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Kernenergie für die Schweiz - Nuklearforum Schweiz

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<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Quellenmaterial mit Texten, Bildern und Grafiken<br />

<strong>für</strong> Präsentationen zur <strong>Kernenergie</strong>diskussion<br />

4. aktualisierte Auflage<br />

August 2010


<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Zusätzliche Informationen mit vielen weiterführenden Links zu Themen rund um <strong>die</strong><br />

<strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> finden sich auf den Internet-Portalen<br />

www.nuklearforum.ch<br />

www.nuclearplanet.ch<br />

www.kernenergie.ch<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Konsumstrasse 20<br />

3000 Bern 14<br />

Telefon: 031 560 36 50<br />

Telefax: 031 560 36 59<br />

E-Mail: info@nuklearforum.ch<br />

Internet: www.nuklearforum.ch<br />

4. aktualisierte Auflage<br />

© 2010 <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Titelseite: Kernkraftwerk Gösgen (Foto: swissnuclear)


Editorial<br />

Fakten und Daten zur <strong>Kernenergie</strong>diskussion in der <strong>Schweiz</strong><br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Nach Jahren relativer Ruhe hat in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> Diskussion über <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />

wieder an Intensität zugenommen. Auslöser ist <strong>die</strong> Stromversorgungslücke, <strong>die</strong> sich im<br />

kommenden Jahrzehnt öffnen wird. Ab 2020 nähern sich <strong>die</strong> drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke<br />

Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg dem Ende ihrer wirtschaftlichen<br />

Betriebsdauer und müssen ersetzt werden. Gleichzeitig werden auch <strong>die</strong> Lieferverträge<br />

mit Frankreich nach und nach auslaufen und der Stromverbrauch steigt weiter an.<br />

Die vorliegende, gegenüber der dritten Auflage aktualisierte Publikation zeigt anhand<br />

von Daten und Fakten auf, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> auch künftig einen wesentlichen Beitrag<br />

zur Stromversorgung leisten kann und dass sie im Verbund mit der Wasserkraft <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> bis auf Weiteres <strong>die</strong> beste Lösung zum Vermeiden der drohenden Stromlücke<br />

darstellt.<br />

Der Text ist modular aufgebaut und eignet sich zum Nachschlagen wie auch als Basis <strong>für</strong><br />

Präsentationen vor einem interessierten Publikum. Die Broschüre steht auf der Website<br />

des <strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> zum Herunterladen bereit. Die Grafiken im Power-Point-<br />

Format sowie eine Sammlung von Bildern können unter Angabe des Verwendungszweckes<br />

bei der Geschäftsstelle des <strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> unentgeltlich angefordert werden.<br />

Die Kontaktadresse finden Sie im nebenstehenden Impressum.<br />

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.<br />

Roland Bilang<br />

Geschäftsführer <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

3<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


4<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Inhalt<br />

Kernbotschaften 7<br />

Teil 1: Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 9<br />

Rund 40 % Atomstrom <strong>für</strong> eine zuverlässige Versorgung rund um <strong>die</strong> Uhr 9<br />

Strom genau dann erzeugen, wenn er gebraucht wird 9<br />

Die Nachfrage nach Strom steigt weiter an 11<br />

Die Produktionslücke ist bereits Realität 11<br />

Die Versorgungslücke wird grösser 13<br />

Der Bundesrat setzt auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> 13<br />

Teil 2: Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 15<br />

Zuverlässige <strong>Schweiz</strong>er Atomstromproduktion 15<br />

Nutzen <strong>für</strong> alle 15<br />

Technisch begrenzte Betriebsdauer 15<br />

<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis 17<br />

Kernkraftwerke erhalten keine Subventionen 17<br />

Grosser Nutzen aus der Anschubförderung 17<br />

Die Entsorgung der Abfälle ist vorfinanziert 19<br />

Teil 3: Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong> 21<br />

Kernkraftwerke schonen <strong>die</strong> Ressourcen der Erde 21<br />

Hohe Versorgungssicherheit mit Uran 21<br />

Die Uranreserven der Erde reichen noch sehr lange 23<br />

Uranerz kann auch bei geringer Konzentration abgebaut werden 23<br />

Uranpreis hat geringen Einfluss auf <strong>die</strong> Strompreise 25<br />

Kernkraftwerke schonen Umwelt und Klima 25<br />

Umweltfreundlicher <strong>Schweiz</strong>er Strommix 27<br />

<strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffreserven der Erde 27<br />

Wenig Luftschadstoffe und sehr geringer Landverbrauch 27<br />

Teil 4: Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong> 29<br />

Radioaktivität – ein natürliches Phänomen 29<br />

Radioaktive Abfälle sind unvermeidlich 29<br />

Geringe Abfallmengen 29<br />

Langzeitlagerung tief in der Erde 31<br />

Zwischenlagerung in Würenlingen 31<br />

Recycling durch Wiederaufarbeitung 31<br />

Sichere Transporte 31<br />

Recycling-Moratorium <strong>für</strong> zehn Jahre 33<br />

Fortschritte bei der Endlagerung 33<br />

Opalinuston: ein sicherer Wert seit 180 Millionen Jahren 35


Entsorgung: Lösung ist unabhängig von der Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> 35<br />

Sachplan <strong>für</strong> Standortwahl 35<br />

Verfahren zur Standortwahl ist angelaufen 37<br />

Aufgabe der heutigen Generation 38<br />

Sicherheit: Vorsorge <strong>für</strong> den schlimmsten anzunehmenden Fall 38<br />

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand 40<br />

Geschützt gegen Terrorangriffe 40<br />

Geschützt gegen starke Erdbeben 40<br />

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends 40<br />

Haftpflicht: Gesetzesrevision in der <strong>Schweiz</strong> 41<br />

Kernkraftwerke sind keine Atombomben 41<br />

Kernkraftwerke sind keine Bombenfabriken 41<br />

Teil 5: Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> 43<br />

Weltweit stammt ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken 43<br />

Der globale Energiehunger nimmt zu 43<br />

Klima: Die <strong>Kernenergie</strong> ist Teil der Lösung 43<br />

Russland und Asien setzen auf <strong>Kernenergie</strong> 45<br />

USA: zahlreiche Baugesuche eingereicht 45<br />

Neubauten und Neubaupläne in Europa 45<br />

EU-Parlament: <strong>Kernenergie</strong> unverzichtbar 45<br />

Die Kernkraftwerke der dritten Generation stehen bereit 47<br />

Dritte Generation: effizienter, wirtschaftlicher und noch sicherer 47<br />

Passive Sicherheitssysteme 49<br />

Anbieter in aller Welt 49<br />

Vierte Generation und Kernfusion: heute noch Zukunftsmusik 51<br />

Teil 6: Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> 53<br />

Wir werden alle Technologien benötigen 53<br />

Die vier Pfeiler der <strong>Schweiz</strong>er Energiepolitik 53<br />

Erneuerbare Energien: stark im Gespräch... 55<br />

... aber zu wenig und nicht bedarfsgerecht 55<br />

Optimaler <strong>Schweiz</strong>er Strommix 57<br />

Importe sind keine Lösung 57<br />

Die Szenarien der Energieperspektiven 59<br />

<strong>Kernenergie</strong> ist <strong>die</strong> günstigste und umweltfreundlichste Lösung 61<br />

Die Versorgungslücke aus Sicht der Stromversorger 63<br />

Der Vorschlag der Stromwirtschaft 63<br />

Neue Kernkraftwerke an bestehenden Standorten 64<br />

Hybridkühltum: geringe Höhe und kaum Nebelschwaden 64<br />

Das Volk hat das letzte Wort 65<br />

Der Fahrplan des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rahmenbewilligungsgesuche 65<br />

Entscheid von grösster Tragweite 66<br />

Schlusswort 67<br />

5<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


Kernbotschaften<br />

Die Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong> bedeutet<br />

• hohe Versorgungssicherheit bei geringer Auslandsabhängigkeit<br />

• im Verbund mit den erneuerbaren Energien eine sehr umweltfreundliche<br />

Stromproduktion<br />

• Wettbewerbsvorteile <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirtschaft durch berechenbare<br />

Strompreise.<br />

Wir wollen eine ausreichende, zuverlässige, wirtschaftliche und umweltschonende<br />

Landesversorgung mit Strom. Die heutige schweizerische<br />

Stromproduktion entspricht weitgehend <strong>die</strong>sen Anforderungen.<br />

Anders als andere Länder hat <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit rund 60 % Wasserstrom<br />

und 40 % Atomstrom einen optimalen Strommix – auch und gerade<br />

bei Einbezug der Klimafrage. Jede wesentliche Änderung des Strommixes<br />

bedeutet unter den heutigen technischen Voraussetzungen eine<br />

Verschlechterung des Ist-Zustandes.<br />

Wir sollten daher in den kommenden Jahren weiterhin auf <strong>die</strong>sen bewährten<br />

Strommix setzen. Die nötigen Technologien sind vorhanden<br />

und werden laufend weiter verbessert.<br />

7<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


8<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 1.1<br />

Megawatt<br />

Abb. 1.2<br />

10 000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

Kernkraftwerke<br />

Quelle:<br />

Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Energie,<br />

Elektrizitätsstatistik<br />

2009<br />

<strong>Schweiz</strong>er Produktionsmix 2009<br />

Konventionell-thermische und andere Kraftwerke<br />

39,3%<br />

4,9%<br />

24,2%<br />

31,6%<br />

Laufkraftwerke<br />

Speicherkraftwerke<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er Stromproduktion ist weitgehend CO 2-frei<br />

Tagesverlauf der Stromproduktion<br />

Speicherkraftwerke<br />

Laufkraftwerke<br />

Kernkraftwerke<br />

0<br />

0h 4h 8h 12h<br />

Tageszeit<br />

16h 20h 24h<br />

Konventionellthermische<br />

und<br />

andere Kraftwerke<br />

Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Elektrizitätsunternehmen (VSE)<br />

Die Stromproduktion richtet sich nach dem Bedarf der Stromkonsumenten<br />

Abb. 1.3 Verbrauchsspitze am Abend: Das Stromnetz muss immer im Gleichgewicht bleiben.<br />

Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>


Teil 1<br />

Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Rund 40 % Atomstrom <strong>für</strong> eine zuverlässige Versorgung rund um <strong>die</strong> Uhr<br />

In der <strong>Schweiz</strong> stammt der Strom heute zu rund 55 % aus Wasserkraftwerken und zu<br />

rund 40 % aus Kernkraftwerken. Der übrige Strom stammt zum grössten Teil aus Kehrichtverbrennungsanlagen.<br />

Die neuen erneuerbaren Energien Wind, Sonne, Biogas und<br />

Biomasse liefern dagegen gegenwärtig nur rund 0,6 % Prozent des <strong>Schweiz</strong>er Stroms<br />

(siehe Abb. 2.8).<br />

Der heutige <strong>Schweiz</strong>er Produktionsmix schont <strong>die</strong> Umwelt, erzeugt kaum CO2 und ist<br />

wirtschaftlich.<br />

Abb. 1.1: <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />

Strom genau dann erzeugen, wenn er gebraucht wird<br />

Elektrischer Strom kann nicht gelagert werden. Er muss genau dann produziert und ins<br />

Netz eingespeist werden, wenn wir Stromkonsumenten ihn verbrauchen. Die Stromnachfrage<br />

ist jedoch nicht konstant, sondern schwankt erheblich: In der Nacht ist sie am<br />

geringsten und kurz vor Mittag und am frühen Abend am höchsten. Wenn zuwenig oder<br />

zuviel Kraftwerksleistung am Netz ist, gerät <strong>die</strong> Stromversorgung aus dem Gleich gewicht<br />

– es droht ein Netzzusammenbruch.<br />

Abb. 1.2: Tagesverlauf der Stromproduktion<br />

Die Stromversorger lösen <strong>die</strong>se Aufgabe mit einem Produktionsmix: Die Kernkraftwerke<br />

liefern rund um <strong>die</strong> Uhr <strong>die</strong> sogenannte Grundlast, ergänzt um <strong>die</strong> Stromproduktion<br />

der Laufkraftwerke an den grossen Flüssen. Die Speicherkraftwerke in den Bergen decken<br />

ihrerseits <strong>die</strong> kurzzeitigen Verbrauchsschwankungen ab, da sie schnell an- und abgeschaltet<br />

werden können.<br />

Mit dem heutigen Strommix aus Kernkraftwerken und Wasserkraftwerken können <strong>die</strong><br />

Stromversorger <strong>die</strong> täglichen und jahreszeitlichen Verbrauchsschwankungen aus gleichen.<br />

Das optimale Zusammenspiel von Wasser- und Kernkraftwerken stellt sicher, dass im<br />

Sommer wie im Winter und rund um <strong>die</strong> Uhr immer genügend Strom vorhanden ist – bei<br />

der Arbeit von früh bis spät, aber auch beim Kochen am Mittag und beim Fernsehen am<br />

Abend.<br />

Abb. 1.3: Verbrauchsspitze am Abend<br />

9<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


10<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Milliarden Kilowattstunden<br />

Abb. 1.4<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Stromerzeugung und Landesverbrauch seit 1950<br />

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2009<br />

Landesverbrauch<br />

Speicherkraftwerke<br />

Laufkraftwerke<br />

Kernkraftwerke<br />

Konventionellthermische<br />

und<br />

andere Kraftwerke<br />

Quelle:<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Energie,<br />

Elektrizitätsstatistik 2009<br />

Der Stromverbrauch steigt an, trotz den Bemühungen zur Energieeffizienz<br />

Stromnachfrage in der <strong>Schweiz</strong> in den vergangenen Jahren<br />

Der Stromverbrauch<br />

der <strong>Schweiz</strong> steigt im<br />

Mittel um rund 1,5<br />

Prozent pro Jahr<br />

Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Elektrizitätsunternehmen (VSE)<br />

Abb. 1.5<br />

Milliarden Kilowattstunden<br />

pro Monat<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Abb. 1.6<br />

Milliarden Kilowattstunden<br />

6,5<br />

6,0<br />

5,5<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez<br />

Jahresverlauf der Stromerzeugung in der <strong>Schweiz</strong> 2006 bis 2009<br />

Import<br />

O N D J F M A M<br />

Export<br />

Import<br />

Export<br />

Import<br />

Export<br />

J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D<br />

Winter Sommer Winter Sommer Winter Sommer<br />

2006/07 2007 2007/08 2008 2008/09 2009<br />

Winter<br />

2009/10<br />

Speicherkraftwerke<br />

2009<br />

2008<br />

2007<br />

2006<br />

2005<br />

2004<br />

2003<br />

2002<br />

2001<br />

2000<br />

Landesverbrauch<br />

der <strong>Schweiz</strong><br />

Laufkraftwerke<br />

Kernkraftwerke<br />

Konventionellthermische<br />

und<br />

andere Kraftwerke<br />

Quelle: Bundesamt<br />

<strong>für</strong> Energie<br />

Im Winter verbraucht <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> bereits heute mehr Strom als sie produziert


Teil 1 Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Die Nachfrage nach Strom steigt weiter an<br />

Wir brauchen immer mehr Strom, trotz jahrzehntelanger und erfolgreicher Bemühungen,<br />

<strong>die</strong> Energieeffizienz zu erhöhen.<br />

Abb. 1.4: Stromerzeugung und Landesverbrauch seit 1950<br />

Ein Grund da<strong>für</strong> ist das Wirtschaftswachstum. Die Erfahrung der Jahre von 1970 bis<br />

heute zeigt: Ein um 1 % höheres Bruttosozialprodukt bedeutet im Mittel eine Zunahme<br />

des Stromverbrauchs um 1,5 %. Weitere Gründe sind:<br />

• <strong>die</strong> wachsende Wohnbevölkerung der <strong>Schweiz</strong>:<br />

1950: 4,7 Mio. Einwohner<br />

1970: 6,2 Mio. Einwohner<br />

1990: 6,7 Mio. Einwohner<br />

2010: 7,8 Mio. Einwohner<br />

• <strong>die</strong> zunehmende Wohnfläche pro Einwohner und <strong>die</strong> wachsende Zahl von Ein-Personen-Haushalten<br />

• <strong>die</strong> immer grössere Verbreitung von elektrischen Geräten am Arbeitsplatz und im<br />

Haushalt<br />

• Massnahmen zur Einsparung fossiler Energien.<br />

Abb. 1.5: Veränderungen beim Stromverbrauch<br />

Eine drastische Erhöhung der Strompreise könnte den Verbrauchszuwachs vielleicht<br />

etwas dämpfen. Sicherlich hätte eine massive Stromverteuerung jedoch negative Folgen<br />

<strong>für</strong> unsere Wirtschaft, da viele Betriebe weder massiv Strom sparen können noch Alternativen<br />

zum Stromeinsatz haben. Zudem würde der umweltpolitisch erwünschte Ersatz<br />

von Erdöl und Erdgas durch CO2-arme Energien massiv behindert, da <strong>die</strong>s häufig einen<br />

Mehrverbrauch an Strom zur Folge hat, zum Beispiel bei Wärmepumpen und durch den<br />

Ausbau des öffentlichen Verkehrs.<br />

Strom ist unsere Schlüsselenergie. Wir müssen haushälterisch mit ihr umgehen, müssen<br />

aber da<strong>für</strong> sorgen, dass immer genügend davon vorhanden ist.<br />

Die Produktionslücke ist bereits Realität<br />

Der Stromverbrauch steigt unablässig an – in den letzten zehn Jahren hat er um zehn<br />

Prozent zugenommen. Im Gegensatz dazu wurde aber seit der Inbetriebnahme des<br />

Kernkraftwerks Leibstadt im Jahr 1984 in der <strong>Schweiz</strong> kein grosses Kraftwerk mehr gebaut.<br />

Nach dem Verzicht auf das Kernkraftwerk Kaiseraugst wurden Strombezugsrechte<br />

aus dem französischen Kernkraftwerkpark im Produktionsumfang von zwei grossen<br />

Kernkraftwerken erworben. Als Folge des Kaiseraugst-Verzichts kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> ihren<br />

Stromkonsum in den Winterhalbjahren nur noch dank Importen aus dem Ausland<br />

decken. In den Jahren 2005 und 2006 musste <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> sogar erstmals seit 1910 auch<br />

übers ganze Jahr betrachtet mehr Strom importieren, als sie exportierte.<br />

Abb. 1.6: Jahresverlauf der Stromerzeugung in der <strong>Schweiz</strong><br />

Im Winterhalbjahr, wenn <strong>die</strong> Flüsse wenig Wasser führen und <strong>die</strong> Stromnachfrage höher<br />

ist, steigt der Atomstromanteil an der <strong>Schweiz</strong>er Produktion sogar auf bis 50 %. Im Winter<br />

decken <strong>die</strong> Stromimporte inzwischen bis zu 20 % des Landesverbrauchs. Dieser Strom<br />

stammt einerseits ebenfalls aus Kernkraftwerken, andererseits aber auch aus Kohlekraftwerken.<br />

Die Produktionslücke ist bereits heute Realität.<br />

11<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


12<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Milliarden Kilowattstunden<br />

im Winterhalbjahr<br />

Abb. 1.7<br />

Energieverbrauch in Petajoule<br />

Abb. 1.8<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Vorschau der Stromwirtschaft <strong>für</strong> das Winterhalbjahr 2050<br />

Importverträge<br />

mit Frankreich<br />

bestehende Kernkraftwerke<br />

Wasserkraftwerke<br />

?<br />

Produktionslücke<br />

2009/10 2019/20 2029/30<br />

Winterhalbjahr<br />

2039/40 2049/50<br />

Landesverbrauch Winter hoch<br />

Landesverbrauch Winter tief<br />

Zusätzliche erneuerbare Energien<br />

(ohne grosse Wasserkraftwerke)<br />

kleinere konventionellthermische<br />

Kraftwerke<br />

Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Elektrizitätsunternehmen (VSE),<br />

Update 2009 zur «Vorschau 2006»<br />

In wenigen Jahren öffnet sich eine immer grösser werdende Produktionslücke<br />

Szenarien der «Energieperspektiven 2035» des Bundes<br />

900<br />

800<br />

Szenario I<br />

Szenario II<br />

700<br />

Szenario III<br />

600<br />

Szenario IV<br />

500<br />

Energieverbrauch<br />

400<br />

insgesamt<br />

300<br />

Szenario I<br />

200<br />

Szenario II<br />

Szenario III<br />

100<br />

Elektrizität<br />

Szenario IV<br />

0<br />

Quelle: Bundesamt<br />

1950 60 70 80<br />

Jahr<br />

90 2000 2010 20<br />

Jahr<br />

30 2035<br />

<strong>für</strong> Energie, Energieperspektiven<br />

2035,<br />

Januar 2007<br />

Strom lässt sich kaum durch andere Energieträger ersetzen


Teil 1 Das Umfeld der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Die Versorgungslücke wird grösser<br />

Spätestens ab 2020 öffnet sich in der <strong>Schweiz</strong> eine massive Stromversorgungslücke. Der<br />

Verbrauch wird weiter ansteigen, nicht zuletzt wegen der steigenden Preise der fossilen<br />

Energieträger und ihrer Substitution durch Strom im Zeichen der Energieeffizienz. Die<br />

drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg nähern sich ab<br />

2020 dem Ende ihrer wirtschaftlichen Betriebsdauer. Gleichzeitig laufen auch <strong>die</strong> Lieferverträge<br />

mit Frankreich nach und nach aus, und <strong>die</strong> neuen Wettbewerbsregeln in der EU<br />

verhindern, dass <strong>die</strong>se Verträge erneuert werden können. Schliesslich werden bis dahin<br />

– trotz zahlreicher Fördermassnahmen – keine neuartigen Stromproduktionstechnologien<br />

zur Verfügung stehen, <strong>die</strong> industriell erprobt und damit in grossem Stil einsetzbar<br />

sind. Die drohende Versorgungslücke kann im Inland nur durch neue Kern- oder Gaskraftwerke<br />

geschlossen werden.<br />

Abb. 1.7: Vorschau der Stromwirtschaft <strong>für</strong> das Winterhalbjahr bis 2050<br />

Der Bundesrat setzt auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />

Die Energieperspektiven des Bundes sagen eine Stromlücke voraus, <strong>die</strong> mit neuen Kraftwerken<br />

geschlossen werden muss. Daran ändern auch <strong>die</strong> verschiedenen Verbrauchsszenarien<br />

nichts mit ihren teilweise massiven Staatseingriffen in unser tägliches Leben.<br />

Strom ist und bleibt <strong>die</strong> Schlüsselenergie, auch in einer visionären «2000-Watt-Gesellschaft»<br />

des nächsten Jahrhunderts. Strom kann praktisch nicht durch andere Energieträger<br />

ersetzt werden.<br />

Abb. 1.8: Szenarien der «Energieperspektiven 2035» des Bundes<br />

Im Februar 2007 hat der Bundesrat <strong>die</strong> Konsequenzen gezogen: Selbst bei einer deutlich<br />

verstärkten Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien sind neue<br />

