Das komplette Buch (22 MB) - Volksbund Deutsche ...
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Dienst<br />
am<br />
Menschen<br />
Dienst<br />
am<br />
Frieden<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V.
„Die Geschichte Deutschlands ist untrennbar verknüpft<br />
mit den beiden Weltkriegen. Die Erinnerung daran hat uns <strong>Deutsche</strong> tief geprägt.<br />
Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an dieses Leid und an seine Ursachen<br />
wach zu halten, und wir müssen dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V. setzt sich für diese Aufgabe<br />
in vorbildlicher Weise ein. Ich freue mich, dass er dabei auch auf die<br />
große Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger zählen kann.<br />
Gemeinsam mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern des <strong>Volksbund</strong>es<br />
leisten sie ihren wertvollen Beitrag zur Versöhnung über den Gräbern.<br />
Im Dezember 2009 wird der <strong>Volksbund</strong> 90 Jahre alt.<br />
Ich wünsche ihm für seine wichtige Arbeit alles erdenklich Gute!“<br />
Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />
Schirmherr des <strong>Volksbund</strong>es
Unser Jubiläumsbuch „Dienst am Menschen<br />
– Dienst am Frieden“ ist nicht nur<br />
ein besonderes Dankeschön für großzügi -<br />
ge und treue Freunde und Förderer des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. Es ist auch ein Rückblick in<br />
die Geschichte unseres Verbandes. Seit<br />
dem Ersten Weltkrieg ist sie auf das engste<br />
mit der deutschen und der europäischen<br />
Geschichte verbunden. Im Konzept dieses<br />
<strong>Buch</strong>es schlägt sich das nieder, wenn Sie<br />
auf der einen Seite in Text und Bild eine<br />
Auswahl politischer Ereignisse, auf der<br />
anderen Seite eine Auswahl von Eckpunkten<br />
des „<strong>Volksbund</strong>lebens“ finden. Selbstverständlich<br />
kann eine solche Auswahl<br />
nur kleine Teile des wirklichen Geschehens<br />
umfassen. Des halb darf dieses <strong>Buch</strong><br />
auch nicht als „Geschichtsbuch“ mit Anspruch<br />
auf wissenschaftliche Exaktheit<br />
gelten. Aber wir sind sehr stolz darauf,<br />
dass die ersten Auflagen (das erste <strong>Buch</strong><br />
erschien 1994 zum 75-jährigen Jubiläum<br />
des <strong>Volksbund</strong>es) gerade von Pädagogen<br />
wegen der Anschaulichkeit der Darstellung<br />
gelobt worden sind.<br />
Dieses Vorwort soll keine Inhaltsangabe<br />
sein. Festhalten möchte ich, dass der<br />
<strong>Volksbund</strong> in den vergangenen Jahrzehnten<br />
vor immer wieder neuen, scheinbar<br />
kaum zu bewältigenden Anforderun gen<br />
ge standen hat und diese immer wieder –<br />
das darf man sicher sagen – hervorragend<br />
bewältigen konnte.<br />
Andererseits ist seine Geschichte nicht<br />
frei von Brüchen. Gegründet wurde der<br />
<strong>Volksbund</strong> als humanitäre Initiative der<br />
Bürger und für die Bürger, mit großer Unterstützung<br />
aller Schichten der deut schen<br />
Bevölkerung. Er überstand mit einigen<br />
Blessuren die politischen und wirtschaft lichen<br />
Wirren der frühen 20er Jahre. Mit der<br />
Stabilisie rung kamen auch die Erfolge im<br />
Bau und Ausbau von Kriegsgräberstätten.<br />
Die frühe Selbstunterwerfung der <strong>Volksbund</strong>führung<br />
unter die Maximen des nationalsozialistischen<br />
Regimes rette te mög -<br />
licherweise die formelle Eigenstän dig keit<br />
des Verbandes. Der Preis aller dings war –<br />
aus heutiger Sicht – viel zu hoch. Denn die<br />
Organisation wurde zu einem willigen Erfüllungsgehilfen<br />
der unseligen Dikta tur,<br />
die un ser Land und viele Milli onen Menschen<br />
weltweit in Tod und Ver derben<br />
führte. Zum unrühmlichen Teil der Verbands<br />
geschich te gehört zum Beispiel die<br />
Verwandlung der Mitglieder zeit schrift in<br />
ein Organ zur Verherr lichung na tionalsozialistischer<br />
An schauungen und zur Festigung<br />
des Durchhaltewillens der Bevöl ke -<br />
rung im Krieg.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es<br />
nicht nur, die Abgründe der deutschen<br />
und auch der eigenen Geschichte zu über -<br />
winden – und hier ist noch vieles wissen-<br />
schaftlich aufzuarbeiten. Aus dem Nichts<br />
heraus waren ungleich größere Aufgaben<br />
als nach dem Ersten Weltkrieg zu bewältigen.<br />
Gleichzeitig war klar, dass Kriegsgräberstätten<br />
und Kriegsgräber mehr sind,<br />
einfach mehr sein müssen als nur elementare<br />
Bestandteile nationaler Identität und<br />
Orte der individuellen Erinnerung und<br />
Trauer für die Familien.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat dem mit seiner internationalen<br />
Jugendarbeit, festgeschrieben<br />
in seiner Satzung, ein neues Element<br />
hinzugefügt. Die Zusammenarbeit mit<br />
jungen Menschen zur Förderung von Verständigung<br />
und Versöhnung, von Freundschaft<br />
und Frieden wird seit Jahrzehnten<br />
konsequent ausgebaut. Mit Recht darf<br />
man stolz sein auf die großen Leistungen,<br />
die der Verband im Friedhofsbau und bei<br />
der Pflege der Friedhöfe, bei der Suche<br />
nach den Kriegs toten, ihrer Bergung und<br />
endgültigen Bestattung, bei der Betreuung<br />
der Angehörigen erbracht hat. Die Jugendarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, die Arbeit in den<br />
Jugendcamps, den Jugendbegegnungsund<br />
-bildungsstätten, die Zusammenarbeit<br />
mit den Schulen aber verdient es, besonders<br />
herausgehoben zu werden.<br />
Nach 90 Jahren ist die Geschichte des<br />
<strong>Volksbund</strong>es nicht „vorbei“. Seine Arbeit<br />
wird sich auch künftig nicht auf eine besonders<br />
organisierte Friedhofspflege reduzieren<br />
lassen. Große Herausforde rungen<br />
warten, in einer Zeit, in der ihre Finanzierung<br />
nicht unbedingt einfacher wird. Die<br />
letzten großen Sammelfriedhöfe sind bereits<br />
im Bau oder in Planung. Mit aller<br />
Kraft gilt es in Mittel-, Ost- und Südosteuropa<br />
die Kriegstoten zu bergen, die wir<br />
noch finden können. Diese Arbeit wird<br />
über das Jahr 2015 deutlich hinausreichen,<br />
wenngleich bis dahin der größte Teil des<br />
überhaupt Machbaren geschafft sein muss.<br />
Es stellt sich bereits jetzt die Frage, welchen<br />
Umfang die Aufgabe der Suche, Bergung<br />
und Bestattung der deutschen zivi -<br />
len Opfer des Geschehens bei Flucht und<br />
Vertreibung annehmen wird. Es wird eine<br />
angemessene Form der Namendokumentation<br />
für alle die Opfer geben müssen, die<br />
nicht mehr gefunden, identifiziert und bestattet<br />
werden können. Und schließlich<br />
wird uns allen immer wieder die Frage<br />
vorgelegt werden, wie wir mit den Toten<br />
umgehen, die während der Auslandseinsätze<br />
der Bundeswehr zu beklagen sind<br />
und sein werden.<br />
Ich bitte Sie herzlich, uns heute und<br />
auch in Zukunft dabei zu helfen, Antworten<br />
zu finden und unsere Aufgaben zu erfüllen.<br />
Mein Dank gilt allen, die uns bis<br />
heute geholfen haben und die uns weiter<br />
unterstützen. Mit Ihrer Hilfe werden wir<br />
es schaffen!<br />
Ein Blick in die<br />
Geschichte und<br />
die Aufgaben<br />
der Zukunft<br />
Reinhard Führer,<br />
Präsident des <strong>Volksbund</strong>es
Einleitung<br />
6<br />
Am 1. August 1914<br />
beginnt der Erste Weltkrieg.<br />
Die Geschichte der Menschheit ist<br />
auch die Geschichte ständiger Krie -<br />
ge: Immer starben Menschen, weil Waffen<br />
eingesetzt wurden, Gewalt angewendet,<br />
Krieg geführt wurde. Opfer von Krieg<br />
und Gewaltherrschaft nennen wir sie mit<br />
den Worten unseres Gräbergesetzes in der<br />
Fassung des Jahres 2007. Und noch immer<br />
entstehen neue Gräber für neue Opfer.<br />
Wie die Völker mit den Opfern und deren<br />
Gräbern umgingen, war im Laufe der Geschichte<br />
sehr unterschiedlich. Dies darzustellen<br />
ist nicht Aufgabe dieses <strong>Buch</strong>es.<br />
Da aber das Entstehen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
im Dezember 1919 unter dem Einfluss des<br />
Geschehens in den fünf Jahren davor<br />
stand, ist es wichtig, diese Jahre in die Betrachtung<br />
einzubeziehen. Nur so werden<br />
Hintergründe deutlich.<br />
Im Ersten Weltkrieg spielt der Gedanke<br />
der Kriegsgräberfürsorge im militärischen<br />
und zivilen Bereich eine stärkere<br />
Rol le als je zuvor. Grundsätzlich will man<br />
alle Gefallenen bestatten und ihre Gräber<br />
erhalten. <strong>Das</strong> war bis dahin, auch noch im<br />
deutsch-französischen Krieg 1870/71,<br />
durchaus nicht selbstverständlich. Erstmals<br />
gibt es eine Kriegsgräberfürsorge der<br />
deutschen Heeresverwaltung, deren Aufgabe<br />
in einer zeitgenössischen Schrift so<br />
beschrieben ist: „Bald nach Beginn des<br />
Krieges erkannte deshalb die Heeresverwaltung,<br />
dass es zur dauernden und<br />
würdigen Erhaltung der Gräber einer<br />
planmäßigen Nacharbeit bedarf.“ Eine<br />
besondere Stelle wird im preußischen<br />
Kriegsministerium eingerichtet. Ihre<br />
Aufgaben:<br />
- Aufsuchen und Feststellen der Gräber,<br />
- ihre Festlegung in Verzeichnissen,<br />
- die Erforschung der Namen von<br />
Unbekannten,<br />
- die Erhaltung der Gräber durch feste<br />
Gestaltung und Umwehrung und dazu<br />
vielfach vorherige Verlegung,<br />
- ihre würdige Ausschmückung und<br />
Ausstattung mit dauerhaften<br />
Grabzeichen,<br />
- ihre fotografische Aufnahme.<br />
Am 17./18. März 1916 werden Ver treter<br />
aller in Betracht kommenden Behörden<br />
zu einer gemeinsamen Besprechung<br />
nach Berlin berufen. Mitten im Krieg wird<br />
auch ein Abkommen mit Österreich-Ungarn<br />
getroffen, wonach „die Fürsorge für<br />
die Gräber gleich, ob eigene, verbündete<br />
oder feindliche Heeresangehörige in Fra -<br />
ge kommen, von dem Staat übernommen<br />
wird, in dessen Verwaltungsgebiet die<br />
Gräber liegen.“ Ähnliches wird mit Bulgarien<br />
vereinbart. Und schließlich heißt es<br />
im Jahre 1917: „Mit den feindlichen Regie-<br />
7
Die Siegesgewissheit der ersten<br />
Kriegs tage weicht bald der<br />
Ernüchterung im Stellungskrieg:<br />
Bilder von den Schlachten an der<br />
Somme und in Flandern. Besonders<br />
gefürchtet sind die Giftgasangriffe.<br />
8<br />
rungen sind Verhandlungen eingeleitet,<br />
damit den Gräbern deutscher Krieger in<br />
Feindesland die gleiche Fürsorge zuteil<br />
wird, wie die deutsche Heeresverwaltung<br />
sie unterschiedslos auch den Gräbern der<br />
feindlichen Krieger widmet, nicht nur den<br />
Ge fallenen auf den Schlachtfeldern, sondern<br />
auch den in der Kriegsgefangenschaft<br />
Verstorbenen.“<br />
Am 28. Februar 1917 finden diese<br />
Grundsätze Eingang in eine sogenannte<br />
Allerhöchste Kabinetts-Order. Hervorzuheben<br />
ist einerseits, dass danach weder<br />
Unterschiede nach Dienstgraden oder<br />
-rängen der Toten gemacht werden sollen,<br />
noch nach deren Zugehörigkeit zur deutschen,<br />
zu einer verbündeten oder einer<br />
gegnerischen Armee. Andererseits durchzieht<br />
der Grundsatz der solda tischen<br />
Schlichtheit sämtliche Festle gun gen. Über<br />
den Wandel in Bezug auf die Einstellung<br />
zu den Kriegsgräbern in der Geschichte<br />
heißt es in einem Aufsatz des Jahres 1917:<br />
„Die Art, wie wir unsere Krie ger beigesetzt<br />
wissen möchten, kann gar nicht<br />
streng, schlicht und in gewissem Sinne<br />
kunstlos genug sein; von allen persönlich<br />
allzu auszeichnenden Formen der Helden -<br />
verehrung möchten wir angesichts der<br />
überwältigenden sozialen Tatsache des<br />
Volksheeres und des Massen todes absehen.“<br />
Bemerkenswert ist auch die Ablehnung<br />
eines jeden „Monumenta lismus.“<br />
Auf der zivilen Seite gibt es im Jahre<br />
1917 überall Beratungsstellen für Kriegerehrungen,<br />
in Preußen mit einer beachtlichen<br />
Organisation. Auch in Bayern wird<br />
eine Beratungsstelle, dort schlicht „für<br />
Kriegsgräber”, eingerichtet, in Sachsen<br />
bleibt man bei der Bezeichnung „Landesberatungsstelle<br />
für Krieger ehrung.“ Eine<br />
Zusammenstellung der Publikationen allein<br />
dieser Landesstelle ist eindrucksvoll.<br />
Am 9. November 1918 wird der Waffenstillstand<br />
geschlossen. Der Kaiser<br />
dankt ab und geht ins Exil. <strong>Das</strong> geschlagene<br />
deutsche Heer kehrt – ganz anders<br />
als nach 1945 – in relativ guter militärischer<br />
Ord nung in eine im wesentlichen<br />
unzerstörte Heimat zurück. Aber die Verluste<br />
sind ungeheuer: über zwei Millionen<br />
Tote und Vermisste allein auf deu t sch er<br />
Seite, zusammen mit den Verlusten der<br />
anderen Staaten über zehn Millionen<br />
Menschen! Viele Überlebende kehren mit<br />
schwer en Schäden an Leib und Seele aus<br />
dem Trommelfeuer zu rück, aus den Schü tzengräben,<br />
aus den vom Krieg verwüsteten<br />
Ländern. In der Heimat herrschen<br />
inzwischen gro ße Not und tiefe Verzweiflung,<br />
die Hunger blockade der Alliierten<br />
wirkt fort und der Staatsbankrott, der<br />
1923 in der Infla tion gipfelt, wirft seine<br />
langen Schatten voraus. ■<br />
Gesichter des Krieges.<br />
Der Erste Weltkrieg fordert<br />
zehn Millionen Todesopfer.<br />
Wie viele Menschen jedoch mit<br />
körperlichen und seelischen<br />
Schäden nach dem Krieg weiter -<br />
leben, ist in keiner Statistik erfasst.<br />
9
Trotz der Schrecken des Krieges ist<br />
Menschlichkeit noch möglich –<br />
deutsche und britische Verwundete<br />
werden versorgt (Pozières, 1916).<br />
Der Stellungskrieg verwandelt<br />
große Teile Nordfrankreichs und<br />
Flanderns in Trümmerwüsten.<br />
Oktober 1918: <strong>Deutsche</strong> Kriegs -<br />
gefangene in Abbéville – für sie ist<br />
der Krieg vorbei (Foto auf Seite 10).<br />
11
12<br />
St. Quentin/Nordfrankreich 1917:<br />
Noch während des Krieges wird der<br />
Soldatenfriedhof von der deutschen<br />
Armee angelegt. Kaiser Wilhelm II.<br />
kommt zur Einweihung.<br />
Mit dem Frieden von Brest-Litowsk<br />
scheidet Russland im Frühjahr 1918<br />
endgültig aus dem Krieg aus.<br />
Die deutschen Kriegsgefangenen<br />
werden entlassen.<br />
13
1919<br />
14<br />
<strong>Das</strong> Jahr 1919 beginnt in Deutschland,<br />
wie das letzte Kriegsjahr geendet<br />
hat: blutig und politisch turbulent.<br />
Noch bevor die Verhandlungen über den<br />
kommenden Frieden oder eine neue de mokratische<br />
Verfassung Deutschlands auch<br />
nur begonnen haben, herrschen Ge walt,<br />
Umsturzversuche, Revolten und Mord.<br />
Allein im März 1919 gibt es in Ber lin<br />
1 200 Tote. ❑ Man muss sich diesen Hintergrund<br />
bewusst machen, wenn man das<br />
erste Jahr der Republik, das auch zugleich<br />
zum Gründungsjahr des <strong>Volksbund</strong>es wer -<br />
den soll, beurteilen will: Am 15. Janu ar<br />
werden in Berlin Rosa Luxemburg und<br />
Karl Liebknecht von radikalen Offizieren<br />
ermordet. Der Januar-Aufstand der revolutionären<br />
Spartakisten (Kommunisten,<br />
Spartakusbund) wird von der Reichswehr<br />
unter Führung des Sozial demokraten Gustav<br />
Noske niedergeschlagen. Der bayerische<br />
Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD)<br />
wird am 21. Febru ar in München nach seiner<br />
Nieder lage bei den Wahlen auf dem<br />
Weg zum Landtag von dem Leutnant<br />
Graf von Arco-Valley erschossen. Eisner<br />
wollte seinen Rücktritt erklären. Nachfolger<br />
wird am 28. März der Sozialdemokrat<br />
Hoffmann. Er muss aber bereits nach drei<br />
Wochen mit seiner Regierung vor den<br />
Kommunisten nach Nürnberg, dann nach<br />
Bamberg fliehen. Diese rufen die Räte republik<br />
in Bayern aus, München wird von<br />
einer Roten Armee beherrscht. Erst am<br />
1. und 2. Mai wird es von Regierungstruppen<br />
besetzt. ❑ Dies sind nur einige<br />
Schlaglichter, die den Hintergrund erhellen,<br />
vor dem am 18. Januar die Friedenskonferenz<br />
von Versailles beginnt – ohne<br />
Deutschland! ❑ Am 19. Januar wählt das<br />
deutsche Volk seine erste Nationalversammlung,<br />
um der Re publik eine demokratische<br />
Ver fassung zu geben. <strong>Das</strong> Ergeb<br />
nis ist verblüffend: Von 36,3 Millionen<br />
Wahlberechtigten beteiligen sich 83 Prozent<br />
an der Wahl. Und dies, obwohl die<br />
Kommunisten zum Boykott aufgerufen<br />
haben. Die Träger dieser Republik – So -<br />
zialdemokraten, Zentrum und <strong>Deutsche</strong><br />
Demokraten – erhalten zusammen 76 Pro -<br />
zent. Dies ist eine klare Absage sowohl an<br />
eine Räterepublik als auch an die Wiedereinführung<br />
der Monar chie. ❑ Am 11. Februar<br />
wird Friedrich Ebert (SPD) Reichs -<br />
präsident. Die Weimarer Verfassung wird<br />
am 13. August verabschiedet. Nun geht<br />
in Deutschland zum erst en Mal „alle<br />
Staats gewalt vom Volke aus.“ <strong>Das</strong> Koalitionsrecht<br />
wird verfas sungsrechtlich verbürgt.<br />
Schwarz-Rot-Gold wird Reichsflagge.<br />
❑ Die Sieger mächte erzwingen<br />
einen Friedens ver trag, der diesen Namen<br />
nicht verdient und der nicht geeignet ist,<br />
Hoffnung auf eine bessere Zukunft kei-<br />
men zu lassen. So treffend das Wort des<br />
britschen Pre mierministers Lloyd George<br />
ist, 1914 seien „die Völker in den Weltkrieg<br />
hineingeschlittert,“ so wenig weise<br />
ist der Vertrag von Versailles. Eine große<br />
Chance zu einer stabilen und gerechten<br />
Friedensordnung, wie sie dem amerika nischen<br />
Präsidenten Wilson vorschwebt<br />
und nach der sich wohl alle Völker sehnen,<br />
wird vertan. In Deutschland jedoch<br />
wirkt sich dieser Vertrag und die Art sei -<br />
nes Zustandekommens ver he erend aus:<br />
politisch, wirtschaftlich und moralisch.<br />
Da ist die von den Siegern erzwungene,<br />
historisch unhaltbare Anerkennung der<br />
Alleinschuld Deutschlands am Krieg (Artikel<br />
231 Versailler Vertrag), durch gesetzt<br />
als Rechtfertigung für 1919 noch unbezifferbare<br />
Reparationen. In Deutsch land<br />
wird er in erster Linie als moralische Diffamierung<br />
empfunden. Und die Ge biets -<br />
abtre tungen tragen erkennbar den Keim<br />
künf tiger Konflikte (Lloyd George) in<br />
sich. Noch schlimmer ist, dass sich keine<br />
zukunftsweisende neue Friedensordnung<br />
abzeichnet, für die es gelohnt hätte, positiv<br />
einzutreten – trotz des Völkerbundes.<br />
Damit wird die spätere, unglückliche Ent -<br />
wicklung in Europa ein ge leitet. Zugleich<br />
aber liegt hier eine der wichtigsten Ursachen<br />
für die innere Entwicklung in<br />
Deutsch land, die den Feinden der Demokratie<br />
und der Republik immer mehr<br />
Trümpfe in die Hände spielt. ❑ Truppen<br />
der Siegermächte besetzen am 1. Dezember<br />
Saarbrücken, das Rheinland und die<br />
Pfalz. ❑ In Weimar gründet der Architekt<br />
Walter Gropius das Bauhaus, Richard<br />
Dehmel veröffentlicht ein Jahr vor seinem<br />
Tod sein Kriegstagebuch „Zwischen Volk<br />
und Menschheit”, Heinrich Mann „Macht<br />
und Menschen,“ Max Reinhardt eröffnet<br />
in Berlin das umgebaute Schauspielhaus. ■<br />
Die gesellschaftliche Ordnung des<br />
Kaiserreiches bricht zusammen.<br />
Der Vertrag von Versailles mit<br />
seinen harten Bedingungen gibt den<br />
rechten Kräften Auftrieb (unten: Unterzeichnung<br />
im Schloss von Versailles,<br />
rechts: die deutsche Delegation).<br />
Der Kaiser hat abgedankt.<br />
Der Sozialdemokrat Philipp Scheide -<br />
mann ruft in Berlin am 9. November<br />
1918 die Republik aus (das Bild<br />
unten zeigt ihn bei einer Kundgebung<br />
gegen den Versailler Vertrag).<br />
15
16<br />
Am 10. September beschließen acht<br />
Männer in Berlin die Gründung ei -<br />
ner deutschen Kriegsgräberfürsorge. Je -<br />
der zahlt 100 Mark ein. Unter ihnen sind<br />
der Architekt Heinrich Straumer, der bereits<br />
gegen Ende des Krieges in der Gräberfürsorge<br />
tätig gewesen ist, und Siegfried<br />
Emmo Eulen, der während des Krieges<br />
nach Polen und in die Türkei entsandt<br />
war, um dort Friedhöfe zu bauen<br />
und die Kriegs gräber fürsorge zu organisieren.<br />
Dem vor bereitenden Gründungs-<br />
kongress am 26. November liegt als Arbeitsunterlage<br />
die Broschüre <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge vor. ❑ Am 16. Dezember<br />
wird der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfür sorge e. V. gegründet.<br />
Erster Präsident ist Oberst a. D. Joseph<br />
Koeth (bis 1923). Am 23. August hat Eu -<br />
len den Entwurf für die Statuten einer Internationalen<br />
Kriegsgräberfürsorge verfasst.<br />
Als ihr Sitz ist Genf vorgesehen, um<br />
eine enge Zusammenarbeit mit dem Völkerbund<br />
zu ermöglichen. Diese Pläne<br />
werden nicht verwirklicht. ❑ Die Reichsregierung<br />
ist weder politisch noch wirtschaftlich<br />
in der Lage, sich um die Gräber<br />
der Gefallenen jenseits der Reichsgrenzen<br />
zu kümmern. Sie müssen zunächst ihrem<br />
Schicksal überlassen blei ben. Heimkehrende<br />
Soldaten, Hinter blie bene der Opfer<br />
und andere Bürger suchen nach Wegen,<br />
um diesen von der Mehrheit als unerträglich<br />
empfundenen Zustand zu ändern. In<br />
Sorge um die Kriegsgräber im Ausland<br />
haben sich in Deutschland be reits einige<br />
Organisationen gebildet, die sich um<br />
Grabpflege und Erteilung von Auskünften<br />
an Angehörige bemühen wol len. So<br />
gibt es in Bayern seit dem 14. September<br />
den <strong>Deutsche</strong>n Kriegs gräber-Schutzbund,<br />
in Braunschweig den Verein zur Erforschung<br />
und Erhaltung <strong>Deutsche</strong>r Kriegsgräber<br />
e. V., in Salz wedel die <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräber- Interessenten-Vereinigung<br />
und in Hagen (Westfalen) den Bund Heimatdank.<br />
Der <strong>Volksbund</strong>, aus der Not geboren,<br />
nimmt seinen Anfang. Im heutigen<br />
Sprachgebrauch wür den wir ihn eine<br />
Bürger initiative nennen. ■<br />
Am 10. Januar tritt der Vertrag von<br />
Versailles in Kraft. ❑ Am 1. Februar<br />
wird Danzig von den Engländern besetzt.<br />
❑ Am 10. Februar stimmt Nord-Schleswig<br />
ab: Hadersleben, Apenrade, Tondern<br />
und die Insel Alsen fallen an Dänemark.<br />
❑ Am 13. März versuchen Reichswehr -<br />
offiziere, der Nationalist Wolfgang Kapp<br />
– ein ehemaliger politischer Beamter –<br />
und einige rechtsradikale Politiker eine<br />
„Gegenrevolution“ gegen die demokratische<br />
Republik: Kapp marschiert mit Ge -<br />
neral von Lüttwitz an der Spitze eines<br />
sogenannten Freikorps, der Brigade Ehr -<br />
hardt, in Berlin ein, um die Regierung mit<br />
Waffengewalt zu stürzen. Die Reichswehr<br />
versagt der Regierung ihre Hilfe. Der<br />
Chef der Heeresleitung, der loyale General<br />
Reinhardt, setzt sich vergeblich für<br />
den Truppeneinsatz gegen die Putschisten<br />
ein. Mit dem Ausspruch „Reichs -<br />
wehr schießt nicht auf Reichswehr“ ver -<br />
hindert der Chef des Truppenamtes, General<br />
von Seeckt, regie rungstreues Verhalten<br />
der Truppe. Dennoch bricht der<br />
Putsch nach wenigen Tagen zusammen:<br />
Die Gewerkschaften retten die Republik<br />
durch einen Generalstreik, die Beamtenschaft<br />
hilft, indem sie jede Zusammenarbeit<br />
mit den Hochverrätern verweigert.<br />
Wenig später stürzt die Regierung Bauer.<br />
Der Reichskanzler und Reichswehr minister<br />
Noske müssen gehen; General Reinhardt<br />
nimmt – angewidert von der Wei -<br />
gerung der Reichswehr, der Regierung<br />
die schuldige Hilfe zu leisten – den Abschied.<br />
Sein Nachfolger als Chef der Heeresleitung<br />
wird der für diese Illoyalität<br />
Hauptverantwortliche: General von<br />
Seeckt. Im Ruhrgebiet entsteht eine Rote<br />
Armee von ca. 50 000 Mann. Sie besetzt<br />
vom 15. März bis 10. Mai Düsseldorf,<br />
Remscheid, Duisburg und Mühlheim.<br />
Der Aufstand wird von der Reichswehr<br />
niedergeschlagen. ❑ Durch die Volksabstimmung<br />
am 11. Juli in Ost- und Westpreußen<br />
verbleiben Allenstein und Ma -<br />
rienwerder bei Deutschland. ❑ Am 16. De -<br />
zember setzen die Siegermächte die deutsche<br />
Gesamtschuld auf 269 Mil liarden<br />
Goldmark fest: Deutschland soll bis Ende<br />
1962 jährlich 6,4 Milliarden zahlen. ❑ Der<br />
Reichstag verabschiedet das erste Betriebs -<br />
rätegesetz – eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer<br />
ist noch nicht enthalten. Bei<br />
Demonstrationen dagegen gibt es in Berlin<br />
42 Tote. ❑ Es erscheinen die ersten bei -<br />
den Kriegsbücher namhafter Schrift stel ler:<br />
in Frankreich „Paroles d’un combattant“<br />
von Henri Barbusse, in Deutschland „In<br />
Stahlgewittern“ von Ernst Jünger. Von<br />
Thomas Mann erscheint das <strong>Buch</strong> „Herr<br />
und Hund,“ von Kurt Tucholsky „Träumereien<br />
an preußischen Kaminen“ – anti-<br />
nationalistische Sa tiren. Karl Binding und<br />
Alfred Hoche veröffentlichen ihr <strong>Buch</strong><br />
„Die Freigabe der Vernichtung lebens un -<br />
werten Lebens.“ ■<br />
1920<br />
Die Unruhen halten an: Kapp-Putsch<br />
in Berlin. Bewaffnete patrouillieren in<br />
den Straßen.<br />
Truppen der Alliierten besetzen<br />
während des Aufstandes am 6. April<br />
den Maingau: Frankfurt (Bild unten),<br />
Homburg, Hanau und Darmstadt.<br />
17
Viele Kriegsgräberstätten im ehe -<br />
maligen Frontgebiet sind durch die<br />
Kämpfe völlig verwüstet. Die Bilder<br />
unten zeigen den gleichen Friedhof<br />
in den Jahren 1917 und 1918.<br />
18<br />
Der <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber-Schutzbund,<br />
München, gliedert sich am<br />
5. März als bayerischer Landesverband in<br />
den <strong>Volksbund</strong> ein. Diesem Beispiel folgt<br />
u. a. der Braunschweiger Verein zur Erforschung<br />
und Erhaltung deutscher Kriegs -<br />
gräber. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hält am <strong>22</strong>. November<br />
in Berlin seinen ersten Vertretertag<br />
ab. Bereits zum Jahres ende liegen<br />
zahlreiche Berichte über den Zustand von<br />
Friedhöfen vor, geliefert von ehemaligen<br />
Soldaten: 430 aus Frankreich, 74 aus Bel-<br />
gien, vier aus Italien, drei aus Polen,<br />
sechs aus Jugo slawien, fünf aus Rumänien.<br />
In den Berichten heißt es: „guter<br />
Zustand,“ „gepflegt,“ „verunkrautet,“<br />
„verwahrlost,“ „bei den Kampfhandlungen<br />
der letzten Monate stark oder vollkommen<br />
zerstört,“ „von deutschen<br />
Kriegs gefan genen hergerichtet,“ „nach<br />
Abreise der Kriegs gefangenen verwahrlost.“<br />
Bei einzelnen Friedhofsorten ist<br />
vermerkt: „Einwohner des Ortes sind<br />
noch nicht zurückgekehrt.“ Von „Grabschändungen“<br />
ist allerdings – entgegen<br />
späteren Behaup tungen – nicht die Rede. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> in Ham burg wird<br />
von Frauen gegründet:<br />
Amanda Fera, Dr. Almuth Hartmann<br />
und Thekla Haerlin (von links).<br />
92 Persönlichkeiten des öffentlichen<br />
Lebens unterzeichnen den Aufruf<br />
zur Gründung, darunter Persönlichkeiten,<br />
deren Namen noch heute ein<br />
Begriff sind:<br />
Dr. Konrad Adenauer, Dr. Richard<br />
Dehmel, Bischof D. Dr. Otto Dibelius,<br />
Dr. Michael von Faulhaber, Gerhart<br />
Hauptmann, Paul von Hindenburg,<br />
Prof. Dr. Max Liebermann, Franz<br />
von Mendelssohn, Max Pechstein,<br />
Dr. Walther Rathenau.<br />
19
1921<br />
20<br />
Matthias Erzberger<br />
(1875 – 1921)<br />
In den schraffierten Landesteilen<br />
gibt es bereits Verbände des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. Rechts die erste Ausgabe<br />
der Mitglieder zeitschrift.<br />
In der Zeit vom 8. März bis 6. April<br />
besetzen die Siegermächte Düsseldorf,<br />
Duisburg, Ruhrort, Mühlheim und<br />
Oberhausen. ❑ Die Unruhen dauern an.<br />
In Thüringen und Sachsen tobt im März<br />
ein kommunistischer Aufruhr. Betroffen<br />
sind vor allem Merseburg, Eisleben,<br />
Sanger hausen, Halle und Leipzig. Auch<br />
in Ham burg herrscht Aufruhr. ❑ Am<br />
27. April werden die Reparationen auf<br />
132 Milliarden Goldmark ermäßigt.<br />
❑ Am 29. Juli wird Adolf Hitler Vorsitzender<br />
der Nationalsozialistischen <strong>Deutsche</strong>n<br />
Arbeiterpartei (NSDAP). ❑ Der<br />
ehemalige Reichsfinanzminister Matthias<br />
Erzberger (Zentrum) fällt am 26. August<br />
einem Attentat von Rechtsradikalen zum<br />
Opfer. Die Mörder gehören der berüchtigten<br />
„Organisation Consul“ an, die dem<br />
aus dem Kapp-Putsch bekannten Kapitän<br />
Ehrhardt untersteht. Nach der Tat erhalten<br />
sie falsche Pässe, die ihnen der nationalsozialistische<br />
Polizeipräsident Pöhner<br />
verschafft. Sie entkommen nach Ungarn<br />
und kehren kurz vor der Übernahme der<br />
Macht durch die Nationalsozialisten nach<br />
Deutschland zurück. ■<br />
Ende Februar erscheint die erste<br />
Aus gabe der Zeitschrift „Kriegsgräberfürsorge.“<br />
Zu diesem Zeitpunkt können<br />
von 14 Friedhöfen Grabfotos be -<br />
schafft werden. Grabschmuckwünsche<br />
werden im April für 33 Friedhöfe in Frankreich<br />
und Belgien, im September bereits<br />
für 90 Fried höfe in sieben Ländern aus geführt.<br />
❑ Der Antrag des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />
Einführung eines Nationaltrauertages,<br />
der vom Landesverband Bayern angeregt<br />
worden ist, wird vom Reichsrat zurückge<br />
stellt. ❑ Am 9. Mai bezeichnet das<br />
Reichs innenministerium den <strong>Volksbund</strong><br />
„als einzige von den beteiligten Reichsund<br />
Staatsbehörden für das Gebiet der<br />
Kriegs gräberfürsorge anerkannte Organisation.“<br />
❑ Aus der Bundestagung (Vertretertag)<br />
vom 28. und 29. Mai in Nürnberg:<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat neben Länderzentralen<br />
300 Ortsgruppen und 30 000 Mitglieder.<br />
❑ Der Reichsverkehrsminister lehnt<br />
die Eingabe des Bundesvorstandes auf<br />
Fahrpreisermäßigung für Angehörige, die<br />
die Gräber ihrer Gefallenen besuchen<br />
wollen, ab. ■<br />
Der Abschluss des deutsch-sowje -<br />
tischen Vertrages von Rapallo am<br />
17. April bedeutet einen großen politischen<br />
Erfolg von Reichsaußenminister<br />
Walther Rathenau. Wichtigster Passus:<br />
„Alle Ansprüche aus der Zeit des Krieges<br />
sind hiermit erledigt.“ ❑ Ende Mai leben<br />
in Deutschland eine Million Flüchtlinge<br />
aus dem Ausland und den ehemaligen<br />
Kolonien, aus Elsass-Lothringen, Westpreußen,<br />
Posen, Oberschlesien, aus Russland<br />
und dem Baltikum, Juden aus Ost -<br />
europa sowie im Ausland interniert gewesene<br />
<strong>Deutsche</strong>. ❑ Am 24. Juni wird<br />
Rathenau, einer der begabtesten Staatsmän<br />
ner der Republik, von rechtsradikalen<br />
Mördern aus der „Organisation Con -<br />
sul“ umgebracht. Die Erregung ist ungeheuer.<br />
Im Reichstag kommt es zu Schlägereien.<br />
Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum)<br />
zeigt auf die Hintermänner im Parlament<br />
und spricht seinen berühmt gewordenen<br />
Satz: „Da steht der Feind! Und<br />
dieser Feind steht rechts!“ ❑ Der Reichspräsident<br />
erlässt eine Verordnung zum<br />
<strong>Das</strong> Denkmal für sieben streikende Arbeiter,<br />
die von Putschisten während des<br />
Kapp-Putsches in Weimar erschossen<br />
wurden, wird am 1. Mai enthüllt. Der<br />
Entwurf stammt von Walter Gropius,<br />
dem Gründer des Bauhauses.<br />
Schutze der Republik. Einer der Mörder<br />
Rathenaus wird beim Versuch der Festnahme<br />
von der Polizei erschossen. Der<br />
andere begeht Selbstmord. Hitler lässt<br />
den beiden später ein Denkmal setzen! ❑<br />
Im selben Jahr werden von rechtsradikaler<br />
Seite Atten tate auf den ehema ligen<br />
Reichskanzler Philipp Scheidemann so -<br />
wie auf den bekannten Publizisten Maximilian<br />
Harden verübt. Beide kommen mit<br />
dem Leben davon. ❑ Oswald Spengler<br />
veröffentlicht Band II seines <strong>Buch</strong>es „Der<br />
Untergang des Abend landes“ (Band I ist<br />
1918 erschienen). ❑ <strong>Das</strong> Deutschlandlied<br />
wird durch Verordnung des Reichspräsidenten<br />
Nationalhymne. ■<br />
Der zunehmende Währungsverfall begünstigt<br />
den „Schwarzmarkt“: hier z. B.<br />
Straßenhandel mit Hemdkragen.<br />
19<strong>22</strong><br />
Dr. Walther Rathenau<br />
(1867 – 1921)<br />
21
<strong>22</strong><br />
Paul Löbe<br />
(1875 – 1967)<br />
Aus der Ansprache zum Volkstrauertag<br />
im Plenarsaal des Reichstags:<br />
„Noch sind die Wunden des Krieges<br />
nicht vernarbt. Eines aber liegt hinter<br />
uns, das Massen sterben durch<br />
körperliche Gewalt. Eines kann uns<br />
niemand verwehren, die Ehrung<br />
derjenigen, die in der Schlacht<br />
gefällt wurden, die nach langer<br />
Qual der Tod erlöste ....“<br />
Anfang Januar kostet den <strong>Volksbund</strong><br />
eine Auskunft aus fremden Ländern<br />
ca. 16 Mark Porto, das Juli-Heft der Zeitschrift<br />
12,15 Mark; ein französischer Franc<br />
ist zu diesem Zeitpunkt 111 Mark wert.<br />
Die Erfüllung von Angehörigenwünschen<br />
ist dadurch wesentlich erschwert. <strong>Das</strong><br />
November- und Dezember heft erscheinen<br />
nicht. ❑ Städte, Körperschaften, Vereinigungen,<br />
Firmen und auch Einzelpersonen<br />
werden um Übernahme der Betriebskos -<br />
ten für jeweils einen Tag gebeten (sog. Patronat),<br />
um die Weiterarbeit sicherzustel -<br />
len. In dem Aufruf heißt es: „In dieser<br />
Notlage hat der <strong>Volksbund</strong> beschlossen,<br />
den Schutz der deutschen Kriegsgräber<br />
durch Werbung von Patronaten zu mindestens<br />
10 000 Mark zu sichern. Die In haber<br />
der Patronate werden auf allen Schreiben<br />
des betreffenden Tages bekannt gegeben<br />
....“ In ähnlicher Weise wird versucht,<br />
durch Patenschaften die Pflege einzelner<br />
Friedhöfe im Ausland zu gewährleisten.<br />
❑ Die Frankfurter Opferwoche für die Erhaltung<br />
unserer fernen Gräber vom 5. bis<br />
12. März erbringt 284 525,35 Reichsmark.<br />
❑ Zum Volkstrauertag am 5. März im<br />
Berliner Reichstag hält Reichtagspräsident<br />
Paul Löbe die Gedenkrede. Zitat:<br />
„Leiden zu lindern, Wunden zu heilen,<br />
aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen,<br />
bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet<br />
Hinkehr zur Liebe, und unsere<br />
Welt hat die Liebe Not: wo rauer Materialismus<br />
immer weitere Kreise zieht, wo<br />
Reichtum und Gewinn oft mehr gilt als<br />
Würde und Arbeit, da ist es zur Einkehr<br />
Zeit, und wo könnten wir die Selbstbesinnung<br />
eher finden als im Gedanken an ge -<br />
meinsamen Verlust.“ ❑ Bis Ende April<br />
hat der <strong>Volksbund</strong> insgesamt 10 000 Anfragen,<br />
Auskünfte und Zwischenbeschei -<br />
de, davon 1 600 in sieben Fremd spra chen,<br />
ins Ausland versandt. 20 000 Anfragen<br />
nach Gräbern liegen vor. ❑ Die Bi lanz auf<br />
der dritten Bundestagung (Vertretertag)<br />
in Leipzig am 29. und 30. April lautet: Der<br />
<strong>Volksbund</strong> hat 31 Verbände, 530 Ortsgruppen.<br />
❑ Ein außer ordentlicher Vertretertag<br />
wählt Pfarrer Fritz Siems zum Präsidenten.<br />
Siegfried Emmo Eulen führt als Generalsekretär<br />
mit Sitz im Vorstand die Ge -<br />
schäfte. ❑ Der Sonntag Invocavit (sechs -<br />
ter Sonntag vor Ostern) wird als Volkstrauertag<br />
vorgeschlagen. ■<br />
Friedrich Ebert<br />
(1871 – 1925)<br />
Er hat im Krieg zwei<br />
Söhne verloren und<br />
gehört zu den be son -<br />
deren Förderern des<br />
<strong>Volksbund</strong>es.<br />
Am 10. Januar besetzen die Litauer<br />
das Memelland, einen Tag später die<br />
Franzosen das Ruhrgebiet. Die Engländer<br />
distanzieren sich von dem einseitigen Vorgehen<br />
Frankreichs und lassen durch ihre<br />
Kronjuristen die Völkerrechtswidrigkeit<br />
der Ruhrbesetzung feststellen. Die Reichsregierung<br />
(Wilhelm Cuno, parteilos) beginnt<br />
den aussichtslosen Ruhrkampf. Sie<br />
ruft zum passiven Wider stand auf. Am<br />
12. August wird der Kampf als totaler<br />
Miss erfolg abgebrochen. Die Spätfolgen<br />
des Krieges und dieser Ruhrkampf führen<br />
zum Staatsban krott. ❑ Die Inflation<br />
in Deutschland erreicht ihren Höhepunkt:<br />
1 Dollar = 4,2 Billionen Papiermark. ❑<br />
Gustav Stresemann (<strong>Deutsche</strong> Volkspartei)<br />
wird Reichskanzler an der Spitze ei -<br />
ner großen Koalition aus Zentrum, So zial -<br />
demokraten, <strong>Deutsche</strong>r Demokratischer<br />
Partei und <strong>Deutsche</strong>r Volkspartei. ❑ Am<br />
16. Oktober fällt die Entscheidung zur Errichtung<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Rentenbank. Die<br />
neue deutsche Währung, die Rentenmark,<br />
wird stabilisiert – ein verheißungsvoller<br />
Auf takt einer neuen wirtschaftli chen Entwicklung.<br />
Jedoch: Am 2. November verlassen<br />
die Sozialdemokraten die Regie -<br />
rung, Stresemann wird nach 100 Tagen<br />
Amtszeit gestürzt. Reichspräsident Ebert<br />
zu seinen Parteifreunden: „Was euch ver -<br />
an lasst, den Kanzler zu stürzen, ist in<br />
sechs Wochen vergessen, aber die Folgen<br />
eurer Dummheit werdet ihr noch in zehn<br />
Jahren spüren.“ ❑ Die KPD plant auf Weisung<br />
der sowjetischen Parteiführung eine<br />
Neuauflage der russischen Oktoberrevolution<br />
in Deutschland. ❑ In München<br />
putschen Ludendorff und Hitler. An der<br />
Feldherrnhalle kommt es zu einem Blutbad.<br />
Beide werden in Haft genommen.<br />
❑ NSDAP und KPD werden verboten.<br />
❑ Heinrich Mann veröffentlicht seine Betrachtung<br />
„Die Diktatur der Vernunft,“<br />
Thomas Mann sowohl die „Bekenntnisse<br />
des Hochstaplers Felix Krull“ als auch<br />
seine Rede „Von deutscher Republik.“ ■<br />
<strong>Das</strong> Märzheft der „Kriegsgräberfürsorge“<br />
kostet 400 Mark, das Aprilheft<br />
500 Mark pro Exemplar bei nur vier<br />
Seiten Umfang. ❑ Auf dem Vertretertag<br />
in Münster/Westfalen am 6. Mai wird berichtet:<br />
„Die guten Erfolge der Werbung<br />
von Patronaten für den Schutz der deutschen<br />
Kriegergräber trugen wesentlich<br />
dazu bei, die Weiterführung der <strong>Volksbund</strong>arbeit<br />
zu ermöglichen. Die Erträge<br />
der Reichssammlung werden im Einvernehmen<br />
mit dem preußischen Staats kommissar<br />
für die Regelung der Wohlfahrts -<br />
pflege sowie mit den zuständigen Reichsbehörden<br />
verwendet. Sie fließen mindestens<br />
zur Hälfte der Grä berpflege, zur<br />
Hälfte den Bundeszwecken – Förderung<br />
der Kriegsgräberfürsorge und Unterstützung<br />
der Ange hörigen von Gefal lenen in<br />
allen Angelegenheiten der Kriegsgräberfürsorge<br />
– zu. <strong>Das</strong> Ergebnis der Sammlung<br />
beläuft sich bisher auf rund 30 Mil -<br />
lionen Mark.“ ■<br />
1923<br />
Gustav Stresemann<br />
(1878 – 1929))<br />
Die galoppierende Inflation<br />
betrifft alle Lebens bereiche.<br />
Lebensmittelmangel in der<br />
Wirtschaftskrise: Menschen menge<br />
vor der Frei bank des Berliner<br />
Schlachthofes.<br />
Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es kommt<br />
fast völlig zum Erliegen.<br />
23
1924<br />
Soldatenfriedhof Neuville-St. Vaast<br />
(44 833 Kriegs tote) – endlose<br />
Reihen mit Holzkreuzen.<br />
Vertretertag in Hamburg; fünfter von<br />
rechts: Präsident Fritz Siems, links<br />
neben ihm Dr. Poelchau, Vorsitzender<br />
des Landesverbandes Hamburg.<br />
24<br />
Am <strong>22</strong>. Februar wird das Reichsbanner<br />
Schwarz-Rot-Gold gegründet. Es<br />
ist eine Selbstschutzorganisation „republikanischer<br />
