I0081 AIDS Info 1.03 - Unicef
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Für Kinder bewegen wir Welten<br />
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen<br />
<strong>AIDS</strong>:<br />
Das Schweigen brechen<br />
Während es in den meisten Industrieländern durch massive Aufklärung gelungen<br />
ist, die Ausbreitung von <strong>AIDS</strong> einzugrenzen und teilweise auch zurückzudrängen,<br />
hat sich <strong>AIDS</strong> in Afrika zu einer der größten sozialen Katastrophen in der Geschichte<br />
des Kontinents entwickelt. Über 70 Prozent der HIV-Infizierten leben in den Ländern<br />
südlich der Sahara. Dort droht die Immunschwächekrankheit ganze Gemeinden<br />
zu zerstören und mühsam errungene Entwicklungserfolge zunichte zu machen.<br />
Auch in Asien und den ehemaligen Sowjetrepubliken fordert die Krankheit immer<br />
mehr Opfer. Kinder und Jugendliche sind besonders betroffen. Fast fünf Millionen<br />
Kinder unter 15 Jahren sind bereits an der Krankheit gestorben. Der Kampf gegen<br />
<strong>AIDS</strong> muss als „Befreiungskampf“ gegen den Teufelskreis aus Armut, Unwissenheit<br />
und Verdrängung geführt werden. Dabei sind alle Länder gleichermaßen in der<br />
Pflicht: In den Staaten mit hoher Infektionsrate muss endlich offen über die Krankheit<br />
geredet werden. Und die Industrieländer müssen einen größeren Anteil ihrer<br />
Entwicklungshilfe gezielt in die Bekämpfung der Epidemie fließen lassen.<br />
Die <strong>AIDS</strong>-Katastrophe<br />
information<br />
• Von weltweit 42 Millionen Infizierten (Stand: Ende 2002) leben allein 29,4 Millionen<br />
in den Ländern südlich der Sahara. In Asien breitet sich die Immunschwächekrankheit<br />
vor allem in Indien und China immer schneller aus: Allein in Indien sind<br />
fast vier Millionen Menschen infiziert. In Osteuropa haben Drogenkonsum und<br />
ungeschützter Geschlechtsverkehr zu einem rasanten Anstieg von HIV-Infektionen<br />
bei jungen Menschen geführt.<br />
• Heranwachsende haben immer stärker unter den Folgen der Epidemie zu leiden. Die<br />
Hälfte der Infektionen entfällt auf die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen.<br />
• Mädchen und junge Frauen sind besonders gefährdet. Die Ansteckungsrate liegt deutlich<br />
höher als bei ihren männlichen Altersgenossen. Während der Schwangerschaft,<br />
der Geburt oder durch die Muttermilch stecken sich auch immer mehr Kleinkinder an.<br />
• <strong>AIDS</strong> macht eine immer größere Zahl von Kindern zu Waisen. Bis heute haben<br />
bereits 13,4 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren die Mutter, Vater oder<br />
beide Elternteile durch die Immunschwächekrankheit verloren. Jedes Jahr werden<br />
über 1,6 Millionen Kinder zu Waisen.<br />
• Der wirksamste Schutz gegen die Immunschwächekrankheit sind Aufklärung und<br />
<strong>Info</strong>rmation. Aber gerade in vielen der besonders betroffenen Länder wird die <strong>AIDS</strong>-<br />
Epidemie immer noch tabuisiert.<br />
Deutsches Komitee für UNICEF e.V. • Höninger Weg 104 • 50969 Köln • Telefon: 02 21/9 36 50-0 • Telefax: 02 21/9 36 50-279<br />
E-Mail: mail@unicef.de • Internet: www.unicef.de • Spendenkonto Nr. 300 000 • Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00)
I. Regionale Entwicklungen<br />
Afrika: Mehr Tote durch <strong>AIDS</strong> als durch Kriege<br />
<strong>AIDS</strong> gibt es mittlerweile überall auf der Welt, doch Afrika ist weitaus stärker betroffen<br />
als jede andere Region. In den häufig auch von Gewalt und sozialen Unruhen erschütterten<br />
Ländern südlich der Sahara sterben heute zehn Mal mehr Menschen an <strong>AIDS</strong> als<br />
durch Kriege. Allein im Jahr 2002 haben sich 3,5 Millionen Menschen mit dem Virus<br />
infiziert, 2,4 Millionen sind daran gestorben. <strong>AIDS</strong> ist in vielen afrikanischen Ländern<br />
zur Haupttodesursache in der Altergruppe der 15- bis 49-Jährigen geworden.<br />
In Südafrika leben fünf Millionen Menschen mit dem Virus. Damit hat Südafrika weltweit<br />
die höchste Zahl von Infizierten. Jede vierte Frau zwischen 20 und 29 Jahren ist dort<br />
infiziert. Die höchste Infektionsrate hat Botswana, wo bereits fast 40 Prozent der<br />
erwachsenen Bevölkerung HIV-positiv ist.<br />
Kinder in Afrika haben massiv unter den indirekten und direkten Folgen zu leiden. Rund<br />
90 Prozent der weltweit infizierten Kinder leben auf dem afrikanischen Kontinent.<br />
Asien: Millionen Menschen von <strong>AIDS</strong> betroffen<br />
Ende 2002 lebten über 7,2 Millionen HIV-Infizierte in Asien und der Pazifik-Region.<br />
Allein in Süd- und Südostasien infizierten sich im Jahr 2002 rund 700.000 Erwachsene,<br />
zwei Drittel davon sind Männer. Aufgrund der großen Bevölkerungszahl weisen viele<br />
asiatische Staaten nur eine relativ niedrige Infektionsrate auf, obwohl Millionen Menschen<br />
