R Weitersagen mit System - Amadeus
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Wir treffen uns zum Gespräch im zukunfts<br />
institut am Rudolfsplatz im 1. Wiener<br />
Gemeindebezirk. Geschäftsführer Gatterer<br />
und seine Kollegin Anja Kirig haben gerade<br />
eine umfangreiche Studie über Travel Trends<br />
erstellt – eine spannende, anregende Lektüre.<br />
Das Wiener Büro wurde erst 2010 von<br />
Matthias Horx und Harry Gatterer gegründet.<br />
„Wien ist ein anregendes Pflaster für<br />
Zukunftsforscher“, meint der gebürtige Kufsteiner.<br />
Elf Megatrends hat das zukunfts<br />
institut beschrieben. Welche davon sind<br />
besonders relevant für den Reisevertrieb?<br />
Gatterer greift vier heraus:<br />
■ Individualisierung: Der Wunsch nach<br />
individuellen, authentischen Erlebnissen.<br />
Reisebüros und Reiseveranstalter können<br />
von diesem Trend profitieren, wenn sie ihre<br />
Kunden besser verstehen.<br />
■ Connectivity: Wir leben in Netzwerken<br />
von leichten Verbindungen wie etwa in<br />
Facebook. Meinungen, wie etwa Hotelbewertungen,<br />
haben enorme Bedeutung bei<br />
der Reiseentscheidung gewonnen.<br />
■ Neo-Ökologie: Die modernen „Innenraum-Menschen“<br />
haben eine tiefe Sehnsucht<br />
nach Natur, nach dem „echten Leben“. Reisebüros<br />
können diesen Menschen helfen, zu<br />
diesen Erlebnissen in der Natur zu kommen.<br />
■ Silver Generation: Die demographische<br />
Entwicklung kommt den Reiseunternehmen<br />
entgegen. Hier wächst eine kaufkräftige<br />
Kundengruppe heran, deren Anforderungen<br />
man aber auch erst kennen lernen muss. Mit<br />
dem Seniorenteller ist es nicht getan.<br />
Trends erkennen ist eine Sache. Auf den<br />
Trends zu reiten und von ihnen zu profitieren,<br />
ist eine andere. Gestützt auf eine<br />
umfangreiche Meinungsforschung sind die<br />
Zukunftsforscher sehr sicher, dass große<br />
Teile der Bevölkerung viele Themen als<br />
zukunftsrelevant einschätzen. Woran es der<br />
Reisebranche noch mangelt, ist Kreativität.<br />
Worüber sollte die Branche nachdenken?<br />
Die Standardfragen „Wo soll’s denn hingehen?<br />
Wann wollen Sie verreisen?“ greifen<br />
seiner Meinung nach zu kurz. Mit der Beantwortung<br />
von offenen Fragen gibt der Reise-<br />
Interessierte seine tiefliegenden Motive zu<br />
erkennen: „Was wollen Sie erleben? Welche<br />
Bilder haben Sie im Kopf, wenn Sie an Ihren<br />
Urlaub denken?“ Gatterer weiß, dass ein<br />
tiefes Verständnis der Kundenerwartungen<br />
ein Schlüssel zum Erfolg ist. Aber er sieht<br />
auch, dass weder die Ausbildung der Mitarbeiter<br />
ausreicht noch technische Tools und<br />
Methoden vorhanden sind, um Kunden wirklich<br />
zu verstehen und ihre Erwartungen zu<br />
übertreffen.<br />
„Aber“, fragt Gatterer zurück, „warum nutzt<br />
die Branche nicht crowdsourcing?“ Mit<br />
crowdsourcing ist gemeint, intelligente und<br />
kommunikationsfreudige Kunden im Inter-<br />
net selbst an der Problemlösung arbeiten zu<br />
lassen – Beratungsstil und Beratungsinhalte<br />
selbst festzulegen.<br />
Vor allem die etwas anspruchsvolleren Kunden<br />
suchen im Reisebüro<strong>mit</strong>arbeiter eigentlich<br />
den „Travel Coach“: Einen Berater, der<br />
seinen Kunden kennt und „tief“ versteht<br />