Kriegsteilnehmer“ aus SPD,<br />
DDP und Zentrum. ❑ Im gleichen Monat<br />
beginnt der Hochverratsprozess gegen<br />
Hitler wegen seines Münchner Putschversuches.<br />
Er wird lediglich zu fünf Jahren<br />
Festungshaft verurteilt und bereits im<br />
gleichen Jahr amnestiert. Wieder bleibt<br />
ein blutiger Hochverrat ungesühnt. ❑ Der<br />
Reichstag nimmt im August den Dawes-<br />
Plan an. Dieser regelt die deutschen Reparationen:<br />
Bis 1927 sind jährlich zwi -<br />
schen 1,2 und 1,75 Milliarden Goldmark<br />
zu zahlen, ab 1928 jährlich – ohne zeitliche<br />
Begrenzung – 2,5 Milliarden Goldmark.<br />
Deutschland erhält einen 800-Mil -<br />
lionen-Dollar-Kredit, um seine Währung<br />
zu stabilisieren, die Wirtschaft anzukurbeln<br />
und die Zahlungsfähigkeit des Reiches<br />
sicherzustellen. ❑ Thomas Mann<br />
veröffentlicht seinen großen Roman „Der<br />
Zauberberg.“ ■<br />
Die Zeitschrift „Kriegsgräberfürsor -<br />
ge,“ sieben Monate lang während<br />
des allgemeinen Niederganges nicht erschienen,<br />
kommt ab 1. April wieder heraus.<br />
Bei acht Seiten Umfang beträgt der<br />
Bezugspreis vierteljährlich 1,50 Mark. ❑<br />
Am Ende dieses Monats gibt es 34 Verbände<br />
und 649 Ortsgruppen. Beim Vertretertag<br />
am 16. und 17. Mai in Hamburg<br />
hat der <strong>Volksbund</strong> 58 590 Mitglieder. Die<br />
Versammlung appelliert erneut an die<br />
Reichs regierung, den Sonntag Invocavit<br />
als Volkstrauertag festzulegen. ❑ Am<br />
26. November beschließt der Vorstand,<br />
darauf hinzuwirken, dass der Volkstrauertag<br />
auch ohne gesetzliche Festlegung<br />
im ganzen Reich begangen wird. ❑ Im<br />
Laufe des Jahres wird bekannt, dass<br />
700 Fried höfe in Frankreich und Belgien<br />
aufgehoben worden sind. Große Sammelanlagen<br />
mit Massengräbern unbekannter<br />
Toter sind vor allem in Frankreich entstanden.<br />
Möglichkeiten zur Identifizierung<br />
der Gefallenen sind kaum noch<br />
vorhanden. ■<br />
Am 28. Februar stirbt Friedrich Ebert,<br />
der erste deutsche Reichspräsident.<br />
Zu seinem Nachfolger wird im April Paul<br />
von Hindenburg, der Generalfeldmarschall<br />
des Kaiserreiches, gewählt. Er ist<br />
78 Jahre alt. ❑ Im Februar gründet Hitler<br />
die NSDAP wieder. ❑ Am 1. Dezember<br />
wird, nach intensiver Vorarbeit zwischen<br />
dem französischen Außenminister Aristi -<br />
de Briand und dem deutschen Außenminister<br />
Gustav Stresemann, der Vertrag von<br />
Locarno unterzeichnet. Er bedeutet eine<br />
Garantie der Grenzen im Westen und ei -<br />
nen wichtigen Schritt auf eine europäische<br />
Friedensordnung hin. ❑ Die Räumung der<br />
besetzten Gebiete beginnt, ist jedoch erst<br />
1930 vollständig abgeschlossen. ❑ Der IG-<br />
Farben-Konzern wird gegründet. ❑ Werner<br />
Heisenberg entwickelt die Theorie der<br />
„quantenmechanischen Atom energie.“ ❑<br />
Emil Ludwig ver öffent licht die Biografien<br />
„Napoleon“ und „Wilhelm II.“ Aus dem<br />
Nachlass von Franz Kafka erscheint der<br />
Roman „Der Prozess.“ ■<br />
Die vom <strong>Volksbund</strong> mehrfach angeregte<br />
gesetzliche Festlegung eines<br />
Volkstrauertages ist durch den Erlass des<br />
Reichsministers des Inneren vom 19. Ja nu -<br />
ar nicht voll erreicht. Es wird nur empfohlen,<br />
für den Sonntag Invocavit im Verwal -<br />
tungsweg sicherzustellen, dass Lustbarkeiten<br />
an diesem Tage unterbleiben, halbmast<br />
geflaggt wird und die Gedenkfeiern<br />
des <strong>Volksbund</strong>es unterstützt werden. ❑<br />
Reichs kanzler Hans Luther und Außenminister<br />
Stresemann werden Mitglieder<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Zum Vertretertag am<br />
17./18. April in Karlsruhe hat der <strong>Volksbund</strong><br />
75 410 Mitglieder. 2 300 Briefe sind<br />
ins Ausland, 20 000 Briefe und Karten im<br />
Inland versandt worden. ❑ Am 6. Juli<br />
lehnt die Reichsbahn erneut einen Antrag<br />
auf Fahrpreisermäßigung für den Besuch<br />
von Kriegsgräbern ab. ❑ Am Totensonntag<br />
lässt der <strong>Volksbund</strong> auf 113 Soldatenfriedhöfen<br />
in Belgien und Frankreich Kränze<br />
niederlegen. ❑ Am Jahres ende ist der<br />
<strong>Volksbund</strong> in 39 Verbände und 871 Ortsgruppen<br />
gegliedert. ■<br />
1925<br />
Großes Foto unten:<br />
Gedenkfeier zum Volkstrauertag<br />
1925 im Plenarsaal des Reichstages.<br />
Sie arbeiten für die deutschfranzösische<br />
Versöhnung: Aristide<br />
Briand und Gustav Stresemann.<br />
25
1926<br />
Am 10. Februar wählt der<br />
<strong>Volksbund</strong> einen Kunstbeirat.<br />
Am 29. März entscheidet ein Ausschuss<br />
für die Annahme des von<br />
Prof. E. Böhm, Berlin, entworfenen<br />
Plakates und Signets. Im Kopf des<br />
Mai-Heftes der Zeitschrift „Kriegsgräberfürsorge“<br />
erscheinen zum ersten<br />
Male die fünf weißen Kreuze auf<br />
schwarzem Grund. Die Anregung zu<br />
diesem Zeichen gab das Vier-Grenadier-Grab<br />
in Grabowiec/Polen.<br />
26<br />
Briand und Stresemann erhalten den<br />
Friedensnobelpreis. ❑ Am 24. April<br />
schließen Deutschland und die Sowjetunion<br />
in Berlin einen Freundschafts- und<br />
Neutralitätsvertrag. ❑ Nach Ende der In -<br />
flation und mit dem Einströmen ameri ka -<br />
nischer Kredite bessern sich die wirt schaft-<br />
lichen Verhältnisse. ❑ Am 8. September<br />
wird Deutschland in den Völkerbund aufgenommen<br />
und erhält einen ständigen<br />
Ratssitz. ■<br />
Die letzten britischen und belgischen<br />
Truppen haben die Stadt verlassen.<br />
Am Festempfang in Köln nehmen<br />
Oberbürgermeister Dr. Konrad Ade -<br />
nauer, Reichs präsi dent Paul von Hindenburg<br />
und Erzbischof Schulte teil.<br />
Mit Zustimmung der drei großen<br />
Re ligions gemeinschaften wird der<br />
Volkstrauertag vom Sonntag Invocavit auf<br />
den Sonntag Reminiscere verlegt (fünfter<br />
Sonntag vor Ostern). ❑ Auf Initiative des<br />
späteren langjährigen Ge neralsekretärs<br />
Otto Margraf beginnt die Gemeindewerbung.<br />
Im April sind in der Provinz Hannover<br />
1 200 Landgemeinden Mitglied und<br />
zahlen einen Beitrag von einer Reichsmark<br />
für jeden ihrer Gefalle nen. ❑ Beim Vertretertag<br />
am 14./15. Mai in Düsseldorf hat<br />
der <strong>Volksbund</strong> 82 847 Mitglieder. ❑ Am<br />
1. Juni wird unter der Leitung von Siegfried<br />
Emmo Eulen und des Gartenarchitekten<br />
Robert Tischler in München ein<br />
Baubüro des <strong>Volksbund</strong>es, die spätere<br />
Bauleitung, eingerichtet. ❑ Eulen verabredet<br />
am 26. Juni in Paris mit der Leitung<br />
der franzö sischen Kriegsgräberfürsorge<br />
die Zusammenarbeit beider Verbände. ❑<br />
Zum Jahres ende hat der <strong>Volksbund</strong> 133<br />
Friedhöfe in 14 Ländern instand gesetzt.<br />
Für 200 Friedhöfe bestehen Patenschaften.<br />
3 014 Grabschmuck- und 1 278 Foto -<br />
wünsche sind erfüllt worden. 21 049 An -<br />
fragen gehen ein. ■<br />
Die politische und wirtschaftliche<br />
Situation festigt sich weiter. ❑ Am<br />
16. Juli wird eine Pflichtversicherung ge -<br />
gen Arbeitslosigkeit eingeführt. ❑ Im August<br />
wird der erste deutsch-franzö sische<br />
Handelsvertrag nach dem Krieg ab geschlossen.<br />
❑ Deutschland tritt im September<br />
dem Ständigen Internationalen<br />
Schiedsgerichtshof in Den Haag bei. ■<br />
Der Amerikaner Charles Lindbergh<br />
überquert als erster allein mit einem<br />
Flugzeug nonstop den Atlantik.<br />
<strong>Volksbund</strong>mitarbeiter infor mie ren sich<br />
über den Zustand der deutschen Kriegsgräber<br />
im Ausland.<br />
Am 11. April richtet der <strong>Volksbund</strong><br />
eine Verbindungsstelle beim Zentralnachweisamt<br />
für Kriegerverluste und<br />
Kriegergräber in Berlin ein. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
zählt im Mai 104 000 Mitglieder.<br />
❑ Der Vertretertag findet vom 26. bis<br />
28. Mai in München statt. ❑ Ab dem<br />
1. Juni kann der <strong>Volksbund</strong> zum Preis<br />
von je einer Reichsmark Grabfotos von<br />
215 Fried höfen in Frankreich und 59 in<br />
Bel gien liefern. Aus der Jahresbilanz<br />
1927: 24 605 Anfragen sind eingegangen,<br />
44 209 Auskünfte erteilt worden. ❑ Der<br />
<strong>Volksbund</strong> kann in Osteuropa bei der<br />
Instandsetzung von 310 Friedhöfen in<br />
13 Län dern mitwirken. Er gibt dafür<br />
276 600 Reichsmark aus. Unter anderem<br />
heißt es in den Berichten: „Der Kriegerfriedhof<br />
Hawrylki/Polen wird völlig neu<br />
ausgestaltet. Mit den Arbeiten hat man<br />
begonnen. Der Fried hof Holowo wurde<br />
auf unsere Kosten instand gesetzt und<br />
von Unkraut gesäubert. Unser Landesverband<br />
Bayern hat als Pate des Friedhofes<br />
Rosenau/Ru mänien (Siebenbürgen)<br />
10 000 Lei zur Errichtung ei nes Ehrenmals<br />
zur Verfügung gestellt.“ ■<br />
1927<br />
Reichskanzler a. D.<br />
Dr. Hans Luther<br />
(1879 – 1962) wird am<br />
23. Mai zum Stellvertretenden<br />
Präsidenten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es gewählt.<br />
Der deutsche Historiker<br />
Ludwig Quidde teilt sich<br />
den Friedensnobelpreis<br />
mit dem Franzosen Ferdinand<br />
Buisson.<br />
In Hohenstein/Ostpreußen wird das<br />
Ehrenmal zur Erinnerung an die<br />
Schlacht von Tannenberg (August<br />
1914) eingeweiht. Reichs präsident<br />
von Hindenburg beschwört vor<br />
70 000 Teilnehmern die Unschuld<br />
Deutschlands am Weltkrieg.<br />
Die Gräber des Fried hofes Bauske/<br />
Lettland werden hergerichtet und mit<br />
einheitlichen Kreuzen versehen.<br />
27
1928<br />
28<br />
Dr. Otto Geßler<br />
(1875 – 1955)<br />
Der deutsche Bildhauer Ernst Barlach<br />
(links, mit dem französischen Bild -<br />
hauer Maillol) schafft eindrucks volle<br />
Mahnstätten im Stil des Expressionismus.<br />
Der „Schwebende Engel“ in<br />
Güstrow ist eine<br />
seiner Schöpfungen.<br />
Soldatenfriedhöfe in Frankreich.<br />
Typisch für den Baustil des Volks bundes<br />
sind schmale Eingänge wie beim<br />
Friedhof Hautecourt (7 885 Kriegstote).<br />
Hier sollte jegliches Gespräch<br />
abbrechen.<br />
Der Friedhof Maissemy<br />
(30 478 Kriegs tote) vor dem Ausbau.<br />
Am 27. August unterzeichnet Stresemann<br />
für Deutschland den Kellogg-<br />
Pakt (auch Briand-Kellog-Pakt), der eine<br />
Ächtung des Krieges als Mittel internationaler<br />
Politik zum Gegenstand hat. ❑ Der<br />
Kölner Oberbürgermeister Dr. Konrad<br />
Adenauer macht den ersten Spatenstich<br />
zur Autobahn Köln-Bonn, der ersten in<br />
Deutschland. ❑ Der Transatlantik flug des<br />
deutschen Flugzeuges „Bremen“ erregt<br />
Begeisterung im In- und Ausland, nachdem<br />
im Vorjahr der Amerikaner Charles<br />
Lindbergh den Atlantik in West-Ost-Richtung<br />
überquert hatte. Im November fliegt<br />
Dr. Hugo Eckener mit dem Luftschiff<br />
„Graf Zeppelin“ nach Amerika. ❑ Im Winter<br />
1928/29 tauchen Anzeichen einer neu en<br />
Wirtschaftskrise auf. Die Jahre der wirtschaftlichen<br />
Erholung sind zu Ende. Zwei<br />
Millionen Menschen sind arbeitslos. ❑ Der<br />
Bildhauer Ernst Barlach gestaltet das Güs -<br />
tro wer und das Magde burger Ehrenmal. ■<br />
Der zehnte Vertretertag am 25. und<br />
26. Juni in Magdeburg spricht für<br />
112 429 Mitglieder. Reichspräsident Paul<br />
von Hindenburg sendet ein Gruß wort:<br />
„Mit meiner dankbaren Anerkennung für<br />
die geleistete segensreiche Arbeit auf den<br />
deutschen Kriegerfriedhöfen im In- und<br />
Auslande verbinde ich meine besten Wünsche<br />
für erfolgreiche Tätigkeit des <strong>Volksbund</strong>es.“<br />
❑ Präsident Fritz Siems tritt zu -<br />
rück und wird zum Ehrenmitglied ernannt.<br />
❑ Ein außerordentlicher Vertretertag wählt<br />
am 7. Dezember Reichswehr minster a. D.<br />
Dr. Otto Geßler zum Prä sidenten. ❑ Seit<br />
dem 26. Juni hat Reichskanzler a. D. Dr.<br />
Luther als Stellvertretender Präsident die<br />
Geschäfte geführt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> erhält<br />
die Genehmigung von Reichsbahn und<br />
Reichspost zur Plakatwerbung. ❑ Über<br />
500 Licht bild vor träge werden veranstaltet.<br />
❑ <strong>Das</strong> Bauprogramm des <strong>Volksbund</strong>es<br />
umfaßt 42 Friedhöfe mit 280 000 Gefallenen.<br />
Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in<br />
Frankreich. Für den Friedhofsbau gibt er<br />
258 823 Reichsmark aus. ■<br />
An die Stelle des Dawes-Planes tritt<br />
der Young-Plan. Dieser bedeutet eine<br />
weitere Herabsetzung der deutschen Reparationsverpflichtungen<br />
und sieht deutsche<br />
Zahlungen bis zum Jahre 1988 vor.<br />
Deutschland erreicht dabei die Zusa ge<br />
der vorzeitigen Räumung des ge sam ten<br />
Rhein landes. ❑ Wieder gibt es in Berlin<br />
blutige Zusammenstöße zwischen Polizei<br />
und Demonstranten. ❑ Briand, unterstützt<br />
von Stresemann, legt am 4. September dem<br />
Völkerbund einen Plan für ein Vereinigtes<br />
Europa vor. ❑ Am 3. Okto ber stirbt Strese -<br />
mann. ❑ Am Ende des Jahres beträgt das<br />
Haus halts defizit des Reiches 1,7 Milliarden<br />
Reichsmark. ❑ Erich Maria Remarque ver -<br />
öffentlicht „Im Westen nichts Neues.“ ■<br />
Der Schwarze Freitag – der 25. Oktober 1929 –<br />
an der Börse von New York leitet die Weltwirtschaftskrise<br />
ein, von der Deutschland besonders schwer betroffen<br />
wird.<br />
1929<br />
Thomas Mann<br />
(1875 – 1955) erhält den<br />
Nobelpreis für Literatur.<br />
29
30<br />
Reichspräsident Paul von<br />
Hindenburg (1847 – 1934)<br />
fördert die Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es ganz besonders.<br />
Soldatenfriedhof Connantre in<br />
Frankreich (8 931 Kriegstote;<br />
rechts oben); Bundesvertretertag<br />
am 20. Oktober in Berlin.<br />
Bei der Volkstrauertagsfeier in Berlin<br />
stehen vor dem Präsidentenplatz im<br />
Reichstag die beiden Kränze der Reichsregierung<br />
und des Reichstages mit den<br />
In schriften: „Dem lebenden Geist unserer<br />
Toten“ und „Den nie vergessenen Söhnen<br />
des Volkes.“ ❑ Im Juni gibt der <strong>Volksbund</strong><br />
die Fertigstellung des Friedhofes Connantre<br />
(Frankreich) bekannt. ❑ Am 5. Juli wird<br />
in Polen ein Mitglied des Bundesvorstandes,<br />
Stadtbaurat Arendt aus Gelsenkirchen,<br />
bei Checiny wegen unerlaubten Fotogra-<br />
fierens verhaftet und unter dem Verdacht<br />
der Spionage ins Gefängnis gebracht. Nach<br />
Intervention der deutschen Gesandtschaft<br />
wird er gegen eine Kaution freigelassen.<br />
❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat bei seinem zehnjährigen<br />
Bestehen 133 033 Mitglieder. ❑ Zum<br />
Vertre ter tag vom 20. bis 23. Oktober in<br />
Ber lin wird eine Ausstellung in der Neu -<br />
en Wache gezeigt. ❑ Die Ausgaben für<br />
den Friedhofsbau im Ausland betragen in<br />
diesem Jahr 461 348 Reichsmark. ■<br />
Mit Reichskanzler Hermann Müller<br />
(SPD) stürzt am 27. März die letzte<br />
vom Parlament gestützte Regierung der<br />
Weimarer Republik, ohne dass dazu ein<br />
auch nur halbwegs plausibler Grund vorgelegen<br />
hätte. ❑ Am 30. März wird Heinrich<br />
Brüning (Zentrum) Reichskanzler. ❑<br />
Die Weltwirtschaftskrise wirkt sich verheerend<br />
auf Deutschland aus. Der Reichspräsident<br />
erlässt die erste Notverordnung<br />
zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.<br />
Brüning versucht, „den Tiger der<br />
Welt wirtschaftskrise zu reiten,“ in der<br />
Absicht, dann eine Totalrevision des Ver -<br />
sailler Vertrages zu erreichen. Es kommt<br />
erst zur Stundung, dann – 1932 – zur<br />
Strei chung der deutschen Repara tionsschul<br />
den (Konferenz von Lausanne). Dieser<br />
Erfolg, den Brüning als Reichskanzler<br />
nicht mehr für sich verbuchen kann, wird<br />
zunächst dem Kabinett Papen zugerechnet;<br />
dies macht die spätere Legende mög -<br />
lich, es sei Hitler gewesen, der mit den<br />
Reparationen Schluss gemacht habe. ❑<br />
Die Zahl der Arbeitslosen steigt auf<br />
4,4 Millionen. ❑ Bei den Reichstagswahlen<br />
erzielt die NSDAP über 18 Prozent<br />
der Stimmen (1928: 2,6 Prozent) und<br />
107 (statt 12) Sitze, die Deutschnationalen<br />
verfügen über 41 Sitze im neuen Reichstag.<br />
Die Kommunisten gewinnen 77 statt<br />
54 Man date. Die <strong>Deutsche</strong> Demokratische<br />
Partei nennt sich nun Staatspartei. ❑ Die<br />
letzten Truppen der Siegermächte verlassen<br />
das Rheinland. ❑ Hitler schwört im<br />
Reichswehrprozess vor dem Reichsgericht<br />
in Leipzig, die Weimarer Verfassung<br />
einzuhalten. ■<br />
Im <strong>Volksbund</strong> wird darüber diskutiert,<br />
wie die Gräberflächen gestaltet<br />
werden sollen. Vom aufgehügelten Ein zelgrab,<br />
das den Vorstellungen der Angehörigen<br />
entspricht, soll zugunsten einer einheitlichen<br />
Gräberfläche abgegangen werden.<br />
❑ Es kommt zu einem Konflikt mit<br />
der Preußischen Staatsregierung: Der Präsident<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, Reichsminister<br />
a. D. Dr. Otto Geßler, verwahrt sich energisch<br />
gegen eine Verlautbarung der Amtlichen<br />
Preußischen Pressestelle, nach der<br />
der Volkstrauertag „keineswegs staatlich<br />
anerkannter oder überhaupt öffentlicher<br />
Gedenktag“ sei. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> gibt<br />
567 963 Reichsmark für den Friedhofsbau<br />
in allen Ländern aus. ■<br />
1930<br />
Am 4. Mai wird in Tarent/Italien<br />
das vom <strong>Volksbund</strong> errichtete Grab -<br />
mal für die Opfer des dort ge sun -<br />
kenen U-Bootes UC 12 eingeweiht.<br />
Die letzten Besatzungstruppen<br />
verlassen das Rheinland. Am 1. Juli<br />
marschiert die hessische Schutz -<br />
polizei in Mainz ein.<br />
31
1931<br />
Besichtigungs reise von Mitgliedern<br />
des Bundesvorstandes nach<br />
Frankreich (von rechts Dr. Siegfried<br />
Emmo Eulen, Justizrat Manfred<br />
Zimmermann und Ehefrau).<br />
<strong>Das</strong> wirtschaftliche Elend wächst.<br />
Millionen Menschen haben keine<br />
Arbeit. Nach jeder von den<br />
Arbeitsämtern angebotenen Arbeit<br />
drängen sich Hunderte von<br />
Arbeitslosen.<br />
32<br />
Die Arbeitslosenzahl steigt von 4,77<br />
im Januar auf 5,66 Millionen im Dezember.<br />
❑ Am 14. und 15. Juli werden<br />
auf grund der Wirtschafts- und Finanzkrise<br />
Banken und Börsen geschlossen.<br />
❑ Die Rechtsparteien verschärfen die<br />
innenpo litischen Gegensätze. NSDAP<br />
(Hitler), DNVP (Deutsch-Nationale Volks -<br />
partei; Hugenberg), Stahlhelm (Seldte),<br />
der Alldeutsche Verband und andere sogenannte<br />
vaterländische Verbände gründen<br />
am 11. Oktober 1931 die Harzburger<br />
Front gegen die Regierung Brüning. Hjalmar<br />
Schacht, der zurückgetre tene Reichsbankpräsident<br />
(später Hitlers Wirtschafts -<br />
minister), General von Seeckt, ehemaliger<br />
Reichswehrchef, und viele Generäle sind<br />
dabei. <strong>Das</strong> „Reichsbanner Schwarz-Rot-<br />
Gold“ versucht dagegenzu halten: Am<br />
16. Dezember wird in Berlin die Eiserne<br />
Front aus SPD, Reichsbanner, Freien Gewerkschaften<br />
und Arbeitersportorganisationen<br />
gegründet; Zentrum, <strong>Deutsche</strong><br />
Staatspartei und die christlichen Gewerkschaften<br />
betei ligen sich nicht. Dadurch<br />
bleibt die Eiserne Front schwach und ge -<br />
rät zudem in Verdacht, nicht ein republikanisch-demokratischer,<br />
sondern ein<br />
kom munistischer Verband zu sein. ❑ Es<br />
erscheinen Kurt Tucholskys „Schloss<br />
Gripsholm,“ Carl Zuckmayers Drama<br />
„Der Hauptmann von Köpenick,“ Bert<br />
Brechts „Dreigroschenoper“ als Film. ❑<br />
Albert Einstein unterstützt die Internationale<br />
der Kriegsdienstverweigerer. ❑ Der<br />
Architekt Heinrich Tessenow gestaltet<br />
Schinkels Neue Wache zum Gefallenen-<br />
Ehrenmal um. ■<br />
Am 12. und 13. Juni findet der Vertretertag<br />
in Königsberg statt. Unmittelbar<br />
anschließend beteiligen sich füh -<br />
rende Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es an<br />
Werbeveranstaltungen in verschiedenen<br />
ostpreußischen Städten. ❑ Im August arbeiten<br />
zum ersten Mal deutsche Jugendliche,<br />
Schüler aus Halberstadt, an deut -<br />
schen Kriegsgräbern in Sète in Frankreich.<br />
❑ Die wirtschaftliche Krise wirkt sich auf<br />
die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es aus. Er muss<br />
im August bekannt geben: „Da durch die<br />
Notverordnung des Reichs präsidenten der<br />
Ankauf von Devisen beschränkt ist, sind<br />
wir z. Z. nicht in der Lage, die bei uns vorliegenden<br />
Sonderaufträge von Angehörigen<br />
(Kranzniederlegungen, Bepflanzung,<br />
Kreuze, Licht bilder) auszuführen.“ ❑ Im<br />
November wird in einigen Ländern des<br />
Reiches, darunter in allen preußischen<br />
Provinzen, die erste von den Behörden<br />
genehmigte Haus- und Straßensammlung<br />
veranstaltet. ■<br />
Die Welt wirtschaftskrise überschreitet<br />
ihren Höhepunkt, jedoch dauern<br />
die politische und die wirtschaftliche<br />
Span nung in Deutschland an. Es gibt<br />
über sechs Millionen Arbeitslose. ❑ Am<br />
10. April wird der 85-jährige Hindenburg<br />
(53 Prozent der Stimmen) gegen Hitler<br />
(37 Prozent) und Thälmann (KPD, 10 Prozent)<br />
im zweiten Wahlgang zum Reichspräsidenten<br />
wiedergewählt. ❑ Reichs -<br />
kanzler Brüning wird von rechtsgerich teten<br />
Politikern mit Hilfe des Reichs prä sidenten<br />
gestürzt, von Papen und nach ihm<br />
General von Schleicher bilden kurzlebige<br />
Kabinette. ❑ Im Juli und November dieses<br />
unruhigen Jahres finden jeweils nach<br />
Auflösung des Reichstages Neuwahlen<br />
statt. ❑ Die Feinde der demokratischen<br />
Republik von rechts und links – Nationalsozialisten,<br />
Deutschnationale und Kommunis<br />
ten – haben jetzt im Reichstag zu -<br />
sammen die Mehrheit. Da sie gegen jede<br />
Reichsregierung zusammengehen, ist die<br />
Demokratie am Ende. ❑ Prof. Werner Heisen<br />
berg erhält den Nobelpreis für Physik. ■<br />
Im Februar legt Dr. Geßler sein Amt<br />
als Präsident des <strong>Volksbund</strong>es nieder.<br />
❑ Die Zahl der Einzelmitglieder geht<br />
von 138 000 auf 131 000 zurück. ❑ Beim<br />
Vertretertag am 28. und 29. Mai in Berlin<br />
zählt der <strong>Volksbund</strong> 5 165 Körperschaften,<br />
442 Städte und 11 658 Gemeinden als<br />
korporative Mitglieder. ❑ Landesdirektor<br />
a. D. Joachim von Winterfeldt-Menkin<br />
wird zum neuen Präsidenten gewählt. ■<br />
1932<br />
Der Plan oben links zeigt die Kriegsgräberstätte<br />
Nazareth (261 Kriegs to -<br />
te, Stand 2008: 416 Kriegs tote). Ganz<br />
links sehen Sie ein Modell der Kriegsgräberstätte<br />
Bitola (2 000 Kriegs tote,<br />
Stand 2008: 3 406 Kriegs tote).<br />
Rechts daneben ist die Zeichnung<br />
der Kriegsgräberstätte Lange mark<br />
(44 296 Kriegstote) abgebildet.<br />
Am 10. Juli weiht der <strong>Volksbund</strong> in<br />
Belgien Langemark, den Patenfriedhof<br />
der <strong>Deutsche</strong>n Studentenschaft,<br />
und den Friedhof De Ruyter ein.<br />
Erläuterung zur Aufstellung<br />
1 Nationalversammlung: 19.1.1919<br />
2 Wahl zum 1. Reichstag: 6.6.1920<br />
3 Wahl zum 2. Reichstag 4.5.1924<br />
4 Wahl zum 3. Reichstag: 7.12.1924<br />
5 Wahl zum 4. Reichstag: 20.5.1928<br />
6 Wahl zum 5. Reichstag: 14.9.1930<br />
7 Wahl zum 6. Reichstag: 31.7.1932<br />
8 Wahl zum 7. Reichstag: 6.11.1932<br />
9 Wahl zum 8. Reichstag: 5.3.1933<br />
NSDAP: Nationalsozialistische<br />
<strong>Deutsche</strong> Arbeiter partei<br />
DNVP: Deutschnationale Volkspartei<br />
DVP: <strong>Deutsche</strong> Volkspartei<br />
DDP: <strong>Deutsche</strong> Demokratische<br />
Partei<br />
SPD: Sozialdemokratische Partei<br />
Deutschlands<br />
KPD: Kommunistische Partei<br />
Deutschlands<br />
33
34<br />
35
1933<br />
Die Repressionen gegen innenpolitische<br />
Gegner der NSDAP werden<br />
von der Bevöl kerung widerstandslos<br />
hin genommen. Die ersten Konzen trationslager<br />
werden eingerichtet, willkürliche<br />
Verhaftungen vorgenommen.<br />
SA- und SS-Leute werden Hilfs polizisten.<br />
Angst und Terror sind jetzt Mittel<br />
der Politik. Goebbels ruft zum<br />
Boykott gegen jüdische Geschäftsleute<br />
auf. Bücher vor allem jüdischer<br />
Schriftsteller gelten jetzt als „un -<br />
deutsch“ und werden verbrannt.<br />
36<br />
Der Reichspräsident ernennt Hitler<br />
am 30. Januar zum Reichskanzler.<br />
Der Historiker Michael Salewski beurteilt<br />
diesen Vorgang rückschauend so: „Nicht<br />
so sehr der Umstand, dass die Nationalsozialisten<br />
tat sächlich an die Macht gekommen<br />
waren, wirkte im Nachhinein nieder -<br />
schmetternd, sondern, dass es ihnen so<br />
verdammt leicht gemacht wurde, fast von<br />
allen gesellschaftlichen Gruppen, den<br />
wichtigeren wie Reichswehr, Kirchen und<br />
Gewerkschaften ohnehin. Sie versagten<br />
kläglich, obwohl das Vaterland in Gefahr<br />
war – das hatte man an den Litfasssäulen<br />
lesen können: Hitler, das ist der Krieg.“ ❑<br />
Die Brandstiftung im Reichstag am 27. Fe -<br />
bruar liefert Hitler den Vorwand, mit Hilfe<br />
der sogenannten „Reichstagsbrandverordnung“<br />
die Demokratie abzuschaffen und<br />
die linke Opposition zu verfolgen und<br />
aus zuschalten. ❑ Reichspropagandaminister<br />
Joseph Goebbels entfaltet eine ungehemmte<br />
Agitation. Der „Tag von Pots dam“<br />
ist eine geschickt inszenierte Reverenz an<br />
das alte Preußen, den kaiser lichen General-<br />
feldmarschall und Reichspräsidenten der<br />
Republik und wird zu einem großen propagandistischen<br />
Erfolg für die neuen Machthaber.<br />
❑ Und trotz alldem hat die NSDAP<br />
bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933<br />
nur 43,9 Prozent erhalten. Insofern ist es<br />
richtig: Hitler hat in einer freien Wahl vom<br />
Volk nie die ab solute Mehrheit erhalten.<br />
Aber diese Betrachtung täuscht über die<br />
Realitäten hin weg. Zusammen mit den<br />
Deutsch na tio nalen hat eine Regierung –<br />
erstmals wieder seit 1930 – im Parlament<br />
eine Mehrheit, jetzt 340 von 647 der Reichstagssitze,<br />
allerdings nicht die für eine Verfassungsänderung<br />
erforderli che Zwei drittelmehrheit.<br />
❑ Der Reichstag nimmt mit<br />
441 von 535 Stimmen das Ermächtigungsge<br />
setz an. Die Kommunisten werden mit<br />
Gewalt an der Sitzungsteilnah me gehindert.<br />
Nur die Sozial demo kra ten stimmen<br />
dagegen. Für die SPD hält Otto Wels die<br />
letzte freie Oppositionsrede im Reichstag.<br />
Er verweist darauf, dass angesichts der<br />
Mehrheitsverhält nisse dieses Gesetz überflüssig<br />
sei.<br />
Die Weimarer Demokratie ist damit formal<br />
am Ende. ❑ Und es geht Schlag auf<br />
Schlag weiter: Verbot der KPD, der SPD,<br />
aller Parteien außer der NSDAP, Verbot<br />
der Gewerkschaften, Gleichschaltung<br />
aller Organisa tionen und Verbot jeglicher<br />
Neugründungen, es sei denn nationalsozialistischer.<br />
❑ Die von der NSDAP inszenierte<br />
öffent liche Verbrennung „undeut -<br />
scher“ Schriften am 10. Mai auf dem Berliner<br />
Opernplatz symbolisiert das Ende<br />
des freien Geisteslebens in Deutschland.<br />
Unter den verbrannten Büchern befinden<br />
sich Werke von Karl Marx, Heinrich Mann,<br />
Erich Kästner, Sigmund Freud, Emil Ludwig,<br />
Theodor Wolff, Erich Maria Remarque,<br />
Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und<br />
Carl v. Ossietzky. ❑ Die Emigration, vor<br />
allem der Intelligenz, aus Deutsch land<br />
beginnt. ❑ Deutschland tritt aus dem<br />
Völkerbund aus – der erste Schritt ins außenpoli<br />
tische Abseits. ■<br />
Symbol für das Ende der<br />
parla men tarischen Demokratie:<br />
Am 27. Februar brennt der Reichstag.<br />
37
Schattenseiten ...<br />
38<br />
Am Volkstrauertag 1929, zehn Jahre<br />
nach der Gründung des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
sagte dessen Präsident Dr. Otto Geßler:<br />
„Wir können unsere Vergangenheit<br />
nicht leugnen, wir müssen uns anständig<br />
und ehrlich mit ihr auseinan de rsetzen.“<br />
In der Tat, Geßler hatte Anlass, so zu<br />
sprechen, auch mit Blick auf den <strong>Volksbund</strong>.<br />
Zerrissen wie das deutsche Volk<br />
selbst, war der <strong>Volksbund</strong> ein Kind der<br />
deutschen Geschichte und als solches<br />
eher im nationalen, später im nationalistischen<br />
Spektrum der politischen Überzeugungen<br />
angesiedelt. Viele seiner Reprä -<br />
sentanten waren gegenüber der Weimarer<br />
Republik kritisch, manche feindlich eingestellt.<br />
Zwar gibt es eine Menge von Beispielen,<br />
die von der demokratischen Ge -<br />
sinnung und Integrität von Funktionsträgern<br />
des <strong>Volksbund</strong>es zeugen. Und der<br />
Beginn seines Wirkens gab auch keinen<br />
Anlass, an der Treue des Gesamtverbandes<br />
zur Weimarer Republik und zu ihrer<br />
Verfassung zu zweifeln. Aber die nationalistische<br />
Schlagseite nahm mit der zeitlichen<br />
Entfernung vom Tage seiner Grün -<br />
dung stetig zu. Von manchem seiner<br />
Gründerväter war er wohl auch mit einer<br />
solchen Absicht gegründet worden. Zwar<br />
zielte der erste Aufruf des <strong>Volksbund</strong>es<br />
auf „Kriegsgräberfürsorge von Volk zu<br />
Volk“ und auf gemeinsame Totenehrung<br />
jenseits allen Volkshasses; zwar verlangte<br />
Reichstagspräsident Paul Löbe in seiner<br />
Rede zum Volkstrauertag im Jahre 19<strong>22</strong>:<br />
„Abkehr vom Hass, ... Hinwendung zur<br />
Liebe.“ Und richtig ist auch, dass der<br />
<strong>Volksbund</strong> sich im selben Jahr mit der<br />
Bitte an die Weltwirtschaftskonferenz in<br />
Genua wandte, der Millionen Toten des<br />
Weltkrieges zu gedenken und eine feierliche<br />
Proklamation für die dauernde Erhaltung<br />
der Ruhestätten zu erlassen.<br />
Aber gleichzeitig gab es eben auch<br />
dies: „Den Hass, den augenblicklich die<br />
deutsche Seele packt, ... den Hass gegen<br />
den Erbfeind, ... den Hass sehe ich anders.<br />
<strong>Das</strong> ist ein heiliger Hass, und wir<br />
verstehen, was das Alte Testament mein -<br />
te: Du sollst deinen Freund lieben und<br />
deinen Feind hassen, Auge um Auge,<br />
Zahn um Zahn. Und ich weiß, auch ein<br />
Jesus wür de sich mit blitzendem Auge<br />
auf unsere Seite stellen, auf die Seite des<br />
heiligen Hasses.“<br />
<strong>Das</strong> sagte der evangelische Pfarrer<br />
und Präsident des <strong>Volksbund</strong>es, Siems,<br />
der so im Jahre 1923 redete und in der<br />
Zeitschrift des <strong>Volksbund</strong>es schrieb.<br />
Die Empörung über Ereignisse im Zu -<br />
ge der Besetzung des Rheinlandes war<br />
be rechtigt. Aber solch ein alttestamentarischer<br />
Hass als Aufruf des obersten Repräsentanten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es und in dessen<br />
Namen: <strong>Das</strong> war offener Bruch des Grundsatzes<br />
der „Totenehrung jenseits allen<br />
Völ kerhasses“ und der „Hinwendung zur<br />
Liebe.“ Dabei handelt es sich nicht um<br />
eine einmalige Entgleisung und Siems<br />
stand auch nicht allein. Siegfried Emmo<br />
Eulen, den viele als den eigentlichen<br />
Gründer des <strong>Volksbund</strong>es ansehen, war<br />
extremer Nationalist von Anbeginn. Auch<br />
er machte aus seinem Revanchismus<br />
schon lange vor 1933 keinen Hehl. <strong>Das</strong><br />
Bemerkenswerteste daran ist: Niemand<br />
hat diese (und andere) Männer gezwungen,<br />
so zu reden, wie sie es taten. Nichts<br />
und niemand war „gleichgeschaltet.“<br />
<strong>Das</strong>s es auch ganz anders ging, beweist<br />
die Rede von Justizrat Dr. Kahl zum<br />
Volkstrauertag 1930 – ein Dokument, das<br />
der <strong>Volksbund</strong> auch heute noch mit Stolz<br />
zitieren kann: „Und nun die Frage: Werden<br />
es die letzten Kriegstoten gewesen<br />
sein? ... Denn die Verantwortlichkeit für<br />
Tote und Lebende legt sich mit Zentnergewicht<br />
auf das nationale Gewissen!“<br />
Notwendig sei, dass „die Menschheit aus<br />
den furchtbaren Erfahrungen dieses Krieges<br />
die Erkenntnis ziehen wird, dass künftig<br />
andere Mittel und Wege gesucht und<br />
gefunden werden müssen, um internationale<br />
Streitigkeiten zu schlichten.“<br />
Kahl weist darauf hin, dass man sich<br />
schon lange um die „Humanisierung des<br />
Krieges,“ um Verhinderung von Kriegen<br />
bemüht habe (zum Beispiel 1907 bei der<br />
zweiten großen Haager Friedenskonferenz).<br />
Als Hauptredner des Volkstrauertages<br />
1930 zieht er den Schluss: „Worum es<br />
geht, ist Höheres und mehr. Es geht um<br />
die Frage der Beseitigung, der Abschaffung<br />
des Krieges.“<br />
Und auch das Wort des späteren Bischofs<br />
Otto Dibelius, der auch zu den<br />
Gründervätern des <strong>Volksbund</strong>es gehört,<br />
geht in dieselbe Richtung: „Krieg soll<br />
nicht sein. Gott will nicht, dass Krieg sei!<br />
Uns ist das Weihnachtsevangelium ins<br />
Herz gefallen: Frieden auf Erden. <strong>Das</strong> ist<br />
ja doch Gottes Botschaft an die Menschheit.<br />
<strong>Das</strong> Wort ist doch ernst.“<br />
Geßler war also mit seiner Sorge um<br />
die Lehren aus der eigenen Vergangenheit<br />
nicht allein. Und er stand später für<br />
seine Grundüberzeugung im KZ ein.<br />
Aber diejenigen, die dachten wie er, verloren<br />
gegen Ende der Weimarer Republik<br />
zunehmend an Einfluss, und auch aus<br />
heutiger Sicht erscheint es mehr als zweifelhaft,<br />
ob sein Rücktritt als Präsident des<br />
<strong>Volksbund</strong>es wirklich aus „gesundheitlichen<br />
Gründen“ erfolgte und weil er nicht<br />
nach Berlin übersiedeln und deshalb<br />
seine ehrenamtliche Funktion „nicht<br />
nützlich“ ausfüllen könne. So fehlt denn<br />
auch in der Bekanntmachung seines<br />
Rücktritts durch den Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />
jedes Wort des Dankes. Dieser<br />
Präsident passte eben nicht in die Linie,<br />
man war offensichtlich froh, ihn los zu<br />
sein – und zeigte das auch!<br />
Reaktionen auf diese Entwicklung<br />
blieben nicht aus. So sagte beispielsweise<br />
der preußische Ministerpräsident Otto<br />
Braun am 16. März 1930 auf einer „Feier<br />
zur Erinnerung an die erfolgreiche Niederschlagung<br />
des Kapp-Putsches,“ dass<br />
man „bei den Veranstaltungen des privaten<br />
Vereins für Kriegsgräberfürsorge sich<br />
nicht des Verdachts erwehren könne, dass<br />
hier das Gedächtnis der Toten missbraucht<br />
werde, um einen gewissen, verderblichen<br />
Revanchegedanken zu wecken und wachzuhalten.“<br />
Für Eulen und andere Führungspersönlichkeiten<br />
war der 30. Januar 1933 der<br />
Tag der Erfüllung. Und so waren die „ehr -<br />
erbietigen Grüße,“ die die „versammelten<br />
deutschen Männer und Frauen (des Volks -<br />
bundes) ... dem Führer des deutschen Volkes,<br />
dem Kämpfer für Deutschlands Ehre<br />
und Macht“ entboten, nichts Besonderes<br />
mehr. <strong>Das</strong> wurde formuliert auf dem Vertretertag<br />
am 2. Dezember 1933. Am 31. Dezember<br />
1933 be fand Eulen, nunmehr „Bundesführer,“<br />
dass die „Adventszeit 1933 ...<br />
für Deutsch land voll Ju bel und Hoffnung<br />
ist, wie noch nie eine Zeit deutscher Jahreswende<br />
....“<br />
Die Gründung des <strong>Volksbund</strong>es war<br />
also von Anfang an mit einem Zwiespalt<br />
behaftet: Da waren die, die den Gründungsaufruf<br />
ernst nahmen, die den Völkerhass<br />
abbauen, mit Hilfe der Errich -<br />
tung würdiger Grab- und Gedenkstätten<br />
auch Zeichen für Versöhnung und Frieden<br />
setzten wollten, und die als Demokraten<br />
den <strong>Volksbund</strong> unterstützten, wo<br />
immer sie konnten: Reichspräsident<br />
Ebert, Reichstagspräsident Löbe, die<br />
Reichskanzler Stresemann und Luther,<br />
die Reichsminister Rathenau, Erzberger<br />
und Geßler, Oberbürgermeister Adenauer<br />
und andere.<br />
Und auch die Gründungsversammlung<br />
beschloss am 16. Dezember 1919<br />
nicht den von Eulen vorgeschlagenen autoritären<br />
Satzungstext, sondern eine Fassung,<br />
die zwar einige zeitbedingte Merk -<br />
würdigkeiten aufweist, die aber durchaus<br />
demokratisch war. Da gab es einen jährlich<br />
neu zu wählenden „Vorstand“ und<br />
einen vom „Vertretertag“ gewählten dreißigköpfigen<br />
„Verwaltungs rat.“ Im Vertretertag<br />
waren die Delegierten „mit der<br />
Zahl der von ihnen zu vertretenden Mitglieder<br />
stimmberechtigt.“ Da gab es klare<br />
Aufgabenzuweisungen – ein Dokument<br />
der Nüchternheit, ohne Großmannssucht<br />
und Versuche einer internationalen Bevor -<br />
mundung. Auf der anderen Seite standen<br />
jene, die schon bei der Gründung erkennbar<br />
anderes wollten, auch wenn sie das<br />
mit letzter Deutlichkeit erst bekannten,<br />
als sie keinen demokratisch orientierten<br />
Widerspruch mehr fürchten mussten.<br />
So wies Eulen am 1. Dezember 1933<br />
darauf hin, dass immer schon „nach dem<br />
Führergrundsatz“ gearbeitet worden sei.<br />
Die Verwirklichung der Bundesziele hätte<br />
selbstverständlich nur von deutsch-fühlenden<br />
Männern und Frauen geleistet<br />
wer den können. Die Führer im <strong>Volksbund</strong><br />
hätten sich siegreich in 15 Jahren<br />
durchgesetzt, auf dass das von allen miterkämpfte<br />
und ersehnte Dritte Reich erbaut<br />
werde, zu dem die Gefallenen drau -<br />
ßen die Fundamente gelegt hätten.<br />
Damit schloss sich in Eulens Augen<br />
der Kreis: Die Toten des Ersten Weltkrieges<br />
wurden zu Schöpfern der Grundlagen<br />
des Dritten Reiches erklärt.<br />
Was Eulen 1919 nicht durchsetzen<br />
konnte, wurde 14 Jahre später erreicht –<br />
vorbereitet durch die Gespräche mit<br />
Reichsminister Frick, Staatssekretär Lammers<br />
(am 24. März in der Reichskanzlei)<br />
und endlich mit Hitler selbst in dessen<br />
Wohnung. Kein Wunder, dass der sächsische<br />
Gauleiter Martin Mutschmann den<br />
Delegierten empfahl, die neue Satzung in<br />
Bausch und Bogen anzunehmen, was sie<br />
auch taten. Damit hat sich der <strong>Volksbund</strong><br />
am 1./2. Dezember 1933 zwar nicht formal,<br />
aber faktisch selbst gleichgeschaltet.<br />
Die Wei marer Republik war am 30. Januar<br />
1933 am Ende. Wie hätte der <strong>Volksbund</strong><br />
noch zehn Monate später „heil“<br />
sein können?<br />
Eulens Selbstbekenntnisse erwiesen<br />
sich nicht etwa als nachträgliche Schönfärberei,<br />
um sich bei den neuen Machthabern<br />
um der relativen Unversehrtheit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es willen anzubiedern. <strong>Das</strong><br />
wäre immerhin ein zwar falsches, aber<br />
diskutables Motiv gewesen. Es ist auch<br />
nicht der peinliche Kniefall vor den neu -<br />
en Machthabern, der nach dem März<br />
1933 zum Landesüblichen gehörte. Es ist<br />
undemokratische, nationalistische Geis -<br />
tes haltung, die offen zu Tage trat. ■<br />
39
In der Mitgliederzeitschrift werden<br />
die Fortschritte der Arbeit dokumentiert:<br />
Soldatenfriedhöfe Hohrod,<br />
Rancourt und Romagne-sous-Montfaucon<br />
(Frankreich), Nazareth<br />
(Palästina; Modell); unten Entwurf für<br />
einen Gedenkstein.<br />
40<br />
Volkstrauertag 1933: Reichskanzler<br />
Adolf Hitler neben Reichspräsident<br />
Paul von Hindenburg.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet auf den<br />
Soldatenfried höfen Connantre und<br />
Rancourt (8 931 und 11 4<strong>22</strong> Kriegstote).<br />
In dieser Zeit entstehen Eingänge<br />
und Gedenkkapellen, Bäume werden<br />
gepflanzt und Einfriedungen geschaffen.