Grosskraftwerke nötig. Der Bundesrat setzt dabei weiterhin auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Er erachtet<br />

den Ersatz der bestehenden Kernkraftwerke oder den Neubau von Kernkraftwerken<br />

als notwendig.<br />

13<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


14<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 2.1 Kernkraftwerk Beznau, Kanton Aargau Abb. 2.2 Kernkraftwerk Mühleberg, Kanton Bern<br />

Abb. 2.3 Kernkraftwerk Gösgen, Kanton Solothurn Abb. 2.4 Kernkraftwerk Leibstadt, Kanton Aargau<br />

Abb. 2.5<br />

Genève<br />

Lausanne<br />

Basel<br />

Rhein<br />

Olten<br />

Aare<br />

Bern<br />

Mühleberg<br />

Foto: KKB<br />

Foto: KKG<br />

Leibstadt<br />

Beznau<br />

Brugg Zürich<br />

Gösgen<br />

Lugano<br />

St. Gallen<br />

Chur<br />

Foto: KKM<br />

Foto: KKL


Teil 2<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Zuverlässige <strong>Schweiz</strong>er Atomstromproduktion<br />

In der <strong>Schweiz</strong> stehen heute 5 Kernkraftwerke in Betrieb:<br />

• Beznau-1 seit 1969 (mit heute 365 Megawatt Leistung)<br />

• der baugleiche Block Beznau-2 seit 1972 (mit ebenfalls 365 Megawatt Leistung)<br />

• Mühleberg seit 1972 (mit heute 373 Megawatt Leistung)<br />

• Gösgen seit 1979 (mit heute 985 Megawatt Leistung)<br />

• Leibstadt seit 1984 (mit heute 1165 Megawatt Leistung)<br />

Abb. 2.1 – 2.5: Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke<br />

Im Jahr 2009 produzierten <strong>die</strong> fünf Werke zusammen 26,2 Milliarden Kilowattstunden<br />

Strom. Das sind rund 40 % der schweizerischen Stromerzeugung. Seit ihrer Inbetriebnahme<br />

sind <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke laufend modernisiert worden. Zusammen mit<br />

der sorgfältigen Wartung befinden sie sich heute immer noch in sehr gutem Zustand<br />

und erzeugen zuverlässig Strom. In den vergangenen 20 Jahren steigerten sie ihre jährliche<br />

Gesamtproduktion um rund 5 Milliarden Kilowattstunden – das entspricht etwa<br />

der Jahresproduktion eines zusätzlichen mittelgrossen Kernkraftwerks.<br />

Zusatzinformationen zur sicherheitstechnischen Nachrüstung<br />

In der <strong>Schweiz</strong> sind <strong>die</strong> drei <strong>die</strong>nstältesten Kernkraftwerke Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg<br />

Ende der 1980er-Jahre / Anfang der 1990er-Jahre sicherheitstechnisch umfassend nachgerüstet<br />

und modernisiert worden. Sie erfüllen nicht nur <strong>die</strong> heutigen internationalen Vorschriften,<br />

sondern übertreffen <strong>die</strong>se in vielen Fällen – wie selbstverständlich auch <strong>die</strong> beiden<br />

jüngeren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt. Alle Anlagen werden periodisch dem Stand<br />

der Technik angepasst. Dazu das Beispiel Beznau: Seit der Betriebsaufnahme in den Jahren<br />

1969 und 1972 hat <strong>die</strong> Axpo Holding AG bis heute über 1,6 Mrd. Franken zusätzlich investiert<br />

– das ist mehr als doppelt so viel, wie der Bau der beiden Anlagen ursprünglich gekostet<br />

hat.<br />

Nutzen <strong>für</strong> alle<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke werden von den grossen <strong>Schweiz</strong>er Elektrizitätswerken<br />

betrieben. Diese befinden sich vollständig oder grossmehrheitlich im Besitz der Kantone<br />

und der grossen Städte. Diese profitieren vom preisgünstigen Strom und <strong>die</strong> Gewinnausschüttung<br />

fliesst in den Staatssäckel. Wir alle profitieren von ihrem erfolgreichen<br />

Betrieb. Die vielzitierten «Strombarone» sind letztlich das Volk bzw. <strong>die</strong> von ihm gewählten<br />

Behörden.<br />

Technisch begrenzte Betriebsdauer<br />

Die Investitionen in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke sind so vorgenommen worden, dass<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong>nstälteren Anlagen Beznau-1 und -2 sowie Mühleberg mindestens 50 Jahre, d.h.<br />

bis in <strong>die</strong> Zeit nach 2020 sicher betrieben werden können. Die beiden jüngeren Anlagen<br />

in Gösgen und Leibstadt sind gegenwärtig auf 60 Jahre Betrieb ausgerichtet. Sie müssten<br />

demnach erst nach 2040 ersetzt werden. Die effektive Laufzeit ist ein unternehmerischer<br />

Entscheid der Betreiberfirmen. Keine Kompromisse gibt es bei der Sicherheit: Sie wird<br />

bis zum letzten Betriebstag voll gewährleistet und eine unabhängige Bundesbehörde<br />

überwacht sie ständig.<br />

15<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


16<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Meinungen zur Sicherheit der Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />

Frage:<br />

«Halten Sie <strong>die</strong> bestehenden<br />

Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />

eher <strong>für</strong> sicher oder eher <strong>für</strong><br />

unsicher?»<br />

Quelle: Swissnuclear, 2009<br />

Abb. 2.6<br />

Millionen Franken<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung<br />

anerkennt den Leistungs-<br />

ausweis der <strong>Kernenergie</strong><br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

Abb. 2.7<br />

Abb. 2.8<br />

50<br />

0<br />

39,0<br />

27,3<br />

1988<br />

90<br />

92<br />

94<br />

96<br />

100<br />

[%]<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

98<br />

75,3<br />

17,0<br />

7,6<br />

76,7<br />

18,6<br />

80,4 82,9 83,3 78,3 78,4 79,4 82,4<br />

15,5<br />

12,7 13,6 16,2 17,2<br />

«eher <strong>für</strong> sicher»<br />

«eher <strong>für</strong> unsicher»<br />

4,6 4,0 4,3<br />

5,5<br />

4,3 6,0<br />

3,1<br />

14,6 14,7<br />

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />

Erhebungsjahr<br />

Weiss nicht /<br />

keine Antwort<br />

Aufwendungen der öffentlichen Hand <strong>für</strong> <strong>die</strong> Energieforschung<br />

inkl. Pilot- und Demonstrationsprojekte; Werte nicht teuerungskorrigiert<br />

2000<br />

02 04<br />

(Wechsel der Klassifikation zwischen den Jahren 1995 und 1996)<br />

25,9 26,1 39,3 67,2 15,6<br />

2007<br />

2,9<br />

Unterstützende Techniken /<br />

energiewirtschaftliche<br />

Grundlagen (bis 1995)<br />

Fossile Energieträger<br />

(bis 1995)<br />

Energiewirtschaftliche<br />

Grundlagen und Transfer<br />

(ab 1996)<br />

Effiziente Energienutzung<br />

Erneuerbare Energien<br />

Kernspaltung<br />

Kernfusion<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie<br />

Die öffentlichen Forschungsbudgets <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> sind relativ gering<br />

Anteil der neuen erneuerbaren Energien 2009<br />

an der gesamten schweizerischen Netto-Elektrizitätsproduktion<br />

Wasserkraftwerke<br />

54,1%<br />

nicht erneuerbare<br />

Stromproduktion<br />

43,8%<br />

neue, erneuerbare<br />

Stromproduktion<br />

2,04%<br />

Erneuerbare<br />

Anteile<br />

aus Abfall<br />

1,44%<br />

Wind<br />

0,035%<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie, schweizerische Statistik der erneuerbaren Energien, Ausgabe 2009<br />

Biogase aus der<br />

Abwasserreinigung<br />

0,19%<br />

Sonne<br />

0,078%<br />

Biomasse<br />

(Holz, Biogas<br />

Landwirtschaft)<br />

0,300%<br />

Biogas, Biomasse, Sonne und Wind liefern zusammen nur rund 0,6 % der Landeserzeugung


Teil 2 Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung anerkennt den Leistungsausweis der <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke.<br />

Im Mai 2003 verwarfen <strong>die</strong> Stimmberechtigten eine Ausstiegsinitiative deutlich<br />

mit 66,3 % Nein, und auch <strong>die</strong> Verlängerung des Moratoriums <strong>für</strong> den Bau neuer Kernkraftwerke<br />

fand mit 58,4 % Nein-Stimmen keine Mehrheit. Umfragen zeigen immer wieder,<br />

dass gut zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke als<br />

nötig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stromversorgung erachten und über drei Viertel von ihrer Sicherheit überzeugt<br />

sind.<br />

Abb. 2.6: Meinungen zur Sicherheit der Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong><br />

Kernkraftwerke erhalten keine Subventionen<br />

Die Atomstromproduktion ist in der <strong>Schweiz</strong> nicht subventioniert. Der Strompreis ab<br />

Kernkraftwerk enthält alle anfallenden Kosten, einschliesslich der Entsorgung der<br />

radioaktiven Abfälle, des späteren Rückbaus der Anlagen wie auch der Versicherungen.<br />

Im Rahmen der Forschungsförderung unterstützte der Bund in den letzten zehn Jahren<br />

<strong>die</strong> Sicherheitsforschung an den bestehenden Kernkraftwerken mit rund 25 Mio. Franken<br />

jährlich. Das ist wenig im Vergleich zur direkten Wertschöpfung der fünf <strong>Schweiz</strong>er<br />

Kernkraftwerke von deutlich über einer Milliarde Franken jährlich. Die <strong>Kernenergie</strong> ist<br />

auch <strong>für</strong> den Staat ein gutes Geschäft.<br />

Abb. 2.7: Aufwendungen der öffentlichen Hand <strong>für</strong> <strong>die</strong> Energieforschung<br />

Grosser Nutzen aus der Anschubförderung<br />

Die <strong>Kernenergie</strong>forschung wird in der <strong>Schweiz</strong> seit 1956 gefördert. In den ersten 26 Jahren<br />

der Förderung gab der Bund da<strong>für</strong> teuerungsbereinigt insgesamt rund 1,25 Mrd.<br />

Franken aus. Das ist etwa gleich viel, wie der Bund in den ersten 26 Jahren – seit 1974<br />

– <strong>für</strong> <strong>die</strong> Forschung bei den erneuerbaren Energien ausgegeben hat (1,13 Mrd. Franken).<br />

Seit Anfang der 1990er-Jahre werden <strong>die</strong> erneuerbaren Energien und <strong>die</strong> effiziente Energienutzung<br />

deutlich stärker gefördert als <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Auf <strong>die</strong> Stromproduktion hatte<br />

<strong>die</strong>se Forschung jedoch bisher kaum Auswirkungen: Im Jahr 2009 lieferten Biogas,<br />

Biomasse, Sonne und Wind zusammen nur rund 0,6 % der Landeserzeugung.<br />

Abb. 2.8: Anteil der erneuerbaren Energien an der schweizerischen Stromproduktion<br />

17<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


18<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Milliarden Franken<br />

Abb. 2.9<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Bezahlung der Kosten <strong>für</strong> Stilllegung und Entsorgung<br />

15,5<br />

Mrd.<br />

Gesamtkosten<br />

(Preisbasis 2006)<br />

4,6<br />

Mrd.<br />

4,0<br />

Mrd.<br />

2,4<br />

Mrd.<br />

Bis Ende 2009 direkt durch<br />

<strong>die</strong> Betreiber bezahlte Kosten<br />

Bereits bezahlte bzw. in den<br />

Fonds sichergestellte Mittel<br />

Noch zu zahlende bzw. in den<br />

Fonds sicherzustellende Mittel<br />

Fondsvermögen Ende 2009 Verbleibende durch<br />

(bisherige Beiträge der Betreiber<br />

und Kapitalerträge)<br />

Zukünftige Fondsbeiträge der Betreiber<br />

und Kapitalerträge der Fonds<br />

<strong>die</strong> Betreiber direkt<br />

zu zahlende Kosten<br />

4,5<br />

Mrd.<br />

100%<br />

Die Entsorgung der Abfälle ist nach dem Verursacherprinzip vorfinanziert<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

Quellen: Stilllegungsfonds <strong>für</strong> Kernanlagen und<br />

Entsorgungsfonds <strong>für</strong> Kernkraftwerke


Teil 2 Die <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Die Entsorgung der Abfälle ist vorfinanziert<br />

Über <strong>die</strong> Kosten <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der radioaktiven Abfälle und den späteren Rückbau<br />

der Kernkraftwerke brauchen sich unsere Nachkommen nicht den Kopf zu zerbrechen.<br />

Die Kosten von heute 0,8 Rappen pro Kilowattstunde sind nach dem Verursacherprinzip<br />

im Preis des Atomstroms inbegriffen und werden von der heute lebenden Generation<br />

bezahlt, <strong>die</strong> auch den Nutzen vom Atomstrom hat.<br />

Die gesamten Entsorgungs- und Stilllegungskosten werden periodisch neu berechnet<br />

und betragen aus heutiger Sicht rund 15,5 Mrd. Franken. Bis Ende 2009 haben <strong>die</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerkbetreiber bereits 8,6 Mrd. Franken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung ausgegeben<br />

oder in den vom Bund überwachten Entsorgungs- und Stilllegungsfonds sichergestellt.<br />

Abb. 2.9: Kosten <strong>für</strong> Stilllegung und Entsorgung<br />

19<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


20<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 3.1 <strong>Kernenergie</strong> ist sauber und benötigt keine riesigen Materialtransporte wie <strong>die</strong> fossilen Energien<br />

Abb. 3.3<br />

Quelle:<br />

Euratom Supply<br />

Agency, 2009<br />

Herkunft des Urans in der EU im Jahr 2008<br />

USA 2 %<br />

Südafrika und Namibia 5 %<br />

Niger 10 %<br />

Kanada 25 %<br />

Foto: KKG<br />

Andere / unbestimmt 3 %<br />

EU 3 %<br />

Abb. 3.2 Der Kernbrennstoff Uran in der Form,<br />

wie er in den Kernkraftwerken zum Einsatz kommt.<br />

Aus zwei solchen Uranoxid-Tabletten (UO2 ) lässt<br />

sich soviel Strom erzeugen, wie ein 4-Personen-<br />

Haushalt in einem Jahr verbraucht.<br />

Russland 17 %<br />

Australien 16 %<br />

Wiederangereichertes Uran aus<br />

Rückständen der Anreicherung<br />

4 %<br />

Zurück verdünntes, hoch<br />

angereichertes Uran<br />

3 %<br />

Kasachstan 6 %<br />

Usbekistan 6 %<br />

Europa und <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> können auf zahlreiche Lieferantenländer zurückgreifen<br />

Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>


Teil 3<br />

Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />

Kernkraftwerke schonen <strong>die</strong> Ressourcen der Erde<br />

In den Atomkernen steckt sehr viel Energie. Kernkraftwerke benötigen daher nur sehr<br />

geringe Mengen Brennstoff, um grosse Mengen Strom zu erzeugen. Ein 1000-Megawatt-<br />

Kernkraftwerk wie jenes in Gösgen beispielsweise benötigt pro Jahr rund 200 Tonnen<br />

Natururan, um rund eine Million Menschen mit Strom zu versorgen. Ein Kohlekraftwerk<br />

gleicher Grösse muss da<strong>für</strong> über 2’000’000 (zwei Millionen) Tonnen Kohle verbrennen,<br />

mit allen damit verbunden Umweltbelastungen in Luft und Boden. Ein Ölkraftwerk<br />

würde rund 1’400’000 Tonnen Schweröl – etwa 10 Millionen Barrel – benötigen, und<br />

ein modernes Gaskraftwerk rund 980’000 Tonnen Erdgas.<br />

Abb. 3.1: Tankzug mit Erdöl<br />

Diese gewaltigen Unterschiede kommen auch beim Transport und der Lagerung zur<br />

Geltung: Aus den rund 200 Tonnen Natururan werden ungefähr 23 Tonnen angereichertes<br />

Uran hergestellt, <strong>die</strong> schliesslich ans Kraftwerk geliefert werden. Da Uran sehr<br />

dicht ist, würde <strong>die</strong>se <strong>für</strong> ein Jahr Kraftwerksbetrieb benötigte Menge volumenmässig in<br />

den Kofferraum eines grossen Autos passen.<br />

Die enorm hohe Energiedichte des Kernbrennstoffs bzw. <strong>die</strong> geringen benötigten<br />

Materialmengen sind der entscheidende ökonomische und ökologische Wettbewerbsvorteil<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>.<br />

Abb. 3.2: Kernbrennstoff<br />

Dieser Pluspunkt ist im Hinblick auf <strong>die</strong> Herausforderungen wichtig, vor denen <strong>die</strong><br />

Menschheit angesichts des steigenden Energiebedarfs vor allem in den bevölkerungsreichen<br />

Schwellenländern wie China, Brasilien oder In<strong>die</strong>n steht. Es geht darum, <strong>die</strong><br />

Umwelt- und Klimabelastungen durch <strong>die</strong> Energieproduktion möglichst tief zu halten<br />

und gleichzeitig mit den knapper und teurer werdenden Rohstoffen wie Eisen, Kupfer<br />

oder Aluminium so haushälterisch wie möglich umzugehen.<br />

Die Abfallprodukte der Kernkraftwerke – der potenziell gefährliche radioaktive Abfall<br />

– werden bei ihrer Entstehung sorgfältig eingeschlossen und später tief im Boden sicher<br />

gelagert, bis <strong>die</strong> Radioaktivität abgeklungen ist. Die Abfallmengen sind im Vergleich zu<br />

allen anderen Stromerzeugungstechniken sehr gering. Daher ist es technisch möglich<br />

und wirtschaftlich machbar, <strong>die</strong> Abfälle zurückzuhalten, einzuschliessen und kontrolliert<br />

zu entsorgen.<br />

Hohe Versorgungssicherheit mit Uran<br />

Uranerz ist ein natürlich vorkommendes Mineral und kommt an vielen Stellen in der<br />

Erdkruste wie auch im Meerwasser vor. Entsprechend können wir auf zahlreiche Lieferanten<br />

zurückgreifen. Die zurzeit bekannten Uranreserven befinden sich zu einem grossen<br />

Teil in geopolitisch stabilen Regionen und demokratisch regierten Ländern wie Australien<br />

und Kanada. Dies führt zu einer hohen Liefersicherheit. Zudem lässt sich Uran<br />

problemlos lagern.<br />

Abb. 3.3: Herkunft des Urans in der EU<br />

21<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


22<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 3.4<br />

472<br />

387<br />

Weltweite Uranreserven 2009 (in 1000 Tonnen Uran)<br />

USA<br />

Kanada<br />

158<br />

Niger<br />

245<br />

Brasilien<br />

Namibia<br />

157<br />

Kasachstan Russland<br />

181<br />

Ukraine 414<br />

142<br />

195<br />

Südafrika<br />

44<br />

76<br />

Jordanien<br />

55<br />

38 Mongolei<br />

Usbekistan<br />

116<br />

In<strong>die</strong>n<br />

1179<br />

China<br />

Australien<br />

Angegeben sind <strong>die</strong><br />

RAR (Reasonably<br />

Assured Resources)<br />

bei einem Uranpreis<br />

bis 260 Dollar pro kg<br />

Quelle: OECD / IAEO,<br />

«Red Book» 2009<br />

Viele der heute bekannten Uranvorkommen befinden sich in politisch stabilen Regionen<br />

Abb. 3.5 Unterirdisch und hohe Erzkonzentration: Uranmine Rabbit Lake, Kanada<br />

Abb. 3.6 Abbau an der Erdoberfläche und tiefe Erzkonzentration: Uranmine Rössing, Namibia<br />

Foto: Cameco<br />

Foto: Rio Tinto


Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />

Pro Jahr benötigt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> rund 600 Tonnen Natururan. Typischerweise lagern <strong>die</strong><br />

Kernkraftwerke jene Menge an frischem Kernbrennstoff bei sich, <strong>die</strong> sie <strong>für</strong> das nächste<br />

Betriebsjahr benötigen. Während der jährlichen Revision wird jeweils nur rund ein<br />

Viertel des Kernbrennstoffs ausgewechselt. Falls aus irgendwelchen Gründen plötzlich<br />

kein frischer Kernbrennstoff in <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eingeführt werden könnte, würden unsere<br />

Kernkraftwerke während zwei bis drei Jahren mit abnehmender Leistung weiter Strom<br />

produzieren.<br />

Damit ist bei der <strong>Kernenergie</strong> ein Grad an Versorgungssicherheit gewährleistet, der<br />

bei Erdöl oder Erdgas nie erreicht werden kann. Die Zielgrösse bei den Erdölpflichtlagern<br />

beträgt beispielsweise 4,5 Monate.<br />

Die Uranreserven der Erde reichen noch sehr lange<br />

Gemäss der Organisation <strong>für</strong> wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der<br />

Industrieländer (OECD) reichen <strong>die</strong> bekannten und zu einem Preis von 260 Dollar pro<br />

Kilogramm abbauwürdigen Uranreserven beim heutigen Verbrauch <strong>für</strong> mehr als<br />

hundert Jahre.<br />

Abb. 3.4: Weltweite Uranreserven<br />

Bei steigendem Uranpreis werden weitere Uranlager erschlossen und <strong>die</strong> Reichweite<br />

steigt entsprechend an. Zudem lohnt sich der Ausbau der Urangewinnung aus Kupfererzen,<br />

Phosphaten und Kohleaschen wie auch <strong>die</strong> Nutzung der grossen Mengen Uran,<br />

<strong>die</strong> bisher als Rückstand der Anreicherung eingelagert worden sind und immer noch<br />

leicht spaltbares Uran enthalten. Dadurch erhöht sich <strong>die</strong> Reichweite der Uranvorräte auf<br />

über 500 Jahre.<br />

Bei der Kernbrennstoffversorgung gibt es mehr als nur eine Zukunftsoption.<br />

Steigt der Preis gar noch weiter, wird <strong>die</strong> Gewinnung aus Meerwasser rentabel – ein Verfahren,<br />

das <strong>die</strong> Japaner schon praktisch ausprobiert haben. Die Reichweite des Urans<br />

steigt so auf tausende von Jahren – <strong>die</strong>s bei der heutigen Technologie. Damit sind <strong>die</strong><br />

Uranreserven nach menschlichen Massstäben praktisch unbegrenzt.<br />

Das gilt noch viel stärker bei der Einführung von Reaktorsystemen einer nächsten Generation<br />

– sogenannten Schnellen Reaktoren («Schnellen Brütern») –, <strong>die</strong> über 50-mal<br />

mehr Energie aus dem Natururan gewinnen können als <strong>die</strong> heutigen Anlagen.<br />

