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Differenzialdiagnose der Schwerhörigkeit

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<strong>Differenzialdiagnose</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Thomas Zahnert<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Hintergrund: Nach <strong>der</strong> „Global Burden of Disease“-Studie<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> WHO zählen Hörstörungen in den Industrielän<strong>der</strong>n zu<br />

den sechs häufigsten, die Lebensqualität am meisten beeinträchtigenden<br />

Erkrankungen. Gründe für die steigende gesellschaftliche<br />

Bedeutung können die demografische Entwicklung<br />

mit Zunahme <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> im Alter sein,<br />

aber auch die vermehrte Betroffenheit von Jugendlichen<br />

durch ein verän<strong>der</strong>tes Freizeitverhalten mit zum Teil exzessiver<br />

Lärmbelastung. Dem gegenüber stehen verbesserte<br />

Möglichkeiten in <strong>der</strong> Versorgung von Hörstörungen durch<br />

technische Entwicklungen in <strong>der</strong> Ohrchirurgie, Hörgeräteund<br />

Cochleaimplantattechnik, so dass es heute für nahezu<br />

jede Form <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> einen Rehabilitationsansatz<br />

gibt. Voraussetzung für einen effektiven Versorgungsweg ist<br />

die rechtzeitige und differenzierte Diagnosestellung.<br />

Methodik: Selektive Literaturrecherche unter Einbeziehung<br />

nationaler Leitlinien.<br />

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Datenlage zur Epidemiologie<br />

<strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> in Deutschland ist unzureichend.<br />

Schätzungsweise geht man von etwa 13 bis 14<br />

Millionen behandlungsbedürftigen Betroffenen aus. Unter<br />

den permanenten <strong>Schwerhörigkeit</strong>en sind die <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

des Alters, die <strong>Schwerhörigkeit</strong> infolge chronischer<br />

Otitis media und die Lärmschwerhörigkeit am häufigsten<br />

zu beobachten. Passagere <strong>Schwerhörigkeit</strong>en finden sich<br />

bedingt durch Tubenbelüftungsstörungen beson<strong>der</strong>s im<br />

Kindesalter. In <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> hochgradigen angeborenen<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> aber auch <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> des<br />

Alters ergeben sich durch technische Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Cochlea-Implantate Indikationserweiterungen.<br />

►Zitierweise<br />

Zahnert T: The differential diagnosis of hearing loss.<br />

Dtsch Arztebl Int 2011; 108(25): 433–44.<br />

DOI: 10.3238/arztebl.2011.0433<br />

Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Dresden:<br />

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Zahnert<br />

Selbst geringe Hörstörungen können in einer Welt<br />

des immer schneller werdenden Informationsaustausches<br />

zum Nachteil werden. Wer dem hörsprachlichen<br />

Austausch nicht mehr schnell genug folgen kann,<br />

läuft sogar Gefahr, beruflich, familiär o<strong>der</strong> sozial isoliert<br />

zu werden. Für die Rehabilitation dieser Behin<strong>der</strong>ung<br />

stehen heute neue Wege zur Verfügung. Hörstörungen<br />

zählen, nach <strong>der</strong> „Burden of Disease“-Studie<br />

<strong>der</strong> WHO, in den Industrielän<strong>der</strong>n zu den sechs häufigsten<br />

Erkrankungen, neben Krankheiten wie ischämische<br />

Herzkrankheit, Depression und M. Alzheimer, die die<br />

Lebensqualität am meisten beeinträchtigen (1).<br />

Lernziele dieses Artikels<br />

Lernziele für den Leser sind:<br />

● die aktuell existierenden <strong>Schwerhörigkeit</strong>sformen<br />

kennenzulernen,<br />

● einen Überblick über die teils historisch ent-<br />

wickelte Klassifikation <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> zu<br />

erhalten und<br />

● die Vielfalt <strong>der</strong> Therapieverfahren und möglichen<br />

Indikationen zu verinnerlichen.<br />

Methode<br />

Selektive Literaturrecherche in den Literaturdaten -<br />

banken Medline und Cochrane (2000–2011) sowie<br />

<strong>der</strong> Leitlinien: „Periphere Hörstörungen im Kindes -<br />

alter“ <strong>der</strong> Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und<br />

Pädaudiologie e. V., „Cochlea-Implantat – Versorgung“<br />

und „Hörsturz“, beide von <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft<br />

für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-<br />

Chirurgie.<br />

Begriffsbestimmung<br />

Unter <strong>Schwerhörigkeit</strong> (Hypakusis) versteht man eine<br />

Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Hörfähigkeit im weitesten Sinne, beginnend<br />

von subjektiv kaum empfundenen Hörstörungen<br />

bis hin zur Gehörlosigkeit. Ursächlich kommen<br />

Probleme mit <strong>der</strong> Schallleitung zum Innenohr, mit <strong>der</strong><br />

Definition<br />

Unter <strong>Schwerhörigkeit</strong> (Hypakusis) versteht man<br />

eine Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Hörfähigkeit im weitesten<br />

Sinne, beginnend, von subjektiv kaum empfundenen<br />

Hörstörungen bis hin zur Gehörlosigkeit.<br />

MEDIZIN<br />

3<br />

Punkte<br />

cme<br />

Teilnahme nur im<br />

Internet möglich:<br />

aerzteblatt.de/cme<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 433


MEDIZIN<br />

TABELLE 1<br />

Einteilung <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> nach dem Schweregrad (WHO) und allgemeine klinische Empfehlungen* 1<br />

Grad <strong>der</strong><br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

0 – normalhörig<br />

1 – geringgradige<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

2 – mittelgradige<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

3 – hochgradige<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

4 – Hörreste o<strong>der</strong><br />

Taubheit<br />

mittlerer Hörverlust<br />

im Reinton-<br />

Audiogramm<br />

25 dB o<strong>der</strong> besser<br />

26–40 dB<br />

41–60 dB<br />

61–80 dB<br />

81 dB o<strong>der</strong> mehr<br />

klinischer Befund<br />

Schallempfindung durch die Sinneszellen <strong>der</strong> Cochlea<br />

o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Schallverarbeitung entlang des Hörnerven,<br />

<strong>der</strong> Hörbahn o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hörzentren in Frage. <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

ist somit nur ein Symptom <strong>der</strong> Erkrankung des<br />

Hörorganes. Sie ist abzugrenzen von an<strong>der</strong>en Formen<br />

<strong>der</strong> Hörstörung wie <strong>der</strong> Hyperakusis (Überempfindlichkeit<br />

gegenüber Schall), dem fluktuierenden Gehör<br />

o<strong>der</strong> dem Tinnitus.<br />

Häufigkeit <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

in Deutschland<br />

Nach epidemiologischen Studien liegt die Prävalenz<br />

von behandlungsbedürftigen Hörstörungen in Deutschland<br />

bei etwa 19 % (2). Dabei wurden alle Personen als<br />

schwerhörig eingeschätzt, die in fünf Testfrequenzen<br />

zwischen 0,5 und 4 kHz eine Min<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Hörfähigkeit<br />

um mindestens 40 dB aufwiesen. Dies entsprach<br />

im Jahr 2001 etwa einer Gesamtzahl von etwa 13,2<br />

Prävalenz<br />

Epidemiologischen Studien zufolge liegt die Prävalenz<br />

von behandlungsbedürftigen Hörstörungen<br />

in Deutschland bei etwa 19 %.<br />

keine o<strong>der</strong> nur leichte Probleme bei<br />

<strong>der</strong> Kommunikation, Patient kann<br />

Flüstersprache hören<br />

Umgangssprache wird 1 m vor dem<br />

Ohr verstanden<br />

lautes Sprechen wird 1 m vor dem<br />

Ohr verstanden<br />

einige Worte werden bei sehr lautem<br />

Sprechen auf dem besseren Ohr<br />

verstanden<br />

keinerlei Sprachverständnis bei<br />

maximaler Lautstärke<br />

Empfehlung<br />

Beratung, Verlaufskontrolle, bei Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

