Spontan oder Reinzucht - Vinotheca Sutoris
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Die Gärung des Weines - <strong>Spontan</strong> <strong>oder</strong> <strong>Reinzucht</strong>???<br />
St. Aldegund, den 05.Feb. 2008<br />
Hier treffen die zwei wohl grundlegendsten Philosophien der Weinmacher<br />
zusammen. Früher war alles ganz einfach: Die Trauben wurden gepresst und<br />
der Most in Fässer eingelagert. Dann ging das irgendwann, irgendwie mit der<br />
Gärung los. Zuverlässig wurde daraus mal ein guter, mal ein weniger guter<br />
Wein. Und keiner wusste so recht warum. Erst die Feststellung, dass Hefen<br />
dieses Werk verrichten brachte Licht ins Dunkel. Das Problem: Da gibt es<br />
nicht nur die „EINE“ Hefe, sondern eine Masse unterschiedlichster<br />
Gattungen, Familien und Stämme deren Gefüge dafür Verantwortlich ist, ob<br />
ein Wein gelingt <strong>oder</strong> auch nicht.<br />
Erst Louis Pasteur erkannte ihre Bedeutung für die alkoholische Gärung (um<br />
1860), und gilt als „Erfinder“ der <strong>Reinzucht</strong>hefe. Bis Ende des<br />
19Jahrhunderts wurde alles <strong>Spontan</strong> vergoren. In Deutschland wird die<br />
Forschungsanstalt Geisenheim zum Vorreiter dieser Entwicklung, die 1894<br />
mit der Gründung der „Geisenheimer Weinhefe-<strong>Reinzucht</strong>station“ und dem<br />
Vertrieb von Reinkulturen als Flüssighefen beginnt. Als Anfang der 70er<br />
Jahre des 20. Jahrhunderts eine deutliche Zunahme von Gärstörungen, vor<br />
allem in Großgebinden festgestellt wurde, erlebte die mittlerweile etwas in<br />
den Hintergrund gerückte <strong>Reinzucht</strong>hefe eine Renaissance.<br />
Die vorhandenen <strong>Reinzucht</strong>hefen wurden weiter entwickelt und man begann<br />
die Hefen zwecks besserer Haltbarkeit zu trocknen. Das sind ausgewählte<br />
Hefestämme, von denen man zuverlässig weiß, wie sie arbeiten. Seitdem<br />
spielt die Frage eine Rolle: „Welche Hefe hätten Sie denn gerne?“ Es gibt<br />
„Bordeaux-Hefen“, „neue-Welt-Stil“-Hefen, solche die Burgunder besser<br />
schmecken lassen, und Riesling reiner. Populär sind derzeit vor allem Hefen,<br />
die die Fruchtkomponenten in den Weinen hervorheben.<br />
Der Einsatz dieser <strong>Reinzucht</strong>hefen hat einen großen Vorteil: Sicherheit! Die<br />
Qualität des Weines ist kalkulierbar (in Grenzen). Die Vorbestimmung der<br />
Gärdauer und auch des Aromabildes machen diese Hefen attraktiv.<br />
Gärungsbedingte Fehltöne infolge „Wilder-Hefen“ (siehe unten), kommen so<br />
gut wie nicht mehr vor. Ebenso kann fast immer ein niederer<br />
Endvergärungsgrad erreicht werden.<br />
Aber leider haben sie auch einen großen Nachteil: Uniformität! Sie entsteht<br />
wenn im Keller ein Hefestamm die Überhand gewinnt und praktisch alle<br />
Moste befällt. Ist dies der Fall, kommen andere Hefen kaum noch zum Zug:<br />
Die meisten <strong>Reinzucht</strong>hefen kommen aus der Gattung der Saccharomyceten<br />
und sind sog. „Killerhefen“, denen, infolge der beimpften Übermacht, die<br />
Hefen aus dem Weinberg relativ schnell zum Opfer fallen und dem Wein<br />