1934<br />
Die Reichsparteitage der NSDAP<br />
in Nürnberg mit ihren Massen aufmärschen<br />
charakterisieren den Stil<br />
des Regimes. Die Gesell schaft ist<br />
„gleichgeschaltet.“<br />
42<br />
Am 30. Januar werden die Länder<br />
entmachtet. Ihre Hoheitsrechte gehen<br />
auf das Reich über. ❑ Am 30. Juni schafft<br />
Hitler auf seine Weise „Klarheit“ in den<br />
eigenen Reihen: Der sogenannte Röhm-<br />
Putsch ist in Wahrheit ein Mord anschlag<br />
auf die SA-Führung und andere, die Hitler<br />
für potenzielle Gegner hält. Unter den<br />
Er mordeten befinden sich Hitlers Amtsvor<br />
gänger von Schleicher und dessen Frau,<br />
Gregor Strasser (Reichsorgani sa tions leiter<br />
der NSDAP bis 1932), Erich Klausener (Ka -<br />
tholische Aktion), Edgar Jung (Mitarbeiter<br />
von Vizekanzler von Papen) und Gustav<br />
von Kahr (1923 bayerischer Generalstaatskommissar).<br />
Min des tens 83 Menschen<br />
werden ermordet. Ein Reichsgesetz vom<br />
3. Juli 1934 erklärt die Morde nach träglich<br />
für rechtens. Und der auch heute noch<br />
von manchen angesehene Staatsrechtslehrer<br />
Carl Schmitt rechtfertigt diese Taten:<br />
„Der Führer schützte das Recht.“ Hindenburg<br />
und Papen beglückwünschen Hitler.<br />
❑ <strong>Das</strong> Reich schließt einen Nichtangriffspakt<br />
mit Polen. ■<br />
<strong>Das</strong> „Gesetz über die Feiertage“ wird<br />
am 27. Februar verabschiedet. An die<br />
Stelle des Volkstrauertages tritt nunmehr<br />
im ganzen Reich der „Heldengedenktag“<br />
mit neuem Sinngehalt. Er findet jeweils<br />
am 5. Sonntag vor Ostern (Reminiscere)<br />
statt. ❑ Bei der Feierstunde in der Berliner<br />
Staatsoper Unter den Linden hält zum<br />
ersten Mal der Reichswehrminister die<br />
Ansprache. ❑ Im Rahmen einer Groß aus -<br />
stellung des <strong>Volksbund</strong>es im Lichthof des<br />
Dresdener Rathauses (Juni/Juli) werden<br />
die Modelle für die Friedhöfe Liny-devant-Dun,<br />
Haubourdin und Quero gezeigt.<br />
❑ In einem Aufruf zum 20. Jahrestag<br />
des Beginns des Ersten Weltkrieges empfiehlt<br />
der <strong>Volksbund</strong>, auf alle Feiern zu<br />
verzichten. Er appelliert an alle Mitglieder,<br />
in diesem Jahr mindestens ein neues<br />
Mitglied zu werben. ❑ Am 1. September<br />
übernimmt der langjährige Leiter der<br />
Werbe- und Presseabteilung, Otto Margraf,<br />
die Geschäftsführung der Bundesgeschäftsstelle<br />
in Berlin. ❑ Im November<br />
gibt der <strong>Volksbund</strong> bekannt, dass wegen<br />
der Devisenknappheit für die Totentage<br />
keine Angehörigenaufträge erfüllt werden<br />
können. ❑ Der Vertretertag, jetzt Reichstagung<br />
genannt, findet in Kiel statt. ❑ Zum<br />
Ende des Jahres gehören 1 830 Ortsgruppen<br />
mit insgesamt 151 110 Einzelmitgliedern<br />
zum <strong>Volksbund</strong>. ■<br />
Ausstellung des <strong>Volksbund</strong>es in der<br />
Münchner Feldherrenhalle.<br />
43
1935<br />
44<br />
Carl von Ossietzky wird wie<br />
viele andere verhaftet und<br />
ins Konzen trations lager<br />
gebracht. Er darf den ihm<br />
1936 verliehenen Friedens -<br />
nobelpreis nicht annehmen.<br />
Nach seiner Freilassung<br />
stirbt er am 4. Mai 1938 an<br />
den Folgen dieser Haft.<br />
Foto ganz rechts: Stimmzettel bei<br />
der Volksabstimmung im Saarland.<br />
Soldatenfriedhof Nazareth im<br />
damaligen Palästina. Hier ruhen<br />
261 Kriegstote (Stand 2008:<br />
416 Kriegstote). Heute liegt die<br />
Kriegsgräberstätte auf dem<br />
Staatsgebiet Israels.<br />
Eine Volksabstimmung am 13. Janu -<br />
ar führt zur Rückgabe des Saargebietes<br />
an Deutschland. ❑ Am 16. März beginnt<br />
mit der Einführung der allgemei -<br />
nen Wehrpflicht die offene Wiederauf rüs -<br />
tung des Reiches. Dieser einseitige, ohne<br />
Verhandlungen unternommene Schritt ist<br />
ein klarer Bruch geltender Verträge, der<br />
um so schwerer wiegt, als die Westmäch -<br />
te bereits informell mitgeteilt hatten, dass<br />
sie einer deutschen Aufrüstung bis zu<br />
200 000 Mann zustimmen würden. ❑<br />
Deutschland verlässt mit den berüchtigten<br />
Nürnberger Gesetzen am 15. September<br />
endgültig den Weg eines am Men -<br />
schenrecht orientierten Staats wesens. Sie<br />
legen den Grundstein für eine ver brecherische<br />
Politik, die später in der sogenannten<br />
„Endlösung der Juden frage,“ im Ho -<br />
locaust, endet. ■<br />
Am 30. Juni weiht der <strong>Volksbund</strong> die<br />
Kriegsgräberstätte Nazareth/Palästina<br />
und am 12. Juli Maissemy/Frankreich<br />
ein. ❑ In seiner Allerseelenpredigt<br />
sagt Kardinal Michael von Faulhaber in<br />
der Münchner Frauenkirche: „Wir danken<br />
dem <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge,<br />
der mit unermüdlichem Ei -<br />
fer und großem Erfolg die deutschen Soldatenfriedhöfe<br />
im Ausland in würdigem<br />
Zustand erhält und seine pietätvolle Gräberpflege<br />
ganz im Sinne der Hinterbliebenen<br />
unter das Zeichen des weißen Kreu -<br />
zes im schwarzen Feld gestellt hat.“ ❑ Im<br />
November besuchen der Leiter der britischen<br />
Imperial War Graves Commission<br />
und der Leiter der französischen Kriegsgräberfürsorge<br />
die Bundesgeschäftsstelle<br />
in Berlin. ❑ Im Jahre 1935 gibt es in <strong>22</strong> Ländern<br />
der Erde <strong>Volksbund</strong>mitglieder. ■<br />
Am 7. März bricht Adolf Hitler den<br />
Locarno-Pakt und zerstört damit<br />
Stresemanns Friedenswerk. Er lässt das<br />
entmilitarisierte Rheinland besetzen. Die<br />
Westmächte nehmen das ohne ernsthaften<br />
Widerstand hin. ❑ Im September des<br />
Jahres wird der Vierjahresplan verkündet,<br />
der das <strong>Deutsche</strong> Reich „bis 1940 kriegsbereit“<br />
machen soll. Hitler beginnt mit<br />
den Vorbereitungen für seine Angriffskriege.<br />
❑ Im Spanischen Bürgerkrieg, der<br />
zur Niederlage der Republik führt und<br />
die Franco-Diktatur begründet, unterstützt<br />
Deutschland den Militäraufstand<br />
General Francos. ■<br />
Am 8. Juni findet in London die ers -<br />
te Sitzung des gemischten deutschenglisch-französischen<br />
Ausschusses für<br />
Kriegsgräberfürsorge statt, in dem der<br />
<strong>Volksbund</strong> vertreten ist. Hintergrund: Be -<br />
reits 1923 hatte die Imperial War Graves<br />
Com mission die Pflege von 2 219 deutschen<br />
Kriegsgräbern an 216 verschiedenen<br />
Or ten im Vereinigten Königreich und<br />
den Kanalinseln übernommen. ❑ Die<br />
Reichstagung findet am 30. und 31. Ok tober<br />
in Köln statt. ❑ Die Jahresbilanz nennt<br />
folgende Zahlen: Es gibt 295 000 Mit glieder<br />
in 4 747 Ortsgruppen, etwa 50 Prozent der<br />
deutschen Gemeinden sind korporative<br />
Mitglieder. ❑ Die Gesamtausgaben des<br />
<strong>Volksbund</strong>es für den Friedhofs bau von<br />
seiner Gründung bis zum 31. Dezember<br />
1936 betragen 6,5 Millionen Reichsmark. ■<br />
1936<br />
Foto links: <strong>Deutsche</strong> Truppen marschieren<br />
ins Rheinland ein.<br />
Foto unten: Die Olympiade in Berlin<br />
wird für einen nationalsozialistischen<br />
Propagandafeldzug missbraucht.<br />
45
1937<br />
46<br />
<strong>Deutsche</strong> Sturzkampfbomber<br />
(Stukas) in Spanien.<br />
Mit der Explosion des deutschen<br />
Luftschiffes Hindenburg am 6. Mai<br />
in Lakehurst (USA) – 34 Menschen<br />
sterben – endet der trans-<br />
atlantische Zeppelin verkehr.<br />
Die deutsche Legion Condor bombardiert<br />
im spanischen Bürgerkrieg<br />
die baskische Hauptstadt Guernica. Pablo<br />
Picasso malt das Bild „Guernica“ als<br />
ei nen Aufruf gegen den Krieg. Über die<br />
deutschen Gefallenen darf nicht gesprochen<br />
werden. Die Toten werden vom<br />
<strong>Volksbund</strong> nicht registriert. ❑ Eine Wan -<br />
derausstellung zeigt in Deutschland sogenannte<br />
Entartete Kunst. Der inter natio -<br />
nale kulturelle Austausch kommt weitgehend<br />
zum Erliegen. ❑ Es gibt vier große<br />
Konzentrationslager: <strong>Buch</strong>enwald, Da -<br />
chau, Lichtenberg (nur für Frauen) und<br />
Sachsenhausen. ■<br />
Auf der zweiten Sitzung des deutschenglisch-französischen<br />
Ausschusses<br />
in Berlin wird berichtet: Für die etwa<br />
7 000 deutschen Kriegsgräber auf englischen<br />
Friedhöfen in Frankreich sind bisher<br />
4 500 Stelen aus dauerhaftem Natur -<br />
stein in den Münchner Werkstätten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es fertiggestellt werden. 2 000<br />
davon sind bereits aufgestellt.<br />
Sie entsprechen in den Maßen den englischen<br />
Grabsteinen. ❑ Als Folge der Maßnahmen<br />
zur Papiereinsparung im Rah men<br />
des Vier-Jahres-Planes erscheinen die Ausgaben<br />
Juli und August der „Kriegsgräberfürsorge“<br />
als ein Heft. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> weiht am 30. Mai die Kriegsgräberstätte<br />
Smederewo (Semendria, heute: Serbien) in<br />
Jugoslawien ein. Hier ruhen Gefallene aus den<br />
Kämpfen der Jahre 1915 und 1916.<br />
Im Februar entmachtet Hitler die<br />
Führungsspitze der Wehrmacht<br />
durch Entlassung des Reichskriegsministers<br />
Generalfeldmarschall von Blomberg<br />
und des Oberbefehlshabers des Heeres,<br />
Generaloberst Freiherr von Fritsch. ❑<br />
Nach Verhandlungen mit Hitler muss<br />
Österreichs Bundeskanzler Kurt von<br />
Schuschnigg vor dessen aggressiver<br />
Politik kapitulieren. Österreich wird mit<br />
Zustimmung der großen Mehrheit der<br />
Österreicher dem <strong>Deutsche</strong>n Reich angeschlossen.<br />
❑ Aus Protest gegen Hitlers<br />
Politik tritt der Generalstabschef des<br />
Heeres, Generaloberst Beck, zurück. ❑<br />
Am 29. September endet die Münchener<br />
Konferenz der Staats- und Regier ungs -<br />
chefs Deutschlands, Frankreichs, Groß britan<br />
niens und Italiens mit dem Be schluss<br />
zur Abtre tung der sudetendeutschen Gebiete<br />
durch die Tschechoslowakei an das<br />
<strong>Deutsche</strong> Reich. ❑ Die am 9. November<br />
im ganzen Reich von der NSDAP organisierten<br />
Pogrome gegen die Juden (von Antisemiten<br />
hämisch „Reichskristallnacht“<br />
genannt) erregen die Welt öffent lichkeit.<br />
Die jü dischen <strong>Deutsche</strong>n werden in den<br />
folgenden Tagen endgültig aus dem Wirtschafts<br />
leben ausgeschaltet. ❑ Am 31. Mai<br />
wird das „Gesetz zur Einziehung von Erzeugnissen<br />
entarteter Kunst“ erlassen. Geächtet<br />
werden vor allem Kunstwerke von<br />
Barlach, Beckmann, Cézanne, Chagall, Corinth,<br />
van Gogh, Heckel, Hofer, Kandinsky,<br />
Klee, Ko kosch ka, Macke (1914 gefal -<br />
len), Marc (1916 gefallen), Matisse, Munch,<br />
Picasso, Nolde und vielen anderen. ■<br />
Die Reichstagung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
findet vom 20. bis 23. Mai in Breslau<br />
(heute: Wrocław/Polen) statt. ❑ Die Gebei<br />
ne von 70 in der Schweizer Internierung<br />
verstorbenen deutschen Soldaten<br />
werden am 17. Dezember auf den Lerchenberg<br />
bei Meersburg am Bodensee<br />
überführt. Die Anlage wird jedoch erst<br />
1964 fertiggestellt. ■<br />
1938<br />
Am 12. Juni wird das U-Boot-<br />
Ehrenmal Möltenort (bei Kiel)<br />
eingeweiht.<br />
Reichstagung des <strong>Volksbund</strong>es in<br />
Breslau (Wrocław/Polen).<br />
Die österreichische Bevölkerung<br />
begrüßt begeistert den „Anschluss.“<br />
Bei der Abstimmung am 10. April<br />
werden in der zukünftigen „Ostmark“<br />
nur 11 807 Nein-Stimmen<br />
registriert.<br />
47
1939<br />
Die Wehrmacht marschiert in die<br />
Tschechoslowakei ein. Hitler bildet<br />
das „Protektorat“ Böhmen und Mähren.<br />
Die Slowakei wird unabhängig.<br />
48<br />
Hitler bricht das MünchnerAbkommen<br />
– deutsche Soldaten marschieren<br />
am 15. und 16. März in der Tsche chos lowakei<br />
ein. <strong>Das</strong> stellt ihn endgültig als<br />
Kriegstreiber bloß und erschüttert vollends<br />
das internationale Vertrauen in eine<br />
europäische Friedensordnung. ❑ Deutschland<br />
besetzt am 23. März das Memelgebiet.<br />
❑ Am 23. August kommt es über raschend<br />
in Moskau zum Hitler-Stalin-Pakt<br />
(offiziell ein Nichtangriffs pakt). Dazu gehört<br />
das berüchtigte gehei me Zusatzprotokoll<br />
mit der Abma chung über die Tei -<br />
lung Polens. Außerdem stimmt Hitler der<br />
Annexion der baltischen Staaten und Bessarabiens<br />
durch die Sowjetunion zu. ❑<br />
Am 1. September beginnt der Angriff auf<br />
Polen: Hitler hat nun den Krieg, den er<br />
stets gewollt hatte. Nach der Kriegserklärung<br />
Englands und Frankreichs am 3. September<br />
steht Deutschland zwischen zwei<br />
Fronten. ❑ Polen kapituliert nach vier<br />
Wochen, die Sowjetunion besetzt den<br />
Ostteil. ■<br />
Der Bau der Gedenkstätte Pordoi in<br />
den Dolomiten (Italien), bereits vor<br />
Kriegs ausbruch begonnen, wird bis zur<br />
Arbeits einstellung 1943 fortgeführt. ❑<br />
Die Einweihungen der Kriegsgräberstätten<br />
Quero, Feltre und Tolmein im Mai finden<br />
ein starkes Echo in der in- und aus -<br />
län dischen Öffentlichkeit. ❑ Bundesführer<br />
Eulen sowie sieben Mitarbeiter der<br />
Bundesgeschäftsstelle und vier der Bauleitung<br />
werden bei Kriegsausbruch eingezogen,<br />
dazu viele Mitarbeiter aus den<br />
Gliederungen. ❑ Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es<br />
stellen ihre Erfahrungen beim<br />
Aufbau des Wehrmacht-Gräberdienstes<br />
zur Verfügung. ❑ Der Stellvertretende<br />
Bundesführer, Justizrat Manfred Zim mer -<br />
mann, führt die Geschäfte. ■<br />
Während des Krieges setzt der <strong>Volksbund</strong><br />
den Bau der Kriegs gräberstätte<br />
Pordoi in Oberitalien fort. Hier ruhen<br />
9 431 Kriegstote (Foto links oben).<br />
Mit dem Angriff auf Polen beginnt<br />
am 1. September 1939 der Zweite<br />
Weltkrieg. <strong>Das</strong> Bild vom zerstörten<br />
Schlagbaum (Foto links) ist gestellt.<br />
<strong>Das</strong> große Sterben beginnt (Foto<br />
unten): Erst viel später – über den<br />
Gräbern zweier Weltkriege – wird<br />
Europa zusammenfinden.<br />
49
1940<br />
50<br />
Die deutschen Verluste<br />
werden größer. Der Wehrmachts<br />
gräberdienst entwirft<br />
ein einheitliches Grabzeichen.<br />
Am 9. April besetzen deutsche Truppen<br />
trotz eines Nichtangriffspaktes<br />
Dänemark und Norwegen. Die deutschen<br />
Seestreitkräfte erleiden bei der Besetzung<br />
Norwegens starke Verluste. ❑ Der Angriff<br />
an der Westfront beginnt am 10. Mai.<br />
Frankreich, Belgien, die Niederlande und<br />
Luxemburg werden in einem raschen<br />
Feldzug besiegt. ❑ Am <strong>22</strong>. Juni wird der<br />
Waffenstillstand mit Frankreich abgeschlossen.<br />
Italien tritt kurz vorher an<br />
Deutschlands Seite in den Krieg ein. ❑<br />
Im August beginnt zur Vorbereitung<br />
einer Invasion Großbritanniens die „Luft -<br />
schlacht um England.“ Hier erleidet<br />
Deutschland seine erste Niederlage. Die<br />
britische Luftwaffe kann nicht besiegt<br />
werden; die Pläne zur Landung in Großbritannien<br />
werden auf unbestimmte Zeit<br />
verschoben. Die deutsche Luftwaffe bombardiert<br />
Coventry, London und Malta. ❑<br />
Am 27. September schließen Deutschland,<br />
Italien und Japan den Dreimächtepakt. ❑<br />
Im November besucht der sow jetische<br />
Außenminister Wjatscheslaw Mo lotow<br />
die Reichshauptstadt: Weitere Aggressionen<br />
sollen abgestimmt werden. Die Skala<br />
reicht vom Balkan bis Indien. Man kann<br />
sich jedoch diesmal wegen unterschiedlicher<br />
Ziele nicht einigen. Die Beziehungen<br />
kühlen sich ab. ■<br />
Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />
kriegsbedingt schwieriger: Weitere<br />
Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle<br />
und der Bauleitung werden eingezogen,<br />
dazu eine große Zahl Mitarbeiter aus den<br />
Gliederungen. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat am<br />
Jahresende 537 000 Mitglieder. ■<br />
Die deutsche Wehrmacht besetzt<br />
Dänemark und Norwegen (Foto<br />
oben). Frank reich und die Beneluxstaaten<br />
werden ebenfalls überrannt<br />
(Foto unten). Die deutsche Luft waffe<br />
bombardiert am 14. November die<br />
englische Stadt Coventry. Auf dem<br />
Foto rechts sieht man die zerstörte<br />
Kathedrale. Zuvor hatte die britische<br />
Luftwaffe München und andere<br />
Städte in Deutschland angegriffen.<br />
51
1941<br />
Adolf Hitler greift immer neue Ziele<br />
an (Foto rechts). <strong>Deutsche</strong> Soldaten<br />
kämpfen in Nordafrika (Foto auf<br />
Seite 53 oben) und in der Sowjetunion<br />
(Foto auf Seite 53 unten).<br />
52<br />
Zur Unterstützung der italienischen<br />
Truppen in Nordafrika wird im Februar<br />
unter Befehl von General Rommel<br />
das <strong>Deutsche</strong> Afrika-Korps aufgestellt.<br />
❑ Am 6. April beginnt der Angriff auf<br />
Jugo slawien und Griechenland. ❑ Am<br />
1. Juni wird die Insel Kreta nach schweren<br />
Verlusten durch deutsche Luftlandetruppen<br />
erobert. ❑ Der Angriff gegen die<br />
Sowjetunion, als „Plan Barbarossa“ lange<br />
vorbereitet, beginnt am <strong>22</strong>. Juni. Die deut -<br />
schen Offensiven bleiben nach großen An -<br />
fangserfolgen im Winter vor Moskau und<br />
Leningrad stecken. Der Feldzug wird auf<br />
beiden Seiten mit erbitterter Härte und<br />
Grau samkeit geführt. ❑ Nach dem japa nischen<br />
Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember<br />
erklärt Deutschland am 10. Dezem<br />
ber den USA den Krieg. ■<br />
Am 16. März wird der Chef des<br />
Ober kommandos der Wehrmacht<br />
(OKW) beauf tragt, die Errichtung würdiger<br />
Soldaten friedhöfe für die Gefallenen<br />
vor zubereiten. Professor Wilhelm Kreis,<br />
im Einvernehmen mit dem <strong>Volksbund</strong><br />
vom OKW vorgeschlagen, wird zum Generalbaurat<br />
ernannt. Professor Kreis gehört<br />
dem damaligen Verwaltungsrat des<br />
Volks bundes seit der Gründung an. ❑<br />
Bereits zu Beginn des Jahres erfolgt eine<br />
Anweisung zur Einführung eines einheitlichen<br />
Grabzeichens in der Form des<br />
Eisernen Kreuzes. ❑ Aufgrund von Befürchtungen<br />
aus Kreisen der Mitglieder<br />
über eine mögliche Einstellung der Arbeit<br />
gibt der <strong>Volksbund</strong> bekannt, dass seine<br />
Arbeit auf Weisung der maßgeblichen<br />
Stellen vor allem im Interesse der Angehörigen<br />
fortgesetzt werden solle. ■<br />
53
1942<br />
Hitler hat die Widerstandsfähigkeit<br />
und die Reserven der Sowjetunion<br />
weit unterschätzt. Stalingrad<br />
wird zur Wende des Krieges.<br />
Dieses Bild wirkt symbolisch: Die<br />
Soldaten sind eisiger Kälte ausgesetzt,<br />
erscheinen orientierungslos.<br />
54<br />
Die deutsche Sommeroffensive an<br />
der südlichen Ostfront erreicht die<br />
Wolga und den Kaukasus, die Offensi -<br />
ve Rommels führt von Libyen aus über<br />
die ägyptische Grenze bis El Alamein.<br />
Dann folgt die Wende des Krieges: Die<br />
6. Armee wird bei Stalingrad von sowjetischen<br />
Streitkräften eingeschlossen.<br />
Die deutschen Truppen erleiden in der<br />
Schlacht von El Ala mein eine schwere<br />
Niederlage. Libyen muss geräumt werden.<br />
<strong>Das</strong> Afrika-Korps wird bei Tunis<br />
eingeschlossen. ❑ Während der gesamten<br />
Kriegszeit werden zwölf Millionen<br />
sogenannte Fremdarbeiter verschleppt<br />
und in der deutschen Kriegswirtschaft<br />
eingesetzt. ■<br />
Im Februar erscheint ein Erlass,<br />
nach dem die Gräber der Opfer<br />
der Zivilbevölkerung, das heißt „die<br />
durch Feindeinwirkung getöteten oder<br />
in folge erlittener Verletzungen gestor -<br />
benen, nicht zur Wehrmacht gehö renden<br />
deutschen Staatsange hörigen so -<br />
wie die Staatsange hörigen der verbündeten<br />
Mächte“ auf „Ehrenfriedhöfen“<br />
bestattet werden sollen. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
kann trotz des Krieges in begrenztem<br />
Rahmen weiter arbeiten. In<br />
Frankreich wird der Soldatenfriedhof<br />
Consenvoye bei Verdun (11 146 Kriegstote)<br />
angelegt. ■<br />
55
1942 wird auf der Wannsee-<br />
Konferenz in Berlin die „Endlösung<br />
der Judenfrage“ beschlossen.<br />
Der deutsche Vormarsch im Osten<br />
schafft die Voraussetzungen: Der<br />
Mord an den Juden nimmt immer gewaltigere<br />
Ausmaße an. In den Vernichtungslagern<br />
wie Auschwitz-<br />
Birkenau werden die Menschen bei<br />
der Ankunft selektiert. Die als nicht<br />
arbeitsfähig eingestuften Menschen<br />
werden häufig sofort umgebracht.<br />
Für die anderen gilt die<br />
„Vernichtung durch Arbeit.“<br />
Je länger der Zweite Weltkrieg andauert,<br />
je mehr Gebiete von<br />
Deutschland besetzt werden, desto<br />
mehr Juden und andere Verfolgte<br />
fallen dem organisierten Massenmord<br />
zum Opfer. Damit werden auch<br />
diejenigen Menschen, die ohne<br />
Wissen über dieses unvorstellbare<br />
Verbrechen als Soldaten oder an anderer<br />
Stelle durch ihren tapferen Einsatz<br />
im Ergebnis den Krieg verlän -<br />
gern, in die Frage von Mitschuld und<br />
Mitverantwortung verstrickt.<br />
56<br />
Im Januar fordern die Alliierten auf<br />
der Casablanca-Konferenz die bedingungslose<br />
Kapitulation Deutschlands.<br />
❑ Am 2. Februar geht die Schlacht um Stalingrad<br />
zu Ende. Die Reste der 6. Armee<br />
ergeben sich – gegen Hitlers Befehl. Von<br />
170 000 im Kessel verbliebenen Soldaten<br />
der Wehrmacht sind über 60 000 gefallen.<br />
Rund 110 000 gehen in Gefangenschaft,<br />
nur etwa 5 000 von ihnen überleben. Zu -<br />
vor hatte die Luftwaffe 25 000 Verwundete<br />
ausgeflogen. Über das Schicksal der mit<br />
einge schlos senen italienischen und rumänischen<br />
Soldaten ist wenig bekannt. ❑<br />
Am 13. Mai kapitulieren die letzten Streitkräfte<br />
der sogenannten Achse in Tunesien.<br />
❑ Nach der erfolglosen deutschen Offensive<br />
bei Kursk (Panzerschlacht) beginnt<br />
der Rückzug der deutschen Truppen an<br />
der gesamten Ostfront. ❑ Goebbels fordert<br />
den „totalen Krieg.“ Doch der Krieg ist entschieden!<br />
Schwere Luftangriffe auf Hamburg<br />
und Berlin leiten die planmäßi ge Zerstörung<br />
der deutschen Großstädte ein. Da -<br />
bei wird mehr und mehr die Technik der<br />
sogenannten Feuerstürme angewendet,<br />
eine besonders unmenschliche Kriegführung<br />
gegen Zivilisten ohne militärischen<br />
Wert. ❑ Im Juli landen die Alliierten in Italien,<br />
das im Sep tember Waffenstillstand<br />
schließt. ❑ In Auschwitz, Tre blin ka, Maidanek<br />
und anderen Konzentrations lagern<br />
beginnt die systematische Ausrottung von<br />
Millionen Juden, aber auch von Roma,<br />
Sinti und anderen für lebensunwert erklär<br />
ten Menschen. Ge gen erbitterten Widerstand<br />
der eingepferchten Juden ver -<br />
nichtet die SS das Warschauer Ghetto. ■<br />
<strong>Das</strong> Ministerialblatt des Reichs minis -<br />
teriums veröffentlicht am 8. Dezember<br />
Darlegungen „über die Fürsorge für<br />
die Gräber der Kriegsgefallenen des jetzigen<br />
Krieges und die Gestaltung von<br />
Kriegs gräberanlagen,“ aus denen eine besondere<br />
Betonung der Tätigkeit der Amtlichen<br />
Kriegsgräberfürsorge im Reichs ge -<br />
biet hervorgeht. Stellungnahme des <strong>Volksbund</strong>es:<br />
„Unsere Aufgabe, die in der Errichtung<br />
von Ehrenstätten außerhalb des<br />
Reiches liegt, wird da durch nicht berührt.“<br />
❑ Ende des Jahres hat der <strong>Volksbund</strong><br />
993 572 Einzelmitglieder. ■<br />
Stalin, Roosevelt und Churchill (sitzend,<br />
von links) einigen sich auf der<br />
Konferenz von Teheran im Grundsatz<br />
über die Teilung Deutschlands nach<br />
dem Krieg.<br />
1943<br />
Stalingrad: Von den 110 000 deut -<br />
schen Kriegsgefangenen sterben<br />
allein 17 000 auf dem Weg in die<br />
La ger. Unten deutsche Kriegsgefangene<br />
im Sommer 1943 in der Nähe<br />
von Stalingrad.<br />
57
Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />
stark eingeschränkt. Zu dem Wenigen,<br />
was er tun kann, gehört der<br />
Ausbau des Soldatenfriedhofes<br />
Consenvoye in Frankreich (11 146<br />
Kriegstote). Hier werden zum ersten<br />
Mal Symbolkreuze aufgestellt.<br />
58<br />
Baurat Wilhelm Kreis erhält von<br />
der Reichsregierung den Auftrag,<br />
monumentale deutsche Ehrenstätten<br />
zu planen. Sie sind ein Ausdruck<br />
der Helden ver herrlichung. Seine Ent -<br />
würfe, die der Auffassung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
wider sprechen, werden nicht<br />
realisiert.<br />
59
1944<br />
Der alliierte Vormarsch in Italien<br />
stockt bei Cassino. Stadt und<br />
Kloster werden bei den schweren<br />
Kämpfen im Winter und Frühjahr<br />
1944 völlig zerstört. Der Abt des<br />
Klosters bedankt sich bei dem deutschen<br />
Oberstleutnant Julius Schlegel<br />
für die Rettung der unersetzlichen<br />
Kunst- und Kulturschätze.<br />
60<br />
Am 6. Juni beginnt in Frankreich die<br />
lang erwartete Landung der Alliierten;<br />
binnen weniger Tage ist sie erfolgreich.<br />
Bis zum 30. Juli haben die Westmächte<br />
850 000 Mann und rund 150 000<br />
Fahrzeuge gelandet. Ihnen gelingt der<br />
Durchbruch bei Avranches. Doch Hitler<br />
und seine Generale lassen das Inferno<br />
noch über neun Monate weiter auf die<br />
Menschen niedergehen. ❑ Hoffnung, den<br />
Kriegsausgang durch weiteren Widerstand<br />
günstiger zu gestalten, besteht nicht<br />
mehr, so wenig wie im August 1918. Zumindest<br />
die Generalität weiß das, zumal<br />
drei Wochen nach der Landung die Sommer<br />
offensive der Roten Armee beginnt,<br />
die sie bis zur Weichsel und auf den Balkan<br />
führt. Die größten Zerstörungen und<br />
Verluste, die Deutschland erleidet, sind<br />
nach dem Sommer 1944 einge treten. ❑<br />
Der letzte und aussichtsreichste Versuch,<br />
das Verderben abzuwenden, den Krieg zu<br />
beenden und Deutschland vor dem tota -<br />
len Untergang zu bewahren, scheitert am<br />
20. Juli 1944. <strong>Das</strong> Bombenattentat des<br />
Obersten Graf Stauffenberg auf Hitler<br />
missglückt. Im Zusammenhang damit<br />
werden über 700 deutsche Offi zie re, da -<br />
runter Generalfeldmarschall Erwin von<br />
Witzleben, sowie zahlreiche Zivilper sonen<br />
umgebracht. Generaloberst Ludwig<br />
Beck erschießt sich. ❑ <strong>Das</strong> Inter nationale<br />
Komitee vom Roten Kreuz erhält den<br />
Friedensnobelpreis. ■<br />
Am 15. Februar zerstören Bomben<br />
die Bundesgeschäftsstelle des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in Berlin. Viele Arbeitsunterlagen<br />
gehen verloren, darunter auch solche, die<br />
für einen historischen Rückblick wie in<br />
die sem <strong>Buch</strong> sehr wichtig gewesen wä -<br />
ren. ❑ Die Zeitschrift des <strong>Volksbund</strong>es<br />
kann nur noch vierteljährlich erscheinen.<br />
❑ Am 9. Juni verhindert Staatsrat Wilhelm<br />
Ahlhorn in Verbindung mit dem<br />
Leiter der Abteilung Wehrmachtsverlustwesen<br />
im OKW die Unterstellung des<br />
<strong>Volksbund</strong>es unter den Generalbaurat.<br />
Er droht, diese Maßnahme mit der Selbstauflösung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es zu beantworten.<br />
❑ Aufgrund der Anordnung über<br />
den totalen Kriegseinsatz vom 29. August<br />
führt der <strong>Volksbund</strong> die 60-Stunden-<br />
Woche für seine Mitarbeiter ein und baut<br />
sein Personal um 20 Prozent ab. ❑ Im teilzerstörten<br />
Erdgeschoss der Bundesgeschäftsstelle<br />
gedenkt der <strong>Volksbund</strong> in<br />
Anwesenheit von nur noch 57 Mitarbeitern<br />
seines 25-jährigen Bestehens. ❑ In<br />
einem Rundbrief „An die im Feld stehenden<br />
Mitarbeiter“ zu Weihnachten heißt<br />
es, dass der <strong>Volksbund</strong> rund zwei Millionen<br />
Mitglieder habe. Diese Zahl ist heute<br />
nicht mehr belegbar. ■<br />
Die letzte deutsche Offensive im<br />
Westen („Ardennen offen sive“)<br />
überrascht die Alliierten, scheitert<br />
aber nach wenigen Tagen.<br />
61
Für Freiheit und<br />
Gerechtigkeit:<br />
der 20. Juli 1944<br />
62<br />
„Die Rettung Deutschlands war der<br />
letzte Sinn des deutschen Widerstandes.<br />
Der Rettung des Vaterlandes im physischen<br />
und moralischen Sinn galt der<br />
verzweifelte Stoß des 20. Juli 1944. Wir,<br />
die dazugehörten oder sonstwie gegen<br />
die Schändung Deutschlands Front gemacht<br />
hatten, stimmten, ohne ein einziges<br />
Wort darüber zu verlieren und ohne<br />
Rücksicht auf unsere politische Herkunft<br />
– die Kommunisten eingeschlossen –,<br />
völlig darin überein, dass die Rettung<br />
Deutsch lands und die Sicherung seiner<br />
Zukunft allein in der Wiederherstellung<br />
des freiheitlichen Rechtsstaates und seiner<br />
entschlossenen Verteidigung gegen<br />
seine inneren und äußeren Feinde liegen<br />
könne. <strong>Das</strong> ist das bleibende Vermächtnis<br />
des 20. Juli 1944.“ Dies sagte einer der Beteiligten,<br />
der spätere Bundestagspräsident<br />
Eugen Gerstenmaier, nach dem Krieg.<br />
Im Attentat auf Hitler am 20. Juli<br />
gipfelt der Widerstand im Dritten Reich<br />
gegen das nationalsozialistische Regime<br />
und seine unheilvolle Politik. Viele Jahre<br />
war die westdeutsche Geschichtsschreibung<br />
auf dieses Ereignis und seine Vorgeschichte<br />
fixiert. Inzwischen hat sich die<br />
Perspektive jedoch erweitert, und auch<br />
der Widerstand außerhalb des militärischen<br />
und bürgerlich-konservativen La -<br />
gers wird gewürdigt. Damit wird der Tatsache<br />
besser Rechnung getragen, dass der<br />
Widerstand vielfältige Formen gezeigt hat<br />
– die im Übrigen nur schwer unter ei nem<br />
zentralen Begriff zusammengefasst werden<br />
können.<br />
Den Frauen und Männern, auch Ju -<br />
gend lichen, die Widerstand leisteten –<br />
offen oder verdeckt, konsequent oder gelegentlich,<br />
fast immer mit schweren Folgen<br />
für sie und ihre Familien – ist eines<br />
gemeinsam gewesen: Die Erkenntnis,<br />
dass der Weg, den Deutschland unter<br />
Hitler beschritten hatte, in die Katastrophe<br />
führte; das Bewusst sein, Widerstand<br />
leisten zu müssen und durch eigenes<br />
Handeln zur Rückkehr in eine bessere<br />
Gesellschaft beitragen zu können.<br />
Natürlich waren die Handlungsmöglichkeiten<br />
Einzelner sehr begrenzt. <strong>Das</strong><br />
gilt nicht zuletzt für die Soldaten an der<br />
Front. Viele hatten sich vor dem Krieg<br />
von den (vermeintlichen) innen- und außenpolitischen<br />
Erfolgen Hitlers blenden<br />
lassen und im Krieg von den erstaunlichen<br />
militärischen Anfangserfolgen. Bei<br />
vielen ist das Gewissen erst spät erwacht.<br />
Viele haben gar nicht oder erst sehr spät<br />
erfahren, welche Verbrechen in Namen<br />
des Vaterlandes und durch Landsleute in<br />
anderen Ländern und auch in Deutschland<br />
selbst geschehen waren. Viele Soldaten<br />
haben lange gezögert, wollten nicht<br />
eidbrüchig werden. Immerhin wurde die<br />
eigene Bevölkerung durch 40 000 Gesta po-<br />
Beamte, den SD (Sicherheitsdienst) und<br />
ungezählte Spitzel und Zuträger überwacht.<br />
Schon unbedeutende kritische Äußerungen<br />
– wie zum Beispiel Zweifel am<br />
propagierten „Endsieg“ – waren lebensgefährlich.<br />
Trotz der Gefahr für Leib und Leben<br />
haben sich während des Dritten Reiches<br />
viele aufrechte Menschen für ein besseres<br />
Deutschland eingesetzt. Sie kamen aus der<br />
Arbeiterbewegung, den Kirchen, dem Militär,<br />
bürgerlichen Kreisen. Zu ihnen gehörten<br />
einfache Arbeiter und hohe Diplo -<br />
maten, Hausfrauen und Feldmarschälle,<br />
Studenten und Staats beamte, Kommunisten<br />
und Kirchenführer. Der Erfolg blieb<br />
ihnen versagt, die Unrechtsherrschaft<br />
wurde erst durch den äußeren Gegner beendet.<br />
Aber es gilt das Wort des Generalmajors<br />
Hans Henning von Tresckow kurz<br />
vor dem Attentat am 20. Juli: „<strong>Das</strong> Attentat<br />
muß erfolgen, coûte que coûte (koste<br />
es, was es wolle). Sollte es nicht gelingen,<br />
so muss trotzdem in Berlin gehandelt<br />
werden. Denn es kommt nicht mehr auf<br />
einen praktischen Zweck an, sondern<br />
darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung<br />
vor der Welt und vor der Geschichte<br />
den entscheidenden Wurf ge -<br />
wagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“<br />
■<br />
Hitler überlebt das Attentat von Graf Stauffenberg.<br />
Später zeigt er Musso lini die zerstörte Baracke.<br />
1 2 3 4<br />
5 6 7 8<br />
Roland Freisler, Vorsitzender des berüchtigten Volksgerichtshofes<br />
in Berlin, während des Prozesses gegen<br />
die Widerstandskämpfer des 20. Juli. Immer mehr<br />
Menschen werden – auch wegen nichtiger Vorfälle –<br />
zum Tod verurteilt.<br />
Die Geschwister Hans und Sophie Scholl verteilen als<br />
Angehörige der Weißen Rose in München Flug blätter<br />
gegen das Regime und seine Kriegspolitik und werden<br />
deswegen hingerichtet.<br />
9 <br />
Persönlichkeiten<br />
des Widerstandes<br />
1 Generaloberst Ludwig Beck gilt<br />
als das Haupt der Verschwö rung.<br />
Freitod am 20. Juli 1944.<br />
2 Oberst Claus Schenk Graf von<br />
Stauffenberg zündet die Bombe in<br />
Hitlers Hauptquartier.<br />
Am 20. Juli 1944 erschossen.<br />
3 Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin. Am<br />
8. September 1944 hingerichtet.<br />
4 Carl-Friedrich Goerdeler,<br />
Oberbürgermeister von Leipzig.<br />
Am 2. Februar 1945 hingerichtet.<br />
5 Helmuth James Graf von Moltke<br />
gründet den oppositio nellen Kreisauer<br />
Kreis. Am 23. Januar 1945<br />
hingerichtet.<br />
6 Julius Leber kämpft bis 1933<br />
als SPD-Reichstagsabgeordneter<br />
ge gen die totalitären Parteien.<br />
Am 5. Januar 1945 hingerichtet.<br />
7 Wilhelm Leuschner, 1932<br />
stellvertretender Vorsitzender des<br />
Gewerk schaftsbundes. Hin ge richtet<br />
am 29. Sep tem ber 1944.<br />
8 Ulrich von Hassell, 1932 – 1938<br />
Botschafter in Rom. Am 8. Septem<br />
ber 1944 hingerichtet.<br />
9 Friedrich Werner Graf von<br />
der Schu lenburg,1934 – 1941<br />
Botschafter in Moskau. Hin ge richtet<br />
am 10. November 1944.<br />
Generalfeldmarschall Erwin von<br />
Witzleben. Am 9. August 1944<br />
hingerichtet.<br />
63
Die alliierte Landung in der Normandie :<br />
133 000 Sol daten werden am 6. Juni 1944 an Land<br />
gebracht, 23 000 landen aus der Luft. Die Alliierten<br />
setzen über 600 Kriegsschiffe, 4 000 Lan dungs boote<br />
und 10 000 Flugzeuge ein. Die schweren Kämpfe<br />
fordern viele Opfer auf beiden Seiten.<br />
Die deutschen Gefallenen sind über viele Orte verstreut.<br />
Sie werden zunächst von den Alliierten, in den<br />
50er Jahren dann vom <strong>Volksbund</strong> ge borgen und auf<br />
Sammel fried höfen beigesetzt. In der Skizze haben<br />
die Umbetter des <strong>Volksbund</strong>es alle bekannten Grablagen<br />
in der kleinen Gemeinde Tournai-sur-Dive eingetragen.<br />
Sie zeigt, wie schwie rig die Arbeit des<br />
Umbettungsdienstes ist.
1945<br />
Generalfeldmarschall Keitel<br />
unterzeichnet die bedingungslose<br />
Kapitulation. Deutschland ist<br />
ver wüstet, viele Städte wie zum<br />
Beispiel Freiburg (rechte Seite) sind<br />
zerstört. Fast acht Millionen<br />
Menschen sind umgekom men. Rund<br />
30 Millionen <strong>Deutsche</strong> sind nicht an<br />
ihrem Wohnort. Über zehn Millionen<br />
Soldaten sind in alliierter Kriegs gefangenschaft<br />
(unten ein Bild von<br />
einem der großen Gefangenenlager<br />
unter freiem Himmel am Rhein).<br />
66<br />
67
Die meisten <strong>Deutsche</strong>n er fahren erst<br />
nach Kriegsende vom Ausmaß<br />
der Ver brechen in den Konzentra tionslagern.<br />
Die Einwohner Bergens<br />
werden von den britischen Besatzungstruppen<br />
gezwungen, das<br />
KZ Bergen-Belsen zu betreten und<br />
sich von den schrecklichen Zuständen<br />
im Lager zu überzeugen.<br />
68<br />
Der Krieg in Europa endet am<br />
8. Mai. Deutschland steht unter<br />
Besatzungsrecht.<br />
Am 12. Januar tritt die Rote Armee<br />
an der Weichsel zur Offensive an.<br />
❑ Die Massenflucht und die Vertreibung<br />
von <strong>Deutsche</strong>n aus den deutschen Ostprovinzen,<br />
der Tschechoslowakei und anderen<br />
Ländern beginnen. Von 16,6 Millio -<br />
nen <strong>Deutsche</strong>n, die dort gelebt haben,<br />
sterben dabei über zwei Millionen. Bis<br />
1950 finden rund zwölf Millionen Menschen<br />
Aufnahme im Gebiet westlich der<br />
Oder-Neiße-Linie. Zwei Millionen von<br />
ihnen werden kurz vor Kriegsende über<br />
See gerettet. ❑ In der Nacht vom 13. auf<br />
den 14. Februar wird Dresden durch ei -<br />
nen militärisch absolut sinnlosen Luftangriff<br />
nahezu völlig zerstört. Über 35 000<br />
Menschen (die genaue Zahl steht nicht<br />
fest) kommen dabei ums Leben. ❑ Am<br />
2. Mai erobert die Rote Armee Berlin. ❑<br />
Hitler begeht am 30. April Selbstmord. ❑<br />
Am 9. Ma (um 00.01 Uhr) tritt die bedingungslose<br />
Kapitulation der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Wehrmacht in Kraft. ❑ Auf der Potsdamer<br />
Konferenz wird Ostdeutschland bis<br />
zur Oder-Neiße-Linie unter polnische,<br />
der Nordteil Ostpreußens unter sowjetische<br />
Verwaltung gestellt. ❑ Nach dem<br />
Abwurf amerikanischer Atombomben<br />
über Hiroshima und Nagasaki kapituliert<br />
Japan am 2. September. ❑ Der Zweite<br />
Weltkrieg ist zu Ende. Er hat über 55 Millionen<br />
Tote, darunter fast 7,8 Millionen<br />
<strong>Deutsche</strong>, gefordert. Aber nicht nur die<br />
Zahl der Opfer hat sich im Zweiten Weltkrieg<br />
ins Ungeheure gesteigert. Nun sind<br />
neben gefallenen Soldaten auch die Opfer<br />
der Gewaltherrschaft und des Unrechtsstaates<br />
zu beklagen. Nun liegen in den<br />
Gräbern nicht nur Soldaten, sondern<br />
auch Frauen, Kinder und Greise: Zu den<br />
4 300 000 Toten und Vermissten der Wehrmacht<br />
kommen über 3 500 000 Opfer der<br />
Zivilbevölkerung allein in Deutschland.<br />
Und: Jetzt gibt es im Unterschied zu 1918<br />
neben den Millionen gefallenen und vermissten<br />
Soldaten die Toten des Bombenkrieges<br />
in den Städten, die auf der Flucht<br />
und bei der Vertreibung Umgekommenen,<br />
die von einem verbrecherischen Regime<br />
Gemordeten. Sie alle sind – unbeschadet<br />
der unter anderem Blickwinkel nötigen<br />
Erwägung von Schuld, Scham und Verantwortung<br />
– Opfer derselben unheilvollen<br />
Entwicklung. Von Millionen gibt es<br />
nicht einmal mehr Überreste! Sie haben<br />
„ihr Grab in den Lüften, ihr Grab in den<br />
Wolken“ (Paul Celan, Todesfuge, mit Be -<br />
zug auf die ermordeten Juden). Über alle<br />
Unterschiede hinweg haben sie Anspruch<br />
darauf, nicht vergessen zu werden. ❑ In<br />
Deutsch land herrschen bei völliger Zerstörung<br />
fast aller größeren Städte wirt-<br />
schaftliches Chaos, Hunger, Elend und<br />
Verzweiflung. ❑ Am 20. November beginnt<br />
der Nürnberger Kriegsverbrecher-<br />
Prozess. ■<br />
Am 2. September ist der Zweite<br />
Weltkrieg zu Ende. Nach dem Ab-<br />
wurf zweier Atom bomben durch die<br />
Amerikaner auf Hiroshima (6. August<br />
1945) und Nagasaki (9. August<br />
1945) kapituliert Japan. In Hiroshima<br />
sterben fast 100 000 Menschen,<br />
10 000 sind schwer verwun -<br />
det, 14 000 vermisst. In Nagasaki<br />
kommen 36 000 Menschen um,<br />
40 000 werden verletzt. Wie viele<br />
Menschen an den Spätfolgen gestorben<br />
sind, ist unbekannt.<br />
69
70<br />
Gesichter des Krieges: Trümmer<br />
und Ruinen, Leid und Tod. Der<br />
„totale Krieg“ verschont niemanden.<br />
Für viele ist der Leidensweg mit dem<br />
Ende des Krieges nicht vorbei. Die<br />
Vertreibung, Hunger und Krank heiten<br />
fordern viele weitere Opfer. Diese<br />
Bilder sind Mahnung an uns alle, den<br />
Krieg nicht zu verharm losen und alles<br />
für die Erhaltung des Friedens zu tun.<br />
71
Nach 1945 –<br />
ein Neubeginn<br />
72<br />
Totengedenken nach Kriegsende:<br />
25. November 1945.<br />
Die Organisation des <strong>Volksbund</strong>es<br />
besteht nicht mehr, dennoch beginnen<br />
einzelne Mitarbeiter, wieder Kontakt<br />
miteinander aufzunehmen. Im Rahmen<br />
des Möglichen bergen sie Gefallene und<br />
sammeln Unterlagen über Gräber. Alle<br />
wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen<br />
und eine offizielle Genehmigung<br />
für eine Verbandstätigkeit fehlen.<br />
Erst nach und nach beginnen die Aktivitäten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es wieder, wenigstens<br />
in den westlichen Besatzungszonen.<br />
Ein Neubeginn wird gefunden, der Wie -<br />
deraufbau der Organisation ist jedoch<br />
schwierig. <strong>Das</strong> Gräbergesetz von 1952<br />
weist den Weg zu einer würdigen Anlage<br />
und zur Pflege der Gräber der Opfer von<br />
Krieg und Gewalt. Es überträgt diese Auf -<br />
gaben im Inland den Gemeinden; im Ausland<br />
wird der <strong>Volksbund</strong> im Auftrag der<br />
Bundesregierung tätig. Auf seine Leistungen<br />
– im Folgenden näher be schrie ben –<br />
ist der <strong>Volksbund</strong> mit Recht stolz. Zahlreiche<br />
Anerkennungen aus dem In- und<br />
Ausland werden ihm zuteil. Mit der Arbeit<br />
auf den Gräberfeldern knüpft er an<br />
seine Tätigkeit in der Zeit der Weimarer<br />
Republik an und nutzt seine Erfahrungen<br />
auf diesem Gebiet. Aber auch die politischen<br />
Erfahrungen wirken sich aus. Drei<br />
andere Säulen des Neubeginns müssen<br />
deshalb hier hervorgehoben werden.<br />
Erstens: Nach 1949 bestimmt die Arbeit<br />
für den Frieden den Geist des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Revanchistische Töne, die schon<br />
in der Weimarer Republik und besonders<br />
im Dritten Reich das Erscheinungsbild<br />
des <strong>Volksbund</strong>es beeinträchtigt haben,<br />
gibt es nach 1945 kaum. <strong>Das</strong> Leitmotiv<br />
dieser Arbeit, in Jugendlagern in Belgien<br />
und Frankreich geboren, heißt nun: „Versöhnung<br />
über den Gräbern – Arbeit für<br />
den Frieden.“<br />
Zweitens: Der <strong>Volksbund</strong> stützt sich<br />
nach 1945 ganz wesentlich auf seine Jugendarbeit.<br />
Über 200 000 junge Menschen<br />
haben sich seit Neugründung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
dieser Arbeit gewidmet, viele<br />
Grabstätten vor allem im Ausland werden<br />
so in Ordnung gebracht und gehalten,<br />
und dabei wird viel zur Völkerverständigung<br />
beigetragen. <strong>Das</strong> war erstmals<br />
zwar schon 1932 in Sète in Frankreich<br />
geschehen. Aber was damals noch<br />
ein spontanes Ereignis war, ist heute integrierender<br />
Bestandteil der gesamten Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, verankert in den<br />
satzungs gemäßen Pflichten. Diese Jugendlichen<br />
sind – unbelastet von persönlicher<br />
Mitverantwortung für das Geschehen in<br />
der Vergangenheit – oft die besten Botschafter<br />
des <strong>Volksbund</strong>es im Ausland.<br />
Auch seine Internationalen Jugendlager,<br />
seit Jahren unter Beteiligung junger Men-<br />
schen aus den Ländern Osteuropas, beweisen<br />
das. <strong>Das</strong>s solche Jugendlager heu -<br />
te in nahezu allen Ländern des ehemali -<br />
gen Ostblocks stattfinden, deutet in dieselbe<br />
Richtung. Hier ist in Zukunft noch<br />
viel mehr zu tun.<br />
Drittens: Der <strong>Volksbund</strong> hat verbandsin<br />
tern eine Entwicklung genommen, die<br />
strikt an unserer freiheitlich-demokra tischen<br />
Grundordnung orientiert ist. Es ist<br />
gewiss kein Zufall, dass sich der <strong>Volksbund</strong><br />
1990 nicht nur für die Erhaltung des<br />
Friedens im Nahen Osten einsetzt, sondern<br />
auch gegen jede Gewalt im Inneren.<br />
1992 findet der Vertretertag deutliche Worte<br />
gegen den Bürgerkrieg im ehemaligen<br />
Jugoslawien und zum Terror gegen Ausländer.<br />
Der Weg nach 1945 ist nicht im -<br />
mer einfach und nicht frei von Irritatio -<br />
nen gewesen. Die Satzung (neueste Fassung:<br />
24. Oktober 2008) definiert die<br />
Grundlagen der humanitären Ausrichtung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es:<br />
„Im Gedenken an die Millionen Toten<br />
der Kriege und der Gewaltherrschaft,<br />
in dem Bestreben, das Leid der Hinterbliebenen<br />
zu lindern, und in der Erkenntnis,<br />
dass das Vermächtnis dieser<br />
Toten alle Völker zu Verständigung und<br />
Frieden mahnt, sorgt der <strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge für die<br />
Gräber dieser Toten.<br />
Er will mit seiner Arbeit zur Verständigung<br />
unter den Völkern und zur Förderung<br />
und Erhaltung des Friedens<br />
beitragen.<br />
Grundlage der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
ist die Achtung der unantastbaren<br />
Würde des Menschen. Die Würde des<br />
Menschen reicht über den Tod hinaus.<br />
Daraus erwächst die Verpflichtung,<br />
Kriegsgräberstätten zu schaffen und als<br />
ständige Mahnung zum Frieden dauerhaft<br />
zu erhalten.<br />
Kriegsgräberarbeit bedeutet zugleich,<br />
sich um die Aussöhnung und Verständigung<br />
der Völker zu bemühen und dabei<br />
insbesondere die Begegnung und die<br />
gemeinsame Arbeit junger Menschen<br />
aller Völker an den Kriegsgräberstätten<br />
zu fördern.<br />
Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es steht unter<br />
dem Leitwort:<br />
Versöhnung über den Gräbern – Arbeit<br />
für den Frieden.“<br />
Im Osten, in der späteren DDR, verhindern<br />
zunächst die Besatzungsmacht,<br />
dann die Machthaber des SED-Staates<br />
jegliche Neugründung oder Tätigkeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. Hier nehmen sich Privatpersonen<br />
in den Gemeinden und vor al lem<br />
die Evangelische Kirche der Grab pflege<br />
an, soweit das eben möglich ist. Wenn al -<br />
so im Folgenden von der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
nach 1945 die Rede ist, so bezie -<br />
hen sich diese Aussagen bis 1989 nur auf<br />
die „alte“ Bundesrepublik Deutsch land<br />
einschließlich Westberlins. Erst mit der<br />
Wende in der DDR und der Vereinigung<br />
Deutschlands wird nach einer Zwangspause<br />
von 45 Jahren die Neugründung<br />
von Landes- und Kreisverbänden in der<br />
ehemaligen DDR möglich, auf die viel Arbeit<br />
wartet. Dazu gehören auch die Anla -<br />
ge würdiger Grab- oder zumindest doch<br />
Gedenkstätten für die Opfer der Stalinund<br />
SED-Diktatur und einer zentralen Gedenkstätte<br />
für die Opfer von Krieg und<br />
Gewaltherrschaft, die Neue Wache in Berlin.<br />
Die Bundesgeschäftsstelle und die<br />
westlichen Landes- und Bezirksverbände<br />
des <strong>Volksbund</strong>es helfen den neuen Landesverbänden<br />
beim Aufbau der Strukturen<br />
für eine eigenständige Arbeit.<br />
Aber ganz eindeutig ist hier im Inland<br />
der Staat gefordert. <strong>Das</strong> gilt auch für die<br />
Forcierung der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es in<br />
den Staaten Osteuropas. Der Staat muss<br />
die vertraglichen Grundlagen schaffen<br />
und die notwendigen Arbeiten mit finanzieren<br />
– der <strong>Volksbund</strong> wird in seinem<br />
Auftrag tätig. Angesichts der großen Zahl<br />
der Kriegsgräber und der langen Zeit, die<br />
seit ihrer Anlage verflossen ist, kann hier<br />
nicht nach denselben Methoden wie in<br />
den west lichen Ländern nach 1945 gearbeitet<br />
werden. Aber es besteht gegenüber<br />
den dort ruhenden Opfern von Krieg und<br />
Gewalt dieselbe Verpflichtung wie ge genüber<br />
den Kriegsopfern im Westen. Eine<br />
geteilte Moral darf es so wenig geben wie<br />
geteiltes Gedenken. Deshalb hat die Bundesrepublik<br />
Deutschland als Ganzes für<br />
diese Gräber und deren würdige Behandlung<br />
einzustehen. Der <strong>Volksbund</strong> will<br />
und wird das Seine dazu tun. ■<br />
Der alliierte Bombenkrieg fordert mindestens<br />
500 000 Opfer. <strong>Das</strong> eigene Haus wird für viele<br />
Familien zum Grab. Bei einem der schwersten Angriffe<br />
auf Kassel sterben am <strong>22</strong>./23. Oktober 1943<br />
über 10 000 Menschen. Kreuze an den Ruinen<br />
erinnern an ihr Schicksal.<br />
73
1946<br />
Der Nürnberger Prozess:<br />
<strong>22</strong> Personen sind als<br />
Hauptkriegs verbrecher an ge klagt.<br />
Auf der Anklagebank (wäh rend<br />
der Aussage Hermann Görings):<br />
1. Reihe von links:<br />
Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop,<br />
Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner,<br />
Alfred Rosenberg, Hans<br />
Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher,<br />
Walther Funk, Hjalmar Schacht;<br />
2. Reihe von links:<br />
Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von<br />
Schirach, Fritz Sauckel, Alfred Jodl,<br />
Franz von Papen, Arthur Seyss-Inquart,<br />
Albert Speer, Konstantin Freiherr<br />
von Neurath, Hans Fritzsche.<br />
Zwölf Todesurteile werden verhängt.<br />
Göring entzieht sich der Hinrichtung<br />
durch Selbstmord mit Gift.<br />
74<br />
Eine große Zahl entwurzelter Menschen,<br />
heimatlos geworden, auch<br />
zwangsverschleppte Ausländer, sogenannte<br />
DPs (displaced persons) irren, oft<br />
obdachlos, durchs Land, wissen nicht<br />
wohin. ❑ Mit dem Inkrafttreten des Befreiungsgesetzes<br />
vom 5. März in der US-<br />
Zone beginnt die Entnazifizierung. ❑<br />
Amerikanische Hilfsorganisationen unterstützen<br />
durch Sendungen von Lebensmitteln<br />
und Kleidungsstücken (Care-<br />
Pa kete) die notleidende Bevölkerung<br />
Deutsch lands. ❑ Zwischen den Siegermächten<br />
aus Ost und West kommt es zu<br />
ernsten politischen Spannungen. ❑ Eine<br />
Rede des Außenministers der USA, James<br />
Byrnes, in Stuttgart am 6. September markiert<br />
eine Neuorientierung der amerikanischen<br />
Politik gegenüber Deutschland.<br />
❑ Am 1. Oktober werden die Urteile des<br />
Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher<br />
in Nürnberg verkündet. ❑ In den<br />
Westzonen finden erste Landtagswahlen<br />
statt. Dr. Konrad Adenauer wird Vorsitzender<br />
der CDU in der britischen Zone,<br />
Dr. Kurt Schumacher Vorsitzender der<br />
SPD. ❑ <strong>Das</strong> VW-Werk in Wolfsburg beginnt<br />
mit einer bescheidenen Serienfabrikation.<br />
❑ In der sowjetischen Besatzungs -<br />
zone (SBZ) erzwingt die Sowjetunion,<br />
teilweise unter Anwendung von Terror,<br />
willkürlichen Verhaftungen und Weiterverwendung<br />
der Konzentrationslager aus<br />
dem Hitlerreich (zum Beispiel <strong>Buch</strong>enwald,<br />
Sachsenhausen), die Vereinigung<br />
von KPD und SPD zur Sozialistischen<br />
Einheitspartei Deutschlands (SED). Viele<br />
Gegner werden umgebracht. Wenig spä-<br />
ter beginnt unter Anwendung derselben<br />
Mittel die Gleichschaltung der anderen<br />
Parteien. ❑ Am 2. Dezember wird die Ver -<br />
einbarung über den Zusammenschluss<br />
der britischen und der amerikanischen<br />
Zone zur Bizone unterzeichnet. ■<br />
In Oldenburg treffen sich die ersten<br />
vom Krieg verstreuten Mitarbeiter<br />
des <strong>Volksbund</strong>es und errichten eine erste,<br />
noch provisorische Geschäftsstelle. ❑ Am<br />
10. April erhält der <strong>Volksbund</strong> von der<br />
britischen Militärregierung eine generelle<br />
Arbeitsgenehmigung für die gesamte britische<br />
Zone: „Dieser Organisation wird<br />
die Erlaubnis gegeben, innerhalb der britischen<br />
Zone zu arbeiten als eine Dienststelle,<br />
die gleichgeordnet ist den örtlichen<br />
Ausschüssen, die unter der Kontrollkommission<br />
I. A. und C. Division Militärregierung<br />
Anweisung Nr. 51 errichtet worden<br />
sind. Eine Abschrift dieser Anweisung<br />
liegt zu Ihrer Kenntnisnahme bei. Diese<br />
Erlaubnis ist folgenden Bedingungen unterworfen:<br />
Die Arbeit dieser Ausschüsse<br />
wird beschränkt auf die Identifizierung<br />
der Gräber, auf die Errichtung einfacher<br />
Einzelkreuze oder Tafeln und auf die Unterhaltung<br />
der Gräber und Friedhöfe.<br />
Sam meldenkmäler und auffallende<br />
Ein zel denkmäler dürfen nicht errichtet<br />
werden ...“ ■<br />
Deutschland nach dem Krieg –<br />
Leben inmitten von Trümmer wüsten<br />
und Kriegsgräbern. Hunger, Wohnungsnot<br />
und die Suche nach den<br />
Angehörigen sind die größten<br />
Probleme. Der Staat ist zusammen -<br />
gebrochen, die Bevölkerung hat den<br />
Anord nungen der Besatzungsmächte<br />
bedingungslos zu folgen.<br />
75
1947<br />
Überall in Deutschland findet man<br />
provisorisch angelegte Kriegsgräber.<br />
<strong>Das</strong> Grab einer deutschen Mutter<br />
liegt bei Kilometer 43 neben der Autobahn<br />
Hamburg-Bremen. Zahllose<br />
Schicksale von gefallenen Soldaten<br />
und zivilen Kriegs opfern sind<br />
ungeklärt – eine große Auf gabe für<br />
den <strong>Volksbund</strong>, dessen Erfahrung<br />
dringend benötigt wird.<br />
76<br />
Auf Beschluss des Alliierten Kontrollrates<br />
wird der Staat Preußen<br />
aufgelöst. ❑ In München kommt es am<br />
6. und 7. Juni zur ersten und einzigen<br />
gesamtdeutschen Konferenz der Ministerpräsidenten<br />
der neu entstandenen<br />
deutschen Länder. Die Ministerpräsidenten<br />
der Länder der Sowjetischen Besatzungszone<br />
(SBZ) verlassen weisungsge -<br />
mäß vorzeitig die Konferenz. ❑ Am<br />
16. Juni wird der Wirtschaftsrat der Bizone<br />
mit dem Sitz in Frankfurt durch die<br />
Besatzungsmächte Großbritannien und<br />
USA eingerichtet. <strong>Das</strong> Wirtschaftsgebiet<br />
der Bizone wird am Marshallplan (Geor -<br />
ge Marshall, US-Außenminister) beteiligt.<br />
❑ Die Außen ministerkonferenzen der Siegermächte<br />
in Moskau und London bringen<br />
keine Einigung über das sogenannte<br />
Deutsch landproblem. ❑ Schwarz marktpreise<br />
sind für viele unerschwinglich: Ein<br />
Ei kostet zwölf Reichsmark, ein Kilo Kaffee<br />
1 200 Reichsmark, 20 amerikanische<br />
Zi garetten 150 Reichsmark, eine Schachtel<br />
Streichhölzer fünf Reichs mark. ■<br />
Am 11. Januar stellt das Bayerische<br />
Staatsministerium des Innern einen<br />
Antrag auf Wiederzulassung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
an die Militärregierung in Bayern.<br />
Die Genehmigung wird am 4. September<br />
erteilt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> nimmt Kontakt<br />
mit dem amtlichen italienischen Gräberdienst<br />
auf. ■<br />
<strong>Das</strong> Ruhrstatut wird verkündet: Ei ne<br />
internationale Kontrollbehörde von<br />
sieben Nationen setzt Verteilungsquoten<br />
für Kohle und Eisen fest. <strong>Das</strong> Statut führt<br />
1952 zur Montanunion. ❑ Im Rahmen des<br />
Marshallplanes investieren die USA von<br />
1948 bis 1951 insgesamt 13 Milliarden<br />
Dollar für den wirtschaftlichen Wiederaufbau<br />
Europas einschließlich Westdeutschlands.<br />
❑ Der 20. Juni bringt die<br />
lange vorbereitete Währungsreform in<br />
den drei westlichen Besatzungs zonen. Je -<br />
der Bürger erhält 40 D-Mark, im August<br />
nochmals 20 D-Mark. Die Sowjetunion<br />
unterbindet noch am gleichen Tage jeglichen<br />
Personen- und Güterverkehr, wenige<br />
Tage darauf auch den Verkehr zwi -<br />
schen den West zonen und Berlin. Die Berlin-Blockade<br />
fängt an. Die West alliierten<br />
beginnen sofort damit, die Bevölkerung<br />
Westberlins aus der Luft zu ver sor gen.<br />
Die Sowjetunion spaltet Berlin. ❑ Im Westen<br />
Berlins wird die Freie Universität gegründet.<br />
❑ Im Gebäude des Bonner Mu -<br />
seums Koenig beginnt der Par lamentari-<br />
sche Rat am 1. September seine Arbeit am<br />
Grundgesetz. ❑ Mahat ma Gandhi wird ermordet.<br />
Indien verdankt die Unabhängigkeit<br />
seiner Politik des gewaltlosen Wider -<br />
standes. ❑ Der Staat Israel wird ge grün -<br />
det und muss sich sogleich gegen seine<br />
arabischen Nachbarn zur Wehr setzen. ■<br />
Im Mai verlegt der <strong>Volksbund</strong> seine<br />
unter schwierigen Bedingungen arbeitende<br />
Bundesgeschäftsstelle von Oldenburg<br />
i. O. nach Nienburg a. d. Weser.<br />
❑ In Bremen nimmt er die Tradition des<br />
Volkstrauertages in der bis 1932 üblichen<br />
Form wieder auf. ❑ Eine aus ehemaligen<br />
deutschen Kriegsgefangenen gebildete<br />
Ständige Delegation des <strong>Volksbund</strong>es<br />
beginnt in Rom mit der Arbeit. Sie wird<br />
dem Commissariato Generale im italie -<br />
nischen Vertei digungs ministerium unterstellt.<br />
■<br />
1948<br />
Der Wiederaufbau der deutschen<br />
Wirtschaft wird in den ersten Jahren<br />
durch die Demon tage schwer<br />
be ein trächtigt. Während die West -<br />
mächte bereits auf den Wieder aufbau<br />
Deutschlands setzen, wird in der<br />
Sowjetische Besatzungszone (SBZ)<br />
weiter demontiert.<br />
77
78<br />
Währungsreform 1948 in den drei West zonen:<br />
Über Nacht sind die Schaufenster wieder gefüllt.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> Mark löst die wertlose Reichsmark und<br />
die Zigaretten währung des Schwarzmarktes ab.<br />
Am 24. Juni blockieren die Sowjets Berlin.<br />
Nur der Luftweg bleibt offen. Die westalliierten<br />
Rosinenbomber bringen täglich bis zu 12 900 Tonnen<br />
Versor gungs güter in die Stadt, bis 1949 ins gesamt<br />
1 736 781 Tonnen in 212 621 Transportflügen.<br />
88 Mitglieder von Flugzeug be sat zungen kommen<br />
dabei ums Leben.
