Wenzel Jamnitzer: Doppelscheuer - Museen der Stadt Nürnberg
Wenzel Jamnitzer: Doppelscheuer - Museen der Stadt Nürnberg
Wenzel Jamnitzer: Doppelscheuer - Museen der Stadt Nürnberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Schau-Stück<br />
des Monats
Schau-Stück<br />
des Monats<br />
Was ist eigentlich eine „<strong>Doppelscheuer</strong>“?<br />
Bei einer „<strong>Doppelscheuer</strong>“ handelt es sich um zwei bauchige,<br />
meist gehenkelte Trinkschalen auf einem hohen Standfuß, die<br />
an den Trinkrän<strong>der</strong>n umgekehrt aufeinan<strong>der</strong>gestülpt werden<br />
können. Dabei dient <strong>der</strong> eine Becher als Deckel des an<strong>der</strong>en.<br />
Vom 14. bis zum 17. Jahrhun<strong>der</strong>t war eine „Scheuer“ vorwiegend<br />
aus Maserholz mit vergoldeter Silbermontierung, aber<br />
auch aus Elfenbein o<strong>der</strong> ganz aus Edelmetall gearbeitet.<br />
Der Name „Scheuer“ leitet sich vom mittelhochdeutschen<br />
schiure her und bedeutet ganz einfach Becher. Eine an<strong>der</strong>e<br />
gebräuchliche Bezeichnung <strong>der</strong> „Scheuer“ ist Kopf o<strong>der</strong> Doppelkopf:<br />
Unter diesem Begriff sind bereits 1478 neun Stücke<br />
dieser Becherart im reichen Brautschatzinventar <strong>der</strong> Markgrafentochter<br />
Paola Gonzaga aus dem italienischen Mantua angeführt.<br />
Unterseite des Standfußes <strong>der</strong> Tucherschen „<strong>Doppelscheuer</strong>“<br />
von 1512, des Vorbilds für den <strong>Jamnitzer</strong>-Pokal von 1564<br />
(Ausschnitt).<br />
<strong>Doppelscheuer</strong><br />
Künstler <strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong><br />
Datierung 1564<br />
Material Silber, getrieben, graviert<br />
und feuervergoldet<br />
Besitzer Leihgabe von Tucher<br />
<strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong>: <strong>Doppelscheuer</strong>, 1564 (Ausschnitt).<br />
Ein ganz beson<strong>der</strong>es Hochzeitsgeschenk<br />
Auch die berühmte „<strong>Doppelscheuer</strong>“ <strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong>s im Tucherschloss<br />
besteht aus zwei gebuckelten, nahezu identischen<br />
Pokalen aus wertvollem Edelmetall. Bei den <strong>Nürnberg</strong>er Patriziern<br />
galt diese Becherform als traditionelle „Morgengabe“, in<br />
<strong>der</strong> einem Brautpaar <strong>der</strong> zeremonielle Hochzeitstrunk kredenzt<br />
wurde. Auftraggeber war hier <strong>der</strong> bedeutende Patrizier Linhart<br />
Tucher (1487-1568). Eine „<strong>Doppelscheuer</strong>“ wurde traditionell<br />
anlässlich dessen Hochzeit an den erstgeborenen Sohn<br />
vererbt. So hatte auch Linhart Tucher den zu seiner eigenen<br />
Hochzeit mit Magdalena Stromer im Jahre 1512 angefertigten<br />
„Original“-Pokal bereits 1549 anlässlich <strong>der</strong> Hochzeit seines<br />
erstgeborenen Sohnes Paulus weiter gegeben. Als Linharts<br />
jüngerer Sohn Herdegen (IV.) im Jahre 1564 Katharina Pfinzing<br />
heiratete, wollte <strong>der</strong> Vater auch ihn mit einem Pokal beschenken.<br />
Zusammen mit dem berühmten 8-teiligen Gießgeschirr,<br />
das von Pierre Reymond in Limoges emailliert wurde, gab Linhart<br />
bei <strong>Jamnitzer</strong> als wertvolles Hochzeitsgeschenk also eine<br />
zweite „<strong>Doppelscheuer</strong>“ in Auftrag.
<strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong> - Meistergoldschmied aus <strong>Nürnberg</strong><br />
Der Wiener Goldschmiedegeselle <strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong><br />
(1508-1585) wan<strong>der</strong>te in den 1520er Jahren zielstrebig<br />
nach Franken aus. Seine Destination war klar: Die sich<br />
damals im Glanz <strong>der</strong> Kaiserempfänge sonnende und in<br />
politischer, wirtschaftlicher und künstlerischer Hinsicht<br />
blühende Reichsstadt <strong>Nürnberg</strong>.<br />
1534 wurde <strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong> in <strong>Nürnberg</strong> Meister und<br />
heiratete im gleichen Jahr Anna Braunreuchin, die ihm<br />
elf Kin<strong>der</strong> schenkte. Im <strong>Jamnitzer</strong>haus in <strong>der</strong> Zisselgasse<br />
(heute Albrecht-Dürer-Straße 17) hat er fast 50 Jahre gelebt<br />
und mit seinem Bru<strong>der</strong> Albrecht und seinen Schwiegersöhnen<br />
eine Goldschmiedewerkstatt betrieben.<br />
<strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong> galt als einer <strong>der</strong> führenden Goldschmiede<br />
und Ornamentstecher seiner Zeit und schuf<br />
Goldschmiedearbeiten für die bedeutendsten Auftraggeber:<br />
Kaiser, Könige und Kirchenfürsten. Daneben betätigte<br />
er sich wissenschaftlich auf dem Gebiet <strong>der</strong> angewandten<br />
Mathematik, Physik, Mechanik, Perspektive und<br />
Optik. <strong>Jamnitzer</strong>s Arbeiten waren so berühmt, dass sie<br />
bereits zu seinen Lebzeiten oft gefälscht wurden.<br />
Erkennungszeichen für Originalwerke <strong>Jamnitzer</strong>s ist sein<br />
Meisterzeichen: ein winziges W über einem Löwenkopf.<br />
Die museen <strong>der</strong> stadt nürnberg präsentieren das<br />
Schau-Stück des Monats<br />
Juli 2007 „Vitzliputzli“, Klein-<br />
skulptur aus Mexico, 2.<br />
Hälfte 16. Jh.<br />
August 2007 Peter Flötner<br />
(Modell ?) und Pankraz<br />
Labenwolf (Guss):<br />
Apollobrunnen, 1532<br />
September<br />
2007<br />
Albrecht Dürer:<br />
Marienleben“ (1501-<br />
1505, 1510/11), Holzschnitte,<br />
vollständige<br />
Originalausgabe<br />
Oktober 2007 Emmy Zweybrück:<br />
Künstlerbaukasten<br />
„Bunte <strong>Stadt</strong>“, Wien,<br />
um 1925<br />
November<br />
2007<br />
Dezember<br />
2007<br />
<strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong>:<br />
<strong>Doppelscheuer</strong>, 1564<br />
Johann Dietrich Carl<br />
Kreul: Mädchen vor<br />
dem Christbaum, 1846<br />
<strong>Doppelscheuer</strong><br />
Museum<br />
Tucherschloss<br />
<strong>Stadt</strong>museum<br />
Fembohaus<br />
Albrecht-<br />
Dürer-Haus<br />
Spielzeug-<br />
museum<br />
Museum<br />
Tucherschloss<br />
<strong>Stadt</strong>museum<br />
Fembohaus<br />
Kostenlose Spezialführungen<br />
mit Ulrike Berninger M.A., Leiterin des Museum Tucherschloss:<br />
Sonntag, 4. November 2007, 13 Uhr<br />
Montag, 26. November 2007, 14 Uhr<br />
Än<strong>der</strong>ungen vorbehalten.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie bei den museen <strong>der</strong><br />
stadt nürnberg, Tel. (0911) 231-5421.<br />
Nicolas Neufchatel: <strong>Wenzel</strong> <strong>Jamnitzer</strong>,<br />
um 1562/63 (Ausschnitt).<br />
Goldschmiedkunst in <strong>der</strong> Renaissance<br />
In <strong>der</strong> Renaissance erweiterte sich die traditionelle Auftraggeberschaft<br />
von Kirche und Adel zum Bürgertum. Immer mehr<br />
private Sammler und Auftraggeber traten an Goldschmiede heran,<br />
beson<strong>der</strong>s die durch den Handel zu großem Wohlstand gelangten<br />
Patrizier investierten in wertvolle Goldschmiedekunst.<br />
Der patrizische Geschmack orientierte sich vor allem am Vorbild<br />
<strong>der</strong> venezianischen Kunst. Dabei wurde auf Inhalt und Bedeutung<br />
beson<strong>der</strong>er Wert gelegt.<br />
Während <strong>der</strong> Goldschmied im Mittelalter noch als reiner Handwerkers<br />
angesehen wurde, wandelte sich sein Status in <strong>der</strong><br />
Renaissance zu dem eines hoch angesehenen Künstlers. Der<br />
Goldschmied musste gelehrt und scharfsinnig sein, die antike<br />
Mythologie und Allegorie beherrschen und, zumindest nach<br />
Anleitung eines humanistisch gebildeten Beraters o<strong>der</strong> Bestellers,<br />
seine Werke entsprechend konzipieren können. Neben<br />
Schmuck waren Pokale die vorrangige Aufgaben, an denen<br />
sich künstlerischer Geschmack und technisches Können <strong>der</strong><br />
Goldschmiede in erster Linie zu bewähren hatte. Im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
dominierte in <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Pokale vor allem <strong>der</strong><br />
Typus des Buckelpokals/Doppelpokals: Gekennzeichnet ist er<br />
durch eine klare horizontale Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Trinkschale, an<br />
<strong>der</strong> sich ornamentale o<strong>der</strong> figürliche Dekorationen als fein gravierter<br />
Fries ausbreiten.<br />
Ulrike Berninger M.A.,<br />
museen <strong>der</strong> stadt nürnberg