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RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Schuldrecht, Schutzbereich eines Vertrags<br />
wäre. Fragwürdig ist aber vor allem, dass sich der BGH in der<br />
Entscheidung mit keinem Wort mit dem eigentlichen Hauptproblem<br />
auseinandersetzt. Die E als Gläubiger verfolgt nämlich völlig gegenteilige<br />
Interessen als die Kleinanleger, ein Einbeziehungsinteresse<br />
steht mithin auf wackligen Beinen. Angesichts dieser Tatsache ist<br />
der Vorwurf fiktiver Beurteilungen nicht weit 16 . Die Nichtbehandlung<br />
dieses Problemkreises wird darauf beruhen, dass sich der BGH<br />
mit dieser Problematik nicht auseinander setzen wollte, obgleich er<br />
sich auf eine frühere Entscheidung 17 hätte stützen können, die<br />
diesen Interessengegensatz für unbeachtlich hielt.<br />
4. Die Lit stimmt im Ergebnis mit der Rspr überein, dass eine<br />
Haftung des Gutachters geboten ist. Daher wurden durch die Lit<br />
mehrere andere Konstruktionen entwickelt. Erwähnenswert ist<br />
vor allem die Ansicht, die das Problem der Expertenhaftung<br />
durch einen cic-Anspruch der Dritten gegen den Gutachter zu<br />
lösen sucht 18 , da sie durch die Schuldrechtsreform eine Bestärkung<br />
erfahren hat. Grund dieser Haftung ist die Gewährung und<br />
Inanspruchnahme von Vertrauen 19 . Dieser Ansatz wird neuerdings<br />
auf §§ 311 II Nr 3, III 2 BGB gestützt 20 , was angesichts<br />
des besonderen Vertrauens, das in die Bewertung durch einen<br />
Gutachter gelegt wird, überzeugend erscheint. Ob die Rspr diesen<br />
Weg, der den aufgezeigten Schwierigkeiten einer Konstruk-<br />
tion eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter 21 ,<br />
ausweicht, übernehmen wird, bleibt abzuwarten.<br />
5. Auch die neuere Ansicht würde im vorliegenden Fall zu einem<br />
Anspruch der Dritten kommen. Dies bestätigt, dass das gefundene<br />
Ergebnis des BGH richtig und überzeugend ist.<br />
n FAZIT<br />
1. Der BGH bezieht auch eine Vielzahl von Kleinanlegern in die<br />
Schutzwirkung eines Wertermittlungsgutachtens ein. Eine unzulässige<br />
Haftungsausdehnung ist damit nicht verbunden.<br />
2. Ob der BGH der neuen Ansicht im Schrifttum folgt, die eine<br />
Haftung auf §§ 311 II Nr 3, III 2 BGB stützt, wird sich zeigen, wenn<br />
der BGH einen Fall nach neuem Schuldrecht zu entscheiden hat.<br />
Daniel Wied, RRef., Regensburg<br />
16 Canaris JZ 1995, 441, 444<br />
17 BGHZ 127, 378<br />
18 Canaris ZHR 163, 206, 220 ff; Schwab JuS 2002, 872, 875<br />
19 Canaris JZ 1965, 475, 476 f<br />
20 Canaris JZ 2001, 499, 520; Dauner-Lieb, Neues Schuldrecht, S 143 f<br />
21 Jetzt in § 311 III vorausgesetzt vgl Dauner-Lieb § 3, Rn 45<br />
RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Sachenrecht, Verkehrssicherungspflicht<br />
BGH, Urteil vom 2. 7. 2004 –<br />
V ZR 33/04 (OLG Düsseldorf),<br />
NJW 2004, 3328<br />
1. Ein Baum ist ein Grenzbaum iSv § 923 BGB, wenn sein Stamm<br />
dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der Grundstücksgrenze<br />
durchschnitten wird.<br />
2. Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des Grenzbaumes,<br />
der sich auf seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes<br />
Eigentum).<br />
3. Jeder Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden<br />
Teil eines Grenzbaumes in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig<br />
wie für einen vollständig auf seinem Grundstück<br />