Uranerz kann auch bei geringer Konzentration abgebaut werden<br />

Entgegen anderslautenden Behauptungen hat der Energieaufwand in den Uranminen<br />

keine wesentliche Bedeutung in der nuklearen Produktionskette. Die bisherigen praktischen<br />

Erfahrungen im Uranbergbau zeigen, dass Uranerze mit Konzentrationsgraden bis<br />

hinunter zu 0,01 % oder noch tiefer ohne massiv steigenden Energieaufwand gewonnen<br />

werden können, und oft werden gleichzeitig mit dem Uran noch weitere Rohstoffe<br />

gefördert. Das bedeutet, dass <strong>die</strong> energetisch sparsam gewinnbaren Uranreserven der<br />

Erde beim heutigen Verbrauch noch hunderte von Jahren ausreichen.<br />

Abb. 3.5 und 3.6: verschiedene Typen von Uranminen<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> ist auch bei der Nutzung von sehr gering konzentrierten Uranvorkommen<br />

eine sehr energieeffiziente Stromerzeugungstechnik und wird es auch<br />

in Zukunft bleiben.<br />

23<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


24<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Quelle: KKG, Geschäftsbericht 2009<br />

Abb. 3.7<br />

Treibhausgasemissionen (CO2-Äquivalente)<br />

in Gramm pro Kilowattstunde<br />

Abb. 3.8<br />

1250<br />

1000<br />

750<br />

500<br />

250<br />

0<br />

1231<br />

Braunkohle<br />

Treibhausgasemissionen (Life cycle)<br />

1078<br />

Steinkohle<br />

885<br />

Erdöl<br />

Kostenstruktur im KKW Gösgen im Jahr 2009<br />

644<br />

Erdgas<br />

426<br />

Gaskombi<br />

Finanzerfolg und Gewinn<br />

Abschreibungen<br />

Sachanlagen<br />

Stilllegung und<br />

Nachbetrieb<br />

Nukleare<br />

Entsorgung<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

Wasserkraft<br />

7,3 %<br />

12,1 %<br />

Werte <strong>für</strong> <strong>die</strong> heutigen durchschnittlichen<br />

Stromversorgungssysteme in Europa (UCTE)<br />

und in der <strong>Schweiz</strong><br />

Fotovoltaik<br />

8,0 %<br />

11,1 %<br />

Kernbrennstoff<br />

davon Rohstoff Uran:<br />

rund 5 % der Gesamtkosten<br />

Wind<br />

8 4<br />

78 17<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> schont Umwelt und Klima<br />

Abb. 3.9 Vorbereitung der Urananreicherung in einer Zentrifugenanlage in Deutschland<br />

4,8<br />

%<br />

Betrieb<br />

56,7 %<br />

Quelle:<br />

Paul Scherrer Institut,<br />

2007<br />

Foto: Urenco


Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />

Uranpreis hat geringen Einfluss auf <strong>die</strong> Strompreise<br />

Der Preis von Natururan ist Schwankungen unterworfen und richtet sich nach Angebot<br />

und Nachfrage. Kaufkraftbereinigt liegen <strong>die</strong> Spotmarkpreise gegenwärtig (Sommer<br />

2010) tiefer als in den 1970er-Jahren. Freilich wird das meiste Uran im Rahmen langfristiger,<br />

preisstabiler Lieferverträge gehandelt. Die Konsumentinnen und Konsumenten<br />

müssen aber wegen höherer Uranpreise keine spürbar steigenden Strompreise be<strong>für</strong>chten,<br />

denn der Preis von Natururan macht nur rund 5 % der Stromerzeugungskosten in<br />

einem Kernkraftwerk aus. Das bedeutet, dass <strong>die</strong> Kosten von Atomstrom langfristig abschätzbar<br />

sind. Das gibt Sicherheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft.<br />

Abb. 3.7: Kostenstruktur des Kernkraftwerks Gösgen<br />

Kernkraftwerke schonen Umwelt und Klima<br />

Das zum ETH-Bereich gehörende Paul Scherrer Institut (PSI) berechnet und vergleicht<br />

seit Jahren <strong>die</strong> Umwelt- und Gesundheitsbelastungen der verschiedenen Stromerzeugungstechniken.<br />

Die Wissenschafter betrachten dabei <strong>die</strong> gesamte Energiekette «von der<br />

Wiege bis zur Bahre» – bei der <strong>Kernenergie</strong> also vom Abbau des Uranerzes in den Minen<br />

über <strong>die</strong> Herstellung des Uranbrennstoffs bis zum Bau der Tiefenlager <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung<br />

der radioaktiven Abfälle und dem Rückbau der Kernkraftwerke bis zur grünen<br />

Wiese.<br />

Abb. 3.8: Treibhausgasemissionen der verschiedenen Stromerzeugungssysteme<br />

Die Ergebnisse sind eindeutig: In der <strong>Schweiz</strong> erzeugen Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong><br />

pro Kilowattstunde <strong>die</strong> geringsten Mengen an Treibhausgasen. In seinem<br />

2007 veröffentlichten vierten Lagebericht führt der Weltklimarat der Uno (Inter-<br />

governmental Panel on Climate Change, IPCC) <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> ausdrücklich als<br />

Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems auf.<br />

Würden wir heute den in der <strong>Schweiz</strong> erzeugten Atomstrom in modernen Gaskombikraftwerken<br />

erzeugen, würde <strong>die</strong> Luft mit so viel CO2 zusätzlich belastet, wie alle Autos<br />

in der <strong>Schweiz</strong> ausstossen.<br />

Zusatzinformationen zur CO2-Bilanz<br />

Die CO2-Bilanz der Energiekette der <strong>Kernenergie</strong> hängt unter den heutigen Bedingungen<br />

entscheidend von der Urananreicherung ab bzw. woher der da<strong>für</strong> nötige Strom stammt. Die<br />

Kernkraftwerke in der <strong>Schweiz</strong> und in den meisten westeuropäischen Ländern beziehen<br />

ihren Kernbrennstoff vorwiegend aus Anlagen mit Zentrifugen – <strong>die</strong> wenig Strom benö-<br />

tigen – oder aus der französischen Diffusionsanlage Eurodif in Tricastin. Diese benötigt<br />

zwar pro Kilogramm angereichertes Uran etwa 40-mal mehr Energie als eine moderne<br />

Zentrifugenanlage. Eurodif bezieht <strong>die</strong> Energie jedoch aus den danebenstehenden Kernkraftwerken,<br />

<strong>die</strong> praktisch CO2-frei produzieren. Eurodif wird gegenwärtig durch eine moderne<br />

und energiesparende Zentrifugenanlage ersetzt.<br />

Im ungünstigsten Fall – etwa bei der alten energieintensiven Diffusionsanlage Paducah in<br />

den USA, <strong>die</strong> von einem Steinkohlekraftwerk versorgt wird – können <strong>die</strong> CO2-Emissionen der<br />

Energiekette auf rund 60 Gramm pro Kilowattstunde ansteigen, also etwa in <strong>die</strong> Grössenordnung<br />

der Energiekette der Solarzellen. Die Anlage in Paducah wird in den kommenden<br />

Jahren ebenfalls durch moderne Zentrifugenanlagen ersetzt.<br />

Der Uranabbau in Erzminen trägt – anders als oft behauptet – nur wenig zur gesamten CO2-<br />

Bilanz der <strong>Kernenergie</strong> bei.<br />

Abb. 3.9: Urananreicherung<br />

25<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


26<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Abb. 3.10<br />

Kupferbedarf<br />

in Kilogramm pro Gigawattstunde<br />

Abb. 3.11<br />

Produktionsmix in europäischen Ländern 2007<br />

CH F A D DK I NL PL<br />

Der <strong>Schweiz</strong>er Strommix ist schon heute umweltschonend<br />

Bedarf an Kupfer<br />

(Life Cycle)<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Braunkohle<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

Steinkohle<br />

min. Ø max.<br />

Wasserkraft<br />

min. Ø max.<br />

U.K.<br />

Wind (Land)<br />

<strong>Schweiz</strong><br />

min. Ø max.<br />

Dänemark<br />

Wind (Meer)<br />

min. Ø max.<br />

Spanien<br />

Fotovoltaik<br />

Finnland<br />

min. Ø max.<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffressourcen der Erde<br />

andere<br />

erneuerbare<br />

Energien<br />

Wasserkraft<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

fossile<br />

Brennstoffe<br />

Quelle:<br />

UCTE/BFE, 2008<br />

Angegeben ist <strong>die</strong> Menge an Kupfer, <strong>die</strong> in der jeweiligen Energiekette eingesetzt<br />

werden muss, um eine Million Kilowattstunden Strom zu erzeugen<br />

Werte <strong>für</strong> das<br />

europäische Stromversorgungsnetz<br />

(UCTE)<br />

Quelle: OECD / NEA, 2007<br />

(basierend auf Daten des PSI)


Teil 3 Die Stärken der <strong>Kernenergie</strong><br />

Umweltfreundlicher <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />

Dank des Produktionsmix aus Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong> und wegen des Fehlens von<br />

Schwerindustrie ist der CO2-Ausstoss pro Kopf in der <strong>Schweiz</strong> deutlich geringer als in<br />

den Nachbarländern. Im kernkraftwerkfreien Österreich beispielsweise wird rund ein<br />

Drittel des Stroms aus Kohle, Erdöl und Erdgas erzeugt, in Deutschland rund 60 %. In<br />

Dänemark werden mehr als zwei Drittel des Stroms fossil erzeugt, in Italien über 80 %,<br />

und in Polen gar 98 %. Anders als andere europäische Länder verfügt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> – wie<br />

das kernenergiefreundliche Frankreich – schon heute über einen sehr umweltfreundlichen<br />

Strommix.<br />

Abb. 3.10: Strommix der <strong>Schweiz</strong> im internationalen Vergleich<br />

<strong>Kernenergie</strong> schont <strong>die</strong> Rohstoffreserven der Erde<br />

Über der Klimafrage darf nicht vergessen werden, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> bezüglich Umweltbelastung<br />

im Vergleich zu den übrigen Energiequellen generell gut dasteht. Das<br />

zeigen <strong>die</strong> von den Wissenschaftern des PSI errechneten Ökoindikatoren. Sie belegen,<br />

dass Wasserkraft und <strong>Kernenergie</strong> weitaus <strong>die</strong> geringsten Belastungen <strong>für</strong> Wasser, Luft,<br />

Boden, Gesundheit, Landverbrauch und Rohstoffressourcen der Erde bewirken.<br />

So erfordert <strong>die</strong> Stromproduktion den Einsatz nicht-energetischer Rohstoffe wie zum<br />

Beispiel Kupfer, Eisen oder Aluminium sowie von Beton. Die Lebenszyklusanalysen des<br />

PSI zeigen, dass beim Bedarf des wichtigen Metalls Kupfer <strong>die</strong> Wasserkraft und <strong>die</strong><br />

<strong>Kernenergie</strong> am besten abschneiden, während <strong>die</strong> Wind- und vor allem <strong>die</strong> Solaranlagen<br />

eine sehr viel schlechtere Bilanz aufweisen, insbesondere wenn sie in windschwachen<br />

bzw. relativ sonnenarmen Gebieten wie der <strong>Schweiz</strong> gebaut werden. Dieses Gesamtbild<br />

gilt ähnlich auch <strong>für</strong> weitere nicht-energetische Rohstoffe wie Eisen, Aluminium oder<br />

Beton.<br />

Abb. 3.11: Bedarf an Kupfer der verschiedenen Stromerzeugungssysteme<br />

Wenig Luftschadstoffe und sehr geringer Landverbrauch<br />

Analog wie bei den Treibhausgasen gehört <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> auch bei den Luftschadstoffen<br />

Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) und Feinstaub zusammen mit den erneuerbaren<br />

Energien zu den gesundheitsschonendsten Energietechnologien überhaupt.<br />

Das Gleiche gilt <strong>für</strong> den Landverbrauch pro Kilowattstunde: Hier ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong><br />

sogar klar <strong>die</strong> sparsamste Stromerzeugungstechnik, auch wenn <strong>die</strong> gesamte Energiekette<br />

einschliesslich des Uranabbaus in den Minen mitgerechnet wird.<br />

Zusammenfassend gilt: Ein genauer Blick auf <strong>die</strong> wissenschaftlich erarbeiteten<br />

Energie- und Umweltbilanzen zeigt, dass der Atomstrom mindestens so umweltschonend<br />

ist wie <strong>die</strong> erneuerbaren Energien. Die Ökobilanzen zeigen, dass der<br />

Atomstrom eigentlich das Label «Ökostrom» tragen müsste. Zusammen mit der<br />

Wasserkraft ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> heute in der <strong>Schweiz</strong> sogar <strong>die</strong> umweltfreundlichste<br />

und energieeffizienteste Art der Stromerzeugung überhaupt.<br />

27<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


28<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 4.1<br />

Abb. 4.2<br />

Abb. 4.3<br />

Genève<br />

Durchschnittliche jährliche Strahlendosis pro Person<br />

1,3 mSv<br />

Medizin<br />

und technische<br />

Strahlenquellen<br />

2,7 mSv<br />

Kernkraftwerke:<br />

weniger als 0,01 mSv (Millisievert)<br />

natürliche<br />

Strahlenquellen<br />

inkl. Radon<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Gesundheit, 2009<br />

Aus Kernanlagen gelangt praktisch keine Radioaktivität in <strong>die</strong> Umwelt<br />

Lausanne<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Gesundheit<br />

Natürliche Strahlendosen in der <strong>Schweiz</strong><br />

Pro Person, bei einem ganzjährigen Aufenthalt im Freien (in Millisievert)<br />

Basel<br />

Sion<br />

Bern<br />

0,3<br />

0,3<br />

Hospental<br />

Leibstadt<br />

Biasca<br />

Zürich<br />

0,3<br />

1,0<br />

Säntis<br />

0,4 0,7<br />

Maloja<br />

Davos<br />

Müstair<br />

Volumen der hochradioaktiven Abfälle<br />

Nach 50 Jahren <strong>Kernenergie</strong><br />

hinterlässt jeder Bewohner der<br />

<strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong>se geringe Menge an<br />

hochradioaktivem Kernbrennstoff.<br />

Sie findet bequem in zwei<br />

Zündholzschachteln Platz.<br />

Quelle:<br />

<strong>Nuklearforum</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>, 2009<br />

kosmische Strahlung<br />

terrestrische Strahlung<br />

Die Strahlendosen<br />

schwanken stark je nach<br />

Ort und Höhenlage<br />

Es ist technisch möglich und wirtschaftlich machbar, <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle<br />

konsequent einzuschliessen und <strong>für</strong> ausreichend lange Zeit zu entsorgen.


Teil 4<br />

Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Radioaktivität – ein natürliches Phänomen<br />

Radioaktivität gibt es seit der Entstehung der Welt und ist überall in unserer Umwelt und<br />

in unserem Körper vorhanden. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt und ist<br />

heute eines der am besten erforschten Umweltphänomene. So wissen wir heute, dass<br />

70 % der durchschnittlichen Strahlendosis der <strong>Schweiz</strong>er Bevölkerung aus der Natur<br />

stammen, weitere 25 % aus der Medizin und knapp 5 % aus technischen Anwendungen.<br />

Aus den <strong>Schweiz</strong>er Kernanlagen gelangen praktisch keine radioaktiven Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt.<br />

Die durch sie verursachte Strahlung liegt tiefer als ein Hundertstel der natürlichen<br />

Strahlendosis.<br />

Abb. 4.1: Durchschnittliche jährliche Strahlendosis pro Person<br />

Die Strahlenbelastung aus natürlichen Quellen ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich.<br />

In den Alpen kann sie, je nach Geologie und Höhenlage, bis zu doppelt so hoch sein wie<br />

im Mittelland. Strahlung aus natürlichen und technischen Quellen unterscheidet sich<br />

nicht in ihrer Wirkung und Gefährlichkeit. Deshalb setzt <strong>die</strong> natürliche Radioaktivität<br />

einen verlässlichen Massstab <strong>für</strong> den sicheren Umgang mit technisch erzeugter Strahlung.<br />

Abb. 4.2: Natürliche Strahlendosen in der <strong>Schweiz</strong><br />

Zusatzinformationen zur natürlichen Radioaktivität<br />

Die Natur hat sogar Kernreaktoren hervorgebracht. Wissenschafter haben herausgefunden,<br />

dass in der Umgebung von Oklo in Gabun (Zentralafrika) vor knapp 2 Milliarden Jahren<br />

mehr als ein Dutzend natürliche Kernreaktoren existierten, <strong>die</strong> über mehrere tausend Jahre<br />

Energie abgaben. Diese Naturreaktoren lagen an der Erdoberfläche und funktionierten<br />

nach dem genau gleichen physikalischen Grundprinzip wie <strong>die</strong> heutigen Leichtwasserreaktoren,<br />

zu denen auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke gehören.<br />

Radioaktive Abfälle sind unvermeidlich<br />

Jede Form der Energiegewinnung hat Vor- und Nachteile. So auch <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>: Beim<br />

Betrieb eines Kernkraftwerks entstehen verschiedene Arten von radioaktiven Abfällen.<br />

Sie stellen – je nach Zusammensetzung – ein Gefahrenpotenzial <strong>für</strong> einige hundert bis<br />

gut hunderttausend Jahre dar und müssen daher über <strong>die</strong>se Zeiträume hinweg vom<br />

Lebensraum von Mensch, Tier und Pflanzen getrennt werden.<br />

Geringe Abfallmengen<br />

Die Menge der radioaktiven Abfälle ist jedoch gering. Aus heutiger Sicht werden <strong>die</strong> bestehenden<br />

<strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke bis zum Ende ihrer Betriebsdauer insgesamt 7300<br />

Kubikmeter hochradioaktive Abfälle produzieren (einschliesslich der Verpackung), was<br />

etwa dem Volumen von zwei Heissluftballons entspricht. Dazu kommen (verpackt) rund<br />

60’000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle, <strong>die</strong> jedoch nur 1,7 % der<br />

Radioaktivität enthalten. Zum Vergleich: Aus der Kehrichtverbrennung hinterlässt jeder<br />

von uns im gleichen Zeitraum fast 50mal mehr schwermetallhaltige Rückstände, <strong>die</strong> in<br />

Oberflächendeponien entsorgt werden.<br />

Abb. 4.3: Volumen der hochradioaktiven Abfälle<br />

29<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


30<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Langzeitlagerung unabhängig vom Geschehen an der Erdoberfläche<br />

Heute in 300 Jahren? in 10’000<br />

Jahren?<br />

Abb. 4.4<br />

Abb. 4.5 Zwischenlager in Würenlingen, Kanton Aargau<br />

Abb. 4.6 Abtransport von abgebrannten Brennelementen in einem Spezialbehälter<br />

in 50’000<br />

Jahren?<br />

in 100’000<br />

Jahren?<br />

Quelle: w4/Nagra, 2009<br />

Tiefe Gesteinsschichten schliessen radioaktive Stoffe <strong>für</strong> Millionen von Jahren ein<br />

Foto: Zwilag<br />

Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>


Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Zudem verlieren <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle durch das natürliche Abklingen der Radioaktivität<br />

mit der Zeit ihre Gefährlichkeit. So strahlen beispielsweise <strong>die</strong> hochradioaktiven<br />

Abfälle nach 1000 Jahren nur noch etwa fünfmal stärker als das natürliche Mineral Pechblende,<br />

aus dem das Uran gewonnen wird. Sie müssen jedoch auch weiterhin von der<br />

Nahrungskette ferngehalten werden.<br />

Langzeitlagerung tief in der Erde<br />

International sind sich <strong>die</strong> Fachleute seit Langem einig, dass <strong>die</strong> Lagerung in tiefen Gesteinsschichten<br />

ein auch über sehr lange Zeiträume sicherer Weg <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung ist.<br />

Das gilt ebenso <strong>für</strong> <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung. Das<br />

<strong>Schweiz</strong>er Parlament hat daher <strong>die</strong> geologische Tiefenlagerung <strong>für</strong> alle Arten von radioaktiven<br />

Abfällen verbindlich vorgeschrieben.<br />

Abb.4.4: Langzeitlagerung<br />

Die Betreiber der <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke haben bereits bei der Inbetriebnahme mit<br />

Rückstellungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der radioaktiven Abfälle begonnen. Die Betreiber<br />

der Kernkraftwerke und <strong>die</strong> Eidgenossenschaft – sie ist zuständig <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung<br />

der radioaktiven Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung – haben <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Aufgabe<br />

1972 <strong>die</strong> Nationale Genossenschaft <strong>für</strong> <strong>die</strong> Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) gegründet.<br />

Zwischenlagerung in Würenlingen<br />

Vor der geologischen Tiefenlagerung ist bei den hochradioaktiven Abfällen eine kontrollierte<br />

Zwischenlagerung von rund 40 Jahren nötig. In <strong>die</strong>sem Zeitraum klingt ein wesentlicher<br />

Teil der Radioaktivität und der Wärme ab. In der <strong>Schweiz</strong> erfolgt <strong>die</strong> Zwischenlagerung<br />

im «Zwilag» in Würenlingen (Kanton Aargau), wo zudem ein wesentlicher<br />

Teil der leicht radioaktiven Abfälle endlagergerecht verarbeitet wird.<br />

Abb.4.5: Zwischenlager<br />

Recycling durch Wiederaufarbeitung<br />

Ein ausge<strong>die</strong>ntes Brennelement, wie es nach drei bis vier Jahren Betrieb aus dem Reaktor<br />

entladen wird, besteht nur zu rund 4 % aus radioaktivem Abfall. Die übrigen 96 % sind<br />

grundsätzlich weiterhin als Kernbrennstoff nutzbar. In Wiederaufarbeitungsanlagen wie<br />

in La Hague in Frankreich oder in Sellafield in England werden <strong>die</strong> Kernbrennstoffe<br />

vom hochradioaktiven Abfall getrennt und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Stromerzeugung rezykliert.<br />

Sichere Transporte<br />

Die Wiederaufarbeitung erfordert den Transport der ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente vom<br />

Kernkraftwerk zu den Wiederaufarbeitungsanlagen und der verfestigten und verpackten<br />

Abfälle zurück ins Ursprungsland. Da<strong>für</strong> werden sie in spezielle Behälter verpackt, <strong>die</strong><br />

heftigen Kollisionen, Feuer und sogar dem Beschuss mit schweren Projektilen widerstehen.<br />

Weltweit hat es noch nie einen Transportunfall mit ausge<strong>die</strong>nten Brennelementen<br />

oder konditionierten Abfällen gegeben, bei dem radioaktive Stoffe freigesetzt<br />

worden wären.<br />

Abb. 4.6: Strassentransport<br />

31<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


32<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 4.7 Behälter mit ausge<strong>die</strong>nten Brennelementen und hochradioaktiven Abfällen im Zwischenlager in<br />