OP-Indikation<br />

prüfen<br />

Beratung, Hörgerät gegebenenfalls empfehlenswert,<br />

bei Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

o<strong>der</strong> kombinierter <strong>Schwerhörigkeit</strong> gegebenenfalls<br />

operative Versorgung<br />

Hörgerät ist zu empfehlen, bei Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

o<strong>der</strong> kombinierter<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> gegebenenfalls operative<br />

Versorgung<br />

Hörgerät nötig. Falls kein Hörgerät möglich,<br />

prüfen, ob an<strong>der</strong>e Hörsysteme in Frage<br />

kommen (implantierbares Hörgerät,<br />

Cochlea-Implantat) Lippenlesen und<br />

Zeichensprache unterstützend<br />

Hörgerätetrageversuch, bei Scheitern in <strong>der</strong><br />

Regel heute Indikation zur Cochlea-Implantation<br />

gegebenenfalls auch Hirnstammimplantatversorgung,<br />

ergänzend gegebenenfalls<br />

Lippenlesen/Zeichensprache<br />

* 1 Für den Mittleren Hörverlust werden für jedes Ohr getrennt die Mittelwerte des Hörverlustes aus den<br />

Frequenzen 500 Hz, 1000 Hz, 2000 Hz und 4000 Hz ermittelt, modifiziert nach WHO: Grades of hearing impairment;<br />

www.who.int/pbd/deafness/hearing_impairment_grades/en/index.html<br />

Millionen Menschen in Deutschland. Tatsächlich dürfte<br />

die Zahl jedoch höher liegen, weil zum einen Kin<strong>der</strong><br />

bis 14 Jahre in die Studie nicht einbezogen wurden und<br />

zum an<strong>der</strong>en nach Einschätzung <strong>der</strong> WHO bereits ab<br />

25 dB von einer geringgradigen <strong>Schwerhörigkeit</strong> auszugehen<br />

ist.<br />

Zur Prävalenz <strong>der</strong> verschiedenen <strong>Schwerhörigkeit</strong>sformen<br />

nach <strong>der</strong> Ursache gibt es keine Studie, die alle<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>sformen erfasst.<br />

Im Kindesalter überwiegt die passagere Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

infolge eines Paukenergusses mit<br />

einer Häufigkeit von 10 bis 30 % <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> in den ersten<br />

drei Lebensjahren und einer Prävalenz von bis zu<br />

8 %. Angeborene permanente bilaterale <strong>Schwerhörigkeit</strong>en<br />

weisen dagegen eine Prävalenz von 1,2 pro 100 000<br />

auf, während beim Erwachsenen die sensorineurale<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> des Alters überwiegt (Presbyakusis,<br />

Häufigkeit 40 % aller Menschen ab dem 65. Lebensjahr).<br />

Angeborene bilaterale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Angeborene permanente bilaterale <strong>Schwerhörigkeit</strong>en<br />

weisen eine Prävalenz von 1,2 pro 100 000<br />

Neugeborenen auf.<br />

434 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011


GRAFIK 1<br />

Dieser folgt die permanente Schallleitungs- beziehungsweise<br />

kombinierte <strong>Schwerhörigkeit</strong> infolge einer chronischen<br />

Otitis media (Inzidenz 1,5 % <strong>der</strong> Bevölkerung)<br />

und die Lärmschwerhörigkeit (Inzidenz 0,05 %) (3–8).<br />

Klinisches Erscheinungsbild<br />

Eine beginnende <strong>Schwerhörigkeit</strong> kann von den Betroffenen<br />

relativ lange kompensiert werden. Häufig<br />

verhalten sich Schwerhörige so, dass sie das Radio-<br />

o<strong>der</strong> Fernsehgerät lauter stellen o<strong>der</strong> bei einseitiger<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> das gesunde Ohr zur Schallquelle hinwenden.<br />

Bei zunehmen<strong>der</strong> Hörmin<strong>der</strong>ung wird vor allem<br />

<strong>der</strong> visuelle Sinn mit in die korrekte Spracherkennung<br />

einbezogen, indem „von den Lippen abgelesen“<br />

wird. Weitere Auffälligkeiten sind das häufige Nachfragen<br />

o<strong>der</strong> die inhaltlich falsche Beantwortung von Fragen,<br />

sowie die zu laute Sprechstimme.<br />

Evidenzlage <strong>der</strong> Therapie <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Randomisierte Studien existieren zu den mittelohrchir -<br />

urgischen Verfahren, zur Versorgung mit implantierbaren<br />

Hörgeräten und zur Cochlea-Implantatversorgung.<br />

Geringere Evidenz herrscht dagegen in Studien zur medikamentösen<br />

Therapie akuter Innenohrstörung – insbeson<strong>der</strong>e<br />

des Hörsturzes. Neu ist, dass heute nahezu jede<br />

Form <strong>der</strong> permanenten <strong>Schwerhörigkeit</strong> behandelbar ist.<br />

Klinisches Erscheinungsbild<br />

Häufige Verhaltensweisen sind das Lauterstellen<br />

des Radio- o<strong>der</strong> Fernsehgerätes o<strong>der</strong> bei einseitiger<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> die Hinwendung des gesunden<br />

Ohres zur Schallquelle.<br />

TopografischfunktionelleEinteilung<br />

<strong>der</strong><br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

nach den verschiedenen<br />

Ebenen des<br />

Hörorganes.<br />

Einteilung <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Im klinischen Gebrauch sind vor allem Einteilungen<br />

nach dem Schweregrad anhand des Reintonaudio -<br />

grammes verbreitet (Tabelle 1) und die grundlegende<br />

topografisch-funktionelle Differenzierung zwischen<br />

Schallleitungsstörung, Schallempfindungsstörung und<br />

Schallverarbeitungsstörung (Grafik 1). Daneben existieren<br />

Einteilungen nach dem Alter (zum Beispiel kindliche<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>, Altersschwerhörigkeit), dem<br />

zeitlichen Verlauf, dem Schweregrad und dem Frequenzverlauf<br />

<strong>der</strong> Hörschwelle (9, 10).<br />

Schallleitungs- und<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

Schallwellen gelangen über die Ohrmuschel und den<br />

Gehörgang an das Trommelfell, das wie eine Mikrofonmembran<br />

in mechanische Schwingungen versetzt wird.<br />

Anschließend werden die Schwingungen über die<br />

Gehörknöchelchenkette an die Peri- und Endolymphe<br />

<strong>der</strong> Cochlea übertragen. Alle Störungen auf diesem<br />

Weg <strong>der</strong> Schallleitung sind mechanischer Natur und<br />

werden als Schallleitungschwerhörigkeit zusammengefasst<br />

(Grafik 2).<br />

Ein zweiter Weg ergibt sich durch Körperschallausbreitung.<br />

Wird <strong>der</strong> Schädelknochen akustisch angeregt<br />

– beispielsweise durch das Aufsetzen einer<br />

Einteilung <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Es gilt die grundlegende topografisch-funktionelle<br />

