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PDF-Datei - Visitator Ermland

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Glaubenskundgebung am Grab Bischof Kallers<br />

Unruhe vor dem Sturm<br />

Von Martin Grote<br />

„Heute sind wir in Königstein ganz unter uns“, meinte Dorothea Ehlert auf dem Weg zur<br />

Glaubenskundgebung 2008, auf meine Feststellung reagierend, wir müssten diesmal auf einen<br />

prominenten Bischof als Gastprediger verzichten. Dieser Satz unserer „Kerzenfrau“, die wiederum<br />

eine Reise mit zwei Taxibussen in das historische Taunusstädtchen organisiert hatte, sind mir im<br />

Gedächtnis haften geblieben.<br />

„Wir sind unter uns“ bedeutet schließlich: Wir freuen uns auf eine Zusammenkunft, die nahezu<br />

einem Familientreffen gleicht. Man kennt sich, man betet und isst gemeinsam, und vor allem ist<br />

man verbunden in der Erinnerung an einen besonderen, herausragenden Mann: Bischof Maximilian<br />

Kaller, der hinter der Königsteiner Marienkirche begraben liegt.<br />

Der größte Teil derer, die sich zur Glaubenskundgebung versammeln, hat den letzten deutschen<br />

Oberhirten des <strong>Ermland</strong>s noch persönlich gekannt: Die inzwischen meist über 70-Jährigen haben<br />

ihn bei Gottesdiensten und Wallfahrten erlebt, oder sie sind sogar von ihm gefirmt worden. Pater<br />

Dr. Werner Christoph Brahtz CO aus Wien gehört demgegenüber zur zweiten<br />

Vertriebenengeneration und kennt den Bischof nur von Fotos her, aber trotzdem gibt es wohl<br />

niemand anderen, der so viel über Maximilian Kaller zu berichten weiß. Auch in diesem Jahr war<br />

der Oratorianer, dessen Eltern in Mönchengladbach beheimatet sind, dabei: als Zeremoniar, Kantor<br />

und Festredner.<br />

Am Altar der Kollegskirche standen neben <strong>Visitator</strong> Msgr. Dr. Lothar Schlegel der Breslauer<br />

Konsistorialrat Wolfgang Blau sowie Cooperator Arnold Margenfeld. Prälat Dr. Schlegel predigte<br />

wieder einmal sehr lebensnah, indem er Situationen aus dem Alltag verschiedener Menschen<br />

schilderte: Jemand hat die Ziele und Maßstäbe, die er sich selbst gesetzt hat, nicht erreichen können.<br />

Eine Mutter denkt, andauernd nur gegen die Wand zu reden, und ein anderer wird den Eindruck<br />

nicht los, alles verloren zu haben, nicht nur Haus und Hof, sondern auch den wichtigsten Menschen<br />

seines Lebens. „Jeder hat sein Kreuz zu tragen“, so der <strong>Visitator</strong>, „und derartige Kreuze gab es auch<br />

schon zur Zeit Bischof Kallers. Das Kreuz begleitet uns überall hin, vom Arbeitsplatz bis zum Grab.<br />

So ist es einerseits ein Zeichen des Bekenntnisses, andererseits aber auch ein Zeichen des Lebens,<br />

selbst in allerdunkelster Stunde.“ Dr. Lothar Schlegel erinnerte an das Pauluswort aus Gal 6,14,<br />

„Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi rühmen“, und gleichzeitig schlug er den Bogen<br />

zum Sonntagsevangelium (Mt 11,25-30), in dem Jesus die Sätze verlauten lässt: „Kommt alle zu<br />

mir, die ihr mühselig und beladen seid, ich werde euch Ruhe verschaffen (...), denn mein Joch ist<br />

sanft, und meine Last ist leicht.“<br />

Nach dem gemeinsamen Mittagessen im Haus der Begegnung richtete der <strong>Visitator</strong> in der Aula der<br />

Bischof-Neumann-Schule den anwesenden Ermländern einen Gruß des Hl. Vaters Papst Benedikt<br />

XVI. aus, dem er kurz zuvor in Rom begegnet war. „Kaller macht mir immer mehr Freude“,<br />

schmunzelte Dr. Schlegel und zitierte Sätze aus einer Predigt, die Bischof Maximilian einst in<br />

Glottau gehalten hatte. Auch er war kurz zuvor beim Papst gewesen, und dieser hatte ihm vor allem<br />

eine Mahnung zur Buße mitgegeben. Kallers Reaktion damals in Glottau: „Darüber brauche ich<br />

heute aber nicht zu sprechen, denn wir alle, die wir hierher gepilgert sind, haben damit schon ein<br />

gewisses Bußwerk verrichtet!“ Dieses bezog der <strong>Visitator</strong> dann auch auf die ca. 80 Anwesenden in<br />