betroffen sind. In Indien beispielsweise sind "nur" acht von 1.000 Erwachsenen<br />
infiziert. Doch mit insgesamt vier Millionen HIV-Positiven leben in Indien mehr Infizierte<br />
als in jedem anderen Land der Welt außer in Südafrika.<br />
Osteuropa: Dramatischer Anstieg von Neuinfektionen<br />
Osteuropa und die GUS-Republiken hatten 2000 einen dramatischen Anstieg von Neuinfektionen<br />
zu verzeichnen: Waren Ende 1999 rund 420.000 Menschen infiziert, so<br />
waren es nur ein Jahr später bereits 700.000. In Russland wurden im Jahr 2001 fast<br />
genauso viele Neuinfektionen (81.000) registriert wie zusammen in all den Jahren davor<br />
(86.000 von 1987 bis 2000). Es sind vor allem junge Drogenabhängige, die sich<br />
anstecken. Die soziale und wirtschaftliche Instabilität vieler Regionen hat zu einem<br />
Anstieg des Drogenkonsums sowie der kommerziellen sexuellen Ausbeutung und damit<br />
zur Verbreitung der Immunschwächekrankheit geführt.<br />
Industrieländer: Entwicklung neuer Medikamente<br />
Trotz Aufklärung und Prävention stecken sich auch in den Industrieländern jährlich noch<br />
Zehntausende mit dem Virus an. Im Jahr 2002 waren es - genauso wie in den Jahren<br />
davor - in Westeuropa 30.000 Menschen und in Nordamerika 45.000 Menschen. Insgesamt<br />
leben in den Industriestaaten 1,5 Millionen Menschen mit dem Virus.<br />
In Deutschland leben etwa 41.000 HIV-Infizierte (Stand: Ende 2002), jährlich stecken<br />
sich circa 2.000 Menschen an. Die Gesamtzahl der mit HIV lebenden Menschen ist in<br />
den letzten Jahren leicht angestiegen, da die Erkrankten aufgrund der verbesserten Therapiemöglichkeiten<br />
länger überleben. Da diese Therapien und Medikamente sehr teuer<br />
sind, haben bisher aber fast nur Patienten in den Industrieländern davon profitiert.<br />
2
42 Millionen Menschen weltweit infiziert<br />
USA<br />
(0,6 % der<br />
erwachsenen<br />
Bevölkerung )<br />
Anteil der HIV-Infizierten<br />
und <strong>AIDS</strong>-Kranken an der<br />
erwachsenen Bevölkerung*<br />
15 % und mehr<br />
5 % bis unter 15 %<br />
1 % bis unter 5 %<br />
0,5 % bis unter 1 %<br />
0,1 % bis unter 0,5 %<br />
unter 0,1 %<br />
keine Angaben<br />
* 15 bis 49 Jahre<br />
Haiti<br />
(6,1 %)<br />
II. Folgen von <strong>AIDS</strong><br />
Deutschland<br />
(0,1 %)<br />
Botswana<br />
(38,8 %)<br />
Südafrika<br />
(20,1%)<br />
Russische Föderation<br />
(0,9 %)<br />
Indien<br />
(0,8 %)<br />
China<br />
(0,1 %)<br />
Quelle: UN<strong>AIDS</strong>, 2002<br />
<strong>AIDS</strong> macht Entwicklungserfolge zunichte<br />
Viele Kinder werden Opfer der Seuche. Meist sind es Neugeborene, die sich bei der<br />
Geburt oder durch die Muttermilch anstecken. Allein 2002 starben 610.000 Kinder unter<br />
15 Jahren an den Folgen von <strong>AIDS</strong>. In Afrika steigt die Kindersterblichkeitsrate durch<br />
die Epidemie vielerorts bereits wieder. In Botswana etwa erreichten 2001 von 1.000 Kindern<br />
110 nicht das fünfte Lebensjahr, 1995 waren es noch 52. In den besonders betroffenen<br />
Ländern südlich der Sahara wird sich die Kindersterblichkeit bis 2010 aufgrund<br />
von <strong>AIDS</strong> gegenüber 1990 verdoppelt haben. Die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte<br />
im Gesundheitsbereich werden dadurch zunichte gemacht.<br />
Und das Risiko für die heutigen Jugendlichen, an <strong>AIDS</strong> zu sterben, ist noch viel größer,<br />
als die Infektionsraten einzelner Länder vermuten lassen. Denn diese geben nur den Stand<br />
der Lebenden an. Die bereits an <strong>AIDS</strong> Gestorbenen sind in der Infektionsrate nicht mehr<br />
berücksichtigt. In Südafrika und Simbabwe, wo bereits ein Fünftel bzw. ein Drittel der<br />
Bevölkerung infiziert ist, wird ein Drittel der heute 15-Jährigen der <strong>AIDS</strong>-Epidemie zum<br />
Opfer fallen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Botswana, wo fast 40 Prozent der<br />
Erwachsenen infiziert sind, zwei Drittel der heute 15-Jährigen an <strong>AIDS</strong> sterben werden.<br />
Die Lebenserwartung in diesen Ländern ist daher bereits deutlich gesunken. 1990 hatten<br />
die Menschen in Mosambik noch eine Lebenserwartung von 48 Jahren, 2001 lag diese<br />
nur noch bei durchschnittlich 39 Jahren. Für 2010 wird ein weiterer Rückgang auf 35,9<br />
Jahre erwartet. Ohne <strong>AIDS</strong> hätte sich die Lebenserwartung voraussichtlich auf 50,3<br />
Jahre erhöht. Die statistische Lebenserwartung wird im südlichen Afrika im ersten Jahrzehnt<br />
des 21. Jahrhunderts von jetzt etwa 49 auf 45 Jahre sinken – das ist der Stand der<br />
frühen 50-er Jahre.<br />
3<br />
Kambodscha<br />
(42,7 %)
Wie <strong>AIDS</strong> das Leben der Familien verändert<br />
Wenn in einer Familie ein Mitglied an <strong>AIDS</strong> erkrankt, beginnt häufig ein Teufelskreis, aus<br />
dem es kaum ein Entrinnen gibt. Dies gilt besonders, wenn der Ernährer erkrankt. Weil<br />