Ihren, manchmal etwas einfältigen, vorbestimmten „Aromastempel“<br />
aufzwingen.<br />
Ganz anders bei der „<strong>Spontan</strong>en-Vergärung“. Idealerweise bringen die<br />
Trauben aus den Weinbergen eine bunte Mischung verschiedenster<br />
Hefegattungen mit in den Keller. Jedem von Ihnen kommt während der<br />
Angärphase eine besondere Bedeutung zu, da er charakteristische Aromen<br />
bildet. Dieses Konglomerat verschiedenster Gattungen, Arten und Stämme<br />
teilt man in zwei große Gruppen: Man spricht von den „echten Weinhefen“ (=<br />
Saccharomyceten) und den „wilden Hefen“ (=Nicht-Saccharomyceten).<br />
Letztere machen zu Beginn der Gärung mehr als 30% aus. Erst nach und<br />
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Weingut Schumacher, vinotheca-sutoris.de Seite 1
nach wird sich ein Stamm durchsetzten und die alkoholische Gärung zu Ende<br />
führen. Infolge der Sauerstoffabnahme und Alkoholzunahme (> 4 Vol. %)<br />
beginnt ein Stamm, die Alkoholtolerante Saccharomyces cerevisae, langsam<br />
den Kampf zu gewinnen, -wenn es gut läuft! Aber eben erst nach und nach.<br />
Bis es soweit ist, haben viele einzelne Hefestämme gemeinsam, ihren Teil zu<br />
einem sehr komplexen, einzigartigen, nicht immer gefälligen(!), Aromaprofil<br />
beigetragen.<br />
In Vergleichsproben fallen infolgedessen <strong>Spontan</strong>vergorene Weine direkt<br />
auf. Wenn man die Minen der Verkoster beobachtet, reicht das Minenspiel<br />
von totaler Ablehnung („stinkt, Böckser, ...“) bis zu vor Freude glänzender<br />
Augen („der einzig wahre Riesling“). Letzteres ist allerdings eher die<br />
Ausnahme, da dieses Aromaprofil so gar nicht in den eigenen, „feinen“ von<br />
der <strong>Reinzucht</strong> geprägten „Kellerton“ mancher Sachverständiger passt. So<br />
lieferte die <strong>Spontan</strong>gärung in der Vergangenheit nur wenige hochdekorierte,<br />
sondern mehr als fehlerhaft empfundene Weine. Das komplexe Aromaprofil<br />
<strong>Spontan</strong>vergorener Weine hat es schwer sich gegen diese Paarung aus<br />
Intoleranz, Arroganz <strong>oder</strong> vielleicht auch schlichtweg Unwissenheit<br />
durchzusetzen. Viele Winzer scheuen sich demzufolge <strong>Spontan</strong> zu vergären.<br />
Meist trauen sich nur die Namenhaftesten Weingüter, die nicht von Urteil<br />
und Wertschätzung „übergeordneter“ Prüfungskommissionen abhängig sind,<br />
<strong>Spontan</strong> zu vergären. Das aber mit großem Erfolg.<br />
In der Tat hat der „Sponti“ (wie <strong>Spontan</strong>vergorene Weine auch genannt<br />
werden) in der Jungweinphase zum Teil deftige Aromen, die mitunter an<br />
Böckser (schwefelhaltige Gärungsprodukte) erinnern. Diese werden aber im<br />
Laufe der Jahre häufig zu extrem ausgeprägten Fruchtaromen (u.a.<br />
schwefelhaltige Thiolverbindungen) umgewandelt. (Ist es nicht interessant,<br />
daß sich das Rieslingaroma über solche Thiolverbinungen identifiziert!?)<br />
Infolgedessen hat ein spontanvergorener Wein sein edelstes Gäraroma erst<br />
nach Jahren, wenn ein <strong>Reinzucht</strong>hefewein bereits vom Gäraroma zum Reife-,<br />
bzw. Firnearoma übergegangen ist. Das ist in einem sensorischen Vergleich<br />
