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Bildung für Mädchen (pdf, 12 S.) - Kompass

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Für Kinder bewegen wir Welten<br />

Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen<br />

UNICEF-Bericht „Zur Situation der Kinder in der Welt 2004“<br />

<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong><br />

information<br />

Im Zeitalter des Internet hat weltweit jedes sechste Kind nicht einmal die Chance,<br />

Lesen und Schreiben zu lernen. <strong>12</strong>1 Millionen Kinder im Grundschulalter gehen<br />

nicht zur Schule, weil ihre Familien zu arm sind, weil die Schulen überfüllt oder zu<br />

weit entfernt sind. Mit 65 Millionen sind die Mehrheit von ihnen <strong>Mädchen</strong>, denn<br />

noch immer werden sie in vielen Ländern beim Zugang zur <strong>Bildung</strong> benachteiligt.<br />

Jedes dritte nicht eingeschulte <strong>Mädchen</strong> lebt in Afrika. <strong>Mädchen</strong> sollen früh arbeiten<br />

und heiraten – <strong>für</strong> die Schulbildung bleibt keine Zeit. Zwei Drittel der rund 875<br />

Millionen Analphabeten auf der Erde sind weiblich. In Regionen wie dem südlichen<br />

Afrika stieg die Zahl der nicht eingeschulten <strong>Mädchen</strong> in den letzten zehn Jahren<br />

sogar wieder an. Dabei hat keine andere Investition so positive und weit reichende<br />

Auswirkungen auf die Entwicklung einer Gesellschaft wie die Förderung der <strong>Bildung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong>: Die Kindersterblichkeit sinkt, je länger die Mütter zur Schule<br />

gehen. Frauen mit Schulbildung heiraten meist später, bekommen weniger Kinder<br />

und können diese besser versorgen. Nicht zuletzt schützt <strong>Bildung</strong> <strong>Mädchen</strong> vor Diskriminierung,<br />

Ausbeutung und Gefahren wie AIDS. Der UNICEF-Jahresbericht<br />

„Zur Situation der Kinder in der Welt 2004“ zeigt, wie wirkungsvoll eine gute<br />

Schulbildung ist. Er dokumentiert zugleich die weltweite <strong>Bildung</strong>skatastrophe und<br />

benennt die Gründe <strong>für</strong> die fortdauernde Benachteiligung von <strong>Mädchen</strong>.<br />

Zahlen und Fakten:<br />

• Weltweit sind die Einschulungsraten in den vergangenen Jahrzehnten deutlich angestiegen.<br />

Im Jahr 1960 besuchte weniger als die Hälfte aller Kinder zwischen sechs und<br />

elf Jahren die Grundschule, im südlichen Afrika nur eins von 20 Kindern. Im Jahr<br />

2002 waren weltweit 81 Prozent aller Kinder im Grundschulalter eingeschult.<br />

• Die Kluft zwischen den Geschlechtern ist in den neunziger Jahren kleiner geworden.<br />

In 86 Ländern ist bei den Einschulungsraten die Gleichheit der Geschlechter erreicht.<br />

Weltweit hat sich das Verhältnis von <strong>Mädchen</strong> zu Jungen bei der Einschulung von 86<br />

zu 100 im Jahr 1990 auf 92 zu 100 verbessert. In Marokko zum Beispiel schnellte der<br />

Anteil der <strong>Mädchen</strong> von 44,6 % im Jahr 1997/98 in nur fünf Jahren auf 82,2 % empor.<br />

• Beunruhigend ist die Entwicklung in Afrika südlich der Sahara: Hier wächst die Zahl<br />

der weltweit nicht eingeschulten Kinder von Jahr zu Jahr, sie stieg von 41 Millionen<br />

Kindern 1990 auf 45 Millionen im Jahr 2002.<br />

• 83 Prozent aller <strong>Mädchen</strong>, die keine Schule besuchen, leben in Afrika südlich der<br />

Sahara, Südasien, Ostasien oder in der Pazifikregion. In 70 Ländern weltweit werden<br />

weniger als 85 Prozent der <strong>Mädchen</strong> eingeschult.<br />

• Trotz vieler Fortschritte liegt die Quote der <strong>Mädchen</strong>, die die Grundschule auch abschließen,<br />

mit 76 Prozent immer noch weit unter der von Jungen mit 85 Prozent.<br />

Deutsches Komitee <strong>für</strong> UNICEF e.V. • Höninger Weg 104 • 50969 Köln • Telefon: 02 21/9 36 50-0 • Telefax: 02 21/9 36 50-279<br />

E-Mail: mail@unicef.de • Internet: www.unicef.de • Spendenkonto Nr. 300 000 • Bank <strong>für</strong> Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00)


I. <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle Kinder – noch immer in weiter Ferne<br />

Während des Millenniumgipfels der Vereinten Nationen im September 2000 hat sich die<br />

internationale Staatengemeinschaft neben weiteren Entwicklungszielen auch dazu verpflichtet,<br />

bis zum Jahr 2015 allen Jungen und <strong>Mädchen</strong> die Chance auf eine gute Grundbildung<br />

und den Abschluss der Grundschule zu geben. <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle <strong>Mädchen</strong> und die<br />

Chancengleichheit der Geschlechter spielen eine Schlüsselrolle – aus Sicht von UN-<br />

Generalsekretär Kofi Annan sind sie Katalysatoren, um alle anderen Ziele zu erreichen.<br />

In zahlreichen Konventionen und Erklärungen ist das Recht aller Kinder auf <strong>Bildung</strong><br />

bereits festgeschrieben worden. Internationale Konferenzen wie die über „<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle“<br />

2000 in Dakar, Senegal, und 1990 im thailändischen Jomtien haben Aktionspläne verabschiedet.<br />

Doch trotz vieler Fortschritte ist das Ziel der „<strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle“ noch<br />

erschreckend weit entfernt: So werden zwar Jahr <strong>für</strong> Jahr mehr Kinder in die Grundschule<br />

aufgenommen, doch noch immer hält die Zahl der neu geschaffenen Plätze nicht<br />

mit dem wachsenden Bedarf Schritt. Trotz einer Einschulungsrate von inzwischen 81<br />

Prozent weltweit hat sich die absolute Zahl der Kinder im Grundschulalter, die keine<br />

Schule besuchen, hartnäckig auf hohem Niveau gehalten und liegt heute nach neuesten<br />