1949<br />
80<br />
Die umfangreichen Demontagen im<br />
Ruhrgebiet führen zu örtlichen Unruhen.<br />
❑ Die UdSSR gibt die Berliner<br />
Blockade auf. Die 2,3 Millionen Westberliner<br />
sind durch die erste große „Luftbrücke“<br />
der Geschichte über elf Monate<br />
lang versorgt worden. ❑ Der Parlamentarische<br />
Rat beschließt am vierten Jahrestag<br />
der Kapitulation mit 53 gegen 12 Stimmen<br />
das Grundgesetz für die Bundes republik<br />
Deutschland. Es tritt am 23. Mai in<br />
Kraft, nachdem es von den Landtagen angenommen<br />
worden ist. ❑ Vier Tage später<br />
verkünden die drei westlichen Besat -<br />
zungsmächte ein neues Besatzungs statut.<br />
❑ Bonn wird Sitz der Bundesre gierung.<br />
Bei der ersten Bundestagswahl am 14. Au -<br />
gust fallen von den 402 Sitzen auf CDU/<br />
CSU 139, SPD 131, FDP 52, DP (<strong>Deutsche</strong><br />
Partei) 17, Bayern-Partei 17, KPD 15, WAV<br />
(Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung) 12,<br />
Zentrum 10, Nationale Rechte 5, Südschleswigscher<br />
Wählerverband 1, Sonstige<br />
3 Sitze. ❑ In Westdeutschland gibt<br />
es 1,3 Millionen Arbeits lose (8,8 Prozent).<br />
❑ Die Sowjetunion veranlasst die SED<br />
und die gleichgeschalteten Blockparteien<br />
zur Schaffung der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />
Republik. ❑ In München gründet<br />
sich der <strong>Deutsche</strong> Gewerkschaftsbund;<br />
Hans Böckler wird zum Vorsitzenden gewählt.<br />
■<br />
<strong>Das</strong> Genfer Abkommen über den<br />
Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte<br />
wird am 11. August von zunächst<br />
59 Staaten unterzeichnet; unter ihnen ist<br />
auch die Bundesrepublik Deutschland.<br />
Ein Zusatzabkommen sichert das dauernde<br />
Ruherecht der Kriegstoten. ❑ Der<br />
Vertretertag des <strong>Volksbund</strong>es, der sich<br />
noch Bundesrat nennt, wählt in Rothen -<br />
burg o. d. T. Landeshauptmann i. R. Eberhard<br />
Hagemann zum Präsidenten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. Der bisherige Präsident,<br />
Staatsrat a. D. Wil helm Ahlhorn, wird Ehrenpräsident.<br />
❑ Der Präsident führt zusammen<br />
mit dem neu ernannten Gene ralsekretär<br />
Otto Margraf in Genf erste Besprechnungen<br />
mit dem Internationalen<br />
Komitee vom Roten Kreuz, der YMCA<br />
(Young Men’s Christian Association),<br />
dem Ökumenischen Rat, dem Lutheri -<br />
schen Weltbund, Dienststellen der Vereinten<br />
Nationen so wie der Caritas Interna -<br />
tionalis. ❑ Ab August erscheint die Zeitschrift<br />
„Kriegs grä berfürsorge“ wieder. Sie<br />
berichtet: Die bel gi sche Regierung hat die<br />
Zusammenbettung aller deutschen Gefallenen<br />
des Zweiten Weltkrieges nach Lommel<br />
und Recogne-Foy beschlossen. ❑ <strong>Das</strong><br />
Niederländische Rote Kreuz hat die Gräber<br />
von 34 000 deutschen Gefallenen erfasst.<br />
❑ Vielerorts sorgen die deutschen<br />
Kriegs ge fan genen und Zivilarbeiter für<br />
die Grä ber. ❑ Berichte liegen aus Dänemark,<br />
Frankreich, Griechenland, Italien,<br />
Jugo slawien, Polen, Rumänien, Ungarn<br />
und der Tsche cho slo wakei vor. ❑ Im November<br />
wird der <strong>Volksbund</strong> in Westberlin<br />
zugelassen. ■<br />
Der Soldatenfriedhof in Edewecht/<br />
Oldenburg (424 Kriegstote) gehört<br />
zu den ersten vom <strong>Volksbund</strong> aus -<br />
gebauten Anlagen. Die eichenen<br />
Holzkreuze wurden gestiftet.<br />
81
1950<br />
Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />
Weeze am Niederrhein. Aus diesem<br />
Basaltlava-Block im Gewicht von<br />
275 Tonnen ist die Hochkreuzgruppe<br />
herausgehauen worden. <strong>Das</strong> mittlere<br />
Kreuz der Gruppe ist über fünf Meter<br />
hoch und wiegt 19 Tonnen, die beiden<br />
flankierenden Kreuze je 17 Tonnen.<br />
82<br />
Die Bundesregierung entscheidet<br />
sich für die soziale Marktwirtschaft<br />
und hebt schrittweise die Zwangswirtschaft<br />
auf. ❑ Die Lebensmittelrationierung<br />
wird beendet. ❑ Noch immer wer -<br />
den etwa 1,5 Millionen <strong>Deutsche</strong> ver misst.<br />
❑ Am 5. Mai erklärt die Sowjetunion die<br />
Rückführung deutscher Kriegs gefangener<br />
für abgeschlossen, obwohl seit der Kapitulation<br />
erst 1,9 von über 3,1 Millionen<br />
Soldaten zurückgekehrt sind. Da nach<br />
sind 1,1 bis 1,2 Millionen deutsche Kriegsgefangene<br />
bereits verstorben oder werden<br />
noch festgehalten. ❑ Im Juni tritt die<br />
Bundesrepublik dem Europarat bei. ❑<br />
Die Regierung der DDR lehnt gesamtdeutsche<br />
Wahlen ab. ❑ 600 000 Berliner<br />
demonstrieren am 1. Mai für die Freiheit<br />
ihrer Stadt. ❑ Der Koreakrieg beginnt. ■<br />
Die französischen Behörden genehmigen<br />
den Aufbau des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in ihrer Besatzungszone. ❑ Auf Wunsch<br />
des <strong>Volksbund</strong>es findet am 5. März erstmals<br />
nach 1945 im Bonner Bundeshaus<br />
eine Feierstunde zum Volkstrauertag<br />
statt. ❑ Im Anschluss an den Vertretertag<br />
in Gel senkirchen weiht der <strong>Volksbund</strong><br />
am 10. September die Friedhöfe Weeze<br />
und Dons brüggen ein. In Weeze spricht<br />
Bun des präsident Theodor Heuss. ❑ Die<br />
Landesverbände haben zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits Hunderte von Kriegs gräberstätten<br />
angelegt. ❑ Die Bundesbahn<br />
gewährt zu Allerheiligen/Allerseelen<br />
und zum Totensonntag im Bundesgebiet<br />
50 Prozent Fahr preisermäßigung für Besucher<br />
von Kriegs gräbern. ❑ Die ersten<br />
Kriegs grä berfahrten des <strong>Volksbund</strong>es ins<br />
Ausland führen im November nach Sandweiler/Luxemburg<br />
und Lommel/Belgien.<br />
❑ Die Bundesgeschäftsstelle erhält<br />
81 300 Anfragen und versendet insgesamt<br />
115 000 Schreiben. ❑ In Bonn wird ein Ver -<br />
bindungsbüro des <strong>Volksbund</strong>es zur Bundesregierung<br />
eingerichtet. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
stellt den Antrag, auf dem Soldatenfriedhof<br />
Cassino arbeiten zu dürfen. ■<br />
Wilhelm Haffke (zweiter von rechts)<br />
organisiert die Kriegsgräberreisen<br />
des <strong>Volksbund</strong>es (hier im Gespäch<br />
mit dem Beauftragten des Volks -<br />
bundes für Belgien, Fischell, und<br />
Vertretern der Stadt Luxemburg).<br />
Bundespräsident Theodor Heuss<br />
(links, rechts Präsident Hagemann)<br />
hält die An sprache zur Einweihung<br />
des Friedhofes in Weeze.<br />
„<strong>Das</strong> Sterben am Niederrhein<br />
im Jahre 1944/45 war ein<br />
Opfergewordensein, ein Geopfert<br />
wordensein. Denn der Krieg<br />
war damals schon verloren, und<br />
viele, die hier liegen, wussten,<br />
dass er verloren sei. Und das ist<br />
das tragisch drückende Gefühl:<br />
Sie starben an ihre Pflicht gebunden,<br />
und davon darf nur in<br />
Dank barkeit und Ehrfurcht vor<br />
dem Einzelschicksal gesprochen<br />
werden. Ein anderer Ton ist<br />
nicht erlaubt. <strong>Das</strong> kämpfende<br />
Soldatentum einer alten, großen<br />
Geschichte ist unter gegangen.<br />
<strong>Das</strong> Schicksal unserer Nation<br />
liegt auch in den Massengräbern<br />
der Bombennächte.<br />
Es liegt auch in den Gruben<br />
am Rande der KZ-Lager.“<br />
Theodor Heuss<br />
83
1951<br />
Pastor de Beaulieu, einer der ersten<br />
ausländischen Helfer des Volks bundes,<br />
mit deutschen Angehö rigen bei<br />
einer Andacht auf dem noch nicht<br />
ausgebauten Friedhof Andilly.<br />
Volkstrauertag in Bonn:<br />
Präsident Hagemann, Bundeskanzler<br />
Adenauer, Bundespräsident Heuss.<br />
84<br />
Die Einsatzgruppe Afrika des<br />
<strong>Volksbund</strong>es wird von General -<br />
sekretär Margraf verabschiedet.<br />
Ihre Aufgabe: Umbettung von<br />
Gefallenen in Nordafrika.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat die Soldaten -<br />
friedhöfe Vossenack und Hürtgen<br />
(rechte Seite) in der Eifel ausgebaut.<br />
Am 18. April reist Bundeskanzler<br />
Adenauer zur Unterzeichnung des<br />
Vertrages über die Montan union nach<br />
Paris. ❑ Am 9. Juli erklären die west lichen<br />
Besatzungsmächte den Kriegszustand<br />
mit Deutschland für beendet. ■<br />
Im März erscheint erstmals ein Programm<br />
für Kriegsgräberreisen, das<br />
16 Fahrten umfasst. ❑ Die Bundesgeschäftsstelle<br />
verlegt im Mai ihren Sitz von<br />
Nienburg nach Kassel. ❑ Beim Vertretertag<br />
in Kassel wird bekanntgegeben, dass<br />
dem <strong>Volksbund</strong> rund 480 000 Einzelmitglieder<br />
in zehn Landesverbänden und<br />
7 650 Ortsgruppen angehören. Über<br />
18 000 Städte und Gemeinden und mehr<br />
als 17 000 Schulen sind korporative Mitglieder.<br />
❑ Zu 26 ausländischen Staaten<br />
bestehen Arbeitsbeziehungen; in Frankreich,<br />
Bel gien, den Niederlanden und<br />
Luxemburg hat der <strong>Volksbund</strong> jeweils<br />
Beauf tragte. ■<br />
Der Deutschlandvertrag, durch den<br />
die Bun desrepublik, von einigen Vorbehalten<br />
abgesehen, ihre Souveränität erhält,<br />
wird unterzeichnet. Er tritt am 5. Mai<br />
1955 in Kraft. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />
das „Gesetz über die Sorge für<br />
die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz).“ ❑<br />
Die Massenflucht aus der DDR nach Westberlin<br />
erreicht im August mit 16 000 Personen<br />
einen Höhepunkt. ❑ Ein Lastenausgleichsgesetz<br />
zur gerechteren Verteilung<br />
der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden tritt<br />
in Kraft – unbestritten eine der wichtigsten<br />
sozialen Leistungen im wieder entstehenden<br />
Deutschland. ❑ Bundes präsident<br />
Heuss erklärt das Deutschlandlied<br />
zur Nationalhymne. Bei öffentlichen Veranstaltungen<br />
soll nur die dritte Strophe<br />
gesungen werden. ❑ Die USA zünden die<br />
erste Wasserstoffbombe. ❑ Der Arzt und<br />
Theologe Albert Schweit zer erhält den<br />
Friedens nobelpreis. ■<br />
<strong>Das</strong> Kriegsgräbergesetz, das die<br />
Kriegsgräberfürsorge im Inland den<br />
Bundesländern überträgt, ermöglicht dem<br />
<strong>Volksbund</strong>, seine Kräfte und Mittel der<br />
Auf ga be im Ausland zuzuwenden. Er betrachtet<br />
sich jedoch weiter als mitverantwortlich<br />
für die Kriegsgräber im Inland,<br />
zumal er bis zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet<br />
über 400 Kriegsgräberstätten<br />
fertiggestellt hat. ❑ Wegen der Wahlen im<br />
neu gebildeten Land Baden-Würt tem berg<br />
am 9. März wird der Volks trau ertag kurzfristig<br />
auf den Herbst verlegt. Dies führt<br />
in Absprache mit der Bundesregierung,<br />
den Bundesländern und den Kirchen zur<br />
Fest legung des Volkstrauertages auf den<br />
vorletzten Sonn tag vor dem ersten Ad -<br />
vent. ❑ Gustav Ahlhorn wird Präsident<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Am 23. Juni unterzeichnet<br />
die Bundesregierung das vom<br />
<strong>Volksbund</strong> vorberei tete Kriegsgrä berabkommen<br />
mit Luxemburg. ❑ Jugendliche<br />
aus einer Frei burger Gewerbeschule arbeiten<br />
erstmals auf dem Soldatenfriedhof<br />
Cassino. Sie reparieren Grabkreuze und<br />
leisten gärtnerische Arbeiten. ■<br />
1952<br />
Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber<br />
(Kriegsgräbergesetz) vom 27. Mai 1952 (Auszug aus §1)<br />
(1) Kriegsgräber im Sinne dieses Gesetzes sind, soweit sie in dem<br />
Anwendungsgebiet dieses Gesetzes liegen,<br />
1. die Gräber der Personen, die im Zweiten Weltkrieg<br />
a) bei ihrem Tode militärischen oder militärähnlichen Dienst ...<br />
versehen haben, ...<br />
b) nachweislich an den Folgen der Gesundheitsschädigungen,<br />
die sie sich im militärischen oder mitlitärähnlichen Dienst<br />
zugezogen haben, gestorben sind ...,<br />
c) in der Kriegsgefangenschaft gestorben sind oder<br />
noch sterben ...<br />
2. die Gräber der Kriegsteilnehmer fremder Staaten, die im zweiten<br />
Weltkrieg gefallen oder als Kriegsgefangene gestorben sind,<br />
3. die Gräber der deutschen und ausländischen Zivilpersonen, die<br />
durch unmittelbare Kriegseinwirkungen im zweiten Weltkrieg<br />
ihr Leben verloren haben.<br />
(2) Kriegsgräber sind ferner die Gräber, die nach § 5 des Gesetzes<br />
über die Erhaltung der Kriegsgräber aus dem Weltkrieg vom<br />
29. Dezember 19<strong>22</strong> ... als Kriegsgräber anerkannt sind. ...<br />
85
Bundespräsident Heuss (rechts)<br />
übernimmt die Schirmherrschaft über<br />
den <strong>Volksbund</strong> (von links: Präsident<br />
Ahlhorn, der erste stell vertretende<br />
Präsident Dr. Hatteisen, Dr. Koch,<br />
Vorsitzender des Landesverbandes<br />
Nordrhein-Westfalen).<br />
86<br />
Linke und rechte Seite: Die deutsche<br />
Kriegsgräberstätte Sandweiler im<br />
Ausbau. Hier ruhen 10 895 Kriegstote<br />
des Zweiten Weltkrieges.<br />
87
1953<br />
Der spontane Aufstand gegen das<br />
SED-Regime beginnt in Berlin und<br />
weitet sich schnell auf weite Teile der<br />
DDR aus. Aber gegen die sowje tischen<br />
Panzer und die Volks polizei<br />
haben die unorga nisierten Bürger<br />
keine Chance. Am 19. Juni ist<br />
der Aufstand niedergeschlagen.<br />
Der Friedhofsbau im Ausland hat<br />
begonnen: In Tobruk (Libyen) ruhen<br />
deutsche Gefallene der Kämpfe in<br />
Nordafrika 1941 – 1943.<br />
88<br />
17. Juni: Aufstand der Arbeiter in der<br />
DDR gegen das SED-Regime. Er<br />
wird durch sowjetische Truppen niedergeschlagen.<br />
❑ <strong>Das</strong> <strong>Deutsche</strong> Rote Kreuz<br />
erklärt, von den etwa zwei Millionen im<br />
Osten vermissten deutschen Soldaten<br />
lebe die Mehrzahl nicht mehr. ■<br />
Beim Vertretertag im Mai in Berlin<br />
wird berichtet: 1 828 Listen mit<br />
Grablagen sind ausgewertet (1950 waren<br />
es 1 027), die positiven Bescheide auf Anfragen<br />
erreichen 50 Prozent. ❑ An 51<br />
Kriegsgräberfahrten im Jahre 1952 haben<br />
4 500 Angehörige teilgenommen. ❑ Seit<br />
der Wäh rungs reform hat der <strong>Volksbund</strong><br />
9 140 000 DM für die Gräberfürsorge aufgewandt.<br />
❑ Im September besucht Olav<br />
Brunvand, Staatssekretär des norwegischen<br />
Verteidigungsministeriums, die<br />
Bundesgeschäftsstelle. Der Besuch führt<br />
zu einer Vereinbarung mit Norwegen<br />
über die deutschen Kriegsgräber. ❑ Der<br />
ägyptische Staatspräsident General<br />
Naguib stellt im September der Arbeitsgruppe<br />
Afrika einen Fieseler Storch (ein<br />
leichtes Aufklärungsflugzeug) für die<br />
Gräbersuche in der Wüste zur Verfügung.<br />
❑ Die Einsatzgruppe Nordafrika, die im<br />
Dezember nach Kassel zurückkehrt, hat<br />
über 6 000 Tote aus Wüsten gräbern geborgen.<br />
❑ 4 400 Angehörige nehmen an<br />
77 Kriegsgräberreisen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
teil. ❑ Dem Posteingang in diesem Jahr<br />
von 114 356 steht ein Ausgang von<br />
162 737 Schreiben gegenüber. ❑ In Italien<br />
sind Grablagen von 102 420 deutschen<br />
Toten an über 3 000 Orten erfasst. ❑ Der<br />
<strong>Volksbund</strong> beginnt mit dem Aufbau seines<br />
Umbettungsdienstes. ■<br />
Jugendliche des CVJM (Christlicher<br />
Verein Junger Männer) und des<br />
Kolpingwerkes arbeiten zusammen<br />
mit flämischen Jugendlichen auf dem<br />
deutschen Soldatenfriedhof Lommel/<br />
Belgien. Pater Rieth organisiert<br />
dieses erste Jugendlager nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg. Hier entsteht das<br />
Motto „Versöhnung über den<br />
Gräbern,“ das später durch „Arbeit<br />
für den Frieden“ ergänzt wird.<br />
1950 kommt Pater Rieth zum ersten<br />
Mal auf den Soldatenfriedhof:<br />
„Höhnend tanzen die elenden <strong>Buch</strong>staben<br />
auf dem amtlichen Weg weiser<br />
am Eingang: <strong>Deutsche</strong>r Soldaten -<br />
friedhof. Betreten streng verboten!<br />
Seuchengefahr! – Seuche? Da keiner<br />
Antwort gab, blieb nur die Tat. Ein<br />
amerikanischer Mit bruder segnete<br />
unter polizeilicher Aufsicht den<br />
Acker. In den nächsten Semester -<br />
ferien kamen junge <strong>Deutsche</strong> und<br />
Belgier. Auf den Totenacker durften<br />
sie nicht. Polizei stand davor. Ein<br />
Jahr verging. Lommel blieb unzugänglich.<br />
Dann gelang es. Die persönliche<br />
Initiative wurde auf gegriffen,<br />
organisiert, einem grö ßeren<br />
Rahmen eingefügt.“<br />
89
1954<br />
90<br />
Der <strong>Volksbund</strong> baut eine zentrale<br />
Gräberkartei auf, um schnell<br />
Auskunft über die Grablagen der<br />
Gefallenen geben zu können.<br />
Bundeskanzler Adenauer verhandelt<br />
im September in Moskau und<br />
erreicht durch Aufnahme diploma tischer<br />
Be ziehungen die Entlassung<br />
der letzten deutschen Kriegsgefan genen.<br />
Etwa 9 600 Spätheimkehrer<br />
kommen endlich nach Hause. Sie<br />
galten als tot oder verschollen.<br />
Im Lager Friedland: Ein Kind sieht<br />
zum ersten Mal seinen Vater, der aus<br />
der Sowjetunion zurückkommt.<br />
Die Außenministerkonferenz der<br />
vier Großmächte in Berlin bringt<br />
keine Lösung in der Deutschlandfrage.<br />
❑ In den Pariser Verträgen vereinbaren<br />
die USA und Großbritannien die Wiederbewaffnung<br />
Westdeutschlands. ■<br />
Am 28. Mai werden Kriegs grä berabkommen<br />
mit Belgien und am 23. Oktober<br />
mit Frankreich unterzeichnet. ❑<br />
Am 11. Mai kommt der Leiter des amerikanischen<br />
Gräberdienstes für Westeuropa<br />
zu Informa tions gesprä chen in die Bundes<br />
geschäfts stelle. ■<br />
Bundeskanzler Adenauer (links der<br />
sowjetische Minister präsident Nikolaj<br />
Bulganin) erreicht 1955 in Moskau<br />
die Freilassung der letzten deutschen<br />
Kriegsgefangenen.<br />
Die Sowjetunion erklärt am 25. Jan u -<br />
ar die Wiedervereinigung zur Angelegenheit<br />
der <strong>Deutsche</strong>n. Sie beendet an<br />
diesem Tag formell den Kriegszustand<br />
mit Deutschland. ❑ Die saarländi sche<br />
Bevölkerung erklärt sich in einer Volksabstimmung<br />
am 23. Oktober gegen ein<br />
eu ropäisches Statut für das Saarland.<br />
1957 wird es als neues Bundesland Teil<br />
der Bundesrepublik. ❑ Die Arbeitslo sigkeit<br />
sinkt auf 495 000. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> weiht seine ersten<br />
beiden Kriegsgräberstätten im Ausland<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg ein:<br />
Am 5. Juni Sandweiler/Luxemburg<br />
(10 895 Tote) und am 20. November To -<br />
bruk/Libyen (6 026 Tote). ❑ Für Tobruk<br />
ist die Form der Gruftanlage gewählt<br />
worden. ❑ Mit Italien wird ein Kriegsgräberabkommen<br />
unterzeichnet. ❑ Der Vertretertag<br />
findet in Konstanz statt. ■<br />
1955<br />
Die Angehörigen kommen mit<br />
Sonderzügen zur Ein weihung des<br />
Friedhofes Sandweiler/Luxemburg<br />
am 5. Juni.<br />
91
1956<br />
Nur mit einem massiven Einsatz<br />
von Panzern und Flug zeugen gelingt<br />
es den Sowjets, den Volksaufstand in<br />
Ungarn niederzuschlagen.<br />
Der Westen protestiert, kann sich<br />
aber wie 1953 in der DDR nicht<br />
zum Ein greifen durchringen.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> Bundespost bringt im<br />
November eine Sondermarke zum<br />
Gedenken an die Gefallenen heraus.<br />
92<br />
In der Bundesrepublik wird die<br />
allgemeine Wehrpflicht eingeführt.<br />
❑ Zum Jahresende veröffentlicht das<br />
Bundesministerium des Innern nachstehende<br />
Zahlen: 1 245 000 Angehörige der<br />
Wehrmacht werden vermisst, 100 000<br />
Kriegsgefangene sind verschollen, das<br />
Schicksal von 3,2 Millionen Zivilpersonen<br />
der deutschen Ostgebiete und von<br />
800 000 Zivilverschleppten ist noch ungeklärt,<br />
16 000 Kinder suchen nach ihren<br />
Eltern, 17 000 Kinder werden von ihren<br />
Eltern gesucht. ❑ Im Oktober schlagen<br />
sowjetische Truppen den Volksaufstand<br />
in Ungarn nieder. ❑ Die Intervention<br />
Eng lands und Frankreichs am Suezkanal<br />
erregt die Weltöffentlichkeit. ❑ <strong>Das</strong> Weltpotenzial<br />
an Atombomben wird auf<br />
50 000 geschätzt, davon besitzen die USA<br />
35 000 und die Sowjetunion 15 000. ❑ <strong>Das</strong><br />
Internationale Rote Kreuz arbeitet einen<br />
„Entwurf von Regeln betreffend den<br />
Schutz der Zivilbevölkerung gegen die<br />
Gefahren des unterschiedslos geführten<br />
Krieges“ aus. ■<br />
Trotz der Suezkrise gehen die Bauarbeiten<br />
an der Kriegsgräberstätte El<br />
Alamein weiter. <strong>Das</strong> Kriegsgräber abkommen<br />
mit Ägypten wird im Februar abgeschlossen.<br />
❑ Alle Bemühungen, mit den<br />
Staaten des Ostblocks über die deutschen<br />
Kriegsgräber ins Gespräch zu kommen,<br />
schlagen fehl. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat fast<br />
600 000 Mitglieder in 10 205 Ortsgruppen,<br />
300 Kreisverbände und 32 Bezirksverbän -<br />
de. ❑ Die Zahl der positiven Auskünfte<br />
der Zentralgräberkartei kann auf 66 Prozent<br />
gesteigert werden. Im Arbeitsjahr<br />
1955 werden 59 Kriegsgräberreisen mit<br />
4 917 Angehörigen gezählt und 13 124 Be -<br />
scheinigungen zum Erhalt der Fahr preisermäßigung<br />
ausgestellt. ❑ In Frankreich<br />
und Italien beginnen 150 Mitarbei ter des<br />
Umbettungsdienstes mit der Zusammenbettung<br />
der deutschen Kriegs toten auf<br />
Sammelfriedhöfen. ■<br />
Der neue deutsche Botschafter<br />
in Moskau, Dr. Haas (links), informiert<br />
sich in der Bundesgeschäftsstelle<br />
des <strong>Volksbund</strong>es über die<br />
Situation der Kriegsgräber in der<br />
Sowjetunion; rechts Generalsekretär<br />
Otto Margraf.<br />
Immer noch gibt es in Frankreich<br />
zahllose Feld gräber. Der Um bet -<br />
tungs dienst des <strong>Volksbund</strong>es sucht –<br />
unterstützt von der Be völ kerung –<br />
nach den Gefal lenen und bringt sie<br />
auf zentrale Friedhöfe. Nur so ist<br />
eine kostengünstige Pflege der<br />
Kriegsgräber möglich.<br />
Lommel: Langsam wird aus der<br />
ehe maligen Sandwüste eine wür dige<br />
Kriegsgräberstätte. Jugendliche<br />
ha ben einen Wall um den Friedhof<br />
angelegt sowie Tausende Heide kraut -<br />
pflanzen in den Wäldern ge stochen<br />
und eingepflanzt. Unser Bild zeigt<br />
Gärtner beim Setzen von Bäumen.<br />
93
Kriegsgräber -<br />
stätten in der<br />
Bundesrepublik<br />
94<br />
Oben: Skulptur „Die Frierende“ auf der Kriegsgräberstätte<br />
Golm.<br />
Links, von oben nach unten:<br />
Fahrdorf/Schleswig-Holstein<br />
Arnsburg/Hessen<br />
Waldfriedhof München<br />
Unten: In Stukenbrock/Nordrhein-Westfalen ruhen<br />
66 186 sowjetische Kriegsgefangene.<br />
Rechts: Auf dem Friedhof „Am<br />
Nagelberg“ in Treuchtlingen/Mittel -<br />
franken ruhen 2 553 Kriegstote des<br />
Zweiten Weltkrieges, darunter über<br />
400 Opfer eines Bombenangriffes<br />
auf die Stadt am 23. Februar 1945.<br />
Unten: 2 311 Gefallene des Zweiten<br />
Weltkrieges ruhen auf dem Soldatenfriedhof<br />
Vossenack in der Eifel –<br />
Opfer der schweren Kämpfe<br />
Anfang 1945 im Raum Hürtgen.<br />
Ostdeutschland: Der Waldfriedhof im<br />
märkischen Halbe ist eine der größten<br />
Kriegsgräberstätten Deutschlands<br />
95
1957<br />
Albert Schweitzer (1875 – 1965)<br />
empfängt Teilnehmer einer Pressefahrt<br />
des Landesverbandes Bayern in<br />
seinem Haus in Gunsbach/Elsass.<br />
Von ihm stammt das Zitat:<br />
„Die Soldatengräber sind die<br />
großen Prediger des Friedens,<br />
und ihre Bedeutung als solche<br />
wird immer zunehmen.“<br />
96<br />
Die ersten zehntausend Wehrpflichtigen<br />
rücken am 1. April ein. ❑ Am<br />
12. April richten zwölf bekannte deutsche<br />
Wissenschaftler einen Appell gegen die<br />
Atomrüstung an die Öffentlichkeit. ❑ Der<br />
Bundestag stimmt am 5. Juli den Verträgen<br />
über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />
(EWG) und die Europäische<br />
Atomgemeinschaft (Euratom) zu. ❑ Am<br />
19. Oktober bricht die Bundesrepublik die<br />
diplo matischen Beziehungen zu Jugoslawien<br />
ab, nachdem dieses Land die DDR<br />
anerkannt hat. <strong>Das</strong> macht die begonnenen<br />
Verhandlungen mit Jugoslawien über die<br />
Kriegsgräberfrage zunichte. ❑ Die Sowjet -<br />
union startet den ersten Erdsatelliten<br />
Sputnik. ■<br />
Auch im Saarland – nun Teil der<br />
Bundesrepublik – gründet der <strong>Volksbund</strong><br />
einen Landesverband. ❑ Aus Anlass<br />
des zehnjährigen Bestehens des Lan -<br />
desverbandes Mittelrhein (heute Rheinland-Pfalz)<br />
findet am 26. und 27. Juni der<br />
Vertretertag in Speyer statt. ❑ Die von<br />
den Innenministerien der Länder genehmigte<br />
Haus- und Straßensammlung erbringt<br />
4 256 000 Mark. ❑ <strong>Das</strong> Präsidium<br />
beschließt wegen der starken Ausweitung<br />
der Bautätigkeit im Ausland die Hinzuziehung<br />
freier Architekten und Gartenarchitekten<br />
für die Gestaltung deutscher<br />
Kriegsgräberstätten. 13 Vertragsarchitekten<br />
entlasten die Bauleitung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in München. ■<br />
Pfadfinder helfen dem <strong>Volksbund</strong><br />
bei der Suche nach Gefallenen<br />
in den Seealpen (unten) und<br />
in den Pyrenäen (unten links).<br />
In Straßburg konstituiert sich das<br />
Europäische Parlament, in dem auch<br />
die Bundesrepublik vertreten ist. ❑ Die<br />
Aktion „Kampf dem Atomtod“ wird von<br />
den Gewerkschaften und der SPD unterstützt.<br />
❑ Der sowjetische Ministerpräsident<br />
und Parteichef Nikita Chruschtschow<br />
fordert, Westberlin den Status einer „entmilitarisierten,<br />
freien Stadt“ zu geben. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> weiht im Rahmen<br />
einer Angehörigenreise die Kriegsgräberstätte<br />
Reykjavik/Island (17 Kriegstote)<br />
ein. ❑ <strong>Das</strong> Präsidium stiftet eine För -<br />
derer-Plakette mit der Inschrift „Mortui<br />
viventes obligant“ (Die Toten verpfli chten<br />
die Lebenden). ❑ Im September er reicht<br />
der Umbettungsdienst mit 117 deut schen<br />
und 150 ausländischen Fachkräften seine<br />
höchste Personalstärke. ■<br />
In Vossfogi, auf dem hoch über<br />
der Sfaxa-<strong>Buch</strong>t gelegenen<br />
Zentralfriedhof der isländischen<br />
Hauptstadt Reykjavik, ruhen<br />
17 deutsche Luftwaffensoldaten.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> sorgt für Kriegs gräber<br />
in rund 100 Ländern der Erde.<br />
1958<br />
97
98<br />
99
1959<br />
Robert Tischler, der seit 1926 als<br />
Chef der Bauleitung den Baustil der<br />
deutschen Soldatenfriedhöfe geprägt<br />
hat, stirbt am 11. August.<br />
Bundespräsident Lübke besucht<br />
die Ausstellung „40 Jahre <strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge“<br />
in der Bonner Beethovenhalle. Rechts<br />
der stellvertretende Generalsekretär<br />
Klaus von Lutzau.<br />
100<br />
Der bisherige Bundesminister Hein -<br />
rich Lübke wird Bundes prä sident. ❑<br />
In Berlin hat der Anti-Kriegs film „Die<br />
Brücke“ von Regisseur Bernhard Wicki<br />
Premiere. Er zeigt, wie in den letzten<br />
Kriegstagen die Naivität einer Gruppe<br />
Jugendlicher für sinnlose militärische<br />
Ziele ausgenutzt wird. ■<br />
Der Vertretertag am 3./4. Juni erhält<br />
aus Anlass des 40-jährigen Bestehens<br />
einen besonders feierlichen Rah men. ❑<br />
Die Einweihungen erreichen einen Höhepunkt:<br />
am 6. September Lom mel/Belgien<br />
(39 094 Kriegstote; Bild rechts), der größte<br />
deutsche Soldatenfriedhof des Zweiten<br />
Weltkrieges, am 16. September Pordoi/<br />
Ita lien (9 431 Kriegs tote), am 20. September<br />
Me ran/Italien (2 586 Kriegstote) und<br />
am 28. Oktober El Alamein/Ägypten<br />
(4 313 Kriegs tote). ❑ Eine Vereinbarung<br />
mit Finnland ermöglicht dem <strong>Volksbund</strong><br />
die Arbeit in diesem Land. ❑ Präsident<br />
Gustav Ahlhorn legt aus gesundheitlichen<br />
Gründen am 30. September sein<br />
Amt nieder. Der stellvertretende Präsident<br />
Dr. August Hatteisen führt die Geschäfte<br />
weiter. ❑ Die Bundesregierung<br />
unterzeichnet im Oktober ein Kriegsgräberabkommen<br />
mit Großbritannien. ❑<br />
21 628 Gemeinden und 24 679 Schulen<br />
ge hören dem <strong>Volksbund</strong> als korporative<br />
Mitglieder an. ❑ 54 Kriegsgräberreisen<br />
führen 3 414 Angehörige an die Gräber<br />
ihrer Toten. ❑ Bei der Feierstunde zum<br />
Volkstrauertag im Bundeshaus wird „Der<br />
Andere – Ballade vom Tode im Kriege,“<br />
ein Auftragswerk des <strong>Volksbund</strong>es, uraufgeführt<br />
(Text Otto Heinrich Kühner,<br />
Musik Rudolf von Oertzen). ■<br />
Die deutsche Kriegsgräberstätte im<br />
belgischen Lommel weiht der <strong>Volksbund</strong><br />
am 6. Dezember ein. Hier<br />
ruhen etwa 40 000 Kriegstote.<br />
101
Linke Seite: Die Kriegsgräberstätte<br />
Pordoi in den Dolomiten/Italien,<br />
deren Bau während des Krieges<br />
unterbrochen worden ist, wird am<br />
16. September 1959 eingeweiht.<br />
Unter großer Beteiligung der ägyptischen<br />
Zivil- und Militärbehörden<br />
wird die zweite deutsche Kriegsgräberstätte<br />
in Nordafrika, El Alamein,<br />
am 28. Oktober 1959 eingeweiht.<br />
<strong>Das</strong> Bauwerk hat einen Durchmesser<br />
von 42 Metern. In sieben Gruftkammern<br />
sind 4 313 Gefallene bestattet.<br />
103
Walter Gruber fährt mit seinen<br />
Freunden vom „Kaiserstuhlkreis“<br />
nach Markolsheim ins Elsass, um<br />
dort nach deutschen Gefallenen zu<br />
suchen und ihre Gräber zu pflegen.<br />
Über <strong>22</strong> 000 Kriegstote liegen in<br />
Elsass-Lothringen verstreut. Der<br />
<strong>Volksbund</strong> ist dankbar, und schnell<br />
finden sich begeis terte Nachahmer.<br />
Als Jugendre ferent des Landes -<br />
verbandes Baden-Würt temberg<br />
organisiert Gruber viele Jahre den<br />
Einsatz der jungen Botschafter der<br />
Versöhnung.<br />
104<br />
Pfadfinder aus Hirson in Nordfrankreich<br />
und eine deutsche Jugendgruppe<br />
aus dem baden -württem -<br />
bergischen Schramberg arbeiten<br />
gemeinsam auf deutschen Kriegs gräbern<br />
in den Vogesen: Sie pflegen<br />
Grabstätten und forschen mit Hilfe<br />
von Ein heim ischen nach ungesicherten<br />
Feld gräbern.<br />
Von Anfang an suchen die jungen<br />
Leute den Kontakt zur Bevölkerung.<br />
Nur im Gespräch lassen sich die<br />
Grenzen überwinden – auch<br />
zwischen den Generationen. Die<br />
jungen Menschen aus Deutschland –<br />
sie brechen das Eis.<br />
105
1960<br />
Antrittsbesuch des neuen <strong>Volksbund</strong>präsidenten<br />
Walter Trepte<br />
bei Bundeskanzler Adenauer.<br />
Der Soldatenfriedhof Pomezia/<br />
Italien, im Krieg von den Amerikanern<br />
angelegt: vor und nach dem<br />
Ausbau durch den <strong>Volksbund</strong>.<br />
40 Jugendliche einer Gruppe<br />
der evangelischen Jugend betreuen<br />
deutsche Soldatengräber im fran -<br />
zösischen Departement Eure-et-Loir.<br />
Bei der Besichtigung der Kathedrale<br />
in Chartres begegnen sie Bundeskanzler<br />
Adenauer, der ihnen als<br />
Spende für die Fahrtenkasse<br />
100 Mark in die Hand drückt.<br />
106<br />
Gräbersuche in unwegsamem<br />
Gelände – Zusammenbettung<br />
deutscher Gefallener in<br />
Griechenland 1959/60.<br />
Der sowjetische Parteichef und Ministerpräsident<br />
Chruschtschow nimmt<br />
einen Luftzwischenfall zum Anlass, die<br />
Pariser Gipfelkonferenz der vier Großmächte<br />
vom 16./17. Mai zu verlassen. ❑<br />
In der DDR werden die bis dahin noch<br />
selbständigen kleinen landwirtschaftlichen<br />
Betriebe endgültig kollektiviert. ❑<br />
Nach dem Tode von DDR-Staatspräsident<br />
Wilhelm Pieck wird Walter Ulbricht als<br />
Vorsitzender des Staatsrates Staatschef<br />
der DDR. ❑ 199 188 Bürger der DDR<br />
flüchten in den Westen. ❑ Der englische<br />
Verleger Victor Gollancz, der sich für die<br />
Versöhnung mit dem deutschen Volk eingesetzt<br />
hat, erhält den Friedenspreis des<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Buch</strong>handels. ■<br />
Papst Johannes XXIII. empfängt in<br />
Rom am 3. März eine Delegation des<br />
Vorstandes zu einer Privataudienz. ❑ Der<br />
<strong>Volksbund</strong> weiht am 5. Juni die Kriegsgräberstätte<br />
Pomezia/Italien (27 487 Kriegstote)<br />
und am 5. September den Friedhof<br />
Recogne-Bastogne/Belgien (6 807 Kriegs-<br />
tote) ein. Auch die Kriegsgräberstätten in<br />
Norwegen – Oslo, Botn-Rognan, Narvik,<br />
Bergen-Solheim und Trondheim-Havstein<br />
– werden im September im Rahmen einer<br />
Angehörigenreise der Öffentlichkeit über -<br />
geben. ❑ Auf dem Vertretertag am 23. September<br />
in Kassel wird Dekan a. D. Walter<br />
Trepte, der bisherige Vorsitzende des Lan -<br />
des verbandes Hessen, zum Präsidenten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es gewählt. ❑ <strong>Das</strong> Durchschnittsaufkommen<br />
(Sammlungen, Spenden<br />
und Beiträge) eines Bundesbürgers<br />
für den <strong>Volksbund</strong> beträgt in diesem Jahr<br />
15,9 Pfennig. Zum Jahresende hat der<br />
<strong>Volksbund</strong> fast 640 000 Einzelmitglieder<br />
und 60 000 korporative Mitglieder bei<br />
12 853 Ortsgruppen und 349 Kreisverbänden.<br />
❑ Der Um bettungsdienst des <strong>Volksbund</strong>es<br />
arbeitet in Frankreich, Italien,<br />
Griechenland, Finnland und Großbritannien.<br />
❑ Am 31. Dezember scheidet der<br />
lang jährige Ge neral sekretär Otto Margraf<br />
aus gesundheitlichen Gründen aus den<br />
Diensten des <strong>Volksbund</strong>es. ■<br />
Als erstes deutsches Staatsoberhaupt<br />
stattet Bundespräsident Heinrich<br />
Lübke Frankreich einen Staatsbesuch ab.<br />
Er wird in Paris mit großer Herzlichkeit<br />
empfangen. ❑ Die Zahl der Flüchtlinge<br />
aus der DDR wächst rapide: Im Juli ge -<br />
hen 30 444 Einwohner in den Westen.<br />
Um einer innenpolitischen Katastrophe<br />
zu entgehen, errichtet die DDR-Regierung<br />
am 13. August die Mauer in Berlin.<br />
Bis zum Jahresende haben (seit 1949) insgesamt<br />
2 759 9<strong>22</strong> <strong>Deutsche</strong> aus der SBZ<br />
bzw. der DDR in der Bundesrepublik<br />
Deutschland einen Notaufnahmeantrag<br />
gestellt. Nach dem Bau der Mauer in Berlin<br />
erreichen 12 316 Flüchtlinge aus der<br />
DDR, meist unter Lebensgefahr, die Bundesrepublik.<br />
❑ In Jerusalem wird einer<br />
der Hauptverantwortlichen der Juden vernichtung<br />
in Europa, Adolf Eichmann, zum<br />
Tode verurteilt und hingerichtet. ❑ Der<br />
Friedensnobelpreis wird an den Schweden<br />
Dag Hammarskjöld, seit 1953 Generalsekretär<br />
der UN, verliehen. Er stirb<br />
beim einem Unfall in Afrika. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> weiht sechs Kriegsgräberstätten<br />
ein: Cagliari/Italien<br />
(435 Kriegstote) am 1. Juni, Glencree/Irland<br />
(134 Kriegstote) am 9. Juli sowie am<br />
20. und 21. September in Frankreich die<br />
vier Normandie-Friedhöfe Orglandes<br />
(10 152 Kriegstote), St.-Désir-de-Lisieux<br />
(3 735 Kriegstote), Marigny (11 169 Kriegs -<br />
tote) und La Cambe (21 139 Kriegstote). ❑<br />
Der Vertretertag findet im August in Flensburg<br />
statt. ❑ Ministerialrat a. D. Dr. Heinz<br />
von Hausen wird am 1. Februar Bundesgeschäftsführer.<br />
■<br />
Mit dem Bau der Mauer in Berlin<br />
schließt sich der Eiserne Vorhang<br />
zwischen Ost- und Westeuropa.<br />
Ein Todesstreifen trennt für 28 Jahre<br />
die beiden Teile Deutschlands.<br />
1961<br />
107
Die in der Normandie gefallenen<br />
deutschen Soldaten ruhen auf sechs<br />
Kriegsgräberstätten. Die auf dieser<br />
Seite gezeigten Anlagen wurden ursprünglich<br />
vom britischen sowie<br />
amerikanischen Gräberdienst angelegt<br />
und anschließend vom <strong>Volksbund</strong><br />
ausgebaut und gestaltet.<br />
108<br />
Von oben nach unten:<br />
St. Désir-de-Lisieux<br />
Marigny<br />
Orglandes<br />
La Cambe (großes Bild)<br />
Soldatenfriedhof La Cambe<br />
vor dem Ausbau.<br />
109
1962<br />
Der Staatsbesuch de Gaulles in der<br />
Bundesrepublik (hier in Hamburg)<br />
leitet eine enge deutsch-französische<br />
Zusammenarbeit ein.<br />
110<br />
Der französische Staatspräsident<br />
Charles de Gaulle wird bei seinem<br />
Staatsbesuch in der Bundesrepublik von<br />
der Bevölkerung begeistert gefeiert. ❑<br />
Die Kubakrise bringt die Welt an den<br />
Rand eines neuen Krieges. ❑ Bei einer<br />
schweren Sturmkatastrophe am 16./17.<br />
Januar an der deutschen Nordseeküste<br />
sterben 395 Menschen, rund 100 000 werden<br />
obdachlos. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> legt nach dem Krieg<br />
auch Friedhöfe für osteuropäische<br />
Kriegstote an. Im Jahr 1959 weiht<br />
der Landesverband Hessen die<br />
Kriegsgräberstätte Herleshausen<br />
(1 616 Kriegstote) ein. Bürgermeister<br />
Fehr (kleines Bild) hat im Krieg dafür<br />
gesorgt, dass die Namen der in seiner<br />
Gemeinde verstorbenen sowjetischen<br />
Kriegsgefangenen registriert<br />
werden. So kann der <strong>Volksbund</strong> die<br />
Hinterbliebenen in der Sowjetunion<br />
benachrichtigen. Rechts oben eines<br />
der zahlreichen Dankschreiben.<br />
<strong>Das</strong> Präsidium beschließt am<br />
16. März die Gründung eines Ausschusses<br />
für Jugendfragen, der die Gliederungen<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in der Ju gendarbeit<br />
beraten soll. ❑ Am 28. Juli werden<br />
die Soldatenfriedhöfe Solers/Frankreich<br />
(2 <strong>22</strong>8 Kriegs tote) und am 29. September<br />
Andilly (33 144 Kriegstote) eingeweiht. ❑<br />
Am 3. Oktober wird das Kriegsgräberabkommen<br />
mit Dänemark unterzeichnet. ■<br />
Tausende von Angehörigen aus<br />
allen Teilen Deutschlands und aus<br />
Österreich nehmen an der Einweihung<br />
des Soldatenfriedhofes Andilly<br />
teil. Mit 33 144 Gefallenen ist er die<br />
größte deutsche Anlage des Zweiten<br />
Weltkrieges in Frankreich.<br />
Bundeskanzler Adenauer empfängt<br />
ausländische Gäste und die Leiter der<br />
Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es im<br />
Bonner Bundeshaus.<br />
111
1963<br />
„Ich bin ein Berliner!“<br />
Mit diesem deutsch gesprochenen<br />
Satz gewinnt der amerikanische<br />
Präsident John F. Kennedy die<br />
Herzen der Berliner. Links Konrad<br />
Adenauer, rechts der Regierende<br />
Bürgermeister, Willy Brandt.<br />
Die deutsch-französische<br />
Verständigung ist das Herzstück<br />
der europäischen Einigung:<br />
Adenauer und de Gaulle nach der<br />
Unterzeichnung des deutsch-fran -<br />
zösischen Freundschaftsvertrages.<br />
112<br />
Bundeskanzler Ludwig<br />
Erhard empfängt den<br />
Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag<br />
wird am <strong>22</strong>. Januar in<br />
Paris von de Gaulle und Adenauer unterzeichnet.<br />
❑ Der amerikanische Präsident<br />
John F. Kennedy besucht die Bundesrepublik<br />
und hält in Frankfurt und Berlin aufsehenerregende<br />
Reden. Er fällt am <strong>22</strong>. No -<br />
vember einem Attentat zum Opfer. ❑ Kon -<br />
rad Adenauer tritt zurück. Sein Nachfolger<br />
wird Prof. Dr. Ludwig Erhard, der bis -<br />
herige Wirtschaftsminister. ❑ Zwischen<br />
dem Senat von Berlin und der DDR wird<br />
ein Passierscheinabkommen abgeschlossen.<br />
Es ermöglicht nach Jahren des Wartens<br />
Westberliner Bürgern während der<br />
Weihnachtsfeiertage den Besuch ihrer Angehörigen<br />
in Ostberlin. ■<br />
Präsident Trepte legt beim Vertretertag<br />
in München auf der KZ-Gedenkstätte<br />
Dachau einen Kranz nieder.<br />
<strong>Das</strong> Kriegsgräberabkommen mit<br />
Griechenland ermöglicht den Bau<br />
der Kriegsgräberstätten Maleme auf Kre -<br />
ta und Dionyssos-Rapendoza bei Athen.<br />
Die deutschen Kriegstoten sind bereits ab<br />
1959 mit Zustimmung der griechischen<br />
Regierung geborgen worden. Die Särge<br />
mit den sterblichen Überresten hat der<br />
<strong>Volksbund</strong> zunächst in die Kloster Xenia<br />
und Gonia überführt. ❑ Der Rückblick<br />
auf zehn Jahre Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
zeigt, dass seit 1953 mehr als<br />
45 000 Jugendliche aus zwölf Nationen<br />
an Jugendlagern mit Arbeitseinsätzen auf<br />
Soldatenfriedhöfen in mehreren Ländern<br />
teilgenommen haben. <strong>Das</strong> findet in der<br />
in- und ausländischen Öffentlichkeit<br />
große Anerkennung. In Verdun treffen<br />
sich im August 2 000 deutsche und französische<br />
Jugendliche, die auf Kriegsgräberstätten<br />
in Frankreich arbeiten – Auf -<br />
takt einer engen Zusammenarbeit zwischen<br />
dem Deutsch-Französi schen Ju -<br />
gendwerk und dem <strong>Volksbund</strong>. ■<br />
Die Reihe der Einweihungen setzt<br />
sich fort: Am 17. August Reillon/<br />
Frankreich (5 428 Kriegstote), am<br />
30. August Helsinki-Honkanummi/<br />
Finnland (377 Kriegstote), am<br />
31. Au gust Rovaniemi-Norvajärvi/<br />
Finnland (2 326 Kriegstote), am<br />
14. September Mont-de-Huisnes/<br />
Frankreich (11 956 Kriegstote) und<br />
am 26. Oktober Dagneux/Frankreich<br />
(19 914 Kriegstote). Auch die<br />
Kriegsgräberstätte Sankt Peter Port<br />
auf der Insel Guernsey/Großbritannien<br />
(111 Kriegstote) wird im Rahmen<br />
einer Angehörigenreise der<br />
Öffentlichkeit übergeben.<br />
Oben: Mont-de-Huisnes, der einzige<br />
deutsche Gruftbau in Frankreich.<br />
Links: Dagneux/Frankreich (ganz<br />
links) und St. Peter Port auf der Insel<br />
Guernsey/Großbritannien.<br />
Unten: Helsinki-Honkanummi (links)<br />
und Rovaniemi-Norvajärvi/Finnland.<br />
113
Jugendtreffen in Verdun:<br />
Über 2 000 junge Leute aus<br />
Deutschland und Frankreich nehmen<br />
an der Veranstaltung von <strong>Volksbund</strong><br />
und Deutsch-Franzö sischem Jugendwerk<br />
teil und bekunden damit ihren<br />
Willen zu einer gemeinsamen<br />
friedlichen Zukunft.<br />
Rechts: Gottesdienst im Hof des im<br />
Ersten Welt krieg schwer umkämpften<br />
Forts Douaumont.<br />
Als Repräsentanten der deutschen<br />
und der französischen Regierung<br />
nehmen Dr. Bruno Heck (links),<br />
Bundesminister für Familie und<br />
Jugend, und Staatssekretär<br />
Maurice Herzog (rechts) an den<br />
Veranstaltungen teil.<br />
114<br />
In der Bundesrepublik stehen<br />
146 000 Arbeitslosen 614 530 offene<br />
Stellen gegenüber (Arbeitslosenquote<br />
0,6 Prozent). ❑ Am 12. Juni wird ein<br />
Freundschaftsvertrag zwischen der So w -<br />
jetunion und der DDR unterzeichnet, in<br />
dem die „Existenz zweier souveräner<br />
deutscher Staaten” bekräftigt und Westberlin<br />
als „selbstständige politische Einheit”<br />
bezeichnet wird. ■<br />
Papst Paul VI. richtet am 26. August<br />
einen eindringlichen Friedensappell<br />
an die Völker der Welt. Er erinnert an den<br />
Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 50<br />
und an den Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />
vor 25 Jahren. In seiner Botschaft geht<br />
er auch auf die Kriegsgräber ein: „Wir<br />
möchten den Mantel des Friedens ausbreiten,<br />
auch über die Kriegsgräber, auf<br />
dass auch die Gefallenen beigesetzt wer -<br />
den, die noch auf dieses letzte Zei chen<br />
menschlicher Liebe harren.“ ❑ Zwei Soldatenfriedhöfe<br />
in Frankreich werden eingeweiht:<br />
4. Juli Beauvais (1 597 Kriegs tote)<br />
und am 12. September Champigny-St. An -<br />
dré (19 830 Kriegstote). ■<br />
1964<br />
Als letzte der deutschen Kriegsgräberstätten<br />
in der Normandie wird<br />
Champigny-St. André eingeweiht.<br />
115
Die Bundesrepublik und Israel nehmen<br />
diplomatische Beziehungen auf.<br />
Neun arabische Länder brechen daraufhin<br />
ihre Beziehungen zu Bonn ab. ❑ Der<br />
Bundestag beschließt, dass die Verjährung<br />
der nationalsozialistischen Mordtaten erst<br />
ab 1969 gelten soll. ■<br />
Linke Seite: Der deutsche Soldatenfriedhof<br />
Cassino. Hier ruhen<br />
20 073 Kriegstote der schweren<br />
Kämpfe in Mittelitalien 1943/44.<br />
Am 1. Juli tritt ein neues Gräbergesetz<br />
in Kraft, das die Opfer der Gewaltherrschaft<br />
den Kriegstoten gleichstellt.<br />
❑ Ein Notenwechsel zwischen dem<br />
Königreich Libyen und der Bundesrepublik<br />
Deutschland schafft nachträglich die<br />
Rechtsgrundlage für die bereits im Jahre<br />
1955 erfolgte Errichtung der Kriegsgräber -<br />
stätte Tobruk. Sie konnte aufgrund ei ner<br />
mündlichen Genehmigung von Kö nig<br />
Idris I. gebaut werden. ❑ Folgende Soldatenfriedhöfe<br />
werden eingeweiht: 4. Mai<br />
Cas sino/Italien (20 073 Kriegstote), 19. Ju -<br />
ni Pornichet/Frankreich (4 944 Kriegsto te),<br />
21. August Fort-de Malmaison/Frankreich<br />
(11 841 Kriegstote) und 25. Sep tember Mot -<br />
ta St. Anastasia/Italien (4 561 Kriegstote).<br />
❑ Anfragen nach Grablagen kommen jetzt<br />
zu 35 Prozent von Eltern (1960 = 80 Prozent),<br />
zu 17 Prozent von Ehefrauen (1960 =<br />
15 Pro zent), zu 33 Prozent von Geschwistern<br />
(1960 = 2 Prozent) und zu 15 Prozent<br />
von Kin dern (1960 = 3 Prozent). ❑<br />
Bei der XX. Internationalen Rot-Kreuz-<br />
Konferenz in Wien wird von den Delegationen<br />
aus über 100 Ländern ohne Gegen -<br />
stimme eine Resolution angenommen, die<br />
den Austausch von Unterlagen über<br />
Kriegsgräber durch die nationalen Rot-<br />
Kreuz-Gesellschaften empfiehlt. ❑ Der<br />
Vertre tertag findet in Saarbrücken statt. ■<br />
Der Vietnamkrieg weitet sich aus.<br />
Die Zivilbevölkerung hat unter den<br />
massiven amerikanischen Bombenangriffen<br />
schwer zu leiden. Aber<br />
auch die Angriffe der Vietcong fordern<br />
zahlreiche Opfer.<br />
1965<br />
Papst Paul VI. empfängt Präsident<br />
Walter Trepte (rechts) und Vizepräsident<br />
Dr. August Hatteisen (Mitte).<br />
Kampf um gleiche Rechte für<br />
Farbige in den USA – Martin Luther<br />
King (vor der US-Fahne) führt in<br />
Montgomery demonstrierende<br />
Bürgerrechtler in den Südstaaten an.<br />
117
1966<br />
118<br />
In der Bundesrepublik kommt es zu<br />
bisher nicht gekannten wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten. Der Bundeshaushalt<br />
weist ein Defizit von zehn Milliarden<br />
Mark auf. ❑ Bundeskanzler Erhard tritt<br />
zurück. Nachfolger wird Kurt Georg Kiesinger.<br />
Er bildet eine Große Koalition aus<br />
CDU/CSU und SPD. Willy Brandt wird<br />
Vizekanzler und Außenminister. ■<br />
Der Soldatenfriedhof Niederbronn<br />
im Elsass vor und nach dem Ausbau.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> zählt bei der Einweihung<br />
am 1. Oktober 20 000 Besucher.<br />
Ein neues deutsch-französisches<br />
Kriegsgräberabkommen, am 19. Juli<br />
unterzeichnet, tritt an die Stelle des Abkommens<br />
von 1954 und überträgt dem<br />
<strong>Volksbund</strong> die Verantwortung für Erhaltung,<br />
Ausbau und Pflege der deutschen<br />
Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkrieges.<br />
Die 198 Anlagen hat bis dahin, wie 1919<br />
im Vertrag von Versailles bestimmt, der<br />
französische Staat gepflegt. Durch eine<br />
Verbalnote wird dem <strong>Volksbund</strong> auch die<br />
Erhaltung und Pflege der Grab- und Gedenkstätten<br />
aus dem deutsch-französischen<br />
Krieg 1870-1871 übertragen. ❑ Mit<br />
Tunesien wird ein Kriegs gräberab kommen<br />
abgeschlossen. ❑ In Frank reich werden<br />
Kriegsgräberstätten des Zweiten<br />
Weltkrieges eingeweiht: am 17. Sep tember<br />
Noyers-Pont-Maugis (26 843 Kriegstote)<br />
und am 1. Oktober Niederbronn-les-<br />
Bains (15 427 Kriegstote). ❑ An die Stelle<br />
des ausscheidenden Ersten Bundesgeschäftsführers<br />
Dr. von Hausen tritt Walter<br />
Hammersen. ■<br />
Gedenkstunde zum Volkstrauertag<br />
im Plenarsaal des Bundestages.<br />
Bundesinnenminister Paul Lücke hält<br />
die Ansprache.<br />
119
1967<br />
Konrad Adenauer ist tot. Im Kölner<br />
Dom wird sein Sarg aufgebahrt.<br />
Deutschland trauert um einen großen<br />
Staatsmann, der sich immer seine<br />
Menschlichkeit bewahrt hat. An den<br />
Trauerfeierlichkeiten zu seiner<br />
Beisetzung am 25. April nehmen<br />
Delegationen aus 54 Staaten teil.<br />
Krieg in Vietnam: Verhör einer<br />
Frau durch einen amerikanischen<br />
Soldaten. Sie wird verdächtigt,<br />
die kommunistische Vietcongbewegung<br />
zu unterstützen.<br />
Die Wirtschaftsrezession führt zu<br />
Kurzarbeit und einem Anstieg der<br />
Arbeitslosenziffer. Die Bundesregierung<br />
trifft einschneidende wirtschafts- und finanzpolitische<br />
Sofortmaßnahmen. Die<br />
Krise wird bewältigt. ❑ In Westberlin<br />
kommt es beim Besuch des Schahs von<br />
Persien zu heftigen Demonstrationen der<br />
studentischen Linken. Der Student Benno<br />
Ohnesorg wird von der Polizei erschossen.<br />
Eine Serie von Studentenunruhen in<br />
deutschen Universitätsstädten beginnt. ❑<br />
Die Bundesregierung nimmt diplomatische<br />
Beziehungen zu Rumänien auf. Verhandlungen<br />
mit der Tschechoslowakei<br />
führen zur Einrichtung von Handelsmissionen.<br />
❑ Am 19. April stirbt Konrad<br />
Adenauer im Alter von 91 Jahren. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> stellt in drei Ländern<br />
neue Kriegsgräberstätten fertig: Am<br />
6. Mai den Friedhof Costermano/Italien<br />
(21 988 Kriegstote), am 10. Juni Cannock<br />
Chase/England (4 970 Kriegstote), am<br />
24. Juni Berneuil/Frankreich (8 310 Kriegstote)<br />
und am 16. September Bourdon/<br />
Frank reich (<strong>22</strong> 216 Kriegstote). ❑ Bei den<br />
Beratungen des Bundeshaushalts kommt<br />
es zu Schwierigkeiten wegen der Finanzierung<br />
der Ausgaben für Kriegsgräberstätten<br />
im Ausland durch die Bundes re -<br />
gierung und den <strong>Volksbund</strong>. Der <strong>Volksbund</strong><br />
gibt deshalb ein Rechtsgutachten in<br />
Auftrag, das im November 1967 vom ehemaligen<br />
Präsidenten des Bundesrechnungshofes<br />
Dr. Hans Schäfer vorgelegt<br />
wird. Darin heißt es (Auszug):<br />
I. Die deutsche Kriegsgräberfürsorge<br />
ist eine öffentliche Verwaltungsaufgabe,<br />
die im Inland den Ländern<br />
der Bundesrepublik, im Ausland<br />
dem Bund obliegt.<br />
II. Der Bund hat mit der Wahrnehmung<br />
dieser Aufgabe im Ausland<br />
den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
e. V. beauftragt.<br />
III. Die Kosten für die deutsche Kriegsgräberfürsorge<br />
im Ausland sind<br />
Aufwendungen für Kriegsfolge -<br />
lasten, die nach dem Grundgesetz<br />
und den Kriegsgräberabkommen<br />
der Bund zu tragen hat.<br />
IV. Soweit sich der <strong>Volksbund</strong> gemäß<br />
seiner Satzung an den Kosten der<br />
deutschen Kriegsgräberfürsorge im<br />
Ausland beteiligt, geschieht dies ergänzend<br />
und freiwillig.<br />
Zum Jahresende wird die Bauleitung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in München aufgelöst,<br />
ihre Aufgabe übernimmt die Bauabteilung<br />
in der Bundesgeschäftsstelle. ❑ Eine<br />
erste Angehörigenfahrt des <strong>Volksbund</strong>es<br />
zu Kriegsgräbern in Rumänien verläuft<br />
ohne Schwierigkeiten. ❑ In der Tsche -<br />
chos lowakei beginnen Arbeiten an deutschen<br />
Kriegsgräbern durch örtliche Be -<br />
hör den in Abstimmung mit dem <strong>Volksbund</strong>.<br />
❑ Der Vertretertag findet in Bremen<br />
statt. ■<br />
<strong>Das</strong> deutsche Gräberfald am<br />
Stadtrand von Cluj (Klausenburg)<br />
in Siebenbürgen/Rumänien ist eine<br />
blühende Wiese. Es ist nicht möglich,<br />
die genaue Lage der Gräber festzustellen.<br />
Die Angehörigen legen ihre<br />
Blumengrüße dort nieder, wo sie die<br />
letzte Ruhestätte ihres Toten vermuten.