stehenden Baum.<br />
4. Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden<br />
Teils eines Grenzbaumes obliegende Verkehrssicherungspflicht,<br />
ist für den ihnen daraus entstandenen Schaden<br />
eine Haftungsverteilung nach § 254 BGB vorzunehmen.<br />
n SACHVERHALT<br />
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Auf der<br />
Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren<br />
Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone<br />
zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper<br />
eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ die<br />
Bekl in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem Grundstück<br />
befand, das tote Holz durch ein Fachunternehmen entfernen.<br />
Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite<br />
der Kl noch auf der Seite der Bekl. Im Dezember 2001<br />
stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte das<br />
Wohnhaus der Kl erheblich. Diese verlangt von der Bekl Schadensersatz<br />
iHv 100 000 E, weil sie meint, die Bekl sei für den<br />
Baum verkehrssicherungspflichtig gewesen.<br />
Deliktsrecht<br />
§§ 823 I: Haftung wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten für einen Grenzbaum<br />
n PROBLEM<br />
Eigentlich können sich nur Lehrbuchautoren oder Klausursteller<br />
derartige Fälle ausdenken: Ein Baum, der just auf der Grenze<br />
zweier Nachbargrundstücke steht (Grenzbaum 1 ), stürzt um und<br />
verursacht erhebliche Schäden. Ein Blick ins BGB indes zeigt,<br />
dass sich sogar der Gesetzgeber mit Grenzbäumen beschäftigt<br />
und ihnen eine eigene Norm gewidmet hat: § 923 BGB befasst<br />
sich ausschließlich mit Grenzbäumen und Grenzsträuchern, leider<br />
allerdings nicht unter dem Aspekt ihres Umstürzens. Gleichwohl<br />
konnte der BGH den Fall unter Rückgriff auf deliktsrechtliche<br />
Grundstrukturen gut lösen.<br />
n LÖSUNG <strong>DE</strong>S BGH<br />
Das Gericht geht zu Recht davon aus, dass der Kl ein Anspruch<br />
aus § 823 I BGB gegen die Bekl zustehe, weil diese das klägerische<br />
Eigentum beschädigt habe. Die Haftung der Kl ergebe sich<br />
daraus, dass diese die ihr hins des umgestürzten Baumes obliegende<br />
Verkehrssicherungspflicht verletzt habe.<br />
1. Zur Begründung seines Standpunkts erörtert der BGH zunächst<br />
die Verkehrssicherungspflicht eines Grundstückseigentümers<br />
hins seiner Bäume im Allgemeinen. 2<br />
1 Ein Baum ist dann Grenzbaum, wenn er mit seinem Stamm auf der Grundstücksgrenze<br />
steht. Entscheidend ist also allein, dass der Stamm des Baumes dort, wo er<br />
aus dem Boden heraustritt, von der Grenze durchschnitten wird, BGHZ 143, 1, 4;<br />
MünchKommBGB-Säcker, 4. Aufl, § 923 BGB Rn 2; Palandt-Bassenge BGB, 63. Aufl,<br />
§ 923 BGB Rn 1; Staudinger-Roth BGB, Bearb 2002, § 923 BGB Rn 2<br />
2 Dazu zuletzt auch BGH NJW 2004, 1381 (Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume)<br />
<strong>JA</strong> 2005 · Heft 2 85<br />
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RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Sachenrecht, Verkehrssicherungspflicht<br />
»Der Eigentümer eines Grundstücks hat iRd Möglichen dafür<br />
zu sorgen, dass von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für<br />
andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegt ist,<br />
dass er nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen gegen<br />