Schätzungen von UNICEF bei <strong>12</strong>1 Millionen. Hier zählt UNICEF sowohl die Kinder<br />

mit, die vorzeitig den Grundschulbesuch abgebrochen haben, wie jene, die nie einen Fuß<br />

in einen Klassenraum gesetzt haben.<br />

Die weltweit hohe Einschulungsrate täuscht überdies über enorme regionale Schwankungen<br />

hinweg: Während Lateinamerika und die Karibik mit 94 beziehungsweise 97<br />

Prozent eingeschulten Kindern an die Industriestaaten heranreichen, liegt Südasien mit<br />

74 Prozent deutlich zurück. Und die afrikanischen Länder südlich der Sahara kommen<br />

sogar nur auf 59 Prozent.<br />

Auch der Anteil der erfolgreichen Grundschulabsolventen ist während der 1990er Jahre<br />

um 8 Prozent auf 81 Prozent gestiegen – doch auch hier werden die Probleme im südlichen<br />

Afrika offensichtlich: Nur gut jedes zweite eingeschulte Kind schließt dort die<br />

Grundschule auch ab. Geht es weiter so langsam voran, wird auch im Jahr 2015 eines<br />

von fünf Kindern die Grundschule nicht beenden.<br />

2<br />

62<br />

Jungen<br />

<strong>Mädchen</strong><br />

57<br />

Afrika südl.<br />

der Sahara<br />

77<br />

71<br />

81<br />

75<br />

Südasien Naher Osten/<br />

Nordafrika<br />

88<br />

83<br />

Mittel-, Osteuropa,<br />

GUS<br />

93 92<br />

Ostasien<br />

und Pazifik<br />

95 93<br />

Lateinamerika<br />

und Karibik<br />

83 79<br />

Gesamt<br />

Prozentsatz der Kinder, die eingeschult worden sind und weiter die Grundschule<br />

besuchen (1996-2002), nach Jungen und <strong>Mädchen</strong>.


II. <strong>Mädchen</strong> – von <strong>Bildung</strong> ausgeschlossen<br />

Fast zwei Drittel der Entwicklungsländer haben im Laufe der neunziger Jahre die Einschulungsraten<br />

von <strong>Mädchen</strong> verbessert. Am erfolgreichsten waren Benin, Gambia, Guinea,<br />

Mali, Marokko, Mauretanien, Nepal, Pakistan, Sudan und Tschad. Doch noch<br />

immer stellen die <strong>Mädchen</strong> mit 65 Millionen die Mehrzahl der weltweit nicht eingeschulten<br />

Kinder. Etwa jedes dritte kommt aus Afrika, dort stieg ihre Zahl sogar von 1990<br />

bis 2002 um vier Millionen auf 24 Millionen an. Mit einer Schulabschlussquote von nur<br />

76 Prozent im Vergleich zu der der Jungen von 85 Prozent brechen auch immer noch<br />

mehr <strong>Mädchen</strong> die Schule ab.<br />

In den meisten Ländern hat sich hinsichtlich des Besuchs der weiterführenden Schulen<br />

die Benachteiligung der <strong>Mädchen</strong> deutlich verringert. Aber erneut liegen hier die Länder<br />

mit dem geringsten Anteil an <strong>Mädchen</strong> in Sekundarschulen in Afrika südlich der Sahara.<br />

In Äthiopien, Burkina Faso, Burundi, Guinea, Niger, Somalia, Tansania und im<br />

Tschad besuchen maximal zehn Prozent aller <strong>Mädchen</strong> eine weiterführende Schule. In<br />

dieser Region ist auch der Anteil weiblicher Lehrkräfte so niedrig wie sonst nirgends –<br />

in manchen Ländern liegt er bei nur 25 Prozent.<br />

Die Benachteiligung der <strong>Mädchen</strong> ist nicht nur an den Zahlen abzulesen, sondern auch<br />

im täglichen Unterricht spürbar: Oft werden <strong>Mädchen</strong> von den Lehrern ignoriert und<br />

nicht aufgerufen. Schulbücher transportieren bis heute ein sehr traditionelles oder negatives<br />

Frauenbild – mit aktiven, dominanten Jungen und Männern und Frauen, deren<br />

Rolle auf den Haushalt und die Kinderbetreuung reduziert wird. Auch <strong>für</strong> die Aufgaben<br />

in der Schule wie das Ausfegen der Klassenzimmer oder das Reinigen der Toilettenräume<br />

werden eher <strong>Mädchen</strong> als Jungen herangezogen.<br />

III. Gründe <strong>für</strong> die Benachteiligung der <strong>Mädchen</strong><br />

Für die fortdauernde Benachteiligung der <strong>Mädchen</strong> gibt es viele Gründe, darunter regionale<br />

und kulturelle Widerstände. Die Hauptgründe sind außerhalb des Klassenzimmers<br />

zu suchen: Meist ist es die Armut der Familie oder die Sorge um ihre Kinder, die Eltern<br />

davon abhält, <strong>Mädchen</strong> zur Schule zu schicken. In armen Familien werden <strong>Mädchen</strong> zu<br />

Hause gebraucht, um Wasser zu beschaffen, kleine Geschwister zu hüten oder beim<br />

Kochen zu helfen. Wenn die Eltern im Krieg oder durch AIDS ums Leben gekommen<br />

sind, lastet oft die gesamte Sorge <strong>für</strong> die Geschwister auf den ältesten <strong>Mädchen</strong>. Weitere<br />

Gründe, weshalb <strong>Mädchen</strong> bis heute der Schule fern bleiben:<br />

• Viele Eltern be<strong>für</strong>chten, dass der Weg zur Schule zu lang oder zu gefährlich ist.<br />

• Auch die Sorge, dass die <strong>Mädchen</strong> auf dem Weg oder in der Schule sexuell belästigt<br />

werden oder anderen Formen der Gewalt ausgesetzt sind, trägt dazu bei, dass<br />

<strong>Mädchen</strong> zu Hause bleiben.<br />

• Zum Überleben ist die Familie oft auf die Mitarbeit der Tochter auf dem Feld, im Haus<br />

oder auch in fremden Haushalten angewiesen. Besonders gilt dies in Gesellschaften,<br />

in denen bis heute die Vorstellung vorherrscht, Frauen hätten nicht das Recht auf<br />

bezahlte, qualifizierte Arbeit. Wenn nicht alle Kinder zur Schule gehen können, werden<br />

in aller Regel Jungen bevorzugt.<br />

• Ob ein <strong>Mädchen</strong> zur Schule gehen kann, hängt gerade in armen Familien klar von der<br />