Auf dem Soldatenfriedhof<br />
Cannock Chase in der mittel -<br />
englischen Grafschaft Staffordshire<br />
ruhen 4 940 Kriegstote des Ersten<br />
und Zweiten Weltkrieges. In einem<br />
separaten Gedenkhof sind Besatzungsmit<br />
glieder der im Ersten Weltkrieg<br />
abgestürzten deutschen<br />
Luftschiffe bestattet (oben rechts).<br />
1<strong>22</strong><br />
Auf dem Soldatenfriedhof Bourdon<br />
ruhen <strong>22</strong> 216 Kriegstote. Die meisten<br />
von ihnen sind 1940 gefallen. Die<br />
Plastik im Innneraum ist Sinnbild für<br />
die trauernden Mütter aller Opfer<br />
von Krieg und Gewalt.<br />
Wo finde ich das Grab meines Angehörigen?<br />
Diese Frage wird bei jeder<br />
Einweihung gestellt. Obwohl die Be -<br />
sucher vom <strong>Volksbund</strong> schon vorher<br />
genaue Auskunft erhalten haben, ist<br />
die Anspannung und Aufregung<br />
beim Betreten der Friedhöfe mit den<br />
oftmals riesigen Gräberfeldern sehr<br />
groß. Deshalb geben bei jeder Einweihung<br />
Mitarbeiter des Gräbernachweises<br />
Auskunft über die vor -<br />
herige und jetzige Grablage.<br />
123
Seit der Einweihung gehört die<br />
Kriegsgräberstätte Costermano zu<br />
den am meisten besuchten Friedhöfen.<br />
Auf der landschaftlich schön ge -<br />
legenen Anlage ruhen 21 988 Kriegstote.<br />
Vom Gedenkplatz aus hat man<br />
einen herrlichen Blick auf den Gardasee.<br />
Eine Tafel am Eingangsbereich<br />
der Kriegsgräberstätte weist darauf<br />
hin, dass hier einige Menschen<br />
bestattet sind, die während des<br />
Krieges schwerer Verbrechen schuldig<br />
geworden sind. Auch diesem<br />
Teil der Geschichte hat sich der<br />
<strong>Volksbund</strong> zu stellen.<br />
124<br />
125
1968<br />
Der Silberkranz aus der Neuen<br />
Wache (heute ist er im <strong>Deutsche</strong>n Historischen<br />
Museum zu besichtigen)<br />
verschwindet nach dem Krieg, bis<br />
187 der ursprünglich 235 goldenen<br />
und silbernen Eichenblätter nach<br />
einem anonymen Hinweis in einem<br />
Berliner Schließfach wieder gefunden<br />
werden.<br />
126<br />
Bei Demonstrationen von Studenten<br />
und anderen Jugendlichen kommt es<br />
mehrfach zu heftigen Zusammenstößen<br />
mit der Polizei. In München gibt es zwei<br />
Todesopfer. Am 11. April wird Rudi<br />
Dutschke, einer der führenden Köpfe des<br />
Sozialistischen <strong>Deutsche</strong>n Studentenbundes<br />
(SDS) und der sogenannten Außerparlamentarischen<br />
Opposition (APO), in<br />
Berlin durch einen Anschlag schwer verletzt.<br />
❑ Die innerhalb und außerhalb des<br />
Parlaments heftig debattierten Notstandsgesetze<br />
werden von Bundestag und Bundesrat<br />
mit Zweidrittelmehrheit verab -<br />
schiedet. Sie lösen alliierte Vorbehaltsrechte<br />
ab. Zugleich wird das Widerstandsrecht<br />
im Grundgesetz verankert. <strong>Das</strong> ist<br />
auch im internationalen Vergleich nahezu<br />
einmalig. ❑ Die Bundesrepublik nimmt<br />
wieder diplomatische Beziehungen zu Jugosla<br />
wien auf. ❑ Der amerikanische Bürgerrechtler<br />
Martin Luther King wird wäh -<br />
rend einer Veranstaltung in Mem phis<br />
(USA) von einem unbekannten weißen<br />
Atten täter ermordet. ■<br />
Im Herbst beginnt die bauliche und<br />
gärtnerische Gestaltung einer ersten<br />
Gruppe von zehn deutschen Soldatenfriedhöfen<br />
des Ersten Weltkrieges in Frankreich.<br />
❑ Im September wird der deutsche<br />
Soldatenfriedhof Ploudaniel- Lesneven in<br />
der Bretagne (5 831 Kriegs tote des Zweiten<br />
Weltkrieges) eingeweiht. ❑ Bundespräsident<br />
Heinrich Lübke besichtigt an -<br />
lässlich eines Berlin-Aufenthaltes im Januar<br />
die vom <strong>Volksbund</strong> 1966 errichtete<br />
Anlage auf dem ehemaligen Standortfriedhof<br />
in Berlin. Dort hat der 1945 zerstörte<br />
und 1966 vom <strong>Volksbund</strong> wiederhergestellte<br />
Silberkranz aus dem Ehrenmal<br />
in der Neuen Wache einen Platz gefunden.<br />
❑ Der <strong>Volksbund</strong> veranstaltet<br />
erstmalig eine Angehörigenreise nach<br />
Jugoslawien zu deutschen Kriegsgräbern<br />
in Slowenien. ❑ Bundes ge schäfts führer<br />
Wal ter Hammersen scheidet aus den<br />
Diensten des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Ehrenpräsident<br />
Wilhelm Ahlhorn stirbt im Alter von<br />
94 Jahren. ■<br />
Am 21. August beenden<br />
militärische Verbände der<br />
Sowjetunion und an de rer Staaten<br />
des Warschauer Paktes in der<br />
Tschechoslowakei mit Gewalt die<br />
Reformpolitik des Prager Frühlings.<br />
Wer beim Besuch einer deutschen<br />
Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkrieges<br />
Grabzeichen mit dem Davidstern und he -<br />
bräischen <strong>Buch</strong>staben sieht, wird daran<br />
erinnert, dass in diesem Krieg 100 000<br />
<strong>Deutsche</strong> jüdischen Glaubens als Soldaten<br />
eingezogen wurden, von denen<br />
12 000 fielen.<br />
Im Testament des am 19.9.1915 als<br />
Flieger abgestürzten Leutnants Josef<br />
Zürndorfer lesen wir: „Ich bin als <strong>Deutsche</strong>r<br />
ins Feld gezogen, um mein be -<br />
drängtes Vaterland zu schützen. Aber<br />
auch als Jude, um die volle Gleichberechtigung<br />
meiner Glaubensbrüder zu erstreiten.“<br />
Die ersehnte Gleichberechtigung<br />
bleibt aus. Jüdische Soldaten werden<br />
nach dem Krieg von Antisemiten, später<br />
von Nationalsozialisten als Drückeberger<br />
verleumdet. Als Selbsthilfeorganisation<br />
gründen sie 1919 den „Reichsbund jüdischer<br />
Frontsoldaten.“ In Flugblättern,<br />
Broschüren und auf Versammlungen<br />
leistet der Reichsbund eine mühevolle<br />
Aufklärungsarbeit über Tod und soldatische<br />
Leistungen der jüdischen Frontkämpfer:<br />
17 000 von ihnen sind mit dem<br />
Eisernen Kreuz Zweiter Klasse, 1 000 mit<br />
Erster Klasse ausgezeichnet worden.<br />
2 000 waren Offiziere, 1 200 Militärärzte<br />
und -beamte. Der jüngste Kriegsfreiwillige<br />
des deutschen Heeres, Josef Zippes,<br />
kommt aus ihren Reihen, der erste Pourle-Mérite-Träger<br />
der deutschen Fliegertruppen,<br />
Wilhelm Frankl, und der sozial -<br />
demokratische Reichtagsabgeordnete<br />
Dr. Ludwig Frank, der am 3.9.1914 als<br />
Kriegsfreiwilliger an der Westfront gefal-<br />
len ist. Der Reichsbund hofft nach 1933,<br />
dass die jüdischen Frontsoldaten von den<br />
antijüdischen Maßnahmen des Hitler-Regimes<br />
ausgenommen werden. Zwar sind<br />
sie von dem „Gesetz zur Wiederherstellung<br />
des Berufsbeamtentums“ nicht betroffen,<br />
aber ihrem Begehren nach Auf -<br />
nahme in Wehrmacht und Arbeitsdienst<br />
wird nicht stattgegeben, und 1935 werden<br />
auch die jüdischen Frontkämpfer als<br />
Beamte entlassen. Der Reichsbund zieht<br />
aus dem Scheitern seiner Politik die Konsequenzen<br />
und setzt sich fortan für die<br />
Auswanderung ein. Nach der Pogromnacht<br />
vom 9./10. November. 1938 stellt er<br />
seine Tätigkeit ein. Den Weg in die Gaskammer<br />
müssen während des Holocaust<br />
auch jüdische Frontkämpfer des Ersten<br />
Weltkrieges gehen. ■<br />
<strong>Deutsche</strong> jüdische<br />
Soldaten<br />
Unter den 500 000 namentlich bekannten<br />
deutschen Gefallenen des<br />
Ersten Weltkrieges in Frankreich sind<br />
auch 3 000 Kriegstote jüdischen<br />
Glaubens. Gemeinsam mit dem<br />
Zentralrat der Juden und der<br />
Rab binerkonferenz in Deutschland<br />
beschließt der Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />
1968, die Gräber dieser<br />
Toten mit Stelen zu kennzeichnen.<br />
Neben einer Gravur des Davidsterns<br />
und den persönlichen Daten des<br />
Gefallenen tragen die Stelen einen<br />
Spruch in hebräischer Sprache. Er<br />
lautet: „Möge seine Seele eingeflochten<br />
sein in den Kreis der Lebenden.“<br />
(Bild: Neuville-St. Vaast bei Arras in<br />
Nordfrankreich, mit 44 833 Kriegs -<br />
toten der größte deutsche Soldaten -<br />
fried hof in Frankreich).<br />
127
1969<br />
128<br />
Sondermarke zum 50-jährigen<br />
Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
Die ersten Menschen auf dem Mond<br />
sind die amerikanischen Astronauten<br />
Neil Armstrong und Edwin Aldrin.<br />
Die Bundesversammlung wählt in<br />
Westberlin Bundesminister Dr. Gus -<br />
tav Heinemann (SPD) zum Bundes präsidenten.<br />
❑ Die amerikanischen Astro nauten<br />
Neil Armstrong und Edwin Aldrin<br />
betreten als erste Menschen den Mond. ❑<br />
Die Verjährung für Mord wird auf 30 Jah -<br />
re ausgedehnt, um die weitere Verfolgung<br />
von NS-Verbrechen möglich zu<br />
machen. ❑ Bei den Wahlen zum 6. <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundestag erhalten CDU/CSU<br />
46,1 Prozent, SPD 42,7 Prozent und FDP<br />
5,8 Prozent der Stimmen. Am <strong>22</strong>. Oktober<br />
wird das Kabinett Brandt/Scheel (Koali -<br />
tion aus SPD und FDP) vereidigt. In sei -<br />
ner Regierungserklärung vor dem Bun -<br />
destag kündigt der Bundeskanzler umfangreiche<br />
Reformen an. ❑ Im November<br />
tritt die Bundesrepublik dem Atomwaffensperrvertrag<br />
bei. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> besteht 50 Jahre. Mit<br />
einer Reihe von Veranstaltungen be -<br />
geht die Organisation diesen Jahrestag.<br />
Die Bundespost gibt aus diesem Anlass<br />
eine Sonderbriefmarke heraus. ❑ Eine<br />
Dokumentation mit dem Titel „Dienst am<br />
Menschen, Dienst am Frieden – 50 Jahre<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge“<br />
wird mit einer Auflage von 111 000 Exemplaren<br />
gedruckt. ❑ Die Grundsätze der<br />
<strong>Volksbund</strong>arbeit für die zukünftige Arbeit<br />
werden formuliert und vom Vertretertag<br />
in seiner Sitzung vom 12. Juni als<br />
Berliner Manifest einstimmig angenommen.<br />
❑ Am 19. und 20. Juli treffen sich in<br />
Arras/Frankreich über 2 000 Ju gendlagerteilnehmer,<br />
<strong>Deutsche</strong> und Fran zosen. ❑<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat 690 721 Mitglieder. ■<br />
Berliner Manifest<br />
- Achtung vor dem Menschen ist die<br />
Grundlage der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Millionen von Kriegs gräbern erheben<br />
diese Forderung ständig neu.<br />
- Ihre Erfüllung verlangt, dass der<br />
<strong>Volksbund</strong> nach Mitteln und Wegen<br />
zur Mitarbeit an der Erhaltung des<br />
Friedens sucht.<br />
- Der <strong>Volksbund</strong> sorgt für die Gräber<br />
der Kriegstoten und betreut deren Angehörige.<br />
Die ursprüngliche Hauptaufgabe<br />
– Sorge für die deutschen<br />
Soldatengräber – hat sich durch den<br />
Totalen Krieg und infolge der politischen<br />
Gewaltherrschaft erweitert.<br />
- Der <strong>Volksbund</strong> hält das Gedenken an<br />
die Toten der Kriege und der Gewaltherrschaft<br />
lebendig.<br />
- Er führt die Lebenden an die Ruhe -<br />
s tätten der Toten. Nur so können die<br />
Gräber mahnen und dazu helfen,<br />
neue Kriege zu ver hüten.<br />
- Der <strong>Volksbund</strong> schlägt durch sein<br />
Wirken Brücken der Versöhnung von<br />
Volk zu Volk. Jugend leistet durch ihre<br />
Mitarbeit auf den Friedhöfen einen<br />
bedeutsamen Beitrag für die Völkerverständigung.<br />
- Kriegsgräberfürsorge fördert das Verstehen<br />
zwischen den Generationen.<br />
Die Gräber – warnende Zeichen einer<br />
dunklen Zeit – zwingen zur Auseinandersetzung<br />
mit der Vergangenheit<br />
und wirken so in die Zukunft.<br />
Die Kriegsgräberstätte am Futa-Pass<br />
(30 763 Kriegstote) in Italien wird<br />
am 28. Juni 1969 eingeweiht.<br />
Überall in der Bundesrepublik – wie<br />
hier auf der Kriegsgräberstätte Eversberg<br />
im Kreis Meschede/Nordrhein-<br />
West falen – erinnern Gedenksteine<br />
an die Gefallenen in Osteuropa. Ihre<br />
Gräber dürfen jahrzehntelang nicht<br />
besucht werden. Heute arbeitet der<br />
<strong>Volksbund</strong> mit aller Kraft dafür, dass<br />
auch diese Kriegstoten würdige Gräber<br />
erhalten.<br />
Er wird allen Teilnehmern unver gessen<br />
bleiben: Der Jugendtag in Arras/<br />
Nordfrankreich. Dort, wo sich im Ersten<br />
und Zweiten Weltkrieg <strong>Deutsche</strong><br />
und Franzosen erbittert bekämpften,<br />
treffen 2 000 Jugend liche zusammen,<br />
um ein Fest der Versöhnung<br />
zu feiern. <strong>Das</strong> Bild zeigt die Plattlergruppe<br />
des deutschen Alpenvereins,<br />
Sektion Bremen, bei einer Vorführung<br />
auf dem Marktplatz in Arras.<br />
129
1970<br />
130<br />
Bundes kanzler Willy Brandt und<br />
DDR-Ministerratsvorsitzender<br />
Willi Stoph in Kassel.<br />
Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen<br />
Gewalt verzichtsabkommens in<br />
Moskau durch Willy Brandt und<br />
Ministerpräsident Alexej Kossygin.<br />
Bundeskanzler Brandt vor dem<br />
Mahnmal für die jüdischen Toten<br />
in Warschau – auch das ein<br />
Sinnbild für den deutschen Wunsch<br />
nach Verständigung und<br />
Versöhnung ohne Vergessen<br />
der leidvollen Vergangenheit.<br />
Im März treffen Bundeskanzler Willy<br />
Brandt und der Vorsitzende des Ministerrats<br />
der DDR, Willi Stoph, in Erfurt<br />
zu Gesprächen über die Beziehungen<br />
zwischen den beiden deutschen Staaten<br />
zusammen. Im Mai werden diese Ge sprä -<br />
che in Kassel fortgesetzt. ❑ Am 12. August<br />
unterzeichnet Bundeskanzler Brandt<br />
in der Sowjetunion den deutsch-sowjetischen<br />
Vertrag über Gewaltverzicht und<br />
Anerkennung der in Europa bestehenden<br />
Grenzen (Moskauer Vertrag). ❑ Durch<br />
eine Grundgesetzänderung wird im Juli<br />
das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herabgesetzt.<br />
❑ Bei einem Besuch in Po len unterzeichnet<br />
Bundeskanzler Brandt am<br />
7. Dezember den Vertrag über die Norma -<br />
lisierung der Beziehungen zwischen der<br />
Bundesrepublik und der Volksrepublik<br />
Polen. ❑ Die Geste des Bundes kanz lers<br />
bei seinem Besuch im ehemaligen Warschauer<br />
Ghetto erregt Aufsehen: Brandt<br />
kniet am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus<br />
nieder. ■<br />
In Ellund bei Flensburg, nahe der<br />
dänischen Grenze, richtet der <strong>Volksbund</strong><br />
die Pflegestelle Nord ein. Damit ist<br />
die organisatorische Voraussetzung für<br />
eine intensivere Pflege der deutschen Sol -<br />
datenfriedhöfe in Skandinavien geschaf -<br />
fen. ❑ Die feierliche Übergabe des U-Boot-<br />
Ehrenmals in Möltenort bei Kiel findet<br />
ein starkes Echo. Die U-Boot- Kamerad -<br />
schaft Kiel hat großen Anteil an der Errichtung<br />
und Pflege dieser Gedenkstätte.<br />
❑ Auf dem Vertretertag 1970 scheidet Präsident<br />
Trepte aus seinem Amt. Neuer Präsident<br />
wird Regierungspräsident Prof. Dr.<br />
Willi Thiele. ❑ Im Mittelpunkt der Frauen<br />
arbeit des Volksbun des steht der internationale<br />
Frauen kongress in Hamburg,<br />
der unter Beteiligung von 192 Frau en aus<br />
13 Ländern im September veran staltet<br />
wird. Schwerpunkt der Diskussionen ist<br />
die Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es. ■<br />
Bundesvertretertag<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in Kassel<br />
Wilhelm Kratz, Vor sitzender des Landesverbandes<br />
Saar (links), und Bürgermeister a. D. Hermann<br />
Schneider (Landes ver band Baden-Württem berg)<br />
sind zwei der Diskussions redner.<br />
Die Frauen sind die eigentlichen<br />
Leidtragenden des Krieges. Sie<br />
haben Männer, Väter, Söhne und<br />
Brüder verloren. Deshalb liegt ihnen<br />
das Friedensthema besonders am<br />
Herzen, das auf dem internationalen<br />
Frauenkongress des <strong>Volksbund</strong>es in<br />
Hamburg im Mittelpunkt steht.<br />
Präsident Walter Trepte scheidet aus seinem Amt.<br />
Er hat zehn Jahre die Geschicke des <strong>Volksbund</strong>es<br />
geleitet. Sein Nachfolger wird der Braunschweiger<br />
Regierungspräsident Prof. Dr. Willi Thiele.<br />
<strong>Das</strong> U-Boot-Ehrenmal Kiel-Möltenort<br />
erinnert an das Schicksal von Zehntausenden<br />
Männern, die mit ihren<br />
Booten in den beiden Weltkriegen<br />
untergingen. Ihre Angehörigen<br />
haben hier einen Ort, an dem sie die<br />
Namen wiederfinden und der Toten<br />
gedenken können.<br />
Deutsch-französisches Denkmal für<br />
die Toten des Krieges 1870/71 bei<br />
Vionville/Frankreich.<br />
131
1971<br />
Bundesverteidigungsminister<br />
Helmut Schmidt hält die Gedenk -<br />
rede zum Volks trauertag in der<br />
Hamburger Musikhalle.<br />
132<br />
Bundeskanzler Brandt erhält in<br />
Oslo den Friedensnobelpreis.<br />
Bundesministerin Käthe Strobel<br />
besucht auch 1971 Jugendlager<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in Belgien, den<br />
Niederlanden, Frankreich und<br />
Großbritannien. Die Jugendlager<br />
werden durch das Bundes -<br />
ministe rium für Jugend, Familie<br />
und Gesundheit und das Deutsch-<br />
Französische Jugendwerk mit<br />
erheblichen Zuschüssen gefördert.<br />
Am 3. Mai tritt Walter Ulbricht vom<br />
Amt des Ersten Sekretärs des Zentral<br />
komitees der SED zurück. Nachfolger<br />
wird Erich Honecker. ❑ Am 3. September<br />
wird das Viermächteabkommen über Berlin<br />
von den USA, Groß britan nien, Frankreich<br />
und der UdSSR unterzeichnet. ❑<br />
Am 10. Dezember erhält Bundeskanzler<br />
Brandt aufgrund seiner Ostpolitik in Oslo<br />
den Friedens nobelpreis. ■<br />
Eine an Papst Paul VI. gerichtete<br />
Denkschrift des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />
am 4. Februar dem Kardinalstaatssekretär<br />
Jean Kardinal Villot im Vatikan über geben.<br />
❑ Der Präsident führt mit Vertretern<br />
des Auswärtigen Amtes Gespräche, um<br />
die Bestrebungen des <strong>Volksbund</strong>es und<br />
des Auswärtigen Amtes in der Kriegs gräberfrage<br />
im Osten neu abzustimmen. ❑ In<br />
Abstimmung mit der österreichischen Regierung<br />
wird die Zu sammen bettung der<br />
deutschen Gefal le nen aus Vorortfriedhöfen<br />
auf dem Zentralfriedhof in Wien abgeschlossen.<br />
❑ Auf der Insel Kreta in Grie -<br />
chenland werden 4 405 zunächst im Kloster<br />
Gonia aufbewahrte Sarkophage mit<br />
den Gebeinen der deutschen Gefallenen<br />
auf dem Gelände des neuen deutschen<br />
Sol da tenfriedhofes bei Maleme ein gebet -<br />
tet. ❑ Klaus von Lutzau wird Generalsekretär.<br />
❑ Gustav Ahlhorn, ehemaliger<br />
Präsident und Ehrenmitglied des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
stirbt im Alter von 84 Jahren. ■<br />
Präsident Willi Thiele (zweiter von rechts)<br />
und der Vorsitzende des Landesverbandes<br />
Niedersachsen, Eduard Haßkamp (rechts),<br />
legen zum Auftakt des Vertretertages in<br />
Hannover auf dem Gräberfeld für<br />
deutsche und ausländische Kriegstote in<br />
Hannover-Seelhorst einen Kranz nieder.<br />
Unübersehbare Gräberfelder mit<br />
schwarz gestrichenen Holzkeuzen –<br />
so zeigen sich viele Soldatenfried höfe<br />
des Ersten Weltkrieges in Frankreich<br />
dem Besucher: St. Laurent-Blangy<br />
bei Arras/Nordfrankreich mit<br />
31 939 Kriegs toten.<br />
Für den Ausbau der Friedhöfe des<br />
Ersten Weltkrieges in Frankreich<br />
transportieren Einheiten der Bundeswehr<br />
über 25 000 Betonfundamente<br />
für Metallkreuze.<br />
Mitarbeiter des Landesverbandes<br />
Berlin und eine Abordnung der<br />
Aktion Sühnezeichen legen in der<br />
KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Mai<br />
einen Kranz nieder. Im Sommer helfen<br />
junge <strong>Deutsche</strong> im Rahmen von<br />
Workcamps bei der Pflege der in<br />
Österreich gelegenen Gedenkstätte.<br />
133
Kunst auf<br />
Friedhöfen<br />
Von oben nach unten, links:<br />
Liny-devant-Dun/Frankreich,<br />
Futa-Pass/Italien, Liny-devant-Dun;<br />
Mitte: Champigny-St. André/<br />
Frankreich, Illfurth/Frankreich,<br />
Tarabya/Türkei, Cannock Chase/<br />
Großbritannien, Cassino/Italien;<br />
rechts: Lommel/Belgien, Berlin-<br />
Neukölln, Costermano/Italien,<br />
Rovaniemi/Finnland.<br />
Seite 135: Die „trauernden Eltern“<br />
von Käthe Kollwitz auf dem Soldatenfriedhof<br />
Vladslo/Belgien.<br />
134<br />
135
1972<br />
Er läuft und läuft und läuft ...<br />
Der 15 007 034. Käfer läuft vom<br />
Band. Damit ist das T-Modell der<br />
20er Jahre von Ford übertroffen,<br />
dessen Serienproduktion damals<br />
nach 15 007 033 Stück eingestellt<br />
wurde.<br />
136<br />
Bundesminister Egon Bahr und DDR-<br />
Staatssekretär Michael Kohl unterzeichnen<br />
in Ostberlin den Grundlagenvertrag<br />
zur Normalisierung der Bezie hungen<br />
zwischen der Bundesrepublik und der<br />
DDR. ❑ Bei vorgezogenen Bundestagswahlen<br />
erhalten die SPD 45,8 Prozent,<br />
die CDU/CSU 44,9 Prozent und die FDP<br />
8,4 Prozent der Stimmen. Brandt bleibt<br />
Bundeskanzler. ■<br />
Präsident Thiele führt mit dem Botschafter<br />
der UdSSR, Valentin M. Fa -<br />
lin, Gespräche über die deutschen Krieg s -<br />
gräber in der Sowjetunion. Falin sagt zu,<br />
dass die Gräber deutscher Kriegsgefangener<br />
in Krasnogorsk und Ljublino (Stadtbereich<br />
von Moskau) instand gesetzt werden<br />
und der Besuch ermöglicht wird. ❑<br />
Am 9. September über gibt der <strong>Volksbund</strong><br />
den Soldatenfriedhof Jaunitzbachtal bei<br />
Freistadt in Oberösterreich (2 740 Kriegstote)<br />
der Öffentlichkeit. ■<br />
Staatssekretär Egon Bahr (rechts)<br />
und DDR-Staatssekretär Michael<br />
Kohl (links) unterzeichnen das<br />
Transitabkommen.<br />
Präsident Willi Thiele und Hans-<br />
Otto Weber (Mitglied des Bundesvorstandes)<br />
beim ersten Gespräch<br />
mit Valentin M. Falin über die<br />
deutschen Kriegsgräber in der<br />
Sowjetunion (von links).<br />
Papst Paul VI. empfängt Präsident<br />
Willi Thiele und Bundesvorstandsmitglied<br />
Richard Wagner zu einer<br />
Privat audienz. Er würdigt die Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es als „einen wesentlichen<br />
Beitrag zur Verständigung der<br />
Völker untereinander und damit zur<br />
Erhaltung des Friedens.“<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erhält für die Aktion<br />
„Versöhnung über den Gräbern“<br />
den Albert-Schweitzer-Preis der Internationalen<br />
Goethe-Stiftung, Basel.<br />
Durch den Beitritt Dänemarks, Großbritanniens<br />
und Irlands wird die EG<br />
zur Gemeinschaft der Neun. ❑ Die Vereinigten<br />
Staaten stellen die Kriegshandlungen<br />
gegen Nordvietnam ein. Im Januar<br />
unterzeichnen die kriegführenden Partei -<br />
en den Waffenstillstand. ❑ Nach kontroversen<br />
Debatten wird der am 21. Dezember<br />
1972 unterzeichnete Grundlagenvertrag<br />
mit der DDR ratifiziert. Er tritt am<br />
21. Juni in Kraft. <strong>Das</strong> zuvor angerufene<br />
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe<br />
entscheidet, dass er mit dem Grund ge -<br />
setz vereinbar ist. ❑ Im September werden<br />
die Bundesrepublik und die DDR in<br />
die Vereinten Nationen aufgenommen. ❑<br />
Die zweite Phase der Konferenz für Sicherheit<br />
und Zusammenarbeit in Europa<br />
(KSZE) in Genf beginnt. ❑ Die Bundesrepublik<br />
Deutschland und die Tschechoslowakei<br />
nehmen diplomatische Beziehungen<br />
auf. ❑ <strong>Das</strong> Münchner Abkommen<br />
vom 29. September 1938 wird annulliert. ■<br />
Die Bemühungen um die Sicherung<br />
der Kriegsgräber in Osteuropa stehen<br />
auch in diesem Jahr im Vordergrund.<br />
Eine Delegation des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages<br />
bringt das Thema bei einem Besuch in<br />
Moskau zur Sprache. Die Kontakte zur<br />
sowjetischen Botschaft werden fortgesetzt.<br />
Es wird erreicht, dass erstmals der Soldatenfriedhof<br />
Moskau-Ljublino besucht wer -<br />
den kann. ❑ Bei einem Besuch des Präsi -<br />
denten in Tunesien wird Einigung über<br />
den Bau der Kriegsgräberstätte Bordj Cedria<br />
erzielt. ❑ In Frankreich schließt der<br />
Umbettungsdienst seine Tätigkeit mit der<br />
Umbettung von 898 Gefallenen aus dem<br />
Departement Haut Rhin auf den deutschen<br />
Soldatenfriedhof in Bergheim/Elsass<br />
ab. ❑ Aus Anlass des 1 000. Jugend -<br />
lagers in Frankreich (seit 1957) wird im<br />
Juli in Arras ein deutsch-französisches Seminar<br />
veranstaltet. ■<br />
1973<br />
<strong>Das</strong> Präsidium beschließt die Stiftung<br />
einer Ehrenplakette in Silber. Sie<br />
kann Persönlichkeiten im In- und<br />
Ausland verliehen werden, die sich<br />
für die internationale Friedensarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in besonderer<br />
Weise eingesetzt haben.<br />
Aufnahme der beiden deutschen<br />
Staaten in die Vereinten Nationen.<br />
Vorne die Delegation der DDR mit<br />
Außenminister Otto Winzer, hinter<br />
dem Gang die Bundesrepublik mit<br />
Außenminister Walter Scheel.<br />
Im Verlauf der „Ölkrise“ wird an<br />
vier Sonntagen ein Fahrverbot erteilt<br />
(Autobahn Heilbronn-Stuttgart).<br />
137
1974<br />
Bundeskanzler Schmidt und<br />
Außenminister Genscher legen<br />
bei einem Staatsbesuch in der<br />
Sowjetunion Ende Oktober am<br />
Grab des Unbekannten Soldaten<br />
in Kiew einen Kranz nieder.<br />
Internationales Friedenstreffen zur<br />
Erinnerung an die Kämpfe um Monte<br />
Cassino im Jahre 1943 – Gedenkstunde<br />
auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />
mit 3 000 Teilnehmern.<br />
Rechte Seite:<br />
An der Einweihung des deutschen<br />
Soldatenfriedhofes Maleme auf<br />
Kreta im Oktober nehmen außer<br />
1 500 Angehörigen und ehemaligen<br />
Kameraden auch 1 000 Einwohner<br />
der umliegenden Gemeinden teil.<br />
138<br />
Willy Brandt tritt zurück. Helmut<br />
Schmidt wird sein Nachfolger als<br />
Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition.<br />
❑ Die Ständigen Vertretungen in<br />
Bonn und Ost-Berlin nehmen ihre Arbeit<br />
auf. ❑ Am 15. Mai wird Walter Scheel<br />
(FDP) zum Bundespräsidenten gewählt.<br />
❑ Die Staats- bzw. Regierungschefs der<br />
EG beschließen in Paris die Gründung<br />
des Europäischen Rates. ■<br />
Zum ersten Mal kann der Botschafter<br />
der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Dr. Ulrich Sahm, am Volkstrauertag auf<br />
dem deutschen Soldatenfriedhof Moskau-<br />
Ljublino einen Kranz niederlegen. ❑ Erster<br />
Träger der 1973 neugeschaffenen Silbernen<br />
Ehrenplakette ist der ehemalige Ge neral -<br />
direktor der Commonwealth War Graves<br />
Commission, William John Chalmers. ■<br />
Bundespräsident Scheel (rechts Präsident<br />
Thiele) übernimmt die Schirmherrschaft über<br />
den <strong>Volksbund</strong>. Er sagt: „Die private Idee,<br />
auf die der <strong>Volksbund</strong> seine Arbeit aufgebaut<br />
hat, ist förderungswürdig und höher<br />
zu bewerten als die staatliche Pflicht.“
1975<br />
140<br />
KSZE-Gipfeltreffen in Helsinki<br />
(Eröffnungsfeier).<br />
Bundespräsident Scheel und<br />
Außenminister Genscher auf dem<br />
Kriegsgefangenenfriedhof Ljublino.<br />
Der seit dem israelisch-arabischen<br />
Sechstagekrieg im Juni 1967 gesperrte<br />
Suezkanal wird nach achtjähriger<br />
Blockade wieder geöffnet. ❑ Am 1. August<br />
wird nach zweijährigen Verhandlungen<br />
die KSZE-Schlussakte unterzeichnet.<br />
Die von 35 Staaten Europas und Nordamerikas<br />
unterzeichnete Charta regelt<br />
das Zusammenleben von Staaten unterschiedlicher<br />
Gesellschaftsordnungen. ❑<br />
Als erster Bundespräsident besucht Walter<br />
Scheel im November die UdSSR. ■<br />
Die Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />
Bergheim bei Colmar/Frankreich,<br />
dem letzten der <strong>22</strong> deutschen Sol -<br />
datenfriedhöfe des Zweiten Weltkrieges<br />
in Frankreich, wird zu einem vielbeachteten<br />
Bekenntnis zur Verständigung und<br />
der Freundschaft zwischen <strong>Deutsche</strong>n<br />
und Franzosen. Professor Carlo Schmid<br />
hält die Gedenkrede. ❑ Als letzte der<br />
34 deutschen Kriegsgräberstätten in Däne -<br />
mark – überwiegend Friedhöfe für Flüchtlinge<br />
aus Ostdeutschland – wird das Grä -<br />
berfeld in Fredericia/Jütland (401 Kriegstote)<br />
mit Grabzeichen aus Natursteinen<br />
versehen. ❑ Die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
Dionyssos-Rapendoza in Grie chenland<br />
wird eingeweiht. ❑ Der Bundesprä -<br />
sident würdigt mit der Verleihung des<br />
Gro ßen Verdienstkreuzes des Verdienstordens<br />
der Bundesrepublik den engagierten<br />
Einsatz Präsident Thieles für die<br />
Kriegs gräberfürsorge. ❑ Auf dem Wiener<br />
Zentralfriedhof wird der vom <strong>Volksbund</strong><br />
gestaltete Teil für die Gefallenen des<br />
Zweiten Weltkrieges eingeweiht. ■<br />
Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />
besucht auf Einladung des Sowjetischen<br />
Roten Kreuzes erstmals die<br />
Sowjetunion. Er legt in Ljublino/<br />
Moskau einen Kranz nieder.<br />
Der ägyptische Präsident Anwar<br />
el Sadat führt an Bord eines<br />
Zerstörers die ersten Schiffe an,<br />
die nach dem Sechstagekrieg<br />
1967 den wiedereröffneten<br />
Suezkanal passieren.<br />
Einweihung des Gräberfeldes für<br />
7 297 deutsche Kriegstote auf dem<br />
Wiener Zentralfriedhof am<br />
25. Oktober. Die seit 1939 bestehende<br />
Anlage ist durch Zubettungen<br />
aus 52 Wiener Vorortfriedhöfen vergrößert<br />
und neu gestaltet worden.<br />
Die am 28. September eingeweihte<br />
Kriegsgräberstätte Dionyssos-<br />
Rapendoza liegt 30 Kilometer von<br />
der griechischen Hauptstadt Athen<br />
entfernt. Die 68 Gefallenen des<br />
Ersten und 9 905 Gefallenen des<br />
Zweiten Weltkrieges ruhen in<br />
unterirdischen Gruftkammern.<br />
Am Tag der Einweihung sind die<br />
Namenplatten mit Blumen übersät.<br />
Am 7. Juni wird der Soldatenfriedhof<br />
Bergheim im Elsass eingeweiht.<br />
Hier ruhen 5 308 Gefallene des<br />
Zweiten Weltkrieges. Bundesminister<br />
a. D. Prof. Carlo Schmid hält die<br />
Gedenkrede.<br />
141
1976<br />
Die Vereinigten Staaten von Amerika<br />
feiern ihr 200-jähriges Bestehen.<br />
Demonstration gegen den Bau des<br />
Atomkraftwerkes Brokdorf.<br />
142<br />
Nach langen Verhandlungen werden<br />
die Vereinbarungen mit Polen ratifiziert.<br />
Polen sichert gegen einen Kredit<br />
von einer Milliarde DM die Ausreise von<br />
125 000 Deutschstämmigen zu. ❑ Die SED<br />
verabschiedet auf dem IX. Parteitag ein<br />
neues Programm. Parteichef Erich Honecker<br />
wird Staatsratsvorsitzender. ❑ Die<br />
Westmächte entscheiden gegen eine Direktwahl<br />
zum Europaparlament in Berlin,<br />
stattdessen werden die Parlamentarier<br />
durch das Abgeordnetenhaus gewählt. ■<br />
In Ostberlin trifft der <strong>Volksbund</strong>präsident<br />
mit dem Leiter der Ständigen<br />
Vertretung der Bundesrepublik Deutschland<br />
in der DDR, Staatssekretär Günter<br />
Gaus, zusammen. Gegenstand des Gesprächs<br />
sind die von der Regierung der<br />
DDR festgelegten Bestimmungen über<br />
den Besuch von Soldatengräbern und die<br />
Möglichkeiten ihrer praktischen Durchführung.<br />
Ein entsprechendes Merkblatt<br />
wird an die <strong>Volksbund</strong>gliederungen, an<br />
Reisebüros und an Interessenten ausgegeben.<br />
❑ Der sowjetische Botschafter Falin<br />
teilt dem <strong>Volksbund</strong> mit, dass nach dem<br />
Friedhof Ljublino nun auch Krasnogorsk<br />
(Bild unten) besucht werden könne. ■<br />
<strong>Das</strong> Foto unten zeigt die deutsche<br />
Kriegsgräberstätte Krasnogorsk.<br />
Nach Abschluss einer Vereinbarung<br />
zwischen der niederländischen Regierung<br />
und der Bundesregierung<br />
geht die von der niederländischen<br />
Armee angelegte deutsche Kriegsgräberstätte<br />
Ysselsteyn am 11. November<br />
in die Betreuung durch den<br />
<strong>Volksbund</strong> über.<br />
143
1977<br />
Mordanschläge von Terroristen<br />
erschüttern die Öffentlichkeit in der<br />
Bundesrepublik. Zwei Unbekannte<br />
ermorden am 7. April in Karlsruhe<br />
Generalbundesanwalt Siegfried<br />
Buback und seinen Fahrer.<br />
Nach grundlegender Umgestaltung<br />
durch den <strong>Volksbund</strong> wird die internationale<br />
Kriegsgräberstätte in Salzgitter-Jammertal<br />
im Oktober der<br />
Öffentlichkeit übergeben.<br />
4 037 Tote aus fünfzehn Nationen,<br />
die während des Zweiten Weltkrieges<br />
als Zwangsarbeiter in Salzgitter<br />
starben, ruhen auf dieser Anlage.<br />
Vertreter der polnischen, sowjetischen,<br />
tschechoslowakischen und<br />
ungarischen Botschaft nehmen an<br />
der Veranstaltung teil.<br />
144<br />
Die Mitgliedstaaten der EG verpflich<br />
ten sich in einer gemeinsamen<br />
Erklärung, die Entscheidungen des Europäischen<br />
Gerichtshofes in Menschenrechtsangelegenheiten<br />
als verbindlich<br />
anzuerkennen. ❑ Gegen die Stimmen der<br />
CDU/CSU verabschiedet der Bundestag<br />
eine Wehrdienstnovelle. Wehrpflichtige<br />
dürfen danach ohne Gewissensprüfung<br />
zwischen Bundeswehr und Zivildienst<br />
wählen. ■<br />
Präsident Thiele bittet den Präsidenten<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages und<br />
den Bundeskanzler um stärkere Unterstützung<br />
bei Kontakten zu Ostblockstaaten.<br />
❑ Die zwischen dem <strong>Volksbund</strong> und<br />
dem Rumänischen Roten Kreuz vereinbarte<br />
Erfassung der deutschen Gräber bei -<br />
der Weltkriege in Rumänien wird abge -<br />
schlossen. ❑ Aus Anlass des 25-jährigen<br />
Bestehens der Jugendlager des Volks bundes<br />
findet am 6. Juli auf dem Friedhof in<br />
Lommel/Belgien eine Feierstunde statt. ■<br />
Nach Tobruk in Libyen und El Alamein<br />
in Ägypten wird die Kriegsgräberstätte<br />
Bordj Cedria/Tunesien<br />
(8 562 Kriegstote) am 28. September<br />
als dritte deutsche Kriegsgräberstätte<br />
in Nordafrika eingeweiht.<br />
Kriegsgräberreise nach Russland:<br />
Angehörige besuchen den Kriegsgefangenenfriedhof<br />
Ljublino.<br />
145
1978<br />
Weißer Rauch aus einem Schornstein<br />
des Vatikans zeigt an, dass ein neuer<br />
Papst gewählt ist.<br />
Ölpest an der Küste der Bretagne<br />
nach der Havarie des Tankers<br />
Amoco Cadiz. Durch solche<br />
Katastrophen wächst das Umweltbewusstsein<br />
vieler Menschen.<br />
146<br />
Vom 4. bis 7. Mai hält sich der sowjetische<br />
Staats- und Parteichef Leonid<br />
Breschnew zu einem Staatsbesuch in<br />
Bonn auf. Die stagnierende Ost-West-Entspannung<br />
soll neu belebt werden. ❑ Am<br />
16. Juli beraten die sieben westlichen Industrienationen<br />
bei dem Weltwirtschaftsgipfel<br />
in Bonn über die Wirtschaftspolitik.<br />
❑ Für ihre Förderung des Friedens im<br />
Na hen Osten zwischen Israel und den<br />
arabischen Staaten werden Menachem<br />
Begin und Anwar el Sadat mit dem Friedensnobelpreis<br />
ausgezeichnet. ❑ In Rom<br />
wird der Erzbischof von Krakau, Karol<br />
Kardinal Wojtyla, zum neuen Papst gewählt;<br />
er nennt sich Johannes Paul II. ■<br />
Auf dem Bundesvertretertag wird<br />
Regierungspräsident i. R. Dr. Josef<br />
Schneeberger zum neuen Präsidenten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es gewählt. ❑ Auf Bitte von<br />
Präsident Schneeberger spricht Bundeskanzler<br />
Schmidt beim Besuch des sowjetischen<br />
Staats- und Parteichefs Breschnew<br />
in Bonn auch das noch immer ungelöste<br />
Problem der deutschen Kriegsgräber in<br />
der Sowjetunion an. ❑ In der Fragestun -<br />
de des Bundestages am 13. April nimmt<br />
die Bundesregierung zum Problem die<br />
Kriegsgräberstätten in Ost- und Südosteuropa<br />
Stellung. Ihr Sprecher betont, dass<br />
die Bundesregierung in enger Zusammen<br />
arbeit mit dem <strong>Volksbund</strong> seit vielen<br />
Jahren bestrebt sei, die Frage der Errichtung<br />
und Betreuung von Soldatenfriedhöfen<br />
in Ost- und Südosteuropa zu re -<br />
geln. ❑ Die Ministerpräsidenten aller<br />
deutschen Bundesländer fassen in Bonn<br />
folgenden Beschluss:<br />
„Die Bundesregierung wird gebeten, bei<br />
den Staaten Osteuropas weiterhin nachdrücklich<br />
darauf hinzuwirken, dass eine<br />
für alle Seiten zufriedenstellende Regelung<br />
für die deutschen Kriegsgräber in<br />
diesen Staaten erreicht wird.” ❑ <strong>Das</strong> Ungarische<br />
Rote Kreuz sichert dem <strong>Volksbund</strong><br />
die Erhaltung aller deutschen Kriegsgräber<br />
in Ungarn zu. Bis Ende 1979 soll<br />
die 1969 begonnene Erfassung der deutschen<br />
Kriegsgräber abgeschlossen sein. ❑<br />
Bei einem Be such in Warschau spricht<br />
Bundesaußenminister Hans-Dietrich<br />
Genscher auch das Thema der Pflege<br />
deutscher Kriegsgräber in Polen an. ❑<br />
Generalsekretär Neumann führt Gespräche<br />
mit dem Leiter der Ständigen Vertretung<br />
der Bundesrepublik bei der Deut -<br />
schen Demokra ti schen Republik, Staatssekretär<br />
Günther Gaus, und mit Vertretern<br />
der evangelischen Kirche. Die Erhaltung<br />
und Pflege der Kriegsgräber auf<br />
dem Gebiet der DDR ist das Hauptthema.<br />
In der Bundesrepublik wohnende Angehörige<br />
dürfen zum Besuch von Kriegsgräbern<br />
in die DDR einreisen und bei den<br />
örtlichen Stellen Grabschmuck in Auftrag<br />
geben. ■<br />
Hanns-Günther Michel (rechts) ist<br />
einer der Mitgründer der Jugendarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. Der trostlose<br />
Zustand des Soldatenfriedhofes<br />
Cassino bewegte ihn 1950 so sehr,<br />
dass er kurz darauf mit weiteren jungen<br />
Leuten dort arbeitete, um den<br />
Friedhof in Ordnung zu bringen.<br />
Viele weitere Arbeitseinsätze – vor<br />
allem in Elsass-Lothringen – folgten.<br />
Michel ist auch Initiator des ersten<br />
Friedensseminars des <strong>Volksbund</strong>es<br />
bei einem Jugendeinsatz zur Pflege<br />
von deutschen Kriegsgräbern in Norwegen.<br />
Sein Engagement betrachtet<br />
er ganz nüchtern: „Was wir tun und<br />
was ich getan habe, ist ja nichts weiter<br />
als ein konkreter Auftrag. Etwas,<br />
das mit der Toleranz Ernst macht und<br />
an die Versöhnung glaubt.“<br />
Die Welt, in der wir leben, ist auch<br />
nach zwei Weltkriegen noch durch<br />
Krieg und Gewalt bestimmt. Dort<br />
wo Frieden herrscht, wird das leicht<br />
übersehen. Der <strong>Volksbund</strong> wendet<br />
sich mit diesem eigens für die Schularbeit<br />
entwickelten Plakat an die<br />
jüngere Generation.<br />
147
1979<br />
Sowjetische Truppen marschieren<br />
am 26. Dezember in Afghanistan<br />
ein. Der Widerstand afghanischer<br />
Rebellen wird später zu einem<br />
erbitterten Partisanenkrieg.<br />
Die Anhänger von Ayatollah<br />
Ruhollah Khomeini bereiten ihm bei<br />
seiner Rückkehr aus dem franzö -<br />
sischen Exil in den Iran einen begeisterten<br />
Empfang. Die Herrschaft von<br />
Schah Reza Pahlevi geht zu Ende.<br />
148<br />
Als Ergebnis der amerikanisch-ägyptisch-israelischen<br />
Verhandlungen in<br />
Camp David kommt es zum Abschluss<br />
des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages.<br />
❑ In den neun Ländern der Europäischen<br />
Gemeinschaft finden die ersten<br />
Direktwahlen zum Europäischen Parlament<br />
statt. ❑ Der Bundestag hebt die Verjährungsfrist<br />
für Mord auf, damit auch<br />
künftig neu entdeckte NS-Verbrechen<br />
verfolgt werden können. ❑ Erstmals seit<br />
zehn Jahren wenden sich die evangeli-<br />
schen Kirchen der Bundesrepublik und<br />
der DDR in einer gemeinsamen Erklärung<br />
aus Anlass des Ausbruchs des Zweiten<br />
Weltkrieges vor 40 Jahren mit einem<br />
„Wort zum Frieden” an die Öffentlichkeit.<br />
❑ Die Dritten Programme des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Fernsehens strahlen den ameri ka -<br />
nischen Film „Holocaust” aus, in dem die<br />
erschütternde Geschichte der Judenvernichtung<br />
besonders eindrucksvoll dargestellt<br />
wird. ■<br />
Der <strong>Volksbund</strong> besteht 60 Jahre. Der<br />
Bundesvorstand veröffentlicht aus<br />
diesem Anlass eine Denkschrift zur Frage<br />
der 3,8 Millionen deutschen Kriegsgräber<br />
in den Staaten Ost- und Südosteuropas.<br />
Er stellt fest, dass seine Tätigkeit dort nach<br />
wie vor nicht möglich ist, und legt die<br />
gro ße Sorge um eine Lösung des drängen -<br />
den humanitären Problems der Kriegsgräberfürsorge<br />
erneut dar. ❑ Der Vertretertag<br />
verabschiedet folgende Resolution:<br />
„In Erinnerung an den 65. Jahrestag des<br />
Beginns des Ersten Weltkrieges,<br />
in Erinnerung an den 40. Jahrestag des<br />
Beginns des Zweiten Weltkrieges,<br />
im Bewusstsein der Verpflichtung, dem<br />
Frieden zu dienen, mahnt der <strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
eindringlich, der Opfer der Kriege und<br />
der Gewaltherrschaft im Sinne der Versöhnung<br />
der Völker und der Erhaltung<br />
des Friedens zu gedenken.”<br />
❑ Hoffnungen auf weitere Gespräche in<br />
Jugoslawien und Polen zerschlagen sich.<br />
❑ Der Bundesvorstand würdigt die Verdienste<br />
von Altbundespräsident Walter<br />
Scheel um die Kriegsgräberfürsorge mit<br />
der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft.<br />
❑ Bedeutsam für die Zusammenarbeit<br />
zwischen Volks bund und Bundeswehr ist<br />
ein Erlass des Bundesministers der Verteidigung,<br />
Dr. Hans Apel. ■<br />
Bundespräsident Karl Carstens übernimmt<br />
die Schirmherrschaft über den<br />
<strong>Volksbund</strong>. Er erklärt: „<strong>Das</strong> Wirken<br />
des <strong>Volksbund</strong>es geht weit über die<br />
Aufgaben der Fürsorge für die Kriegs -<br />
gräber hinaus. Durch seine Friedensarbeit<br />
unter dem Motto – Versöhnung<br />
über den Gräbern – trägt der<br />
<strong>Volksbund</strong> zum besseren Verständnis<br />
unter den Völkern in Europa bei.“<br />
(Foto links Präsident Dr. Josef<br />
Schneeberger und Bundespräsident<br />
Karl Carstens)<br />
Bei seinem Besuch in Rumänien legt<br />
Bundesaußenminister Hans-Dietrich<br />
Genscher im Oktober auf dem Friedhof<br />
„Pro Patria“ in Bukarest einen<br />
Kranz nieder. Dort ruhen 3 855 deutsche<br />
Soldaten des Ersten und Zweiten<br />
Weltkrieges.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erhält für seine<br />
völkerversöhnende Arbeit die Goldmedaille<br />
der französischen Société<br />
d’Encouragement au Bien.<br />
Am 4. Mai gedenkt der <strong>Volksbund</strong><br />
in der Bonner Beethovenhalle seiner<br />
Gründung vor 60 Jahren. Bundesinnenminister<br />
Gerhart Rudolf Baum<br />
hält die Ansprache: Er sei überzeugt,<br />
dass die Entspannung zwischen West<br />
und Ost auch die humanitäre Aufgabe<br />
der Kriegsgräberfürsorge einschließe.<br />
Die Bundesregierung wolle<br />
alles Erdenkliche dafür tun, dass<br />
diese Zukunftsaufgabe realisiert<br />
werden könne.<br />
149
Zusammenarbeit<br />
mit der<br />
Bundeswehr<br />
<strong>Deutsche</strong> Soldaten pflegen in<br />
ihrer Freizeit die Kriegsgräberstätte<br />
Götzendorf in Österreich.<br />
Seit ihrem Bestehen unterstützt die<br />
Bundeswehr die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Die Grundlage dafür bilden ein zwischen<br />
dem <strong>Volksbund</strong> und der Bundeswehr geschlossener<br />
Vertrag sowie der jeweils gültige<br />
Erlass des Verteidigungsministers. In<br />
diesem Erlass sind die Hilfeleistungen<br />
der Bundeswehr für den <strong>Volksbund</strong> definiert<br />
und geregelt. Die Bundeswehr hilft<br />
dem <strong>Volksbund</strong> beispielsweise bei der<br />
Haus- und Straßensammlung, bei Arbeitseinsätzen<br />
auf Kriegsgräberstätten,<br />
den Workcamps und bei verschiedenen<br />
Gedenkveranstaltungen sowie Benefizkonzerten.<br />
Ohne diese Hilfeleistungen der Bundeswehr<br />
müsste der <strong>Volksbund</strong> in einigen<br />
Bereichen erhebliche Einschränkungen<br />
hinnehmen. Durch die freiwillige<br />
Teilnahme von Soldatinnen und Soldaten<br />
der Bundeswehr an der Haus- und Straßensammlung<br />
wird jährlich im Schnitt<br />
ein Betrag von rund zwei Millionen Euro<br />
gesammelt (Stand: 2008). Der Anteil der<br />
Bundeswehr an der Pflege und der Instandsetzung<br />
von Kriegsgräberstätten im<br />
In- und Ausland ist ebenfalls erheblich. In<br />
nahezu allen Ländern Europas helfen Soldatinnen<br />
und Soldaten der Bundeswehr,<br />
diese Orte der Erinnerung und des Gedenkens<br />
in einem würdigen Zustand zu<br />
erhalten. Tausende von Angehörigen der<br />
Bundeswehr haben so Kriegsgräberstätten<br />
kennen gelernt und sind dem <strong>Volksbund</strong><br />
aufgrund dieser Erfahrungen besonders<br />
verbunden.<br />
Junge Menschen vieler Nationalitäten<br />
treffen sich Jahr für Jahr in den Workcamps,<br />
um Kriegsgräber zu pflegen und<br />
sich mit der gemeinsamen Vergangenheit<br />
zu beschäftigen. Die Bundeswehr stellt dabei<br />
Busse und Fahrer für die meisten dieser<br />
Jugendbegegnungen. An zahlreichen<br />
Gedenkveranstaltungen im In- und Ausland<br />
ist die Bundeswehr ebenso beteiligt.<br />
Sie stellt Kranzträger, Ehrenformationen<br />
und entsendet Musikkorps. Zusätzlich<br />
gibt es viele Benefizkonzerte mit Beteiligung<br />
von Musikkorps der Bundeswehr.<br />
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten und<br />