Differenzierung zwischen Schallleitungsstörung,<br />

Schallempfindungsstörung und Schallverarbeitungsstörung.<br />

MEDIZIN<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 435


MEDIZIN<br />

GRAFIK 2<br />

a) Schallleitungsstörung: Testung über Kopfhörer und Knochenleitungshörer.<br />

Die Ursache liegt im äußeren Ohr o<strong>der</strong> Mittelohr.<br />

Im Reintonaudiogramm verlaufen Luftleitungs- (x-x-x) und<br />

Knochenleitungsschwelle (


a b<br />

Monate bestehenden Paukenerguss sollten eine Paukendrainage<br />

und gegebenenfalls eine Adenotomie erfolgen,<br />

um Sprachentwicklungsstörungen zu vermeiden<br />

(6).<br />

Mittelohr<br />

Permanente Schallleitungsschwerhörigkeit: Die<br />

häufigsten Ursachen für eine permanente Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

sind chronische Entzündungen<br />

des Mittelohres mit den beiden Hauptformen chronische<br />

Schleimhauteiterung (Otitis media mesotympanalis)<br />

und chronischer Knocheneiterung (Cholesteatom).<br />

Die <strong>Schwerhörigkeit</strong> resultiert in beiden Fällen<br />

aus <strong>der</strong> Dämpfung (Granulationen, Cholesteatom),<br />

Zerstörung (enzymatischer Abbau) o<strong>der</strong> entzündlichen<br />

Fixation von Trommelfell und Ossikelkette. Aus<br />

<strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> (30–60 dB) lässt sich<br />

nur selten auf das Ausmaß <strong>der</strong> Destruktion schließen,<br />

weil das entzündliche Gewebe in <strong>der</strong> Paukenhöhle<br />

selbst Schwingungen übertragen und somit Defekte<br />

akustisch überbrücken kann (12). Die Therapie <strong>der</strong><br />

Wahl ist die Operation mit dem Ziel <strong>der</strong> Eradikation<br />

und mikrochirugischen Rekonstruktion <strong>der</strong> Ossikelkette<br />

(Abbildung 1).<br />

Otosklerose<br />

Mit einer klinischen Prävalenz von 0,3 bis 0,4 %<br />

führt die Otosklerose über eine Fixation des Steigbügels<br />

zur Schallleitungsschwerhörigkeit in den tiefen<br />

Otosklerose<br />

Neben entzündlichen Faktoren werden kausal genetische,<br />

metabolische und hormonelle Ursachen<br />

diskutiert. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15.<br />

und 40. Lebensjahr, Frauen sind doppelt so häufig<br />

betroffen wie Männer.<br />

Abbildung 1:<br />

a) Kleines Cholesteatom<br />

im<br />

hinteren oberenTrommelfellquadranten<br />

mit Zerstörung<br />

des Ambossschenkels.<br />

b) Zustand nach<br />

Rekonstruktion<br />

mit einer Winkelprothese<br />

(nach<br />

Plester) mit<br />

Überbrückung<br />

des Defektes<br />

zwischen Amboss<br />

und Steigbügel.<br />

Frequenzen bis 40 dB (13). Pathophysiologisch verantwortlich<br />

sind Knochenumbauprozesse an <strong>der</strong> knöchernen<br />

Cochleawand, die letztlich auch den Steigbügel<br />

und die Rundfenstermembran erfassen können.<br />

Kausal werden neben entzündlichen Faktoren<br />

(Autoimmunprozess, Masernvirus) auch genetische,<br />

metabolische und hormonelle Ursachen diskutiert<br />

(e2). Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15. und 40.<br />

Lebensjahr, Frauen sind doppelt so häufig betroffen<br />

wie Männer. Die <strong>Schwerhörigkeit</strong> lässt sich heute<br />

mit einer Erfolgsquote von 94 % mikrochirurgisch<br />

durch eine Stapesplastik beheben (14).<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

(Synonym: sensorische <strong>Schwerhörigkeit</strong>)<br />

Die Funktionseinheit für die Umwandlung <strong>der</strong> Perilymphschwingung<br />

in ein Nervenpotenzial ist das Cortische<br />

Organ (Grafik 3). Die Schwingung <strong>der</strong> Basilarmembran<br />

führt zu einer mechanischen Auslenkung <strong>der</strong><br />

Stereozilien und zu einem damit verbundenen Elektrolyteinstrom<br />

mit anschließen<strong>der</strong> Depolarisation <strong>der</strong><br />

Haarzellen. Durch Motoproteine in den Zellwänden <strong>der</strong><br />

äußeren Haarzellen wird dieser elektromechanische<br />

Transduktionsprozess in einem bestimmten Dynamikbereich<br />

nichtlinear verstärkt (15). Bei allen Schallempfindungsschwerhörigkeiten<br />

ist die Funktion des Cortischen<br />

Organs gestört. Am häufigsten betroffen sind dabei<br />

die äußeren Haarzellen mit <strong>der</strong> Konsequenz eines<br />

Abfalls <strong>der</strong> Knochenleitungsschwelle bis 50 dB, einem<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

Bei allen Schallempfindungsschwerhörigkeiten ist<br />

die Funktion des Cortischen Organs gestört. Am<br />

häufigsten betroffen sind dabei die äußeren Haarzellen.<br />

MEDIZIN<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 437


MEDIZIN<br />

Cortisches Organ<br />

mit äußeren<br />

und inneren<br />

Haarzellen<br />

(Schema menschliche<br />

Cochlea) sowie<br />

aufsitzenden<br />

Stereozilien vor und<br />

nach Lärmtrauma<br />

(Chinchilla).<br />

1. mit freundlicher Genehmigung<br />

Dr. Roger C. Wagner, Professor<br />

Emeritus of Biological Sciences,<br />

University of Delaware, Newark,<br />

Delaware 19716 USAN. www.<br />

udel.edu/biology/Wags/histopage/<br />

histopage.htm<br />

2. modifiziert nach Fukushima N,<br />

White P, Harrison R V: Influence<br />

of acoustic deprivation on recovery<br />

of hair cells after acoustic<br />

trauma. Hearing Res. 1990; 50<br />

(1–2): 107–18<br />

GRAFIK 3<br />

Verlust <strong>der</strong> nichtlinearen Verstärkung (Recruitmentphänomen)<br />

und <strong>der</strong> eingeschränkten Frequenzselektivität<br />

(Verzerrungen).<br />

Permanente Schallempfindungsschwer-<br />

hörigkeit im Kindesalter<br />

Die Prävalenz von kongenitalen sensorineuralen bilateralen<br />

permanenten Hörstörungen mit einem Hörverlust<br />

von mindestens 35 dB wird in Deutschland mit 1,2 pro<br />

1 000 Lebendgeborene angegeben (16). Es handelt sich<br />

dabei in 25 % <strong>der</strong> Fälle um eine genetisch bedingte<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>. 18 % <strong>der</strong> Fälle sind auf eine erworbene<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> zurückzuführen und bei 57 % <strong>der</strong> Be-<br />