Kosten-Nutzen-Abwägung ab – weniger vom mangelnden Interesse der Eltern, ihren<br />

Töchtern die Chance auf <strong>Bildung</strong> zu geben.<br />

3


4<br />

UNICEF fordert Abschaffung der Schulgebühren<br />

Millionen <strong>Mädchen</strong> im Grundschulalter werden am Schulbesuch gehindert, weil<br />

ihre Eltern die Schulgebühren nicht bezahlen können. Trotz internationaler Abkommen,<br />

allen Kindern eine kostenlose und verpflichtende Grundbildung zukommen zu<br />

lassen, werden noch immer in über 100 Ländern Schulgebühren erhoben. Oft betragen<br />

sie ein Vielfaches des monatlichen Grundeinkommens armer Familien. Hinzu<br />

kommen Kosten <strong>für</strong> Schuluniformen, Bücher, Hefte und Prüfungen.<br />

Positive Erfahrungen in Kenia, Malawi, Tansania und Uganda zeigen, dass die<br />

Abschaffung der Schulgebühren in kurzer Zeit <strong>für</strong> Millionen Kinder den Zugang<br />

zu Grundbildung ermöglichen kann. Allein in Kenia meldeten sich nach einer entsprechenden<br />

Entscheidung Anfang 2003 zusätzlich 1,5 Millionen Kinder in den<br />

Schulen an. In Uganda schnellten die Einschulungsraten von 2,5 Millionen (1997)<br />

auf 6,5 Millionen Kinder im Jahr 2000 nach oben. Auch in Malawi und Uganda<br />

verdoppelte sich in den neunziger Jahren nahezu die Zahl der Schulkinder, nachdem<br />

keine Gebühren mehr erhoben wurden.<br />

• In vielen Ländern verhindert die Be<strong>für</strong>chtung der Eltern, dass <strong>Bildung</strong> womöglich die<br />

Heiratschancen der Töchter vermindern könnte, den Schulbesuch.<br />

• Praktisch allen Kindern, denen eine Schulbildung vorenthalten wird, fehlt es auch an<br />

anderen Dingen. <strong>Mädchen</strong> leiden jedoch unter doppelter Diskriminierung – als Kinder<br />

armer Familien und als <strong>Mädchen</strong>. So sind sie im Vergleich zu den Jungen häufiger von<br />

Mangelernährung betroffen, weil ihnen zu Hause weniger Nahrung zugestanden wird.<br />

• Häufig ist es auch der Mangel an sauberem Trinkwasser und Toiletten in den Schulen,<br />

der <strong>Mädchen</strong> vom Unterricht abhält. Dies gilt besonders <strong>für</strong> ältere <strong>Mädchen</strong> nach ihrer<br />

ersten Menstruation. In Laos zählen die schlechte Wasserversorgung in den Schulen<br />

sowie die fehlenden Latrinen als Hauptgründe da<strong>für</strong>, dass Kinder nicht zur Schule<br />

gehen. Mehr als ein Viertel der <strong>Mädchen</strong> werden nicht eingeschult, in manchen<br />

Gegenden sogar über die Hälfte.<br />

Weltweit bestätigen Meinungsumfragen, dass heute der Schulbesuch der <strong>Mädchen</strong> weniger<br />

am mangelnden Willen der Eltern, sondern schlicht an materiellen Hürden scheitert:<br />

Als UNICEF in Ostasien Kinder und Jugendliche befragte, warum sie nicht zur Schule<br />

gehen, antworteten 22 Prozent, dass sie die Schule abgebrochen hätten, weil sie die<br />

Familie durch ihre Arbeit finanziell unterstützen mussten. 43 Prozent führten Geldmangel<br />

als Grund an, 22 Prozent erklärten, zu Hause helfen zu müssen und vier Prozent sagten,<br />

in ihrer Nähe gäbe es einfach keine Schule.<br />

Das größte Hindernis <strong>für</strong> die <strong>Mädchen</strong>bildung liegt daher oft eher im mangelnden Engagement<br />

der Regierungen und Politiker, ausreichend in die Grundbildung zu investieren:<br />

• <strong>Bildung</strong> wird bis heute zu oft als Luxus oder als „etwas Gutes“ betrachtet, aber nicht<br />

als Recht, das jedem Kind zusteht. Auch vielen Eltern gerade in Entwicklungsländern<br />

ist nicht klar, dass ihre Regierung in der Pflicht steht, allen Kindern eine Schulbildung<br />

zu ermöglichen. Stattdessen werfen sich viele eigenes Versagen vor.<br />

• Angesichts des Kampfes um knappe Ressourcen in den Staatshaushalten bleibt die<br />

<strong>Bildung</strong> häufig auf der Strecke.


• Entwicklungsprogramme zielen nach wie vor oft nur auf wirtschaftliche Erfolge ab.<br />

Menschenrechte und menschliches Wohlergehen gehen verloren. Wie sehr gut ausgebildete<br />

Frauen zur Entwicklung eines Landes beitragen, wird nach wie vor zu oft ignoriert.<br />

• Die wirtschaftlichen Strukturanpassungen ab den achtziger Jahren verschärften die<br />

miserable Ausstattung des <strong>Bildung</strong>ssektors oft noch: So belegen Studien, dass in den<br />

afrikanischen Ländern, in denen derartige Programme durchgeführt wurden, die<br />

öffentlichen Pro-Kopf-Ausgaben um 14 Prozent zurückgingen, <strong>12</strong> von 15 Ländern<br />

hatten die Ausgaben <strong>für</strong> <strong>Bildung</strong> gesenkt.<br />

<strong>Bildung</strong> – Waffe im Kampf gegen AIDS<br />

Noch immer gibt es keinen Impfstoff gegen AIDS. Vorbeugung bleibt die einzig wirksame<br />

Waffe, um die Krankheit aufzuhalten. Je besser junge Menschen informiert sind,<br />

desto größer ist die Chance, die schnelle Ausbreitung des HI-Virus, mit dem sich jedes<br />

Jahr fünf Millionen weitere Menschen infizieren, zu bremsen. Für <strong>Mädchen</strong> ist die<br />

