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Als PDF-Datei herunterladen - Deutsch-Polnische Gesellschaft der ...

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BEGEGNUNGEN<br />

ten, die von ihrem Bauleiter gezwungen<br />

wurden, eine Mulde durch die flach unter<br />

dem Boden versteckten Knochen und<br />

Schädel mit Spaten und Hacken frei zu<br />

schlagen. Das Geschehen, von dem sie<br />

damals kaum sprechen durften, hat ihnen<br />

bis heute keine Ruhe gegeben", erzählt<br />

Czabañski. Nach <strong>der</strong> Exhumierung werden<br />

alle gefundenen Gebeine wie immer dokumentiert<br />

und registriert, an die <strong>Deutsch</strong>e<br />

Dienststelle in Berlin (ehemals Wehrmachtsauskunftsstelle)<br />

gemeldet und in<br />

dem deutschen Soldatenquartier auf dem<br />

Posener Milostowo-Friedhof beigesetzt.<br />

Die Identifikation <strong>der</strong> Gebeine kann in<br />

nahezu 50. Prozent <strong>der</strong> Fälle anhand <strong>der</strong><br />

Erkennungsmarken erfolgen, die in den<br />

Gräbern gefunden werden. Zumeist sind es<br />

bereits abgebrochene Erkennungsmarken -<br />

ein Zeichen dafür, dass <strong>der</strong> Tod des betreffenden<br />

Soldaten noch am Ende des Krieges<br />

an das Rote Kreuz gemeldet sein dürfte.<br />

"So wie ich es aber aus Erfahrung kenne,<br />

sind die abgebrochenen Teile in den Nachkriegsjahren<br />

oft gar nicht weiter geleitet<br />

worden. Manchmal wurden sie sogar von<br />

<strong>der</strong> polnischen UB (Staatssicherheit) konfisziert,<br />

später auch vernichtet. Für einen<br />

gefallenen Wehrmachtssoldaten interessierte<br />

sich damals im Nachkriegspolen,<br />

was zur gegebenen Zeit auch irgendwie<br />

verständlich war, fast niemand", erzählt<br />

Czabañski. So mancher Fall könne also erst<br />

jetzt nach Fund des zweiten Teils <strong>der</strong><br />

Erkennungsmarke endgültig aufgeklärt<br />

werden. So erhalten viele <strong>der</strong> seit 60. Jahren<br />

namenlosen Menschen ihre Identität<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

Nicht selten finden die Mitarbeiter von<br />

POMOST bei den Gebeinen <strong>der</strong> Soldaten<br />

auch ganze, nicht abgebrochene Erkennungsmarken.<br />

Dann erfahren die Angehörigen<br />

oft erst nach 60 Jahren, was tatsächlich<br />

mit dem Familienvater, einem Onkel<br />

o<strong>der</strong> Großvater passiert ist. "Vor nicht langer<br />

Zeit hatten wir wie<strong>der</strong> einen solchen<br />

Fall", berichtet Czabañski. "Wir fanden<br />

eine ganze Marke von einem Soldaten, von<br />

dem wir wussten, dass er von <strong>der</strong> Familie<br />

immer noch gesucht wurde. Er war als vermisst<br />

gemeldet. Nun konnten wir ein würdiges<br />

Begräbnis auf dem Milostowo-Friedhof<br />

für ihn organisieren. Seine ganze Familie,<br />

alle Nachkommen sind aus <strong>Deutsch</strong>land<br />

eingereist. Sein Sohn, <strong>der</strong> ihn nie<br />

gesehen hat und ihn nur von Fotos kannte,<br />

20 POLEN und wir 4/2006<br />

weinte am Grab wie ein Kind..." Man<br />

merkt Czabañski an, dass ihm solche<br />

Ereignisse tief unter die Haut gehen. Die<br />

schwierigsten Augenblicke in seiner Arbeit<br />

sind aber diejenigen, in denen er und seine<br />

Mitarbeiter in den untersuchten Gräbern<br />

mehr finden, als zuerst vermutet.<br />

"Manchmal fangen wir mit den Arbeiten an<br />

einem Massengrab an, in dem nach Auskünften<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung deutsche Soldaten<br />