Würenlingen<br />

Abb. 4.8<br />

Quelle: Nagra, 2007<br />

Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

Lagerstollen<br />

Endlagerbehälter<br />

Mögliche Standortgebiete<br />

<strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente<br />

Mögliche Standortgebiete<br />

<strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive<br />

Abfälle<br />

Geeignet <strong>für</strong> beide<br />

Abfallkategorien<br />

Abb. 4.9<br />

Verfüllmaterial<br />

Radioaktiver Abfall<br />

Mehrfache technische und natürliche Barrieren<br />

sorgen <strong>für</strong> Langzeitsicherheit<br />

Vorgeschlagene Standortgebiete <strong>für</strong> geologische Tiefenlager<br />

0 5 10 20 30 40<br />

Basel<br />

Kilometer<br />

Jura-Südfuss<br />

(SO, AG)<br />

Olten<br />

Bözberg<br />

(AG)<br />

Aarau<br />

Schaffhausen<br />

Südranden<br />

(SH)<br />

Brugg Baden<br />

Nördlich Lägern<br />

(ZH, AG)<br />

Zürcher Weinland<br />

(ZH, TG)<br />

Wellenberg (NW, OW)<br />

Die radioaktiven Abfälle können langfristig in der <strong>Schweiz</strong> entsorgt werden<br />

Zürich<br />

Winterthur<br />

Luzern<br />

Stans<br />

500 bis 1000 Meter<br />

Quelle:<br />

Nagra,<br />

2009<br />

Foto: Zwilag


Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Recycling-Moratorium <strong>für</strong> zehn Jahre<br />

Es gibt Länder, <strong>die</strong> auf das Wiederaufarbeiten verzichten und <strong>die</strong> ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente<br />

direkt ins Endlager geben. Das vermindert zwar internationale Transporte,<br />

erhöht allerdings das Volumen der hochradioaktiven Rückstände und verlängert <strong>die</strong><br />

Dauer, während der sie von der Umwelt ferngehalten werden müssen, auf das Zehn-<br />

fache. Die Wiederaufarbeitung hingegen schont <strong>die</strong> Uranreserven und verkleinert das<br />

Volumen sowie <strong>die</strong> Einschlusszeit der radioaktiven Abfälle.<br />

Die <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke haben bisher ihre ausge<strong>die</strong>nten Brennelemente ins<br />

Recycling nach Frankreich und England gegeben. Im Jahr 2003 haben jedoch <strong>die</strong> Eidgenössischen<br />

Räte ein Moratorium verfügt: Seit Mitte 2006 dürfen während zehn Jahren<br />

keine Brennelemente mehr ins Ausland überführt werden. Das ist kein Problem, da sie<br />

im Zwischenlager in Würenlingen gelagert werden können.<br />

Abb. 4.7: Zwischenlagerung<br />

Fortschritte bei der Endlagerung<br />

Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle stehen heute weltweit Dutzende von Endlagern<br />

in Betrieb. Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle werden jedoch erst in einigen<br />

Jahrzehnten benötigt. Dennoch haben bereits einige Länder – zum Beispiel Finnland<br />

und <strong>die</strong> USA – <strong>die</strong> Standorte festgelegt und mit dem Bau begonnen.<br />

In der <strong>Schweiz</strong> hat <strong>die</strong> Nagra nach vielen Jahren der Vorarbeit nachgewiesen, dass alle<br />

Arten von radioaktiven Abfällen in der <strong>Schweiz</strong> auf Dauer sicher entsorgt werden<br />

können. Für <strong>die</strong> hochradioaktiven Abfälle hat der Bundesrat den Entsorgungsnachweis<br />

im Sommer 2006 abschlies send genehmigt. Vorgängig hatten unabhängige in- und ausländische<br />

Experten <strong>die</strong> Arbeiten der Nagra begutachtet und waren durchwegs zu positiven<br />

Beurteilungen gekommen. Für <strong>die</strong> schwach- und mittelradioaktiven Abfälle hat der<br />

Bundesrat den Entsorgungsnachweis bereits 1988 genehmigt.<br />

Abb. 4.8: Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

Damit hat <strong>die</strong> Nagra gezeigt, dass in der <strong>Schweiz</strong> aus wissenschaftlich-technischer Sicht<br />

sichere geologische Tiefenlager <strong>für</strong> beide Abfalltypen gebaut werden können. Für <strong>die</strong><br />

hochradioaktiven Abfälle favorisieren <strong>die</strong> Fachleute den sogenannten «Opalinuston»,<br />

weil <strong>die</strong>se geologische Schicht gegenüber den anderen möglichen Wirtsgesteinen sicherheitstechnische<br />

Vorteile hat. Für den Opalinuston können verschiedene Standortgebiete<br />

in Betracht gezogen werden.<br />

Abb. 4.9: Vorgeschlagene Standortgebiete <strong>für</strong> geologische Tiefenlager<br />

Die Frage, wie <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> dauerhaft entsorgt werden<br />

können, ist beantwortet. Die Frage lautet heute, wo <strong>die</strong> entsprechenden Tiefenlager<br />

gebaut werden.<br />

Zusatzinformationen zum Entsorgungsnachweis<br />

Das am 1. Februar 2005 in Kraft getretene <strong>Kernenergie</strong>gesetz des Bundes verlangt <strong>für</strong> den<br />

Bau und den Betrieb von Kernkraftwerken den Nachweis <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entsorgung der anfallenden<br />

radioaktiven Abfälle. Dieser Entsorgungsnachweis muss <strong>die</strong> grundsätzliche Machbarkeit der<br />

Entsorgung radioaktiver Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> aufzeigen. Er ist keine Standortwahl. 1988<br />

entschied der Bundesrat, dass <strong>die</strong> Nagra den Entsorgungsnachweis <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive<br />

Abfälle am Beispiel des Oberbauenstocks im Kanton Uri erbracht hat. Und im<br />

Juni 2006 entschied der Bundesrat, dass <strong>die</strong>ser Nachweis auch <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente erbracht ist, <strong>die</strong>s am Beispiel des Zürcher Weinlandes.<br />

33<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


34<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 4.10<br />

Abb. 4.11<br />

Abb. 4.12<br />

7<br />

4<br />

3<br />

Langzeitstabilität nach dem Vorbild der Natur<br />

6<br />

1<br />

2<br />

8<br />

5<br />

Leioceras opalinum<br />

Fundort: Bohrung in Benken ZH,<br />

in 625 Metern Tiefe<br />

Schicht: Opalinuston<br />

Alter: rund 180 Mio. Jahre<br />

Der Opalinuston ist ein sicherer<br />

Wert seit 180 Millionen Jahren<br />

Quelle: Nagra, 2007<br />

Zugangsanlagen <strong>für</strong> ein Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

1 Verwaltungsgebäude<br />

2 Betriebsgebäude<br />

3 Lüftungsgebäude<br />

4 Geräteschleuse<br />

5 Verpackungsanlage<br />

6 Bahnzufahrt<br />

7 Strassenzufahrt<br />

8 Zugangstunnel<br />

(überdeckt)<br />

Quelle: Nagra, 2007<br />

Der Landbedarf an der Oberfläche entspricht einem mittelgrossen Industriebetrieb<br />

Sachplanverfahren des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tiefenlager<br />

Die Suche nach<br />

den konkreten<br />

Lagerstandorten<br />

erfolgt unter Führung<br />

des Bundes<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong> Energie, 2007<br />

Gesellschaft<br />

Politische und rechtliche Vorgaben<br />

1. Teil:<br />

Konzept<br />

2. Teil:<br />

Umsetzung<br />

«Sachplan geologische Tiefenlager»<br />

Verfahren <strong>für</strong><br />

Standortauswahl<br />

Etappe 1: Auswahl<br />

von potenziellen<br />

Standortgebieten<br />

Etappe 2: Auswahl<br />

von mind. 2 möglichen<br />

Standorten<br />

Etappe 3: Standortwahl;<br />

Start des Bewilligungsverfahrens<br />

Rahmenbewilligungsverfahren<br />

Kantonale<br />

Richtpläne


Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Opalinuston: ein sicherer Wert seit 180 Millionen Jahren<br />

Beim Opalinuston handelt es sich um eine Gesteinsschicht, <strong>die</strong> vor 180 Millionen Jahren<br />

in einem Meer abgelagert wurde und heute in den ins Auge gefassten Gebieten in der<br />

günstigen Tiefe von 400 – 900 Metern liegt. In <strong>die</strong>ser enorm langen Zeit hat sich der<br />

Opalinuston dort kaum verändert. Auch <strong>die</strong> Auffaltung der Alpen und des Juras haben<br />

ihn kaum deformiert. Diese grosse Stabilität erlaubt es den Wissenschaftern, mögliche<br />

zukünftige Veränderungen im Opalinuston <strong>für</strong> über eine Million Jahre plausibel abzuschätzen.<br />

Zudem ist Ton selbstabdichtend und damit praktisch wasserundurchlässig.<br />

Selbst wenn sich Risse bilden sollten, bleibt der Opalinuston dicht.<br />

Das über lange geologische Zeiträume hinweg uneingeschränkte Abdichtungsvermögen<br />

von Tongesteinen dokumentiert <strong>die</strong> Natur eindrücklich – zum Beispiel im Einschluss<br />

von jahrmillionenalten Erdöl- und Erdgasvorkommen. Ein schönes Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong> konservierenden<br />

Eigenschaften des Oplinustons zeigt der Fund eines Ammoniten in einer<br />

Bohrung im Zürcher Weinland: Das versteinerte Tier ist auch nach 180 Millionen Jahren<br />

nicht deformiert, und auf der Schale ist sogar noch Perlmutt erhalten geblieben. Ammoniten<br />

waren urzeitliche Kopffüssler (wie <strong>die</strong> Tintenfische), deren Vertreter Leioceras<br />

opalinum dem Opalinuston den Namen gegeben hat.<br />

Abb. 4.10: Langzeitstabilität nach dem Vorbild der Natur<br />

Entsorgung: Lösung ist unabhängig von der Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

Fazit: Wenn wir wollen, können wir <strong>die</strong> radioaktiven Abfälle in der <strong>Schweiz</strong> jederzeit<br />

sicher und <strong>für</strong> sehr lange Zeiträume entsorgen. Der Landbedarf <strong>für</strong> <strong>die</strong> Anlagen an der<br />

Erdoberfläche ist relativ gering und entspricht einem mittelgrossen Industriebetrieb.<br />

Abb. 4.11: Zugangsanlagen <strong>für</strong> ein Tiefenlager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle<br />

Offen ist noch, wo das oder <strong>die</strong> Tiefenlager gebaut werden sollen. Darüber wird in den<br />

kommenden Jahren politisch entschieden. Mit dem Vorliegen des Entsorgungsnachweises<br />

ist <strong>die</strong> Standortwahl rechtlich getrennt von der Frage des Weiterbetriebs und des allfälligen<br />

Neubaus von Kernkraftwerken.<br />

Sachplan <strong>für</strong> Standortwahl<br />

Zum Festlegen der Lagerstandorte führt der Bund ein sogenanntes Sachplanverfahren<br />

durch. Der «Sachplan geologische Tiefenlager» ist in den vergangenen Jahren unter Einbezug<br />

von Bundesbehörden, Kantonen, Nachbarstaaten, Organisationen, Parteien und<br />

Fokusgruppen aus der Bevölkerung erarbeitet worden.<br />

Abb. 4.12: Sachplanverfahren des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tiefenlager<br />

In seinem ersten Teil legt der Sachplan <strong>die</strong> Verfahrensweisen und Kriterien <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auswahl<br />

der Standorte <strong>für</strong> Tiefenlager fest. Ziel ist, <strong>die</strong> verschiedenen Auswahlschritte bis<br />

zur Festlegung eines Standorts <strong>für</strong> alle transparent zu gestalten und <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit den betroffenen Kantonen und Gemeinden wie auch <strong>die</strong> Mitwirkung weiterer<br />

interessierter Kreise sicherzustellen.<br />

Im zweiten Teil des Sachplanverfahrens werden in einer ersten Etappe aufgrund der<br />

Geologie <strong>die</strong> geeigneten Standortgebiete festgelegt. Diese Standortgebiete werden auf<br />

der Basis des bestehenden erdwissenschaftlichen Kenntnisstands von der Nagra vorgeschlagen.<br />

35<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


36<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 4.13<br />

Zeitplan des Uvek <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Inbetriebnahme der Tiefenlager<br />

Aktion Zeitbedarf Termine<br />

Sachplan- und Rahmenbewilligungsverfahren<br />

Sachplan Etappe 1:<br />

Auswahl von geologischen Standortgebieten<br />

Sachplan Etappe 2:<br />

Auswahl von mindestens zwei Standorten<br />

pro Abfallkategorie<br />

Sachplan Etappe 3:<br />

Wahl von einem oder zwei Standorten<br />

Vorbereitung und Einreichung Rahmenbewilligungsgesuch(e),Überprüfungsund<br />

Genehmigungsverfahren<br />

Entscheid Bundesrat<br />

Erteilung der Rahmenbewilligung<br />

Genehmigung der Rahmenbewilligung<br />

durch das Parlament<br />

allenfalls Volksabstimmung<br />

2,5 Jahre<br />

2,5 Jahre<br />

2,5–4,5<br />

Jahre<br />

1,5 Jahre<br />

1 Jahr<br />

Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren<br />

Erdwissenschaftliche Untersuchungen,<br />

Baubewilligung <strong>für</strong> Felslabor am Standort<br />

(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />

und Bundesgericht<br />

angefochten werden)<br />

Ergänzende Untersuchungen, Bau Zugangsstollen,<br />

Bau und Betrieb Felslabor<br />

am Standort sowie Baubewilligungsverfahren<br />

geologische Tiefenlager<br />

(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />

und Bundesgericht<br />

angefochten werden)<br />

Bau Lagerstollen/Kavernen, Vorbereitung<br />

und Erteilung der Betriebsbewilligung<br />

während der Bauphase<br />

(<strong>die</strong> Bewilligung kann vor Bundesverwaltungsgericht<br />

und Bundesgericht<br />

angefochten werden)<br />

1<br />

Früheste Inbetriebnahme<br />

1<br />

bis 2016/2018<br />

2–4 Jahre bis 2019/2023<br />

SMA:<br />

6–8 Jahre<br />

HAA:<br />

16–18 Jahre<br />

SMA bis<br />

2025/2031<br />

HAA bis<br />

2035/2041<br />

5–7 Jahre SMA bis<br />

2030/2038<br />

Dauer hängt massgeblich davon ab, ob z.B. weitere Son<strong>die</strong>rbohrungen nötig sind.<br />

SMA: schwach- und mittelradioaktive Abfälle<br />

HAA: hochradioaktive Abfälle und ausge<strong>die</strong>nte Brennelemente<br />

(Quelle: Uvek)<br />

bis 2017/2019<br />

HAA bis<br />

2040/2048<br />

SMA ab 2030<br />

HAA ab 2040


Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

In einer zweiten Etappe haben <strong>die</strong> Standortregionen <strong>die</strong> Möglichkeit, bei der Konkretisierung<br />

der Lagerprojekte sowie den Untersuchungen der sozioökonomischen und raumplanerischen<br />

Auswirkungen mitzuarbeiten. Zudem werden <strong>die</strong> Standorte sicherheitstechnisch<br />

verglichen. Am Ende <strong>die</strong>ser Etappe schlägt <strong>die</strong> Nagra pro Abfallkategorie<br />

mindestens zwei konkrete Standorte vor.<br />

In der dritten Etappe werden <strong>die</strong>se Standorte vertieft untersucht. Um einen gleichwertigen<br />

sicherheitstechnischen Kenntnisstand zu erhalten, sind gemäss des Eidgenössischen<br />

Departements <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) erdwissenschaftliche<br />

Untersuchungen – inklusive Son<strong>die</strong>rbohrungen – nötig.<br />

Am Ende des Verfahrens wird der Bundesrat <strong>die</strong> definitive Standortwahl treffen: entweder<br />

<strong>für</strong> je einen Standort <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive Abfälle und <strong>für</strong> hochradioaktive<br />

oder <strong>für</strong> einen gemeinsamen Standort <strong>für</strong> beide Abfallkategorien. Nach der<br />

Erteilung der Rahmenbewilligung durch den Bundesrat folgt <strong>die</strong> Genehmigung durch<br />

das Parlament und eine allfällige Volksabstimmung, falls das fakultative Referendum<br />

gegen <strong>die</strong> Rahmenbewilligung ergriffen wird.<br />

Verfahren zur Standortwahl ist angelaufen<br />

Am 2. April 2008 hat der Bundesrat den Konzeptteil des Sachplans geologische Tiefenlager<br />

verabschiedet. Zentrale Punkte des Sachplans sind:<br />

• Der Bund übernimmt bei der Festlegung der Standorte <strong>die</strong> Führungsrolle.<br />

• Oberste Priorität bei der Wahl der Standorte hat <strong>die</strong> langfristige Sicherheit von Mensch<br />

und Umwelt. Die Auswirkungen an der Oberfläche – <strong>die</strong> sozioökonomischen und<br />

raumplanerischen Aspekte – werden ebenfalls berücksichtigt.<br />

• Die gewählten Standorte müssen so beschaffen sein, dass eine spätere Kapazitäts-<br />

erweiterung der Tiefenlager möglich ist, falls in der <strong>Schweiz</strong> neue Kernkraftwerke<br />

gebaut werden.<br />

• Die Kosten werden von den Verursachern getragen.<br />

Gegenwärtig steht <strong>die</strong> erste Etappe des Sachplans in der Umsetzung. Am 26. Februar<br />

2010 hat das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) sein Gutachten zu den<br />

von der Nagra vorgeschlagenen sechs Standortgebieten (siehe Abb. 4.9) veröffentlicht.<br />

Die Behörde bescheinigt darin der Nagra gute Arbeit – eine Beurteilung, der auch <strong>die</strong><br />

vom Bund eingesetzten Kommissionen <strong>für</strong> nukleare Sicherheit (KNS) und nukleare Entsorgung<br />

(KNE) wie auch <strong>die</strong> Experten des deutschen Bundesministeriums <strong>für</strong> Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit teilen. Massgebend <strong>für</strong> <strong>die</strong> Vorschläge der Nagra war<br />

ausschliesslich <strong>die</strong> Eignung der Geologie.<br />

Am Ende <strong>die</strong>ser ersten Etappe – voraussichtlich Mitte 2011 – wird der Bundesrat <strong>die</strong>se<br />

möglichen Standortgebiete oder eine Auswahl von ihnen bestätigen. Diese Gebiete gehen<br />

dann in <strong>die</strong> nächste Etappe.<br />

Die Standortwahl wird nach Schätzung des Uvek rund zehn Jahre dauern. Ziel ist gemäss<br />

Uvek, im Jahr 2030 ein Lager <strong>für</strong> schwach- und mittelradioaktive Abfälle und 2040<br />

ein Lager <strong>für</strong> hochradioaktive Abfälle in Betrieb zu nehmen.<br />

Abb. 4.13: Zeitplan des Uvek <strong>für</strong> <strong>die</strong> Inbetriebnahme der Tiefenlager<br />

37<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


38<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Aufgabe der heutigen Generation<br />

Die Entsorgung der nuklearen Abfälle liegt in der Verantwortung der heutigen Generation,<br />

<strong>die</strong> den Nutzen aus der nuklearen Stromproduktion hat. Wir haben <strong>die</strong> Abfälle so zu<br />

entsorgen, dass künftige Generationen keine Lasten mehr zu tragen haben. Wie das gemacht<br />

werden kann, hat <strong>die</strong> Nagra gezeigt. Wir müssen es jetzt ganz einfach tun.<br />

Finanziell werden <strong>die</strong> kommenden Generationen nicht belastet, da <strong>die</strong> Entsorgung von<br />

den heutigen Nutzern bezahlt wird (siehe Abb. 2.9). Auch nach der Einlagerung bleiben<br />

<strong>die</strong> Abfälle rückholbar. Ob und wann <strong>die</strong> Tiefenlager definitiv verschlossen werden,<br />

werden unsere Nachkommen entscheiden.<br />

Sicherheit: Vorsorge <strong>für</strong> den schlimmsten anzunehmenden Fall<br />

Eine umfassende Stu<strong>die</strong> des zum ETH-Bereich gehörenden Paul Scherrer Instituts zeigt,<br />

dass in den westlichen Industrieländern <strong>die</strong> Wasserkraft und <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong> sichersten<br />

Energiesysteme überhaupt sind. Bei der <strong>Kernenergie</strong> wird <strong>die</strong>s erreicht:<br />

• erstens durch <strong>die</strong> sorgfältige Ausführung von Planung, Bau und Betrieb der Anlagen<br />

mit dem Ziel, dass Störungen möglichst gar nicht auftreten<br />

• zweitens wurden unsere Kernkraftwerke so gebaut, dass Störfälle, <strong>die</strong> nach menschlichem<br />

Ermessen nicht auszuschliessen sind, durch <strong>die</strong> Sicherheitssysteme ohne Gefährdung<br />

von Mensch und Umwelt beherrscht werden können<br />

• drittens verfügen unsere Kernkraftwerke über mehrere Barrieren gegen den Austritt<br />

von Radioaktivität. Sie sind wie <strong>die</strong> berühmten russischen Holzpuppen ineinander geschachtelt<br />

und sie verhindern, dass <strong>die</strong> Radioaktivität aus dem Kernbrennstoff in <strong>die</strong><br />

Umwelt gelangt.<br />

Abb. 4.14: Das Prinzip der Mehrfachbarrieren<br />

Ein gleichzeitiges Versagen all <strong>die</strong>ser Systeme ist höchst unwahrscheinlich. Zudem sind<br />

unsere Reaktoren so konstruiert, dass auch bei einem schweren Störfall <strong>die</strong> Be<strong>die</strong>nungsmannschaft<br />

Zeit zum Eingreifen hat. Aber auch heute, nach weltweit über 12’000 Reaktorbetriebsjahren,<br />

arbeiten Wissenschafter und Ingenieure daran, <strong>die</strong> Kernkraftwerke<br />

noch sicherer zu machen.<br />

Abb. 4.14<br />

Das Prinzip der Mehrfachbarrieren<br />

1. Barriere: dicht verschweisste Hüllrohre<br />

2. Barriere: Reaktordruckbehälter aus extrem<br />

dickwandigem Spezialstahl<br />

3. Barriere: Betonkammer, «biologischer Schild»<br />

4. Barriere: druckfeste Sicherheitshülle aus Stahl<br />

5. Barriere: Reaktorgebäude aus meterdickem Beton<br />

Quelle: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>, 2007<br />

Kernbrennstoff<br />

Tritt an einer Barriere ein Leck auf, sorgen <strong>die</strong> übrigen weiterhin <strong>für</strong> Sicherheit<br />

3<br />

2<br />

4<br />

5<br />

1


Zusatzinformationen: Unfälle und Zwischenfälle in Kernkraftwerken<br />

• Tschernobyl (Ukraine), 26. April 1986: Ursache <strong>die</strong>ses schwerwiegenden Unfalls waren<br />

gravierende Mängel im Konstruktionsprinzip des Kernkraftwerks, durch <strong>die</strong> ein schwerer<br />