Ansteckungsgefahr noch größer als <strong>für</strong> Jungen. Deshalb sind sie besonders auf Informationen<br />

angewiesen – und die erhalten sie nur, wenn sie Broschüren oder Plakate lesen<br />

können, wenn sie die Schule oder Aufklärungsprogramme besuchen. <strong>Bildung</strong> ist also<br />

auch im Kampf gegen die verheerende AIDS-Epidemie ein Schlüsselfaktor.<br />

Anteil junger Frauen (15-24 Jahre), die nicht wissen,<br />

wie sie sich vor AIDS schützen können (in Prozent)<br />

Somalia<br />

Sudan<br />

Madagaskar<br />

Senegal<br />

Angola<br />

Lesotho<br />

Togo<br />

Burundi<br />

Kenia<br />

Tansania<br />

Suriname<br />

Uganda<br />

Dominikanische Republik<br />

Malawi<br />

Kambodscha<br />

99<br />

98<br />

95<br />

90<br />

88<br />

82<br />

80<br />

76<br />

74<br />

74<br />

73<br />

72<br />

67<br />

66<br />

63<br />

Quelle: UNICEF 2003<br />

Untersuchungen bestätigen den engen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu <strong>Bildung</strong><br />

und den HIV-Infektionsraten. Eine Studie über 15-19-Jährige in Sambia wies bei<br />

Jugendlichen mit einem mittleren bis höheren <strong>Bildung</strong>sgrad eine deutlich sinkende Zahl<br />

der HIV-Infektionen nach, bei Jugendlichen mit niedrigerem <strong>Bildung</strong>sniveau stieg sie<br />

hingegen im selben Zeitraum an. Ebenfalls in Sambia fiel im Laufe der 1990er Jahre die<br />

HIV-Infektionsrate bei Frauen mit Schulbildung um fast die Hälfte, bei Frauen ohne formale<br />

Schulbildung aber nur geringfügig. Eine Untersuchung in 17 afrikanischen und vier<br />

lateinamerikanischen Ländern ergab, dass <strong>Mädchen</strong> mit Schulbildung tendenziell später<br />

Sex haben und von ihren Partnern eher verlangen, zum Schutz Kondome zu benutzen.<br />

5


6<br />

AIDS-Waisen – von <strong>Bildung</strong> ausgeschlossen<br />

In den Ländern Afrikas südlich der Sahara leben inzwischen rund elf Millionen<br />

Kinder, die durch AIDS zu Waisen geworden sind. Nach dem Tod der Eltern kann<br />

häufig keiner der Angehörigen mehr <strong>für</strong> die Kosten des Schulunterrichts aufkommen,<br />

viele Waisen müssen die Schule abbrechen. Vor allem die <strong>Mädchen</strong> tragen<br />

die Last, zunächst die kranken Eltern zu versorgen und sich nach dem Tod der<br />

Eltern um die Geschwister zu kümmern – Zeit <strong>für</strong> die Schule haben sie deshalb<br />

nicht. Auch durch die Einkommensausfälle bei einer Erkrankung der Eltern und<br />

die stark ansteigenden Kosten <strong>für</strong> Medikamente und ärztliche Betreuung wird der<br />

Schulbesuch der Kinder unbezahlbar. Deshalb sind die noch immer in vielen Ländern<br />

erhobenen Schulgebühren <strong>für</strong> die AIDS-Waisen eine besonders hohe Hürde.<br />

Auch an den Schulen selbst wirkt sich AIDS dramatisch aus. In Sambia müssen<br />

Jahr <strong>für</strong> Jahr rund drei Viertel der neu ausgebildeten Lehrer die an AIDS und den<br />

Folgen verstorbenen Kollegen ersetzen. In Malawi kommen in manchen Schulen<br />

inzwischen aufgrund von HIV-bedingten Erkrankungen unter den Kollegen auf<br />

einen Lehrer durchschnittlich 96 Schüler.<br />

IV. <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> – die beste Investition<br />

Es hat lange gedauert, bis die entscheidende Bedeutung der <strong>Mädchen</strong>bildung in ihrer<br />

ganzen Tragweite <strong>für</strong> die Gesellschaft erkannt wurde. Erst im Jahr 2000, auf dem<br />

Millennium-Gipfel und dem Weltbildungsforum in Dakar, wurde erreicht, dass die<br />

Schulbildung <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> endlich ins Zentrum der entwicklungspolitischen Ziele rückte.<br />

Dabei hat sich keines der heute wohlhabenden Länder entwickelt, ohne zuvor erheblich<br />

die <strong>Bildung</strong> gefördert zu haben. So gilt der hohe Stellenwert der <strong>Bildung</strong> als Fundament<br />

<strong>für</strong> den Aufstieg Japans zu einer der wichtigsten Wirtschaftsmächte. Japan investierte<br />

zwischen 1906 und 1911 rund 43 Prozent aller Städte- und Gemeindeetats in <strong>Bildung</strong>.<br />

Auch das Wirtschaftswachstum und die teils großen Erfolge bei der Verringerung<br />

der Armut in vielen ostasiatischen Ländern während der vergangenen 25 Jahre hängen<br />

in großem Maße mit ihren <strong>Bildung</strong>sinvestitionen zusammen. <strong>Bildung</strong> verbessert also<br />

nicht nur die Lebensqualität, sondern ist eine wesentliche Voraussetzung <strong>für</strong> jede Art von<br />

Fortschritt und Entwicklung einer Gesellschaft. <strong>Mädchen</strong>bildung hat einen weit reichenden<br />

Schneeballeffekt:<br />

• Weitergabe an die nächste Generation: Eine aktuelle Studie von UNICEF mit Daten<br />

aus 55 Ländern und zwei indischen Bundesstaaten zeigte, dass die Kinder der Frauen<br />

mit Schulbildung mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit eingeschult wurden. Je<br />

höher der <strong>Bildung</strong>sgrad der Mutter ist, desto stärker profitieren die Kinder im Hinblick<br />

auf die eigene schulische <strong>Bildung</strong>.<br />

• Schutz vor Krankheit und Ausbeutung: <strong>Bildung</strong> beeinflusst fast alle Aspekte eines<br />

Kinderlebens. So lernen Kinder, die zur Schule gehen, eher, wie man Krankheiten vorbeugt<br />

und gesund bleibt. Für <strong>Mädchen</strong> ist es besonders wichtig zu wissen, wie sie sich<br />

vor HIV schützen können, da ihr Risiko einer Infektion höher ist. Wenn Kinder zur<br />

Schule gehen, sinkt auch die Gefahr, dass <strong>Mädchen</strong> misshandelt, missbraucht, als<br />

Arbeiter ausgebeutet oder gar von Menschenhändlern verkauft werden.


