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RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Sachenrecht, Verkehrssicherungspflicht<br />

»Der Eigentümer eines Grundstücks hat iRd Möglichen dafür<br />

zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für<br />

andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist,<br />

dass er nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen gegen<br />

Windbruch und Windwurf, insb aber auch gegen Umstürzen<br />

auf Grund fehlender Standfestigkeit, gesichert ist.«<br />

2. Anschließend präzisiert das Gericht diese Pflicht für Grenzbäume.<br />

Das BerGer war davon ausgegangen, dass bei bestehendem<br />

Miteigentum eine Haftung der Eigentümer untereinander für<br />

Schäden, die auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten<br />

zurückzuführen sind, ausscheide. Der BGH zweifelt schon mit<br />

dem Hinweis darauf, dass sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis<br />

zwischen den Miteigentümern durchaus etwas anderes ergeben<br />

könne, an der Richtigkeit dieser Behauptung. Das Gericht muss<br />

hierauf jedoch nicht weiter eingehen, ist es doch der Auffassung,<br />

dass die Parteien nicht Miteigentümer, §§ 741 ff BGB, 3 sondern<br />

Teileigentümer 4 des Grenzbaums waren.<br />

»Nach dem Wortlaut des Gesetzes gebührt erst der gefällte<br />

Baum den Nachbarn zu gleichen Teilen, § 923 I BGB. Diese<br />

Regelung wäre überflüssig, wenn dieselbe Rechtslage bereits<br />

vorher bestünde. Das wird durch die Entstehungsgeschichte<br />

der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber ging davon<br />

aus, dass vor dem Fällen des Baumes kein Miteigentum<br />

besteht, sondern der Grundsatz der vertikalen Eigentumsteilung<br />

gilt. Diese Sicht steht nicht im Wertungswiderspruch zu<br />

§ 93 BGB, sondern räumt dem § 94 I BGB insoweit Vorrang<br />

ein und dient damit der Herstellung klarer Rechtsverhältnisse.«<br />

Als Eigentümerin eines Teils des Grenzbaumes war die Bekl für<br />

diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie<br />

für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum.<br />

3. Die Bekl musste damit den Gefahren vorbeugend Rechnung<br />

tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen<br />

und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und diejenigen<br />

Maßnahmen ergreifen, die zur Gefahrbeseitigung objektiv erforderlich<br />

und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Danach<br />

war sie verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen<br />

auf Krankheitsbefall zu überwachen.<br />

»Das hat die Bekl nicht beachtet, obwohl die Eiche nach den<br />

Feststellungen des BerGer seit mehreren Jahren eine Fruchtkörperbildung<br />

des Riesenporlings rings um den Stamm, verringerte<br />

Belaubung sowie Totholz in der Krone zeigte. Damit<br />

war für die Bekl eine Erkrankung des Baumes erkennbar. Da<br />

die Krankheitszeichen auch an dem ihnen gehörenden Baumteil<br />

vorhanden waren, hätten sie eine fachmännische Untersuchung<br />

veranlassen müssen. Dabei wäre die mangelnde<br />

Standfestigkeit erkannt worden, so dass rechtzeitig geeignete<br />

Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen hätten ergriffen<br />

werden können.«<br />

4. Die Bekl hat damit ihre Verkehrssicherungspflicht hins ihres<br />

Baumteils verletzt. Diese Verletzung hat sie auch zu vertreten.<br />

»[Vor den Krankheitszeichen] hat die Bekl die Augen verschlossen,<br />

indem sie lediglich im Jahr 1996 Totholz aus der<br />

Baumkrone hat entfernen lassen, ohne später den Zustand<br />

des Baumes zu kontrollieren und untersuchen zu lassen. Damit<br />

hat sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks in<br />

Kauf genommen.«<br />

5. Mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, deren Kausalität<br />

