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Die Sehnsucht bri etwas Verrücktes z - Liebfrauenhöhe

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16 Diözese aktuell<br />

Sonntagsblatt<br />

»Ich bin nicht ihr, sondern ihm nachgefolgt«, sagt Schwester<br />

Annamaria und lacht. Vier Jahre war ihre Zwillingsschwester<br />

Hildegard bereits bei den Schönstätter Marienschwestern auf<br />

der <strong>Liebfrauenhöhe</strong> in Rottenburg-Ergenzingen, bevor sich<br />

auch die zehn Minuten Jüngere<br />

für den Eintritt entschied.<br />

Seit mehreren<br />

Jahren leben die 48jährigen<br />

Zwillinge<br />

nun gemeinsam im<br />

Provinzhaus – und<br />

sehen sich doch<br />

nicht so oft.<br />

Schwester Annamaria<br />

Ruprecht<br />

leitet die KunstundBuchhandlung<br />

im Haus<br />

und Schwester<br />

Lioba Ruprecht<br />

ist als Provinzoberin<br />

viel unterwegs.<br />

Fotos: dim<br />

»Ob ich Mutter von<br />

sechs Kindern bin oder<br />

Schwester, es schenkt<br />

sich nichts.«<br />

Schwester Annamaria<br />

DAS PORTRÄT<br />

Schwester Annamaria und Schweste<br />

»<strong>Die</strong> <strong>Sehnsucht</strong> <strong>bri</strong><br />

<strong>etwas</strong> <strong>Verrücktes</strong> z<br />

Es war in der Osternacht, am 16.<br />

April 1960, als die beiden Mädchen<br />

in Sigmaringen geboren<br />

wurden – »unsere Mutter wusste<br />

nicht, dass sie Zwillinge erwartet<br />

und wäre bei der Geburt fast gestorben«,<br />

sagt Schwester Lioba.<br />

<strong>Die</strong> Mädchen waren so klein, dass<br />

sie bereits am Ostersonntag getauft<br />

wurden. Doch es ging alles<br />

gut mit Hildegard und Marianne,<br />

die zu Hause freudig erwartet<br />

wurden. »Weil unser Vater meinte,<br />

dass wir das Leben kennen<br />

lernen sollten, hat er uns später<br />

zum gemischten Gymnasium<br />

geschickt«, so Schwester Lioba –<br />

und wir waren die ersten Frauen<br />

in der Stadtkapelle. Auch bei der<br />

Studienwahl habe er mitgeredet.<br />

»Ich habe auf seinen Wunsch hin<br />

Chemie studiert«, sagt Schwester<br />

Annamaria, ihre Schwester entschied<br />

sich für das Lehramt.<br />

Sie sprechen sich mit<br />

Schwesternnamen an<br />

Wenn die beiden heute miteinander<br />

reden, sprechen sie sich<br />

mit Schwesternnamen an. Aus<br />

Hildegard und Marianne wurden<br />

Schwester Lioba und Schwester<br />

Annamaria – das ist ihnen längst<br />

in Fleisch und Blut übergegangen.<br />

»Wir sind uns in einigen<br />

Dingen ähnlich, aber es gibt auch<br />

Unterschiede«, meint Schwester<br />

Annamaria, »Schwester Lioba ist<br />

ein Führertyp und ich bin das<br />

Gegenteil.« »<strong>Die</strong> eine kann besser<br />

reden, die andere besser tanzen«,<br />

ergänzt ihre Zwillingsschwester<br />

und beide lachen. Hin<br />

und wieder kommt es vor, dass<br />

Mitschwestern sie verwechseln.<br />

Schon in jungen Jahren engagierten<br />

sich die beiden Frauen in<br />

ihrem Heimatort Krauchenwies<br />

in einer Gruppe der Schönstatt-<br />

Mädchenjugend. »Wir waren<br />

religiös voll sozialisiert«, bemerkt<br />

Schwester Lioba, »waren<br />

in der Gemeinde aktiv und<br />

haben in der Familie gebetet.<br />

Doch dann geschah <strong>etwas</strong>,<br />

das die Welt der jungen Fa-<br />

milie aus der Bahn werfen sollte.<br />

»1975 ist unsere Mutter mit 42<br />

Jahren an Krebs gestorben«, sagt<br />

Schwester Annamaria – zurück<br />

blieben ein Mann und sechs Kinder<br />

zwischen fünf und 15, die<br />

nicht wussten, wie es weitergehen<br />