und ihm deshalb die wirklich passenden<br />
Angebot vorschlägt. Der Travel Coach ist<br />
kein Logistiker, der die Urlaubsreise am<br />
Computer zusammenstellt: Er hilft seinem<br />
Kunden, Zufriedenheit zu finden. Er ist, <strong>mit</strong><br />
einem etwas hochtrabenden Begriff, ein<br />
Glückslieferant. Manchmal geht es um die<br />
großen Momente im Leben, meistens aber<br />
um eine große Zahl von guten Momenten.<br />
Das ist eine anspruchsvolle, zeitintensive<br />
Aufgabe. Aber: Schafft es ein Reisebüro<strong>mit</strong>arbeiter,<br />
einem Kunden zu einem solchen<br />
Glücksmoment zu verhelfen, wird der<br />
Kunde dem Reisebüro<strong>mit</strong>arbeiter immer treu<br />
bleiben und wird „seinen“ Reise berater in<br />
seinem Bekanntenkreis weiterempfehlen<br />
(siehe auch Artikel auf Seite 4 bis 7).<br />
Der Wunsch nach „Anti-Alltag“<br />
Gerade die beruflich und familiär besonders<br />
beanspruchten Menschen sind für eine gelegentliche<br />
„Fastenzeit von der Informationsund<br />
Reizüberflutung“ ansprechbar. Sie<br />
suchen Sinneserfahrungen und reale<br />
Begegnungen <strong>mit</strong> ungewöhnlichen Men-<br />
Harry Gatterer, Geschäftsführer und Mitgründer des zukunfts instituts in Wien.<br />
Gatterer persönlich<br />
TREND<br />
schen. „Authentizität“ ist hier das Schlüsselwort.<br />
Auch dieser Trend ist umsetzbar in<br />
praktische Reiseempfehlungen; besonders<br />
in Österreich gibt es viele Angebote, die<br />
den Reisenden helfen können, das „echte<br />
Leben“ wiederzuentdecken. Aber auch hier<br />
gilt: Mit offenen Fragen den Kunden dazu<br />
bringen, seine manchmal verborgenen Reisewünsche<br />
zu äußern.<br />
Places to remember<br />
Wechseln wir zur Geschäftsreise. Harry Gatterer<br />
sieht zwei Entwicklungen: Das Volumen<br />
der firmeninternen Face-to-Face-Meetings<br />
geht zurück und wird durch virtuelle<br />
Meetings ersetzt. Gerade deswegen wächst<br />
die Bedeutung der persönlichen Begegnung<br />
<strong>mit</strong> Kunden und Partnern. Hier spielen die<br />
„Orte“ wieder eine große Rolle: Erinnerungen<br />
an geschäftliche Erfolge sind <strong>mit</strong> Orten<br />
verknüpft. Besondere Orte – dazu gehört<br />
nicht der fensterlose Konferenzraum –<br />
intensivieren die persönliche Begegnung,<br />
inspirieren das Gespräch und integrieren die<br />
Gesprächsteilnehmer, die aus unterschiedlichen<br />
Unternehmen oder auch Kulturkreisen<br />
kommen können. Daraus kann auch eine<br />
neue Aufgabe der Business Travel Reisebüros<br />
werden: Nicht nur die Logistik bereitstellen,<br />
sondern den Kunden beraten, inspirierende<br />
Orte zu finden, an denen das Meeting<br />
zum Erfolg wird. Wilfried Kropp ■<br />
Harry Gatterer ist Trendforscher und seit 1. Jänner 2010 Geschäftsführer des zukunfts<br />
instituts Österreich. Geboren 1974 in Kufstein sammelte er früh unternehmerische Erfahrung.<br />
Zwischen 2007 und 2009 war er Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Österreich,<br />
einer überparteilichen Interessensvertretung von Jungunternehmern. Sein Schwerpunkt:<br />
Neue Lebensstile und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Unternehmen, Konsum und<br />
Freizeit. Gatterer lebt wie sein Geschäftspartner Matthias Horx in Wien.<br />
9 Juni 11 Update