nach 3-4 Reifejahren leicht nachvollziehbar.<br />
Nicht selten kommt es durch Gäraktivität von „wilden-Hefen“, wie z.B.<br />
Candida stellata, Hanseniasporna uvarum, zu Bildung eines<br />
mikrobiologischen Tons, der mit den Attributen schweißig, malzig, teigig,<br />
fleischartig und mehr angesprochen werden kann. Ob dies als Vor- <strong>oder</strong><br />
Nachteil anzusehen ist, wird zur Zeit sehr kontrovers diskutiert und ist ein<br />
wichtiger Faktor für die doch sehr unterschiedliche Beurteilung. Sicherlich<br />
spielt hier die Ausprägung, sowie das subjektive Empfinden des Einzelnen<br />
die entscheidende Rolle.<br />
Analytisch ist dieser Sachverhalt auch messbar. Der Wert des zuckerfreien<br />
Extraktes liegt beim Sponti bei gleichen Voraussetzungen um 2 bis 3 g/l<br />
höher. Es sind höhere Alkohole, die zu mehr Weinigkeit und<br />
Aromaempfinden beitragen und beim zuckerfreien Extrakt mit gemessen<br />
werden. Der Wert des vorhandenen Alkohols (Ethanol) ist bei <strong>Spontan</strong>gärern<br />
niedriger, d.h. es sind „leichtere“ Weine. Leicht, fruchtig und weinig, sind<br />
das nicht Attribute, die dem traditionellen Mosel-Riesling entsprechen?<br />
Doch bei aller Begeisterung für diesen Weintyp dürfen die Nachteile nicht<br />
vergessen werden. Ein verzögerter Gärbeginn, eine begrenzte Gärleistung<br />
und die Bildung unerwünschter Begleitstoffe wie SO2-bindende Substanzen,<br />
biogene Amine, Essig- und Milchsäure sind nur einige Probleme mit denen<br />
man rechnen muß. Des weiteren könnte es infolge einer „oxidativen Gärung“<br />
(durch Acetobacter & Gluconobacter) zur Bildung von Essigsäure aus Zucker<br />
und Alkohol kommen. Alles Punkte die zum völligen Verderb des Weines<br />
führen können. Auch der oben angesprochene „mikrobiologische Ton“ muß<br />
je nach subjektiver Toleranzgrenze unter diesem Punkt geführt werden.<br />
Aber anders als vor 35 Jahren haben wir heute fundiertere Kenntnisse in<br />
Mikrobiologie und Biochemie. Die Materialien im Keller vor allem der<br />
Gärbehälter genügen den notwendigen hygienischen Anforderungen<br />
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Weingut Schumacher, vinotheca-sutoris.de Seite 2
(Edelstahl) um die Population unerwünschter Keime niedrig zu halten, so<br />
dass sich diese Risiken in gewissem Rahmen kalkulierbar machen.<br />
Wir wissen auch, dass nicht jedes Lesegut (Jahrgang!!!) zur<br />
<strong>Spontan</strong>vergärung geeignet ist. So kann Botrytis nur eingetrocknet und in<br />
kleinem Umfang toleriert werden. Auf infizierten Beeren können sich<br />
unbehelligt alle möglichen Keime ansiedeln, zu bedenklichen Mengen<br />
vermehren und Fehlgärungen im Most verursachen. Misserfolg<br />
vorprogrammiert! Wie etwa im Herbst 2006, welcher von Fäulnis<br />
unterschiedlichster Stadien und Ursachen der Trauben geprägt war. Dessen<br />
hohe Temperaturen, die Wilde-Gärung bereits im Weinberg unkontrolliert<br />
beginnen ließen und eben nicht die besten Hefen begünstigte. Hier musste<br />
mit der sog. Killerhefe „Saccharomyces cervisiae“ geimpft werden um diese<br />