die Angehörigen sich um die Kranken kümmern müssen, können sie nur noch eingeschränkt<br />
oder gar nicht mehr arbeiten. Das treibt viele Familien noch tiefer in die Armut.<br />
Noch immer glauben viele Menschen in den Entwicklungsländern, dass sie sich im täglichen<br />
Umgang mit HIV-Infizierten anstecken können. Aus diesem Grunde werden die<br />
Betroffenen oft diskriminiert und von ihrer Umgebung ausgegrenzt. Viele Erwachsene<br />
verlieren ihre Arbeit, wenn ihre Infektion bekannt wird. Aus Angst vor Ausgrenzung<br />
weigern sich deshalb viele Familien zuzugeben, dass Verwandte an <strong>AIDS</strong> gestorben sind.<br />
Selbst ein Arzt aus Simbabwe berichtet: "Vor ein paar Tagen habe ich <strong>AIDS</strong> auf eine<br />
Todesurkunde geschrieben und es dann wieder durchgestrichen. Ich dachte mir, die Person<br />
wird dadurch nur stigmatisiert. Niemand gibt <strong>AIDS</strong> als Todesursache an, auch wenn<br />
es der Wahrheit entspricht."<br />
Kinder ohne Lehrer<br />
Der <strong>AIDS</strong>-Epidemie fallen auch immer mehr Lehrer zum Opfer. Allein 1999 verloren in<br />
den Ländern südlich der Sahara schätzungsweise 860.000 Kinder ihre Lehrer durch<br />
<strong>AIDS</strong>. In Teilen Afrikas ist jeder fünfte Lehrer infiziert. In Swasiland beispielsweise<br />
müssten in den nächsten 17 Jahren mehr als doppelt so viele Lehrer wie heute ausgebildet<br />
werden, nur um den Stand von 1997 zu halten.<br />
Die Auswirkungen auf die Bildungssysteme der betroffenen Länder sind dramatisch:<br />
Manche Länder mussten bereits ihre Bildungsausgaben kürzen, da die knappen Mittel<br />
für den Kampf gegen <strong>AIDS</strong> gebraucht werden. Dadurch werden die Bildungsfortschritte<br />
der vergangenen Jahrzehnte zunichte gemacht. Die wichtige Rolle, die die Schulen bei<br />
der <strong>AIDS</strong>-Aufklärung übernehmen müssten, wird weiter geschwächt.<br />
4<br />
Lebenserwartung sinkt auf den Stand der 50-er Jahre<br />
70<br />
65<br />
60<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
Botswana<br />
Sambia<br />
Uganda<br />
Malawi<br />
1955 1987 1990 1992 1994 1995 2010<br />
Quelle: UNICEF
<strong>AIDS</strong>-Waisen: Immer mehr Kinder bleiben allein zurück<br />
13,4 Millionen Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren haben bereits Mutter oder Vater<br />
oder beide Elternteile durch die Krankheit verloren. Bis 2010 wird diese Zahl voraussichtlich<br />
auf 25,3 Millionen steigen.<br />
Wenn die Eltern erkranken, beginnt auch für die Kinder ein schwerer Leidensweg. Denn<br />
meist sind sie es, die die Kranken pflegen und nun zusätzlich für ihre Geschwister sorgen<br />
müssen. Und sie müssen den Tod von Vater und Mutter innerhalb kurzer Zeit verkraften.<br />
In den afrikanischen Ländern werden Kinder, die ihre Eltern verloren haben, traditionell<br />
von Verwandten oder anderen Familien im Dorf aufgenommen. Und tatsächlich leben in<br />
vielen Ländern Afrikas schon in nahezu jedem vierten Haushalt <strong>AIDS</strong>-Waisen. Viele<br />
Dörfer in ländlichen Regionen sind nur noch von Großeltern und ihren Enkeln bewohnt.<br />
Angesichts des Ausmaßes der Katastrophe sind jedoch Großeltern, sonstige Verwandte<br />
oder die Dorfgemeinschaft zunehmend überfordert. Sie nehmen die Waisen zwar auf,<br />
doch diese werden unter dem Druck der Armut immer schlechter versorgt. Untersuchungen<br />
belegen, dass <strong>AIDS</strong>-Waisen häufiger mangelernährt und schlechter medizinisch<br />
betreut werden. Außerdem ist der Prozentsatz der Kinder, die nicht zur Schule gehen, bei<br />
Waisen wesentlich höher als bei Kindern, deren Eltern noch leben.<br />
Wenn die betroffenen Kinder weder bei Angehörigen noch bei Nachbarn unterkommen<br />
können, müssen sie sich alleine durchschlagen. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als zu<br />
arbeiten, um sich und ihre Geschwister zu ernähren. So wächst die Zahl der Kinderhaushalte<br />
immer weiter: Eine Vielzahl der 300.000 Kinder und Jugendlichen unter 18<br />
Jahren, die in Ruanda alleine leben, sind <strong>AIDS</strong>-Waisen.<br />
Der Kampf ums Überleben<br />
Die Ndaipeni-Kinder aus Sambia müssen für sich selbst sorgen. Denn ihre Eltern<br />
sind an <strong>AIDS</strong> gestorben. Vor drei Jahren zeigten sich bei Vater und Mutter die<br />
ersten Anzeichen der Krankheit: Jeden Tag wurden sie dünner und schwächer. Olivia,<br />
mit 15 Jahren die Älteste der vier Waisen, musste die Schule abbrechen und<br />
die Todkranken pflegen. Nach dem Tod der Eltern sorgt sie für ihre drei jüngeren<br />
Geschwister und für ihr eigenes zweijähriges Baby.<br />
Zusätzlich arbeitet Olivia als Hausmädchen in einer Familie in einem der Vororte<br />
von Kitwe, einer Stadt im Nordwesten von Sambia. Auch ihre Geschwister versuchen<br />
zum Lebensunterhalt beizutragen. Sie sammeln Kotklumpen aus einem stinkenden<br />