Angeborene <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

30 % <strong>der</strong> angeborenen <strong>Schwerhörigkeit</strong>en sind<br />

zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr progredient,<br />

so dass auch eine geringgradig eingestufte<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> im Kindesalter im Abstand von<br />

drei bis sechs Monaten kontrollbedürftig ist.<br />

troffenen besteht die <strong>Schwerhörigkeit</strong> ohne dass eine eine<br />

Ursache eruiert werden kann (Tabelle 2). Etwa 30 %<br />

<strong>der</strong> angeborenen <strong>Schwerhörigkeit</strong>en sind beson<strong>der</strong>s zwischen<br />

dem 3. und 6. Lebensjahr progredient, so dass<br />

auch eine als geringgradig eingestufte <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

im Kindesalter im Abstand von drei bis sechs Monaten<br />

kontrollbedürftig ist.<br />

Genetisch bedingte Hörstörungen sind in 30 %<br />

syndromal und 70 % nicht-syndromal gebunden. Von<br />

den nicht-syndromalen sind 70–80 % autosomal rezessiv,<br />

10–25 % autosomal dominant und 2–3 %<br />

X-chromosomal bedingt (6). Insgesamt sind über 300<br />

mit <strong>Schwerhörigkeit</strong> einhergehende kongenitale Syn-<br />

Kongenitale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Insgesamt sind über 300 mit <strong>Schwerhörigkeit</strong> einhergehende<br />

kongenitale Syndrome bekannt.<br />

438 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011


TABELLE 2<br />

Synopsis <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> nach Ursache und Symptomatik mit Diagnosebeispielen<br />

Ursache<br />

Symptomatik<br />

mögliche<br />

Diagnose<br />

audiologische<br />

Diagnostik<br />

Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

– akusto-mechanische Störung<br />

<strong>der</strong> Schallausbreitung im<br />

Gehörgang, am Trommelfell<br />

o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Ossikelkette<br />

bei Ursache im Gehörgang:<br />

– Schallintensität wird verringert<br />

(leisere Wahrnehmung)<br />

bei Ursachen am Trommelfell<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ossikelkette:<br />

– Schallintensität und Frequenz<br />

werden verän<strong>der</strong>t (Dämpfung<br />

o<strong>der</strong> Verstärkung <strong>der</strong> „Höhen“<br />

o<strong>der</strong> „Tiefen“)<br />

akut:<br />

– Cerumen obturans<br />

– Tubenkatarrh<br />

– Paukenerguss<br />

– traumatische Trommelfell-<br />

perforation<br />

– akute Otitis media/Otitis<br />

externa<br />

permanent:<br />

– Gehörgangsstenose/-atresie<br />

– Trommelfell- o<strong>der</strong> Kettendefekt<br />

bei chronischer Schleimhaut-<br />

eiterung<br />

– Cholesteatom<br />

– Missbildung<br />

– Otosklerose<br />

– Tympanosklerose<br />

– Stimmgabeltest<br />

– Flüstertest<br />

– Hörweitenbestimmung<br />

– Reintonaudiogramm<br />

– Impedanzaudiometrie<br />

Die <strong>Schwerhörigkeit</strong> wird eingeteilt in<br />

Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

neurale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

zentrale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

– Störung <strong>der</strong> Haarzellfunktion<br />

o<strong>der</strong> ihrer synaptischen<br />

Verbindungen zum Hörnerven<br />

bei Betroffenheit <strong>der</strong> äußeren<br />

Haarzellen Verlust des cochleären<br />

Verstärkers und damit<br />

<strong>der</strong> Verstärkung für mittlere<br />

Schallintensitäten (Recruitment)<br />

– Verlust <strong>der</strong> scharfen Frequenzauflösung<br />

– vermin<strong>der</strong>te Zeitauflösung<br />

– Intensitätsverlust und Einschränkung<br />

<strong>der</strong> Dynamik-<br />

steuerung<br />

– leise Geräusche o<strong>der</strong> Sprache<br />

werden zu leise und zu laut<br />

wahrgenommen<br />

– häufig verzerrte Wahrnehmung<br />

akut:<br />

– idiopathischer Hörsturz<br />

– akutes Lärmtrauma<br />

– Knalltrauma<br />

– Explosionstrauma<br />

– bakterielle/virale Labyrinthitis<br />

hereditär/permanent:<br />

– heriditäre <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

– Presbyakusis<br />

– Lärmschwerhörigkeit<br />

– medikamentös-toxische<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

– idiopathisch-chronisch<br />

progrediente <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

– Nebenwirkungen von<br />

Medikamenten<br />

– Entstehung von Infektionen<br />

und Hörstürze<br />

– Stimmgabeltest<br />

– Flüstertest<br />

– Hörweitenbestimmung<br />

– Reintonaudiogramm<br />

– Sprachaudiogramm<br />

– otoakustische Emissionen<br />

neurale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

– Störung <strong>der</strong> Hörnervenfunktion<br />

– Verzögerung <strong>der</strong> Reizleitung<br />

– Störung <strong>der</strong> Codierung des<br />

akustischen Signals<br />

– ähnliche Symptomatik wie bei<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit,<br />

jedoch meist einseitig<br />

– schlechtere Sprachwahrnehmung<br />

im Verhältnis zur Tonwahrnehmung<br />

– Akustikusneurinom<br />

(Vestibularisneurinom)<br />

– an<strong>der</strong>e Tumoren des Felsenbeins<br />

o<strong>der</strong> Kleinhirnbrückenwinkels<br />

(Meningeom, Chordom,<br />

Chondrosarkom)<br />

– Kompressionssyndrom<br />

– Reintonaudiogramm<br />

– Sprachaudiogramm<br />

– überschwellige Testverfahren<br />

– Hörermüdungstests<br />

– elektrische Response-Audiometrie<br />

zentrale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

MEDIZIN<br />

– Störung <strong>der</strong> Hörbahn-<br />

beziehungsweise Hörrindenfunktion<br />

(Signalvergleich<br />

bei<strong>der</strong> Seiten, Synchronisation,<br />

Modulation des Signals,<br />

Wie<strong>der</strong>erkennung, Störsignalunterdrückung)<br />

– Tongehör kann ungestört sein<br />

– Störung <strong>der</strong> schnellen Sprachverarbeitung<br />

– Störung <strong>der</strong> Geräuschlokalisation,<br />

des Sprachverständnisses<br />

im Störgeräusch und des<br />

akustischen Gedächtnisses<br />

– Infarkte<br />

– Blutungen<br />

– Tumore<br />

– Multiple Sklerose<br />

– auditive Wahrnehmungs- und<br />

Verarbeitungsstörung<br />

– Hörweitenbestimmung<br />

– Reintonaudiogramm<br />

– Sprachaudiogramm<br />

– überschwellige Testverfahren<br />

– Hörermüdungstest<br />

– elektrische Response-<br />

Audiometrie<br />

Die audiologische Diagnostik umfasst unter an<strong>der</strong>em<br />

orientierende Tests: Stimmgabel, Hörweitenbestimmung<br />

Reinton- und Sprachaudiogramm, Impedanzmessung, überschwellige<br />

Tests<br />

otoakustische Emissionen, elektrische Reaktionsaudiometrie<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 439


MEDIZIN<br />

KASTEN 1<br />

Ursachen und Verteilung kongenitaler<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