Vorgaben ist die Bundeswehr in Einzelfällen<br />
auch für Hilfen ansprechbar, die nicht<br />
ausdrücklich im Erlass aufgelistet sind.<br />
Für die erforderlichen Genehmigungen<br />
findet der <strong>Volksbund</strong> bei der politischen<br />
und militärischen Führung der Bundeswehr<br />
stets ein offenes Ohr.<br />
Heute beschäftigt der <strong>Volksbund</strong> ehemalige<br />
Stabsoffiziere der Bundeswehr als<br />
Beauftragte für die Zusammenarbeit. Diese<br />
Bundeswehr-Beauftragten halten Verbindung<br />
zur Truppe, informieren über die<br />
Ziele, Aufgaben und Projekte, bieten organisatorische<br />
Unterstützung und koordinieren<br />
die Zusammenarbeit. Zugleich ist<br />
der <strong>Volksbund</strong> bestrebt, die Bedeutung<br />
der Kriegsgräberfürsorge in die Streitkräfte<br />
zu tragen.<br />
Zusammenarbeit mit den Reservisten<br />
Die Zusammenarbeit mit dem Verband<br />
der Reservisten der <strong>Deutsche</strong>n Bundeswehr<br />
e.V. (VdRBw) beruht auf einer<br />
gemeinsamen Vereinbarung vom 1. Februar<br />
1996. Für den <strong>Volksbund</strong> sind die<br />
Reservisten der Bundeswehr besonders<br />
wichtig. Es sind Mitbürgerinnen und Mitbürger,<br />
die ihre Erfahrungen mit der<br />
Kriegs gräberfürsorge in unsere Gesellschaft<br />
tragen. Reservisten helfen dem<br />
<strong>Volksbund</strong> – wie die Bundeswehr – bei<br />
der Pflege der Kriegsgräberstätten im Inund<br />
Ausland. Sie unterstützen ihn bei der<br />
Haus- und Straßensammlung und arbeiten<br />
freiwillig auf deutschen Kriegsgräberstätten.<br />
Bei der Sammlung erzielen sie<br />
jährlich ein Ergebnis von über 500 000 Eu -<br />
ro – mit steigender Tendenz (Stand: 2008).<br />
Mit der Auflösung vieler Standorte<br />
der Bundeswehr gewinnt die Arbeit der<br />
Reservisten zusätzlich an Bedeutung. Mit<br />
ihrer Hilfe sollen an diesen Orten zu erwartende<br />
Ausfälle bei der Sammlung<br />
möglichst aufgefangen werden. Für die<br />
Betreuung der Reservisten setzt der <strong>Volksbund</strong><br />
Reservisten-Beauftragte ein. Ihre<br />
Aufgabe ist insbesondere die Informationsarbeit.<br />
Auch der VdRBw engagiert<br />
sich zunehmend für die Friedensarbeit<br />
der deutschen Kriegsgräberfürsorge. Der<br />
<strong>Volksbund</strong> ist bestrebt, diese Zusammenarbeit<br />
noch zu intensivieren. ■<br />
Seit Beginn der Partnerschaft zwischen<br />
<strong>Volksbund</strong> und Bundeswehr<br />
vor über 50 Jahren leisten die freiwilligen<br />
Helfer in Uniform etwa<br />
100 Arbeitseinsätze jährlich.<br />
So wie Generalmajor Johann Oppitz<br />
engagieren sich viele Soldatinnen<br />
und Soldaten der Bundeswehr sowie<br />
Reservisten bei der jährlichen Hausund<br />
Straßensammlung.<br />
151
1980<br />
152<br />
Bei der Eröffnung der Olympischen<br />
Spiele in Moskau fehlen 40 Nationen,<br />
die ihre Meldung wegen des sowjetischen<br />
Einmarsches in Afghanistan zurück<br />
gezogen haben. ❑ In Jugoslawien<br />
stirbt Staatspräsident Josip Brosz Tito.<br />
Damit ist der Zerfall des Vielvölker staates<br />
vorgezeichnet. ❑ Der erste Golfkrieg –<br />
zwischen dem Iran und dem Irak – beginnt.<br />
❑ Die DDR erhöht den sogenannten<br />
Zwangsumtausch für Westbesucher<br />
auf 25 Mark pro Tag. ■<br />
Der Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages,<br />
Richard Stücklen, gibt zum<br />
35. Jahrestag der Beendigung des Zweiten<br />
Weltkrieges am 8. Mai die folgende Erklärung<br />
zur Frage der deutschen Kriegsgräberfürsorge<br />
ab:<br />
„Wir gedenken am heutigen Tage,<br />
35 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges,<br />
der Opfer und ihrer Hinterbliebenen<br />
in tiefer Anteilnahme. Mit der Errichtung<br />
un seres demokratischen Staates haben wir<br />
die Folgen aus dem totalen Zusammenbruch<br />
gezogen. Die Bundesrepublik ist ein<br />
in der ganzen Welt geachtetes Mitglied der<br />
Staaten- und Völkergemeinschaft geworden.<br />
Mit dem Gedenken an die Opfer ver -<br />
binden wir den Appell, das Andenken der<br />
Toten aller Nationen im In- und Ausland<br />
zu respektieren. Wir beziehen in diesen<br />
Respekt die Pflege der letzten Ruhestätten<br />
von Millionen <strong>Deutsche</strong>n im In- und Ausland<br />
ein. Dankbar nehmen wir die Tatsache<br />
zur Kenntnis, dass die Gräber in zahl -<br />
reichen Ländern der Welt gepflegt werden<br />
können. Der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
hat sich dieser Verpflichtung<br />
vorbildlich angenommen. Wir be -<br />
dau ern, dass die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
noch immer erschwert ist. Ich möchte den<br />
heutigen Tag zum Anlass nehmen, an die<br />
Regierungen der osteuropäischen Länder,<br />
insbesondere an die Sowjetunion, zu appellieren,<br />
sich den humanitären Anliegen<br />
der Kriegs gräberfürsorge nicht zu verschließen.<br />
Es ist eine über die Grenzen<br />
hinausreichende Verpflichtung, die letzten<br />
Ruhestätten der Opfer in Würde und<br />
Humanität zu gestalten.“ ■<br />
Streikende Arbeiter der polnischen<br />
Lenin-Werft in Danzig (Gdansk).<br />
Der Vulkan Mount St. Helens in den<br />
USA bricht aus.<br />
Die politische Landschaft kommt in<br />
Bewegung – Gründung der Partei<br />
Die Grünen in Karlsruhe.<br />
Der Soldatenfriedhof Cuacos de Yuste<br />
ist die einzige deutsche Kriegsgräber -<br />
stätte in Spanien. Hier ruhen 26 Gefallene<br />
des Ersten sowie 154 Gefallene<br />
(Marine- und Luftwaffenange -<br />
hö rige) und verstorbene Inter nierte<br />
des Zweiten Weltkrieges.<br />
Bundespräsident Carstens besucht<br />
während einer Wanderung durch<br />
Hessen den Soldatenfriedhof Ludwig -<br />
stein (mit Stock: Minister präsident<br />
Holger Börner). Der Landesverband<br />
Hessen des <strong>Volksbund</strong>es hat die<br />
Grä berstätte unterhalb der Jugendburg<br />
Ludwigstein 1960/1961 angelegt.<br />
Hier ruhen 294 Kriegs tote aus<br />
verschiedenen Ländern, darunter<br />
auch Opfer der Gestapo.<br />
Alle Bemühungen, mit Albanien, Bul -<br />
ga rien, Polen, der Tschecho slowakei<br />
und der Sowjetunion über die deutschen<br />
Kriegsgräber ins Gespräch zu<br />
kommen, bleiben erfolglos. So wie<br />
dieses Gräberfeld in Suwalki/Polen<br />
mit jüdischen und moslemischen<br />
Gräbern sehen auch viele deut sche<br />
Friedhöfe aus: Die Kreuze sind verschwun<br />
den. Aber die Lage der Gräber<br />
ist noch immer erkennbar.<br />
153
1981<br />
Griechenland ist das zehnte Vollmitglied<br />
der Europäischen Gemeinschaft.<br />
❑ Papst Johannes Paul II. wird auf<br />
dem Petersplatz in Rom durch mehrere<br />
Schüsse schwer verletzt. ❑ Den Amerikanern<br />
gelingt der erste Weltraumflug mit<br />
der Raumfähre (Space Shuttle) „Columbia.“<br />
❑ Der NATO-Doppelbeschluss wird<br />
zu einer politischen Zerreißprobe. Helmut<br />
Schmidt und Hans-Dietrich Genscher<br />
drohen mit persönlichen politischen<br />
Konsequenzen, falls der Bundestag ihnen<br />
in der Frage der Raketennachrüstung<br />
nicht zustimmt. ❑ Am 11. Dezember treffen<br />
Bundeskanzler Schmidt und Staatsund<br />
Parteichef Honecker in der DDR zu<br />
Gesprächen zusammen. ❑ In Polen wird<br />
zur Niederschlagung der Solidarnosc-<br />
Bewegung (Gewerkschaft „Solidarität“)<br />
das Kriegsrecht verhängt. ■<br />
Der Vertretertag beschließt am<br />
24. Oktober in Mainz: „Die Bundesregierung<br />
wird gebeten, sie möge für die<br />
Errichtung eines zentralen Gedenk- und<br />
Mahnmals auf deutschem Boden besorgt<br />
sein. <strong>Das</strong> Gedenk- und Mahnmal soll<br />
Stätte des Gedenkens sein an alle Toten<br />
der Kriege und der Gewaltherrschaft,<br />
insbesondere an jene, deren Gräber unerreichbar<br />
sind. <strong>Das</strong> Gedenk- und Mahnmal<br />
soll zugleich Ort der Mahnung und<br />
der Besinnung sein, darauf, dass der<br />
Friede das höchste Gut der Menschheit<br />
ist.“ ❑ <strong>Das</strong> Ausbau programm der deutschen<br />
Kriegsgräberstätten des Ersten<br />
Weltkrieges in Frankreich wird abgeschlossen.<br />
150 000 Kreuze, Stelen und<br />
Platten kennzeichnen nun die Gräber der<br />
ca. 450 000 in Einzelgräbern bestatteten<br />
Kriegstoten. ❑ In mehr jähriger Arbeit<br />
haben Jugendliche und Bundeswehr auf<br />
der deutschen Kriegsgräberstätte Ysselsteyn/Niederlande<br />
über 31 000 Natursteinkreuze<br />
aufgestellt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
erreicht in Verhandlungen mit dem Ungarischen<br />
Roten Kreuz im September, dass<br />
eine deutsche Kriegsgräberstätte im<br />
X. Bezirk von Budapest instand gesetzt<br />
wird. Auf dieser Anlage ruhen ca. 6 000<br />
Gefallene. ❑ Anlässlich der Bundesgartenschau<br />
in Kassel wird eine Freiluftausstellung<br />
entwickelt, die sechs Monate<br />
lang die Besucher über die weltweite<br />
<strong>Volksbund</strong>arbeit informiert. ■<br />
Erfolgreicher Start der Europarakete Ariane<br />
am 19. Juni in Kourou/Französisch- Guayana.<br />
An Bord: der euro päische Wettersatellit Meteosat 2.<br />
Bundesvertretertag 1981 in Mainz:<br />
Arbeitssitzung im großen Sitzungssaal<br />
des Neuen Rathauses. Bei der<br />
öffentlichen Veranstaltung im Festsaal<br />
des Kurfürstlichen Schlosses<br />
spricht Bundespräsident Carstens.<br />
Eine jugoslawische Delegation unter<br />
Leitung von Botschafter a. D. Prof. Dr.<br />
Gavro Altman besucht die Bundesgeschäftsstelle<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. Die<br />
Verhandlungen ergeben weit gehende<br />
Übereinstimmung in der grundsätzlichen<br />
Frage der Kriegsgräberfürsorge<br />
in Jugoslawien.<br />
Gedenkveranstaltung zum zehnten<br />
Jahrestag der Einweihung des Sol -<br />
datenfriedhofes Kitchener in Kanada.<br />
Auf dem deutschen Gräberfeld des<br />
„Woodland-Fried hofes“ ruhen 39 ver -<br />
storbene Kriegsgefangene des Ersten<br />
und 148 des Zweiten Weltkrieges.<br />
Sie wurden aus 30 kanadischen Gemeinden<br />
hierher umgebettet.<br />
155
Friedhöfe des<br />
Ersten Weltkrieges<br />
in Frankreich<br />
Die Kriegsgräberstätte Neuville-<br />
St. Vaast (44 833 Kriegstote) heute<br />
und in den 20er Jahren. Im Kameradengrab<br />
(rechts) ruhen 8 040 Gefallene.<br />
Die Namen der bekannten Toten<br />
sind auf Namentafeln verewigt.<br />
Besucher in Soupir (11 089 Kriegstote,<br />
Foto ganz rechts) und Consenvoye<br />
(11 146 Kriegs tote). Auf jedem<br />
Friedhof ist ein <strong>Buch</strong> mit den Namen<br />
der hier bestatteten Kriegstoten ausge<br />
legt. In Soupir befin det sich das<br />
Namenbuch in der Stele.<br />
Die Einzelgräber auf den Friedhöfen<br />
des Ersten Weltkrieges sind mit Steinoder<br />
Metallkreuzen gekennzeichnet.<br />
Unsere Bilder auf der rechten Seite<br />
zeigen einige Beispiele:<br />
St. Quentin (8 <strong>22</strong>9 Kriegstote; links<br />
oben); Rancourt (11 4<strong>22</strong> Kriegstote;<br />
rechts oben); Maissemy (30 478<br />
Kriegstote; links unten); Damvillers<br />
(1 113 Kriegstote; unten Mitte) und<br />
Illies (3 145 Kriegstote; ganz rechts).<br />
156<br />
Im Ersten Weltkrieg sind in Frankreich<br />
930 000 deutsche Soldaten gefallen. Obwohl<br />
eine große Anzahl der Gräber bei<br />
den Kampfhandlungen ver lorenging,<br />
kann der <strong>Volksbund</strong> Auskunft über fast<br />
760 000 Gefallene geben. Diese Toten liegen<br />
auf 192 Friedhöfen, 461 000 Gefallene<br />
in Einzel- und 294 000 Gefallene in Kameradengräbern.<br />
Die Gräber von 16 000 Ge -<br />
fallenen befinden sich auf Kriegs grä ber -<br />
stätten anderer Nationen und französischen<br />
Gemeindefried höfen. ■<br />
157
Pflegen heißt<br />
erhalten!<br />
158<br />
Die meisten vom <strong>Volksbund</strong> betreuten<br />
Kriegsgräberstätten liegen in<br />
Frankreich. Zur Organisation der<br />
Pflege sind sechs Pflegebezirke eingerichtet<br />
worden, zu denen jeweils<br />
ein Pflegehof mit dem nötigen Fahrzeug-<br />
und Maschinenpark gehört.<br />
Von hier aus starten die Friedhofs -<br />
arbeiter zu ihren Einsätzen.<br />
Die Erhaltung und Pflege der Friedhöfe<br />
mit ihren Gebäuden, Grab zeichen,<br />
Mauern, Wegen und Grünan -<br />
lagen ist eine umfangreiche und vielfältige<br />
Aufgabe: Gräben ziehen,<br />
Zäune reparieren, Bäume fällen und<br />
zer sägen, Rasenmähen, Grabzeichen<br />
reinigen, reparieren und neu setzen,<br />
Rasen aufhäufeln, Pflanzen setzen,<br />
Flächen und Wege planieren, Platten<br />
reinigen, ... Für dies alles und noch<br />
viel mehr ist der Pflegedienst des<br />
<strong>Volksbund</strong>es zuständig. Er wird tatkräftig<br />
unterstützt von den jungen<br />
Leuten in den Jugendlagern, von der<br />
Bundeswehr, von Schülergruppen<br />
und Freiwilligen, die für diesen guten<br />
Zweck gern etwas Zeit und auch<br />
Geld aufwenden. Der Dank an alle<br />
Helfer besteht in dem Lob, das die<br />
Pflege in vielen Briefen an den <strong>Volksbund</strong><br />
und in den Besucherbüchern<br />
auf den Friedhöfen erfährt.<br />
159
1982<br />
Am 2. April besetzen argentinische<br />
Truppen die zu Großbritannien<br />
gehörenden Falkland-Inseln. Ihr<br />
Besitz ist seit 150 Jahren umstritten.<br />
Am 21. Mai kapitulieren die<br />
argentinischen Streitkräfte vor den<br />
gelandeten Briten.<br />
160<br />
Am 1. Oktober wird Bundeskanzler<br />
Helmut Schmidt durch ein konstruktives<br />
Misstrauensvotum im Bundestag<br />
gestürzt. Dr. Helmut Kohl (CDU) wird<br />
zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik<br />
gewählt. ■<br />
Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es findet<br />
Dank und Anerkennung aller Parteien<br />
bei einer Aussprache im Plenum des<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bundestages, die auf Antrag<br />
der Fraktion der CDU/CSU am 30. April<br />
stattfindet. In einem einstimmig gefassten<br />
Beschluss heißt es u. a., dass die Erfassung<br />
und Pflege deutscher Kriegsgräber<br />
nicht allein eine private Aufgabe des<br />
<strong>Volksbund</strong>es <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
sei, sondern im Interesse aller <strong>Deutsche</strong>n<br />
liege. Daher sei es Aufgabe der<br />
Bundesregierung, solange selbst die erforderlichen<br />
Verhandlungen zu führen,<br />
bis diese vom <strong>Volksbund</strong> fortgesetzt werden<br />
könnten. Besonders herausgehoben<br />
wird in der Debatte, dass die Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es die Verständigung, Versöhnung<br />
und den Frieden fördere. Dieses dokumentiere<br />
sich besonders in seiner Ju -<br />
gendarbeit. ❑ Eine Delegation des Vorstandes<br />
unter Leitung des Präsidenten<br />
besucht im März auf Einladung des So -<br />
w jetischen Roten Kreuzes die Sowjetunion.<br />
❑ Ein weiteres Gespräch mit Vertretern<br />
des Sowjetischen Roten Kreuzes schließt<br />
sich in Kassel an. Es werden Fotos von<br />
Gräbern deutscher Kriegsgefangener auf<br />
den Gefangenenfriedhöfen Tambow, Kirsanow<br />
und Morchansk mit der Erklärung<br />
überreicht, dass diese Friedhöfe künftig<br />
von deutschen Reisegruppen besucht wer -<br />
den dürfen. Außerdem erhält der <strong>Volksbund</strong><br />
Listen mit den Namen von 757 deut -<br />
schen Soldaten, die auf diesen Anlagen<br />
begraben sein sollen. ❑ Am 30. Juli stirbt<br />
Präsident Schneeberger. Der Vertretertag<br />
wählt am 18. Oktober in Kassel den bis-<br />
herigen Vorsitzenden des Landesverbandes<br />
Niedersachsen, Ver waltungspräsident<br />
a. D. Eduard Haßkamp, zu seinem Nachfolger.<br />
❑ Der Jugendausschuss als beratendes<br />
Gremium des Präsidiums begeht<br />
den 20. Jahrestag seiner Gründung. ■<br />
Gespräche des Bundesvorstandes<br />
mit dem Sowjetischen Roten Kreuz<br />
in Moskau.<br />
Kranzniederlegung auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />
Krasnogorsk und<br />
am Grab des Unbekannten Soldaten<br />
in Moskau.<br />
In Tarabya bei Istanbul/Türkei wird<br />
am 14. November eine Kriegsgräberstätte<br />
für 505 Gefallene des Ersten<br />
und 172 Gefallene des Zweiten<br />
Weltkrieges eingeweiht. Der <strong>Volksbund</strong><br />
hat hier alle in der Türkei bestatteten<br />
deutschen Kriegstoten<br />
zusammengebettet.<br />
161
1983<br />
<strong>Das</strong> Evangeliar Heinrichs des Löwen<br />
wird bei Sotheby’s in London im Auftrag<br />
der Bundesregierung und der<br />
Länder Bayern und Niedersachsen<br />
für 32,5 Millionen DM ersteigert.<br />
Bundespräsident Karl Carstens besucht<br />
das Grab des Dichters Gorch<br />
Fock auf der kleinen schwedischen<br />
Schäreninsel Stensholmen. Gorch<br />
Fock gehört zu den Opfern der<br />
Skagerrakschlacht 1916.<br />
Mit der Fertigstellung der Gebäude<br />
ist der Ausbau der Kriegsgräberstätte<br />
Neuville-St. Vaast in Frankreich (der<br />
größte deutsche Soldatenfriedhof des<br />
Ersten Weltkrieges) abgeschlossen.<br />
162<br />
<strong>Das</strong> 20jährige Bestehen des Vertrages<br />
über die deutsch-französische Zusammenarbeit<br />
wird feierlich begangen.<br />
Der französische Staatspräsident François<br />
Mitterrand spricht vor dem Bundestag;<br />
am Tag darauf nimmt Bundeskanzler Hel -<br />
mut Kohl an der Feierstunde im Pariser<br />
Elysée-Palast, dem Amtssitz des Staats präsidenten,<br />
teil. ❑ Der Bundestag beschließt<br />
im November gegen die Stimmen von<br />
SPD und Grünen, am NATO-Doppelbeschluss<br />
festzuhalten. ■<br />
Auf Initiative des <strong>Volksbund</strong>es bilden<br />
Vertreter von Vereinen und Verbänden<br />
ein Kuratorium zur Errichtung<br />
einer nationalen Mahn- und Gedenkstätte<br />
des deutschen Volkes auf dem Boden der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Zum Vorsitzenden<br />
wird der <strong>Volksbund</strong>präsident<br />
gewählt. ❑ Dem Kuratorium gehören an:<br />
- <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber -<br />
fürsorge,<br />
- <strong>Deutsche</strong>s Rotes Kreuz,<br />
- <strong>Deutsche</strong>r Bundeswehrverband,<br />
- Bund der Vertriebenen,<br />
- Reichsbund der Kriegsopfer, Behinderten,<br />
Sozialrentner und Hinterbliebenen,<br />
- Ring deutscher Soldatenverbände,<br />
- Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen<br />
und Vermisstenangehörigen<br />
Deutschlands,<br />
- Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer,<br />
Behinderten und Sozialrentner<br />
Deutschlands,<br />
- Zentralverband demokratischer Widerstandskämpfer-<br />
und Verfolgtenorganisationen.<br />
❑ Im Juli verhandelt eine Delegation des<br />
<strong>Volksbund</strong>es unter Leitung des Präsidenten<br />
in Moskau abermals mit dem Präsidi<br />
um des Sowjetischen Roten Kreuzes<br />
über deutsche Kriegsgräberstätten in der<br />
Sowjetunion. Die Vertreter des Sowjetischen<br />
Roten Kreuzes erklären wiederum,<br />
dass überirdisch erkennbare deutsche<br />
Soldatenfriehöfe aus der Kriegszeit nicht<br />
mehr vorhanden seien. Es könne aber<br />
sein, dass weitere Kriegsgefangenen friedhöfe<br />
gefunden würden. <strong>Das</strong> Sowjetische<br />
Rote Kreuz lehne es allerdings ab, dem<br />
<strong>Volksbund</strong> bei der Suche nach deutschen<br />
Kriegs gräberstätten zu helfen. ❑ Mit der<br />
Einweihung der Kriegsgräberstätte Oberwölbling/Österreich<br />
(4 059 Ge fallene) im<br />
September wird die neunte von insgesamt<br />
zehn im Bundesland Niederösterreich geplanten<br />
Anlagen fertiggestellt. Der <strong>Volksbund</strong><br />
hat in Österreich insgesamt 24 957<br />
Ge fallene auf Friedhöfen bestattet. Diese<br />
Arbeit mit Gesamt kosten von zehn Millionen<br />
DM ist aus Mitgliedsbeiträgen und<br />
Spenden vom <strong>Volksbund</strong> finanziert worden.<br />
Er arbeitet eng mit dem Österreichischen<br />
Schwarzen Kreuz (ÖSK) zusam -<br />
men. ❑ Auf spanischem Boden wird die<br />
einzige deutsche Kriegsgräberstätte Cuacos<br />
de Yuste (26 Gefallene des Ersten<br />
Weltkrieges, 154 Gefallene des Zweiten<br />
Weltkrieges) eingeweiht. ❑ Im Rahmen<br />
des Rei seangebotes für Freunde des <strong>Volksbund</strong>es<br />
können erstmals die vier Kriegsgefangenenfriedhöfe<br />
in der UdSSR besucht<br />
werden. ■<br />
Die Friedhöfe Oberwölbling/Öster -<br />
reich (4 059 Kriegstote des Zweiten<br />
Weltkrieges; oben) und Cuacos de<br />
Yuste/Spanien (180 Kriegstote beider<br />
Weltkriege; links) werden eingeweiht.<br />
163
164<br />
Die riesige Gedenkstätte mit der<br />
Figur der „Mutter Heimat“ auf dem<br />
Mamajew-Hügel in Wolgograd verherrlicht<br />
den sowjetischen Sieg in der<br />
Schlacht um Stalingrad.<br />
Diese Wand erinnert an die Kolonne<br />
der 110 000 deutschen Soldaten in<br />
die Kriegsgefangenschaft. Von ihnen<br />
sind nur ca. 5 000 nach Hause zurück -<br />
gekehrt. Viele deutsche Besucher legen<br />
hier zum Gedenken an ihre Angehörigen<br />
Blumen nieder.<br />
Über die von den deutschen Truppen<br />
ange leg ten Soldatenfriedhöfe in der<br />
Sowjetunion heißt es von sowjetischer<br />
Seite, sie seien nicht mehr vorhanden.<br />
Von den Kriegsgefangenen friedhöfen<br />
sind zum Besuch freigegeben (von oben):<br />
Morschansk (4 751 Kriegs tote),<br />
Kirsanow (1 555 Kriegstote),<br />
Krasnogorsk (211 Kriegstote) und<br />
Tambow (24 000 Kriegstote).<br />
Angehörige besuchen zum ersten Mal<br />
die Kriegsgräber in Tambow.<br />
165
1984<br />
166<br />
Die Gewerkschaft IG Druck und Papier<br />
ruft zum Streik für eine 35-Stunden-Woche<br />
auf. Er dauert 13 Wochen. ❑<br />
An der deutsch-deutschen Grenze werden<br />
die letzten Tötungsautomaten abge baut. ❑<br />
400 000 Anhänger der Friedens bewe gung<br />
demonstrieren in vielen Städten der Bundesrepublik<br />
gegen Aufrüs tung in Ost und<br />
West. ❑ Dr. Richard von Weizsäcker (CDU)<br />
wird Bundes präsident. ■<br />
Der italienische Staatspräsident Sandro<br />
Pertini empfängt den Präsidenten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. Er ist sehr interessiert<br />
an der Arbeit und den Problemen<br />
der deutschen Kriegsgräberfürsorge. ❑<br />
Aus Anlass des 40. Jahrestages der Landung<br />
der Alliierten in der Normandie<br />
veranstaltet der <strong>Volksbund</strong> auf der deutschen<br />
Kriegsgräberstätte La Cambe am<br />
8. Juni eine Gedenkfeier. ❑ Altbundes präsident<br />
Carstens wird für seine Unterstützung<br />
der Kriegsgräberfürsorge die Ehren -<br />
mitgliedschaft verliehen. ❑ Der Präsident<br />
nimmt an dem Treffen des Commonwealth-German-French<br />
Joint Committee<br />
(Gemeinsamer Ausschuss für Kriegsgräberfragen),<br />
in dem Erfahrungen und Meinungen<br />
ausgetauscht werden, teil. Bei<br />
dieser alle fünf Jahre stattfindenden Sitzung,<br />
die von der Commonwealth War<br />
Graves Commission diesmal in London<br />
ausgerichtet wird, sind auch die Botschafter<br />
der Bundesrepublik Deutschland,<br />
Frankreichs und Australiens anwesend. ■<br />
Händedruck als Symbol der Versöhnung:<br />
Staatspräsident Mitterrand und<br />
Bundeskanzler Kohl vor dem Gebeinhaus<br />
auf dem Douaumont/Verdun.<br />
Bundeskanzler Kohl und der französische<br />
Staatspräsident Mitterrand besuchen<br />
am <strong>22</strong>. September den deut -<br />
schen Soldatenfriedhof Consenvoye<br />
nördlich von Verdun. Dieses erste<br />
Zusammentreffen eines deutschen<br />
Kanz lers und eines französischen<br />
Präsidenten auf einem deutschen<br />
Soldatenfriedhof hat der <strong>Volksbund</strong><br />
angeregt. Die Staatsmänner werden<br />
von Präsident Haßkamp begleitet.<br />
167
Der Soldatenfriedhof Cernay/<br />
Frankreich (7 485 Gefallene beider<br />
Weltkriege) wird fertiggestellt und<br />
unter großer Beteiligung der Bevöl kerung<br />
und von Veteranenverbänden<br />
eingeweiht.<br />
168<br />
Gedankenaustausch mit dem Bundespräsidenten:<br />
Präsident Eduard<br />
Haßkamp, Bundespräsident Richard<br />
von Weizsäcker, Vizepräsident<br />
Richard Wagner und Generalsekretär<br />
Hans-Günter Neumann (von links).<br />
Besucher im U-Boot-Ehrenmal<br />
Kiel-Möltenort. Der <strong>Volksbund</strong> lässt<br />
27 Bronzetafeln mit den Namen<br />
der gefallenen U-Boot-Fahrer des<br />
Ersten Weltkrieges anbringen.<br />
Gedenken an die Opfer der schweren<br />
Kämpfe um Monte Cassino vor 40 Jahren;<br />
auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />
ruhen 20 073 Gefallene.<br />
Eröffnung des Internationalen Seminars<br />
in Hilden (bei Düsseldorf). Gäste<br />
des <strong>Volksbund</strong>es aus dem In- und<br />
Ausland diskutieren über Fragen der<br />
Kriegsgräberfürsorge. Höhepunkt<br />
des Seminars ist die Teilnahme an<br />
der zentralen Gedenkveranstaltung<br />
zum Volkstrauertag in Bonn.<br />
Der Soldatenfriedhof La Cambe ist<br />
eine der sechs deutschen Kriegsgräberstätten<br />
in der Normandie.<br />
Präsident Haßkamp hält die Ansprache<br />
während der Gedenkveranstaltung<br />
am 8. Juni.<br />
169
Mit uns reisen Grabschmuck<br />
Jedes Jahr organisieren die Bundesgeschäftsstelle<br />
und die Landesverbände<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in Zusammenarbeit<br />
mit verschiedenen Touristikpartnern<br />
über 100 Reisen in viele<br />
Länder West- und Osteuropas mit<br />
mehreren tausend Teilnehmern. Besondere<br />
Schwerpunkte sind Gedenkfahrten<br />
und Reisen von Angehörigen<br />
zur Einweihung von Kriegsgräberstätten.<br />
Die Reiseprogramme orientieren<br />
sich an den Interessen und<br />
Ansprüchen der Reiseteilnehmer.<br />
Viele Reiserouten verlaufen nicht<br />
durch die gängigen Urlaubsgebiete,<br />
sondern führen in Gegenden, die<br />
abseits der Touristenströme liegen.<br />
Die Teilnehmer besuchen Kriegsgräberstätten<br />
verschiedener Nationen,<br />
besichtigen Denkmäler und Sehenswürdigkeiten<br />
und spüren, wie sehr<br />
die Ereignisse des Ersten und Zweiten<br />
Weltkrieges auch heute noch das<br />
Zusammenleben der europäischen<br />
Nationen bestimmen.<br />
170<br />
Der <strong>Volksbund</strong> schmückt im Auftrag<br />
der Angehörigen Kriegsgräber in<br />
aller Welt mit Kränzen oder Blumen.<br />
Sogar Daueraufträge sind möglich.<br />
Auf Wunsch werden auch Grabfotos<br />
zugesandt. Über 10 000 Menschen<br />
nutzen jedes Jahr dieses Angebot.<br />
Die geschmückten Gräber zeigen,<br />
dass die Opfer des Krieges nicht<br />
vergessen sind.<br />
171
1985<br />
172<br />
Spanien und Portugal treten nach<br />
achtjährigen Verhandlungen der Europäischen<br />
Gemeinschaft bei. ❑ Der amerikanische<br />
Präsident Reagan kommt in<br />
die Bundesrepublik und besucht am 5. Mai<br />
mit Bundeskanzler Kohl den Soldatenfriedhof<br />
Bitburg. Um diesen Besuch beginnt<br />
in der Öffentlichkeit ein Streit über<br />
die dort befindlichen Gräber von To ten<br />
der Waffen-SS. ❑ Der Bundespräsident<br />
hält auf einer gemeinsamen Veran staltung<br />
von Bundestag und Bundesrat eine<br />
auch international vielbeachtete Gedenkrede<br />
anlässlich des 40. Jahrestages der<br />
deutschen Kapitulation. Er sagt u. a.:<br />
„Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt<br />
oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen.<br />
Wir alle sind von ihren Folgen<br />
betroffen und für sie in Haftung genommen.<br />
Jüngere und Ältere müssen und<br />
können sich gegenseitig helfen zu verstehen,<br />
warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung<br />
wachzuhalten. Es geht nicht da -<br />
rum, Vergangenheit zu bewältigen. <strong>Das</strong><br />
kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht<br />
nachträglich ändern oder ungeschehen<br />
machen.Wer aber vor der Vergangenheit<br />
die Augen verschließt, wird blind für die<br />
Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit<br />
nicht erinnern will, der wird wieder<br />
anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“ ■<br />
Bei der Einweihung des neuen<br />
Kriegs museums in Ypern/Belgien,<br />
zu dessen Ausstattung der <strong>Volksbund</strong><br />
eine Serie von Großfotos deutscher<br />
Kriegsgräberstätten beigesteuert hat, bedankt<br />
sich der Präsident bei König Baudouin<br />
für die vertrauensvolle Zusam -<br />
menarbeit mit den belgischen Behörden<br />
und Institutionen. ❑ Der Parlamentarische<br />
Ring, dem Abgeordnete der Bundestagsfraktionen<br />
der CDU/CSU, der SPD<br />
und der FDP angehören, informiert sich<br />
in Italien auf den Kriegsgräberstätten<br />
Pomezia und Cassino über die Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. ■<br />
Boris Becker gewinnt als bislang<br />
jüngster Tennisspieler und als<br />
erster <strong>Deutsche</strong>r das Tennisturnier<br />
von Wimbledon.<br />
Besuch aus der Sowjetunion:<br />
Iwan Zeinalow legt zum ersten Mal<br />
am Grab seines Vaters auf dem<br />
sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhof<br />
in Herleshausen Blumen nieder.<br />
Privataudienz im Vatikan: Papst<br />
Johannes Paul II. empfängt am<br />
9. Januar eine Delegation des <strong>Volksbund</strong>es;<br />
von links: Präsident Eduard<br />
Haßkamp, Papst Johannes Paul II.,<br />
Hans Niemeyer (Leiter der Geschäftsstelle<br />
Süd des <strong>Volksbund</strong>es), Hilde<br />
Haßkamp, Richard Wagner und<br />
Dr. Hans Kreß.<br />
Bundeskanzler Kohl legt in<br />
Tarabya/Türkei einen Kranz nieder.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> stellt nach mehrjähriger<br />
Arbeit ein Gedenkbuch fertig,<br />
das die Na men von 63 686<br />
deutschen Marinesoldaten enthält,<br />
die im Zweiten Weltkrieg auf See<br />
gefallen oder verschollen sind. Der<br />
Präsident überreicht dieses <strong>Buch</strong><br />
dem Präsidenten des <strong>Deutsche</strong>n Marinebundes,<br />
Konteradmiral a. D.<br />
Hans-Arend Feindt. <strong>Das</strong> Bild zeigt<br />
die Gedenkhalle im Marine-Ehrenmal<br />
Laboe.<br />
173
1986<br />
174<br />
Kurz nach dem Start explodiert die<br />
amerikanische Raumfähre Challenger.<br />
Alle sieben Besatzungsmitglieder,<br />
darunter zwei Frauen, kommen ums<br />
Le ben. Die NASA setzt daraufhin alle<br />
bemannten Raumflüge aus. ❑ Der schwe -<br />
dische Ministerpräsident Olof Palme<br />
wird in Stockholm von einem Unbekannten<br />
ermordet. ❑ In einem Kernkraftwerk<br />
in Tschernobyl, nördlich von Kiew in der<br />
UdSSR, schmilzt der Reaktorkern und<br />
verursacht die bisher größte Katastrophe<br />
in der Geschichte der Kernenergie. Auch<br />
in der Bundesrepublik werden erhöhte<br />
Strahlungswerte gemessen. ❑ Die DDR<br />
verlangt von in Ostberlin akkreditierten<br />
westlichen Diplomaten beim Grenzübergang<br />
nach Westberlin die Vorlage ihrer<br />
Diplomatenpässe anstelle der Dienstausweise.<br />
Großbritannien, Frankreich und<br />
die USA sehen darin einen Verstoß gegen<br />
den Viermächtestatus Berlins und bestehen<br />
auf Rücknahme dieser Anordnung.<br />
Die DDR macht daraufhin ihre Maßnahmen<br />
weitgehend rückgängig. ■<br />
Adolf Barth wird neuer Generalsekretär.<br />
❑ Der niederländische Generalmajor<br />
a. D. Frans Jan Gerard Brackel,<br />
ein ehemaliger Widerstandskämpfer, erhält<br />
für seine Verdienste um die Aussöhnung<br />
und den Erhalt der deutschen<br />
Kriegsgräber in den Niederlanden die<br />
Verdienstplakette des <strong>Volksbund</strong>es. ❑<br />
Der Bundespräsident gedenkt mit einer<br />
Kranzniederlegung auf dem deutschen<br />
Soldatenfriedhof in Budapest erstmals in<br />
einem Land des Warschauer Paktes der in<br />
Ungarn gefallenen deutschen Soldaten. ❑<br />
Die korporative Mitgliedschaft des Verbandes<br />
der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS<br />
(HIAG) löst in der Öffentlichkeit<br />
und im <strong>Volksbund</strong> heftige Diskussionen<br />
aus. Der Verband verzichtet auf seine<br />
Mitgliedschaft, um Schaden vom <strong>Volksbund</strong><br />
abzuwenden. ■<br />
Die Explosion des Kernreaktors in<br />
Tschernobyl ist ein Schock für die<br />
ganze Welt.<br />
Der französische Premierminister<br />
Jacques Chirac legt auf dem deutschfranzösischen<br />
Soldatenfriedhof<br />
Souain, auf dem Gefallene des Ersten<br />
Weltkrieges ruhen, einen Kranz nieder.<br />
Er begrüßt dort auch Teilnehmer<br />
eines Jugendlagers des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Jugendlager in Frankreich: In<br />
vielen Gemeinden freut man sich<br />
jedes Jahr auf die jungen Gäste<br />
aus Deutschland!<br />
Im September wird der deutsche<br />
Soldatenfriedhof Dely Ibrahim/<br />
Algerien (63 Gefallene des Ersten<br />
und 495 Gefallene des Zweiten Weltkrieges)<br />
eingeweiht. Es ist der letzte<br />
im Westen gebaute Friedhof. Auch<br />
auf der britischen Kriegsgräberstätte<br />
(unten) werden Kränze niedergelegt.<br />
175
1987<br />
Bevölkerungsexplosion:<br />
Am 11. Juli erblickt – statistisch<br />
gesehen – der fünfmilliardste Erdenbürger<br />
das Licht der Welt.<br />
176<br />
Der Staatsrat der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />
Republik (DDR) verkündet<br />
eine allgemeine Amnestie für Strafgefangene.<br />
Gleichzeitig wird die Todesstra -<br />
fe abgeschafft. ❑ DDR-Staats- und Par teichef<br />
Erich Honecker besucht die Bundes -<br />
republik. ❑ Ein Sonderparteitag der SPD<br />
wählt Dr. Hans-Jochen Vogel zum neuen<br />
Parteivorsitzenden. Willy Brandt wird<br />
Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit. ❑ Auf<br />
der Welt gibt es nun fünf Milliarden Menschen.<br />
■<br />
Der Primas der römisch-katholischen<br />
Kirche in Polen, Josef Kardinal<br />
Glemp, besucht die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
in Lommel (Belgien). ❑ Während<br />
seines Aufenthaltes in der Sowjet -<br />
union besucht Bundespräsident Richard<br />
von Weizsäcker den deutschen Kriegsgefangenenfriedhof<br />
Ljublino. ❑ Der Vertretertag<br />
findet in Berlin statt. Der bisherige<br />
Erste stellvertretende Präsident, Hans-<br />
Otto Weber, wird zum neuen Präsidenten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es gewählt. ■<br />
Seine Königliche Hoheit, der Herzog<br />
von Kent, enthüllt einen Gedenkstein,<br />
der an 25 Jahre Freundschaft zwischen<br />
der Grafschaft Staffordshire und der<br />
Stadt Bremen erinnert.<br />
Bundespräsident von Weizsäcker auf<br />
dem Friedhof Ljublino.<br />
Der polnische Kardinal Glemp auf<br />
dem Friedhof Lommel/Belgien.<br />
Seit 20 Jahren besteht die Städtepartnerschaft<br />
zwischen Damvillers/<br />
Frankreich und Zierenberg/Hessen.<br />
Die Bürgermeister unterschreiben<br />
eine Freundschaftsurkunde. Wie<br />
viele andere Partnerschaften ist auch<br />
diese durch die Arbeit von Jugendlichen<br />
auf einem deutschen Soldatenfriedhof<br />
entstanden.<br />
177
1988<br />
Katastrophe auf dem Flugtag in<br />
Ramstein: Ein Flugzeug einer italienischen<br />
Kunstflugstaffel stürzt ab und<br />
explodiert in der Zuschauermenge.<br />
Über 50 Tote und 340 Verletzte sind<br />
zu beklagen.<br />
178<br />
Bei Demonstrationen während der<br />
Kundgebungen zum 69. Jahrestag<br />
der Ermordung von Rosa Luxemburg<br />
und Karl Liebknecht verhaftet der DDR-<br />
Staatssicherheitsdienst rund 120 Menschen.<br />
54 von ihnen werden zur Ausreise<br />
in die Bundesrepublik genötigt. ❑ Nach<br />
fast sechsjährigen Verhandlungen unterzeichnen<br />
die Außenminister der USA, der<br />
Sowjetunion, Pakistans und Afghanistans<br />
in Genf das Abkommen zur Lösung des<br />
Afghanistankonflikts. ❑ Ronald Reagan<br />
und Michail Gorbatschow treffen sich<br />
zum vierten Mal, diesmal in Moskau. Höhepunkt<br />
ist der Austausch der Ratifizierungsurkunden<br />
zum Vertrag über den<br />
Abbau von Mittelstreckenraketen. ■<br />
Bundesaußenminister Genscher besucht<br />
während eines Staatsbesuches<br />
in Polen den deutschen Soldatenfriedhof<br />
Humin/Erster Weltkrieg (etwa 60 Kilometer<br />
von Warschau entfernt) und legt<br />
dort einen Kranz nieder. ❑ Unter dem<br />
Motto „Jugend überwindet Grenzen”<br />
empfängt Bundespräsident Richard von<br />
Weizsäcker in Bonn über 2 000 junge<br />
Menschen. Darunter ist auch eine Gruppe<br />
des <strong>Volksbund</strong>es mit Jugendlichen aus<br />
Norwegen, Dänemark, Belgien, Frankreich,<br />
Portugal, Italien, Großbritannien,<br />
Österreich und der Bundesrepublik<br />
Deutschland. ❑ Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />
begleitet Bundeskanzler Kohl auf<br />
dessen Reise in die Sowjetunion und hat<br />
Gelegenheit, mit dem Ersten Stellvertretenden<br />
Präsidenten des „Verbandes der<br />
sowjetischen Gesellschaft vom Roten<br />
Kreuz und Roten Halbmond,“ Tjuladin,<br />
zu sprechen. ❑ Anlässlich des fünfzigsten<br />
Jahrestages der Reichspogromnacht wird<br />
die Frage des Gedenkens und der Behandlung<br />
der Gräber von Kriegstoten<br />
aufgeworfen, die Soldaten der Wehrmacht,<br />
der Waffen-SS oder Angehörige<br />
von SS-Dienststellen und mutmaßliche,<br />
wenn auch nicht verurteilte Kriegsverbrecher<br />
waren. Der <strong>Volksbund</strong> erklärt dazu:<br />
„Kriegstote haben nach nationaler und<br />
internationaler Rechtslage ein dauerndes<br />
Ruherecht, das heißt, die jeweiligen Länder<br />
haben die Verpflichtung, ihre Gräber<br />
zu registrieren, zu sichern und zu erhalten.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> distanziert sich und<br />
verurteilt alle, die während des NS-Regimes<br />
Unmenschlichkeiten verübt haben.<br />
Aber gute oder böse Tote gibt es nicht. Sie<br />
sind der irdischen, von Menschen gestalteten<br />
Gerechtigkeit entzogen. Friedhöfe<br />
sind keine Gerichtsstätten. Sie lassen uns<br />
aber erfahren, dass es Friede und Versöhnung<br />
gibt. Sie lassen uns trauern und erinnern<br />
zugleich, wozu der Mensch immer<br />
fähig ist: zur Rache, zur Plünderung, zu<br />
Mord, zu Vergewaltigung, zur Tötung<br />
wehrloser Menschen – und auch zu humanitä<br />
rem Handeln.” ❑ Trotz Aufnahme<br />
offizieller diplomatischer Beziehungen<br />
zwischen der Bundesrepublik Deutschland<br />
und der Volksre publik Albanien gelingt<br />
es nicht, die Fra ge der Gräberfür -<br />
sorge für die ca. 3 600 in Albanien ruhenden<br />
deutschen Soldaten zu klären. ❑ Bulgarien<br />
sagt dem <strong>Volksbund</strong> die Instand -<br />
setzung des deutschen Soldatenfriedhofes<br />
in Sofia zu. ❑ Der während des Iran-<br />
Irak-Konflikts von Bomben getroffene<br />
deutsche Soldatenfriedhof in Bagdad/<br />
Irak wird wieder hergerichtet. ❑ Erstmals<br />
nehmen sowjetische Jugendliche an ei -<br />
nem internationalen Jugendlager des<br />
<strong>Volksbund</strong>es teil. ■<br />
Jugendempfang beim Bundespräsidenten<br />
im Garten der Villa Hammerschmidt:<br />
Richard von Weizsäcker am<br />
Stand der <strong>Volksbund</strong>jugend.<br />
Der Bundespräsident besucht<br />
während seiner Reisen nach Bulgarien<br />
und Luxemburg die deutschen<br />
Soldatenfriedhöfe in Sofia (ganz<br />
links) und Sandweiler (links).<br />
Während seines Staatsbesuches in<br />
der UdSSR legt Bundeskanzler Kohl<br />
auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />
Ljublino einen Kranz nieder.<br />
179
U-Boot-Ehrenmal<br />
Kiel-Möltenort<br />
Gedenkfeier zum<br />
50-jährigen Bestehen – Ansprache<br />
von Präsident Hans-Otto Weber.<br />
Gedenkveranstaltung zum<br />
50-jährigen Bestehen des Ehrenmals.<br />
180<br />
Auf der ehemaligen Möltenorter<br />
Schanze – dort wo sich die Kieler Förde<br />
stark verengt – steht das U-Boot-Ehrenmal<br />
Möltenort, die Gedenkstätte für die<br />
Gefallenen der deutschen U-Boot-Waffe.<br />
Die der See zugewandte Vorderfront<br />
des Bauwerks wird in der Mitte überragt<br />
von einer 15 Meter hohen Säule. Darauf<br />
angebracht ist die U-Boot-Fahrer-Spange.<br />
Auf der Spitze steht ein 12,4 Tonnen schwe -<br />
rer, aus verkupfertem Eisen geformter Adler<br />
mit 4,55 Metern Spannweite. Die beiden<br />
seitlichen Hallen sind dem Gedenken<br />
an die Toten beider Krie ge gewidmet. Sie<br />
werden durch einen halbkreisförmigen,<br />
in die Erde eingelassenen Umgang verbunden.<br />
Ursprünglich waren die Namen der mit<br />
199 U-Booten der Kaiserlichen Mari ne untergegangenen<br />
5 249 Gefallenen in Ehren -<br />
büchern vermerkt, die in einer vergit ter -<br />
ten Nische der Halle aufbewahrt wur den.<br />
In gleicher Weise will man nach dem Zwei -<br />
ten Weltkrieg die Namen der über 30 000<br />
ge fallenen Soldaten auf 739 U-Booten ein-<br />
schließlich der Einzelverluste festhalten.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat angesichts der Tatsache,<br />
dass keine andere Waffengattung solche<br />
relativ hohen Menschenverluste hin -<br />
nehmen musste und dies der Nachwelt<br />
anschaulich dargestellt werden soll, einen<br />
anderen Vorschlag: Es sollen sämtliche bekannten<br />
Namen der gefallenen U-Boot-<br />
Fahrer auf Bronzeplatten verewigt werden.<br />
1970 werden 89 Tafeln am äußeren<br />
Rundbogen der Öffentlichkeit übergeben.<br />
1984 folgen weitere 27 Bronzetafeln am<br />
inneren Rundbogen, hier für die gefallenen<br />
U-Boot-Fahrer des Ersten Weltkrieges.<br />
1992 werden Ergänzungstafeln für<br />
die gefallenen Kleinst-U-Boot-Fahrer an -<br />
gebracht.<br />
Diese Anlage des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />
unterhalten und betreut durch die Mitglieder<br />
der U-Boot-Kameradschaft Kiel<br />
und durch die Stiftung U-Boot-Ehrenmal<br />
Möltenort.<br />
An einer der eindrucksvollsten Gedenkstätten<br />
für Kriegstote legen sehr viele Besuchergruppen<br />
und Angehörige Kränze<br />
und Blumenschalen nieder. Die Vielzahl<br />
der verewigten Namen zeigt das schreckliche<br />
Ausmaß der furchtbaren U-Boot-<br />
Kriege. Die meisten Opfer liegen unerreichbar<br />
in gesunkenen U-Booten auf dem<br />
Meeresgrund. ■<br />
Über eine Millionen Menschen besuchen<br />
jedes Jahr die Marine-Gedenkstätte<br />
in Laboe, teils aus Erinnerung an ihre gefallenen<br />
Familienangehörigen, aber auch,<br />
um den Ausblick vom Turm, dessen Spit -<br />
ze 85 Meter über dem Meeresspiegel<br />
liegt, zu genießen.<br />
Von der Größe und Gestaltung sowie<br />
von der Lage her betrachtet, gehört dieses<br />
Bauwerk an der Kieler <strong>Buch</strong>t zu einer der<br />
eindruckvollsten Gedenkstätten für Kriegstote<br />
in Deutschland.<br />
Der Turm gleicht einem Schiffsbug.<br />
Der Architekt des Ehrenmals, Prof. Munzer,<br />
interpretiert sein Modell seinerzeit so:<br />
Es sei „eine Flamme, die zum Himmel<br />
strebt, verwurzelt mit den Ufern und der<br />
See, ein leuchtendes Fanal.“<br />
1927 legt Admiral Scheer, der damalige<br />
Ehrenpräsident des <strong>Deutsche</strong>n Marinebundes,<br />
den Grundstein. 1936 werden<br />
die Bauarbeiten abgeschlossen.<br />
<strong>Das</strong> Mahnmal dient dem Gedenken<br />
aller auf See gebliebenen Marineangehörigen.<br />
Die meisten Schiffe dippen deshalb<br />
beim Einlaufen oder Verlassen der Kieler<br />
Förde in Höhe des Marine-Ehrenmals die<br />
Flagge – eine international übliche Respektbezeugung.<br />
Im Turm – auf Erdgeschosshöhe – be -<br />
findet sich die Gedenkhalle. An deren<br />
Wän den erblickt der Besucher die Schattenrisse<br />
aller in den beiden Weltkriegen<br />
gesunkenen Schiffe der Marine. 35 000 Seesoldaten<br />
sind im Ersten Weltkrieg gefallen;<br />
120 000 waren es im Zweiten Welt -<br />
krieg. Ihre Namen sind in Gedenkbüchern<br />
verzeichnet.<br />
Die unterirdisch angelegte Gedenkhal -<br />
le ist als Ort der Besinnung und der inneren<br />
Sammlung gedacht. In der Histori -<br />
schen Halle kann sich der Besucher über<br />
die Entwicklung der Schifffahrt und der<br />
Geschichte der deutschen Marine informieren.<br />
Eine Bronzetafel erinnert daran,<br />
dass 1945 förmlich in letzter Minute über<br />
zwei Millionen Flüchtlinge und Verwundete<br />
aus Ost- und Westpreußen über See<br />
gerettet wurden. ■<br />
<strong>Das</strong> Foto oben zeigt die Gedenkfeier<br />
des <strong>Volksbund</strong>es zum 70-jährigen<br />
Bestehen des U-Boot-Ehrenmals in<br />
Kiel-Möltenort.<br />
Vor dem Marine-Ehrenmal Laboe<br />
liegt seit 1972 das U-Boot 995. Die<br />
Besucher erhalten einen anschaulichen<br />
Eindruck davon, unter welchen<br />
Umständen die Besatzungen lebten –<br />
und starben.<br />
Marine-Ehrenmal<br />
Laboe<br />
<strong>Das</strong> Marine-Gedenkbuch enthält fast<br />
64 000 Namen von gefallenen oder<br />
vermissten Angehörigen der Kriegsmarine<br />
im Zweiten Weltkrieg, die<br />
keine Grabstätte an Land haben.<br />
181
1989<br />
Im Juni besucht der sowjetische<br />
Staats- und Parteichef Gorbatschow<br />
die Bundesrepublik. Politischer Höhepunkt<br />
der Visite ist die Unterzeichnung<br />
einer „Gemeinsamen Erklä rung“<br />
durch Gorbatschow und Bundeskanzler<br />
Kohl. Die UdSSR bekräftigt<br />
darin erstmals gegenüber einem<br />
westlichen Land das Recht eines<br />
jeden Staates, „das eigene politische<br />
und soziale System frei zu wählen.“<br />
182<br />
In Prag werden Demonstrationen gewaltsam<br />
von der Polizei aufgelöst.<br />
Zu den Demonstranten gehört der Dramatiker<br />