Abwasserkanal und bringen die schweren Säcke zu einem Gemüsefeld.<br />
Dessen Besitzer nutzt den Kot als Dünger. Ein Drecksjob, doch er bringt ein wenig<br />
Geld. Und das brauchen sie dringend.<br />
Fehlende Arbeitskräfte<br />
Der volkswirtschaftliche Schaden durch <strong>AIDS</strong> ist kaum abzusehen. Da die meisten<br />
<strong>AIDS</strong>-Kranken zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, gehen der Wirtschaft in den betroffenen<br />
Ländern Arbeitskräfte in ihrer produktivsten Lebensphase verloren. So hat die Epidemie<br />
bereits ganze Berufszweige ausgelöscht.<br />
Die Folgen sind in einigen Ländern Afrikas bereits sehr deutlich: Obstplantagen veröden,<br />
Werkstätten stehen leer, ganze Dörfer sind verlassen. Untersuchungen zufolge sinkt<br />
in Ländern mit Infektionsraten von 20 und mehr Prozent das Bruttoinlandsprodukt jähr-<br />
5
Somalia<br />
Sudan<br />
Madagaskar<br />
Senegal<br />
Angola<br />
Lesotho<br />
Togo<br />
Burundi<br />
Kenia<br />
Tansania<br />
Surinam<br />
Uganda<br />
Dominikanische Republik<br />
Malawi<br />
Kambodscha<br />
lich um bis zu zwei Prozent. Die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder werden<br />
durch <strong>AIDS</strong> erheblich belastet. Es fehlen Krankenhausbetten und Personal. Dafür stehen<br />
kaum finanzielle Mittel zur Verfügung.<br />
III. Gründe für die Ausbreitung von <strong>AIDS</strong><br />
Die Mauer des Schweigens<br />
<strong>AIDS</strong> ist bis heute nicht heilbar, eine Infektion kann jedoch beispielsweise durch den<br />
Gebrauch von Kondomen verhindert werden. Das einzig wirksame Gegenmittel bis<br />
heute ist daher Prävention und Aufklärung.<br />
Doch das Thema „<strong>AIDS</strong>“ wird in vielen Ländern nach wie vor sowohl in Familien als<br />
auch in der Öffentlichkeit tabuisiert. Untersuchungen belegen, wie wenig sich gerade<br />
Heranwachsende der Gefahr einer HIV-Infektion bewusst sind. Auffallend dabei ist, dass<br />
das Wissen über die <strong>AIDS</strong>-Gefahr bei Mädchen zumeist noch unzureichender ist als bei<br />
Jungen. Das ist eine Folge der massiven Benachteiligung von Mädchen zum Beispiel<br />
beim Schulbesuch und beim Zugang zu <strong>Info</strong>rmationen. Armut sowie die traditionelle<br />
Diskriminierung und Unterordnung macht es Mädchen schwer, in Fragen von Sexualität<br />
und Partnerschaft über sich selbst zu bestimmen.<br />
Viele Mädchen schätzen die Risiken selbst dann völlig falsch ein, wenn sie von HIV und<br />
<strong>AIDS</strong> in der Schule gehört haben. So glauben zwei Drittel der Mädchen zwischen 15 und<br />
19 Jahren in Haiti, dass sie nicht gefährdet seien. In Simbabwe, einem der Länder mit<br />
den höchsten Infektionsraten, vertritt die Hälfte aller Mädchen dieser Altersgruppe diese<br />
Ansicht. Eine Umfrage unter jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren in Somalia<br />
ergab, dass 99 Prozent nicht wissen, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen können.<br />
6<br />
Anteil junge Frauen (15-24 Jahre), die nicht wissen,<br />
wie sie sich vor <strong>AIDS</strong> schützen können (in Prozent)<br />
99<br />
98<br />
95<br />
90<br />
88<br />
82<br />
80<br />
76<br />
74<br />
74<br />
73<br />
72<br />
67<br />
66<br />
63<br />
Quelle: UNICEF, Zur Situation der Kinder in der Welt 2003
Mädchen und Frauen sind besonders gefährdet<br />
Bei Mädchen und jungen Frauen liegt die Ansteckungsrate deutlich höher als bei ihren<br />
männlichen Altersgenossen. Allein unter den jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren<br />
im südlichen Afrika leben 5,8 Millionen infizierte Frauen im Vergleich zu 2,8 Millionen<br />
infizierten Männern. Der Grund für dieses Ungleichgewicht liegt zum einen in<br />
der höheren Verletzlichkeit der weiblichen Geschlechtsorgane besonders bei jungen<br />
Mädchen. Und häufig suchen ältere Männer gezielt sexuelle Abenteuer mit minderjährigen<br />
Prostituierten, weil sie glauben, dass ihr Ansteckungsrisiko dann geringer ist.<br />
Darüber hinaus haben junge Frauen meist keine Möglichkeit, über ihre Sexualität und<br />
den Gebrauch von Kondomen zu bestimmen. Viele Männer weigern sich, ein Präservativ<br />
zu benutzen.<br />
Auch die Prostitution in vielen Ländern trägt massiv zur weiteren Ausbreitung von<br />
<strong>AIDS</strong> bei. In Kambodscha etwa ist der Besuch von Prostituierten für viele Männer<br />
selbstverständlich. Frauen bieten sich in Bordellen, Karaoke-Bars und an anderen Orten<br />
sowohl in den großen Städten wie in kleinen Dörfern an. Mehr als 40 Prozent der in Bordellen<br />
oder Bars arbeitenden Frauen sind HIV-positiv.<br />
In Asien wie in Afrika verbreitet ist auch eine Art "Gefälligkeitsprostitution". Viele<br />
Mädchen aus armen Familien oder <strong>AIDS</strong>-Waisen bleibt keine andere Möglichkeit, als<br />
