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Definition der „Arbeitsmedizin“ - Institut für Betriebliche ...

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Die Rolle des Betriebsarztes bei psychischen<br />

Belastungen und Krankheiten<br />

Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus<br />

Dr. rer.soc. Dipl. Psych. Jessica Lang<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, RWTH Aachen<br />

<strong>Definition</strong> <strong>der</strong> <strong>„Arbeitsmedizin“</strong><br />

Die Arbeitsmedizin ist die medizinische, vorwiegend<br />

präventiv orientierte Fachdisziplin, die sich mit <strong>der</strong><br />

Untersuchung, Bewertung, Begutachtung und Beeinflussung<br />

<strong>der</strong> Wechselbeziehungen zwischen Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

Bedingungen, Organisation <strong>der</strong> Arbeit einerseits<br />

sowie dem Menschen, seiner Gesundheit, seiner Arbeitsund<br />

Beschäftigungsfähigkeit und seinen Krankheiten<br />

an<strong>der</strong>erseits befasst.<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

3<br />

Präventive Pr ventive Medizin<br />

erstklassige Ärzte verhin<strong>der</strong>n Krankheit<br />

mittelmäßige Ärzte<br />

schlechte Ärzte<br />

(J.B. Cohen, zit. n. chin. Schrift, ca. 500 v. Chr.)<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

behandeln Krankheit<br />

bevor sie stark in<br />

Erscheinung tritt<br />

therapieren das Vollbild<br />

<strong>der</strong> Erkrankung<br />

Ziele <strong>der</strong> Arbeitsmedizin<br />

• Die Ziele <strong>der</strong> Arbeitsmedizin bestehen in <strong>der</strong><br />

- För<strong>der</strong>ung<br />

- Erhaltung und<br />

- Mitwirkung bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

von Gesundheit sowie <strong>der</strong> Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit<br />

des Menschen<br />

DGAUM März 2004 <strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA), DGAUM März 2004<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

2<br />

4<br />

1


Arbeitsmedizinische Vorsorge<br />

Entwicklung und Perspektiven <strong>der</strong><br />

Arbeitsmedizin<br />

früher heute<br />

Gesundheitsschutz: Gesundheitsschutz: Gesundheitsschutz Gesundheitsschutz und und<br />

Gesundheitsför<strong>der</strong>ung:<br />

Schutz Schutz vor vor<br />

Berufskrankheiten, Berufskrankheiten,<br />

Arbeitsunfällen, Arbeitsunfällen, … durch durch<br />

Minimierung Minimierung von von<br />

Gefährdungen Gefährdungen und und<br />

Risiken Risiken<br />

„klassische „klassische Arbeitsmedizin“<br />

Arbeitsmedizin“<br />

und und<br />

För<strong>der</strong>ung För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Gesundheit Gesundheit durch durch<br />

För<strong>der</strong>ung För<strong>der</strong>ung von von<br />

Gesundheits-<br />

Gesundheitsressourcen<br />

ressourcen<br />

UA 2/ AK 5<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Aktuelle Aufgaben im AfAMed<br />

“Psychische Gesundheit im Betrieb“<br />

1. Empfehlungen <strong>für</strong> ein systematisches Vorgehen zur Entwicklung<br />

und Sicherung individueller Gesundheitsressourcen<br />

2. Empfehlungen zur Vermin<strong>der</strong>ung psychosozialer Gefährdungen in<br />

<strong>der</strong> Arbeit<br />

3. Beispiele gelungener Intervention - Verweise<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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7<br />

Gefährdungsbeurteilung<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Arbeitsmedizin<br />

AfAMed<br />

Arbeitsmedizinische Vorsorge<br />

Beratung<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

§ Gesetzliche Grundlage §<br />

Vorsorgeuntersuchung<br />

• Auszug aus dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und<br />

an<strong>der</strong>e Fachkräfte <strong>für</strong> Arbeitssicherheit (ASiG)<br />

§3 Aufgaben <strong>der</strong> Betriebsärzte<br />

• den Arbeitgeber … zu beraten, insbeson<strong>der</strong>e bei<br />

a. <strong>der</strong> Planung, Ausführung und Unterhaltung von Betriebsanlagen und von<br />

sozialen Einrichtungen,<br />

b. <strong>der</strong> Beschaffung von technischen Arbeitsmitteln und <strong>der</strong> Einführung von<br />

Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffen,<br />

…<br />

d. arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und sonstigen<br />

ergonomischen sowie arbeitshygienischen Fragen, insbeson<strong>der</strong>e des<br />