● unbekannte Ursache (57 %)<br />

● erworben (18 %)<br />

– infektiös:<br />

Toxoplasmose, Zytomegalie, Herpes, Mumps, Masern, Meningitis, Sepsis<br />

– metabolisch:<br />

Asphyxie, Hyperbilirubinämie<br />

– toxisch:<br />

Alkohol, Thalidomid, Chinin<br />

– geburtstraumatisch:<br />

(intrakranielle Blutung, Schädeltrauma, Lärm)<br />

● genetisch bedingt (25 %)<br />

– davon nicht-syndromal (70 %):<br />

autosomal rezessiv (80 %)<br />

autosomal dominant (17 %)<br />

X-chromosomal (3 %)<br />

– davon syndromal (30 %) beispielsweise* 1:<br />

Alport-Syndrom (mit fortschreiten<strong>der</strong> Niereninsuffizienz)<br />

Pendred-Syndrom (mit Struma bei Jodverwertungsstörung)<br />

Cogan-Syndrom (mit interstitieller Keratitis)<br />

Waardenburg-Syndrom (mit partiellem Albinismus, Lateralverlagerung <strong>der</strong><br />

Tränenpünktchen)<br />

Usher-Syndrom (mit Retinitis pigmentosa)<br />

Osteogenesis imperfecta (Kollagenstörung, Knochenbrüche)<br />

Goldenhar-Syndrom (Ohrmuschelfehlbildung, Gesichtsdysmorphie)<br />

Pierre-Robin-Syndrom (Mikrogenie, Gaumenspalte)<br />

Franceschetti-Syndrom (kraniofaziale Dysmorphie)<br />

* 1 Von den über 300 syndromalen <strong>Schwerhörigkeit</strong>en sind nur einige beispielhaft genannt. Modifiziert<br />

nach (4, 6)<br />

drome bekannt, von denen einige stellvertretend<br />

in genannt sind (Kasten 1). Die weitaus häufige -<br />

ren, nicht-syndromal autosomal rezessiv vererbten<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>en sind oft durch Mutation eines<br />

Gens für die Synthese des Transmembranproteins<br />

Connexin 26 und 30 bedingt, das an den Haarzellen<br />

zu Störung des Ionentransports führt (gap junctionprotein).<br />

Bei Verdacht auf eine genetische <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

sollte nach Connexin-26- und -30-Mutationen<br />

gesucht werden. Rezessiv vererbte Schwerhörigkei-<br />

Kindliche Entwicklung<br />

Pränatal, perinatal o<strong>der</strong> postnatal erworbene Hörstörungen<br />

haben häufig infektiöse, toxische o<strong>der</strong><br />

traumatische Ursachen, die auch in späteren Phasen<br />

<strong>der</strong> kindlichen Entwicklung für progrediente<br />

und neu auftretende Hörstörungen relevant sind.<br />

ten sind in <strong>der</strong> Regel hochgradig, treten häufig nur<br />

sporadisch auf und sind deshalb schwer zu diagnostizieren<br />

(17).<br />

Pränatal, perinatal o<strong>der</strong> postnatal erworbene Hörstörungen<br />

haben häufig infektiöse, toxische o<strong>der</strong> traumatische<br />

Ursachen, die auch in späteren Phasen <strong>der</strong> kindlichen<br />

Entwicklung für progrediente und neu auftretende<br />

Hörstörungen relevant sind. Liegen ausgewiesene Risikofaktoren<br />

vor, ist eine ausführliche Hördiagnostik indiziert<br />

(Tabelle 2).<br />

Neugeborene haben seit dem Jahr 2008 einen gesetzlichen<br />

Anspruch auf eine Früherkennungsuntersuchung<br />

<strong>der</strong> Hörstörungen durch das Neugeborenen-Hörscreening.<br />

Ziel ist dabei die Erkennung eines Hörverlustes<br />

ab 35 dB bis zum Ende des dritten Lebensmonats und<br />

eine entsprechende Therapie bis Ende des sechsten Lebensmonats.<br />

Für die Diagnostik werden objektive audiometrische<br />

Verfahren gefor<strong>der</strong>t:<br />

● TEOAE (Transitorisch Evozierte Ototakustische<br />

Emissionen) und/o<strong>der</strong><br />

● AABR (Automatic Auditory Brainstem Response).<br />

Die Therapie <strong>der</strong> kindlichen <strong>Schwerhörigkeit</strong> erfolgt<br />

heute interdisziplinär mit frühzeitiger Hörsystemversorgung<br />

und För<strong>der</strong>ung des Hör- und Spracherwerbes<br />

in pädaudiologischen Zentren. Bei einer angeborenen<br />

Taubheit beziehungsweise <strong>Schwerhörigkeit</strong> sind heute<br />

Cochleaimplantate ab einer Hörschwelle von 91 dB<br />

konventionellen Hörgeräteversorgung überlegen (e3).<br />

Dabei werden den Spracherwerb betreffend die besten<br />

Ergebnisse erreicht, wenn die Kin<strong>der</strong> innerhalb <strong>der</strong> ersten<br />

beiden Lebensjahre und auf beiden Ohren mit einem<br />

Cochlea-Implantat versorgt werden (18).<br />

Akute Schallempfindungsschwerhörigkeit im<br />

Erwachsenenalter<br />

Akute Hörstörungen durch Schädigung <strong>der</strong> Sinneszellen<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Homöostase des Innenohres können:<br />

● traumatisch bedingt sein (zum Beispiel Schädelbasisfraktur),<br />

● eine toxisch-infektiöse Ursache haben<br />

● o<strong>der</strong> idiopathisch sein.<br />

Charakteristisch für das Knalltrauma (zum Beispiel<br />

durch Knallkörper) ist die kurzzeitige Schallbelastung<br />

mit sehr hohen Pegeln über 140 dB und die sehr kurze<br />

Dauer des Druckanstieges (< 1,5 ms). Davon abzugrenzen<br />

ist das Explosionstrauma mit längeren Druckanstiegen<br />

(> 2 ms) und dadurch folgen<strong>der</strong> Trommelfellruptur.<br />

Symptomatisch ist in beiden Fällen eine akute, meist<br />

über Stunden anhaltende Hörmin<strong>der</strong>ung mit Tinnitus.<br />

Akute Hörstörungen durch Schädigung <strong>der</strong><br />

Sinneszellen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Homöostase des Innenohres<br />

können<br />

traumatisch bedingt sein<br />

toxisch-infektiöse Ursache haben o<strong>der</strong><br />

idiopathischer Natur sein.<br />

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In <strong>der</strong> Silvesternacht beträgt die Inzidenz eines Knalltraumas<br />

28 bis 107 Personen pro 100 000 in Deutschland<br />

(19). Von akutem Lärmtrauma spricht man dagegen,<br />

wenn Lärm mit relativ hohen Pegeln über längere<br />

Zeit (Sekunden bis zu Stunden) einwirkt (zum Beispiel<br />

Rockkonzerte). Hier kommt es weniger zu strukturellen<br />

Schäden an den Sinneszellen als vielmehr zu schweren<br />

metabolischen Störungen (oxidativer Stress), die je<br />

nach Dauer reversibel o<strong>der</strong> irreversibel sind und ebenfalls<br />

durch einen Hochtonverlust um 4 kHz und einen<br />

Tinnitus in diesem Frequenzbereich symptomatisch<br />

werden. Therapeutisch kommen Infusionsbehandlungen<br />

mit Rheologika und Kortison in Frage.<br />

Akute toxische Innenohrschwerhörigkeit<br />

Medikamente und bakterielle o<strong>der</strong> virale Toxine können<br />

über die Rundfenstermembran, den Liquor o<strong>der</strong> die<br />

Blutversorgung an das Innenohr gelangen und die<br />

Haarzellen irreversibel schädigen. Zu den bekanntesten<br />

Medikamentengruppen zählen Aminoglykoside, Zytostatika,<br />

Schleifendiuretika, Salizylate und Chinin. Das<br />

Risiko <strong>der</strong> medikamentösen Haarzellschädigung kann<br />

heute durch Kontrolle von Serumkonzentrationsspiegeln<br />

reduziert werden kann (Kasten 2).<br />

Daneben wirken Bakterientoxine beziehungsweise<br />

Entzündungsmediatoren bei Virusinfekten toxisch auf<br />

das Innenohr (Labyrinthitis). Beispiele sind die toxische<br />

Labyrinthitis im Rahmen <strong>der</strong> Grippeotitis, <strong>der</strong> eitrigen<br />