für die Eigentumsbeschädigung und dem Vertretenmüs-<br />

86 <strong>JA</strong> 2005 · Heft 2<br />

sen waren sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I<br />

BGB erfüllt; die Bekl hat somit Schadenersatz nach Maßgabe der<br />

§§ 249 ff BGB zu leisten und die Kl so zu stellen, als wäre die<br />

Eigentumsverletzung nicht eingetreten. Dabei ist jedoch ein Mitverschulden<br />

der Kl schadensmindernd anzurechnen, § 254 I BGB.<br />

a) Diese Schadensminderung ergibt sich jedoch nicht aus der<br />

Verkehrssicherungspflicht der Kl für ihren Teil des Baumes.<br />

»Darauf kommt es . . . für die Haftungsverteilung nicht an,<br />

weil der umgestürzte Baum nicht im gemeinschaftlichen Eigentum<br />

der Grundstückseigentümer stand. Die . . . Frage, ob<br />

sich derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich<br />

einer Sache obliegt, auf die Verletzung der Sicherungspflicht<br />

durch den hinsichtlich derselben Sache gleichrangig<br />

Verkehrssicherungspflichtigen berufen kann, stellt sich deshalb<br />

nicht; denn wegen des Alleineigentums jedes Grundstückseigentümers<br />

an einem Teil des Baumes sind beide<br />

Eigentümer wie jeder Dritte in den Schutzbereich der<br />

Verkehrssicherungspflicht einbezogen, die dem jeweils anderen<br />

Eigentümer hinsichtlich des ihm gehörenden Teils des<br />

Baumes obliegt.«<br />

b) Die Minderung beruht vielmehr darauf, dass die Kl den für sie<br />

ebenfalls erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden<br />

Baumteil keine Beachtung geschenkt und damit letztlich<br />

die Beschädigung ihres Hauses in Kauf genommen hat.<br />

Das Gericht führt lehrbuchartig aus:<br />

»Da die Rspr eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung<br />

nicht verbietet, geht es im Rahmen dieser Vorschrift nicht um<br />

eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen<br />

oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht,<br />

sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der<br />

eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich<br />

selbst gegenüber bestehenden »Obliegenheit«; sie beruht<br />

auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt<br />

außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint,<br />

um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den<br />

Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss,<br />

weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem<br />

unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen<br />

Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz<br />

fordert.«<br />

c) Schließlich hatte der BGH die Quote der Schadensminderung<br />

festzulegen und kommt dabei zu einer Schadensteilung. Bei der<br />

Ermittlung der Quoten trennt das Gericht vorbildlich zwischen<br />

einer Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldens<br />

beider Seiten. Die Verursachungsbeiträge sieht das Gericht<br />

als gleichwertig an:<br />

»Die Kl hat das Umstürzen der Eiche durch die unterbliebenen<br />

Kontrollen und Untersuchungen in demselben Maß verursacht<br />

wie die Bekl. Das Auslichten der Baumkrone im Jahr<br />

1996 wirkt sich nicht zu Lasten der Bekl aus. Zwar war damit<br />

die spätere Fallrichtung des Baumes vorgegeben; aber das<br />

allein hat, worauf es für die Haftungsverteilung entscheidend<br />

ankommt, den Eintritt des Schadens nicht in wesentlich höherem<br />

Maß wahrscheinlich gemacht. Denn dem steht gegenüber,<br />

dass die Kl jegliche Baumpflegemaßnahmen wie das<br />

3 Für Miteigentum LG München II NJW 1976, 973; Säcker (Fn 1) § 923 BGB Rn 1; Dehner<br />

Nachbarrecht, 7. Aufl, B § 2 II, § 12<br />

4 Genauso OLG München OLGR 1994, 197; Bassenge (Fn 1) § 923 BGB Rn 1; Soergel-<br />

Baur BGB, 13. Aufl, § 923 BGB Rn 1; Roth (Fn 1) § 923 BGB Rn 4

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