Windbruch und Windwurf, insb aber auch gegen Umstürzen<br />
auf Grund fehlender Standfestigkeit, gesichert ist.«<br />
2. Anschließend präzisiert das Gericht diese Pflicht für Grenzbäume.<br />
Das BerGer war davon ausgegangen, dass bei bestehendem<br />
Miteigentum eine Haftung der Eigentümer untereinander für<br />
Schäden, die auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten<br />
zurückzuführen sind, ausscheide. Der BGH zweifelt schon mit<br />
dem Hinweis darauf, dass sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis<br />
zwischen den Miteigentümern durchaus etwas anderes ergeben<br />
könne, an der Richtigkeit dieser Behauptung. Das Gericht muss<br />
hierauf jedoch nicht weiter eingehen, ist es doch der Auffassung,<br />
dass die Parteien nicht Miteigentümer, §§ 741 ff BGB, 3 sondern<br />
Teileigentümer 4 des Grenzbaums waren.<br />
»Nach dem Wortlaut des Gesetzes gebührt erst der gefällte<br />
Baum den Nachbarn zu gleichen Teilen, § 923 I BGB. Diese<br />
Regelung wäre überflüssig, wenn dieselbe Rechtslage bereits<br />
vorher bestünde. Das wird durch die Entstehungsgeschichte<br />
der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber ging davon<br />
aus, dass vor dem Fällen des Baumes kein Miteigentum<br />
besteht, sondern der Grundsatz der vertikalen Eigentumsteilung<br />
gilt. Diese Sicht steht nicht im Wertungswiderspruch zu<br />
§ 93 BGB, sondern räumt dem § 94 I BGB insoweit Vorrang<br />
ein und dient damit der Herstellung klarer Rechtsverhältnisse.«<br />
Als Eigentümerin eines Teils des Grenzbaumes war die Bekl für<br />
diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie<br />
für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum.<br />
3. Die Bekl musste damit den Gefahren vorbeugend Rechnung<br />
tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen<br />
und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und diejenigen<br />
Maßnahmen ergreifen, die zur Gefahrbeseitigung objektiv erforderlich<br />
und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Danach<br />
war sie verpflichtet, den Grenzbaum in angemessenen Abständen<br />
auf Krankheitsbefall zu überwachen.<br />
»Das hat die Bekl nicht beachtet, obwohl die Eiche nach den<br />
Feststellungen des BerGer seit mehreren Jahren eine Fruchtkörperbildung<br />
des Riesenporlings rings um den Stamm, verringerte<br />
Belaubung sowie Totholz in der Krone zeigte. Damit<br />
war für die Bekl eine Erkrankung des Baumes erkennbar. Da<br />
die Krankheitszeichen auch an dem ihnen gehörenden Baumteil<br />
vorhanden waren, hätten sie eine fachmännische Untersuchung<br />
veranlassen müssen. Dabei wäre die mangelnde<br />
Standfestigkeit erkannt worden, so dass rechtzeitig geeignete<br />
Maßnahmen gegen ein plötzliches Umstürzen hätten ergriffen<br />
werden können.«<br />
4. Die Bekl hat damit ihre Verkehrssicherungspflicht hins ihres<br />
Baumteils verletzt. Diese Verletzung hat sie auch zu vertreten.<br />
»[Vor den Krankheitszeichen] hat die Bekl die Augen verschlossen,<br />
indem sie lediglich im Jahr 1996 Totholz aus der<br />
Baumkrone hat entfernen lassen, ohne später den Zustand<br />
des Baumes zu kontrollieren und untersuchen zu lassen. Damit<br />
hat sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks in<br />
Kauf genommen.«<br />
5. Mit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, deren Kausalität<br />
für die Eigentumsbeschädigung und dem Vertretenmüs-<br />
86 <strong>JA</strong> 2005 · Heft 2<br />