Meningitis o<strong>der</strong> <strong>der</strong> chronischen Otitis media. Virale<br />

Allgemeininfektionen (Mumps, Masern, Röteln, Zytomegalie,<br />

HIV) erreichen hämatogen das Labyrinth (e4).<br />

Hörsturz<br />

Im englischen Sprachgebrauch wird <strong>der</strong> Hörsturz als<br />

„Sudden Sensorineural Hearing loss“ geführt. Der Name<br />

soll darauf hinweisen, dass es sich um eine plötzlich<br />

auftretende Hörstörung handelt, die nicht allein durch<br />

das Innenohr hervorgerufen wird. Symptomatisch kann<br />

<strong>der</strong> Hörsturz auftreten bei (20):<br />

● Infektionen in 12,8 % (zum Beispiel Meningitis,<br />

Lues o<strong>der</strong> HIV-Infektion)<br />

● Ohrerkrankungen in 4,7 % (zum Beispiel Cholesteatom),<br />

● traumatisch in 4,2 % (zum Beispiel Knalltrauma,<br />

Schädelbasisfraktur),<br />

● kardiovaskulär in 2,8 % o<strong>der</strong><br />

● paraneoplastisch in 2,2 %.<br />

In 71 % <strong>der</strong> Fälle findet sich jedoch trotz Stufendiagnostik<br />

keine Ursache (idiopathischer Hörsturz). Mo-<br />

Akute toxische Innenohrschwerhörigkeit<br />

Zu den bekanntesten Medikamentengruppen, die<br />

zu einer akut-toxischen Innenohrschwerhörigkeit<br />

führen, zählen Aminoglykoside, Zytostatika,<br />

Schleifendiuretika, Salizylate und Chinin.<br />

KASTEN 2<br />

Ototoxische Ursachen für<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit (nach e4)<br />

dellvorstellungen gehen dabei von einer unbekannten<br />

viralen, vaskulären o<strong>der</strong> immunologischen Genese aus,<br />

die letztlich zu einer Homöostasestörung des Innenohres<br />

führen (e5).<br />

Permanente Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

im Erwachsenenalter<br />

Presbyakusis<br />

Es handelt sich um eine sensorineurale beidseitige<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> multifaktoriellen Ursprungs ab dem 5.<br />

bis 6. Lebensjahrzehnt, die sich reintonaudiometrisch<br />

durch einen Hochtonverlust auszeichnet. Ursächlich<br />

werden physiologische Alterungsprozesse, beson<strong>der</strong>s in<br />

<strong>der</strong> mikrovaskulären Versorgung <strong>der</strong> Haarzellen (sensorischer<br />

Typ) mit den Folgen <strong>der</strong> Ischämie, Hypoxie und<br />

oxidativem Stress angenommen. Daneben können die<br />

Ganglienzellen (neuronaler Typ) o<strong>der</strong> die Stria vascularis<br />

(metabolischer Typ) betroffen sein. Von <strong>der</strong> Presbyakusis<br />

sind etwa 40 % <strong>der</strong> Menschen ab dem 65. Lebensjahr<br />

betroffen (7). Bisher gibt es keine Präventionsoptio-<br />

Ototoxische Ursachen für<br />

Schallempfindungsschwerhörigkeit<br />

Medikamente, gewerbliche Stoffe<br />

Sucht-und Genussmittel<br />

Viren- o<strong>der</strong> Bakterientoxine<br />

metabolische Ursachen<br />

MEDIZIN<br />

● Medikamente<br />

– Aminoglykoside ( Gentamycin, Streptomycin, Tobramycin, Amikacin)<br />

– Zytostatika ( Cisplatin, Cyclophosphamid)<br />

– Diuretika ( Furosemid, Etacrynsäure)<br />

– an<strong>der</strong>e ( Salicylate, Chinin)<br />

● gewerbliche Stoffe<br />

– Schwermetalle (Quecksilber, Blei, Arsen)<br />

– Lösungsmittel ( Aminobenzole, Nitrobenzole)<br />

– an<strong>der</strong>e (Kohlenmonoxid, Fluor-, Schwefel-, Tetrachlorkohlenstoffverbindungen)<br />

● Sucht- und Genussmittel<br />

– Kokain, Heroin, Tabak, Alkohol<br />

● Viren- o<strong>der</strong> Bakterientoxine<br />

– Bakterientoxine (Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken, Haemophilus)<br />

bei: Otitis media, Meningitis, Scharlach, Sepsis, Lues<br />

– Virusinfektionen: Mumps, Masern, Röteln, Influenza, HIV, Zytomegalie<br />

● metabolische Ursachen<br />

– Vitamin-B12-Mangel, Hyperlipidämie, Folsäuremangel<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 441


MEDIZIN<br />

nen. Symptomatisch kommt eine Hörsystemversorgung<br />

ab einem Hörschwellenverlust von 30 dB in den Sprachfrequenzen<br />

in Frage. Bei hochgradigen <strong>Schwerhörigkeit</strong>en<br />

im Alter mit weitgehendem Verlust des Sprachverständnisses<br />

sind Cochlea-Implantate indiziert.<br />

Gewerblich bedingte <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Unter den anerkannten Berufskrankheiten ist die Lärmschwerhörigkeit<br />

mit 40 % die häufigste Berufserkrankung<br />

überhaupt (e6). Für die Entstehung ist <strong>der</strong> Energieeintrag<br />

in das Innenohr entscheidend, dass heißt die Zeitdauer<br />

und Intensität. In <strong>der</strong> Regel entsteht die <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

nach langjähriger Exposition von Lärm mit einem Pegel<br />

von mindestens 85 dB über acht Stunden. Die Schädigung<br />

<strong>der</strong> äußeren Haarzellen beginnt charakteristisch im Bereich<br />

von 4 kHz (C5-Senke im Reintonaudiogramm) (21).<br />

Eine weitere Form <strong>der</strong> chronisch bedingten <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

ist die chronisch-toxisch bedingte gewerbliche<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>. Hier sind Schwermetalle, Benzole<br />

und Kohlenstoffverbindungen zu nennen, die nach<br />

jahrelanger Expositionszeit zur <strong>Schwerhörigkeit</strong> führen<br />

können. Dabei ist in <strong>der</strong> Regel ein symmetrischer Anstieg<br />

<strong>der</strong> Hörschwelle charakteristisch (Kasten 2).<br />

Neurale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Hierunter werden alle durch den Hörnerv – einschließlich<br />

seiner Synapsen – bedingten <strong>Schwerhörigkeit</strong>sformen<br />

zusammengefasst. Ursachen sind vor allem Tumore<br />

(Meningeom, Chordom, Chondrosarkom) o<strong>der</strong> entzündlich<br />

bedingte Destruktionen des Felsenbeines<br />

(Cholesteringranulom, Cholesteatom).<br />

Mit einer Inzidenz von 1,74 pro 100 000 Einwohner<br />

ist das Akustikusneurinom (Synonym: Vestibularisschwannom)<br />

die häufigste Ursache <strong>der</strong> neuralen<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong> (e7). Bei einem einseitigen permanenten<br />