Arbeitsrhythmus, <strong>der</strong> Arbeitszeit und <strong>der</strong> Pausenregelung, <strong>der</strong><br />

Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs und <strong>der</strong> Arbeitsumgebung,<br />

…<br />

f. Fragen des Arbeitsplatzwechsels sowie <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung und<br />

Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung Behin<strong>der</strong>ter in den Arbeitsprozess,<br />

g. <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Arbeitsbedingungen,<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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8<br />

2


I. Früherkennung<br />

II. Vermittlung / Beratung<br />

3 Ansatzpunkte <strong>für</strong> Betriebsärzte<br />

III. <strong>Betriebliche</strong>s Einglie<strong>der</strong>ungsmanagement (BEM)<br />

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Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Früherkennung (2/3)<br />

• reguläre Betriebsbegehungen mit allg. Gefährdungsbeurteilung<br />

Beobachtung möglicher psychosozialer Stressoren<br />

• bei Auffälligkeiten gezielte Gefährdungsbeurteilungen von<br />

Arbeitsplätzen hinsichtlich psychosozialer Stressoren<br />

– Methode: systematische Beobachtung<br />

– Instrumente (z.B.):<br />

Screening psychischer Arbeitsbelastungen - SPA<br />

(Mietz & Rothe, 1999)<br />

• Entscheidungsspielraum, Komplexität, Qualifikationserfor<strong>der</strong>nisse,<br />

beson<strong>der</strong>e Anfor<strong>der</strong>ungen an die Handlungszuverlässigkeit/<br />

risikobehaftete Arbeitsituationen, belastende Ausführungsbedingungen<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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Früherkennung (1/3)<br />

• Pflichtuntersuchungen, Angebotsuntersuchungen und<br />

Wunschuntersuchungen nach § 2 ArbMedVV<br />

Betriebsarzt hat bei Vertrauen <strong>der</strong> Mitarbeiter beste<br />

Voraussetzungen, von psychischen Beanspruchungen zu<br />

erfahren<br />

• mögliche Befragungsinstrumente:<br />

– Beanspruchung:<br />

• Gesundheitsfragebogen <strong>für</strong> Patienten (PHQ-D, Löwe et al. 2002)<br />

• Screening auf 8 psychische Störungen<br />

(z.B. Depression, Angst, Alkohol)<br />

• auch bei Verdacht modular anwendbar<br />

– Belastung:<br />

• Salutogenetische Subjektive Arbeitsanalyse<br />

(SALSA, Udris & Riemann, 1999)<br />

• verhältnispräventiver Ansatz bei Auffälligkeiten von Arbeitsbereichen<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Früherkennung (3/3)<br />

• Unfallanalyse<br />

– Aufdeckung möglicher psychosozialer Stressoren (z.B.<br />

Zeitdruck; Arbeitsorganisation), die mit zum Unfallgeschehen<br />

beigetragen haben könnten<br />

– Methode: Befragung <strong>der</strong> Betroffenen, Vorgesetzten, Leitung<br />

– Wenn ja, Ableiten von präventiven Maßnahmen<br />

• Kontakt zu Unternehmensleitung<br />

– Gespräch mit Unternehmensleitung o<strong>der</strong> Führungskräften zur<br />

Erfragung möglicher Problemfel<strong>der</strong> (Krankenstand, Fluktuation,<br />

disziplinäre Probleme, Terminüberschreitung)<br />

– Aufdeckung von Handlungsbedarf<br />

– Fungieren als kompetenter Berater, Unterstützer, Vermittler zu<br />

weiteren Experten<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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Vermittlung / Beratung (1/2)<br />

Organisationale Ebene<br />

• gemeinsame Ausarbeitung und Beratung <strong>der</strong><br />

Unternehmensleitung zu möglichen Interventionen (Projekte)<br />

• Verhaltensprävention und Verhältnisprävention<br />

z.B. Aufbau eines Gesundheitsför<strong>der</strong>programms<br />

• bei Bedarf: Hinzuziehen von und Vermittlung zu Experten<br />

(z.B. Arbeitspsychologen, geschulten Trainern)<br />

– Feinanalyse <strong>der</strong> Arbeitsplätze hinsichtlich psych. Gefährdungen<br />

Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen<br />

(Expertenverfahren; z.B. ISTA)<br />

– Durchführung von gezielten Stressinterventionsprogrammen<br />

– Umsetzung o<strong>der</strong> Begleitung von Umstrukturierungsprozessen<br />

– Führungskräftetrainings<br />

– Vorschlag <strong>der</strong> Teilnahme an einem EAP<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