Fehler der Be<strong>die</strong>nungsmannschaft zur Zerstörung des Reaktors führte. Durch den anschliessenden<br />

wochenlangen Brand des <strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Reaktortyp benötigten Graphits wurden<br />

grosse Mengen radioaktiver Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt freigesetzt. Mehrere hintereinander<br />

gestaffelte Barrieren gegen den Austritt von radioaktiven Stoffen gibt es bei <strong>die</strong>sem Kraftwerkstyp<br />

nicht. Der Unfall in Tschernobyl wurde von der Internationalen Atomenergie-<br />

Organisation (IAEO) nachträglich der höchsten Stufe 7 der inter nationalen Störfallbewertungsskala<br />

(INES) zugeordnet. Eine Anlage wie in Tschernobyl wäre in der <strong>Schweiz</strong> nie<br />

bewilligt worden. Ausserhalb der ehemaligen Sowjetunion wurden keine Kernkraftwerke<br />

des Tschernobyl-Typs gebaut.<br />

• Three Mile Island (bei Harrisburg, Pennsylvania), 28. März 1979: Dieser Unfall fand<br />

in einem amerikanischen Kernkraftwerk statt, das mit den unseren vergleichbar ist.<br />

Ausgelöst wurde er durch technisches Versagen und einer Fehlbe<strong>die</strong>nung der Betriebsmannschaft.<br />

Dabei schmolz ein Teil des Kernbrennstoffs. In <strong>die</strong> Umwelt gelangten jedoch<br />

nur unwesentliche Mengen radioaktiver Stoffe. Die bei westlichen Kernkraftwerken üblichen<br />

Sicherheitsbarrieren bewährten sich. Der Unfall in Three Mile Island wurde von der<br />

Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) nachträglich der Stufe 5 auf der siebenstufigen<br />

internationalen Störfallbewertungsskala (INES) zugeordnet.<br />

• Lucens (Kanton Waadt), 21. Januar 1969: In einer unterirdischen Kaverne hatte <strong>die</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>er Industrie mit Unterstützung des Bundes einen Schwerwasser-Versuchsreaktor<br />

gebaut, um neue konstruktive Lösungen zu erproben. Wegen Materialproblemen an den<br />

Umhüllungsrohren einiger Brennstäbe kam es zu einer teilweisen Kernschmelze. Dabei<br />

wurden jedoch weder ins Gewicht fallende Mengen radioaktiver Stoffe in <strong>die</strong> Umwelt freigesetzt,<br />

noch wurden <strong>die</strong> sehr strengen Grenzwerte <strong>für</strong> das Betriebspersonal überschritten.<br />

Die vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen bewährten sich. Der Unfall in Lucens würde<br />

heute von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) wahrscheinlich auf<br />

der Stufe 4 auf der internationalen Störfallbewertungsskala (INES) eingeordnet.<br />

Die Versuchsanlage Lucens ist inzwischen vollständig abgebaut worden. Da dort keinerlei<br />

Gefahrenstoffe mehr vorhanden sind, ist <strong>die</strong> Anlage Ende 2004 aus der atomrechtlichen<br />

Aufsicht des Bundes entlassen worden. Die radioaktiven Abfälle aus Lucens befinden sich<br />

heute im Zwischenlager in Würenlingen (Kanton Aargau).<br />

• Forsmark (Schweden), 25. Juli 2006: Als Folge eines Kurzschlusses ausserhalb der Anlage<br />

fielen im Block Forsmark-1 <strong>die</strong> Stromversorgung und anschliessend zwei von vier Notstrom<strong>die</strong>seln<br />

aus. Nach rund 20 Minuten setzte <strong>die</strong> Betriebsmannschaft <strong>die</strong> beiden Diesel<br />

manuell wieder in Gang. Anders als in einigen Me<strong>die</strong>n berichtet, drohte zu keinem Zeitpunkt<br />

ein Kernschmelzschaden, da <strong>die</strong> Reaktorkühlung immer sichergestellt war. Die Betriebsmannschaft<br />

wurde von der Aufsichtsbehörde <strong>für</strong> ihr Verhalten ausdrücklich gelobt.<br />

Schäden entstanden keine, weder im Kraftwerk noch in der Umwelt. Die bei westlichen<br />

Kernkraftwerken üblichen Sicherheitsvorkehrungen bewährten sich. Der Zwischenfall<br />

deckte jedoch einen ernsthaften Fehler im elektrischen Teil der Anlage auf, der inzwischen<br />

beseitigt worden ist. Zwischenfälle <strong>die</strong>ser Art – der Zwischenfall in Forsmark wurde von<br />

der IAEO auf der siebenstufigen internationalen Störfallbewertungsskala (INES) der Stufe<br />

2 zugeordnet – sind in westlichen Kernkraftwerken sehr selten.<br />

Wichtig ist, dass nach solchen Ereignissen durch internationalen Erfahrungsaustausch<br />

überall <strong>die</strong> Lehren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Auslegung der Kernanlagen, den Betrieb und <strong>die</strong> Ausbildung der<br />

Mitarbeiter gezogen werden.<br />

39<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


40<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Teil 4 Vorbehalte gegenüber <strong>Kernenergie</strong><br />

Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand<br />

In der westlichen Welt ist bei der friedlichen Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> noch nie ein Unfall<br />

passiert, bei dem <strong>die</strong> Umwelt oder <strong>die</strong> Bevölkerung zu Schaden gekommen wären.<br />

Wichtig ist aber, dass <strong>die</strong>se Sicherheitskultur immer wieder überprüft und gelebt wird.<br />

In den letzten Jahrzehnten hat weltweit <strong>die</strong> Zuverlässigkeit der Kernkraftwerke laufend<br />

zugenommen. Modernisierungen erhöhen <strong>die</strong> Sicherheit noch weiter. Denn Sicherheit<br />

und Unternehmensgewinn gehen Hand in Hand: Nur eine sichere Anlage ist auch eine<br />

wirtschaftliche Anlage.<br />

Geschützt gegen Terrorangriffe<br />

Die Gefahr von Terroranschlägen ist bei den <strong>Schweiz</strong>er Kernanlagen von der Planungsphase<br />

an berücksichtigt worden. Nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 in den<br />

USA haben <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Aufsichtsbehörden <strong>die</strong> Sicherheit der Kernkraftwerke gegen<br />

Angriffe mit grossen Verkehrsflugzeugen umfassend überprüft. Die Ergebnisse zeigen:<br />

Für <strong>die</strong> neueren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt kann nahezu ein Vollschutz nachgewiesen<br />

werden. Aber auch <strong>die</strong> älteren Anlagen Beznau und Mühleberg verfügen über<br />

einen hohen Schutzgrad, vor allem wegen den bereits vor den Ereignissen in New York<br />

nachgerüsteten, speziell gebunkerten Notstandssystemen. Bei den Kernkraftwerken, <strong>die</strong><br />

heute gebaut werden, wird der Schutz gegen Flugzeugabsturz nochmals verbessert.<br />

Geschützt gegen starke Erdbeben<br />

Die schweizerischen Kernkraftwerke sind so geplant, gebaut und nachgerüstet worden,<br />

dass sie auch schweren Erdbeben widerstehen können. Für sie – wie auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Staumauern<br />

– gelten weitaus strengere Bestimmungen als <strong>für</strong> Normalbauten. Die Kernkraftwerke<br />

gehören daher zu den erdbebensichersten Bauten der <strong>Schweiz</strong>. Durch sicheres Bauen und<br />

<strong>die</strong> sorgfältige Wahl des Baugrunds können Kernkraftwerke auch sehr starke Beben ohne<br />

wesentliche Schäden überstehen. Das belegen <strong>die</strong> Erfahrungen aus Japan und Kalifornien.<br />

Zusatzinformationen: Erdbebensicherheit von Kernanlagen<br />

Wie in anderen Ländern sind auch in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> Betreiber und <strong>die</strong> Aufsichtsbehörden<br />

bestrebt, <strong>die</strong> Sicherheit der Kernkraftwerke im Licht des Wissensfortschritts laufend zu überprüfen.<br />

So haben <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerksbetreiber 1999 das Projekt «Pegasos» lanciert<br />

und bisher rund 10 Mio. Franken investiert. Im Rahmen von «Pegasos» wird <strong>die</strong> Gefährdung<br />

nach den fortschrittlichsten Methoden neu bestimmt. Das Projekt hat zum Ziel, <strong>die</strong> Auswirkungen<br />

auch von äusserst seltenen Beben abzuschätzen, <strong>die</strong> mit einer Wahrscheinlichkeit<br />

von einmal in 10 Millionen Jahren auftreten. Dazu wurden Erdwissenschafter und Inge-<br />

nieure aus dem In- und Ausland beigezogen.<br />

Mit «Pegasos» hat <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> Neuland betreten. Es handelt sich um <strong>die</strong> bisher einzige Stu<strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>ser Art in Europa. Sie wird gegenwärtig verfeinert. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse<br />

fliessen laufend in <strong>die</strong> Verbesserung der Bausubstanz der Kernkraftwerke ein, in dem sie bei<br />

Nachrüstungen und Neubauten systematisch berücksichtigt werden.<br />

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgends<br />

Heute ist <strong>die</strong> Kerntechnik – wie <strong>die</strong> Automobiltechnik – eine reife Technik, <strong>die</strong> sich<br />

durch hohe Zuverlässigkeit auszeichnet. Ein schwerer Unfall in einem unserer Kernkraftwerke,<br />

bei dem grosse Mengen an Radioaktivität freigesetzt werden könnten, ist<br />

äusserst unwahrscheinlich.


Aber kein seriöser Ingenieur würde behaupten, dass das Risiko exakt Null ist. Hundertprozentige<br />

Sicherheit gibt es nirgends. Stets gilt es, Risiken realistisch gegeneinander<br />

abzuwägen. Bei einem Verzicht auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> müssten wir andere, viel grössere<br />

Risiken bei Versorgungssicherheit, Arbeitsplätzen, Luftverschmutzung und Klimawandel<br />

eingehen. Dazu ein Zitat aus der internationalen Wirtschaftszeitung «Economist» vom<br />

April 2006: «Wer auch kleinste Risiken vermeiden will, kann erleben, dass er da<strong>für</strong> deutlich<br />

grössere in Kauf nehmen muss.»<br />

Haftpflicht: Gesetzesrevision in der <strong>Schweiz</strong><br />

Bei der Haftung im Bereich der <strong>Kernenergie</strong> kennt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eine der weltweit fortschrittlichsten<br />

Gesetzgebungen. Der Inhaber einer Kernanlage haftet grundsätzlich unbegrenzt<br />

und unabhängig von der Schuldfrage. Das schweizerische <strong>Kernenergie</strong>haftpflichtgesetz<br />

ist kürzlich überarbeitet worden. Die im Juni 2008 vom Parlament verabschiedete<br />

Revision wird unter anderem dazu benützt, das Gesetz mit den ebenfalls<br />

revi<strong>die</strong>rten internationalen Haftungs-Übereinkommen zu harmonisieren. Bei Inkrafttreten<br />

der Gesetzesrevision wird in der <strong>Schweiz</strong> <strong>die</strong> obligatorische Versicherungsdeckung<br />

durch den Anlageninhaber von heute einer Milliarde Franken auf 1,8 Mrd. Franken erhöht<br />

(plus 10 % <strong>die</strong>ses Betrages <strong>für</strong> Zinsen und Verfahrenskosten). Dazu kommt eine<br />

Tranche von 450 Mio. Franken, <strong>die</strong> von den Vertragsstaaten gemeinsam nach einem bestimmten<br />

Schlüssel aufgebracht werden.<br />

Kernkraftwerke sind keine Atombomben<br />

Kernkraftwerke sind keine Atombomben, auch keine gebändigten. Eine Explosion wie<br />

in einer Atombombe ist in einem Kernkraftwerk aus physikalischen Gründen ausgeschlossen.<br />

Es handelt sich um völlig unterschiedliche Technologien, <strong>die</strong> aber beide auf<br />

dem Prinzip der Kernspaltung basieren.<br />

Tatsache ist, dass das Image der <strong>Kernenergie</strong> unter <strong>die</strong>ser Verbindung leidet. Dies hat<br />

historische Ursachen: Die Kernspaltung wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs<br />

entdeckt. Der Krieg führte dazu, dass <strong>die</strong> Atombombe Vorrang hatte und <strong>die</strong> friedliche<br />

Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> erst über ein Jahrzehnt später an <strong>die</strong> Hand genommen wurde.<br />

Kernkraftwerke sind keine Bombenfabriken<br />

Die <strong>Schweiz</strong> hat den internationalen Atomsperrvertrag aus dem Jahr 1970 unterzeichnet.<br />

Dieser hat zum Ziel, <strong>die</strong> Weiterverbreitung von Kernwaffen zu verhindern. Zu <strong>die</strong>sem<br />

Zweck hat <strong>die</strong> Internationale Atomenergie-Organisation IAEO in Wien ein Kontrollsystem<br />

aufgebaut, um zu überprüfen, ob ein Staat Kernmaterial oder nukleare Ausrüstungen<br />

zweckentfremdet. Die <strong>Schweiz</strong> und zahlreiche weitere <strong>Kernenergie</strong>länder halten<br />

sich strikt an <strong>die</strong>sen Vertrag.<br />

Für <strong>die</strong> Herstellung von Material <strong>für</strong> Atombomben sind Kernkraftwerke ungeeignet. Die<br />

Kernwaffenstaaten tun <strong>die</strong>s ausschliesslich in speziell da<strong>für</strong> gebauten Anlagen. Sie kümmern<br />

sich nicht darum, ob wir in der <strong>Schweiz</strong> Kernkraftwerke betreiben oder nicht. Ein<br />

Verzicht auf <strong>die</strong> zivile Nutzung der <strong>Kernenergie</strong> – in der <strong>Schweiz</strong> oder in anderen Ländern<br />

– hätte keinen Einfluss auf <strong>die</strong> militärische Anwendung.<br />

41<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


42<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

USA<br />

Kanada<br />

2<br />

Mexiko<br />

1<br />

104<br />

22<br />

1<br />

2<br />

Quelle: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>, 2010<br />

Abb. 5.1<br />

Abb. 5.2<br />

Abb. 5.3<br />

1<br />

2<br />

Brasilien<br />

Argentinien<br />

2007 Erdöl<br />

5,6 %<br />

Erdgas<br />

20,9 %<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

13,8 %<br />

15,6 %<br />

Wasserkraft<br />

2,6 %<br />

Geothermie,<br />

Sonne, Wind,<br />

Biomasse und<br />

Abfälle<br />

Kohle<br />

41,5 %<br />

2<br />

Kernkraftwerke der Welt<br />

Armenien<br />

1 China<br />

Iran<br />

1 1<br />

2<br />

Pakistan<br />

4<br />

19<br />

Südafrika<br />

12 Russland<br />

31<br />

In<strong>die</strong>n<br />

24<br />

11<br />

2<br />

6<br />

Taiwan<br />

6<br />

20<br />

2<br />

54<br />

Japan<br />

Südkorea<br />

F<br />

1<br />

58<br />

1971 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005<br />

GB<br />

19<br />

10<br />

Stand: 1. Juli 2010<br />

Kernkraftwerke in Betrieb: 442<br />

Gesamtleistung: ca. 373’500 MW<br />

Anteil an der weltweiten<br />

Stromproduktion 2009: ca.13%<br />

Kernkraftwerke im Bau: 61<br />

Gesamtleistung: ca. 59’400 MW<br />

1<br />

S 4 FIN<br />

NL<br />

1<br />

B<br />

7<br />

6<br />

D<br />

17<br />

SK<br />

CZ 2<br />

4<br />

UKR<br />

15<br />

E<br />

8<br />

5<br />

4<br />

1<br />

CH<br />

SLO H<br />

RO<br />

2<br />

2<br />

2<br />

BG<br />

Weltweite Stromproduktion 1971– 2007<br />

Weltweit steigt <strong>die</strong> Stromerzeugung in Kohle- und Gaskraftwerken stark an.<br />

40% des CO2-arm produzierten Stroms stammen heute aus Kernkraftwerken.<br />

10<br />

Mrd.<br />

Tonnen<br />

CO2<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1970<br />

Weltweite CO2-Emissionen 1970 – 2004<br />

1975<br />

1980<br />

1985<br />

1990<br />

1995<br />

2000<br />

2004<br />

Stromproduktion<br />

20’000<br />

15’000<br />

10’000<br />

5000<br />

0<br />

Terawattstunden (TWh)<br />

Quelle: OECD/IEA, 2009<br />

Industrie (ohne Zement)<br />

Strassenverkehr<br />

Haushalte und Dienstleistungen<br />

Abholzung<br />

Andere<br />

Raffinerien etc.<br />

Internationaler Verkehr<br />

Quelle: Intergovernmental<br />

Panel on Climate Change (IPCC);<br />

Fourth Assessment Draft Report, 2007<br />

Die Zunahme der CO2-Emissionen stammt vor allem aus fossil befeuerten Kraftwerken


Teil 5<br />

Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

Weltweit stammt ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken<br />

Mitte 2010 umfasste der zivile Nuklearpark 442 Kernkraftwerke in 30 Ländern. Allein in<br />

Europa westlich des Urals stehen rund 190 Anlagen in Betrieb. Zudem befanden sich<br />

Mitte 2010 weltweit 61 Einheiten im Bau und <strong>für</strong> mehr als hundert Anlagen liegen konkrete<br />

Projekte vor. Die <strong>Kernenergie</strong> ist alles andere als ein Auslaufmodell.<br />

Abb. 5.1: Kernkraftwerke der Welt<br />

Weltweit stammt rund ein Siebentel des Stroms aus Kernkraftwerken. Das ist fast gleich<br />

viel wie aus den Wasserkraftwerken. Insgesamt wird rund ein Drittel des globalen<br />

Stroms CO2-arm produziert, rund <strong>die</strong> Hälfte davon aus <strong>Kernenergie</strong>. Ein Verzicht auf <strong>die</strong><br />

<strong>Kernenergie</strong> macht weder ökonomisch noch ökologisch Sinn.<br />

Abb. 5.2: Weltweite Stromproduktion<br />

Der globale Energiehunger nimmt zu<br />

In letzter Zeit ist weltweit das Interesse an der <strong>Kernenergie</strong> wieder erwacht. Das hat<br />

handfeste Gründe:<br />

• Die Kernkraftwerke aus dem Boom der 1970er-Jahre nähern sich in absehbarer Zeit<br />

dem Ende ihrer wirtschaftlichen Betriebsdauer und müssen ersetzt werden.<br />

• Die Nachfrage nach Strom nimmt weltweit laufend zu, besonders in bevölkerungs-<br />

reichen Schwellenländern wie China und In<strong>die</strong>n – aber auch in der <strong>Schweiz</strong>. Gemäss<br />

den Schätzungen der Internationalen Energie-Agentur (IEA) der OECD dürfte sich <strong>die</strong><br />

weltweite Stromnachfrage bis 2050 mindestens verdoppeln.<br />

• Die steigenden Preise <strong>für</strong> Erdöl und Erdgas machen <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> wirtschaftlich<br />

noch attraktiver.<br />

• Die Klimaschutzpolitik spricht <strong>für</strong> <strong>die</strong> praktisch treibhausgasfreie, umweltschonende<br />

<strong>Kernenergie</strong>. Denn <strong>die</strong> Zunahme der weltweiten CO2-Emissionen stammt vor allem<br />

von der Stromproduktion aus Kohle, Öl- und Gaskraftwerken. Dieser Sachverhalt ist<br />

ein ganz zentrales Problem in der Klimafrage.<br />

Abb. 5.3: Weltweite CO2-Emissionen<br />

Klima: Die <strong>Kernenergie</strong> ist Teil der Lösung<br />

Beim heutigen Stand der Nukleartechnik kann <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> allein das Klimaproblem<br />

nicht lösen. Der Verzicht auf <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> erschwert <strong>die</strong> Lösung jedoch massiv. Es ist<br />

sinnvoll, dass <strong>die</strong> Länder mit Erfahrung mit der <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong>se anspruchsvolle Technologie<br />

weiter nutzen und damit den Handlungsspielraum der Länder der Dritten Welt<br />

bei den fossilen Energien erhöhen. Aus <strong>die</strong>sem Grund führt der Weltklimarat der Uno<br />

(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) in seinem 2007 veröffentlichten<br />

vierten Lagebericht neben den erneuerbaren Energien ausdrücklich auch <strong>die</strong> Kern-<br />

energie als Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems auf.<br />

43<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


44<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 5.4<br />

Szenario <strong>für</strong> eine weltweite Stromversorgung im Jahr 2050<br />

Zielsetzung: Reduktion der<br />

weltweiten CO2-Emissionen<br />

auf <strong>die</strong> Hälfte gegenüber heute<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> ist<br />

Teil der Lösung.<br />

neue<br />

Erneuerbare<br />

Quelle: NEA / IEA, Technology Roadmap Nuclear Energy, 2010<br />

Wasserkraft<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

Erdgas<br />

Erdöl<br />

Kohle<br />

ca. 40 000 TWh<br />

ca.<br />

20 000 TWh<br />

Abb. 5.5 Baustelle des weltweit ersten EPR in Olkiluoto, Finnland<br />

Quelle: Eurostat, 2009<br />

Abb. 5.6<br />

Erdgas<br />

21,6 %<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

27,8 %<br />

2007 2050<br />

Strommix der EU-27 im Jahr 2007<br />

Erdöl 3,3 %<br />

10,2 %<br />

Wasserkraft<br />

Kohle<br />

29,4 %<br />

Geothermie 0,2 %<br />

Sonne 0,1 %<br />

Biomasse 3,0 %<br />

Wind 3,1 %<br />

andere 1,3 %<br />

andere<br />

Sonne<br />

Wind<br />

Biomasse /Abfälle<br />

Wasserkraft<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

Erdgas + CCS<br />

Erdgas<br />

Erdöl<br />

Kohle + CCS<br />

CCS:<br />

CO2-Abscheidung<br />

und -Speicherung<br />

In der EU stammt mehr<br />

als <strong>die</strong> Hälfte des Stroms<br />

aus fossilen Kraftwerken<br />

Foto: TVO


Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

In ihrer jüngsten Roadmap vom Juni 2010 stellen <strong>die</strong> Internationale Energie-Agentur<br />

(IEA) und <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>-Agentur (NEA) der OECD ein Szenario vor, wie bis 2050 <strong>die</strong><br />

weltweiten CO2-Emissionen auf <strong>die</strong> Hälfte gegenüber heute reduziert werden könnten.<br />

Um das zu erreichen, schlagen <strong>die</strong> beiden Agenturen den massiven Ausbau der erneuerbaren<br />

Energien vor, begleitet vom Ausbau der <strong>Kernenergie</strong> auf mehr als das Dreifache.<br />