sich gegen Geld, Essen oder Kleidung mit Nachbarn oder anderen Männern aus dem<br />
Dorf einzulassen, um den Lebensunterhalt zu sichern.<br />
Risiko durch Mutter-Kind-Übertragung und Stillen<br />
Weltweit werden jährlich zwei Millionen HIV-positive Frauen schwanger. Mit der<br />
wachsenden Zahl infizierter Frauen stecken sich auch immer mehr Kinder an. Seit<br />
Beginn der Epidemie sind bereits über fünf Millionen Kinder unter 15 Jahren an <strong>AIDS</strong><br />
gestorben, allein 2002 waren es 610.000. Neun von zehn HIV-positiven Kindern wird<br />
das Virus von ihren Müttern übertragen. Dies gilt vor allem für die Entwicklungsländer.<br />
Das Übertragungsrisiko im Mutterleib und während der Geburt ist vom Zustand des<br />
Immunsystems der Mutter abhängig. Ist es geschwächt, zum Beispiel durch Mangelernährung<br />
oder Krankheit, ist die Konzentration des HI-Virus im Blut hoch. Und damit<br />
steigt auch die Infektionsgefahr. Zusätzlich verstärken Komplikationen während der<br />
Schwangerschaft das Risiko einer Übertragung.<br />
Durch die Muttermilch können Kinder ebenfalls mit dem Virus infiziert werden. Das<br />
Übertragungsrisiko durch die Muttermilch beträgt etwa 15 Prozent. In Industrieländern<br />
kann dieser Übertragungsweg praktisch ausgeschlossen werden. Alle Schwangeren<br />
haben Zugang zu HIV-Tests, so dass eine Infektion frühzeitig festgestellt werden kann.<br />
HIV-positive Mütter erhalten während der Schwangerschaft antiretrovirale Medikamente,<br />
die das Übertragungsrisiko auf das Kind minimieren. Ihnen wird generell zur Verwendung<br />
von Milchpulver geraten.<br />
Die Situation in Entwicklungsländern stellt sich grundlegend anders dar. HIV-Tests sind<br />
nicht allgemein zugänglich. Im südlichen Afrika wissen nur fünf Prozent der infizierten<br />
Erwachsenen, dass sie HIV-positiv sind. Und Medikamente stehen häufig nicht zur Verfügung<br />
oder sind zu teuer.<br />
Grundsätzlich würde auch in Entwicklungsländern die Verwendung von Milchpulver<br />
das Mutter-Kind-Übertragungsrisiko reduzieren. Dies setzt jedoch eine hygienische<br />
Zubereitung der Flaschennahrung voraus. Viele Familien haben keinen Zugang zu sau-<br />
7
erem Wasser, um das Milchpulver zuzubereiten und die Fläschchen steril zu halten.<br />
Außerdem müssen die Frauen über die hygienische Zubereitung von Flaschennahrung<br />
Bescheid wissen und über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, um Milchpulver<br />
in ausreichender Menge beschaffen zu können. In Entwicklungsländern sind<br />
diese Bedingungen jedoch meist nicht erfüllt. Die Zubereitung von Säuglingsnahrung in<br />
nicht sterilisierten Flaschen mit unsauberem Wasser führt dort häufig zu tödlichen Infektionen.<br />
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass jährlich 1,5 Millionen Kinder<br />
sterben, weil sie nicht gestillt werden. Ein unkritisches Empfehlen von Flaschennahrung<br />
für HIV-infizierte Mütter hätte unabsehbare Folgen. Vielerorts ist das Risiko,<br />
dass ein Kind durch unsaubere Babynahrung lebensgefährlich erkrankt, größer als die<br />
Gefahr einer Infektion mit dem HI-Virus.<br />
Mangelnde Gesundheitsversorgung und fehlende Medikamente<br />
Auch der Ausbruch von <strong>AIDS</strong> bei HIV-Infizierten kann mittlerweile durch hochwirksame<br />
antiretrovirale Therapien stark hinausgezögert bzw. ganz verhindert werden. Eine solche<br />
Therapie besteht aus einer Kombination mehrerer Wirkstoffe. Die Patienten müssen<br />
lebenslang täglich zu bestimmten Zeiten mehrere Tabletten einnehmen. Während dies in<br />
den Industrieländern heute weitgehend gängige Praxis ist, kann sich fast kein Infizierter<br />
in den Entwicklungsländern diese Präparate leisten. Selbst Billigkopien sind für die meisten<br />
Menschen unerschwinglich. 780 Millionen Afrikaner – das sind immerhin 13 Prozent<br />
der Weltbevölkerung – kaufen nur ein Prozent der Weltproduktion an Medikamenten.<br />
Die Gesundheitsversorgung ist in den meisten Entwicklungsländern unzureichend, und<br />
die Gesundheitsstationen und Krankenhäuser sind häufig schlecht ausgestattet.<br />
IV. Wie UNICEF gegen <strong>AIDS</strong> kämpft<br />
Aufklärung: Auf die junge Generation kommt es an<br />
Gerade in den besonders betroffenen Ländern muss das Tabu um <strong>AIDS</strong> und die<br />
Ansteckungswege durchbrochen werden. Dabei kommt es entscheidend auf die junge<br />
Generation an. Nur wenn es gelingt, ihr Sexualverhalten zu verändern, kann die <strong>AIDS</strong>-<br />
Ausbreitung gestoppt werden. <strong>Info</strong>rmationen über die Immunschwächekrankheit müssen<br />
ein fester Bestandteil der Schul- und Ausbildungsprogramme werden.<br />
In Uganda wurde mit Hilfe von UNICEF das Fach Gesundheitserziehung in den Schulunterricht<br />
eingeführt. Lehrer wurden für dieses Unterrichtsfach speziell fortgebildet,<br />