sen waren sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 I<br />
BGB erfüllt; die Bekl hat somit Schadenersatz nach Maßgabe der<br />
§§ 249 ff BGB zu leisten und die Kl so zu stellen, als wäre die<br />
Eigentumsverletzung nicht eingetreten. Dabei ist jedoch ein Mitverschulden<br />
der Kl schadensmindernd anzurechnen, § 254 I BGB.<br />
a) Diese Schadensminderung ergibt sich jedoch nicht aus der<br />
Verkehrssicherungspflicht der Kl für ihren Teil des Baumes.<br />
»Darauf kommt es . . . für die Haftungsverteilung nicht an,<br />
weil der umgestürzte Baum nicht im gemeinschaftlichen Eigentum<br />
der Grundstückseigentümer stand. Die . . . Frage, ob<br />
sich derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich<br />
einer Sache obliegt, auf die Verletzung der Sicherungspflicht<br />
durch den hinsichtlich derselben Sache gleichrangig<br />
Verkehrssicherungspflichtigen berufen kann, stellt sich deshalb<br />
nicht; denn wegen des Alleineigentums jedes Grundstückseigentümers<br />
an einem Teil des Baumes sind beide<br />
Eigentümer wie jeder Dritte in den Schutzbereich der<br />
Verkehrssicherungspflicht einbezogen, die dem jeweils anderen<br />
Eigentümer hinsichtlich des ihm gehörenden Teils des<br />
Baumes obliegt.«<br />
b) Die Minderung beruht vielmehr darauf, dass die Kl den für sie<br />
ebenfalls erkennbaren Krankheitsanzeichen an dem ihr gehörenden<br />
Baumteil keine Beachtung geschenkt und damit letztlich<br />
die Beschädigung ihres Hauses in Kauf genommen hat.<br />
Das Gericht führt lehrbuchartig aus:<br />
»Da die Rspr eine Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung<br />
nicht verbietet, geht es im Rahmen dieser Vorschrift nicht um<br />
eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem anderen<br />
oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht,<br />
sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der<br />
eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich<br />
selbst gegenüber bestehenden »Obliegenheit«; sie beruht<br />
auf der Überlegung, dass jemand, der diejenige Sorgfalt<br />
außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint,<br />
um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den<br />
Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muss,<br />
weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem<br />
unbillig erscheint, dass jemand für den von ihm erlittenen<br />
Schaden trotz eigener Mitverantwortung vollen Ersatz<br />
fordert.«<br />
c) Schließlich hatte der BGH die Quote der Schadensminderung<br />
festzulegen und kommt dabei zu einer Schadensteilung. Bei der<br />
Ermittlung der Quoten trennt das Gericht vorbildlich zwischen<br />
einer Gewichtung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldens<br />
beider Seiten. Die Verursachungsbeiträge sieht das Gericht<br />
als gleichwertig an:<br />
»Die Kl hat das Umstürzen der Eiche durch die unterbliebenen<br />
Kontrollen und Untersuchungen in demselben Maß verursacht<br />
wie die Bekl. Das Auslichten der Baumkrone im Jahr<br />
1996 wirkt sich nicht zu Lasten der Bekl aus. Zwar war damit<br />
die spätere Fallrichtung des Baumes vorgegeben; aber das<br />
allein hat, worauf es für die Haftungsverteilung entscheidend<br />
ankommt, den Eintritt des Schadens nicht in wesentlich höherem<br />
Maß wahrscheinlich gemacht. Denn dem steht gegenüber,<br />
dass die Kl jegliche Baumpflegemaßnahmen wie das<br />