Laut <strong>die</strong>ser Stu<strong>die</strong> ist es technisch machbar, bis ins Jahr 2050 den Anteil der <strong>Kernenergie</strong><br />

in der weltweiten Stromversorgung von heute rund 13 % auf gegen 25 % zu steigern.<br />

Abb. 5.4: Klimafreundliches Szenario der OECD<br />

Russland und Asien setzen auf <strong>Kernenergie</strong><br />

Gegenwärtig verfolgen vor allem Russland, In<strong>die</strong>n und China ehrgeizige Ausbaupläne<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. In den kommenden Jahren will Russland jährlich zwei Neubauten<br />

in Betrieb nehmen, um mehr Erdgas zu guten Preisen nach Westeuropa exportieren zu<br />

können. In Ost- und Südasien stehen heute über drei Dutzend Einheiten im Bau. Mitte<br />

2010 befanden sich allein in China 24 Kernkraftwerke in der Bauphase (siehe Abb. 5.1)<br />

und zahlreiche weitere standen vor dem Baubeginn.<br />

USA: zahlreiche Baugesuche eingereicht<br />

In den USA hat der Kongress im Sommer 2005 ein neues Energiegesetz verabschiedet,<br />

das neben der Förderung der erneuerbaren Energien auch <strong>die</strong> Tür <strong>für</strong> neue Kernkraftwerke<br />

weit öffnet. Aktuell verfolgen mehr als ein Dutzend Firmen und Konsortien Pläne<br />

zum Bau von 22 Kernkraftwerken. Präsident Barack Obama unterstützt ausdrücklich<br />

den Ausbau der <strong>Kernenergie</strong>.<br />

Neubauten und Neubaupläne in Europa<br />

In Europa hat zuletzt Rumänien im Jahr 2007 ein neues Kernkraftwerk in Betrieb genommen.<br />

In Finnland steht das fünfte Kernkraftwerk des Landes im Bau, und anfangs<br />

Juli 2010 hat das finnische Parlament grünes Licht <strong>für</strong> den Bau von zwei weiteren Einheiten<br />

gegeben. In Frankreich wurde Ende 2007 in der Norman<strong>die</strong> ebenfalls mit dem<br />

Bau eines Kernkraftwerks der jüngsten Generation begonnen. In der Slowakei und in<br />

Bulgarien werden zwei vor längerer Zeit angefangene Kernkraftwerke fertig gebaut.<br />

Abb. 5.5: Neue Kernkraftwerke in Westeuropa<br />

Projekte <strong>für</strong> den Ersatz bzw. den Neubau von Kernkraftwerken gibt es gegenwärtig in<br />

Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Litauen, in den Niederlanden, Polen,<br />

Rumänien, Schweden (der schwedische Ausstiegsbeschluss ist im Juni 2010 vom Parlament<br />

aufgehoben worden), in der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Weissrussland,<br />

in der Ukraine, Ungarn und in der <strong>Schweiz</strong>.<br />

EU-Parlament: <strong>Kernenergie</strong> unverzichtbar<br />

In der EU stammen gegenwärtig rund 28 % des Stroms aus Kernkraftwerken. Im Januar<br />

2007 hat sich <strong>die</strong> EU-Kommission klar <strong>für</strong> <strong>die</strong> Verlängerung der Betriebsdauer der bestehenden<br />

Kernkraftwerke und <strong>für</strong> Neubauten ausgesprochen. Und am 24. Oktober 2007<br />

hat das Europäische Parlament mit deutlicher Mehrheit (509 gegen 153 Stimmen und<br />

30 Enthaltungen) einen Bericht angenommen, der festhält, dass <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> Versorgungssicherheit der EU und den Klimaschutz unverzichtbar ist.<br />

Abb. 5.6: Strommix der EU-27<br />

45<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


46<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 5.7<br />

Foto: PSI<br />

Abb. 5.8.<br />

Realitätsnahe Sicherheitstests im Grossmassstab<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> dritte Reaktorgeneration: Versuchsanlage<br />

«Panda» im Paul Scherrer Institut in Villigen /<br />

Würenlingen


Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

Zusatzinformation zum Kernkraftwerkbau<br />

Wie schnell mit entsprechendem politischem Willen <strong>die</strong> Kerntechnik entwickelt werden kann,<br />

zeigt das Beispiel Frankreichs: Als Antwort auf <strong>die</strong> Ölkrise der 1970er-Jahre nahm unser<br />

Nachbarland in den zehn Jahren von 1977 bis 1986 nicht weniger als 42 (!) grosse Kernkraftwerke<br />

in Betrieb.<br />

Die Kernkraftwerke der dritten Generation stehen bereit<br />

Wie jede andere Technik entwickelt sich <strong>die</strong> zivile Kerntechnik laufend weiter. Fachleute<br />

unterscheiden heute vier Generationen. Die heute in der <strong>Schweiz</strong> in Betrieb stehenden<br />

Anlagen gehören zur zweiten Generation, <strong>die</strong> sich im industriellen Alltagseinsatz<br />

bewährt hat. Durch sorgfältige Wartung und laufende Erneuerungen kann <strong>die</strong> Betriebsdauer<br />

<strong>die</strong>ser zuverlässigen Anlagen deutlich verlängert werden.<br />

In den vergangenen Jahrzehnten ist <strong>die</strong> Entwicklung fortgeschrittener Reaktor typen<br />

einer neuen, dritten Generation weltweit vorangetrieben worden. Im Zentrum steht <strong>die</strong><br />

weitere Verbesserung von Sicherheit, Ressourcenschonung und Wirtschaftlichkeit. Die<br />

Kernkraftwerke der dritten Generation sind heute marktreif und bilden <strong>die</strong> Grundlage<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Neubauten der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Die beiden ersten fortgeschrittenen<br />

Kernkraftwerke haben 1996 und 1997 in Japan den Betrieb aufgenommen, und<br />

viele der gegenwärtig weltweit im Bau oder in Planung befindlichen Kernkraftwerke gehören<br />

<strong>die</strong>ser Generation an.<br />

Abb. 5.7: Schematische Darstellung der Weiterentwicklung der Kernkraftwerke<br />

Dritte Generation: effizienter, wirtschaftlicher und noch sicherer<br />

Die Entwicklung von Reaktorsystemen der dritten Generation begann bereits in den<br />

1980er-Jahren. In vielen Fällen handelt es sich um <strong>die</strong> Weiterentwicklung der zuverlässigen<br />

Reaktortypen der zweiten Generation. Dieses evolutionäre Vorgehen ermöglicht es<br />

den Konstrukteuren, den allgemeinen technischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte mit<br />

den praktischen Erfahrungen aus über 12 000 Reaktorbetriebsjahren zu verbinden. Die<br />

Kraftwerke der dritten Generation zeichnen sich aus durch:<br />

• mehr Effizienz durch einen geringeren Bedarf an Natururan pro produzierte Kilowattstunde<br />

• verbesserte Wirtschaftlichkeit durch standardisierte und robuste Konstruktionsweisen,<br />

was Bewilligungsfristen, Bauzeit und Kapitalkosten reduziert<br />

• noch grössere Sicherheit durch Weiterentwicklung der Technik.<br />

Ein zentrales Kriterium <strong>für</strong> <strong>die</strong> Sicherheit ist <strong>die</strong> Eintretenswahrscheinlichkeit eines<br />

Kernschmelzschadens. In der <strong>Schweiz</strong> verlangt zurzeit der Gesetzgeber, dass <strong>die</strong>se geringer<br />

sein muss als eins zu hunderttausend pro Reaktorbetriebsjahr. Die Reaktorsysteme<br />

der dritten Generation unterbieten <strong>die</strong>se Vorgabe deutlich.<br />

An <strong>die</strong> Kernkraftwerke der dritten Generation stellen Konstrukteure und Behörden<br />

zudem den Anspruch, dass selbst im schlimmstmöglichen Störfall – so unwahrscheinlich<br />

er auch sein mag – <strong>die</strong> Auswirkungen auf <strong>die</strong> Anlage beschränkt bleiben, d.h. keine<br />

unzulässigen radioaktiven Freisetzungen in <strong>die</strong> Umwelt stattfinden. Durch entsprechende<br />

passive Systeme und bauliche Barrieren wird sichergestellt, dass <strong>die</strong> verbleibende<br />

Wärme ohne Beeinträchtigung der Umwelt abgeführt werden kann und <strong>die</strong> radioaktiven<br />

Stoffe eingeschlossen bleiben.<br />

Abb. 5.8: Sicherheitsforschung<br />

47<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


48<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 5.9 Der fortgeschrittene «passive» Druckwasserreaktor AP1000 aus den USA<br />

Abb. 5.10 Baustelle des weltweit ersten AP1000 in Sanmen, China<br />

Abb.5.11<br />

Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme beim EPR<br />

Effizienter,<br />

wirtschaftlicher,<br />

noch sicherer:<br />

Die dritte<br />

Generation von<br />

Kernkraftwerken<br />

steht bereit<br />

Quelle: Areva NP, 2007<br />

Dampferzeuger<br />

Flutbecken<br />

1 2 3 4<br />

Vier unabhängige<br />

Sicherheitssysteme<br />

1<br />

3<br />

2<br />

4<br />

Reaktorkern mit<br />

Brennelementen<br />

Doppel-<br />

Containment<br />

Ausbreitungsfläche<br />

<strong>für</strong> Kernschmelze<br />

Foto: Westinghouse<br />

Foto: Westinghouse


Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

Passive Sicherheitssysteme<br />

Eine innovative Entwicklung der letzten Jahrzehnte sind <strong>die</strong> sogenannten passiven Sicherheitssysteme.<br />

Sie basieren auf physikalischen Naturgesetzen wie beispielsweise der<br />

Schwerkraft. Im Unterschied zu aktiven Sicherheitssystemen benötigen passive Systeme<br />

keine Pumpen oder motorgetriebenen Ventile und erfüllen ihre Funktion ohne Energiezufuhr<br />

von aussen. Im Falle einer schweren Störung sind je nach Reaktortyp <strong>für</strong> 12 bis<br />

72 Stunden keine Eingriffe durch den Menschen nötig. Praktisch alle Reaktortypen der<br />

dritten Generation enthalten solche neuartigen Sicherheitssysteme.<br />

Anbieter in aller Welt<br />

Auf dem Weltmarkt bieten gegenwärtig Hersteller aus Europa, Nordamerika, Ostasien<br />

und Russland Reaktorsysteme der dritten Generation an. Bei den meisten handelt es sich<br />

um unterschiedlich innovative Weiterentwicklungen der sehr zuverlässigen und heute<br />

weit verbreiteten Leichtwasserreaktoren, wie sie auch in der <strong>Schweiz</strong> in Betrieb<br />

stehen.<br />

Zusatzinformationen zu den Leichtwasserreaktoren der dritten Generation<br />

Zu den Leichtwasserreaktoren der dritten Generation gehören unter anderen der von<br />

Westinghouse angebotene Druckwasserreaktor AP1000 (Advanced Passive Plant, elektrische<br />

Leistung ca. 1100 Megawatt) und <strong>die</strong> von General Electric / Hitachi entwickelten Siedewasserreaktoren<br />

ABWR (Advanced Boiling Water Reactor, 1350–1600 Megawatt) und ESBWR<br />

(Economic and Simplified Boiling Water Reactor, ca. 1500 Megawatt). Aus Europa stammen<br />

der französisch-deutsche fortgeschrittene Druckwasserreaktor EPR (1600 Megawatt) und<br />

der Siedewasserreaktor SWR1000 «Kerena» (1250 Megawatt) von Areva. Dazu kommt der<br />

etwas kleinere Druckwasserreaktor «Atmea 1» (1000–1150 Megawatt) von Areva/Mitsubishi.<br />

AP1000, ESBWR und SWR1000 zeichnen sich durch passive, von der Schwerkraft und der<br />

natürlichen Konvektion angetriebene Sicherheitssysteme aus, <strong>die</strong> ohne äussere Energiezufuhr<br />

funktionieren. Nach einer Schnellabschaltung könnten <strong>die</strong>se Anlagen während drei<br />

Tagen ohne Eingriff der Operateure sich selbst überlassen werden. Eine allfällige Kernschmelze<br />

kann im Reaktordruckgefäss zurückgehalten werden. Zudem vereinfacht das robuste<br />

Design den Bau und Betrieb <strong>die</strong>ser Reaktorsysteme.<br />

Abb. 5.9 und 5.10: Der AP1000<br />

Der Baubeginn des weltweit ersten AP1000 erfolgte im Frühjahr 2009 in China. Inzwischen<br />

stehen dort insgesmat vier AP1000 im Bau. In den USA sind über ein Dutzend Baugesuche<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Reaktortyp eingereicht worden. Für den ESBWR sind in den USA ebenfalls Baugesuche<br />

eingereicht worden.<br />

Vom europäischen Druckwasserreaktor EPR stehen gegenwärtig je eine Einheit in Finnland<br />

und in Frankreich sowie zwei Einheiten in China im Bau. In den USA sind zwei Baugesuche<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>sen Typ eingereicht worden. Beim EPR würde im höchst unwahrscheinlichen Fall eines<br />

Kernschmelzschadens der geschmolzene Kern auf einer speziellen Ausbreitungsfläche innerhalb<br />

des Reaktorgebäudes aufgefangen und <strong>die</strong> Wärme abgeführt. Zudem sind das Reaktorgebäude<br />

und zwei der vier Gebäude mit den voneinander unabhängigen Sicherheitssystemen<br />

mit je einer zweiten Betonschale zusätzlich gegen Flugzeugabstürze geschützt.<br />

Abb. 5.11: Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme beim EPR<br />

49<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


50<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Teil 5 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong><br />

Auch bei der Familie der Schwerwasserreaktoren, <strong>die</strong> im Unterschied zu den Leichtwasserreaktoren<br />

mit (nicht oder nur ganz schwach angereichertem) Natururan betrieben<br />

werden können, befinden sich Systeme der dritten Generation in Vorbereitung.<br />

So arbeitet <strong>die</strong> Atomic Energy of Canada gegenwärtig am ACR 1000 (Advanced Candu<br />

Reactor, ca. 1200 Megawatt). Auch In<strong>die</strong>n entwickelt einen fortgeschrittenen 300-Megawatt-Schwerwasser-Reaktor.<br />

In Entwicklung stehen zudem kleine, sehr innovative Reaktoren, <strong>die</strong> flexibel im Baukastensystem<br />

zu grossen Produktionseinheiten zusammengebaut werden können. In<br />

der industriellen Umsetzung bereits fortgeschritten ist der Kugelhaufenreaktor (Pebble<br />

Bed Modular Reactor). Dabei handelt es sich um einen gasgekühlten Hochtemperatur-<br />

Reaktor von 165 Megawatt elektrisch, der auf eine deutsche Entwicklung zurückgeht.<br />

Zudem befinden sich vorab in den USA und in Japan eine Reihe weiterer kleiner Reaktorsysteme<br />

in Entwicklung. Sie eignen sich <strong>für</strong> Stromnetze mit geringer Übertragungskapazität<br />

und kommen neben der Stromproduktion auch <strong>für</strong> weitere Anwendungen in<br />

Frage wie das Entsalzen von Meerwasser oder das Bereitstellen von Prozesswärme <strong>für</strong><br />

Industrieanlagen.<br />

Abb.5.12<br />

Aktuelle Informationen über <strong>die</strong> neuen Reaktorsysteme der dritten Generation und<br />

über den Stand ihrer Entwicklung und Zertifizierung finden sich auf der Website des<br />

<strong>Nuklearforum</strong>s <strong>Schweiz</strong> unter den Links «Fakten zur <strong>Kernenergie</strong>» � «Kernkraftwerke<br />

der dritten Generation» � «PDF herunterladen».<br />

Hochtemperaturreaktor der vierten Generation <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produktion<br />

von Strom und Wasserstoff (Very High Temperature Reactor, VHTR)<br />

Reaktor<br />

Wärmetauscher<br />

Kühlung<br />

Wasserstoff-Produktionsanlage<br />

Die Nukleartechnik hat ein grosses Zukunftspotenzial<br />

Wasser<br />

Sauerstoff<br />

Wasserstoff<br />

Quelle:<br />

GIF, 2008


Vierte Generation und Kernfusion: heute noch Zukunftsmusik<br />

Bereits arbeiten Wissenschafter weltweit – auch unter Beteiligung der <strong>Schweiz</strong> – an einer<br />

nächsten Generation von grundlegend neuartigen Reaktorsystemen <strong>für</strong> <strong>die</strong> zweite<br />

Hälfte des 21. Jahrhunderts. Zusammen mit den erneuerbaren Energien werden <strong>die</strong>se<br />

Systeme der sogenannten vierten Generation den Schlüssel zur nachhaltigen Sicherung<br />

der Lebensgrundlagen der kommenden Generationen bilden.<br />

Am 21. September 2007 hat <strong>die</strong> EU <strong>die</strong> «Sustainable Nuclear Fission Technology Platform»<br />

lanciert. Die vorgeschlagenen Forschungsthemen umfassen <strong>die</strong> weitere Optimierung<br />

der heutigen Kernkraftwerke, <strong>die</strong> Entwicklung fortgeschrittener Rezyklierungstechnologien<br />

zur Minimierung der radioaktiven Abfälle, <strong>die</strong> Inbetriebnahme zweier<br />

Schneller Brüter unterschiedlichen Typs bis 2020 sowie <strong>die</strong> Inbetriebnahme eines<br />

Hochtemperaturreaktors, mit dem neben Strom auch alternative Treibstoffe produziert<br />

werden können.<br />

Für <strong>die</strong> Lösung der aktuellen Stromversorgungsprobleme der <strong>Schweiz</strong> kann <strong>die</strong> vierte<br />

Generation nichts beitragen, da sie nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen wird. Das<br />

gleiche gilt <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kernfusion. Zwar wird demnächst in einer weltweiten Anstrengung<br />

– ebenfalls unter Beteiligung der <strong>Schweiz</strong> – in Südfrankreich der vielversprechende<br />

Experimental-Fusionsreaktor ITER gebaut. Heute ist jedoch noch nicht absehbar, bis<br />

wann kommerzielle Fusionskraftwerke zur Verfügung stehen werden.<br />

Zusatzinformationen zu Generation IV und Kernfusion<br />

• Generation IV: Auf Initiative der USA haben sich eine Reihe Länder zum «Generation IV<br />

International Forum» (GIF) zusammengeschlossen. Ziel ist, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zeit nach 2040 grundlegend<br />

neue Reaktoren und Brennstoffkreisläufe zu entwickeln, <strong>die</strong> den Ressourcenverbrauch<br />

drastisch reduzieren, <strong>die</strong> Menge des radioaktiven Abfalls erheblich vermindern<br />

und den Missbrauch <strong>für</strong> Kernwaffen wesentlich erschweren. Das GIF hat sechs innovative<br />

Reaktorsysteme <strong>für</strong> <strong>die</strong> Weiterentwicklung ausgewählt – darunter vier Schnelle Reaktoren<br />

(«Schnelle Brüter») und ein Hochtemperatur-Reaktor, der sich neben der Stromproduktion<br />

auch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Produktion von Wasserstoff aus Wasser eignet. Beteiligt am GIF sind zurzeit<br />

13 Partner: Argentinien, Brasilien, China, Frankreich, Grossbritannien, Japan, Kanada,<br />

Russland, <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>, Südafrika, Südkorea, <strong>die</strong> USA und <strong>die</strong> Europäische Atomgemeinschaft<br />

Euratom.<br />

Abb. 5.12: Hochtemperaturreaktor der vierten Generation<br />

• Kernfusion: Die Kernfusion ist <strong>die</strong> Energiequelle der Sonne und der Sterne. Gelingt es, sie<br />

auf der Erde zu nutzen, steht der Menschheit eine praktisch unerschöpfliche Energiequelle<br />

zur Verfügung. Als weiterer Schritt zur Erreichung <strong>die</strong>ses Ziels wird in den kommenden<br />

Jahren im südfranzösischen Cadarache der internationale thermonukleare Versuchs-<br />

reaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) gebaut. Mit dem<br />

ITER-Projekt soll <strong>die</strong> wissenschaftliche und technische Machbarkeit der Fusion zur Energieerzeugung<br />

gezeigt werden. In einer späteren Phase wird der Bau eines Demonstra-<br />

tionsreaktors ins Auge gefasst – eventuell gefolgt von kommerziell betriebenen Fusionskraftwerken.<br />

An der am 24. Mai 2006 in Brüssel gegründeten ITER-Organisation<br />

sind beteiligt: <strong>die</strong> Europäische Atomgemeinschaft Euratom (und damit auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>),<br />

China, In<strong>die</strong>n, Japan, Russland, Südkorea und <strong>die</strong> USA – mithin mehr als <strong>die</strong> Hälfte<br />

der Menschheit.<br />

51<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


52<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.1<br />

Abb. 6.2<br />

Anforderungen an <strong>die</strong> Stromproduktion<br />

Umweltschutz<br />

Klimaschutz<br />

Verstärkte<br />

Energieeffizienz<br />

Versorgungssicherheit<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> erfüllt alle drei Ansprüche<br />

Die vier Pfeiler der Energiepolitik des Bundesrats<br />

Ausbau erneuerbare<br />

Energien<br />

Energiepolitik<br />

Neue Grosskraftwerke<br />

Verstärkte int.<br />

Zusammenarbeit<br />

«Der Bundesrat ist von der Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke überzeugt.»