sollte. »Durch den frühen<br />

Tod unserer Mutter ist unser<br />

Glaube erwachsen geworden«,<br />

ist Schwester Lioba überzeugt,<br />

das Erlebte habe ihn gefestigt.<br />

Gott hat uns das Kreuz aus Liebe<br />

geschickt, sind sich die Schwestern<br />

einig.<br />

Eine ganz tiefe<br />

Beziehung zu Maria<br />

»Wir haben die tiefe Beziehung<br />

zu Maria immer mehr gefunden«,<br />

erinnert sich Schwester<br />

Lioba, »und haben in unserer Familie<br />

den Rosenkranz gebetet.<br />

Wir haben uns gesagt, das, was<br />

wir machen, tun wir für die Gottesmutter<br />

von Schönstatt«, erzählt<br />

sie weiter, das habe die Arbeit<br />

im Haushalt und die Sorge<br />

um ihre Geschwister erleichtert.<br />

<strong>Die</strong> Beichte war den jungen<br />

Frauen wichtig – »ohne die Gewissensbildung<br />

hätte ich den<br />

Ruf nicht gehört«, bekräftigt<br />

Schwester Annamaria. »Der Gedanke<br />

kam bei mir mit 16 auf«,<br />

sagt sie, aber es sei ihr schwer gefallen,<br />

den Ruf zu erkennen.<br />

Zehn Jahre sei sie auf der Suche<br />

gewesen, bis die Entscheidung<br />

gefallen sei. Sie habe überlegt, ob<br />

sie in dieselbe Gemeinschaft gehen<br />

solle, wie ihre Schwester –<br />

»ich habe es getan, weil mir die<br />

Gottesmutter und ihre Aufgabe<br />

für die heutige Welt so wichtig<br />

ist! So habe ich mich für dieses<br />

Säkularinstitut entschieden«.<br />

»Hier bin ich endlich an<br />

der richtigen Stelle«<br />

Einen Kinderwunsch habe sie<br />

nie gehabt, und schon nach zwei<br />

Wochen habe sie gewusst, bei<br />

den Schwestern an der richtigen


Sonntagsblatt Diözese aktuell<br />

r Lioba von der <strong>Liebfrauenhöhe</strong> sind Zwillinge<br />

ngt dich dazu,<br />

u tun!«<br />

Stelle zu sein. Sie ließ die Chemie<br />

hinter sich und machte eine<br />

Lehre als Buchhändlerin – »obwohl<br />

ich mir nie vorstellen<br />

konnte, Geschäftsfrau zu sein«.<br />

Heute leitet sie die Kunst- und<br />

Buchhandlung auf der <strong>Liebfrauenhöhe</strong><br />

und es macht ihr viel<br />

Freude. »Ob ich Mutter von<br />

sechs Kindern bin oder Schwester,<br />

es schenkt sich nichts«, sagt<br />

sie überzeugt.<br />

Ihr Vater sei nicht begeistert<br />

gewesen, dass auch der zweite<br />

Zwilling »ins Kloster« gegangen<br />

sei, »aber inzwischen hat er sich<br />

daran gewöhnt«. Auch ihre Geschwister<br />

freuten sich, dass sie<br />

glücklich seien, erzählen die<br />

Schwestern, und besuchten sie<br />

öfter. »Sie schätzen es, dass wir für<br />

sie beten«, bemerkt Schwester<br />

Lioba, »und sozusagen die Blitzableiter<br />

für die Familie sind.«<br />

Ist sie bereit für ein<br />

»herbes Opferleben«?<br />

Damals sei sie gefragt worden,<br />

erzählt Schwester Annamaria,<br />

ob sie bereit sei, »ein herbes<br />

Opferleben« zu führen. Heute<br />

wissen beide, dass das Gemeinschafts-<br />

wie jedes andere Leben<br />

Höhen und Tiefen hat. »Es ist ein<br />

Wagnis«, stellt Schwester Lioba<br />

fest, »doch die <strong>Sehnsucht</strong> <strong>bri</strong>ngt<br />

dich dazu, <strong>etwas</strong> <strong>Verrücktes</strong> zu<br />

tun!« Als ihre Mutter so krank<br />

gewesen sei, erzählt Schwester<br />

Lioba, habe sie überlegt, dem lieben<br />

Gott den Vorschlag zu machen,<br />

wenn er ihre Mama gesund<br />

mache, werde sie Schwester. Sie<br />

lacht: »Aber ich habe schnell begriffen,<br />

dass man diesen Weg nur<br />

ganz freiwillig gehen kann.«<br />

Gerade auf der gemischten<br />