Abfall <strong>der</strong> Knochenleitungskurve im Reintonaudiogramm<br />

ohne erkennbare Ursache sind deshalb die Ableitung<br />

<strong>der</strong> Hirnstammpotenziale (BERA) und ein MRT<br />

mit Kontrastmittelgabe indiziert. Die Therapieentscheidung<br />

wird heute interdisziplinär getroffen, wobei neben<br />

einer operativen Entfernung die Radiatio und die engmaschige<br />

Observation – bestehend aus MRT, Hör- und<br />

Gleichgewichtsdiagnostik – in Betracht kommen.<br />

Eine Son<strong>der</strong>form neuraler <strong>Schwerhörigkeit</strong>en ist die<br />

auditorische Synaptopathie/Neuropathie, die als Teil einer<br />

generalisierten Neuropathie o<strong>der</strong> auch isoliert auftritt<br />

und die Synapsen <strong>der</strong> inneren Haarzellen betrifft.<br />

Es kommt hier zu Störungen <strong>der</strong> zeitlichen Verarbeitung<br />

bis hin zum Erregungsleitungsblock (22).<br />

Gewerblich bedingte <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Unter den anerkannten Berufskrankheiten ist die<br />

Lärmschwerhörigkeit mit 40 % die häufigste Berufserkrankung.<br />

Zentrale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Entlang <strong>der</strong> Hörbahn erfolgt die Verarbeitung und Codierung<br />

des ursprünglich akustischen Signals auf verschiedenen<br />

Ebenen. Je höher die Störung lokalisiert ist,<br />

desto komplexer werden die Hörfunktionen, wie das<br />

Erkennen von bestimmten Signalen im Störgeräusch,<br />

die Verarbeitung von simultanen Sprachsignalen o<strong>der</strong><br />

das Erkennen von Klangfarben.<br />

Beim Erwachsenen sind zentrale <strong>Schwerhörigkeit</strong>en<br />

im Rahmen von traumatischen Ausfällen <strong>der</strong> Hörbahn<br />

und Hörzentren, Infarkten o<strong>der</strong> raumfor<strong>der</strong>nden<br />

Prozessen (Tumor, Blutungen) beziehungsweise entzündlichen<br />

Prozessen möglich. Bulboponine Hörstörungen<br />

gehen meist mit zentralem Schwindel, Ataxie<br />

und an<strong>der</strong>er neurologischer Hirnstammsymptomatik<br />

einher. Der Nachweis gelingt durch Hirnstammaudiometrie<br />

mit Messung <strong>der</strong> mittleren Potenziale. Bei<br />

mesenzephalen Hörstörungen (etwa bei Multipler<br />

Sklerose) steht die neurologische Symptomatik mit<br />

motorischen und sensiblen Ausfällen im Vor<strong>der</strong>grund,<br />

während sich Parakusis (falsche akustische<br />

Wahrnehmung) und Diplakusis (Doppeltonhören)<br />

erst durch eine gezielte Anamnese erkennen lassen<br />

(23). In funktionellen Tests können weiterhin das<br />

Richtungshören und die schnelle Spracherkennung<br />

pathologisch sein.<br />

Eine Son<strong>der</strong>form <strong>der</strong> zentralen <strong>Schwerhörigkeit</strong> ist<br />

die im Schulalter anzutreffende auditive Verarbeitungs-<br />

und Wahrnehmungsstörung (AVWS). Es handelt<br />

sich dabei um eine Schwäche in <strong>der</strong> zentralen,<br />

modalitätsspezifischen auditiven Verarbeitung. Umstritten<br />

ist, ob diese Störung lediglich als eine Komorbidität<br />

bei Entwicklungsstörungen, Intelligenzmin<strong>der</strong>ungen,<br />

multimodalen Perzeptionsstörungen<br />

und Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen auftritt<br />

o<strong>der</strong> eine eigenständige Entität darstellt (24). Die<br />

Behandlung besteht in einer interdisziplinären Therapie<br />

mit gezieltem Training <strong>der</strong> auditiven Funktionsstörungen.<br />

Interessenkonflikt<br />

Prof. Zahnert erhielt Reisekostenunterstützung bei Vorträgen und Workshops<br />

sowie Honorare für wissenschaftliche Vortragstätigkeit von den Firmen Med-El<br />

Deutschland, Cochlear GmbH, ATOS, MIP Pharma GmbH, Merck Pharma<br />

GmbH, HNO-Update GmbH. Es bestehen Beratertätigkeiten und wissenschaftliche<br />

Kooperationen mit den Firmen Kurz-Medizintechnik GmbH, Med-El, Cochlear<br />

GmbH, Omega Consulting GmbH mit <strong>der</strong> Unterstützung von Drittmittel-<br />

projekten. Prof. Zahnert unterhält 11 Patentanmeldungen zu Mittelohrimplantaten<br />

und implantierbaren Hörssystemen.<br />

Manuskriptdaten<br />

eingereicht: 26. 1. 2011, revidierte Fassung angenommen: 17. 5. 2011<br />

Neurale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Hierunter werden alle durch den Hörnerv bedingten<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>sformen zusammengefasst.<br />

Ursachen sind vor allem Tumore o<strong>der</strong> entzündlich<br />

bedingte Destruktionen des Felsenbeines.<br />

442 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011


LITERATUR<br />

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24. Nickisch A, et al.: Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsleistungen.<br />

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Anschrift des Verfassers<br />

Prof. Dr. med. habil. Dr. h. c. Thomas Zahnert<br />

Universitäts-HNO-Klinik Dresden<br />

Fetscherstraße 74<br />

01307 Dresden<br />

Thomas.Zahnert@uniklinikum-dresden.de<br />

SUMMARY<br />

The Differential Diagnosis of Hearing Loss<br />

Background: According to the World Health Organization, hearing loss is<br />

one of the six leading contributors to the global burden of disease. It is<br />

becoming an ever more important problem in society at large, not just<br />

because the population is aging, but also because young people increasingly<br />

spend their leisure time in activities involving excessive exposure<br />

to noise. On the other hand, the treatment of hearing loss is improving<br />

as the result of technical developments in otological surgery, hearing<br />

aids, and cochlear implants; for nearly every type of hearing loss, there<br />

is now some type of rehabilitative treatment. The prerequisite to effective<br />

care is a timely and accurate diagnosis.<br />

Method: Review of pertinent literature and national guidelines.<br />

Results and Conclusion: The available epidemiological data on hearing<br />

loss in Germany are inadequate. It is roughly estimated that 13 to 14<br />

million people in Germany are in need of treatment for hearing loss. The<br />

most common types of permanent hearing loss are those associated<br />

with old age, chronic otitis media, and acoustic trauma. Transient hearing<br />

loss is particularly common in childhood as a result of inadequate<br />

ventilation of the middle ear. The further technical development of cochlear<br />

implants has now widened their indications to include severe congenital<br />

deafness and presbycusis.<br />

Zitierweise<br />

Zahnert T: The differential diagnosis of hearing loss. Dtsch Arztebl Int 2011;<br />

108(25): 433–44. DOI: 10.3238/arztebl.2011.0433<br />

@ Mit<br />

„e“ gekennzeichnete Literatur:<br />

www.aerzteblatt.de/lit2511<br />

The English version of this article is available online:<br />

www.aerzteblatt-international.de<br />

Weitere Informationen zu cme<br />

MEDIZIN<br />

Dieser Beitrag wurde von <strong>der</strong> Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- und<br />