• Geringere Kindersterblichkeit: Je höher die Schulbildung der Mütter, desto geringer<br />

ist auch die Säuglings- und Kindersterblichkeit. Die Kinder von Müttern mit einer<br />

schulischen <strong>Bildung</strong> sind in der Regel besser ernährt und werden seltener krank. Dieser<br />

Zusammenhang ist belegt: Mit jedem zusätzlichen Schuljahr der Mutter sinkt im<br />

statistischen Durchschnitt das Sterblichkeitsrisiko der Kinder unter fünf Jahren um<br />

fünf bis zehn Prozent.<br />

• Niedrigere Müttersterblichkeit: Frauen mit Schulbildung sterben weniger häufig bei<br />

der Geburt als Analphabetinnen – weil ihr Wissen über Gesundheit und Geburt größer<br />

ist, weil sie eher die medizinische Vorsorge in der Schwangerschaft und Geburtshilfe<br />

in Anspruch nehmen, weil sie oft besser ernährt sind. Da gebildete Frauen durchschnittlich<br />

auch weniger Kinder bekommen, ist der Abstand zwischen den Geburten<br />

größer – und die Gefahr von Todesfällen niedriger.<br />

Trotz des eindeutigen Wertes der <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> die gesamte Gesellschaft und trotz gestiegener<br />

Investitionen vieler Regierungen hat die notwendige große Ressourcenverlagerung<br />

noch immer nicht stattgefunden. Im Widerspruch zu vielen vollmundigen Versprechen<br />

bei internationalen Konferenzen haben nur acht Entwicklungsländer zwischen<br />

1999 und 2000 mehr als ein Fünftel ihres Haushalts in <strong>Bildung</strong> investiert: Elfenbeinküste,<br />

Togo, Malaysia, Aserbaidschan, Komoren, Mexiko, St. Lucia und Peru.<br />

Auch die Industrienationen haben - mit einigen Ausnahmen - ihren Teil nicht erfüllt:<br />

Während die Geberländer in den neunziger Jahren wiederholt zusätzliche Investitionen<br />

zusagten und eine Grundbildung <strong>für</strong> alle Kinder bis zum Jahr 2015 versprachen, sank die<br />

Gesamtsumme der Entwicklungshilfe von 60,6 Milliarden Dollar im Jahr 1991 bis zum<br />

Jahr 2000 auf 49,6 Milliarden – ein Rückgang um 18,9 Prozent. Die Förderung des <strong>Bildung</strong>sbereichs<br />

sackte sogar noch weiter ab: Sie lag im Jahr 2000 bei nur noch 3,5 Milliarden<br />

Dollar weltweit – um 30 Prozent niedriger als zehn Jahre zuvor.<br />

Auch die Jungen kommen zu kurz<br />

Jungen stehen in vielen Ländern vor denselben Problemen wie die <strong>Mädchen</strong>, wenn es<br />

um die mangelnde Zahl von Schulen, die schlechte Ausstattung oder unzureichend ausgebildete<br />

Lehrer geht. Während weltweit der mangelnde Zugang der <strong>Mädchen</strong> besonderen<br />

Anlass zur Sorge gibt, bereiten in einigen Ländern und Regionen, darunter viele<br />

Industriestaaten, die schlechten schulischen Leistungen von Jungen und ihr unregelmäßiger<br />

Schulbesuch den Verantwortlichen Kopfzerbrechen. In Ländern wie Botsuana,<br />

Lesotho, Namibia und der Mongolei ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass Jungen<br />

traditionell die Tiere hüten und deshalb nicht zum Unterricht gehen können. Aber<br />

auch in Lateinamerika und der Karibik zeigen die Jungen oft schlechtere Leistungen,<br />

brechen die Schule vorzeitig ab und müssen häufiger eine Klasse wiederholen. Bei einer<br />

Studie in Brasilien zeigte sich, dass ab einem Alter von zehn Jahren mehr Jungen die<br />

Schule verlassen als <strong>Mädchen</strong>. Zwischen 15 und 17 hatten bereits 19,2 Prozent die Schule<br />

verlassen, aber nur 8,5 Prozent der <strong>Mädchen</strong>.<br />

Eine These zur Begründung lautet, dass sich mit der Pubertät die Selbstwahrnehmung<br />

der Jungen und ihr Rollenverständnis ändert. Schule und Lesen gelten als nicht „cool“<br />

oder unmännlich. Ein siebenjähriger britischer Junge brachte seine Haltung zur Schule<br />

auf den Punkt: „Du bist kein richtiger Junge, wenn du gerne liest.“ Hinzu kommt, dass<br />

Jungen aus armen Familien nur selten daran glauben, dass der Schulbesuch sie wirklich<br />

in materieller Hinsicht voranbringt.<br />

7


Von der Grundschule bis zu den Abschlussprüfungen schneiden <strong>Mädchen</strong> heute auch in<br />

Industrieländern wie Großbritannien besser ab, längst haben sich ihre Leistungen auch<br />

im naturwissenschaftlichen Bereich, der bislang immer als „männliche Domäne“ verstanden<br />

wurde, beträchtlich verbessert.<br />

V. Schritte auf dem Weg zur <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle <strong>Mädchen</strong><br />

Die Förderung der <strong>Mädchen</strong>bildung ist <strong>für</strong> jede Regierung die beste Investition, um ihr<br />

Land nachhaltig voranzubringen. Der Nutzen von <strong>Bildung</strong> ist unbestritten, die richtigen<br />

Schritte sind bekannt – und selbst die Kosten sind genau zu beziffern: Nach Schätzungen<br />

der Weltbank müssten von heute an bis zum Jahr 2015 rund 60 Milliarden Dollar<br />