Schule habe sie festgestellt, dass<br />

es allein mit Mädchen auch<br />

schön sei – »da kannst du ganz du<br />

sein«, findet sie. Sieben Jahre<br />

habe sie gekämpft, sagt Schwester<br />

Lioba, »selbst wenn ich verliebt<br />

war, habe ich gespürt, dass<br />

ich noch <strong>etwas</strong> anderes gesucht<br />

habe«, erinnert sie sich.<br />

Im zweiten Semester ihres<br />

Lehramtsstudiums sei sie unruhig<br />

geworden und 1981 habe sie<br />

sich bei den Marienschwestern<br />

angemeldet. »Es ist wie ein<br />

Sprung vom Zehn-Meter-Brett«,<br />

sagt sie, bei dem man nicht<br />

wisse, was einen erwarte. »Gott,<br />

bitte lass es dein Wille sein und<br />

nicht meiner«, habe sie gebetet.<br />

Sechs Jahre lang ruhte ihr Studium<br />

und dann hat sie es in Eichstätt<br />

wieder aufgenommen.<br />

»Schön, eine Schwester<br />

hier zu haben«<br />

»In der Gemeinschaft ist unser<br />

Verhältnis noch tiefer geworden«,<br />

sind die Zwillinge überzeugt,<br />

»es ist ein schönes Gefühl,<br />

eine Schwester hier zu haben, es<br />

ist beglückend, den selben Weg<br />

zu gehen«, bemerkt Schwester<br />

Annamaria. »Wir haben die Sterne<br />

entdeckt, die immer leuchten«,<br />

sagt Schwester Lioba, das<br />

Leben mit Gott und der Kirche<br />

schenke ihnen Freude. »Wir<br />

mussten schon früh gegen den<br />

Strom schwimmen«, so die 48-<br />

Jährige, »es war gut, dass wir aneinander<br />

Halt hatten«, denn es<br />

habe Mut gebraucht, sich als<br />

Christin zu bekennen.<br />

<strong>Die</strong> Schwestern sind glücklich<br />

mit ihrer Entscheidung und<br />

wollten kein anderes Leben führen:<br />

»<strong>Die</strong> Zufriedenheit kommt<br />

durch die Hintertür«, bemerkt<br />

Schwester Lioba, »Gott hat uns<br />

ausgesucht, er braucht und mag<br />

uns!« Beide schätzen den Rhythmus<br />

auf der <strong>Liebfrauenhöhe</strong>, die<br />

Gebete und Gottesdienste, das<br />

Familienleben im Kreis der<br />

Schwestern und die Verbundenheit<br />

mit dem Gründer der Bewegung,<br />

Pater Kentenich.<br />

Trotzdem, und da sind sich<br />

die Zwillinge einig, ist das geist-<br />

<strong>Die</strong> Schestern sind glücklich<br />

mit ihrer Entscheidung – sie<br />

wollten kein anderes Leben<br />

führen.<br />

liche Leben kein Spaziergang,<br />

»sondern ein Marathon. Wir müssen<br />

uns immer wieder neu für<br />

diesen Weg entscheiden«, sagt<br />

Schwester Annamaria, die trotz<br />

einiger Prüfungen nie an<br />

ihrer Entscheidung gezweifelt<br />

hat. »Durch<br />

jede Prüfung wird<br />

der Weg tiefer und<br />

die Entscheidung<br />

authentischer«,<br />

weiß Schwester<br />

Lioba. Man<br />

müsse lernen,<br />

dass man ein<br />

begrenzter<br />

Mensch sei,<br />

meint sie,<br />

»aber das<br />

Schöne ist,<br />

dass wir jeden<br />

Tag neu anfangen<br />

dürfen!«.<br />

Mit 48 Jahren<br />

gehören die Zwillinge<br />

zu den jüngeren<br />

Schwestern auf<br />

der <strong>Liebfrauenhöhe</strong>.<br />

Machen sie sich keine<br />

Nachwuchssorgen? <strong>Die</strong><br />

beiden schütteln den Kopf:<br />

»Es gab immer Höhen<br />

und Tiefen«, sagt<br />

Schwester<br />

Lioba.<br />

17<br />

»Wenn die jungen Frauen wüssten«,<br />

fügt ihre Schwester hinzu,<br />

»wie schön es bei uns ist, dann<br />

würden viel mehr kommen!«<br />

Diana Müller<br />

»In der Gemeinschaft<br />

der Schwestern haben<br />

wir die Sterne entdeckt,<br />

die immer leuchten.«<br />

Schwester Lioba

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