (nicht zwingend mit 21) kann davon<br />

ausgegangen werden, dass <strong>nach</strong> fachlich korrekter Entscheidung des Jugendhilfeträgers die Abgabe<br />

an das Sozialamt notwendig ist.<br />

Erläuterung: Die Fallabgabe ab dem 21. Lebensjahr sollte ohne Beanstandung -um zeitintensive<br />

Fallüber-gaben <strong>zu</strong> vermeiden -akzeptiert werden. Eine rechtzeitige gemeinsame Hilfe-bzw.<br />

Gesamtplanung durch das <strong>zu</strong>ständige Jugend-<strong>und</strong> Sozialamt ist hier notwendig.<br />

Beispiel 7 -Junge Volljährige mit seelischer Behinderung, Wechsel in Langzeiteinrichtung<br />

Für einen jungen Menschen (unter 27 Jahre alt), der bisher <strong>Leistungen</strong> der Jugendhilfe erhält, wird der<br />

Wechsel in eine Einrichtung angestrebt, die eine langfristige Wohn-<strong>und</strong> Lebensperspektive bieten<br />

kann. Aus fachlichen <strong>und</strong> verwaltungsökonomischen Gründen ist hier ab Volljährigkeit mit Einrich-<br />

tungswechsel ein Zuständigkeitswechsel <strong>zu</strong>r Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe denkbar.<br />

Des Weiteren kann ein Wechsel der Zuständigkeit ab Volljährigkeit in Betracht kommen, wenn <strong>nach</strong><br />

Abschluss einer Schul-oder Berufausbildung weitere langfristige Maßnahmen geplant sind.


Anmerkung: Eine gemeinsame Hilfe-bzw. Gesamtplanung durch das <strong>zu</strong>ständige Jugend-<strong>und</strong><br />

Sozialamt rechtzeitig vor Einrichtungswechsel ist notwendig.<br />

Beispiel 8 -Junge Volljährige mit seelischer Behinderung <strong>nach</strong> Abschluss beruflicher<br />

Rehabilitation<br />

Ein junger Mensch (unter 27 Jahre alt) hat im Rahmen der Hilfegewährung <strong>nach</strong> § 35a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> eine<br />

berufliche Integrationsmaßnahme abgeschlossen. Die Fachkräfte sind sich einig, dass er in einer<br />

Behindertenwerkstatt arbeiten kann <strong>und</strong> planen, ihn dauerhaft in einer geeigneten Einrichtung<br />

unter<strong>zu</strong>bringen. Diese neue Maßnahme sollte dann vom <strong>zu</strong>ständigen Sozialhilfeträger bearbeitet<br />

werden, da mit einer langfristigen Unterstüt<strong>zu</strong>ng – auch über das 21. Lebensjahr hinaus – <strong>zu</strong> rechnen<br />

ist.<br />

Anmerkung: Eine rechtzeitige gemeinsame Hilfe-bzw. Gesamtplanung durch das <strong>zu</strong>ständige<br />

Jugend-<strong>und</strong> Sozialamt ist hier notwendig.


Anlage 2 <strong>zu</strong>r <strong>Orientierungshilfe</strong> Jugendhilfe-Sozialhilfe vom 17.05.2011<br />

Behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in Pflegefamilien -<br />

Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> § 54 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

1. Personenkreis<br />

Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> § 54 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> in Pflegefamilien wird <strong>für</strong> die Betreuung von<br />

geistig <strong>und</strong>/oder körperlich bzw. mehrfach behinderten Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen bis <strong>zu</strong>r<br />

Vollendung des 18. Lebensjahres geleistet.<br />

Wesentlich behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche haben <strong>nach</strong> § 53 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> Anspruch auf<br />

<strong>Leistungen</strong> der Eingliederungshilfe; bei nicht wesentlich behinderten Personen entscheidet der<br />

Sozialhilfeträger im Rahmen seines Ermessens. Von einer wesentlichen Behinderung bedrohte<br />