Teil 6<br />

Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Wir werden alle Technologien benötigen<br />

Die Lösung <strong>für</strong> <strong>die</strong> künftige <strong>Schweiz</strong>er Stromversorgung wird im Dreieck von Versorgungssicherheit,<br />

Umwelt-/Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit gefunden werden müssen.<br />

Die <strong>Kernenergie</strong> erfüllt alle drei Ansprüche.<br />

Abb. 6.1: Anforderungen an <strong>die</strong> Stromproduktion<br />

Am Weltenergiekongress in Sydney im September 2004 kam der Weltenergierat – <strong>die</strong><br />

grösste energieträgerübergreifende internationale Organisation der Energiewirtschaft –<br />

zum Schluss, dass alle Energieoptionen, einschliesslich der <strong>Kernenergie</strong>, offengehalten<br />

werden müssen:<br />

«Keine Technologie sollte idealisiert oder dämonisiert werden, ... denn wir können<br />

es uns nicht leisten, auch nur eine davon über Bord zu werfen.»<br />

Der Weltklimarat der Uno (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) nennt<br />

in seinem 2007 veröffentlichten vierten Lagebericht <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> ausdrücklich als<br />

Schlüsseltechnologie zur Linderung des Klimaproblems. Rajendra Pachauri, der Vor-<br />

sitzende des Weltklimarats, erklärte im April 2007:<br />

«Die <strong>Kernenergie</strong> eröffnet uns <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> Kohlenstoffintensität substanziell<br />

zu reduzieren, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sie ökonomisch sehr<br />

attraktiv ist.»<br />

Am 24. Oktober 2007 hat das Europäische Parlament mit grosser Mehrheit eine Entschliessung<br />

angenommen, <strong>die</strong> unter anderem festhält:<br />

«Bei einem Ausstieg aus der <strong>Kernenergie</strong> sind <strong>die</strong> Ziele in Bezug auf <strong>die</strong> Verringerung<br />

der Treibhausgasemissionen und <strong>die</strong> Bekämpfung des Klimawandels nicht<br />

zu erreichen.»<br />

Die vier Pfeiler der <strong>Schweiz</strong>er Energiepolitik<br />

Diesen Überlegungen ist auch der Bundesrat gefolgt. Die von der Landesregierung am<br />

21. Februar 2007 vorgestellte Energiepolitik steht auf vier Pfeilern:<br />

• verstärkte Förderung von Massnahmen zur effizienten Energienutzung<br />

• verstärkte Förderung der erneuerbaren Energien mit massvollem Ausbau der Wasserkraft<br />

• Bau von neuen Grosskraftwerken zur Schliessung der verbleibenden Versorgungs-<br />

lücke, wobei sich der Bundesrat ausdrücklich zum Ersatz der bestehenden oder zum<br />

Bau von neuen Kernkraftwerken bekennt sowie zum Bau von Gaskombikraftwerken<br />

als Übergangslösung bis zur Inbetrieb nahme der neuen Kernkraftwerke<br />

• verstärkte internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit der EU.<br />

Abb. 6.2: Die vier Pfeiler der Energiepolitik des Bundesrats<br />

53<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


54<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.3 Windpark in Ostfriesland, Deutschland<br />

Abb. 6.4 Solarfeld bei Serpa, Portugal<br />

Verfügbare Windleistung (Megawatt)<br />

22’000<br />

20’000<br />

18’000<br />

16’000<br />

14’000<br />

12’000<br />

10’000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

Abb. 6.5<br />

Stromeinspeisung aller Windanlagen in Deutschland 2008<br />

theoretisch mögliche Stromproduktion des Windkraftwerksparks<br />

(rund 20‘000 Anlagen; installierte Leistung ca. 23‘000 Megawatt)<br />

tatsächliche Windstromproduktion<br />

Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sept Okt Nov Dez<br />

Jahresrevisionen der KKW<br />

Windstrom kann <strong>Kernenergie</strong> nicht ersetzen, nur ergänzen<br />

Foto: Keystone<br />

Foto: GE Energy<br />

Quelle Winddaten:<br />

Renewable Energy<br />

Information System on<br />

Internet (REISI) der Universität<br />

Kassel, gefördert<br />

vom Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit<br />

(BMU)<br />

Verfügbarkeit der<br />

5 <strong>Schweiz</strong>er KKW<br />

Nennleistung:<br />

3372 Megawatt<br />

brutto


Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Bei der Präsentation der neuen Energiepolitik erklärte Bundesrat Moritz Leuenberger<br />

ausdrücklich:<br />

«Der Bundesrat ist von der Notwendigkeit neuer Kernkraftwerke überzeugt.»<br />

Zusatzinformation zur Energiepolitik des Bundes<br />

An seiner Sitzung vom 20. Februar 2008 hat der Bundesrat seine im Jahr zuvor vorgestellte<br />

Energiepolitik konkretisiert und zwei Aktionspläne des Departements <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr,<br />

Energie und Kommunikation (Uvek) zur Energieeffizienz und zu den erneuerbaren Energien<br />

verabschiedet. Im Bereich der Stromversorgung will der Bundesrat den Anstieg des Stromverbrauchs<br />

zwischen 2010 und 2020 auf maximal 5 % begrenzen. Nach 2020 sehen <strong>die</strong><br />

Aktionspläne «eine Stabilisierung des Stromverbrauchs» vor. Die heutige Realität sieht anders<br />

aus: Ende 2009 lag der <strong>Schweiz</strong>er Stromverbrauch trotz schwacher Konjunktur nahe<br />

am Rekordwert aus dem Vorjahr (siehe Abb. 1.5).<br />

Erneuerbare Energien: stark im Gespräch...<br />

Gemäss Energiegesetz soll bis ins Jahr 2030 <strong>die</strong> Stromproduktion aus erneuerbaren<br />

Energien um 5,4 Terawattstunden (= 5,4 Milliarden Kilowattstunden) erhöht werden.<br />

Dies entspricht knapp 10 % des (heutigen) Landesverbrauchs. Die <strong>Schweiz</strong>er Stromversorger<br />

unterstützen <strong>die</strong>ses sehr ehrgeizige Ziel.<br />

Seit dem 1. Januar 2009 wird <strong>die</strong> zusätzliche Stromproduktion aus erneuerbaren Energien<br />

über Einspeisevergütungen subventioniert. Die Finanzierung erfolgt über einen Zuschlag<br />

von gegenwärtig 0,45 Rappen pro Kilowattstunde, der von den Stromkonsumenten<br />

bezahlt wird. Jährlich stehen so etwa 250 Mio. Franken <strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung der Stromproduktion<br />

aus kleinen Wasserkraftwerken, Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme zur<br />

Verfügung. 2012 kann der Bundesrat <strong>die</strong>se Abgabe auf 0,6 Rappen erhöhen, und ab<br />

2013 auf 0,9 Rappen.<br />

... aber zu wenig und nicht bedarfsgerecht<br />

Wind ist in Ländern mit windreichen Meeres küsten eine attraktive, zusätzliche Energiequelle.<br />

Die <strong>Schweiz</strong> gehört dagegen zu den windärmsten Regionen Europas. Gute Standorte<br />

<strong>für</strong> Windkraftwerke gibt es nur auf Bergrücken, wo sie mit dem Landschafts- und<br />

Naturschutz kolli<strong>die</strong>ren. Auch mit Sonne ist <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> nicht verwöhnt; insbesondere<br />

im Winter, wenn während der kurzen Tage im Mittelland oft noch Hochnebel liegt.<br />

Wind und Sonne haben in der <strong>Schweiz</strong> nur ein begrenztes Potenzial.<br />

Abb. 6.3 und 6.4: neue erneuerbare Energien<br />

Dazu kommt, dass der Wind unregelmässig weht und <strong>die</strong> Stromproduktion von Windparks<br />

extremen Schwankungen unterworfen ist. In Deutschland kommt es immer wieder<br />

vor, dass <strong>die</strong> inzwischen über 21’000 Windräder während längerer Zeit deutlich weniger<br />

Strom erzeugen als beispielsweise <strong>die</strong> fünf schweizerischen Kernkraftwerke.<br />

Abb. 6.5: Stromproduktion aus Wind in Deutschland<br />

Ähnliches gilt <strong>für</strong> Solarzellen: Bei Bewölkung sinkt ihre Produktion markant, und in der<br />

Nacht liefern sie keinen Strom. Im Winter, wenn der Strombedarf am höchsten ist, produzieren<br />

sie am wenigsten. Wind- und Solarkraftwerke erfordern herkömmliche Reservekraftwerke<br />

gleicher Leistung, <strong>die</strong> sofort einspringen können, wenn der Wind abflaut<br />

oder <strong>die</strong> Sonne nicht scheint.<br />

Die tiefe Geothermie, <strong>die</strong> wie <strong>die</strong> Kernkraftwerke Bandenergie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Grundversorgung<br />

liefern könnte, ist technisch noch nicht ausgereift und ihr langfristig realistisches Poten-<br />

55<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


56<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.6 Stausee Oberaar, Grimsel, <strong>Schweiz</strong><br />

Produktionskosten der neuen erneuerbaren Energien im Jahr 2000<br />

und Schätzung <strong>für</strong> das Jahr 2035<br />

Kleinwasserkraft<br />

Abb. 6.7<br />

Biomasse<br />

Geothermie<br />

Windenergie<br />

Photovoltaik<br />

2035<br />

2000<br />

2000<br />

2035<br />

2035<br />

2000<br />

2000: keine Anlage in Betrieb<br />

2035<br />

2035<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Rappen pro Kilowattstunde<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

3. Generation<br />

Quellen: PSI/GaBE <strong>für</strong> BFE Energieperspektiven, 2005; <strong>Kernenergie</strong>: Prognos AG, 2008<br />

Abb. 6.8 Stromimporte sind keine Option <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft<br />

<strong>Kernenergie</strong> ist<br />

kostengünstig –<br />

heute und morgen<br />

2000<br />

Foto: <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Foto: VSE


Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

zial ist noch schwer abschätzbar. Eine Pilotbohrung in Basel wurde nach dem Auftreten<br />

von spürbaren Erdbeben am 8. Dezember 2006 vorläufig eingestellt.<br />

Die Wasserkraft ist in der <strong>Schweiz</strong> – wenn überhaupt – nur noch beschränkt ausbaubar<br />

und kolli<strong>die</strong>rt mit den Anliegen des Natur- und Gewässerschutzes. Im Herbst 2009 zog<br />

der <strong>Schweiz</strong>erische Fischerverband seine Volksinitiative «Lebendiges Wasser (Renaturierungs-Initiative)»<br />

zurück, nachdem das Parlament als Gegenvorschlag das Gewässerschutzgesetz<br />

verschärft hatte. Die neuen Bestimmungen erschweren <strong>die</strong> Stromproduktion<br />

aus Wasserkraft zusätzlich.<br />

Abb. 6.6: Wasserkraft<br />

Allen neuen erneuerbaren Energien ist gemeinsam, dass sie teils erheblich teurer<br />

sind als <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong>. Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern.<br />

Abb. 6.7: Produktionskosten der neuen erneuerbaren Energien 2000 und 2035<br />

Optimaler <strong>Schweiz</strong>er Strommix<br />

Wind und Sonne können Kernkraftwerke nicht ersetzen. Ihr grosses Potenzial liegt in<br />

Anwendungen, bei denen <strong>die</strong> grossen Schwankungen ihrer Verfügbarkeit keine entscheidende<br />

Rolle spielen, etwa bei der Produktion von Treibstoffen oder bei der Meerwasserentsalzung.<br />

Zudem erfordert ihr Bau im Vergleich zu Wasser- und Kernkraftwerken<br />

relativ viel Rohstoffe und einen grossen Energieeinsatz (siehe Abb. 3.8 und 3.11).<br />

Für <strong>die</strong> ununterbrochene Versorgung eines Stromnetzes mit Millionen von Konsumenten<br />

ist der Verbund von Wasserkraft mit Kern energie viel zuverlässiger, wirtschaftlicher<br />

und auch ressourcenschonender.<br />

Zusatzinformation zu neuen Gaskombikraftwerken<br />

In der Sommersession 2010 revi<strong>die</strong>ren <strong>die</strong> Eidgenössischen Räte das CO 2-Gesetz. Demnach<br />

müssen Gaskraftwerke ihre CO 2-Emissionen vollumfänglich kompensieren, wobei Emissionszertifikate<br />

aus dem Ausland zu maximal 30 % angerechnet werden können. Dies verhindert<br />

– aus wirtschaftlichen Gründen – praktisch den Bau von Gaskraftwerken in der<br />

<strong>Schweiz</strong>.<br />

Importe sind keine Lösung<br />

Importe sind keine Lösung, da der Strom in ganz Europa knapper werden wird und<br />

lange Übertragungswege anfälliger <strong>für</strong> technische Störungen und politische Willkür<br />

sind als kurze im eigenen Land. Über<strong>die</strong>s schränken <strong>die</strong> begrenzten Transportkapazitäten<br />

den Stromimport bereits heute ein.<br />

Strom sollte möglichst dort produziert werden, wo er benötigt wird.<br />

Gegenwärtig kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> aufgrund von langfristigen Beteiligungsverträgen mit<br />

Frankreich zur Deckung von Produktionslücken – vor allem im Winterhalbjahr – Strom<br />

aus den französischen Kernkraftwerken beziehen. Diese Verträge laufen zwischen 2018<br />

und 2040 aus. Eine Erneuerung <strong>die</strong>ser Vereinbarungen dürfte äusserst schwierig sein, da<br />

<strong>die</strong> EU im Zuge der Strommarktliberalisierung <strong>die</strong> Wettbewerbsregeln geändert hat. Neu<br />

sind solche Langfristverträge, <strong>die</strong> den privilegierten Zugang zu den grenzüberschreitenden<br />

Netzkapazitäten einräumen, nicht mehr zulässig.<br />

Abb. 6.8: Stromimporte<br />

57<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


58<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.9<br />

Veränderungen<br />

2000 bis 2035<br />

Gesamter Energieverbrauch<br />

Stromverbrauch<br />

Stromlücke<br />

Quelle:<br />

Bundesamt <strong>für</strong><br />

Energie, 2007<br />

Szenarien der «Energieperspektiven 2035»<br />

I: Weiter<br />

wie bisher<br />

+ 2%<br />

Verbrauch fossile Energien - 11%<br />

+ 29%<br />

22 Mrd. kWh<br />

~ 36% des<br />

heutigen<br />

Bedarfs<br />

Stromverbrauch, Szenarien I bis IV<br />

II: Verstärkte<br />

Zusammenarbeit<br />

- 4%<br />

- 20%<br />

+ 23%<br />

18 Mrd. kWh<br />

~ 30% des<br />

heutigen<br />

Bedarfs<br />

III: Neue<br />

Prioritäten<br />

- 14%<br />

- 34%<br />

+ 14%<br />

13 Mrd. kWh<br />

~ 20% des<br />

heutigen<br />

Bedarfs<br />

IV: Weg zur<br />

2000-Watt-<br />

Gesellschaft<br />

- 27%<br />

- 48%<br />

- 2%<br />

5 Mrd. kWh<br />

~ 10% des<br />

heutigen<br />

Bedarfs<br />

Bei allen Szenarien kommt es zu einer Stromversorgungslücke


Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Die Szenarien der Energieperspektiven<br />

Am 16. Februar 2007 hat das Eidg. Departement <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

(Uvek) <strong>die</strong> «Energieperspektiven 2035» veröffentlicht. Der Bericht <strong>die</strong>nte unter<br />

anderem als Grundlage <strong>für</strong> den jüngsten Entscheid des Bundesrats über <strong>die</strong> künftige<br />

Energiepolitik der <strong>Schweiz</strong>.<br />

Gemäss <strong>die</strong>sen Szenarien erwarten <strong>die</strong> Bundesbehörden − und zwar unabhängig von<br />

der zukünftig gewählten Energiepolitik − keine Zunahme des Gesamtenergieverbrauchs<br />

der <strong>Schweiz</strong> mehr (Abb. 1.8). Im Strombereich schwanken <strong>die</strong> Auswirkungen der politischen<br />

Handlungsszenarien zwischen einem Nachfragezuwachs bis 2035 von knapp einem<br />

Drittel und dem Verbleiben des Stromkonsums etwa auf dem Niveau des Jahres<br />

2000. In jedem Fall verbleibt im Jahr 2035 eine grössere oder kleinere Versorgungslücke,<br />

<strong>die</strong> mit neuer einheimischer Produktionskapazität geschlossen werden muss. Dies gilt<br />

auch bei der sogenannten «2000-Watt-Gesellschaft».<br />

Abb. 6.9: Szenarien der «Energieperspektiven 2035»<br />

Zusatzinformationen zu den «Energieperspektiven 2035» (I)<br />

Für den Strombereich präsentiert das Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) <strong>die</strong> folgenden Zahlen:<br />

Szenario I «Weiter wie bisher»: Es handelt sich um das Referenzszenario, bei dem <strong>die</strong> heute<br />

in Kraft stehenden Energiemassnahmen weitergeführt werden. Bei <strong>die</strong>sem Szenario würde<br />

<strong>die</strong> Stromnachfrage bis 2035 um 29 % gegenüber dem Jahr 2000 ansteigen. Dabei wird<br />

unterstellt, dass <strong>die</strong> Nachfrage dank steigender Effizienz jährlich nur noch um 0,8 % zunimmt,<br />

und nicht um 1,8 % wie in der Vergangenheit. Mit Beginn der Versorgungslücke ab<br />

2018 würde sich so bis 2035 − zusammen mit dem Stilllegen der drei <strong>die</strong>nstälteren Kernkraftwerke<br />

in Beznau und Mühleberg und dem Auslaufen der Lieferverträge mit Frankreich −<br />

eine einheimische Produktionslücke von gut 22 Mrd. kWh öffnen. Diese Lücke entspricht<br />

36 % des heutigen inländischen Bedarfs. Der Stromverbrauch würde aber noch stärker ansteigen,<br />

wenn sich <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaftsleistung überdurchschnittlich entwickeln oder<br />

das Erdöl schneller teurer würde als angenommen.<br />

Szenario II «Verstärkte Zusammenarbeit»: Hier werden jährlich zusätzliche 330 Mio. Franken<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Förderung «grünen» Stroms und weitere freiwillige Effizienzsteigerungsmassnahmen<br />

eingerechnet. Bei <strong>die</strong>ser Handlungsoption würde <strong>die</strong> Stromnachfrage um jährlich knapp<br />

0,6 % ansteigen; bis 2035 um insgesamt rund 23 % gegenüber 2000. Durch <strong>die</strong> verstärkte Förderung<br />

der erneuerbaren Energien (einschliesslich der Wasserkraft) erhofft sich das BFE<br />

zusätzliche 5,7 Mrd. kWh. Die einheimische Deckungslücke würde ab 2018 einsetzen und im Jahr<br />

2035 gut 18 Mrd. kWh erreichen, d.h. rund 30 % der heutigen inländischen Stromnachfrage.<br />

Szenario III «Neue Prioritäten»: Anders als bei den beiden ersten Szenarien werden bei den<br />

Szenarien III und IV Ziele vorgegeben. Beim Szenario III ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Reduktion des gesamten<br />

Energiekonsums – nicht allein des Stromkonsums – pro Kopf um 34 % bis 2035. Unterstellt wird<br />

<strong>die</strong> Einführung einer Energielenkungsabgabe, welche <strong>die</strong> fossilen Energieträger um 100 % und<br />

den Strom um 30 % verteuert. Dies kombiniert mit der Annahme, dass das europäische Umfeld<br />

mitzieht und dadurch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Industrie ihre Konkurrenzfähigkeit erhalten kann. Bei<br />

<strong>die</strong>ser Handlungsoption steigt der Stromkonsum bis 2035 immer noch um 14 % an. Die einheimische<br />

Stromlücke würde ab 2018 einsetzen und im Jahr 2035 gut 13 Mrd. kWh erreichen.<br />

Szenario IV «Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft»: Erreicht werden soll <strong>die</strong>ses Ziel durch eine<br />

gegenüber dem Szenario III verschärfte und ebenfalls international harmonisierte Energielenkungsabgabe<br />

und durch tiefgreifende Veränderungen im Investitions-, Konsum-, Arbeits-<br />

und Mobilitätsverhalten. Zudem verlagert sich <strong>die</strong> Wirtschaftstätigkeit von einer «energie-<br />

und materialintensiven zu einer <strong>die</strong>nstleistungs- und wissensorientierten Produktion», wie<br />

das BFE schreibt. Die Deckungslücke beim Strom ist immer noch vorhanden und beträgt im<br />

Jahr 2035 rund 5 Mrd. kWh bzw. 10 % des heutigen Landesverbrauchs.<br />

59<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


60<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.10<br />

Abb. 6.11<br />

Vergleich von Kosten und CO 2 bei verschiedenen Angebotsvarianten<br />

Stromverbrauch,<br />

Szenarien I bis IV<br />

I: Weiter wie bisher<br />

II: Verstärkte<br />

Zusammenarbeit<br />

III: Neue Prioritäten<br />

IV: Weg zur 2000-<br />

Watt-Gesellschaft<br />

Quelle: Bundesamt <strong>für</strong><br />

Energie, 2007<br />

mit Kernkraftwerken<br />

mit Gaskraftwerken<br />

mit erneuerbaren<br />

Energien<br />

durch Stromimporte<br />

Kosten CO2 Kosten CO2 Kosten CO2 Kosten CO2<br />

3,9<br />

4,4<br />

4,4<br />

4,3<br />

- 12%<br />

- 21%<br />

- 34%<br />

- 47%<br />

4,4<br />

5,0<br />

5,3<br />

4,7<br />

+ 4%<br />

- 9%<br />

- 26%<br />

- 41%<br />

nicht<br />

betrachtet<br />

nicht<br />

betrachtet<br />

7,2<br />

7,0<br />

nicht<br />

betrachtet<br />

nicht<br />

betrachtet<br />

- 36%<br />

- 48%<br />

4,4<br />

5,1<br />

4,8<br />

4,8<br />

- 12%<br />

- 21%<br />

- 34%<br />

- 47%<br />

Veränderung der CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 2000<br />

Gestehungskosten ab Werk (in Rappen pro Kilowattstunde), ohne Netzkosten<br />

In allen Szenarien fährt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> mit <strong>Kernenergie</strong> am Besten<br />

Vergleich der Angebotsvarianten <strong>Kernenergie</strong> und Erdgas<br />

Kriterien<br />

1. Beitrag zur Versorgungssicherheit<br />

2. Kosten<br />

3. Unternehmerisches Risiko<br />

4. Umwelt<br />

5. Politische Realisierbarkeit<br />

6. Volkswirtschaftliche Auswirkungen<br />

Quelle: Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Elektrizitätsunternehmen (VSE), «Vorschau 2006»<br />

Variante nur<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

Variante nur<br />

Erdgas<br />

Variante<br />

Erdgas und<br />

<strong>Kernenergie</strong><br />

positiv neutral negativ<br />

Aus Sicht der Stromversorger ist <strong>die</strong> <strong>Kernenergie</strong> <strong>die</strong> beste Option


Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

<strong>Kernenergie</strong> ist <strong>die</strong> günstigste und umweltfreundlichste Lösung<br />

Die Elektrizität spielt in der technologischen Entwicklung eine immer grössere Rolle.<br />

Elektrizität ist <strong>die</strong> Schlüsselenergie – heute und in Zukunft.<br />

In ihrer am 25. Februar 2008 publizierten Energiestrategie relativiert <strong>die</strong> ETH Zürich ihr<br />

Konzept der «2000-Watt-Gesellschaft». Ziel ist neu <strong>die</strong> «eine-Tonne-CO2-Gesellschaft».<br />

Dies bedeutet, dass der Stromverbrauch aus CO2-armen Quellen in den kommenden<br />

Jahrzehnten deutlich ansteigen sollte, um durch <strong>die</strong> weitere Elektrifizierung der Energieversorgung<br />

der <strong>Schweiz</strong> den Verbrauch von Erdöl und Erdgas ohne Wohlstandsverluste<br />

drastisch senken zu können. Hier<strong>für</strong> ist unter anderem der Einsatz der <strong>Kernenergie</strong> erforderlich,<br />

erklärte Ralph Eichler, Präsident der ETH Zürich, anlässlich der Präsentation<br />

der Energiestrategie.<br />

Betrachtet man <strong>die</strong> Szenarien des Bundes genauer, so stellt man folgendes fest: In jedem<br />

der untersuchten Fälle – also auch bei der «2000-Watt-Gesellschaft» – fährt <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

am besten, wenn sie <strong>die</strong> verbleibende Stromlücke vor allem mit <strong>Kernenergie</strong> schliesst.<br />