Entwicklungshilfe mobilisiert werden, um das Millennium-Ziel der Grundbildung <strong>für</strong><br />

alle umzusetzen. Zum Vergleich: Die weltweiten Rüstungsausgaben lagen nach Angaben<br />

des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI allein im Jahr 2002 bei mehr<br />

als der dreizehnfachen Summe - etwa 794 Milliarden Dollar.<br />

Um den weltweit 65 Millionen <strong>Mädchen</strong>, die keine Schule besuchen, endlich zu ihrem<br />

Recht auf <strong>Bildung</strong> zu verhelfen, müssen Regierungen, internationale Institutionen und<br />

Hilfsorganisationen eng zusammenarbeiten. UNICEF hat entscheidende Schritte auf<br />

dem Weg zu einer <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> alle <strong>Mädchen</strong> identifiziert.<br />

Maßnahmen in den Schulen:<br />

• Die Unterrichtsräume und Schulgebäude müssen kindgerecht gestaltet werden und auf<br />

die Bedürfnisse von <strong>Mädchen</strong> und Jungen abgestimmt sein.<br />

• Schulen müssen mit sauberem Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen versorgt werden,<br />

um vor allem <strong>Mädchen</strong> den Schulbesuch zu erleichtern.<br />

• Es müssen Lehrer eingestellt und ausgebildet werden, die <strong>für</strong> die Rechte der Kinder<br />

sensibel sind und auf <strong>Mädchen</strong> wie Jungen eingehen können. Lehrer müssen ausreichend<br />

bezahlt werden.<br />

• Mit Programmen zur Gesundheitsförderung kann die Schule über den klassischen<br />

Unterrichtsstoff hinaus Veränderungen in den Familien bewirken. So ist die Aufklärung<br />

über Hygiene und AIDS lebenswichtig, Informationen über Jodmangel und<br />

gesunde Ernährung können den Gesundheitszustand der Kinder verbessern.<br />

• Die Teilnahme am Schulsport trägt dazu bei, die Stellung der <strong>Mädchen</strong> zu stärken,<br />

ihnen Selbstvertrauen zu geben sowie soziale Kontakte und Erfolge zu ermöglichen.<br />

• Geschlechtsspezifische Klischees müssen aus Büchern und Lernmaterial entfernt werden.<br />

• Wenn Kinder nicht zur Schule kommen können, weil sie sich um die Geschwister<br />

kümmern oder arbeiten müssen, muss mit flexiblen Unterrichtszeiten – etwa am<br />

frühen Morgen oder am Nachmittag – reagiert werden, um diese Kinder zu erreichen.<br />

• Unterricht in lokalen Sprachen: Wenn sich die Unterrichtssprache von der Muttersprache<br />

unterscheidet, ist dies <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> besonders schwerwiegend, denn oft haben<br />

sie über die Familie hinaus kaum Außenkontakte und können so dem Unterricht kaum<br />

folgen. Die Einführung eines muttersprachlichen beziehungsweise zweisprachigen<br />

Unterrichts erhöht die Lernerfolge der Kinder.<br />

8


Maßnahmen außerhalb der Klasse:<br />

• Frühkindliche Förderung: Kindergarten und Vorschule sind nach der Familie die wichtigsten<br />

Lernorte <strong>für</strong> Kinder in den ersten Lebensjahren. Sie gewöhnen die Kinder an<br />

den Lernrhythmus und tragen dazu bei, die Eltern <strong>für</strong> die Förderung ihrer Kinder zu<br />

sensibilisieren.<br />

• UNICEF setzt sich weltweit da<strong>für</strong> ein, Daten über Einschulungsraten sowie über den<br />

Schulbesuch von <strong>Mädchen</strong> und Jungen zu sammeln. Um mehr über den Zusammenhang<br />

zwischen Geschlecht, Armut, ethnischer Zugehörigkeit und dem tatsächlichen<br />

Lernerfolg zu erfahren, müssen auch hierzu Daten erhoben und ausgewertet werden.<br />

• Schulen müssen in der Nähe der Wohnorte sein, um lange und gefährliche Wege zu<br />

vermeiden und Kindern in abgelegenen Siedlungen den Unterricht zu ermöglichen –<br />

zum Beispiel durch Zwergschulen mit altersgemischten Klassen.<br />

• Schulen müssen sichere Räume sein, in denen Kinder vor Gewalt und Missbrauch<br />

geschützt sind – von außen ebenso wie innerhalb der Schule, etwa durch Schläge auf<br />

dem Schulhof oder sexuelle Übergriffe.<br />

• Dorfgemeinschaften einbinden: In vielen Ländern ist es dem Engagement von Frauengruppen<br />

und lokalen Initiativen zu verdanken, dass die <strong>Bildung</strong> <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong><br />

gestärkt wurde. Durch eine aktive Einbindung der Familien in den Schulalltag wird<br />

die Rolle der Schule im Dorf oder Wohnviertel gestärkt – und auch die Akzeptanz bei<br />

Familien erhöht, die bisher ihre <strong>Mädchen</strong> nicht zur Schule schickten.<br />

• Die Arbeitsbelastung der <strong>Mädchen</strong> außerhalb der Schule muss verringert werden –<br />

dies kann zum Beispiel durch das Anlegen von Brunnen geschehen, um weite Wege<br />

zum Wasserholen zu vermeiden.<br />

• Jungen und Männer aktivieren: Politische und religiöse Führer, Lehrer, Väter und<br />

selbst männliche Mitschüler können entscheidend dazu beitragen, die <strong>Bildung</strong> der<br />

<strong>Mädchen</strong> voranzubringen und die Schule zu einem mädchenfreundlichen Ort zu<br />

machen. Da<strong>für</strong> müssen sie jedoch erfahren, wie sehr die Gemeinschaft von der <strong>Bildung</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> und Frauen profitiert.<br />

VI. UNICEF-Programme <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong>bildung<br />

UNICEF setzt sich weltweit mit vielseitigen Programmen und vielen Partnern da<strong>für</strong> ein,<br />

die bisher von <strong>Bildung</strong> ausgeschlossenen <strong>Mädchen</strong> zu erreichen und die Schulen <strong>für</strong><br />

<strong>Mädchen</strong> attraktiver zu machen. Der Schlüssel zum Erfolg vieler Programme ist, dass<br />

Verbesserungen der Unterrichtsangebote und innovative Ansätze stets den Bedürfnissen<br />

der Kinder und ihrer Familien in den Ländern angepasst sein müssen. Einige Beispiele:<br />