Personen <strong>nach</strong> § 53 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> sind wesentlich behinderten Personen gleichgestellt.<br />

2. Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 54 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

Vorrausset<strong>zu</strong>ng <strong>für</strong> Eingliederungshilfe in Pflegefamilien ist, dass geeignete Pflegepersonen<br />

vorhanden sind, die Kinder <strong>und</strong> Jugendliche über Tag <strong>und</strong> Nacht in ihrem Haushalt versorgen (s. 4.2),<br />

dass das <strong>zu</strong>ständige Jugendamt der Pflegeperson eine Pflegeerlaubnis <strong>nach</strong> § 44 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> erteilt<br />

<strong>und</strong><br />

dass dadurch der stationäre Aufenthalt in einer Behinderteneinrichtung vermieden oder<br />

beendet werden kann. Dies trifft <strong>zu</strong>, wenn eine Betreuung außerhalb der Herkunftsfamilie<br />

notwendig ist <strong>und</strong> dadurch ein stationärer Aufenthalt entbehrlich wird. Dabei kommt es nicht<br />

darauf an, ob die Unterbringung aus erzieherischen oder behinderungsbedingten Gründen<br />

erfolgt.<br />

3. Ziele, Gesamtplan, Organisation<br />

Ziele, Leistungsart <strong>und</strong> –Umfang sollen vom Sozialhilfeträger im Rahmen des Ge-<br />

samtplanverfahrens <strong>nach</strong> § 58 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> ermittelt <strong>und</strong> vereinbart werden. Bei der Planung-bzw.<br />

beim Gesamtplangespräch sollen Eltern, Jugendamt <strong>und</strong> weitere Beteiligte einbezogen<br />

werden.<br />

Dabei sollen Aussagen darüber getroffen werden, ob die Unterbringung in der Pflegefamilie<br />

befristet oder auf Dauer vorgesehen ist <strong>und</strong> ob eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie<br />

angestrebt wird.<br />

Die Zuordnung <strong>zu</strong>m <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> schließt nicht aus, dass andere Organisationseinheiten mit<br />

dieser Aufgabe betraut werden (z.B. Sozialer Dienst).


4. Pflegefamilien (Geeignetheit, Pflegeerlaubnis)<br />

Die Pflegefamilie muss fachlich geeignet sein. Die Entscheidung über die Geeignetheit der<br />

Pflegefamilie trifft der Sozialhilfeträger. Eine Abstimmung mit dem Jugendamt, welches die<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong>r Erteilung der Pflegeerlaubnis prüft, hat <strong>zu</strong> erfolgen.<br />

Pflegeerlaubnis <strong>nach</strong> § 44 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>.<br />

Zuständig <strong>für</strong> die Erteilung der Pflegeerlaubnis ist das Jugendamt in dessen Bereich die<br />

Pflegefamilie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 87a <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>). Dies kann <strong>zu</strong><br />

kreisübergreifenden Zuständigkeiten führen. Hier<strong>zu</strong> empfehlen wir die „Hinweise <strong>zu</strong>r<br />

Zusammenarbeit bei kreisübergreifender Vermittlung von Pflegekindern <strong>und</strong> <strong>zu</strong> Fragen<br />

der Zuständigkeit“:<br />

http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales-mitglieder/egh/a-z/Hinweise_R<strong>und</strong>schreiben_27.<br />

09.05_02.pdf<br />

Die Pflegeerlaubnis ist <strong>zu</strong> versagen, wenn das Wohl des Kindes oder Jugendlichen in der<br />

Pflegestelle nicht gewährleistet ist. Bei der Prüfung sind behinderungsspezifische<br />