3 Für Miteigentum LG München II NJW 1976, 973; Säcker (Fn 1) § 923 BGB Rn 1; Dehner<br />
Nachbarrecht, 7. Aufl, B § 2 II, § 12<br />
4 Genauso OLG München OLGR 1994, 197; Bassenge (Fn 1) § 923 BGB Rn 1; Soergel-<br />
Baur BGB, 13. Aufl, § 923 BGB Rn 1; Roth (Fn 1) § 923 BGB Rn 4
RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Sachenrecht, Verkehrssicherungspflicht<br />
Auslichten der Krone auf ihrer Grundstücksseite unterlassen<br />
hat; erst dadurch ist es zu der einseitigen Lastigkeit des<br />
Baumes gekommen.«<br />
Auch das Verschulden von Kl und Bekl sieht das Gericht gleichwertig:<br />
»Beide Grundstückseigentümer konnten die jeweils auf der<br />
ihnen gehörenden Baumseite vorhandenen Krankheitszeichen<br />
erkennen; beide haben die deshalb notwendigen Überwachungs-<br />
und Untersuchungsmaßnahmen nicht durchgeführt.<br />
Ein Fällen des Baumes wurde nicht verlangt, § 923 II 1 BGB.<br />
Das Auslichten der Baumkrone im Bereich des Grundstücks<br />
der Bekl war nicht pflichtwidrig, sondern eine ordnungsgemäßer<br />
Bewirtschaftung entsprechende Pflegemaßnahme.«<br />
Damit hatte die Klage nur teilweise Erfolg und die Kl kann von<br />
der Bekl Zahlung von 50 000 E aus § 823 I BGB verlangen.<br />
n ERG¾NZEN<strong>DE</strong>R HINWEIS<br />
Im Rahmen einer Klausurlösung wäre vorrangig ein nachbarrechtlicher<br />
Ausgleichsanspruch zu bedenken, der jedoch vorliegend<br />
nicht bestehen dürfte. Die umgestürzte Eiche war Grenzbaum,<br />
so dass die Kl von der Bekl jederzeit seine Beseitigung<br />
verlangen konnte, § 923 II 1 BGB, 5 und deshalb keinem Duldungszwang<br />
ausgesetzt war. Ein verschuldensunabhängiger<br />
Ausgleichsanspruch aus § 906 II 2 BGB analog besteht jedoch<br />
nur bei Einwirkungen (nicht nur solchen iSd § 906 BGB 6 ) von<br />
einem benachbarten privatrechtlich genutzten Grundstück, die<br />
eine wesentliche Beeinträchtigung verursachen und also nicht<br />
geduldet werden müssen, aber aus besonderen rechtlichen oder<br />
tatsächlichen Gründen nicht oder nicht rechtzeitig abgewehrt<br />
werden können (faktischer Duldungszwang). 7<br />
n FAZIT<br />
RECHTSPRECHUNG Zivilrecht Zivilprozess<br />
BGH, Beschluss vom<br />
26. 7. 2004 – VIII ZB 44/03<br />
(LG Bremen), BGHReport<br />
2004, 1575<br />
Für die Beurteilung, ob der Kl die Klage gem § 269 III 3 ZPO<br />
unverzüglich zurückgenommen hat, ist an den Zeitpunkt anzuknüpfen,<br />
zu dem der Kl davon Kenntnis erlangt, dass der Anlass<br />
zur Einreichung der Klage vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit<br />
weggefallen ist.<br />
n SACHVERHALT (VEREINFACHT)<br />
Zwischen den Parteien besteht ein Wohnraummietverhältnis, bei<br />
dem die Miete jeweils am dritten Werktag des Monats fällig wird.<br />
Am 29. 4. 2002 kündigte der Kl wegen Mitrückstandes für die<br />
Monate März und April 2002 fristlos. Diese Rückstände wurden<br />
am 3. 5. 2002 (für März) und am 6. 6. 2002 (für April) überwiesen.<br />
Am 14. 6. 2002 reichte der Kl Räumungsklage ein. Am 8. 7.<br />
2002 beglich das Sozialamt die Mietrückstände für Mai und Juni.<br />
Während dem Kl am 24. 7. 2002 die Anordnung des schriftlichen<br />
Vorverfahrens mitgeteilt wurde, wurde die Räumungsklage dem<br />
Bekl am 25. 7. 2002 zugestellt. Am 6. 8. 2002 fragte das Amtsgericht<br />
an, ob die Klage zurückgenommen werde, woraufhin der<br />
Prozessbevollmächtigte des Kl am 9. 9. 2002 die Klage für erledigt<br />
erklärte, weil die rückständige Miete nach Klagerhebung<br />