Diese Lösung ist nicht nur <strong>die</strong> volkswirtschaftlich günstigste, sondern sie reduziert auch<br />

<strong>die</strong> CO2-Emissionen der <strong>Schweiz</strong> am stärksten. <strong>Kernenergie</strong> ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> eine<br />

Win-win-Strategie. Zu <strong>die</strong>sem Schluss sind auch <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Elektrizitätsunternehmen<br />

gekommen.<br />

Abb. 6.10: Vergleich von Kosten und CO2 bei verschiedenen Angebotsvarianten<br />

Der wesentliche Nachteil der <strong>Kernenergie</strong> liegt in den Hemmungen und politischen Widerständen<br />

gegen <strong>die</strong>se Technologie. Lassen sich <strong>die</strong>se überwinden, kann <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

<strong>die</strong> <strong>für</strong> das Land günstigste Option verwirklichen.<br />

Abb. 6.11: Vergleich der Angebotsvarianten <strong>Kernenergie</strong> und Erdgas<br />

Zusatzinformationen zu den «Energieperspektiven 2035» (II)<br />

Die «Energieperspektiven 2035» des Bundes stossen auf teils massive Kritik der Stromwirtschaft,<br />

<strong>die</strong> sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> sichere Landesversorgung zuständig fühlt. So hält der Verband <strong>Schweiz</strong>erischer<br />

Elektrizitätsunternehmen (VSE) fest, dass <strong>die</strong> Perspektiven <strong>die</strong> Ergebnisse der vom<br />

VSE im Mai 2006 herausgegebenen Stu<strong>die</strong> «Vorschau 2006» zwar bestätigen. Allerdings gingen<br />

<strong>die</strong> Perspektiven des Bundes teilweise von wenig realistischen Annahmen aus. Insbesondere<br />

<strong>die</strong> Szenarien III und IV dürften in einer freiheitlichen Gesellschaft kaum Akzeptanz<br />

finden. Die Prognosen des VSE stützten sich demgegenüber auf <strong>die</strong> aktuellen Entwicklungen<br />

in der <strong>Schweiz</strong> und in Europa ab und profitierten von der jahrzehntelangen Erfahrung der<br />

Branche.<br />

Auch <strong>für</strong> Swisselectric, der Organisation der schweizerischen Stromverbundunternehmen,<br />

stellen insbesondere <strong>die</strong> Szenarien III und IV keine valablen Planungsgrundlagen dar, da<br />

sie nur mit massiven staatlichen Eingriffen umgesetzt werden könnten und zu einem drastischen<br />

Wohlstandsverlust führen würden. Aber auch <strong>für</strong> das Referenzszenario I würden Annahmen<br />

getroffen, <strong>die</strong> am untersten Rand der zu erwartenden Entwicklungen liegen.<br />

So gehen beispielsweise <strong>die</strong> Energieperspektiven von einem Wachstum der Bevölkerung von<br />

7,2 Mio. im Jahr 2001 auf 7,6 Mio. im Jahr 2035 aus. Gemäss Bundesamt <strong>für</strong> Statistik zählte<br />

<strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> jedoch im Frühjahr 2010 bereits 7,8 Mio. Einwohner.<br />

61<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


62<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Abb. 6.12<br />

Abb. 6.13<br />

Absehbare Stromversorgungslücke bis ins Jahr 2035<br />

Mehrverbrauch bis 2035<br />

(+0,5% jährlich)<br />

15 Mrd. kWh<br />

Ersatz <strong>für</strong> wegfallenden Importstrom 4 Mrd. kWh<br />

Ersatz <strong>für</strong> Beznau und Mühleberg 9 Mrd. kWh<br />

Stromlücke insgesamt bis 2035 25 – 30 Mrd. kWh<br />

(Bandbreite)<br />

Quelle: Swisselectric, 2007<br />

Die zu erwartende Lücke entspricht fast der Hälfte der heutigen<br />

Stromproduktion in der <strong>Schweiz</strong><br />

Lösungsvorschlag der Stromverbundunternehmen<br />

Investitionen bis 2035 in:<br />

Volumen in<br />

<strong>Schweiz</strong>er Franken<br />

Nicht «entweder – oder», sondern «sowohl als auch»<br />

Produktionszuwachs<br />

Erneuerbare Energien inkl. Wasserkraft 8 –10 Mrd. 5 Mrd. kWh<br />

2 bis 3 Kernkraftwerke 10 –12 Mrd. 20 Mrd. kWh<br />

bis 5 Gaskombikraftwerke 2 Mrd. 3 Mrd. kWh *<br />

Netzausbauten 2 –3 Mrd.<br />

3 Pumpspeicherkraftwerke 3 Mrd. Füllen der Leistungslücke<br />

bei Nachfragespitzen<br />

Total 25 – 30 Mrd. 25 – 30 Mrd. kWh<br />

* Stand 2035 mit Gaskombikraftwerken als Lieferanten von Spitzenenergie<br />

(während der Übergangszeit: 10 Mrd. kWh jährlich)<br />

Quelle: Swisselectric, 2007


Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Die Versorgungslücke aus Sicht der Stromversorger<br />

Aufgrund <strong>die</strong>ser Ausgangslage haben <strong>die</strong> in der Organisation Swisselectric zusammengeschlossenen<br />

<strong>Schweiz</strong>er Stromverbundunternehmen am 22. März 2007 in Bern ihren<br />

Lösungsvorschlag zum Abwenden der drohenden Stromversorgungslücke vorgestellt.<br />

Die Versorgungslücke entsteht durch<br />

• <strong>die</strong> altersbedingte Abschaltung der Kernkraftwerke Beznau-1 und -2 und Mühleberg<br />

• das Auslaufen der heutigen Stromimportverträge mit Frankreich<br />

• den zu erwartenden Mehrverbrauch, der sich aus der Annahme eines moderaten Verbrauchszuwachses<br />

von 0,5 % pro Jahr ergibt (in den letzten Jahren ist der Verbrauch<br />

ungefähr doppelt so schnell angestiegen)<br />

Dies bedeutet, dass <strong>die</strong> bis 2035 zu erwartende Stromlücke mindestens 25–30 Milliarden<br />

Kilowattstunden erreichen dürfte. Das ist fast <strong>die</strong> Hälfte der heutigen <strong>Schweiz</strong>er Stromproduktion.<br />

Abb. 6.12: Absehbare Stromversorgungslücke bis ins Jahr 2035<br />

Der Vorschlag der Stromwirtschaft<br />

Zum Abwenden <strong>die</strong>ser Versorgungslücke sind <strong>die</strong> Stromverbundunternehmen bereit, bis<br />

zum Jahr 2035 rund 30 Mrd. Franken in neue Kraftwerke zu investieren. Darunter befinden<br />

sich als tragende Säule auch zwei bis drei neue Kernkraftwerke. Im Verhältnis zum<br />

eingesetzten Kapital erzeugen sie den meisten Strom.<br />

Abb. 6.13: Lösungsvorschlag der Stromverbundunternehmen<br />

Zusatzinformationen zu den Vorschlägen der Stromwirtschaft<br />

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz: Im Vordergrund steht ein moderater Ausbau<br />

der Wasserkraft. Dazu erachten <strong>die</strong> Verbundunternehmen den Mitteleinsatz <strong>für</strong> Biomasse<br />

als besonders sinnvoll. In beiden Fällen ist eine Güterabwägung mit dem Schutz der<br />

Umwelt nötig. Mit zielgerichteter Fachberatung und mit kommunikativen Massnahmen sollen<br />

Stromkundinnen und Stromkunden zudem verstärkt <strong>für</strong> den effizienten Einsatz von<br />

Strom sensibilisiert und motiviert werden.<br />

Neue Kernkraftwerke: Sie <strong>die</strong>nen der Sicherstellung einer zuverlässigen, umweltgerechten<br />

und wettbewerbsfähigen Stromversorgung sowie als Ersatz <strong>für</strong> <strong>die</strong> Kernkraftwerke Beznau<br />

und Mühleberg und <strong>die</strong> auslaufenden Stromimportverträge mit Frankreich.<br />

Gaskombikraftwerke: Diese kommen wegen ihrer CO2-Produktion lediglich als Übergangs-<br />

lösung in Frage. Je rascher neue Kernkraftwerke ans Netz gehen können, desto weniger Gaskombikraftwerke<br />

werden benötigt. Nach dem Bau der neuen Kernkraftwerke <strong>die</strong>nen sie als<br />

Lieferanten von Spitzenenergie im Umfang von 3 Mrd. kWh. Mit den neuen Kompensationspflichten<br />

im CO 2-Gesetz (siehe Seite 57) sind Gaskraftwerke in der <strong>Schweiz</strong> jedoch nicht<br />

wirtschaftlich zu betreiben.<br />

Netzausbauten: Bereits heute gelangen <strong>die</strong> Leitungsnetze an den Rand ihrer Transportkapazität.<br />

Ein Ausbau ist vor allem bei den Übertragungsnetzen (Hoch- und Mittelspannung)<br />

im Inland erforderlich.<br />

Pumpspeicherkraftwerke: Sie sind <strong>die</strong> «Reservetanks» und sichern <strong>die</strong> Stromversorgung bei<br />

Bedarfsspitzen.<br />

63<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


64<br />

<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Neue Kernkraftwerke an bestehenden Standorten<br />

Kernkraftwerke benötigen <strong>für</strong> ihren Betrieb genügend Kühlwasser und eine leistungsfähige<br />

Anbindung an das Stromnetz. Die heutigen Standorte erfüllen <strong>die</strong>se Anforderungen;<br />

sie stehen bei der Planung von Ersatzanlagen daher auch im Vordergrund. Dazu<br />

kommt der – weltweit zu beobachtende – Umstand, dass <strong>die</strong> Bevölkerung in den Standortregionen<br />

von Kernkraftwerken generell atomfreundlicher eingestellt ist als der Landesdurchschnitt.<br />

Am 9. Juni 2008 hat <strong>die</strong> Kernkraftwerk Niederamt AG, eine Projektgesellschaft der<br />

heutigen Alpiq, beim Bundesamt <strong>für</strong> Energie das Rahmenbewilligungsgesuch <strong>für</strong> ein<br />

Kernkraftwerk im Solothurner Niederamt zwischen Olten und Aarau eingereicht. Am<br />

4. Dezember 2008 reichten <strong>die</strong> jeweiligen Standortgesellschaften von Axpo und BKW<br />

– <strong>die</strong> Ersatz-Kernkraftwerk Beznau AG und <strong>die</strong> Ersatz-Kernkraftwerk Mühleberg AG –<br />

gemeinsam zwei Rahmenbewilligungsgesuche <strong>für</strong> Kernkraftwerke an den Standorten<br />

Beznau und Mühleberg ein. Alle <strong>die</strong>se Kernkraftwerke sollen den europäischen Standards<br />

<strong>für</strong> Leichtwasserreaktoren der dritten Generation entsprechen und eine elektrische<br />

Leistung von je maximal 1600 Megawatt haben.<br />

Hybridkühltum: geringe Höhe und kaum Nebelschwaden<br />

Die heutigen <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerke werden ohne Kühlturm direkt mit Flusswasser<br />

gekühlt (Beznau, Mühleberg) oder mit einem Nasskühlturm (Gösgen, Leibstadt). Kühltürme<br />

haben den Vorteil, dass sie <strong>die</strong> Abwärme in <strong>die</strong> Atmosphäre abführen und <strong>die</strong><br />

Fliessgewässer nicht mit Wärme belasten.<br />

Als Novum <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong> schlagen <strong>die</strong> Planungsgesellschaften <strong>für</strong> <strong>die</strong> projektierten<br />

Kernkraftwerke sogenannte Hybridkühltürme vor. Ein solcher Hybridkühlturm steht<br />

seit 1989 im Block 2 des Kernkraftwerks Neckarwestheim bei Stuttgart in Betrieb. Mit<br />

einer Höhe von rund 50 Metern ist er nur etwa ein Drittel so hoch wie <strong>die</strong> Nasskühltürme<br />

in Gösgen oder Leibstadt und erzeugt kaum Nebelschwaden. Anders als ein hoher<br />

Nasskühlturm benötigt ein Hybridkühlturm jedoch Ventilatoren. In Neckarwestheim<br />

verbrauchen <strong>die</strong>se 1,4 % der Stromproduktion. Dank Schalldämpfung sind sie ausserhalb<br />

des Turms kaum hörbar.<br />

Abb. 6.14 Der Hybridkühlturm des Kernkraftwerks Neckarwestheim, Deutschland<br />

Foto: GKN


Das Volk hat das letzte Wort<br />

Am 1. Februar 2005 ist das neue <strong>Kernenergie</strong>gesetz in Kraft getreten. Es legt fest, dass<br />

neue Kernkraftwerke sowie Zwischen- oder Tiefenlager drei Bewilligungsverfahren auf<br />

Bundesebene durchlaufen müssen. Nötig sind zuerst eine Rahmenbewilligung, dann<br />

eine Baubewilligung und schliesslich eine Betriebsbewilligung.<br />

Über <strong>die</strong> Rahmenbewilligung entscheiden zuerst der Bundesrat, dann <strong>die</strong> Eidgenössischen<br />

Räte und schliesslich – weil der Parlamentsbeschluss dem fakultativen Referendum<br />

untersteht – mit hoher Wahrscheinlichkeit das <strong>Schweiz</strong>er Volk. Dieser Entscheid ist<br />

abschliessend, das Gesetz sieht kein lokales oder kantonales Vetorecht vor.<br />

Mit <strong>die</strong>ser Regelung ist sichergestellt, dass der allfällige Neubau von Kernkraftwerken in<br />

der <strong>Schweiz</strong> demokratisch legitimiert ist.<br />

Zusatzinformationen zu den Bewilligungsverfahren<br />

Mit der Rahmenbewilligung werden <strong>die</strong> grundsätzlichen, politischen Fragen entschieden.<br />

Insbesondere wird festgestellt, ob der politische Wille <strong>für</strong> den Bau der Anlage vorhanden ist.<br />

Dazu reicht der Antragsteller das Gesuch beim Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) ein. Dieses bestellt<br />

<strong>die</strong> nötigen Fachgutachten. Liegen <strong>die</strong> Gutachten vor, fordert das BFE <strong>die</strong> Kantone und<br />

<strong>die</strong> Fachstellen des Bundes auf, innerhalb von drei Monaten zum Gesuch und den Gutachten<br />

Stellung zu nehmen.<br />

Während der anschliessenden ebenfalls drei Monate dauernden öffentlichen Auflage des<br />

Gesuchs und der Stellungnahmen der Kantone und der Fachstellen des Bundes ist jedermann<br />

berechtigt, Einwendungen zu erheben. Anschliessend werden <strong>die</strong> Stellungnahmen zu<br />

den Einwendungen eingeholt, und das Gesuch wird dem Bundesrat zum Entscheid vorgelegt.<br />

Bei der Vorbereitung des Rahmenbewilligungsentscheids beteiligt der Bund <strong>die</strong> Standortkantone<br />

und <strong>die</strong> in unmittelbrarer Nähe zum vorgesehenen Standort liegenden Nachbarkantone<br />

und Nachbarländer.<br />

Über den Bundesratsentscheid befindet anschliessend das Parlament. Eine vom Parlament<br />

genehmigte Rahmenbewilligung untersteht dem fakultativen Referendum. Kommt es zustande,<br />

fällt der definitive Entscheid in einer eidgenössischen Volksabstimmung.<br />

Im Baubewilligungsverfahren werden sämtliche notwendigen Bewilligungen auf Bundesebene<br />

gebündelt. Einsprache können hier nur berechtigte Parteien erheben. Die Baubewilligung<br />

erteilt das Eidgenössische Departement <strong>für</strong> Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />

(Uvek). Gegen dessen Entscheid besteht eine zweistufige Rekursmöglichkeit: an das<br />

Bundesverwaltungsgericht und an das Bundesgericht.<br />

Das Verfahren zum Erlangen der Betriebsbewilligung ist ähnlich wie jenes bei der Baubewilligung.<br />

Auch hier besteht eine zweistufige Rekursmöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht<br />

und an das Bundesgericht.<br />

Der Fahrplan des Bundes <strong>für</strong> <strong>die</strong> Rahmenbewilligungsgesuche<br />

Für <strong>die</strong> im Jahr 2008 von der Stromwirtschaft eingereichten drei Rahmenbwilligungsgesuche<br />

hat das Bundesamt <strong>für</strong> Energie (BFE) einen Fahrplan vorgelegt. Demnach liegen<br />

<strong>die</strong> sicherheitstechnischen Gutachten – insbesondere jene des Eidgenössischen<br />

Nuklearsicherheitsinspektorats (Ensi) – bis im Herbst 2010 vor. Im Jahr 2011 geben <strong>die</strong><br />

Kantone und <strong>die</strong> Fachstellen des Bundes ihre Stellungnahmen zu den Gesuchen ab und<br />

<strong>die</strong> Unterlagen werden öffentlich aufgelegt.<br />

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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010


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<strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>: «<strong>Kernenergie</strong> <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>», August 2010<br />

Teil 6 Die Zukunft der <strong>Kernenergie</strong> in der <strong>Schweiz</strong><br />

Anschliessend bereitet der Bund unter Mitwirkung der betroffenen Kantone und Nachbarstaaten<br />

den Bundesratsentscheid vor. Dieser ist <strong>für</strong> Mitte 2012 vorgesehen.<br />

Auf den Bundesratsentscheid folgt <strong>die</strong> Beratung in den Eidgenössischen Räten. Gemäss<br />

Fahrplan des BFE könnte eine allfällige Volksabstimmung über <strong>die</strong> Rahmenbewilligungen<br />

im Jahr 2013 erfolgen.<br />

Entscheid von grösster Tragweite<br />

Eine zuverlässige und kostengünstige Stromversorgung ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zukunft unseres Landes<br />

von entscheidender Bedeutung. Wirtschaftswachstum erfordert ausreichend Elektrizität.<br />

Die Stromversorgung betrifft alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar. Sie ist kein<br />

Feld <strong>für</strong> visionäre Experimente mit mehr als ungewissem Ausgang. Eine Versorgungslücke<br />

hätte fatale Folgen <strong>für</strong> Wirtschaft und Gesellschaft und damit <strong>für</strong> den Wohlstand<br />

in der <strong>Schweiz</strong>.<br />

Auch zu hohe Energiepreise haben unabsehbare Folgen <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>er Wirtschaft. In<br />

den «Energieperspektiven 2035» erwartet das Bundesamt <strong>für</strong> Energie beim extremen<br />

Sparszenario «2000-Watt-Gesellschaft» <strong>die</strong> Verlagerung der Wirtschaftstätigkeit von einer<br />

«energie- und materialintensiven zu einer <strong>die</strong>nstleistungs- und wissensorientierten Produktion».<br />

Im Klartext bedeutet <strong>die</strong>s das weitgehende Verschwinden der Industrie und damit den<br />

weiteren Abbau von Arbeitsplätzen <strong>für</strong> beruflich wenig qualifizierte Menschen. Die<br />

energieintensiven Produkte würden bei <strong>die</strong>sem Szenario aus dem Ausland eingeführt.


Schlusswort<br />

Die beste Lösung in einem anderen Land ist nicht notwendigerweise <strong>die</strong> beste Lösung<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Schweiz</strong>. Die <strong>Schweiz</strong> hat viel Wasser (aber wenig Wind), hohe Berge (aber wenig<br />

Sonne), eine hohe Bevölkerungsdichte (aber kaum Rohstoffe) und ist ein hoch entwickeltes<br />

Industrieland mit politischer Stabilität. Der heutige Strommix entspricht ideal<br />

<strong>die</strong>sen Voraussetzungen und den Bedürfnissen unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Das<br />

hat der Bundesrat bereits in den 1960er-Jahren erkannt, und wir sind bis heute sehr gut<br />

damit gefahren.<br />

Die heutige Situation erinnert in vielem an <strong>die</strong> Lage vor 50 Jahren, als angesichts der<br />

boomenden Wirtschaft und des steigenden Stromkonsums ebenfalls eine Strom lücke<br />

drohte. Die Stromwirtschaft dachte damals über den Bau von fossilen Kraftwerken nach,<br />

da der weitere Ausbau der Wasserkraft auf zunehmenden politischen Widerstand und<br />

auf physikalische Grenzen stiess.<br />

Vor <strong>die</strong>sem Hintergrund erklärte 1964 der damalige Energieminister, der sozialdemokratische<br />

Bundesrat Willy Spühler, in einer Rede vor der <strong>Schweiz</strong>erischen Vereinigung <strong>für</strong><br />

Atomenergie (dem heutigen <strong>Nuklearforum</strong> <strong>Schweiz</strong>):<br />

«In grundsätzlicher Hinsicht kann kein Zweifel darüber bestehen, dass <strong>die</strong> Zukunft<br />

der Elektrizitätserzeugung in der Atomenergie liegt. In Bezug auf <strong>die</strong> langfristigen<br />

Ziele unserer Elektrizitätsversorgung ist <strong>die</strong> Stromerzeugung in Atom-<br />

reaktoren ideal.»<br />

Diese von Spühler genannten langfristigen Ziele umfassten:<br />

• eine kostengünstige Stromversorgung<br />

• eine ausreichende, sichere und vom Ausland möglichst unabhängige Stromversorgung<br />

• der Schutz von Wasser, Luft und Landschaftsbild.<br />

Das ist heute aktueller denn je.<br />

Spühler fügte dem im Namen des Gesamtbundesrats <strong>die</strong> Aufforderung hinzu, dass «auf<br />

<strong>die</strong> kurzfristig gedachte Zwischenstufe von konventionellen thermischen Kraftwerken<br />

verzichtet und unmittelbar auf den Bau und <strong>die</strong> Inbetriebnahme von Atomkraftwerken<br />

zugesteuert werden sollte.»<br />

Unterstützung fand Spühler damals insbesondere in den Umweltschutzkreisen. Der<br />

<strong>Schweiz</strong>erische Bund <strong>für</strong> Naturschutz – <strong>die</strong> heutige «Pro Natura» – hielt im Februar 1966<br />

im Verbandsorgan «Naturschutz» unmissverständlich fest:<br />

«Der Naturschutzbund unterstützt <strong>die</strong> mehrfach geäusserte Haltung des Bundesrats,<br />

unverzüglich mit dem Bau von Kernkraftwerken zu beginnen.»<br />

Diese Aussagen sind wegweisend. Der heutige <strong>Schweiz</strong>er Strommix von knapp 60 %<br />

Wasserkraft und 40 % <strong>Kernenergie</strong> sollte auch in Zukunft als Zielgrösse beibehalten werden<br />

− ergänzt durch neue erneuerbaren Energien wie Biomasse, Holz und Wind im ökologisch<br />

und wirtschaftlich verantwortbarem Ausmass. In Zukunft werden wir jede Kilowattstunde<br />

brauchen.<br />

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