Weiterbildung zertifiziert. Die erworbenen Fortbildungspunkte können mit Hilfe<br />

<strong>der</strong> Einheitlichen Fortbildungsnummer (EFN) verwaltet werden.<br />

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steht auf dem Fortbildungsausweis.<br />

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möglich: cme.aerzteblatt.de. Einsendeschluss ist <strong>der</strong> 5. 8. 2011.<br />

Einsendungen, die per Brief o<strong>der</strong> Fax erfolgen, können nicht berücksichtigt werden.<br />

Die Lösungen zu dieser cme-Einheit werden in Heft 33/2011 an dieser Stelle<br />

veröffentlicht.<br />

Die cme-Einheit „Aktuelle Schrittmacher- und Defibrillatortherapie“ (Heft 21/2011)<br />

kann noch bis zum 8. 7. 2011 bearbeitet werden.<br />

Für Heft 28–29/2011 ist das Thema „Kontrazeption“ vorgesehen.<br />

Lösungen zur cme-Einheit in Heft 17/2011:<br />

Bufler P, et al.: Chronische Bauchschmerzen bei Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen<br />

Lösungen: 1b, 2a, 3a, 4c, 5d, 6c, 7a, 8e, 9d, 10c<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 443


MEDIZIN<br />

Bitte beantworten Sie folgende Fragen für die Teilnahme an <strong>der</strong> zertifizierten Fortbildung. Pro Frage<br />

ist nur eine Antwort möglich. Bitte entscheiden Sie sich für die am ehesten zutreffende Antwort.<br />

Frage Nr. 1<br />

Zu welcher Form <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong> können<br />

Trommelfelldefekte führen?<br />

a) Schallleitungsschwerhörigkeit<br />

b) Schalllempfindungsschwerhörigkeit<br />

c) sensorische <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

d) zentrale <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

e) auditive Verarbeitungs-Wahrnehmungsstörung<br />

Frage Nr. 2<br />

Was ist die häufigste Form passagerer<br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong>en im Kindesalter?<br />

a) akute Otitis media purulenta<br />

b) Mittelohrfehlbildung<br />

c) Otosklerose<br />

d) Paukenerguss<br />

e) chronische Otitis media<br />

Frage Nr. 3<br />

Welche <strong>der</strong> genannten Medikamentengruppen<br />

wirkt nicht ototoxisch?<br />

a) Schleifendiuretika<br />

b) Zytostatika<br />

c) Salizylate<br />

d) Kortikoide<br />

e) Aminoglykoside<br />

Frage Nr. 4<br />

Was ist das häufigste Ergebnis <strong>der</strong> Ursachenforschung<br />

eines Hörsturzes?<br />

a) eine lokale Ohrenerkrankung<br />

b) eine Virusinfektion<br />

c) eine Herz-Kreislauf-Erkrankung<br />

d) ein Akustikusneurinom<br />

e) keins<br />

Frage Nr. 5<br />

Welche Tonfrequenz ist bei einer beginnenden<br />

Lärmschwerhörigkeit beson<strong>der</strong>s betroffen?<br />

a) 500 Hz<br />

b) 1 kHz<br />

c) 8 kHz<br />

d) 4 kHz<br />

e) 15 kHz<br />

Frage Nr. 6<br />

Ab welchem Alter beträgt die Inzidenz für eine Presbyakusis 40 Prozent?<br />

a) ab dem 25. Lebensjahr<br />

b) ab dem 35. Lebensjahr<br />

c) ab dem 45. Lebensjahr<br />

d) ab dem 55. Lebensjahr<br />

e) ab dem 65. Lebensjahr<br />

Frage Nr. 7<br />

Welche Diagnose ist mit einer zentralen <strong>Schwerhörigkeit</strong> assoziiert?<br />

a) Morbus Meniére<br />

b) Otosklerose<br />

c) auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung<br />

d) Akustikusneurinom<br />

e) Presbyakusis<br />

Frage Nr. 8<br />

Bei einem Patienten zeigt sich im Reintonaudiogramm ein<br />

mittlerer Hörverlust von 30 dB. Er klagt über Hörschwierigkeiten und dass<br />

er Gespräche o<strong>der</strong> Ansprachen nicht richtig verstehen kann, wenn sie weiter<br />

als 1 Meter entfernt sind.<br />

Wie hoch ist nach <strong>der</strong> Einteilung <strong>der</strong> WHO <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> <strong>Schwerhörigkeit</strong>?<br />

a) Grad 0, normalhörig<br />

b) Grad 1, geringradige <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

c) Grad 2, mittelgradige <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

d) Grad 3, hochgradige <strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

e) Grad 4, Hörreste o<strong>der</strong> Taubheit<br />

Frage Nr. 9<br />

In welcher Zeitspanne sollte das Neugeborenenhörscreening<br />

durchgeführt werden?<br />

a) innerhalb <strong>der</strong> ersten 30 Lebenstage<br />

b) innerhalb <strong>der</strong> ersten drei Lebenstage<br />

c) innerhalb <strong>der</strong> ersten sieben Lebenstage<br />

d) innerhalb des ersten Lebenstages<br />

e) innerhalb <strong>der</strong> ersten 14 Lebenstage<br />

Frage Nr. 10<br />

In welchem Zeitraum sind angeborene <strong>Schwerhörigkeit</strong>en<br />

häufig progredient?<br />

a) innerhalb <strong>der</strong> ersten sechs Lebensmonate<br />

b) innerhalb <strong>der</strong> zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres<br />

c) zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr<br />

d) zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr<br />

e) zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr<br />

444 Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011


<strong>Differenzialdiagnose</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schwerhörigkeit</strong><br />

Thomas Zahnert<br />

eLITERATUR<br />

e1. Dai C, Gan RZ: Change of middle ear transfer function in otitis<br />

media with effusion model of guinea pigs, Hearing Research<br />

2008; 243: 78–86.<br />

e2. Karosi T, Sziklai I: Etiopathogenesis of otosclerosis. Eur Arch Otorhinolaryngol<br />

2010; 267: 1337–49.<br />

e3. Walch C, Moser M, An<strong>der</strong>huber W, Köle W: 91 dB hearing<br />

loss—the threshold for a cochlear implant? HNO 2000; 48:<br />

828–31.<br />

e4. Probst R: Innenohr und retrocochleäre Störungen. In: Probst R,<br />

Grevers G, Iro H (eds): Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, 3. Aufl.<br />

Stuttgart: Thieme 2008; 240.<br />

e5. Suckfüll M: Perspectives on the pathophysiology and treatment of<br />

sudden idiopathic sensorineural hearing loss. Dtsch Arztebl Int<br />

2009; 106(41): 669–76.<br />

e6. Feldmann H: Das Gutachten des HNO-Arztes: Stuttgart, New York:<br />

Thieme 2006; 178.<br />

e7. Tos M, Stangerup SE, Caye-Thomasen P, Tos T, Thomsen J: What<br />

is the real incidence of vestibular schwannoma? Achives of Otolaryngology<br />

2004; 130: 216–20.<br />

MEDIZIN<br />

3<br />

Punkte<br />

cme<br />

Teilnahme nur im<br />

Internet möglich:<br />

aerzteblatt.de/cme<br />

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 108 | Heft 25 | 24. Juni 2011 13

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