neue Textbücher wurden entwickelt und Materialien zur <strong>AIDS</strong>-Aufklärung bereitgestellt.<br />
Kinder und Jugendliche selbst können bei der <strong>AIDS</strong>-Aufklärung eine entscheidende<br />
Rolle spielen. Für viele Heranwachsende ist es schwierig, über Sexualität und Partnerschaft<br />
zu sprechen. Wenn diese Diskussion von Gleichaltrigen angestoßen wird, fällt es<br />
den Jugendlichen oft leichter, darüber zu reden. UNICEF fördert in zahlreichen Ländern<br />
Programme zur sogenannten „Peer to Peer Education“, so zum Beispiel an der Elfenbeinküste,<br />
in Uganda, Malawi, Namibia, im Senegal und in Sambia. Jugendliche organisieren<br />
dabei Diskussionen und Aufklärungsveranstaltungen für ihre Altergenossen,<br />
beispielsweise in Jugendclubs.<br />
8
Namibia: “Ich bestimme über meine Zukunft”<br />
Unter diesem Motto können Jugendliche in Namibia an einem 20-stündigen Kurs<br />
über <strong>AIDS</strong> teilnehmen. Doch nicht Erwachsene vermitteln die Inhalte, sondern<br />
Gleichaltrige. Dieses Programm ist mehr als Sexualkunde: In dem Kurs diskutieren<br />
Jugendliche über ihre Probleme und Ängste als Heranwachsende. Wer von den<br />
jungen Leuten die elementaren Begriffe der Sexualität nicht gleich findet, dem helfen<br />
die Mitschüler auf die Sprünge. <strong>AIDS</strong> bricht das Tabu, über Sexualität zu reden.<br />
In Rollenspielen wird "richtiges" Verhalten geübt: Vor allem Mädchen lernen hier<br />
die Kunst, "Nein" zu sagen. Denn Ziel des Programms ist es auch, das Verhältnis<br />
zwischen den Geschlechtern zu verändern und damit die sexuelle Selbstbestimmung<br />
der Mädchen zu fördern. Erste Erfolge sind schon sichtbar: "Im letzten Jahr<br />
sind viel weniger Schülerinnen als in den Vorjahren ungewollt schwanger geworden",<br />
berichtet eine Kursleiterin. Jeder, der den Kurs absolviert hat, erhält ein<br />
T-Shirt mit dem Motto „The future is my choice“. In Namibia findet man mittlerweile<br />
selbst in den entlegensten Gebieten Jugendliche mit dem T-Shirt.<br />
Die Beispiele Uganda und Thailand zeigen, welche Erfolge mit breit angelegten <strong>Info</strong>rmationskampagnen<br />
erreicht werden können. Uganda erzielte einen deutlichen Rückgang<br />
der HIV-Verbreitung. Viele junge Ugander machen ihre ersten sexuellen Erfahrungen<br />
heute erst zu einem späteren Zeitpunkt, haben weniger häufig wechselnde Partner<br />
und benutzen öfter Kondome. Bei Schwangeren ging die Infektionsrate von 14 Prozent<br />
Anfang der 90-er Jahre auf heute acht Prozent zurück.<br />
Thailand ist ebenso erfolgreich mit einer Kampagne, die vor allem auf die junge Bevölkerung<br />
abzielt. In Nordthailand sank die Zahl der jungen Männer, die kommerzielle Prostituierte<br />
besuchen, innerhalb von vier Jahren um die Hälfte. Die Benutzung von Kondomen<br />
verdoppelte sich während dieser Zeit.<br />
UNICEF kauft, liefert oder verteilt selbst keine Kondome. Diese Aufgabe übernimmt<br />
der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen UNFPA. In den Präventions- und Aufklärungsprogrammen,<br />
die UNICEF unterstützt, wird aber auch die Anwendung von<br />
Kondomen als Schutz vor einer HIV-Infektion erklärt.<br />
Mutter-Kind-Übertragung stoppen<br />
Die Übertragungswahrscheinlichkeit von der Mutter auf ihr Kind kann mittlerweile auf<br />
ein Prozent gedrückt werden. Nötig dafür ist die langfristige Einnahme von antiretroviralen<br />
Medikamenten. Für viele Menschen in den Entwicklungsländern sind diese Medikamente<br />
zu teuer. Hinzu kommt, dass viele Frauen gar nicht wissen, ob sie HIV-positiv<br />
sind. Deshalb werden in vielen Entwicklungsländern antiretrovirale Medikamente mit<br />
dem Wirkstoff Nevirapin gegeben, mit denen die Kosten auf vier Euro pro Schwangere<br />
und Kind reduziert werden können. Die Übertragungswahrscheinlichkeit wird dadurch<br />
auf unter zehn Prozent verringert.<br />
UNICEF ist mittlerweile in elf Ländern an Pilot-Projekten zur Reduzierung der Mutter-<br />
Kind-Übertragung beteiligt. Dies sind die besonders stark betroffenen Länder Botswana,<br />
Burkina Faso, Kambodscha, Honduras, Elfenbeinküste, Kenia, Ruanda, Tansania,<br />
Uganda, Sambia und Simbabwe. In den vergangenen zwei Jahren wurden 50.000 Frauen<br />
erreicht.<br />
9
In diesen Ländern verteilt UNICEF HIV-Tests an schwangere Frauen und verbessert die<br />
Versorgung während Schwangerschaft und Geburt. In Krankenhäusern werden betroffene<br />
Frauen über die Folgen einer Infektion informiert und beraten. Sie erhalten antiretrovirale<br />
Medikamente, um die Übertragung zu unterdrücken. Das Medikament mit dem<br />
Wirkstoff Nevirapin zur Reduzierung von HIV-Infektionen bei Neugeborenen wird von<br />
fünf führenden Pharma-Unternehmen den Regierungen afrikanischer Länder kostenfrei<br />
angeboten. Voraussetzung ist jedoch, dass das Gesundheitssystem dieser Länder die Verteilung<br />