BEM<br />

• Rechtliche Grundlage nach § 84 SGB IX<br />

• Systematische Beteiligung des Betriebsarztes „soweit erfor<strong>der</strong>lich“<br />

(§ 84 Abs. 2)<br />

• Betriebsarzt nicht obligatorisch und hat keine<br />

Entscheidungskompetenz<br />

• Aufgaben:<br />

– Frühzeitige Erkennung von Rehabilitationsbedarf<br />

– Beratung und Untersuchung <strong>der</strong> Mitarbeiter vor<br />

Einglie<strong>der</strong>ungsmaßnahme<br />

– Erstellung eines Leistungsbilds<br />

– Kommunikation mit behandelnden Ärzten<br />

– Arbeitsplatzbegehung mit Belastungsanalyse<br />

– Beratung bei Erstellung des Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ungsplans<br />

– Begleitung des Mitarbeiters bei Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung und individuelle<br />

Anpassung <strong>der</strong> Belastung – insbeson<strong>der</strong>e bei stufenweise<br />

Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung nach längerer Erkrankung<br />

– Unterstützung des Betriebes bei Organisation einer Begleitung am<br />

Arbeitsplatz<br />

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Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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Individuelle Ebene<br />

Vermittlung / Beratung (2/2)<br />

• bei psychischen Problemen von Beschäftigten<br />

• erste vertrauensvolle Anlaufstelle signalisieren<br />

• Vermittlung zu Fachärzten, Therapeuten, Beratungsstellen<br />

• Rückgriff auf externes Netzwerk zur Weiterleitung von<br />

Mitarbeitern mit psychischen Beanspruchungen /<br />

Erkrankungen<br />

– Fachärzte, Fachkliniken, Sozialdienste, etc.<br />

• Vorschlag <strong>der</strong> Teilnahme an einem EAP<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Beispiel Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung<br />

• Mitarbeiterin, 48 Jahre, die zur arbeitsmedizinischen Stellungnahme<br />

nach langdauern<strong>der</strong> Arbeitsunfähigkeit (8 Monate) in <strong>der</strong> Ambulanz<br />

vorstellig wurde.<br />

• Krankheitsverlauf ca. 2 Jahre mit zunehmend somatischen<br />

Beschwerden (Rückenschmerzen, Infektanfälligkeit, Müdigkeit etc.)<br />

bei gleichzeitiger Ausfüllung von 2 Jobs (Assistentin <strong>der</strong><br />

Geschäftleitung und Organisation Versand),<br />

• tägliche Arbeitszeit zwischen 12-14 Stunden,<br />

• soziale Isolation und Partnerschaftsprobleme<br />

• Januar dieses Jahres „Zusammenbruch“<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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Beispiel Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung<br />

• Jetzt Frage <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung mit Diskussion <strong>der</strong><br />

Arbeitssituation - Reduktion des Arbeitsfeldes, langsames Wie<strong>der</strong><br />

heranführen an Verantwortlichkeiten, Absprache von regelmässigen<br />

Kontakten um Abgleiten in alte Muster zu verhin<strong>der</strong>n<br />

• Schweigepflichtentbindung um (b.Bedarf) mit den behandelnden<br />

Kollegen Rücksprache zu nehmen. Rücksprache mit<br />

Geschäftsleitung um besprochene Arbeitsbedingungen zu<br />

ermöglichen<br />

• Bei Bedarf Möglichkeit round-table Gespräch mit allen Seiten<br />

• Wie<strong>der</strong>einglie<strong>der</strong>ung hat vor 3 Wochen begonnen, bislang zufrieden<br />

stellend<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> Ihre Aufmerksamkeit!<br />

Kontakt: tkraus@ukaachen.de<br />

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Zusammenfassung<br />

• Betriebsarzt als Ansprechpartner im Unternehmen von Seiten Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer<br />

• Betriebsarzt hat Zugang zu Personengruppen, die keinen hausärztlichen<br />

o<strong>der</strong> fachärztlichen Kontakt suchen<br />

• Betriebsarzt ist geschult, um Belastungsfaktoren zu erkennen<br />

• Betriebsarzt arbeitet idealerweise in einem Netzwerk<br />

• Betriebsarzt kann wichtige Rolle im BEM übernehmen<br />

• Betriebsarzt und alle an<strong>der</strong>en Akteure dürfen neben psychischen<br />

Belastungen weitere Belastungsfaktoren nicht aus den Augen verlieren!<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> Arbeitsmedizin und Sozialmedizin Aachen (IASA),<br />

Universitätsklinikum RWTH Aachen<br />

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