• Ägypten: <strong>Mädchen</strong>bildung wurde zur Priorität der Entwicklungsanstrengungen des<br />

Landes <strong>für</strong> die kommenden fünf Jahre erhoben. Bis zum Jahr 2007 soll die Kluft zwischen<br />

Jungen und <strong>Mädchen</strong> bei der Schulbildung geschlossen sein, mehr als eine<br />

halbe Million nicht eingeschulter <strong>Mädchen</strong> sollen erreicht werden. Da<strong>für</strong> werden unter<br />

anderem überall im Land „mädchenfreundliche Schulen“ eingerichtet.<br />

9


• Angola: Im Februar 2003 wurde unter dem Motto „Zurück in die Schule“ die größte<br />

<strong>Bildung</strong>skampagne in der Geschichte des Landes gestartet – ein wichtiges Signal <strong>für</strong><br />

Angola im Jahr nach dem Friedensschluss. Gemeinsam mit den lokalen Behörden hat<br />

UNICEF zunächst 250.000 Kinder neu eingeschult. Die Dorfgemeinschaften bauen<br />

mit Hilfe von UNICEF einfache Klassenräume wieder auf, jede Familie spendet zehn<br />

Lehmziegel. Die Motivation der Eltern, ihre Kinder nach dem Ende des 27-jährigen<br />

Bürgerkrieges endlich in die Schule zu bringen, wurde zusätzlich durch die Abschaffung<br />

der Schulgebühren erhöht. Alle Kinder profitieren von der Ausbildung von<br />

zunächst 5.000 neuen Lehrern. UNICEF stellte <strong>für</strong> jedes Kind eine Tasche mit<br />

Büchern, Heften und Stiften bereit. Die Kampagne in zunächst zwei Provinzen war so<br />

erfolgreich, dass die angolanische Regierung sie auf das ganze Land ausdehnen will.<br />

Hier<strong>für</strong> sollen 29.000 weitere Lehrer ausgebildet werden.<br />

• Bangladesch: Die <strong>Bildung</strong>skurse des von UNICEF unterstützten Bangladesh Rural<br />

Advance Committee (BRAC) sprechen gezielt <strong>Mädchen</strong> an, die arbeiten müssen und<br />

deshalb keine Zeit <strong>für</strong> den regulären Schulbesuch haben. Der Stundenplan ist flexibel.<br />

Er umfasst an sechs Tagen pro Woche je zwei Stunden Unterricht. Die Zeit da<strong>für</strong><br />

bestimmen die Eltern – zum Beispiel abhängig von den Erntezeiten. Das erfolgreiche<br />

Konzept hat sich so schnell ausgebreitet, dass es heute 1,2 Millionen Schülern zugute<br />

kommt. Fast 97 Prozent der Lehrer in den BRAC-Schulen sind Frauen.<br />

• Bhutan: In Hütten, Tempeln oder Bauernhäusern wurden inzwischen rund 260 einfache<br />

Gemeindeschulen eingerichtet, die von der Dorfgemeinschaft und den Eltern<br />

unterhalten werden. In Bhutan konnte durch Programme wie dieses nicht nur das Netz<br />

der Schulen ausgeweitet, sondern auch die Benachteiligung der <strong>Mädchen</strong> verringert<br />

werden. Die Kluft bei der Einschulungsrate zwischen Jungen und <strong>Mädchen</strong> sank von<br />

24 Prozent 1990 auf nur noch 6 Prozent zehn Jahre später.<br />

• Guatemala: Das von UNICEF geförderte Programm der „Neuen Interkulturellen<br />

Zweisprachigen Schule“ (NEUBI) in Guatemala gründet sich auf die aktive Einbeziehung<br />

der Kinder – überwiegend <strong>Mädchen</strong> und Jungen aus den unter Diskriminierung<br />

und sozialer Benachteiligung leidenden Maya-Familien. Die Lehrer unterrichten auch<br />

Sprache und Kultur der Maya, die in der Schule bisher ignoriert wurden. Ergebnis sind<br />

unter anderem eine Abschlussrate, die über dem nationalen Durchschnitt liegt, und<br />

eine hohe Einschulungsrate bei den <strong>Mädchen</strong>. Die Idee der NEUBI-Schulen wird<br />

inzwischen als Modell auf weitere Landesteile übertragen.<br />

• Marokko: Im Großraum Casablanca, so eine Untersuchung, arbeiten 23.000 <strong>Mädchen</strong><br />

als Dienstmädchen, 60 Prozent von ihnen sind noch keine 15 Jahre alt. UNICEF setzt<br />

sich mit der Regierung da<strong>für</strong> ein, die <strong>Mädchen</strong> aus der Isolation in den fremden Haushalten<br />

zu befreien und ihnen Zugang zu <strong>Bildung</strong> zu verschaffen. In fünf Zentren können<br />

sie sich abends zum Lernen treffen, aber auch mit anderen Dienstmädchen spielen<br />

und sich austauschen – <strong>für</strong> viele die einzige Möglichkeit sozialer Kontakte. In<br />

Gesprächen mit den Dienstherren setzen sich UNICEF und Partner da<strong>für</strong> ein, dass die<br />

<strong>Mädchen</strong> weitere <strong>Bildung</strong>skurse besuchen dürfen.<br />

• Afrikanische Initiative <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong>bildung: Schon 1997 hatten sich verschiedene<br />

afrikanische Staaten, Geberländer und UN-Organisationen zu der „African Girls´ Education<br />

Initiative“ zusammengeschlossen – mit Erfolg: Zwischen 1997 und 2001 stiegen<br />

die Einschulungsraten <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> am deutlichsten in Guinea (um 15 %), Sene-<br />

10


gal (<strong>12</strong> %) und Benin (9 %). Im Tschad gingen 1996 lediglich 51 Prozent der Kinder<br />

zur Schule, nur 37 Prozent der <strong>Mädchen</strong> wurden eingeschult. Allein in den folgenden<br />

zwei Jahren stieg die Zahl der Erstklässlerinnen um das Vierfache, bis zum Schuljahr<br />

2000/01 kletterte die Einschulungsrate auf 75 Prozent. Entscheidend <strong>für</strong> den Erfolg<br />

war die langfristige Unterstützung der Geberländer.<br />

• UNICEF-Kampagne „25 bis 2005“: UNICEF hat eine Kampagne in 25 Ländern<br />

gestartet, um bis zum Jahr 2005 die Benachteiligung von <strong>Mädchen</strong> beim Schulbesuch<br />

zu beenden. Ausgewählt wurden Länder<br />

– in denen weniger als 40 Prozent der <strong>Mädchen</strong> zur Schule gehen,<br />