und Bürgerrechtler Václav Havel.<br />
Er wird zu neun Monaten Haft verurteilt,<br />
nach internationalen Protesten jedoch<br />
wieder entlassen. ❑ In der jugoslawischen<br />
Provinz Kosovo kommt es zu blutigen<br />
Unruhen, bei denen mindestens 20 Menschen<br />
getötet werden. Der Kosovokonflikt<br />
ist ein Vorbote für die eskalierenden<br />
Nationalitätenprobleme im Vielvölkerstaat<br />
Jugoslawien. ❑ Der Bundestag in<br />
Bonn verabschiedet ein Gesetz zur Verschärfung<br />
des Demonstrationsstrafrechts.<br />
❑ Ungarn beginnt mit dem Abbau von<br />
Überwachungsanlagen und Stacheldraht<br />
an der Grenze zu Österreich. ❑ Bei den<br />
Kommunalwahlen in der DDR stimmen<br />
nach offiziellen Angaben 98,85 Prozent<br />
für Kandidaten der Nationalen Front.<br />
Mehrere DDR-Bürger erstatten Anzeige:<br />
Die Wahlfälschung ist offenkundig. ❑ In<br />
der Sowjetunion finden Wahlen zum<br />
Kongress der Volksdeputierten statt. ❑<br />
Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
finden in Polen Parlamentswahlen statt,<br />
bei denen Kandidaten der Opposition zugelassen<br />
sind. Tadeusz Mazowiecki wird<br />
der erste nichtkommunistische Regierungschef<br />
in einem Land des Warschauer<br />
Paktes. ❑ Etwa 900 DDR-Bürger nutzen<br />
eine Veranstaltung der Paneuropäischen<br />
Bewegung an der österreichisch-ungarischen<br />
Grenze bei Sopron zu einer Flucht<br />
in den Westen. Dies ist die größte Massenflucht<br />
von DDR-Bürgern seit dem<br />
Mauerbau. Nachdem 130 DDR-Bürger in<br />
der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik<br />
in der DDR Zuflucht gesucht ha -<br />
ben, wird das Gebäude wegen Überfül -<br />
lung geschlossen. Im September lässt Ungarn<br />
etwa 10 000 DDR-Bürger nach Österreich<br />
ausreisen. Auch die DDR-Bürger,<br />
die sich in den Botschaften der Bundesrepublik<br />
Deutschland in Prag und Warschau<br />
aufhalten, können in die Bundesrepublik<br />
ausreisen. ❑ In Grünheide bei<br />
Ostberlin gründen 30 DDR-Regimekritiker<br />
die Reformbewegung „Neues Forum.“<br />
Es ist die erste landesweite Oppositionsgruppe<br />
in der DDR und die größte außerhalb<br />
der Evangelischen Kirche. ❑ Bei den<br />
offiziellen Feiern zum 40. Jahrestag der<br />
DDR-Gründung kommt es zu den größten<br />
Protestkundgebungen seit dem 17. Ju -<br />
ni 1953. Trotz der von der SED-Führung<br />
demonstrierten Härte versammeln sich<br />
am 9. Oktober bei der jetzt schon traditionellen<br />
Montagsdemonstration in der<br />
Leipziger Innenstadt 70 000 Menschen –<br />
eine Woche zuvor waren es 20 000. Am<br />
16. Oktober sind es 120 000 Menschen,<br />
die in Leipzig auf die Straße gehen und<br />
skandieren: „Wir sind das Volk.“ Am<br />
23. Oktober wird daraus zum ersten Mal:<br />
„Wir sind ein Volk.“ ❑ Am 18. Oktober<br />
tritt Erich Honecker als SED-Generalsekretär<br />
und DDR-Staatsratsvorsitzender<br />
zurück. Nachfolger ist Egon Krenz. ❑ Der<br />
amtierende ungarische Staatspräsident<br />
Matyas Szürös proklamiert in Budapest<br />
die Republik Ungarn. ❑ Am 9. November<br />
öffnet die DDR ihre Grenzen zur Bundesrepublik<br />
und nach Westberlin. Mauer<br />
und Stacheldraht trennen nicht mehr. Für<br />
die <strong>Deutsche</strong>n beginnt an diesem Tag<br />
eine neue Ära. ❑ <strong>Das</strong> letzte Todesopfer<br />
an der Mauer ist der <strong>22</strong>-jährige Chris<br />
Gueffroy, der am 6. Februar 1989 erschossen<br />
worden ist. ❑ Im November tritt die<br />
Führung der Kom munistischen Partei der<br />
Tschechoslowakei unter dem Druck anhaltender<br />
Massen proteste zurück. ❑<br />
Bundeskanzler Kohl verkündet vor dem<br />
<strong>Deutsche</strong>n Bundestag einen Zehn-Punkte-<br />
Plan zur Herstellung der Einheit Deutschlands.<br />
Er wird bei seinem ersten offiziellen<br />
Besuch der DDR in Dresden von Tausenden<br />
von Menschen – darunter viele<br />
mit Parolen zur deutschen Einheit und<br />
schwarz-rot-goldenen Fahnen – jubelnd<br />
begrüßt. ❑ <strong>Das</strong> Brandenburger Tor wird<br />
noch vor Weihnachten für den Fußgängerverkehr<br />
geöffnet. ❑ Vom 24. Dezember<br />
an werden im innerdeutschen Reise -<br />
verkehr Visum und Zwangsumtausch abgeschafft.<br />
❑ Der rumänische Staats- und<br />
Parteichef Nicolae Ceausescu – am <strong>22</strong>. Dezember<br />
durch einen Volksaufstand gestürzt<br />
– und seine Frau Elena werden hingerichtet.<br />
■<br />
Bürger der DDR flüchten in die<br />
Botschaft der Bundesrepublik in<br />
Osteuropa. Sie wollen damit die<br />
Ausreise in die Bundesrepublik<br />
erzwingen. Unser Bild zeigt die<br />
dramatischen Szenen vor der Botschaft<br />
in Prag, die von 3 000 Menschen<br />
„belagert“ wird.<br />
Frankreich feiert 200 Jahre<br />
Französische Revolution.<br />
Die letzten sowjetischen Truppen<br />
verlassen Afghanistan.<br />
14 000 Sow jetsoldaten sollen während<br />
der neunjährigen Besetzung ihr<br />
Leben verloren haben. Die Zahl der<br />
afghani schen Toten ist unbekannt.<br />
Mit einem Blutbad beendet das<br />
chine sische Militär in Peking<br />
die seit Mitte April anhaltenden<br />
Massenpro teste für Demokratie<br />
und Menschenrechte.<br />
183
„Nun wächst<br />
zusammen,<br />
was zusammen<br />
gehört!“<br />
(Willy Brandt)
<strong>Das</strong> erste Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in der Sowjetunion findet in Tambow<br />
statt. Die jungen Leute pflegen<br />
die Gräber deutscher Kriegs gefangener<br />
und bringen Namentafeln an.<br />
186<br />
Präsident Weber überreicht im April<br />
dem sowjetischen Botschafter in der<br />
Bundesrepublik Deutschland, Julij<br />
Kwizinskij, 53 Bände mit den Namen<br />
von 339 671 russischen bzw. sowjetischen<br />
Opfern der beiden Weltkriege.<br />
Es handelt sich um eine Zusammenstellung<br />
der Namen von Soldaten, die<br />
in Kriegsgefangenschaft umgekommen<br />
sind, und von Zwangsver schleppten,<br />
die infolge Krankheit, Hunger<br />
oder durch direkte Kriegseinwirkungen<br />
gestorben und auf Friedhöfen in<br />
der Bundesrepublik bestattet sind.<br />
Im April nimmt der <strong>Volksbund</strong> Arbeitsbeziehungen<br />
zum Tschechoslowakischen<br />
Roten Kreuz auf. Über diese<br />
Verbindung wird der Wunsch der Stadtverwaltung<br />
von Liptovsky-Mikulas bekannt,<br />
73 deutsche Kriegsgräber wegen<br />
Wohnungsbaumaßnahmen auf den örtlichen<br />
Friedhof umzubetten. ❑ Der Vertretertag<br />
in Bonn steht unter dem Zeichen<br />
des siebzigjährigen Bestehens des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Der Bundeskanzler würdigt in<br />
seiner Ansprache das Engagement des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. ❑ Zum Auftakt des Staatsbesuchs<br />
von Michail Gorbatschow in der<br />
Bundesrepublik übergibt der sowjetische<br />
Botschafter in Bonn dem Präsidenten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es und dem Generalsekretär<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Roten Kreuzes Listen mit<br />
992 Namen der auf vier Friedhöfen – in<br />
Kasan, Jelabuga, Kagan und Kokand –<br />
bestatteten deutschen Kriegsgefangen.<br />
Dies ist ein großer Erfolg der internationalen<br />
Zusammenarbeit. ❑ Während des<br />
Staatsbesuchs von Bundeskanzler Kohl in<br />
Polen, an dem auch Präsident Weber teilnimmt,<br />
wird folgende gemeinsame Erklärung<br />
abgegeben:<br />
„Beide Seiten stimmen darin überein,<br />
dass die Möglichkeit, Gräber der Toten<br />
der Kriege aufzusuchen, zu erhalten und<br />
zu pflegen, eine ausschlaggebende, weil<br />
die Gefühle der Menschen unmittelbar<br />
berührende Bedeutung hat. Sie nehmen<br />
deshalb mit besonderer Befriedigung<br />
zur Kenntnis, dass die beiderseitigen<br />
Rot-Kreuz-Gesellschaften unter Beteiligung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
und des Ministeriums<br />
für Raum ordnung und Bauwesen der<br />
Volksrepublik Polen dazu inzwischen<br />
Kontakte aufgenommen haben und die<br />
Gründung einer Arbeitsgruppe beabsichtigen.<br />
Sie werden diese Zusammenarbeit<br />
fördern.”<br />
Die politische Entwicklung in Ost- und<br />
Südosteuropa ermöglicht die Teilnahme<br />
von 31 Polen, 40 Bürgern der UdSSR und<br />
drei Ungarn an den Internationalen Jugendlagern<br />
in der Bundesrepublik. ■<br />
Im Mai besucht Präsident Weber<br />
auf Einladung der Stadt Riga die<br />
lettische Hauptstadt. Anlass der<br />
Gespräche ist der Wunsch der Stadt,<br />
den <strong>Volksbund</strong> in die Entscheidung<br />
über die Zukunft eines Teiles des<br />
„Großen Friedhofes“ in Riga (oben)<br />
einzubeziehen. Dort sind 443 in<br />
Kriegsgefangenschaft verstorbene<br />
deutsche Soldaten bestattet.<br />
Gedenkveranstaltung in Bonn zum<br />
70-jährigen Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Zu den Ehrengästen gehört<br />
Altbundespräsident Carstens. Bundeskanzler<br />
Kohl hält die Ansprache.<br />
<strong>Deutsche</strong>s Gräberfeld in<br />
Humenné/Tschechoslowakei.<br />
Die neugestiftete Albert-Schweitzer-<br />
Plakette ist die höchste vom <strong>Volksbund</strong><br />
vergebene Auszeichnung.<br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber in Kelevic/<br />
Un garn. Wie in Polen helfen Einheimische<br />
im Auftrag des <strong>Volksbund</strong>es<br />
bei der Pflege von Einzelgräbern<br />
oder kleinen Gräberfeldern.<br />
187
Kriegsgräber<br />
in Berlin und<br />
in den neuen<br />
Bundesländern<br />
In den neuen Bundesländern gibt<br />
es nach den Unterlagen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
Kriegsgräber in 6 442 Gemeinden.<br />
Die Zahl der Opfer des<br />
Zweiten Weltkrieges beträgt etwa<br />
200 000, von denen 110 000 namentlich<br />
erfasst sind. In der Karte<br />
sind rund 120 Orte mit größeren<br />
Anlagen eingezeichnet.<br />
188<br />
Auf dem Gebiet der DDR hatte der<br />
<strong>Volksbund</strong> keinerlei Zuständigkeit. Nominell<br />
sah eine innerstaatliche Verordnung<br />
Regelungen für alle Fragen der<br />
Fürsorge für deutsche und ausländische<br />
Kriegsgräber vor. In der Praxis wurden<br />
aufgrund ideologischer Vorbehalte die<br />
deutschen Kriegsgräber stark vernachlässigt.<br />
Alle Bemühungen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
um eine angemessene Pflege waren, trotz<br />
Einschaltung der Ständigen Vertretung<br />
der Bundesrepublik, ergebnislos.<br />
Vor diesem Hintergrund bleibt seit<br />
1949 nur der inoffizielle Weg über den<br />
Bund der Evangelischen Kirchen in der<br />
DDR, Abteilung Gräberfürsorge. Der<br />
Name Kriegsgräberfürsorge darf nicht<br />
verwendet werden.<br />
Über diese Stelle steht der <strong>Volksbund</strong><br />
mit <strong>22</strong> sogenannten Vertrauensleuten, unter<br />
ihnen 16 Pfarrer, in Verbindung. Sie<br />
vermitteln Grabschmuckwünsche und<br />
Anfragen aus der Bundesrepublik in die<br />
DDR und umgekehrt. Außerdem berich-<br />
ten sie über den Zustand der Kriegsgräberanlagen<br />
sowie über private Initiativen<br />
zur Erhaltung der Gräber und sorgen<br />
selbst für die Instandhaltung.<br />
Im Rahmen dieser Kontakte arbeiten<br />
auch eine drei Personen umfassende „Grä -<br />
berbrigade“ mit finanzieller Unterstützung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es an der Pflege und<br />
Instandsetzung deutscher Kriegsgräber<br />
auf 60 kirchlichen Friedhöfen im Bereich<br />
des Oderbruchs.<br />
In mehreren Orten ist es mit finanzieller<br />
Hilfe des <strong>Volksbund</strong>es und dank des persönlichen<br />
Einsatzes von Bundesbürgern<br />
möglich, Gräber- und Friedhofsanlagen<br />
herzurichten und die Belegung dau erhaft<br />
mit Bronzetafeln zu dokumentieren. Die<br />
evangelische Kirche Bayerns stellt Grabkreuze<br />
zur Verfügung. Als außerordentlich<br />
hilfreich erweisen sich Kontakte zu<br />
engagierten Helfern in der DDR, über die<br />
den <strong>Volksbund</strong> Informationen über den<br />
Zustand von weiteren Friedhöfen erreichen,<br />
besonders aus Mecklenburg-Vorpommern,<br />
Sachsen und Brandenburg.<br />
Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des<br />
<strong>Volksbund</strong>es sorgen für den Kontakt zwischen<br />
dem <strong>Volksbund</strong> und dem Bund der<br />
Evangelischen Kirchen. Grenzüberschreitend,<br />
immer in Sorge vor Aktivitäten des<br />
DDR-Staatssicherheitsdienstes, übermitteln<br />
sie mündliche Informationen, bringen<br />
Friedhofslisten, <strong>Volksbund</strong>unterlagen<br />
und Anfragen von Angehörigen in die<br />
damalige DDR.<br />
Unterstützt werden sie von Mitarbeitern<br />
der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik<br />
in Ostberlin, die – unter den<br />
Augen der DDR-Organe – brisantes Material<br />
im Diplomatengepäck über die Grenze<br />
bringen. All dies ist Geschichte. Denn<br />
ein Regime, das die Trauer um die eigenen<br />
Kriegstoten verbietet, ist bereits im<br />
Fundament marode. ■<br />
Der Waldfriedhof Halbe in Bran denburg<br />
ist der größte deutsche Soldatenfriedhof<br />
im Inland. Hier ruhen<br />
insgesamt 28 000 Kriegstote, darunter<br />
zahlreiche Opfer der letzten<br />
Kämpfe im Raum Berlin und des sowjetischen<br />
Internierungslagers Ketschendorf<br />
aus der Nachkriegszeit.<br />
Inzwischen hat der <strong>Volksbund</strong> die<br />
Pflege dieser bedeutenden Anlage<br />
übernommen.<br />
189
1990<br />
Weltgeschichte in gelockerter Atmosphäre<br />
– die letzten Hindernisse auf<br />
dem Weg zur deutschen Einheit sind<br />
beseitigt.<br />
190<br />
Bundeskanzler Kohl und Außenminister<br />
Genscher kehren erfolgreich<br />
von einem Blitzbesuch aus Moskau zurück.<br />
Der sowjetische Staats- und Parteichef<br />
Michail Gorbatschow stellt sich der<br />
deutschen Einheit nicht länger in den<br />
Weg. Es sei Sache der <strong>Deutsche</strong>n, den<br />
Zeitpunkt und den Verlauf der Einigung<br />
selbst zu bestimmen. ❑ Die ersten freien<br />
Wahlen in der DDR enden mit einer Sensation.<br />
Die konservative Allianz für<br />
Deutschland, ein Bündnis der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Sozialen Union (DSU), der DDR-CDU<br />
und des Demokratischen Aufbruchs (DA),<br />
verfehlt nur knapp die absolute Mehrheit.<br />
❑ Neuer Ministerpräsident der DDR wird<br />
der CDU-Vorsitzende Lothar de Maizière.<br />
Seiner Regierung gehören sämtliche Parteien<br />
der Allianz für Deutschland sowie<br />
Liberale und Sozialdemokraten an. ❑ Auf<br />
den saarländischen Ministerpräsidenten<br />
Oskar Lafontaine und Bundesinnenminister<br />
Wolfgang Schäuble werden Attentate<br />
verübt. Beide überleben. ❑ Am 18. Mai<br />
wird in Bonn der Staatsvertrag über die<br />
Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion<br />
zwischen der Bundesrepublik und der<br />
DDR unterzeichnet. Am 1. Juli wird in<br />
der DDR die <strong>Deutsche</strong> Mark als alleingültige<br />
Währung eingeführt. ❑ Bei Verhandlungen<br />
im Kaukasus verständigen sich<br />
Kohl und Gorbatschow (Bild unten, mit<br />
den Außenministern Genscher und Sche -<br />
wardnadse) auf folgende Vereinbarungen:<br />
- Bei Vollzug der deutschen Einigung<br />
werden die Viermächterechte vollständig<br />
abgelöst.<br />
- <strong>Das</strong> vereinte und vollständig souveräne<br />
Deutschland kann allein entscheiden,<br />
welchem Bündnis es angehören will; die<br />
Bundesregierung erklärt, sie wolle in<br />
der NATO bleiben.<br />
- Innerhalb von drei bis vier Jahren zieht<br />
die UdSSR sämtliche Truppen vom Gebiet<br />
der DDR ab.<br />
- Solange sowjetische Truppen auf DDR-<br />
Territorium stationiert sind, werden<br />
NATO-Strukturen nicht auf diesen Teil<br />
ausgedehnt.<br />
- Die Bundesregierung sagt eine Truppenreduzierung<br />
auf 370 000 Mann in<br />
drei bis vier Jahren zu.<br />
- Ein geeintes Deutschland wird auf<br />
ABC-Waffen verzichten.<br />
❑ Am 2. August überfallen irakische<br />
Streitkräfte das benachbarte Emirat Kuwait.<br />
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen<br />
in New York beschließt weltweite<br />
Sanktionen gegen den Irak. Insgesamt<br />
21 Nationen verlegen Truppen in die Krisenregion.<br />
❑ Nach 45 Jahren der Trennung<br />
wird am 3. Oktober mit dem Beitritt<br />
der DDR zur Bundesrepublik die Einheit<br />
Deutschlands wiederhergestellt. ❑ Im<br />
November unterzeichnen Bundesaußenminister<br />
Hans-Dietrich Genscher und<br />
sein polnischer Amtskollege Krzysztof<br />
Skubiszewski in Warschau ein Abkommen,<br />
das die Oder-Neiße-Linie endgültig<br />
als polnische Westgrenze anerkennt. ❑<br />
Aus den Wahlen zum ersten frei gewählten<br />
gesamtdeutschen Parlament seit 58<br />
Jahren geht die Bonner Regierungskoali-<br />
tion aus CDU/CSU und FDP unter Bundeskanzler<br />
Kohl als Sieger hervor. ■<br />
Im September unterzeichnen die<br />
Außenminister der Sowjetunion, der<br />
USA, Großbritanniens, Frankreichs,<br />
der Bundesrepublik Deutschland und<br />
der DDR in Moskau das Abschlussdokument<br />
der sogenannten Zwei-plus-<br />
Vier-Gespräche. Mit dem „Vertrag<br />
über die abschließende Regelung in<br />
Bezug auf Deutschland“ werden die<br />
äußeren Aspekte der deutschen Wiedervereinigung<br />
verbindlich festgelegt.<br />
191
Bundespräsident von Weizsäcker<br />
empfängt den Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in der Villa Hammerschmidt.<br />
Thema der Gespräche ist insbesondere<br />
die Situation der Kriegsgräberfürsorge<br />
in Ost- und Südosteuropa<br />
sowie der ehemaligen DDR. Der<br />
Bundespräsident dankt dem <strong>Volksbund</strong><br />
für die geleistete Arbeit.<br />
Izabela Gutfeter, Generalsekretärin<br />
des Polnischen Roten Kreuzes,<br />
kommt zu Gesprächen nach Kassel.<br />
Links Präsident Hans-Otto Weber,<br />
rechts Generalsekretär Adolf Barth.<br />
192<br />
<strong>Deutsche</strong> Gefallene werden von<br />
Warschau-Powazki nach<br />
Joachimow-Mogily umgebettet.<br />
Parlamentarischer Ring<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erfüllt den Auftrag der<br />
Bundesregierung im Ausland, indem er<br />
seine Aktivitäten mit dem Auswärtigen<br />
Amt koordiniert. Auf Anregung des<br />
<strong>Volksbund</strong>es wird in den 50er Jahren der<br />
Parlamentarische Ring ins Leben gerufen,<br />
um Fragen seiner Arbeit mit den Abgeordneten<br />
zu beraten. An ihm beteiligen<br />
sich bis zu 20 Vertreter der Bundestagsfraktionen.<br />
Bis heute treffen sich Mitglieder<br />
des Vorstandes regelmäßig mit Abgeordneten,<br />
um über Entwicklungen,<br />
Probleme und Fortschritte zu berichten.<br />
Um die Arbeit der Kriegsgräberfürsorge<br />
kennenzulernen, besuchen die Parlamentarier<br />
die vom <strong>Volksbund</strong> angelegten<br />
Kriegsgräberstätten (links in Budapest/<br />
Ungarn). ■<br />
Am 4. Juli gründet der <strong>Volksbund</strong> in<br />
Hagenow den ersten Kreisverband<br />
Mecklenburg-Vorpommerns. ❑ Im Novem -<br />
ber besucht eine polnische Delegation die<br />
Bundesgeschäftsstelle. Die Ab ord nung<br />
wird von Izabela Gutfeter, Generalsekretärin<br />
des Polnischen Roten Kreuzes, geleitet<br />
und berät mit der Geschäftsleitung<br />
u. a. die Abwicklung der Umbettungsarbeiten<br />
von ca. 2 500 gefallenen deutschen<br />
Soldaten vom Soldatenfriedhof Warschau-<br />
Powazki auf eine Anlage bei Joachimow-<br />
Mogily. Grund ist der Bau einer Umge -<br />
hungsstraße über das Friedhofsgelände.<br />
❑ Der <strong>Volksbund</strong> wird um Beratung und<br />
finanzielle Hilfe bei der Instandsetzung<br />
von Kriegsgräberstätten in den neuen<br />
Bundesländern gebeten, wie in Weimar,<br />
<strong>Buch</strong>enwald, Halbe, Beeskow, Nardt-<br />
Hoyerswerda und weiteren 20 Städten. ■<br />
Viktor G. Kulikow, Marschall der<br />
Sowjetunion, stattet dem <strong>Volksbund</strong><br />
einen Informationsbesuch ab und<br />
erklärt, dass die Freigabe weiterer<br />
deutscher Soldatenfriedhöfe in der<br />
UdSSR in Aussicht stehe (hier mit Prä -<br />
sident Hans-Otto Weber auf der vom<br />
<strong>Volksbund</strong> angelegten sow je tischen<br />
Kriegsgräberstätte Herles hausen).<br />
Internationales Jugendlager in<br />
Bremen: Jugendreferent Hubertus<br />
Rogge (links) mit den Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmern aus elf Ländern,<br />
darunter auch die Sowjetunion.<br />
193
Hundertausende Menschen – <strong>Deutsche</strong> und Ausländer, Angehörige<br />
und Schülergruppen, Touristen, Soldaten und viele andere – besuchen<br />
jährlich die deutschen Kriegsgräberstätten im Westen Europas. Die<br />
Kriegsgräberstätten sind überaus wichtige Orte des Gedenkens, der Erinnerung<br />
und Mahnung, aber auch der Verständigung und Versöhnung<br />
über den Gräbern.<br />
Besucher auf den Friedhöfen:<br />
Sandweiler/Luxemburg (großes Bild);<br />
von oben nach unten, links:<br />
Pomezia/Italien, Rancourt/Frankreich,<br />
Maleme/Griechenland (Bundeskanzler<br />
Helmut Kohl und Minis -<br />
terpräsident Konstantin Mitso takis),<br />
Niederbronn/Frankreich;<br />
von oben nach unten, rechts:<br />
Vladslo/Belgien und Lommel/Belgien.
1991<br />
196<br />
Der erste gesamtdeutsche Bundestag<br />
wählt Helmut Kohl zum Bundeskanz<br />
ler. Er tritt damit seine vierte Amtsperiode<br />
an. ❑ In Berlin konstituiert sich<br />
das zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder<br />
frei gewählte Stadtparlament. Eine Große<br />
Koalition aus CDU und SPD regiert das<br />
ver einte Berlin. ❑ Fast 36 Jahre nach seiner<br />
Gründung löst der Warschauer Pakt<br />
seine militärische Struktur auf. ❑ Zwei<br />
Tage nach der Unabhängigskeitserklärung<br />
der Teilstaaten Slowenien und Kroatien<br />
Die Alliierten besiegen den Irak im zweiten<br />
Golfkrieg (erster Golfkrieg: 1980 – 1988 zwischen<br />
Iran und Irak). Die aus Kuwait flüchtenden irakischen<br />
Truppen stecken die Ölquellen in Brand.<br />
kommt es in Jugoslawien zum offenen<br />
Bürgerkrieg. ❑ Der russische Parlamentspräsident<br />
Boris Jelzin wird mit 57,3 Prozent<br />
der Stimmen vom Volk zum Präsi -<br />
denten der Russischen Förderation gewählt.<br />
❑ Der Bundestag beschließt, den<br />
künftigen Parlaments- und Regierungssitz<br />
des vereinten Deutschlands nach Berlin<br />
zu verlegen. ❑ US-Präsident George<br />
Bush und der sowjetische Staatschef Michail<br />
Gorbatschow unterzeichnen in Moskau<br />
den START-Vertrag zur Reduzierung<br />
der strategischen Atomwaffen. ❑ Im August<br />
übersteht Gorbatschow einen Putsch -<br />
versuch. ❑ Der Sarg mit den sterblichen<br />
Überresten Friedrichs des Großen wird<br />
nach Potsdam übergeführt und ober halb<br />
der Schlossterrasse von Sanssouci bei gesetzt.<br />
❑ Neonazis überfallen im nord -<br />
sächsischen Hoyerswerda Vietnamesen<br />
und Mosambikaner, zumeist Arbeiter im<br />
Braunkohlewerk Laubag und im Gaskombinat<br />
„Schwarze Pumpe.“ Sie lösen<br />
eine Welle der Gewalt gegen Ausländer<br />
auch in anderen deutschen Städten aus. ■<br />
Im Dezember hört die Sowjetunion –<br />
69 Jahre nach ihrer Gründung – auf<br />
zu existieren. In der Hauptstadt<br />
Kasachstans schließen sich elf von<br />
15 ehemaligen Sowjetrepubliken zur<br />
Gemeinschaft Unabhängiger Staaten<br />
(GUS) zusammen. Sie lösen die<br />
UdSSR auf und erklären Präsident<br />
Gorbatschow für abgesetzt. Über<br />
dem Kreml weht die russische Fahne.<br />
Michail Gorbatschow kehrt nach dem<br />
Scheitern des Putsches im August<br />
nach Moskau zurück. Doch der neue<br />
„starke Mann“ heißt Boris Jelzin.<br />
Der Konflikt zwischen Kroaten und<br />
Serben weitet sich aus. Ehemalige<br />
Nachbarn und Freunde werden zu<br />
Feinden. Die jugoslawische Bundesarmee<br />
unterstützt die serbische Seite.<br />
Wie in jedem modernen Krieg leidet<br />
die Zivilbevölkerung am meisten (eine<br />
Frau in Borovo Naselje verkauft et was<br />
von den wenigen, ihr verbliebenen<br />
Habseligkeiten an einen Soldaten).<br />
197
Kranzniederlegung auf dem<br />
Dresdner Nordfriedhof anlässlich<br />
der Gründung des Landes -<br />
verbandes Sachsen.<br />
198<br />
Gründung des Landesverbandes<br />
Mecklenburg-Vorpommern in<br />
Schwerin; oben links: Ministerpräsident<br />
Alfred Gomolka, Wolfram<br />
Schmidt, Geschäftsführer des Patenverbandes<br />
Schleswig-Holstein;<br />
oben: Gründungsversammlung im<br />
Schweriner Dom (vorne von links:<br />
der erste Landesvorsitzende, Prof. Dr.<br />
Friedrich Täubrich, Ministerpräsident<br />
Gomolka, Finanzministerin Bärbel<br />
Kleedehn); unten: Ausstellung im Dom.<br />
Gomolka wird spontan Mitglied des<br />
<strong>Volksbund</strong>es.<br />
In den fünf neuen Bundesländern<br />
gründen sich Landesverbände und<br />
Kreisverbände. <strong>Das</strong> ehemalige Ost-Berlin<br />
wird vom Landesverband Berlin betreut.<br />
❑ Eine <strong>Volksbund</strong>delegation besucht auf<br />
Einladung des Oberbürgermeisters die<br />
Stadt Wolgograd. In einer gemeinsamen<br />
Erklärung heißt es:<br />
„Eine Kommission, bestehend aus Vertretern<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, der Stadt Wolgograd<br />
und des Vereins ‚Ewiges Gedenken<br />
den Soldaten’, wird dafür sorgen, dass<br />
- die noch vorhandenen Friedhöfe für<br />
deutsche Soldaten aus der Zeit der<br />
Kämpfe und danach erfasst, gesichert<br />
und in einen würdigen Zustand versetzt<br />
werden.<br />
- Für nicht mehr auffindbare deutsche<br />
Gefallene wird eine zentrale Ehrenstätte<br />
errichtet.”<br />
Auf dem Bundesvertretertag in Hamburg<br />
erhält der <strong>Volksbund</strong> als Anerkennung<br />
für seine friedensfördernde Arbeit<br />
den Friedenspreis des Verbandes <strong>Deutsche</strong>r<br />
Soldaten. ❑ Der Bundesjugendarbeitskreis,<br />
in dem die Jugendarbeitskreise<br />
der Landesverbände und auch die Jugendlichen<br />
der <strong>Volksbund</strong>gliederungen ohne<br />
Jugendarbeitskreis vertreten sind, nimmt<br />
seine Arbeit auf. ❑ Die ersten Unruhen<br />
des jugoslawischen Bürgerkrieges überschatten<br />
die Neueinweihung des k. u. k.<br />
Marinefriedhofes in kroatischen Pula. Dort<br />
ruhen auf einem Friedhofsteil 316 deutsche<br />
Gefallene des Zweiten Welt krieges. ❑<br />
Der erste wiederhergerichtete deutsche<br />
Soldatenfriedhof in der Tschechoslowakei,<br />
Rakovnik (Rakonitz, 28 Kriegstote),<br />
wird eingeweiht; in Ungarn sind es die<br />
Kriegsgräberstätten: Székesfehérvár<br />
(Stuhlweißenburg, 2 329 Kriegstote),<br />
Hajmáskér (518 Kriegstote), Pecs (Fünfkirchen,<br />
217 Kriegstote) und Esztergom<br />
(447 Kriegstote). ❑ In Lettland wird die<br />
Kriegsgräberstätte Riga (432 Kriegstote)<br />
eingeweiht. ■<br />
Der Friedhof in Riga ist die erste vom<br />
<strong>Volksbund</strong> auf dem Gebiet der (ehemaligen)<br />
Sowjetunion gebaute Kriegs -<br />
gräberstätte. Auf dieser am 15. Juni<br />
1991 eingeweihten Anlage im städtischen<br />
Memorial-Park ruhen 432 in<br />
Gefangenschaft verstorbene deutsche<br />
Soldaten des Zweiten Weltkrieges.<br />
Auf dem Friedhof in Joachimow-<br />
Mogily, eingeweiht am 5. Oktober<br />
1991, ruhen 2 563 deutsche Gefal lene<br />
beider Weltkriege. Die Toten des<br />
Zweiten Weltkrieges stammen aus<br />
einer Anlage in Warschau-Powazki,<br />
die dem Bau einer Straße weichen<br />
mussten. Bei der Einweihung spricht<br />
Bundesministerin Hannelore Rönsch.<br />
199
Spurensuche<br />
So wie in Wolgograd – dem ehe maligen<br />
Stalingrad – ist die Situation<br />
der deutschen Kriegsgräber an vielen<br />
Or ten in Russland. Viele Gräber sind<br />
mit Industrieanlagen, Häusern oder<br />
Gärten überbaut oder durch Baumaßnahmen<br />
bedroht, viele sind weit<br />
abgelegen (großes Bild: Steppe bei<br />
Wolgograd) oder unzugänglich. Leider<br />
werden immer mehr Gräber von<br />
Plünderern ausgeraubt, so dass die<br />
Klärung der Schicksale erschwert<br />
oder unmöglich gemacht wird.<br />
Die Öffnung Osteuropas macht es<br />
möglich, dass viele Angehörige von<br />
Gefallenen doch noch einmal die<br />
Gräber im Osten besuchen können.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> bietet Reisen in fast<br />
alle Länder Osteuropas an.<br />
200
Schulische und<br />
außerschulische<br />
Jugendarbeit<br />
Die Aktion Rote Hand wendet sich<br />
weltweit gegen den Einsatz von<br />
Kindersoldaten. Jugendliche, die<br />
sich in ihrer Freizeit beim <strong>Volksbund</strong><br />
engagieren, beteiligen sich rege:<br />
In den Landesverbänden, bei JAK-<br />
Treffen, beim Volleyballturnier oder<br />
dem Pfingstzelten sammeln sie die<br />
roten Handabdrücke sowie die zugehörigen<br />
Unterschriften und setzen<br />
sich so für die Achtung der Menschenrechte<br />
ein (Foto unten).<br />
202<br />
Der <strong>Volksbund</strong> ist anerkannter Träger<br />
der freien Jugendhilfe und betreibt als<br />
einziger Kriegsgräberdienst der Welt eine<br />
eigene außerschulische und schulische<br />
Jugendarbeit mit eigenen Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätten (JBS) sowie<br />
zahlreichen Workcamp-Angeboten. Mit<br />
wachsendem Abstand zu den beiden<br />
Weltkriegen nimmt die Zahl der unmittelbar<br />
Betroffenen ab. Immer mehr Menschen<br />
entstammen den Jahrgängen, die<br />
den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt<br />
haben. Der Schwerpunkt der Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es wird sich deshalb von der<br />
Fürsorge für die Gräber und der Angehörigenbetreuung<br />
zunehmend auf die Mahnung<br />
zum Frieden verlagern.<br />
Jährlich treffen sich über 20 000 junge<br />
Menschen aus verschiedenen Ländern in<br />
den Workcamps sowie Jugendbegegnungsund<br />
Bildungsstätten im In- und Ausland,<br />
um sich kennenzulernen, gemeinsame<br />
Freizeit zu erleben, auf Kriegsgräber- und<br />
Gedenkstätten zu arbeiten und sich mit<br />
der deutschen und europäischen Geschichte<br />
auseinanderzusetzen.Die wichtigsten<br />
Ziele und Aufgaben der inter nationalen<br />
Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es bestehen<br />
darin, das gegenseitige Verständnis<br />
und Vertrauen zwischen den jungen<br />
Menschen zu stärken, die Kenntnisse der<br />
jungen Generation über das jeweilige<br />
Partnerland zu vertiefen und das Interesse<br />
an historischen, kulturellen, politischen<br />
und wirtschaftlichen Beziehungen<br />
zu fördern.<br />
Was in Westeuropa gelungen ist, ist<br />
künftig Anregung und Verpflichtung auch<br />
für Osteuropa. Dies gewinnt angesichts<br />
der Osterweiterung der Europäischen<br />
Union eine besondere Bedeutung. So leistet<br />
der <strong>Volksbund</strong> auch mit seiner internationalen<br />
Jugendarbeit wichtige Beiträ -<br />
ge zur Beibehaltung und Fortentwicklung<br />
von demokratischen Gedenk- und Erinnerungskulturen<br />
im zusammenwachsenden<br />
Europa. Die Arbeit an den Gräbern<br />
führt den Jugendlichen vor Augen, was<br />
Kriege bewirken. Durch Begegnungen<br />
und Gespräche mit den Menschen des<br />
Gastlandes erfahren sie, welches Schicksal<br />
die Menschen in dieser Landschaft in<br />
der Vergangenheit erleiden mussten. Sie<br />
lernen die Probleme der Gegenwart kennen<br />
und bekommen Gelegenheit, Grundsteine<br />
für eine gemeinsame friedliche Zu -<br />
kunft zu legen.<br />
Jugendarbeit nach 1949<br />
Bereits 1949 fahren erste Jugendgruppen<br />
über die Grenzen und besuchen unsere<br />
Nachbarländer. Bei ihren Fahrten<br />
finden sie die verstreut liegenden deutschen<br />
Kriegsgräber und versuchen unter<br />
oft sehr schwierigen Umständen, die Gräber<br />
herzurichten und die Namen der To -<br />
ten zu notieren. Lageskizzen und Angaben<br />
zur Person der Gefallenen leiten sie<br />
dem <strong>Volksbund</strong> zu. Neben der Betreuung<br />
der Gräber suchen die jungen Menschen<br />
Kontakte zur Bevölkerung des Gastlandes.<br />
Zunächst gibt es große Vorbehalte<br />
gegenüber den <strong>Deutsche</strong>n. Dennoch verfolgen<br />
sie ihr Ziel, eine Verständigung<br />
und damit eine Versöhnung zu erreichen,<br />
mit Beharrlichkeit weiter.<br />
1953 findet das erste Jugendlager des<br />
<strong>Volksbund</strong>es statt, dessen Teilnehmer/<br />
-innen am Ausbau der deutschen Kriegsgräberstätte<br />
Lommel in Belgien mitwirken.<br />
Hier entsteht in den Diskussionen<br />
unter den Jugendlichen das Leitwort „Ver -<br />
söhnung über den Gräbern,“ später ergänzt<br />
um „Arbeit für den Frieden.“ Dies<br />
wird zum Leitwort der gesamten Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Workcamps<br />
Unter dem Zeichen der Versöhnung<br />
haben bisher mehr als 200 000 junge Menschen<br />
aus Deutschland und vielen europäischen<br />
Ländern an über 4 500 Workcamps<br />
in 35 Ländern Europas und Nordafrikas<br />
teilgenommen (Stand: 2008).<br />
Durch die persönlichen Begegnungen<br />
junger Menschen verschiedener Nationen<br />
an den Kriegsgräber- und Gedenkstätten<br />
beteiligen sich die jungen Menschen aktiv<br />
an der friedenspädagogischen Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es. Neben der Arbeit an den<br />
Gräbern stehen der Kontakt zur Bevölkerung,<br />
der Jugendaustausch sowie die his -<br />
torisch-politische Bildung im Vordergrund.<br />
Die meisten Workcamps finden<br />
während der Sommerferien statt. Dabei<br />
lernen die Jugendlichen Land und Leute<br />
kennen und verstehen. Zum Programm<br />
gehören auch: Einladungen in Gastfamilien,<br />
Veranstaltungen von Jugendfesten,<br />
Junge Workcamp-Teilnehmer beteiligen sich an<br />
Gedenkfeiern, bei denen sie auch eigene Texte und<br />
Lieder vortragen (Foto oben).<br />
In den Workcamps des <strong>Volksbund</strong>es<br />
pflegen die Jugendlichen die Gräber<br />
der Weltkriege (Foto unten).<br />
203
Unterwegs mit der Sammeldose:<br />
Auch bei der jährlichen Haus- und<br />
Straßensammlung engagieren sich<br />
die Jugendlichen für den <strong>Volksbund</strong>.<br />
Momente wie diese erleben auch die<br />
freiwilligen Helfer der Jugendarbeitskreise<br />
(JAK) nur selten: Eine Einbettung<br />
auf der Kriegsgräberstätte<br />
Ysselsteyn in den Niederlanden.<br />
204<br />
gemeinsame Sportveranstaltungen, Besichtigungen,<br />
Betriebserkundungen und<br />
Einladungen, etwa zu Botschaften und<br />
Gemeindeverwaltungen.<br />
Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />
Anfang der 1980er Jahre erweiterte der<br />
<strong>Volksbund</strong> sein Angebot an Jugendliche<br />
mit der ersten Jugendbegegnungsstätte im<br />
niederländischen Ysselsteyn. Eine großartige<br />
friedenspädagogische Idee nimmt<br />
ihren erfolgreichen Verlauf. Inzwischen<br />
sind weitere Häuser hinzugekommen,<br />
so in Lommel in Belgien, in Niederbronnles-Bains<br />
im Elsass und auf der Insel Usedom<br />
nahe der Kriegsgräberstätte Golm.<br />
Seit 1993 haben über 110 000 junge<br />
Menschen die vier Jugendbegegnungsund<br />
Bildungsstätten des <strong>Volksbund</strong>es genutzt.<br />
Überwiegend waren es Schulklassen<br />
mit einwöchigen Schulprojekten.<br />
Während des Schulbetriebs fahren Klassenverbände<br />
und Projektgruppen mit<br />
ihren Pädagogen in die Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätten, erhalten dort<br />
in modernen und zweckmäßig eingerichteten<br />
Häusern die Möglichkeit, sich zum<br />
Beispiel mit einer Gruppe ihrer Partnerschule<br />
aus dem Ausland zu treffen und<br />
gemeinsame Projekte zu verwirklichen.<br />
Jugendarbeitskreise (JAK)<br />
Jugendarbeitskreise der <strong>Volksbund</strong>-<br />
Landesverbände sind regionale Foren der<br />
Jugend im <strong>Volksbund</strong>. Hier treffen sich<br />
die Teilnehmer aus den Jugendprojekten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es mit neuen Interessenten.<br />
Die Jugendarbeitskreise bieten jungen<br />
Menschen die Möglichkeit, aktiv mitzuarbeiten.<br />
Beispiele dafür sind die Workcamps,<br />
die jährliche Sammlung, Mitarbeit<br />
in den <strong>Volksbund</strong>-Gremien, Seminare,<br />
verschiedene Projekte sowie die Zusammenarbeit<br />
mit den Schulen und die Pflegeeinsätze<br />
auf Kriegsgräberstätten oder<br />
Gedenkstätten.<br />
Bundesjugendarbeitskreis (BJAK)<br />
Auf Bundesebene vertritt der Bundesjugendarbeitskreis<br />
die Interessen der regionalen<br />
Jugendarbeitskreise. Seine Auf -<br />
gabe ist, den bundesweiten Austausch<br />
von Informationen und Vorschlägen zur<br />
Jugendarbeit zu pflegen. Er koordiniert<br />
die überregionale Arbeit, unterstützt die<br />
Einrichtung neuer Jugendarbeitskreise<br />
und stellt Kontakte zu überregio nalen Jugend<br />
verbänden her. Die/der Vorsitzende<br />
des Bundesjugendarbeitskreises vertritt<br />
die Interessen der Jugendlichen als Mitglied<br />
im Bundespräsidium.<br />
Bundesjugendausschuss (BJA)<br />
Als Ausschuss des Bundesvorstandes<br />
erarbeitet der Bundesjugendausschuss die<br />
konzeptionellen Rahmenbedingungen für<br />
die Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es und leitet<br />
sie diesem in Form von Empfehlungen<br />
zu. Der Vorsitzende dieses Aus schusses<br />
ist Mitglied des Bundesvorstandes.<br />
Schule und <strong>Volksbund</strong><br />
Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet mit eigenen<br />
hauptamtlichen Bildungs- oder Schulreferenten,<br />
die engen Kontakt zu den Schulen<br />
in den jeweiligen Bundesländern halten<br />
und zur Unterstützung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
und seiner Friedensarbeit motivieren. In<br />
den Lehrplänen aller Kultusministerien<br />
der Bundesländer ist die Friedenserziehung<br />
als fester Bestandteil aller schulischen<br />
Aktivitäten verankert. Hier sind die<br />
Anknüpfungspunkte für die friedenspä -<br />
dagogische Arbeit mit dem <strong>Volksbund</strong>.<br />
Der Bundeselternrat, die oberste Interessenvertretung<br />
der Eltern von Schülern,<br />
hat dieses Konzept anerkannt und unterstützt<br />
den <strong>Volksbund</strong>. In einer gemeinsamen<br />
Resolution haben der Bundeseltern -<br />
rat und der <strong>Volksbund</strong> die Ständige Konferenz<br />
der Kultusminister der Länder in<br />
der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz)<br />
auf die zahlreichen<br />
pädagogischen Hilfen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
hingewiesen und um weitere Unterstüt-<br />
zung gebeten. Die Kultusministerkonferenz<br />
nimmt diese Empfehlung entgegen<br />
und erneuert ihre ursprünglichen Beschlüsse<br />
von 1968 und 1988 in einer Neufassung<br />
vom 27. April 2006.<br />
Schüler sammeln für den <strong>Volksbund</strong><br />
Im ganzen Bundesgebiet beteiligen<br />
sich etwa 20 000 Schülerinnen und Schüler<br />
aller Schulformen alljährlich an der<br />
Haus- und Straßensammlung für den<br />
<strong>Volksbund</strong>. Die Kontaktlehrer des <strong>Volksbund</strong>es<br />
haben ihnen im Rahmen der Friedenserziehung<br />
im Unterricht Aufgaben<br />
und Ziele des <strong>Volksbund</strong>es näher gebracht.<br />
Die Jugendlichen erfahren auch,<br />
dass die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es größtenteils<br />
durch freiwillige Spenden und die<br />
Beiträge der Mitglieder finanziert wird.<br />
Perspektiven für die Zukunft<br />
Die Bedeutung und Funktion der<br />
Kriegs gräberstätten ist in Veränderung<br />
be griffen. Sie wandeln sich von Angehörigenfriedhöfen<br />
mit der Funktion der persönlichen<br />
Trauer zu Besucherfriedhöfen.<br />
Für die nicht mehr der Kriegsgeneration<br />
angehörenden Besucher erfüllt die Kriegsgräberstätte<br />
den Zweck einer historischen<br />
Stätte sowie eines Lernortes oder einer<br />
Mahn- und Gedenkstätte. Der <strong>Volksbund</strong><br />
greift diese Entwicklung seit Jahren in<br />
seiner internationalen Jugendarbeit auf. ■<br />
Der Moment des Innehaltens: Die<br />
Arbeit auf den Kriegsgräberstätten<br />
ist für viele Jugendliche eine besondere<br />
Erfahrung (Foto oben).<br />
Gemeinsame Arbeit: Bei den Workcamps<br />
des <strong>Volksbund</strong>es arbeiten Jugendliche<br />
aus verschiedenen Natio -<br />
nen Hand in Hand (Foto unten links).<br />
Während der Workcamps entstehen<br />
unter den Jugendlichen häufig<br />
Freundschaften, die über Ländergrenzen<br />
und Sprachbarrieren hinaus<br />
gehen (Foto unten rechts).<br />
205
1992<br />
Willy Brandt, Altbundeskanzler<br />
und ehemaliger SPD-Vorsitzender,<br />
stirbt im Alter von 78 Jahren.<br />
206<br />
Die Außen- und Finanzminister der<br />
Europäischen Gemeinschaft unterzeichnen<br />
in Maastricht den Reformvertrag<br />
der EG. ❑ Bei den Olympischen<br />
Spielen im August geht erstmals wieder<br />
eine gesamtdeutsche Mannschaft an den<br />
Start. ❑ In den USA gewinnt der Kandidat<br />
der Demokraten Bill Clinton die Wahl<br />
um das Amt des US-Präsidenten. ■<br />
Dr. Gerhard Holz wird Generalsekretär.<br />
❑ Die Geschäftsstelle West<br />
verlegt der <strong>Volksbund</strong> von Maisons-Lafit -<br />
te nach Metz. ❑ Bei Bautzen, Sachsenhausen<br />
und <strong>Buch</strong>enwald werden in der Nähe<br />
der ehemaligen sowjetischen Straflager<br />
Massengräber aus der Nachkriegszeit<br />
entdeckt. ❑ In Ungarn wird der Friedhof<br />
Bajna (173 Gefallene des Zweiten Weltkrieges)<br />
eingeweiht. Es folgen Einweihungen<br />
in Bad Radkersburg/Öster reich<br />
(579 Ge fallene beider Weltkriege), in<br />
Przemysl/Polen (etwa 2 000 deutsche<br />
Soldaten des Ersten Weltkrieges), in Zborov/Slowakei<br />
(1 194 Gefallene des Zweiten<br />
Weltkrieges), in Celje/Slowe nien<br />
(2 907 Tote beider Weltkriege), die Kriegsgräberstätte<br />
Marienbad/Tsche chien (525<br />
deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
und 1 483 zivile Kriegstote, Patienten<br />
aus Berliner Krankenhäusern, die wegen<br />
der Luftangriffe auf die damalige Hauptstadt<br />
nach Marienbad evakuiert worden<br />
waren). ❑ Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />
informiert Kanzleramtsminister Dr. Friedrich<br />
Bohl über die gewaltigen Aufgaben<br />
in Osteuropa, die ohne finanzielle Hilfe<br />
der Bundesregierung nicht lösbar sind. Er<br />
bittet zugleich im Namen der Arbeitsgemeinschaft<br />
der Kriegsteilnehmer- und<br />
Kriegsopferverbände, die Neue Wache in<br />
Berlin als zentrale Mahn- und Gedenkstätte<br />
für alle Kriegstoten und Vermissten<br />
neu zu gestalten. ❑ Auf dem Bundesvertretertag<br />
in Kassel wird Präsident Weber<br />
für weitere fünf Jahre wiedergewählt. Die<br />
Mitglieder des Bundesvertretertages<br />
mahnen zum Frieden in Jugoslawien und<br />
verurteilen die Ausschreitungen gegen<br />
Minderheiten in der Bundesrepublik. ❑<br />
Zum 50. Jahrestag der Schlacht in El Ala-<br />
Mit einer 45 Kilometer langen Lichterkette aus<br />
Fackeln, Lampions, Taschenlampen und Kerzen<br />
demonstrieren mehr als 500 000 Menschen in<br />
Berlin und 400 000 in München und Hamburg<br />
gegen Rassismus, Gewalt und Ausländerhass.<br />
Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süßmuth<br />
empfängt die Teilnehmer des Internationalen<br />
Seminars des <strong>Volksbund</strong>es – Freunde und Förderer<br />
unserer Arbeit aus vielen Ländern in Ost und West.<br />
mein/Ägypten findet eine internationale<br />
Gedenkfeier auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />
statt. 5 000 Besucher, unter ihnen<br />
die Regierungschefs Großbritanniens,<br />
Frankreichs und Griechenlands, nehmen<br />
an der Gedenkveranstaltung teil. Der Präsident<br />
vertritt den <strong>Volksbund</strong>. ❑ Erstmals<br />
nach 45 Jahren findet die zentrale Gedenkveranstaltung<br />
zum Volkstrauertag in Berlin<br />
statt. ❑ Am 16. Dezember wird in<br />
Mos kau das deutsch-russische Kriegsgräberabkommen<br />
unterzeichnet. Damit ist<br />
die rechtliche Grundlage geschaffen,<br />
künftig in Russland deutsche Soldatenfriedhöfe<br />
anzulegen und zu pflegen.<br />
Russland ist der erste Staat in Osteuropa,<br />
mit dem ein derartiges Abkommen geschlossen<br />
wird. Beide Seiten verpflichten<br />
sich damit, die Kriegsgräber des Vertrags -<br />
partners im eigenen Hoheitsgebiet zu<br />
schützen und das dauernde Ruherecht<br />
der Kriegstoten zu gewährleisten. „Die<br />
Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />
beauftragt den <strong>Volksbund</strong> mit der<br />
technischen Durchführung der Aufgaben<br />
in der Russischen Föderation, die sich aus<br />
diesem Abkommen für die deutsche Seite<br />
ergeben.” (Artikel 8, Abs.1) Die russische<br />
Regierung benennt ihrerseits den „Verband<br />
für internationale Zusammenarbeit<br />
bei der Pflege von Soldatengedenkstätten”<br />
als Beauftragten. ❑ Bundes kanzler<br />
Kohl und Präsident Jelzin loben die<br />
Arbeit des Volksbun des, dessen Präsident<br />
zur Unterzeichnung des Abkommens eingeladen<br />
ist. ❑ Bei einem Besuch des Wolgograder<br />
Oberbürgermeisters Jurij V.<br />
Tschechow in Kassel verständigt man<br />
sich darauf, den ehe maligen Wehrmachtsfriedhof<br />