Königstein, die keine Mühen gescheut hatten, größtenteils von weither anzureisen. „Bischof<br />

Kaller“, so Dr. Schlegel, „verkündete in seiner Predigt aber noch zwei weitere Botschaften. Neben<br />

der Buße ermahnte er zum Gebet, - das sei das Wichtigste -, und zum häufigen<br />

Kommunionempfang, getreu dem Motto: Alles gelingt euch durch den, der euch stark macht!“<br />

In der Festakademie hatte Pater Werner seinen Vortrag diesmal unter das Thema „Unruhe vor dem<br />

Sturm“ gestellt. Beleuchtet wurde dabei in erster Linie das Jahr 1938, in dem Kaller neben Clemens<br />

August Graf von Galen als bestgehasster Bischof Deutschlands galt. Dr. Brahtz ging auf die<br />

zahlreichen Initiativen Kallers in der großen Diasporadiözese <strong>Ermland</strong> ein, auf den Anschluss


Österreichs an das Deutsche Reich, auf das 550-jährige Jubiläum des Frauenburger Doms, auf<br />

Kallers Ad-limina-Besuch in Rom sowie auf den Fastenhirtenbrief des Jahres 1938, der uns nur<br />

durch die Nazi-Propaganda komplett überliefert und zugänglich gemacht werden konnte. „Verrückt,<br />

aber wahr“, kommentierte Pater Werner.<br />

Nationalsozialismus und Kirche standen einander wie Feuer und Wasser gegenüber, doch Kaller<br />

blieb standhaft: „Wir sind vogelfrei!“ Der Bischof rief zu Einkehr, Buße, Sühne, Glaubens- und<br />

Kirchentreue auf, und er blieb geradlinig, während die Gestapo immer wieder versuchte, ihn zum<br />

Schweigen zu bringen. Maximilian Kaller handelte im Sinne von Augustinus: „Unruhig ist mein<br />

Herz, bis es Ruhe findet in Dir!“ Und wie unruhig Kaller es seinen Gegnern in der NS-Zeit gemacht<br />

hat, verdeutlichte der Referent vor allem an bislang unveröffentlichten Ausführungen des damaligen<br />

bischöflichen Kaplans und späteren Professors Dr. Gerhard Fittkau. Diese Passagen, die nun zum<br />

ersten Mal ans Tageslicht kamen, ließen besonders erkennen, welche Gelassenheit Kaller auch in<br />

„Zeiten des Sturms“ ausgestrahlt hat. „So kann man nur leben“, konstatierte Dr. Schlegel später,<br />

„wenn man ganz fest in Christus verwurzelt ist.“<br />

Tief beeindruckt zeigte sich während des Vortrags eine 84-jährige Zuhörerin aus Köln: Hiltrud<br />

Brosch, die als Schwester von Gerhard Fittkau nach Königstein gekommen war. Dass dort<br />

Dokumente ihres Bruders zum ersten Mal vorgetragen würden, konnte die rüstige Seniorin nicht<br />

ahnen, und so gab sie sich nachher sehr gerührt. „Als Kinder haben wir das damals doch gar nicht<br />

alles mitbekommen“, erzählte Hiltrud Brosch, „und unsere Eltern konnten solche Dinge mit uns<br />

auch nicht besprechen, aber jetzt ist es einfach toll, die Zusammenhänge auf diese Art und Weise zu<br />

erfahren!“<br />

Im Anschluss an die Festakademie zog die Pilgergruppe zum Grab von Bischof Maximilian Kaller<br />

(1880-1947) und Weihbischof Adolf Kindermann (1899-1974). „Venerunt ex magna tribulatione“<br />

steht auf dem Grabstein: „Sie kamen aus großer Bedrängnis“. Dr. Schlegel erläuterte dies und ging<br />

ferner auf die Wahlsprüche der Bischöfe ein: auf das „Caritas Christi urget me“ (Die Liebe Christi<br />

drängt mich) Kallers sowie auf das Leitwort Kindermanns, „Contra spem in spem“, d.h. „Gegen die<br />

Hoffnung für die Hoffnung“. Man soll also auch in hoffnungslosen Zeiten den Mut nicht sinken<br />

lassen!<br />

Nach der <strong>Ermland</strong>vesper, die von Arnold Margenfeld an der Orgel der Marienkirche begleitet<br />

wurde, traf man sich wiederum in der Aula der Bischof-Neumann-Schule, um bei Kaffee und selbst<br />

gebackenem Kuchen noch beieinander zu sein. Für die kommenden Glaubenskundgebungen bleibt<br />

der Wunsch, dass auch Ermländer der zweiten und dritten Generation verstärkt den Weg nach<br />

Königstein finden. Wir geben die Hoffnung nicht auf!

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