– in denen mehr als eine Million <strong>Mädchen</strong> nicht die Schule besuchen,<br />

– in denen die Einschulungsraten bei <strong>Mädchen</strong> und Jungen besonders weit auseinander<br />

klaffen,<br />

– in denen das Risiko einer AIDS-Infektion besonders groß ist.<br />

Zu den ausgewählten Staaten, auf die eines oder mehrere der Kriterien zutreffen, gehören<br />

15 afrikanische und vier asiatische Staaten. Ein wichtiges Element ist die Ausbildung<br />

weiblicher Lehrkräfte. Unterrichtsstoffe und Lehrbücher werden dem Lebensalltag der<br />

<strong>Mädchen</strong> angepasst. Schulen werden renoviert und mit nach Geschlechtern getrennten<br />

sanitären Einrichtungen ausgestattet. Aufklärungskampagnen und Hilfsangebote sollen<br />

Eltern ermutigen, ihre Töchter zur Schule zu schicken. Gleichzeitig unterstützt UNICEF<br />

außerschulische <strong>Bildung</strong>skurse <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong>, die vom regulären Schulsystem nicht<br />

erreicht werden. UNICEF setzt sich bei den Regierungen in den Entwicklungsländern und<br />

den Geberländern da<strong>für</strong> ein, mehr Mittel <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong>bildung zur Verfügung zu stellen.<br />

Afghanistan: Hunger nach <strong>Bildung</strong><br />

„Ich habe Afghanistan zwei Jahre nach der Machtübernahme<br />

durch die Taliban verlassen und bin zurückgekommen,<br />

nachdem das Regime zusammengebrochen war. Ich kann<br />

das Gefühl einfach nicht beschreiben“, berichtet Najiba<br />

Forough* mit Tränen in den Augen. Unter den Taliban war<br />

Schulunterricht <strong>für</strong> <strong>Mädchen</strong> verboten. Dennoch hielten<br />

viele Eltern und Lehrer heimlich zu Hause Stunden ab.<br />

Die Schulleiterin erinnert sich an den Vorfall, der sie<br />

schließlich dazu brachte, ihr Heimatland zu verlassen. Ihre<br />

einstige Schule wurde inzwischen von den Taliban genutzt.<br />

Eingehüllt in ihre Burka, hielt sie sich jeden Tag in der<br />

Nähe auf. Eines Tages wurde sie von einer anderen, ebenfalls<br />

verschleierten Frau angesprochen. Sie bat sie, den<br />

Schleier ein wenig zu lüften, damit sie ihr Gesicht sehen könne. Sofort erkannte sie in<br />

ihr eine ehemalige Schülerin. Die beiden plauderten kurz, dann trennten sie sich. Die<br />

andere hatte das Schulgelände noch nicht verlassen, da hatte sich schon ein Taliban auf<br />

sie gestürzt und begonnen auf sie einzuschlagen. Die Schulleiterin eilte ihr zu Hilfe und<br />

versuchte sich dazwischen zu werfen.<br />

Kurz darauf ging Najiba Forough nach Pakistan und begann dort afghanische Flüchtlinge<br />

zu unterrichten. Inzwischen ist sie wieder Schulleiterin in ihrer Heimat. „<strong>Bildung</strong> ist<br />

das Fundament einer jeden Gesellschaft“, sagt sie. „Wenn man Schultüren verschließt,<br />

füllt man die Zellen der Gefängnisse.“<br />

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In Afghanistan hat die 2002 unter dem Motto „Zurück in die Schule“ ins Leben gerufene<br />

Kampagne gezeigt, was möglich ist, wenn die internationale Gemeinschaft sich ernsthaft<br />

vornimmt, Kinder unter schwierigsten Umständen wieder in die Schule zu bringen.<br />

Die Kampagne begann damit, ab Ende März 2002 rund 1,5 Millionen Kindern den<br />

Unterricht zu ermöglichen. Lernmaterial <strong>für</strong> 700.000 Kinder konnte vor Ort beschafft<br />

werden, der Rest kam aus dem zentralen UNICEF-Warenlager in Dänemark. In Pakistan<br />

wurde in Grenznähe ein Logistikzentrum errichtet, in weniger als zwei Monaten packten<br />

die Mitarbeiter mehr als 50.000 Pakete mit Lernmaterial. Fast 7.000 Tonnen Lehr- und<br />

Lernmittel wurden im ganzen Land verteilt.<br />

Am 23. März 2002 öffneten dann etwa 3.000 Schulen in ganz Afghanistan ihre Pforten.<br />

Im Laufe des Jahres wurden drei Millionen Kinder eingeschult, doppelt so viele wie<br />

erwartet. Rund 30 Prozent der Kinder waren <strong>Mädchen</strong>. In vielen Gegenden war das<br />

bereits ein großer Fortschritt, denn auch vor den Taliban wurden in Afghanistan nur fünf<br />

Prozent aller <strong>Mädchen</strong> im Grundschulalter eingeschult. Bis heute hat die Kampagne<br />

„Zurück in die Schule“ vier Millionen Kinder erreicht.<br />

Die Lehrerin Soraya Habibi hatte 19 Jahre unterrichtet, bevor ihr von den Taliban die<br />

Arbeitserlaubnis entzogen wurde. Sie arbeitete im Verborgenen als Hauslehrerin weiter.<br />

Heute ist sie überglücklich, wieder vor einer Klasse zu stehen. „Ich bin froh, meinen Beitrag<br />

zur Zukunft dieses Landes, zur Zukunft dieser Kinder leisten zu können. Denken Sie<br />

daran: Ich habe fünf Jahre damit zugebracht, nichts zu tun – jetzt will ich nichts weiter<br />

als unterrichten und immer weiter unterrichten.“ * Namen geändert<br />

Bereich Grundsatz und Information<br />

I 0071-1.500-11/03<br />

Der UNICEF Bericht<br />

„Zur Situation der Kinder in der Welt 2004“<br />

ist <strong>für</strong> 9,90 Euro im Buchhandel erhältlich.<br />

ISBN 3-596-16025-1

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