beglichen worden sei. Dieser Erledigung schloss sich der Bekl<br />
nicht an, woraufhin das Amtsgericht mit Schreiben vom 22. 10.<br />
2002, zugegangen am 31. 10. 2002, den Kl erstmals darauf hinwies,<br />
dass die Klage zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit unbe-<br />
Ein Grenzbaum steht in vertikal geteiltem Eigentum der Grundstückseigentümer.<br />
Die Grundstückseigentümer sind für ihren<br />
Teil des Grenzbaumes in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig<br />
wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück<br />
stehenden Baum.<br />
Dr. Martin Löhnig, Wiss. Ass., Regensburg<br />
5 Die Beseitigung eines Baumes, der nicht Grenzbaum ist und infolge seines Alters auf<br />
das Nachbargrundstück zu stürzen droht, kann gem § 1004 I BGB verlangt werden,<br />
BGH NJW 2003, 1732. Gleiches gilt für über die Grundstücksgrenze ragende ¾ste und<br />
Wurzeln, weil das Selbsthilferecht aus § 910 BGB einen Anspruch aus § 1004 I BGB<br />
nicht ausschließt, BGH NJW 2004, 603; BGH NJW 2004, 1035. Auf Grund des Anspruchs<br />
aus § 1004 I BGB und des Selbsthilferechts aus § 910 BGB besteht jeweils<br />
kein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, vgl Berger LMK 2003, 145.<br />
6 BGHZ 111, 162<br />
7 BGHZ 58, 149, 158; BGHZ 142, 227, 235; BGHZ 147, 45, 49; BGH NJW 2003, 2377,<br />
2378; Jauernig-Jauernig BGB, 11. Aufl, § 906 BGB Rn 15; ein solcher Anspruch besteht<br />
etwa dann, wenn Nadeln und Zapfen eines Baumes auf das Nachbargrundstück fallen,<br />
das Zurückschneiden der überragenden ¾ste aber aus rechtlichen Gründen nicht<br />
verlangt werden kann, BGH NJW 2004, 1037.<br />
Zivilprozessrecht<br />
§ 269 III 3 ZPO aF: Unverzüglichkeit der Klagerücknahme bei Wegfall des Klageanlasses vor<br />
Rechtshängigkeit<br />
gründet gewesen sei und mit einer Fristsetzung von zwei Wochen<br />
anfragte, ob die Klage »unverzüglich zurückgenommen«<br />
werde. Mit Schriftsatz vom 12. 11. 2002 – bei Gericht eingegangen<br />
am 14. 11. 2002 – nahm der Kl die Klage zurück und beantragte<br />
dem Bekl die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.<br />
n PROBLEM<br />
1. Vor der Zivilprozessreform von 2001 war heftig umstritten, wie<br />
hinsichtlich der Kosten zu verfahren ist, wenn der Grund für eine<br />
Klage in der Phase der Anhängigkeit, dh zwischen Einreichung der<br />
Klage und Zustellung an den Bekl (Zeitpunkt der Rechtshängigkeit,<br />
§§ 253 I, 261 I ZPO), weggefallen und die Klage damit unbegründet<br />
geworden ist, zB weil der Bekl in der Zwischenzeit den<br />
eingeklagten Zahlungsanspruch erfüllt hat. Relevant wurde dies,<br />
weil die Dauer der Anhängigkeit wegen einer Verzögerung bei der<br />
Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses oder im internen Geschäftsgang<br />
der Gerichte durchaus mehrere Monate dauern kann.<br />
Da die Hauptsache erledigt ist, geht es letztlich nur noch um<br />
die Frage, welche Partei die Gerichts- und Anwaltskosten zu tragen<br />
hat. Eine Entscheidung nach § 91 a ZPO schied idR aus, weil<br />
der Bekl der Erledigung nicht zustimmte, eine Klagrücknahme<br />
durch den Kl hatte zwingend die Kostentragung des Kl zur Folge,<br />
was meist unbillig war, weil der Bekl Anlass zur Klage gegeben<br />
hatte und erst durch sein verspätetes Verhalten, zB Zahlung, die<br />
<strong>JA</strong> 2005 · Heft 2 87<br />
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