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Als PDF-Datei herunterladen - Deutsch-Polnische Gesellschaft der ...

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BEGEGNUNGEN<br />

ladung einer kleinen Familie, an Ihrem<br />

Osterfest teilzunehmen. Das Osterfest hat<br />

in Polen eine ganz an<strong>der</strong>e Bedeutung und<br />

einen an<strong>der</strong>en Stellenwert als in <strong>Deutsch</strong>land.<br />

Desto mehr verwun<strong>der</strong>t und angenehm<br />

überrascht war ich. Beinahe alle<br />

Menschen, die ich in Miko³ajki<br />

und Umgebung kennen gelernt<br />

habe, haben die gleichen katholischen<br />

Traditionen und Bräuche<br />

durchgeführt. Die Intensität hing<br />

von <strong>der</strong> jeweiligen Glaubensstärke<br />

ab. Eines habe ich schnell erfahren:<br />

Die Kirche ist beinahe überall präsent<br />

und man sollte sich an ihre<br />

meist in schwarz bekleideten Vertreter<br />

gewöhnen. Ob in <strong>der</strong> Schule<br />

o<strong>der</strong> zum halbstündlichen Glokkenrhythmus.<br />

Die Kirche ist Treffpunkt<br />

und zentraler Ort <strong>der</strong> Stadt.<br />

Eine weitere Überraschung war für<br />

mich <strong>der</strong> Feiertag des Dritten Mai.<br />

Schon am Vorabend wurde für den<br />

Konstitutionstag die polnische<br />

Flagge auf <strong>der</strong> Fahnenstange<br />

gehisst. Allein in <strong>der</strong> Straße meines<br />

Gastfamilienhauses war mindestens<br />

jedes zweite Haus mit einer<br />

Flagge geschmückt. Für mich war<br />

dies eine ganz neue Erfahrung, da<br />

wir <strong>Deutsch</strong>en aus geschichtlichen<br />

Gründen diese Tradition nicht<br />

mehr pflegen und ich bis jetzt noch<br />

nie damit in Kontakt gekommen<br />

bin. Für mich war dies auch ein<br />

Zeichen, dass sich die Polen mit<br />

ihrer Republik identifizieren, obwohl die<br />

politische Situation mehr als schlecht aussieht.<br />

Eine Regierung <strong>der</strong> PiS (Recht und<br />

Gerechtigkeit) und <strong>der</strong> SO (Samoobrona)<br />

werden wohl nie <strong>der</strong> angespannten sozialen<br />

Lage im Lande standhalten können. Eine<br />

"solidarische IV Republik" ist die falsche<br />

Bezeichnung für öffentlich geäußerte<br />

Fremdenfeindlichkeit von bestimmten polnischen<br />

Politikern unter schwarzem Deckmantel<br />

<strong>der</strong> katholischen Kirche, angeführt<br />

vom Priester und Besitzer "Radio Marias".<br />

Mein bisheriger Eindruck in <strong>der</strong> vom Tourismus<br />

lebenden Kleinstadt Miko?ajki zur<br />

laufenden Politik in Polen, ist verschieden.<br />

Einige Personen zeigen totales Desinteresse,<br />

an<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong>um machen Witze und<br />