Keime schnellstmöglich zu unterdrücken.<br />
Auch sollte man den Sauerstoffkontakt des Mostes auf ein Minimum<br />
reduzieren, um den „Nicht-Saccharomyceten“ das Leben so schwer wie<br />
möglich zu machen.<br />
Niedere pH-Werte (Säure) hemmen die Entwicklung von Milchsäure- und<br />
Essigsäurebakterien u.s.w..<br />
Die Mosel bietet infolge der relativ niedrigen durchschnittlichen pH-Werte<br />
und Terrainvielfalt wohl die idealsten Rahmenbedingungen für en Einsatz der<br />
<strong>Spontan</strong>vergärung!<br />
Zwischen den beiden Gärphilosophien „<strong>Reinzucht</strong>hefe“ und „<strong>Spontan</strong>“ gibt<br />
es zahlreiche Übergänge. So kann man mit bereits gärenden Mosten in andere<br />
Fässer überimpfen, <strong>oder</strong> zu Beginn des Herbstes einen Gäransatz aus speziell<br />
gelesenen, gesunden Lesegut als „<strong>Spontan</strong>zuchthefeansatz“ zum Gärstart auf<br />
die Gebinde verteilen. Das Ergebnis wird in jedem Fall anders sein, als bei<br />
der „echten“ <strong>Spontan</strong>gärung, weil die gärstärkste Hefe bereits dominiert, und<br />
die „<strong>Spontan</strong>gär-Ansätze“ jetzt fast nur noch aus dieser einen Hefe bestehen.<br />
Eine Impfung bringt aber in jedem Fall eine höhere Sicherheit bezüglich des<br />
Ergebnisses.<br />
Die <strong>Reinzucht</strong>hefe wird sicherlich der "Normalfall" bleiben, der Schutzbrief,<br />
für alle einfachen Tropfen, die aus den einzelnen Weingütern<br />
zusammengefahren, als Massenwein verschnitten im<br />
Lebensmitteleinzelhandel verkauft werden.<br />
Wahrscheinlich werden auch in Zukunft die meisten Weingüter die Weine,<br />
die ihre Umsatzträger repräsentieren, liebevoll mit einer gezielten Vergärung<br />
durch <strong>Reinzucht</strong>hefe gewinnen und in Flaschen füllen. Sie sind auf keinen<br />
Fall mit den zuvor genannten „zusammengefahrenen Weinen“ zu<br />
verwechseln, -sie entstehen aus einer ganz anderen Intension.<br />
Aus den dargestellten Gründen sind <strong>Spontan</strong>gärungsweine Spezialitäten und<br />
so sollten sie auch probiert und eingeordnet werden. Auf keinen Fall sollte<br />
man unaufgeklärt mit diesen, nicht ganz „einfachen“, Tropfen in Erstkontakt<br />
treten. Dies zu verhindern ist die Absicht dieser Zeilen. Und wenn Sie jetzt<br />
neugierig geworden sind, ist das gut so! Denn auch in der Praxis kann ich<br />
Ihren (Wissens-) Durst befriedigen, -leider erst ab ca. Juli 2008. Ich habe<br />
nach zahlreichen Vorversuchen letzten Herbst den ersten rein mit<br />
<strong>Spontan</strong>hefe vergorenen „Sponti“ gelegt, der, wie wir jetzt wissen, etwas<br />
länger brauch.<br />
Wenn Sie es auch Interessant finden wie andere in unserem Kundenkreis<br />
über diese spannende Thematik denken? Dann bitte ich Sie: Schauen Sie<br />
doch mal bei unserer aktuellen Umfrage vorbei, und Stimmen mit<br />
(www.vinotheca-sutoris.de)! Je mehr mitmachen, desto aussagekräftiger ist<br />
das Ergebnis, das Sie übrigens jederzeit einsehen können.<br />
Bis bald, Ihr Winzer, Partner und Freund,<br />
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Weingut Schumacher, vinotheca-sutoris.de Seite 3