Gesichtspunkte <strong>zu</strong> berücksichtigen. So sind Kenntnisse über die vorliegende Behinderung <strong>und</strong><br />

den Umgang damit Vorausset<strong>zu</strong>ng <strong>für</strong> die Hilfe in der Pflegefamilie. Für die Eignungsprüfung<br />

kann die Arbeitshilfe des Landesjugendamtes „Vorbereitung, Beratung <strong>und</strong> Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />

von Pflegepersonen <strong>und</strong> Herkunftsfamilien“<br />

herangezogen werden:<br />

http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales-mitglieder/egh/a-z/vollzeitpflege.pdf<br />

Die Vermittlung der Pflegefamilie ist Teil des Gesamtplanverfahrens.<br />

5. <strong>Leistungen</strong> der Eingliederungshilfe<br />

5.1 Leistungsgr<strong>und</strong>sätze<br />

Eingliederungshilfe in Pflegefamilien <strong>nach</strong> § 54 Abs. 3 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> stellt anders als in der<br />

Jugendhilfe eine ambulante Leistung dar.<br />

Liegt eine wesentliche körperliche-<strong>und</strong>/oder geistige Behinderung vor <strong>und</strong> ist eine Leistung in<br />

einer Pflegefamilie erforderlich, so umfasst diese auch den erzieherischen Bedarf des Kindes<br />

oder Jugendlichen in dieser Familie. Dieser wird im Rahmen der Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> §§<br />

53ff <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> abgedeckt.<br />

<strong>Leistungen</strong> <strong>zu</strong>m Lebensunterhalt werden <strong>nach</strong> § 28 Abs. 5 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> bis <strong>zu</strong>r Höhe der<br />

tatsächlichen Kosten gewährt (vgl. Nr. 5.2).<br />

5.2 Leistungsumfang (Pflegegeld) Bezüglich des Leistungsumfangs wird empfohlen, an die<br />

Pflegefamilie ein Pflegegeld entsprechend § 39 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong> <strong>zu</strong> gewähren.


Hier<strong>zu</strong> sollen die „Empfehlungen <strong>zu</strong> <strong>Leistungen</strong> <strong>zu</strong>m Unterhalt <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Ju-<br />

gendliche in Vollzeitpflege <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>“<br />

angewandt werden, soweit keine abweichenden örtlichen Regelungen vorhanden sind.<br />

Gr<strong>und</strong>lage ist das Gemeinsame R<strong>und</strong>schreiben des KVJS (Nr. 7/2009), des Landkreis-<strong>und</strong><br />

Städtetages (Nr. 444/ R15072 /2009) vom 18.05.2009:<br />

http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales-mitglieder/egh/a-z/rs-07-2009.pdf<br />

<strong>zu</strong>letzt aktualisiert mit RS 11/2010 von 2010<br />

http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/soziales-mitglieder/egh/a-z/RS_11-2010.pdf<br />

Das Pflegegeld beinhaltet Kosten <strong>für</strong><br />

. o Sachaufwand (insbes. Unterkunft, Ernährung, Bekleidung, persönlicher Bedarf)<br />

. o Pflege <strong>und</strong> Erziehung<br />

Im Rahmen der Sozialhilfe muss bei über 15-Jährigen erwerbsfähigen Personen geprüft<br />

werden, ob ein Anspruch auf vorrangige <strong>Leistungen</strong> <strong>nach</strong> dem <strong>SGB</strong> II besteht (§ 9 <strong>SGB</strong> II).<br />

Ggf. ist im Einzelfall erhöhtes Pflegegeld <strong>für</strong> behinderungsbedingten Mehraufwand <strong>zu</strong><br />

gewähren (Ziff. 9 der Vollzeitpflege-Empfehlungen), soweit diese Aufwendungen nicht<br />

durch <strong>Leistungen</strong> der Pflegeversicherung abgegolten sind.<br />

Die im Rahmen der Jugendhilfe üblichen <strong>zu</strong>sätzlichen <strong>Leistungen</strong> <strong>für</strong> Alterssicherung der<br />

Pflegepersonen <strong>und</strong> Beiträge <strong>zu</strong>r Unfallversicherung sollen übernommen werden, soweit diese<br />