und richtige Anwendung sicherstellen kann. Dabei hilft UNICEF.<br />
UNICEF informiert zudem infizierte schwangere Frauen, welche Ernährung für ihr Kind<br />
die sicherste ist und welche Alternativen es zum Stillen gibt. In den Ländern, wo saubere<br />
Zubereitung gewährleistet ist, empfehlen UNICEF und die Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) HIV-infizierten Müttern den Gebrauch von Fertignahrung. In Thailand zum<br />
Beispiel, wo der Zugang zu sauberem Wasser in fast allen Landesteilen gesichert ist,<br />
stellt die Regierung den Frauen kostenlos Milchpulver zur Verfügung.<br />
Überlebenshilfe für <strong>AIDS</strong>-Waisen<br />
UNICEF stärkt in vielen Ländern die Gemeinden, damit sie sich trotz der bereits extremen<br />
Belastung durch die <strong>AIDS</strong>-Epidemie selbst um Waisen und kranke Kinder kümmern<br />
können. Lokale Organisationen in den Dörfern lernen, wie sie zum Beispiel einfache<br />
Tagesstätten für Waisen und andere Kinder aufbauen können. Helfer werden bei der<br />
Pflege erkrankter Kinder und Eltern und bei der Versorgung der Kinder unterstützt.<br />
Außerdem hilft UNICEF den Gemeinden, das Überleben der von <strong>AIDS</strong> betroffenen<br />
Familien durch Kleinkredite zu sichern. Gemeindemitglieder können damit zusätzliches<br />
Land bebauen, um die Nahrungsmittelversorgung der Waisen zu sichern. Oder sie bauen<br />
kleine Betriebe auf, mit deren Gewinn zum Beispiel dringend benötigte Medikamente<br />
gekauft werden.<br />
Um die Familien zu entlasten, hilft UNICEF etwa in Malawi beim Aufbau von Kinderkrippen<br />
für <strong>AIDS</strong>-Waisenkinder. In den Kindertagesstätten werden Kinder zwischen<br />
zwei und fünf Jahren den ganzen Tag über betreut, so dass die älteren Geschwister zur<br />
Schule gehen können. Die Kinder erhalten in den Tagesstätten regelmäßige Mahlzeiten<br />
und werden medizinisch versorgt. Pro Krippe werden drei ehrenamtliche Helfer ausgebildet.<br />
UNICEF unterstützt die Kindertagesstätten auch mit Spielzeug und Lehrmaterial.<br />
In Kambodscha kümmert sich UNICEF auch um die Versorgung der <strong>AIDS</strong>-Waisen, die<br />
keinen Platz bei Verwandten oder in einer Pflegefamilie finden. Um die Situation in<br />
bestehenden staatlichen Heimen zu unterstützen, werden die Mitarbeiter für die Betreuung<br />
der <strong>AIDS</strong>-Waisen und der kranken Kinder geschult.<br />
UNICEF fördert außerdem Alternativen zur Unterbringung von Waisen in den Heimen.<br />
In Mosambik und Südafrika unterstützt UNICEF hierzu Organisationen, die sich um die<br />
Unterbringung der Kinder bei Verwandten oder Pflegefamilien bemühen. Pflegeeltern,<br />
die ein Kind oder eine Gruppe von Kindern aufnehmen, erhalten Hilfe durch Sozialarbeiter<br />
sowie finanzielle Unterstützung.<br />
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Hilfe für Betroffene<br />
Bereits an <strong>AIDS</strong> Erkrankte sowie ihre Familienangehörigen benötigen besondere Unterstützung.<br />
UNICEF versorgt <strong>AIDS</strong>-Kranke mit Basismedikamenten zur Linderung von<br />
Schmerzen, gegen Durchfallerkrankungen und gegen typische Pilzinfektionen.<br />
Druck auf Pharmakonzerne wächst<br />
In den Ländern, wo <strong>AIDS</strong>-Medikamente im eigenen Land hergestellt werden und<br />
dadurch billiger angeboten werden können, hat dies enorme Auswirkungen auf die<br />
Überlebenschancen der Patienten. In Brasilien liegen durch die lizenzfreie Herstellung<br />
im Land die Behandlungskosten nur noch bei 1.000 US-Dollar pro Jahr<br />
und Patient. Dies hat dazu beigetragen, dass in Brasilien die Zahl der <strong>AIDS</strong>-Toten<br />
seit 1997 halbiert werden konnte.<br />
In der letzten Zeit ist deshalb der Druck auf die Pharmakonzerne, ihre Medikamentenpreise<br />
für arme Länder zu senken, immer größer geworden. Anfang 2001<br />
wurde in Südafrika ein Musterprozess um Patentrechte für <strong>AIDS</strong>-Medikamente<br />
geführt. 39 Pharmakonzerne klagten gegen die Regierung Südafrikas, weil sie den<br />
Weg für den Einsatz von Generika statt der teuren Originalmedikamente freimachen<br />
wollte. Generika sind Kopien, die deutlich weniger kosten.<br />
Doch unter dem Druck der Öffentlichkeit mussten die Pharmakonzerne ihre Klage<br />
zurücknehmen, so dass Südafrika sich künftig Zugang zu billigeren <strong>AIDS</strong>-Medikamenten<br />
verschaffen kann. Aber auch deren Einsatz wird angesichts der hohen<br />
Anzahl Infizierter große Summen verschlingen.<br />
Außerdem haben viele Entwicklungsländer weder die Infrastruktur noch das ausgebildete<br />
Pflegepersonal, um auch noch so billige Medikamente wirksam einzusetzen.<br />
Die Medikamenteneinnahme muss nach einem strikten Zeitplan erfolgen<br />
und in regelmäßigen Tests beobachtet werden. Das ist in vielen Ländern nicht einzuhalten.<br />