begraben sein müssten. Und wir finden<br />

tatsächlich Gebeine von Männern in voller<br />

Ausrüstung, mit Kennmarken, manchmal<br />

auch eine Waffe o<strong>der</strong> ein Helm. (...) Und<br />

plötzlich finden wir dazwischen Frauen<br />

und Kin<strong>der</strong>. (...) Es ist schon schwierig,<br />

irgendwie berührend, wenn man Soldaten<br />

ausgräbt, aber wenn man die Gebeine von<br />

Frauen und Kin<strong>der</strong>, zum Teil auch mit<br />

Spielzeug an <strong>der</strong> Seite, zur Sicht bekommt,<br />

dann geht es einem wirklich an die Substanz<br />

(...)." Solche Funde seien auf den<br />

Grenzgebieten keine Seltenheit, berichtet<br />

Czabañski. Für ihn gibt es nur eine Erklärung<br />

für diesen Zustand. "Die Massengräber<br />

entstanden, nachdem die Rote Armee<br />

durch diese Gebiete gezogen ist. 1945 gab<br />

es vom Januar bis zum Sommer ein halbes<br />

Jahr lang ein reines Chaos, es spielten sich<br />

Szenen ab, die unbeschreiblich sind. Die<br />

Rote Armee ermordete zu <strong>der</strong> Zeit zahlreiche<br />

<strong>Deutsch</strong>e, Zivilisten, Frauen, manchmal<br />

auch Kin<strong>der</strong>. Die deutschen Soldaten<br />

waren oft, wie unsere Forschungen ergaben,<br />

in einem <strong>der</strong> Soldatenlazarette untergebracht<br />

und wurden von den Russen<br />

schlichtweg exekutiert." An<strong>der</strong>e Zivilisten<br />

seien Czabañski nach Opfer von Massenselbstmorden,<br />

die aus Angst vor <strong>der</strong> sich<br />

nähernden Front begangen wurden. Es handelte<br />

sich dabei meistens um allein gebliebene<br />

Mütter mit Kin<strong>der</strong>n, oft auch mit<br />

mehreren Kin<strong>der</strong>n. Die entsprechenden<br />

Informationen erhalten die POMOST-Mitglie<strong>der</strong><br />

von den Überlebenden selbst. Ihre<br />

Erinnerungen werden demnächst in einem<br />

<strong>der</strong> vom Verein herausgegebenen Bücher<br />

in Polnisch publiziert. Alle Titel, die<br />

POMOST herausgibt, seien bislang in kürzester<br />

Zeit vergriffen. "Die Polen interessieren<br />

sich für die Geschichte ihrer Region,<br />

auch dann, wenn sie schmerzhaft war."<br />

Tomasz Czabañski fühlt sich in seiner<br />

Arbeit bestätigt. In <strong>der</strong> polnischen Bevölkerung<br />

gibt es wachsendes Interesse an den<br />

Arbeiten des Vereins: "Wir erhalten von<br />

den Polen viel positives Feed-back". Die<br />

alten Wunden, die Abneigungen scheinen<br />

hier überwunden zu sein. "Nur ein Mal<br />

mussten wir zwei Jahre lang um die<br />

Erlaubnis einer Exhumierung auf einem<br />

privaten Grundstück kämpfen. Der Besitzer<br />

wollte eine hohe Entschädigung ergattern.<br />

Letztendlich ist es uns aber doch<br />

gelungen, ihn zu überzeugen, dass es keinen<br />

Sinn macht, dass er keine Geldleistung<br />

erhält, dass die Ruhe <strong>der</strong> Gestorbenen, egal<br />

ob sie Polen o<strong>der</strong> <strong>Deutsch</strong>e seien, zu<br />

bewahren ist und er gab auf. Wir haben ihm<br />

den Garten dafür schön hergerichtet, den<br />

Rasen gesät, das gefiel ihm zum Schluss<br />

doch auch", erzählt Czabañski. Solches<br />

Verhalten gehöre aber zu den absoluten<br />

Einzelfällen. Vielmehr sind Polen an <strong>der</strong><br />

Aufklärung <strong>der</strong> Geheimnisse <strong>der</strong> Grabstäten<br />

aus dem Zweiten Weltkrieg interessiert<br />

und melden ihre eigenen Funde auch sofort<br />

an POMOST. Schon ein kleiner Knochen,<br />

<strong>der</strong> in einem Waldstück von einem Spaziergänger<br />

gefunden wird, kann, wie es schon<br />

ein paar Mal <strong>der</strong> Fall gewesen sei, zur Entdeckung<br />

<strong>der</strong> Gebeine von mehreren Soldaten<br />

führen.<br />

POMOST pflegt einen regen Austausch<br />

mit <strong>Deutsch</strong>land, vor allem mit dem Volksbund<br />

<strong>Deutsch</strong>e Kriegsgräberfürsorge.<br />

Tomasz Czabañski ist stolz: "Die <strong>Deutsch</strong>en<br />

bemühen sich auf unsere Anregung<br />

hin um die Auffindung <strong>der</strong> Gräber polnischer<br />

Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter,<br />

die in den vierziger Jahren in <strong>Deutsch</strong>land<br />

starben. Sie exhumieren sie und<br />

bestatten sie auf einem würdigen Friedhof".<br />

So wurde zum Beispiel im Zeihain<br />

die Gebeine <strong>der</strong> Polen, die 1944/45 im Stalag<br />

IVB Mühlberg ihr Leben gelassen<br />

haben, aufgefunden und in einem geson<strong>der</strong>ten<br />

polnischen Quartier beigesetzt, und<br />

somit auch ihnen ihre Namen ‚zurückgegeben'.<br />

Im Jahre 2004 wurde eine Gedenktafel<br />

enthüllt. Czabañski will um eine<br />

deutschsprachige Gedenktafel in Poznañ<br />

kämpfen; <strong>der</strong> erste Antrag wurde von <strong>der</strong><br />

Warschauer Behörde abgelehnt, aber er<br />

gibt sich nicht geschlagen und will auch<br />

die Entscheidungsträger im Staat von seiner<br />

Idee überzeugen. Der Posener Verein<br />

zur deutsch-polnischen Verständigung<br />

POMOST wandelt seinen Namen in konkrete<br />

Taten um. <br />

Über 50 Jahre Einsatz für die deutsch-polnische Verständigung:<br />

<strong>Deutsch</strong>-<strong>Polnische</strong> <strong>Gesellschaft</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik <strong>Deutsch</strong>land<br />

Unterstützen Sie unsere Arbeit für eine Verständigung mit Polen.<br />

Werden Sie Mitglied!<br />

Informationen bei: Manfred Feustel, Im Freihof 3, 46569 Hünxe, Fax: 02858/ 7945

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