Beiträge tatsächlich anfallen. Als <strong>Orientierungshilfe</strong> können hier die Empfehlungen des<br />

Deutschen Vereins (Ziff. 2.6 des gemeinsamen R<strong>und</strong>schreibens von KVJS, Landkreis-<strong>und</strong><br />

Städtetag vom 18.05.2009) herangezogen werden.<br />

5.3 Begleitung der Pflegefamilie<br />

Art <strong>und</strong> Form der Begleitung sind vom Sozialhilfeträger im Rahmen des Gesamt<br />

plans <strong>nach</strong> § 58 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> fest<strong>zu</strong>legen (vgl. Nr. 3) Hinsichtlich der organisatorischen<br />

Zuordnung wird auf Nr. 3 Punkt 3 verwiesen. Der Anspruch der Pflegefamilien auf Beratung<br />

<strong>und</strong> Unterstüt<strong>zu</strong>ng durch den Ju<br />

gendhilfeträger (§ 37 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>VIII</strong>) bleibt hiervon unberührt.<br />

6. Einkommens-<strong>und</strong> Vermögenseinsatz<br />

<strong>Leistungen</strong> der Eingliederungshilfe im Rahmen des <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> sind entspr. §§ 85 bis 91 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

einkommens-<strong>und</strong> vermögensabhängig. Bei <strong>Leistungen</strong> in Pflegefamilien, handelt es sich um<br />

„Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft“ in Form von „Hilfe in betreuten Wohnmöglichkeiten“<br />

(§ 55 GB IX). Da es sich um eine ambulante Leistung handelt, ist die Anwendung des<br />

Brutto-Prinzips nicht vorgesehen. Weil die Hilfe aber an Stelle eines stationären Aufenthalts in<br />

einer Behinderteneinrichtung gewährt wird eine analoge Anwendung von § 92 Abs. 2 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong><br />

empfohlen, mit der Folge, dass <strong>für</strong> die gesamte Leistung nur ein Kostenbeitrag <strong>für</strong> häusliche<br />

Ersparnis verlangt wird (so auch Beschlussempfehlung <strong>und</strong> Bericht des Ausschusses <strong>für</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heit des Dt. B<strong>und</strong>estages in B<strong>und</strong>estags-Drucksache 16/13417).


Handelt es sich bei der Pflegefamilie um Verwandte, ist die Vermutung der Bedarfsdeckung<br />

<strong>nach</strong> § 36 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>nach</strong> Rd.Nr. 36.03 SHR eingeschränkt. In solchen Fällen kann entspr. Ziff.<br />

3.3 der Jugendhilfe-Empfehlungen eine Kür<strong>zu</strong>ng des Sachaufwands geprüft werden.<br />

7. Übergangsregelungen, örtliche Zuständigkeit<br />

<strong>Leistungen</strong> ab dem 18. Lebensjahr werden ggf. im Rahmen des Begleiteten Wohnens <strong>für</strong><br />

Erwachsene in Familien (BWF) gewährt (Eingliederungshilfe <strong>nach</strong> § 54 Abs. 1 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> i.V.m. §<br />

55 Abs. 2 Nr. 6 <strong>SGB</strong> IX). Beim Übergang <strong>zu</strong>m Begleiteten Wohnens <strong>für</strong> Erwachsene in<br />

Familien müssen individuelle Entscheidungen getroffen werden bezüglich künftiger<br />

. o Höhe des Pflegegeldes<br />

. o Notwendigkeit eines begleitenden Dienstes.<br />

Die örtliche Zuständigkeit <strong>für</strong> behinderte Kinder <strong>und</strong> Jugendliche in Pflegefamilien (§ 54 Abs. 3<br />

<strong>SGB</strong> <strong>XII</strong>) richtet sich <strong>nach</strong> § 98 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> i.V.m. § 107 <strong>SGB</strong> <strong>XII</strong> <strong>und</strong> der Vereinbarung <strong>zu</strong>m<br />

Herkunftsprinzip.

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