Die Verbesserung der Gesundheitssysteme und der sozialen Verhältnisse<br />
ist deshalb mindestens ebenso wichtig wie die Bereitstellung von Medikamenten.<br />
Rolle der Mädchen stärken<br />
Besonderen Wert legt UNICEF darauf, die Rolle der Mädchen im Kampf gegen <strong>AIDS</strong><br />
zu stärken. Die UNICEF-Aufklärungsprogramme sprechen besonders Mädchen an und<br />
versuchen, sie aktiv einzubeziehen. In Jugendclubs, Theatergruppen oder über Jugendradiosendungen<br />
lernen sie neue Rollenmodelle kennen, die ihnen bereits im jungen Alter<br />
<strong>Info</strong>rmationen über die <strong>AIDS</strong>-Gefahr vermitteln und ihr Selbstbewusstsein stärken.<br />
In den UNICEF-Bildungsprogrammen unterstützt UNICEF gezielt die Ausbildung von<br />
Lehrern in Fragen der Gesundheit, Sexualität und Partnerschaft sowie der Rechte der<br />
Mädchen.<br />
UNICEF hat zudem für Afrika eine Zeichentrickserie entwickelt, die Aufklärung, <strong>Info</strong>rmation<br />
und Unterhaltung miteinander verbindet. Die Hauptfigur Sara erlebt in ihrem<br />
Dorf die typischen kulturellen und sozialen Zwänge, mit denen viele Mädchen in Afrika<br />
konfrontiert sind. In einer der Episoden erklärt Sara, wie sie und ihre Freunde sich vor<br />
<strong>AIDS</strong> schützen können.<br />
11
Der Stellenwert der <strong>AIDS</strong>-Bekämpfung in den UNICEF-Programmen<br />
In allen von UNICEF unterstützten Ländern sind mittlerweile <strong>AIDS</strong>-Projekte in die laufenden<br />
Gesundheitsprogramme integriert worden. Dabei setzen die Länder und Regionen<br />
unterschiedliche Schwerpunkte. Im südlichen Afrika ist UNICEF in allen vier Bereichen<br />
(Aufklärung, Mutter-Kind-Übertragung, Unterstützung von <strong>AIDS</strong>-Waisen und Hilfe für<br />
Betroffene) tätig. In anderen Regionen, wie zum Beispiel in den Ländern des Mittleren<br />
Ostens, wo es relativ wenige Infizierte gibt, liegt der Schwerpunkt auf der Prävention und<br />
Aufklärung von Jugendlichen. In Ostasien werden vor allem Programme unterstützt, in<br />
denen junge Prostituierte über die Immunschwächekrankheit informiert werden.<br />
UNICEF hat seine Ausgaben für die <strong>AIDS</strong>-Programme in den letzten Jahren stetig<br />
erhöht: Im Jahr 2000 waren es 40 Millionen Dollar, 2001 wurde der Betrag verdoppelt.<br />
Für die nächsten vier Jahre sind für <strong>AIDS</strong>-Programme 500 Millionen Dollar eingeplant,<br />
durchschnittlich sollen jährlich 125 Millionen Dollar zur Verfügung stehen.<br />
Der „Befreiungskampf gegen <strong>AIDS</strong>“<br />
Bei dem Befreiungskampf gegen die tödliche Immunschwächekrankheit müssen sowohl<br />
Industrie- als auch Entwicklungsländer ihren Beitrag leisten. In den betroffenen Ländern<br />
müssen Aufklärungsprogramme und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung einen<br />
höheren Stellenwert bekommen. Viele Länder haben sich der Katastrophe bis heute nicht<br />
ausreichend gestellt.<br />
Deshalb haben die Vereinten Nationen die Regierungen auf einer Sondertagung der UN-<br />
Generalversammlung zu <strong>AIDS</strong> im Juni 2001 zu verstärkten globalen Maßnahmen gegen<br />
die Epidemie aufgefordert. Folgende Ziele wurden dort u. a. vereinbart:<br />
• Bis 2005 soll sichergestellt werden, dass mindestens 90 Prozent der 15- bis 24-Jährigen<br />
Zugang zu <strong>Info</strong>rmationen über <strong>AIDS</strong> haben.<br />
• In den am stärksten betroffenen Ländern soll die Zahl der HIV-Infektionen unter den<br />
15- bis 24-Jährigen bis 2005 und weltweit bis 2010 um 25 Prozent gesenkt werden.<br />
• Bis 2005 soll der Anteil der infizierten Neugeborenen und Kleinkinder um 20 Prozent<br />
und bis 2010 um 50 Prozent gesenkt werden.<br />
Diese Ziele wurden im Aktionsplan „Für eine kindgerechte Welt“ des Weltkindergipfels<br />
2002 nochmals unterschrieben.<br />
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind für <strong>AIDS</strong>-Prävention und Pflege in Ländern<br />
mit niedrigen und mittleren Einkommen jährlich Ausgaben in Höhe von sieben bis<br />
zehn Milliarden US-Dollar erforderlich. Auf Vorschlag des Generalsekretärs der Vereinten<br />
Nationen, Kofi Annan, wurde auf der UN-Sonderkonferenz ein globaler Fonds zur<br />
Bekämpfung von <strong>AIDS</strong>, Tuberkulose und Malaria eingerichtet.<br />
Er forderte alle Regierungen, die Privatwirtschaft<br />
und Nichtregierungsorganisationen dazu auf, ihre Kräfte zu<br />
einer massiven Front gegen die <strong>AIDS</strong>-Epidemie zu vereinen.<br />
2002 standen dem Fonds 800 Millionen Dollar zur Verfügung.<br />
Diese Summe reicht bei weitem nicht aus, um die Epidemie<br />
angemessen bekämpfen zu können. Aber sie ermöglicht,<br />
mit Projekten zu beginnen, so dass Ergebnisse vorgezeigt<br />
und weitere Geber gewonnen werden können.<br />
Bereich Grundsatz und <strong>Info</strong>rmation<br />
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