verspotten die manchmal unglaublichen<br />

Aktionen <strong>der</strong> regierenden Politiker und<br />

ganz an<strong>der</strong>e hoffen auf die Zukunft durch<br />

die EU-Erweiterung.<br />

Dazu gehören zum Beispiel die Jugendlich<br />

en aus dem Marion-Dönhoff Lyzeum, die<br />

den ganzen Mai über Abiturprüfungen vorrangig<br />

in <strong>Deutsch</strong> und Englisch ablegten.<br />

Die Zukunft sehen die fast 18-Jährigen<br />

durch die Erschließung <strong>der</strong> Welt. Die<br />

26 POLEN und wir 4/2006<br />

Repräsentation eines gastfreundlichen,<br />

sauberen und starken Landes Polen erkennt<br />

man in den Augen <strong>der</strong> fleißigen Studenten.<br />

Mit Anzug und gediegenem Rock startet<br />

diese neue Generation allerdings vom<br />

Abitur in eine eher miserable Arbeitswelt.<br />

Traditionen bleiben erhalten, Wo¿nice 09.05.2006<br />

Foto: Franziska Schnei<strong>der</strong><br />

Doch eines habe ich von dem polnischen<br />

Gemüht und <strong>der</strong> polnischen Mentalität mitbekommen:<br />

Die Aufbruchstimmung und<br />

<strong>der</strong> Optimismus brodeln immer in den Seelen,<br />

auch wenn sie momentan nicht beson<strong>der</strong>s<br />

zum Ausdruck kommen.<br />

Die Außenwelt bekommt die kleinen<br />

Dinge, die individuell in den Gemeinden<br />

vonstatten gehen, nicht zu Gehör. Einige<br />

Male habe ich die Fortschritte und Verän<strong>der</strong>ungen<br />

in den Köpfen <strong>der</strong> normalen polnischen<br />

Bevölkerung beobachten dürfen.<br />

Je<strong>der</strong> versucht mit seinen eigenen Kräften<br />

und eigenen Möglichkeiten die Lebensbedingungen<br />

zu verbessern. Ein Beispiel<br />

dafür ist <strong>der</strong> "Dzieñ Europejski" in <strong>der</strong><br />

Grundschule <strong>der</strong> Gemeinde Woznice. Das<br />

Dorf liegt sieben Kilometer von Miko³ajki<br />

entfernt. Das zehn Personen starke Lehrerpersonal<br />

für die 85 Kin<strong>der</strong> zwischen sechs<br />

und zwölf Jahren hat einen enormen<br />

Zusammenhalt. Es wird Hand in Hand alles<br />

für die Kin<strong>der</strong> organisiert. Ein beschämendes<br />

Gefühl überkam mich, als ich herzlichst,<br />

es fehlte nur noch <strong>der</strong> rote Teppich,<br />

und mit selbst gebackenem Kuchen empfangen<br />

wurde. Stolz wurden mir die selbst<br />

gestalteten Klassenräume gezeigt. Nicht<br />

nur allein daran konnte ich sehen, wie sehr<br />

die Kin<strong>der</strong> im Mittelpunkt stehen, son<strong>der</strong>n<br />

auch an <strong>der</strong> sehr aktiven und immer glücklichen<br />

"Pani Direktor". Sie hat jedes ihrer<br />

Kin<strong>der</strong> in ihr großes Herz geschlossen. Am<br />

Beginn <strong>der</strong> Veranstaltung, die ein<br />

Europa Quiz und eine internationalen<br />

Mini Playback Show umfasste,<br />

bekam ich den nächsten Schock.<br />

Alle Kin<strong>der</strong>, manche nicht größer<br />

als einen Meter, begannen stehend<br />

die Europäische Nationalhymne zu<br />

singen. In meiner bisherigen Schulausbildung<br />

musste ich noch nicht<br />

einmal meine eigene Nationalhymne<br />

auswendig lernen! Ich möchte<br />

mit diesem Beispiel verdeutlichen,<br />

dass es in Polen nicht nur die<br />

Clowns <strong>der</strong> politischen Schaubühne<br />

gibt, son<strong>der</strong>n auch die unbekannten<br />

Talente und Magier. Der Weg ist<br />

lang, aber die Frucht trägt die<br />

Jugend, die durch fleißige Helfer in<br />

eine Richtung gelenkt werden. Das<br />

Ziel auf dem langen Weg ist noch<br />

verän<strong>der</strong>ungsfähig, aber die ersten<br />

Akteure können bald in die Manege<br />

gehen.<br />

Auch Miko³ajki hat den Vorhang für<br />

die Sommersaison geöffnet. Der<br />

lange Winterschlaf hat endlich ein<br />

Ende gefunden. Auch wenn schon<br />

Anfang April die Frühlingsblüher<br />

ihre Köpfe aus <strong>der</strong> harten Erde<br />

steckten, war es für die seit Monaten<br />

zugefrorenen Seen keine Leichtigkeit, die<br />

dicke Eisschicht abzulegen. Je wärmer es<br />

wurde, desto mehr Türen und Fensterläden<br />

öffneten sich und desto mehr Leuten<br />

begegnete man auf den sonst leeren Bürgersteigen.<br />

Der Winterputz für den schnell<br />

kommenden Tourismus passierte in einer<br />

unheimlichen Art und Weise. Beinahe kam<br />

<strong>der</strong> Wechsel von Heute auf Morgen und die<br />

Straßen füllten sich mit Eis schleckenden<br />

<strong>Deutsch</strong>en Reisegruppen. Dabei beschäftigt<br />

sich mein Herz mit einem Gedanken:<br />

Dieser Durchreisetourismus sieht niemals<br />

die vielen Storchfamilien im Naturschutzgebiet<br />

und wird niemals das Gefühl verspüren,<br />

ein Teil <strong>der</strong> Stadt zu sein. Ich versuche<br />

mich in die Stadt zu integrieren und<br />

mich durch meine Arbeit jeden Tag mehr<br />

zu verän<strong>der</strong>n. Ob es beim Winterputz mit<br />

Plastiksäcken durch den Wald und Park<br />

ging o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Unterstützung eines alten<br />

Mannes, seine schweren Einkaufstaschen<br />

nach Hause zu transportieren.

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