in Rossoschka wieder herzustellen<br />
und einen Kriegsgefangenen friedhof<br />
im Stadtgebiet auszubauen. ❑ Die Bundesregierung<br />
entspricht dem Wunsch des<br />
<strong>Volksbund</strong>es, die Gültigkeit des Gräbergesetzes<br />
möglichst schnell auf die neuen<br />
Bundesländer auszudehnen und es we -<br />
gen der besonderen Gegebenheiten zu<br />
novellieren. Die vom <strong>Volksbund</strong> gemachten<br />
Vorschläge werden über nommen, das<br />
Gesetz tritt am 1. Janu ar 1993 in Kraft. ❑<br />
Der <strong>Volksbund</strong>präsident erhält für seine<br />
besonderen Verdienste auf dem Gebiet der<br />
Kriegsgräberfürsorge das Große Verdienstkreuz<br />
des Verdienstordens der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Damit wird gleichzeitig<br />
das 40-jährige ehrenamtliche En gagement<br />
Hans-Otto Webers gewürdigt. ■<br />
El Alamein, 50 Jahre danach –<br />
internationale Gedenkfeier an der<br />
deutschen Kriegsgräberstätte für die<br />
4 313 Gefallenen aus beiden Weltkriegen.<br />
Einweihung des deutschen Soldaten -<br />
friedhofes in Zborov/Slowakische<br />
Republik (1 194 Kriegstote des Zweiten<br />
Weltkrieges) am 19. September.<br />
Die Anteilnahme der Bevölkerung ist<br />
sehr groß.<br />
Am 18. September wird der<br />
Friedhof in Przemysl/Polen<br />
(ca. 2 000 Soldaten des Ersten<br />
Weltkrieges), am 26. September<br />
der Friedhof in Celje/Slowenien<br />
(2 907 Kriegstote) eingeweiht.<br />
Gründung des Landesverbandes<br />
Thüringen, Landtagspräsident<br />
Dr. Gottfried Müller (vorne rechts)<br />
wird zum Vorsitzenden gewählt.<br />
Gedenkfeier 50 Jahre nach Ende der<br />
Schlacht von Stalingrad. Auch Vertreter<br />
des <strong>Volksbund</strong>es nehmen teil.<br />
207
1993<br />
Panzer vor dem Weißen Haus in<br />
Moskau, dem Sitz des russischen<br />
Parlaments. Der Putschversuch<br />
scheitert, doch Boris Jelzin ist<br />
danach politisch angeschlagen.<br />
208<br />
Die Tschechoslowakei wird in die<br />
Staaten Tschechien und Slowakische<br />
Republik getrennt. ❑ Mit Zustimmung<br />
von 337 Abgeordneten bei 185 Gegenstimmen<br />
und 13 Enthaltungen billigt der<br />
Bundestag den Einsatz von deutschen<br />
Soldaten im Rahmen einer UN-Aktion im<br />
afrikanischen Somalia. ❑ Mit Jahresbeginn<br />
treten die Regelungen für den Europäischen<br />
Binnenmarkt der zwölf EG-Staa -<br />
ten in Kraft. ❑ Die Bundeswehr beteiligt<br />
sich an einer Luftbrücke nach Bosnien.<br />
Transportflugzeuge werfen Lebensmittel<br />
und Medikamente mit Fallschirmen ab. ❑<br />
Der russische Präsident Boris Jelzin schlägt<br />
den Putschversuch vom Reformgegner<br />
mit Hilfe regierungstreuer Truppen in<br />
Moskau nieder. Bei den ersten demokratischen<br />
Wahlen in Russland errei chen die<br />
Gegner des Reformkurses jedoch einen<br />
unerwartet hohen Stimmenanteil. ❑ Der<br />
Vertrag von Maastricht tritt am 1. November<br />
nach seiner Ratifizierung durch<br />
alle zwölf Staaten der Europäischen Gemeinschaft<br />
in Kraft. ❑ Starke Regenfälle<br />
lösen am Mississippi die schwersten<br />
Überschwemmungen in der Geschichte<br />
der USA aus. ❑ In Berlin wird am Volkstrauertag<br />
die Neue Wache als zentrale Gedenkstätte<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft<br />
eingeweiht. ■<br />
Der 1992 begonnene Wiederaufbau<br />
des Umbettungsdienstes wird fortgeführt.<br />
Über 50 deutsche und 150 ausländische<br />
Mitarbeiter sind in den meisten<br />
Ländern Osteuropas im Einsatz. ❑ Bei<br />
einem Arbeitsbesuch des Generalsekretärs<br />
in der russischen Stadt Jaroslawl am<br />
21. April wird die Herrichtung eines<br />
deutschen Kriegsgefangenenfriedhofes<br />
vereinbart. ❑ Die Unterzeichnung des<br />
Rahmenvertrages über die Zusammenarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es mit dem russischen<br />
Ver band für internationale Zusammenarbeit<br />
bei der Pflege von Soldatengedenkstätten<br />
am 13. Mai schafft konkrete Vo -<br />
raussetzungen für die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
in Russland. ❑ Am 15. Mai wird<br />
die deutsche Kriegsgräberstätte in Karlsbad<br />
– als dritte Anlage in der Tschechischen<br />
Republik – unter großer Beteiligung<br />
der Bevölkerung eingeweiht. Am<br />
4. und 5. September folgen die Kriegsgräberstätten<br />
Pärnu (Pernau) und Viljandi<br />
(Fellin) in Estland, am 1. und 2. Oktober<br />
in Ungarn die Einweihungen der Soldatenfriedhöfe<br />
Nagykanisza und Böhönye,<br />
am 16. Oktober die Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />
Krakau in Polen. ❑ Auf<br />
Einladung der slowenischen Regierung<br />
verhandeln Präsi dent Weber und Generalsekretär<br />
Dr. Holz vom 1. bis 4. Juni<br />
über den Bau weiterer Soldatenfriedhöfe<br />
(Kranj und Ljubljana) in Slowenien. Der<br />
Vorschlag des <strong>Volksbund</strong>es wird positiv<br />
aufgenommen. ❑ Im November legt der<br />
Vorstand die Farbe der <strong>Volksbund</strong>fahne<br />
neu fest: An die Stelle des bisherigen<br />
schwarzen Untergrundes tritt die Farbe<br />
Türkis (Blaugrün). ■<br />
Am 4. und 5. September werden<br />
unter großer Beteiligung der Bevölkerung<br />
die beiden ersten deutschen<br />
Kriegsgräberstätten in Estland eingeweiht:<br />
Pärnu (Pernau, 960 Kriegstote)<br />
und Viljandi (Fellin, 945 Kriegstote).<br />
Präsident Hans-Otto Weber fordert<br />
dazu auf, dass jeder Einzelne durch<br />
mehr Menschlichkeit zum Frieden beitragen<br />
solle (rechts oben: Kranzniederlegung<br />
am Denkmal für die Opfer<br />
des estnischen Befreiungskrieges).<br />
Seit 1953 helfen junge Leute dem<br />
<strong>Volksbund</strong> in Lommel/Belgien bei der<br />
Pflege der größten deutschen Kriegsgräberstätte<br />
des Zweiten Weltkrieges.<br />
Im Eingangsgebäude des Friedhofes<br />
hat der <strong>Volksbund</strong> eine Jugendbegegnungsstätte<br />
geschaffen. Dort werden<br />
– wie schon in Ysselsteyn/Niederlande<br />
– Jugendgruppen und Schulklassen<br />
untergebracht und betreut.<br />
Am 28. Oktober wird in Niederbronn/Frankreich<br />
der Grundstein zu<br />
einer weiteren Jugendbegegnungsstätte<br />
gelegt.<br />
16. Oktober: Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />
Krakau als vierte deutsche<br />
Kriegsgräberstätte in Polen<br />
(3 095 Gefallene des Zweiten Weltkrieges).<br />
Über 3 000 Gäste aus Ungarn,<br />
Deutschland und Österreich nehmen<br />
in Ungarn am 1. und 2. Oktober an<br />
der Einweihung der Friedhöfe Böhönye<br />
und Nagykanisza teil. Hier<br />
ruhen 2 080 bzw. 727 Gefallene<br />
des Zweiten Weltkrieges.<br />
Einweihung in Karlsbad (Karlovy<br />
Vary) am 15. Mai: Über 1 000 Gäste<br />
besuchen den Friedhof in Tschechien,<br />
auf dem 2 100 deutsche Soldaten<br />
und zivile Kriegsopfer bestattet sind.<br />
Ruth Feichtner, stellvertretende Präsidentin<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, fordert in<br />
ihrer Ansprache Tole ranz gegenüber<br />
Anderen und den Willen zur friedlichen<br />
Konfliktlösung.<br />
209
<strong>Das</strong> Foto zeigt die Neue Wache in<br />
der Bundeshauptstadt Berlin.<br />
Mit der Kranzniederlegung am Volkstrauertag<br />
1993 wird die Neue Wache<br />
zentrale Mahn- und Gedenkstätte der<br />
Bundesrepublik (großes Foto von<br />
links: Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl,<br />
Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita<br />
Süßmuth, Bundespräsident Dr. Richard<br />
von Weiz säcker, Dr. Henning<br />
Voscherau, stellvertretender Bundesratspräsident,<br />
und Prof. Dr. Roman<br />
Herzog, Präsident des Bundesverfassungsgerichts).<br />
210<br />
Die Neue Wache<br />
in Berlin<br />
Ende des 18. Jahrhunderts gab es in<br />
Berlin 34 Wachlokale. Eine der Hauptwachen<br />
stand an der neuen Brücke auf dem<br />
Platz neben dem Zeughaus. <strong>Das</strong> Wachgebäude<br />
machte damals einen heruntergekommenen<br />
Eindruck. Nachdem der preu -<br />
ßische König, Friedrich Wilhelm III., das<br />
dieser Hauptwache gegenüberliegende<br />
Palais bezogen hatte, beschloss er, diesen<br />
Raum würdig gestalten zu lassen, zumal<br />
die Wache nunmehr seinem Schutz zu<br />
dienen hatte. Ideenwettbewerbe wurden<br />
veranstaltet, ihre Weiterführung aber<br />
scheiterte an den Folgen der preußischen<br />
Niederlage gegen Napoleon 1806/07.<br />
Nach dem Sieg der Verbündeten 1815<br />
rückte der Plan eines Neubaues der Königswache<br />
wieder in den Vordergrund.<br />
Karl Friedrich Schinkel erhielt den Auftrag,<br />
ein neues Wachgebäude zu entwerfen<br />
und das Gelände neu zu gestalten.<br />
1816 lag sein Bauplan vor. Er sah einen<br />
Hauptbau, aus dem zwei wuchtige Ecktürme<br />
hervorragen, und eine Vorhalle,<br />
die noch ein weiteres Stück zur Straße<br />
hinausragt, vor. 1818 war der Bau fertiggestellt.<br />
Schinkel schloss mit diesem Bauwerk<br />
von europäischem Rang auf groß -<br />
artige Weise eine bis dahin bestehende<br />
Lücke in der vorhandenen Architektur.<br />
Die Innenräume dienten den Zwecken<br />
eines Wachlokals. Bis zum Ende des Ersten<br />
Weltkrieges wurde das Gebäude<br />
auch so genutzt. Der Aufzug der Wache<br />
war für die Berliner und für die Gäste ein<br />
gern gesehenes Zeremoniell. Kaiser Wilhelm<br />
I. – so wird überliefert – beobachtete<br />
ihn aus dem historischen Eckfenster seines<br />
Palais gegenüber. Offiziell hieß das<br />
Gebäude weiterhin Königswache, aber<br />
populär wurde nach der Einweihung<br />
Neue Wache.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg entschied<br />
die preußische Regierung, in diesem nun<br />
ehe maligen Wachgebäude eine Gedächtnisstätte<br />
für die Gefallenen des Weltkrieges<br />
einzurichten. Der hiermit betraute<br />
Architekt Heinrich Tessenow beseitigte<br />
die fünf großen Fensteröffnungen in der<br />
Rückwand der Vorhalle und ersetzte sie<br />
durch drei Portale. Die Fensternischen an<br />
den Seiten wurden mit Rathenower Backstein<br />
zugemauert, blieben aber als Blendnischen<br />
erhalten. Auf jedes dekorative<br />
Beiwerk wurde verzichtet.<br />
Ein Block aus dunklem schwedischen<br />
Granit unter einer Lichtöffnung bildete<br />
den Höhe- und Mittelpunkt. Auf dem<br />
Stein ruhte ein Kranz aus 235 silbernen<br />
und goldenen Eichenblättern, eine Schöpfung<br />
des Berliner Bildhauers Prof. Ludwig<br />
Gies. Am 8. Juni 1931 wurde die<br />
Neue Wache als Ehrenmal für die Opfer<br />
des Weltkrieges in Anwesenheit des<br />
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg<br />
eingeweiht.<br />
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Neue<br />
Wache schwer beschädigt. In den 50er<br />
und 60er Jahren wurde das in Ostberlin<br />
gelegene Bauwerk wiederhergestellt und<br />
1969 eingeweiht. Hinter den Gräbern ei -<br />
nes Unbekannten Soldaten und eines Unbekannten<br />
Widerstandskämpfers brannte<br />
nun in einem gläsernen Sarkophag eine<br />
Ewige Flamme. An den Seitenwänden<br />
wurde die Inschrift „Den Op fern des Faschismus<br />
und Militarismus” angebracht.<br />
<strong>Das</strong> Staatswappen der DDR an der Rückwand<br />
des Innenraumes ist nach dem Untergang<br />
dieses Staates und der Wieder -<br />
vereinigung entfernt worden.<br />
Es mehrten sich die Stimmen, die eine<br />
Wiederherstellung der Neuen Wache als<br />
Gedenkstätte für die Opfer der Kriege<br />
und Gewaltherrschaft – in ursprünglicher<br />
Gestalt – forderten. Besonders der <strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge vertrat<br />
diese Forderung mit Nachdruck.<br />
Im Januar 1993 hat die Bundesregierung<br />
mit Zustimmung der Parlamentsausschüs<br />
se entschieden, die Neue Wache<br />
als zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik<br />
Deutschland umzugestalten. Die<br />
Arbeiten konnten zum Volkstrauertag am<br />
14. November 1993 abgeschlossen werden.<br />
Heute empfängt den Besucher ein nach<br />
historischem Vorbild innen wie au ßen renoviertes<br />
Gebäude. Anstelle des Eichenkranzes<br />
steht eine Skulptur, die Käthe<br />
Kollwitz 1937/38 in Erinnerung an ihren<br />
in Flandern gefallenen Sohn schuf und<br />
die sie „Trauernde Mutter mit totem<br />
Sohn” benannte. Die Original-Skulptur<br />
ist 38 cm hoch. Für die Neue Wache wur -<br />
de sie im Einverständnis mit den Erben<br />
auf 1,52 Meter vergrößert. Diese Arbeit<br />
wurde von Harald Haacke ausgeführt.<br />
Vor der Plastik befindet sich, in den Bo -<br />
den eingelassen, die Inschrift „Den Opfern<br />
von Krieg und Gewaltherrschaft.“ ■<br />
Die Neue Wache in Berlin<br />
im Wandel der Zeit:<br />
1829 1880 1931 1945 1969<br />
1994 (linke Seite, Bild oben)<br />
211
1994<br />
Die Palästinenser im Gazastreifen<br />
und in Jericho erhalten vom Staat<br />
Israel das Recht zur Selbstverwaltung.<br />
Nach den ersten freien,<br />
geheimen und gleichen Wahlen in<br />
Südafrika wird der Führer des<br />
ANC (African National Congress),<br />
Nelson Mandela, am 10. Mai als<br />
Staatspräsident vereidigt.<br />
Bei einem Staatsbesuch spricht<br />
Staatspräsident Boris Jelzin von<br />
einer historischen Aussöhnung<br />
zwischen Russen und <strong>Deutsche</strong>n.<br />
Die letzten noch in Deutschland<br />
verbliebenen russischen Streitkräfte<br />
verlassen im Herbst Deutschland.<br />
D-Day Jahretag: Zehntausende Besucher,<br />
darunter viele alliierte Kriegsveteranen<br />
und Staatsoberhäupter<br />
von 13 Ländern, feiern am 4. Juni<br />
in der Normandie den Erfolg der<br />
alliierten Landung vor 50 Jahren.<br />
212<br />
19 Wahlen – zum Europaparlament,<br />
zum Bundestag, zu Landtagen und<br />
Kommunalvertretungen – machen das Jahr<br />
für die <strong>Deutsche</strong>n zum „Superwahljahr.“<br />
❑ Die britische Königin Elizabeth II. und<br />
der französische Staatspräsident François<br />
Mitterand eröffnen den Tunnel unter dem<br />
Ärmelkanal. ❑ Trotz des Abbruchs der<br />
serbischen Belagerung Sarajewos geht der<br />
Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina an<br />
anderer Stelle weiter. Die Vereinten Nationen<br />
sind trotz Luftangriffen der NATO<br />
machtlos. ❑ Auch im Jemen bricht ein<br />
Bürgerkrieg aus. ■<br />
Prof. Dr. Roman Herzog wird am<br />
23. Mai zum Bundespräsidenten<br />
gewählt. Er war vorher Präsident<br />
des Bundesverfassungsgerichts.<br />
Im ostafrikanischen Ruanda beginnt<br />
im April ein Bürgerkrieg. In wenigen<br />
Wochen kommen durch unvorstellbare<br />
Greueltaten Hunderttausende<br />
von Menschen ums Leben, Hunderttausende<br />
fliehen in die Nachbarländer.<br />
<strong>Das</strong> Elend in den riesigen<br />
Flüchtlingslagern ist unbeschreiblich.<br />
Marschall Viktor Kulikow, Berater<br />
im russischen Verteidigungsministerium<br />
und Vorsitzender des Veteranenverbandes,<br />
verspricht besseren Schutz der<br />
deutschen Kriegsgräber vor Plünderungen.<br />
❑ Die deutsch-polnische Stiftung<br />
Pamiec (Gedenken) mit Sitz in Warschau<br />
wird zukünftig dabei helfen, die von der<br />
deutsch-polnischen Kriegsgräberkommission<br />
getroffenen Entscheidungen in Polen<br />
in die Tat umzusetzen. Präsidentin der<br />
am 17. März gegründeten Stiftung wird<br />
Izabela Gutfeter, vormals Generalsekretärin<br />
des Polnischen Roten Kreuzes. Generalsekretär<br />
Dr. Gerhard Holz ist Vorsit zen -<br />
der des Stiftungsrates. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
trifft am 25. April – noch vor der Unterzeichnung<br />
eines deutsch-ungarischen<br />
Kriegsgräberabkommens – eine Vereinbarung<br />
mit dem ungarischen Verteidigungsministerium<br />
zur Zusammenarbeit in allen<br />
Fragen der Kriegsgräberfürsorge. ❑ Die<br />
Bundesregierung kündigt Regelungen an,<br />
die den Abschluss zukünftiger Kriegsgräberabkommen<br />
vereinfachen sollen. Bundesfinanzminister<br />
Dr. Theodor Waigel<br />
verspricht dem <strong>Volksbund</strong> die Hilfe der<br />
Bundesregierung bei der Lösung der Aufgaben<br />
im Osten. ❑ Die Veranstaltung des<br />
<strong>Volksbund</strong>es am 11. Mai in Potsdam anlässlich<br />
seiner Gründung vor 75 Jahren<br />
steht unter dem Motto „Aus der Vergangenheit<br />
für die Zukunft lernen.“ 600 Gäste<br />
nehmen teil: Unter ihnen sind Bundestagsvizepräsident<br />
Helmuth Becker, Bundesministerin<br />
Hannelore Rönsch, Bran -<br />
denburgs Ministerpräsident Dr. Manfred<br />
Stolpe und Vertreter von neun ausländi-<br />
Kranzniederlegung in Potsdam anlässlich des<br />
75-jährigen Bestehens des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Am 29. April wird in Rossoschka bei Wolgograd<br />
der Grundstein des Sammelfriedhofes für<br />
die zwischen Don und Wolga gefallenen deutschen<br />
Soldaten gelegt. Gegen den Bau deutscher<br />
Kriegsgräberstätten in Russland regt sich<br />
zunehmend Widerstand, vor allem in Kreisen<br />
russischer Kriegsveteranen und Kommunisten.<br />
schen Gräberdiensten. Präsident Weber<br />
dankt allen Menschen und Institutionen<br />
im In- und Ausland, die dem <strong>Volksbund</strong><br />
bei seiner Arbeit geholfen haben und im -<br />
mer noch helfen. Dr. Manfred Rommel,<br />
Oberbürgermeister von Stuttgart und<br />
Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Städtetages,<br />
dankt dem <strong>Volksbund</strong> in seiner Gedenkansprache<br />
für sein humanitäres Wirken.<br />
Die ers te Ausgabe dieses Gedenkbuchs<br />
erscheint. ❑ Die Gedenkstunde des<br />
Volks bundes in La Cambe anlässlich der<br />
alliierten Landung in der Normandie, an<br />
der Repräsentanten aus England, Frankreich<br />
und Deutschland teilnehmen, steht<br />
unter dem Motto der Versöhnung. Gemeinsame<br />
Gedenkfeiern gibt es zwar<br />
nicht, aber viele Kriegsteilneh mer gedenken<br />
bei ihren Besuchen auf den Soldatenfriedhöfen<br />
auch der gefallenen Gegner. ❑<br />
Bundespräsident Prof. Dr. Ro man Herzog<br />
übernimmt die Schirmherr chaft über den<br />
<strong>Volksbund</strong>. ❑ Angehörige können jetzt<br />
auch Gräber auf Kriegs gräberstätten in<br />
Ungarn, Tschechien und der Slowakischen<br />
Republik schmücken lassen. ❑ In<br />
Posen/Polen, Presov und Hu menné/Slowakische<br />
Republik, Olaine/Lettland, Focsani/Rumänien<br />
und Rjasan/Russland<br />
werden Kriegsgräberstätten eingeweiht.<br />
❑ Die vierte Jugendbegegnungsstätte des<br />
<strong>Volksbund</strong>es wird in Niederbronn-les-<br />
Bains/Frankreich eingeweiht. ❑ Die zentrale<br />
Gedenkfeier zum Volkstrauertag<br />
findet im Berliner Dom statt. Pfarrer<br />
Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg for -<br />
dert dazu auf, Konflikte zu überwinden<br />
und Vorsorge für den Frieden zu treffen. ■<br />
50 Jahre nach der Schlacht von<br />
Monte Cassino – eine Frau aus<br />
Deutschland am Grab ihres gefallenen<br />
Mannes. An der Veranstaltung<br />
des Bundes <strong>Deutsche</strong>r Fallschirmjäger<br />
am 16. Mai nehmen ehemalige Soldaten<br />
aus acht Nationen teil und gedenken<br />
gemeinsam mit über 600<br />
deutschen Familienangehörigen der<br />
Gefallenen.<br />
Sondermarke der Bundespost<br />
zum 75-jährigen Bestehen des<br />
<strong>Volksbund</strong>es.<br />
213
1995<br />
214<br />
Freie Fahrt ohne Passkontrolle gibt es<br />
zwischen den Unterzeichnerstaaten<br />
des Schengener Abkommens Deutschland,<br />
Frankreich, den Benelux-Staaten,<br />
Spanien und Portugal. ❑ Trotz massiver<br />
Proteste und Blockadeaktionen wird<br />
Atom müll in Castorbehältern mit einem<br />
Zug in das Atommüll-Zwischenlager<br />
Gorleben gebracht. ❑ Zum 50. Jahrestag<br />
des Kriegsendes in Europa gibt es Gedenkfeiern<br />
in vielen Ländern. ❑ Massive<br />
Proteste von Umweltschützern und Tankstellenboykotts<br />
führen zum Verzicht des<br />
Shell-Konzerns auf die geplante Versenkung<br />
der ausgedienten Ölbohrinsel Brent<br />
Spar im Nordatlantik. ❑ Der Bundestag<br />
billigt den Vorschlag der Bundesregierung,<br />
1 500 deutsche Soldaten zum Schutz<br />
des internationalen Einsatzverbandes<br />
nach Ex-Jugoslawien zu verlegen – der<br />
erste militärische Einsatz deutscher Soldaten<br />
im Ausland in der Geschichte der<br />
Bundesrepublik. ❑ Im Friedenspark von<br />
Hiroshima gedenken 60 000 Menschen<br />
der Opfer des Atombombeneinsatzes vor<br />
50 Jahren. ❑ Mehr als fünf Millionen<br />
Menschen besuchen den durch den „Verpackungskünstler“<br />
Christo verhüllten<br />
Reichstag in Berlin. ❑ Der israelische Ministerpräsident<br />
Yitzhak Rabin wird durch<br />
einen rechtsradikalen israelischen Studenten<br />
ermordet. <strong>Das</strong> israelisch-palästinensische<br />
Abkommen über den Abzug der israelischen<br />
Armee aus dem Westjordanland<br />
und die Abhaltung freier Wahlen für<br />
eine palästinensische Regierungsbehörde<br />
wird unterzeichnet. ❑ Nach verschärftem<br />
internationalen Druck und militärischer<br />
Intervention endet der Krieg in Bosnien.<br />
Am 14. Dezember wird in Paris das in<br />
Dayton/USA paraphierte Abkommen<br />
über die Beendigung des Krieges (Dayton-Abkommen)<br />
unterzeichnet. In vier<br />
Jahren sollen rund 250 000 Menschen<br />
ums Leben gekommen sein. Viele Flüchtlinge<br />
können nicht in ihre zerstörten oder<br />
von anderen Volksgruppen besetzten<br />
Heimatorte zurückkehren. ■<br />
Die damalige Bundesumweltministerin<br />
Angela Merkel besucht das Atommüllendlager<br />
in Gorleben. Zeitgleich<br />
demonstrieren tausende Gegner der<br />
Atomenergie.<br />
Große Verwüstung: Vor allem das<br />
Gebiet um die japanische Stadt Kobe<br />
wird schwer von den verheerenden<br />
Folgen des Erdbebens betroffen.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> betreut in 34 Ländern<br />
459 Friedhöfe mit den Gräbern von<br />
rund 1,6 Millionen Kriegstoten; 127 davon<br />
liegen in Ländern des früheren Ostblocks.<br />
Der Schwerpunkt der Bautätigkeit liegt in<br />
Polen, Russland, der Tschechischen Republik<br />
und Ungarn. ❑ Fol gen de deutsche<br />
Kriegsgräberstätten im Osten werden öffentlich<br />
eingeweiht: Sopron (<strong>22</strong>.7.), Szeged<br />
(15.9.) und Veszprem (16.9.) in Ungarn;<br />
Germau in Russland (Ostpreußen) am<br />
20.8.; Przemysl in Polen (7.10.); Hunkovce<br />
in der Slowakischen Republik (8.10.). ❑<br />
Der Umbettungsdienst arbeitet in 14 Ländern<br />
des ehemaligen Ostblocks. Die Mitarbeiter<br />
bergen die Gebeine von 29 035 Gefallenen;<br />
21 562 Ge fallene können endgültig<br />
bestattet werden. Durchschnittlich die<br />
Hälfte der geborgenen Kriegstoten kann<br />
identifiziert werden. ❑ Erstmals helfen<br />
Soldaten der Bundeswehr dem <strong>Volksbund</strong><br />
bei der Herrichtung eines deutschen Soldatenfriedhofes<br />
in einem Land des ehemaligen<br />
Ost blocks: 29 Soldaten des Jägerbataillons<br />
101 aus Pfullendorf sind für<br />
Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes<br />
in Europa ruft der <strong>Volksbund</strong> die<br />
Aktion Ginkgo ins Leben. Auf Kriegsgräberstätten<br />
wie hier in Lommel, auf<br />
Schulgeländen, in Parks und an Straßen<br />
werden Ginkgo-Bäume als Symbol<br />
der Erinnerung und der Hoffnung<br />
auf Frieden gepflanzt. Vor allem<br />
Schulen beteiligen sich an der Aktion.<br />
drei Wochen auf dem Soldatenfriedhof<br />
Veszprém in Ungarn mit der Aufstellung<br />
von Grabzeichen und Pflanzarbeiten beschäftigt.<br />
❑ Bei einer Gedenkveranstaltung<br />
in Marienbad (Mariánské Lázně/<br />
Tschechische Republik) würdigt der<br />
<strong>Volksbund</strong> das Entgegenkommen der<br />
Stadt. Die Stadtverordnetenversammlung<br />
hatte dem Wunsch des <strong>Volksbund</strong>es zugestimmt,<br />
auf der dort bestehenden<br />
Kriegsgräberstätte 2 000 deutsche Gefallene<br />
aus West- und Nordböhmen einzubetten,<br />
die ursprünglich in Eger (Cheb/<br />
Tschechische Republik) bestattet werden<br />
sollten. ❑ Zum ersten Mal nach 1971 erhält<br />
eine Reisegruppe des <strong>Volksbund</strong>es die<br />
Genehmigung zum Besuch der deutschen<br />
Kriegs gräberstätte Tobruk/Libyen. ■<br />
Freundlicher Empfang: Die Kinder<br />
des Friedhofverwalters der deutschen<br />
Kriegsgräberstätte Tobruk in Libyen<br />
begrüßen die Teilnehmer der ersten<br />
<strong>Volksbund</strong>-Reisegruppe.<br />
Die Planung für den Sammelfriedhof<br />
Rossoschka bei Wolgograd ist weitgehend<br />
abgeschlossen. Die ersten<br />
Gefallenen von Stalingrad werden im<br />
Herbst auf dem Gelände eingebettet.<br />
215
Flucht<br />
und Vertreibung<br />
Bei Bauarbeiten nahe der historischen<br />
Marienburg (Malbork/Polen)<br />
wird Ende 2008 ein Massengrab mit<br />
2 116 Ziviltoten entdeckt. Der <strong>Volksbund</strong><br />
bestattet sie im August 2009<br />
auf dem Sammelfriedhof in Neumark<br />
(Stare Czarnowo/Polen).<br />
216<br />
Der 8. Mai 1945 bedeutet für die meisten<br />
Menschen in Deutschland das Ende<br />
von Krieg, Gewalt und Angst. <strong>Das</strong> vorherrschende<br />
Gefühl war Erleichterung<br />
über das Ende des massenhaften gewaltsamen<br />
Sterbens. Doch für Millionen<br />
<strong>Deutsche</strong> in Ostdeutschland, Ost- und<br />
Südosteuropa setzte sich das Leid noch<br />
schlimmer fort.<br />
Auf der Flucht vor den herannahenden<br />
sowjetischen Armeen über Land und<br />
See waren unzählige Menschen ums Leben<br />
gekommen. Nun begann die gewaltsame<br />
Vertreibung aus der Heimat – schon<br />
vor dem Beschluss der Alliierten zur<br />
„Überführung der deutschen Bevölkerung<br />
oder Bestandteile derselben, die in<br />
Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn<br />
zurückgeblieben sind, ... in ordnungsgemäßer<br />
und humaner Weise“ (nie dergelegt<br />
im Potsdamer Protokoll vom 2. August<br />
1945). Besonders schlimme Auswüchse<br />
gab es im Jahr 1945 in Polen, Jugoslawien<br />
und der Tschechoslowakei (Sudetengebiet).<br />
Hier wurden Hunderttausende un-<br />
ter katastrophalen sanitären Verhältnissen<br />
in überfüllten Lagern festgehalten; eine<br />
hohe Todesrate war die Folge. In zwei<br />
Vertreibungswellen 1945 und 1946 wurden<br />
zum Beispiel über 2,5 Millionen Sudetendeutsche<br />
zum Verlassen der Heimat<br />
gezwungen.<br />
Auch die Internierung deutscher Zivilpersonen<br />
in Lagern in der sowjetisch<br />
besetzten Zone Deutschlands (SBZ) und<br />
die Verschleppung zur Zwangsarbeit in<br />
die Sowjetunion forderte viele Opfer. Die<br />
Zahl der Opfer von Flucht, Vertreibung<br />
und Deportation lässt sich nicht genau<br />
bestimmen. Allein der Vertreibung fielen<br />
nach Schätzungen zwischen 1,7 und<br />
2,8 Millionen Menschen zum Opfer. Ihre<br />
Gräber sind in unzähligen Fällen unbekannt.<br />
Niemand hat sie zählen können,<br />
viele Zeitzeugen, die sie vielleicht noch<br />
lokalisieren könnten, leben nicht mehr.<br />
Dennoch werden heute viele Einzel- und<br />
Massengräber von Ziviltoten entdeckt. ■<br />
„Wie viele starben? Wer kennt die Zahl?<br />
An Deinen Wunden sieht man die Qual der<br />
Namenlosen, die hier verbrannt im Hoellenfeuer<br />
aus Menschenhand.“<br />
Diese Inschrift auf dem Gedenkstein<br />
des Dresdener Heidefriedhofes erinnert<br />
an die Opfer des Bombenkrieges, der mit<br />
dem alliierten Angriff auf Dresden am<br />
13. und 14. Februar 1945 einen schrecklichen<br />
Höhepunkt fand. Rund eine halbe<br />
Million Menschen verlor in Deutschland<br />
durch die Tages- und Nachtangriffe der<br />
Briten und Amerikaner das Leben.<br />
Die meisten Angriffe richteten sich<br />
gegen die deutsche Zivilbevölkerung<br />
und ihre Wohnungen – aber auch unzählige<br />
Kriegsgefangene und ausländische<br />
Zwangsarbeiter fielen den Bomben zum<br />
Opfer.<br />
Erst als in den letzten Kriegsmonaten<br />
verstärkt Verkehrsverbindungen und An -<br />
lagen der Treibstoffproduktion bombardiert<br />
wurden, zeigte sich eine kriegsverkürzende<br />
Wirkung.<br />
Es soll nicht vergessen werden, dass<br />
auch durch deutsche Bomben- und Raketenangriffe<br />
viele tausende Menschen ums<br />
Leben kamen und die Besatzungen der<br />
alliierten Flugzeuge durch die deutsche<br />
Abwehr schwere Verluste erlitten.<br />
Die Gräber der Bombenopfer werden<br />
wie die Soldatengräber dauerhaft erhalten.<br />
Gibt es eine eindringlichere Mahnung<br />
zum Frieden als die Gräber unschuldiger<br />
Frauen und Kinder, die in den Feuerstürmen<br />
ums Leben kamen? ■<br />
Die Opfer der Bombenangriffe sind<br />
unvergessen. Tausende Bürger stellen in<br />
Dresden an jedem 13. Februar – Jahrestag<br />
des britischen Bombenangriffs 1945 – vor<br />
der Ruine der Frauenkirche Kerzen auf.<br />
Mahnmale erinnern in vielen deutschen<br />
Städten (rechts: Pforzheim) daran, dass der<br />
„moderne Krieg“ niemanden verschont.<br />
Opfer des<br />
Bombenkrieges<br />
217
1996<br />
Tierischer Protest: Wegen des Preisverfalls<br />
von Rindfleisch durch die<br />
BSE-Krise treiben französische Bauern<br />
ihre Herden bis ins Zentrum der<br />
Hauptstadt.<br />
218<br />
François Mitterrand, ehemaliger französischer<br />
Staatspräsident, stirbt. ❑<br />
350 Tschetschenen nehmen über 2 000 Geiseln<br />
in der Stadt Kisljar; 165 Geiseln nehmen<br />
sie später mit in das Dorf Perwomaiskoje.<br />
Bei der blutigen Beendigung der Geiselnahme<br />
durch russisches Militär kommen<br />
auch viele der Geiseln ums Leben. ❑<br />
Vor der Küste der Dominikanischen Republik<br />
stürzt eine Chartermaschine ab.<br />
Unter den 189 Todesopfern befinden sich<br />
164 deutsche Urlauber. ❑ Weit über vier<br />
Millionen Menschen in Deutsch land sind<br />
arbeitslos (Stand 29.2.: 4 270 426). ❑ Die<br />
britische Regierung räumt die Möglichkeit<br />
der Übertragung der Rinderseuche<br />
BSE auf den Menschen ein. Deutschland<br />
stoppt daraufhin den Import britischen<br />
Rindfleisches. ❑ Die Mehrheit der Bevölkerung<br />
Brandenburgs lehnt den Zusammenschluss<br />
mit Berlin zu einem Bundesland<br />
ab. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />
das neue Ladenschlussgesetz, das längere<br />
Öffnungs zeiten der Geschäfte erlaubt. ❑<br />
Der im Osten Zaires ausbrechende Bürgerkrieg<br />
treibt eine Million Menschen<br />
(die meisten davon Flüchtlinge aus Ruanda)<br />
in die Flucht; Mitte November kehren<br />
rund 500 000 Ruander in ihre Heimat<br />
zurück. ❑ Nach einer geschickten Werbekampagne<br />
für die neu ausgegebene Telekom-Aktie<br />
werden viele Menschen in<br />
Deutschland erstmals zu Aktionären;<br />
dennoch sehen vier von fünf Bundesbürgern<br />
Aktien als unsichere Geldanlage an.<br />
❑ Die Staats- und Regierungschefs der<br />
Europäischen Union einigen sich über die<br />
Voraussetzungen für die Einführung der<br />
gemeinsamen Europawährung Euro. ❑<br />
Nach langen Verhandlungen wird die<br />
deutsch-tschechi sche Erklärung durch<br />
die Außenminister der beiden Länder paraphiert;<br />
aber im mer noch gibt es Vorbehalte<br />
vor allem seitens tschechischer Kom -<br />
munisten und der Sudetendeutschen<br />
Landsmannschaft. ■<br />
Europameister: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft<br />
gewinnt das Endspiel in London<br />
gegen das tschechische Team mit 2:1.<br />
In Ost- und Südosteuropa werden<br />
folgende Soldatenfriedhöfe eingeweiht:<br />
Zagreb-Vrapce und Zagreb-Mirogoj<br />
in Kroatien (11.5.); Insterburg (6.7.)<br />
und Fischhausen (7.7.) im russischen Teil<br />
Ostpreußens; Kuressaare (Arensburg) auf<br />
der estnischen Insel Saaremaa (Ösel; 20.7.);<br />
Iasi in Rumänien (21.9.); Nowgorod in<br />
Russland (21.9.); Mlawka in Polen (5.9.).<br />
Im russischen Kronstadt wird ein Gedenkstein<br />
für 46 deutsche und sowjetische Marinesoldaten<br />
enthüllt, die dort 1944 fielen.<br />
❑ Die Mitarbeiter des Umbettungsdienstes<br />
bergen in elf Ländern die Gebeine von<br />
37 282 Gefallenen; 54 040 Tote werden auf<br />
Sammelfriedhöfen bestattet. ❑ In den Ländern<br />
des ehemaligen Ostblocks finden 23,<br />
im westlichen Ausland 40, in Deutschland<br />
14 Jugendlager statt. 3 207 Jugendliche<br />
aus <strong>22</strong> Ländern nehmen teil. 117 Gruppen<br />
mit 2 929 Jugendlichen und anderen<br />
Teilnehmern nutzen die vier Jugendbegegnungsstätten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ In<br />
72 Arbeitseinsätzen helfen 1 096 Soldaten<br />
und Reservisten der Bundeswehr dem<br />
Grundsteinlegung für den letzten deutschen Soldatenfriedhof<br />
in Ungarn, Budaörs (westlich von Budapest).<br />
Hier sollen einmal rund 5 000 ungarische und<br />
10 000 deutsche Gefallene ruhen.<br />
Bundeskanzler Helmut Kohl legt auf der deutschen<br />
Kriegsgräberstätte bei Kiew einen Kranz nieder. Erst<br />
auf seine Intervention hin konnte nach langer Verzögerung<br />
mit dem Bau des Sammelfriedhofs<br />
begonnen werden.<br />
<strong>Volksbund</strong> bei der Instandsetzung und<br />
der Pflege von Soldatenfriedhöfen im Inund<br />
Ausland. ❑ An der Informationsveranstaltung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es in Narwa/<br />
Estland (24.-25.5.) nehmen 90 Personen<br />
aus dem ganzen Land teil. Trotz kontroverser<br />
Diskussion stößt das Bestreben<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, Sammelfriedhöfe für<br />
die deutschen Kriegstoten anzulegen, auf<br />
Verständnis. ❑ Am 26. September werden<br />
gegenüber der deutschen Kriegsgräberstätte<br />
La Cambe das neue Informationszentrum<br />
und der Friedenspark eröffnet.<br />
❑ Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident<br />
Johannes Rau fordert in seiner<br />
Gedenkrede in Berlin dazu auf, den Volkstrauertag<br />
als Gedenktag für Menschenrechte<br />
und Menschenwürde zu verstehen.<br />
❑ Am 31.12. gehören dem <strong>Volksbund</strong><br />
271 790 Mitglieder an. 11 230 ehrenamtliche<br />
Mitglieder engagieren sich für die<br />
Kriegsgräberfürsorge. Über eine Million<br />
Bürger hilft regelmäßig oder gelegentlich<br />
mit Spenden. ■<br />
219
La Cambe<br />
Kriegsgräberstätte<br />
und Friedenspark<br />
Die ersten 21 Setzlinge des Friedensparks<br />
von La Cambe (Foto unten)<br />
werden 1996 gepflanzt.<br />
Über zwei Jahrzehnte später ist aus<br />
ihnen eine stattliche Allee zum Spazieren<br />
und Verweilen entstanden<br />
(Foto rechts).<br />
<strong>22</strong>0<br />
Weit über 100 000 Menschen starben<br />
im Sommer 1944 während der Kämpfe<br />
nach der alliierten Landung in der Nor -<br />
mandie – Amerikaner, Briten, <strong>Deutsche</strong>,<br />
Franzosen, Kanadier, Polen und Ange hörige<br />
vieler anderer Nationen. Min destens<br />
14 000 französische Zivil personen fielen<br />
den Kämpfen, vor allem den schweren<br />
alliierten Bombenan griffen, zum Opfer.<br />
Ausstellungen, Denkmäler, Bücher, Postkarten,<br />
Filme und Souvenirs vielfältigster<br />
Art erinnern an das Kriegs ge schehen in<br />
der Normandie. Die Ausstellung im Informa<br />
tionszentrum am deutschen Soldatenfriedhof<br />
La Cambe stellt weder die<br />
Schlachten noch die Kriegswaffen in den<br />
Vordergrund. Sie verherrlicht keine mili -<br />
tä ri schen Leistungen und erklärt keine<br />
(mi li tärischen) Tragödien. Vielmehr zeigt<br />
sie an Beispielen, was der Krieg damals<br />
den Menschen antat – den Soldaten aller<br />
beteiligten Länder, der französischen Zivilbevölkerung.<br />
Sie zeigt Schicksale und<br />
lässt Menschen zu Wort kom men. Sie<br />
zeigt die schrecklichen Folgen des Krieges<br />
– doch den Bildern von Tod, Zerstörung<br />
und Kriegsgräbern stehen hoffnungs -<br />
volle Beispiele der Versöhnung, Verständigung<br />
und Freundschaft gegen über.<br />
Am 21. September 1996, dem Tag der<br />
Eröffnung der Ausstellung, wurden die<br />
ersten 21 Bäume des Friedensparks von<br />
La Cambe ge pflanzt. Mit der Idee des<br />
Friedensparks und der Übernahme einer<br />
Spende von 250 Euro für eine Baumpatenschaft<br />
setzen die Spender ein lebendiges<br />
Zeichen für den Frieden. Zu den<br />
ersten Baumspendern gehörten der da-<br />
malige Präsident des <strong>Volksbund</strong>es, Hans-<br />
Otto Weber, der für die französischen<br />
Kriegs teilnehmer und Kriegsopfer zustän<br />
dige Minister Pierre Pasquini und die<br />
miteinander verschwis terten deutschen<br />
und französischen Gemeinden Oberarnbach<br />
– La Cambe, Kindsbach – Grandcamp-Maisy<br />
und Weilerbach – Isigny-sur-<br />
Mer. Schilder an den Bäumen enthalten<br />
die jeweiligen Widmungen der Paten.<br />
Im Jahr 2009 wachsen im Friedenspark<br />
1 217 Ahornbäume und gestalten nachhaltig<br />
das Gelände um den deutschen<br />
Soldatenfriedhof. Dieses Projekt, dessen<br />
schneller und großer Erfolg alle Beteiligten<br />
überrascht hat, ist ab ge schlos sen. Da<br />
die Idee des Friedensparks bei den Freunden<br />
und Förderern des <strong>Volksbund</strong>es im<br />
In- und Ausland sehr großen Anklang gefunden<br />
hat und in Frankreich alle Baumpatenschaften<br />
vergeben sind, hat der<br />
<strong>Volksbund</strong> neue Projekte begonnen.<br />
1998 werden Friedensparks in Buda -<br />
örs nahe der ungarischen Hauptstadt Bu -<br />
dapest und Groß-Nädlitz (Nadolice Wiel -<br />
kie) bei Breslau in Polen eröffnet. Dort<br />
entstehen große Sammelfriedhöfe.<br />
Im September 2000 wird der große Sol -<br />
datenfriedhof St. Petersburg-Sologubowka<br />
der Öffentlichkeit übergeben. Auch<br />
hier wachsen Bäume für den Frieden. ■<br />
Seit Anfang der 90er Jahre kümmert<br />
sich der Volks bund auch in Polen<br />
um die deutschen Kriegs gräber. Über<br />
850 000 deutsche Soldaten ver loren in den<br />
beiden Weltkriegen im heu tigen polnischen<br />
Staatsgebiet ihr Leben. Die alte<br />
Festungsstadt Breslau (Wroclaw/Polen),<br />
da mals fast voll stän dig zerstört, ist zum<br />
Teil in alter Schön heit wieder entstan den<br />
und lädt zum Besuch ein.<br />
An die Opfer des Krieges erinnern<br />
Denkmäler und Solda ten fried höfe.<br />
Nur etwa 15 Kilometer von der Stadt<br />
entfernt hat der <strong>Volksbund</strong> in Groß-Nädlitz<br />
(Nadolice Wiel kie) auf einem über<br />
drei Hektar großen Gelände einen Sammelfriedhof<br />
für etwa 18 000 Gefallene angelegt.<br />
Hier werden alle in Nie der schle -<br />
sien noch zu bergenden Opfer ihre endgül<br />
tige Ruhestätte erhalten.<br />
Bei der Planung des Friedhofes wurde<br />
die Idee für einen Friedenspark in die Gestaltung<br />
übernommen. Die Begrünung<br />
der Anlage erfolgte unter anderem mit<br />
über 600 Laubbäumen (Ahorn, Eiche und<br />
Eber esche). Jeder Baum hat einen Paten,<br />
der für die Pflanzung einen Betrag von<br />
250 Euro gespendet und da mit auch ei -<br />
nen Beitrag zur Gestaltung des Friedhofes<br />
geleistet hat. Alle Bäume tragen Plaketten<br />
mit einer Nummer und dem Namen<br />
des Spenders. Im Eingangs gebäude,<br />
in dem eine kleine Ausstel lung über die<br />
Aufgaben und Ziele des <strong>Volksbund</strong>es informiert,<br />
liegen Bücher mit Namen und<br />
Daten der bereits identifizierten Gefallenen<br />
sowie der Baumpaten aus.<br />
Am 9. Oktober 1998 wird mit der<br />
Pflanzung der ersten 48 Friedensbäume<br />
der Friedenspark Groß-<br />
Nädlitz (Nadolice Wielkie) eröffnet.<br />
Im Sommer 1999 wurde an der Zufahrtsstraße<br />
zum Friedhof und Friedenspark<br />
ein Sport- und Spielplatz für die Kin -<br />
der des Dorfes eingerichtet. Dies ermöglichten<br />
Extra-Spenden der Freunde und<br />
Förderer des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Im Rahmen eines Arbeitseinsatzes der<br />
Bundeswehr und unter fachlicher An leitung<br />
des Herstellers wurden die Spielgeräte<br />
aufgebaut, die sogleich mit großer<br />
Freude von den Kindern in Beschlag ge -<br />
nommen wurden. ■<br />
Informationsgebäude Eingang<br />
Groß-Nädlitz<br />
(Nadolice Wielkie)<br />
Kriegsgräberstätte<br />
und Friedenspark<br />
Der Bauplan des <strong>Volksbund</strong>es macht<br />
es deutlich – über 600 Bäume umgeben<br />
die Gräber der Soldaten des<br />
Zweiten Weltkrieges.<br />
<strong>22</strong>1
Budaörs –<br />
deutsch-ungarische<br />
Kriegsgräberstätte<br />
und Friedenspark<br />
Maria Lauber, geb. Kraus (✝)<br />
spendete sieben Bäume im Friedenspark.<br />
Ihre Familie finanzierte den<br />
Bau des Pflege- und Lagergebäudes.<br />
Informations -<br />
gebäude<br />
<strong>22</strong>2<br />
Einfahrt<br />
Pflege- und Lagergebäude<br />
Hochkreuz<br />
Im Westen von Budapest, am Rande<br />
der Budaer Berge, eingebettet in ein<br />
Landschaftsschutzgebiet, ist zwischen<br />
den Vororten Budaörs und Budakeszi ein<br />
wichtiges Zeugnis deutsch-ungarischer<br />
Geschichte entstanden.<br />
Auf einem etwa sechs Hektar großen<br />
Gelände hat der <strong>Volksbund</strong> die größte<br />
Kriegsgräberstätte für deutsche und un -<br />
garische Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />
in Ungarn angelegt.<br />
Kriegstote beider Länder bettet der<br />
<strong>Volksbund</strong> aus dem Bereich östlich der<br />
Donau hierher. Insgesamt werden etwa<br />
12 000 deutsche und 5 000 unga rische Gefallene<br />
in Budaörs ihre endgültige Ruhestätte<br />
bekommen. <strong>Das</strong> Gelände stellte der<br />
ungarische Staat zur Verfügung.<br />
Eine Ausstellung im Hauptgebäude<br />
der Anlage gibt in deutscher, ungarischer<br />
und englischer Sprache einen Überblick<br />
über die damalige Kriegssituation, über<br />
die Aufgaben und Ziele, die der <strong>Volksbund</strong><br />
mit dem Bau dieser Kriegsgräberstätte<br />
verbindet, und sie zeigt einzelne<br />
Schick sale von Menschen, die zu Opfern<br />
des Krieges wurden.<br />
In die Gesamtkonzeption der Anlage<br />
wurde die Idee eines Friedensparks einbezogen.<br />
Die gepflanzten Bäume (Feld -<br />
ahorn, Spitz ahorn, Mehlbeere und Hainbuche)<br />
bilden einen grünen Gürtel um<br />
die Gräberflächen und verbinden so<br />
Fried hof und Natur. Alle Bäume, für die<br />
je 250 Euro gespendet wurden, tragen<br />
Namensplaketten der Baumpaten.<br />
Die Idee und Ausführung wurde vom<br />
ungarischen Ministerium für Landwirtschaft<br />
und Regional entwick lung mit dem<br />
Preis „Pro Architectura“ gewürdigt.<br />
Im April 2000 konnte nach lediglich<br />
sieben Monaten Bauzeit das neue Pflegeund<br />
Lagergebäude neben dem Informationsgebäude<br />
eröffnet werden. Dies verdankt<br />
der <strong>Volksbund</strong> einer außerordentlich<br />
großzügigen Spende der Familie<br />
Kraus. ■<br />
Am 24. Oktober 1998 wurde der Friedenspark<br />
Budaörs mit der Pflanzung der ersten<br />
58 Friedensbäume eröffnet.<br />
Nähere Informationen zu den Friedens<br />
parks gibt es auch im Internet<br />
unter www.friedenspark.de.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erhielt für den Bau<br />
der Kriegs gräberstätte ein etwa fünf<br />
Hektar großes Ge lände auf kirchen eigenem<br />
Grund in der Ortschaft Sologubowka<br />
(Ortsteil Lezje) zugewiesen.<br />
<strong>Das</strong> Projekt gliedert sich in drei Teilbereiche:<br />
den Friedhof als Ort der Erinnerung<br />
und Mahnung, den Friedenspark als<br />
Symbol für das Wachsen des Friedens zwischen<br />
den Menschen und die Wiederherstellung<br />
der alten russisch-orthodoxen<br />
Kirche als Symbol der Versöhnung.<br />
Am 9. September 2000 wurde der<br />
Friedhof unter Beteiligung von Angehörigen<br />
und der ortsansässigen Bevölkerung<br />
der Öffentlichkeit übergeben. Mit Abschluss<br />
der Zubettungen werden hier<br />
einst 80 000 deutsche Kriegstote bestattet<br />
sein. St. Petersburg-Sologubowka wird<br />
damit zur weltweit größten deutschen<br />
Kriegs gräberstätte.<br />
Die Bäume im Friedenspark sind mit<br />
Nummern gekennzeichnet. Die Liste der<br />
Baumpaten wird im Gedenk- und Ausstellungsraum<br />
der Kirche ausgelegt. ■<br />
Der Friedenspark wurde am 9. September 2000<br />
mit der Pflanzung der ersten drei Bäume eröffnet.<br />
Hochkreuz<br />
Eingang<br />
Hochkreuz und Gedenkstein der<br />
Kriegsgräberstätte Sologubowka<br />
(Foto links).<br />
Die renovierte russisch-orthodoxe<br />
Kirche – Symbol der Versöhnung<br />
(Foto links unten).<br />
Kirche<br />
Glockenturm<br />
Pflegepatenschaft für einen Baum<br />
St. Petersburg-<br />
Sologubowka<br />
Kriegsgräberstätte<br />
und Friedenspark<br />
Friedenspark<br />
Zusätzlich zu den Patenschaften für Friedensbäume bietet der<br />
<strong>Volksbund</strong> auch Pflegepatenschaften für Bäume auf anderen<br />
Kriegsgräber stätten an. Für den Zeitraum von fünf Jahren beträgt<br />
die Spendenhöhe 250 Euro bzw. für zehn Jahre 500 Euro. So können<br />
die Pflege des Baumes und der Erhalt der Kriegsgräberstätte<br />
unterstützt werden.<br />
<strong>22</strong>3
1997<br />
Im Alter von 87 Jahren stirbt die<br />
als „Engel der Armen“ verehrte<br />
Ordensgründerin und Friedensnobelpreisträgerin<br />
Mutter Teresa<br />
im indischen Kalkutta.<br />
Eine Hochwasserkatastrophe an der<br />
Oder mit Schäden in Deutsch land,<br />
Tschechien und Polen löst eine Welle<br />
der Hilfsbereitschaft aus.<br />
Am 31. August stirbt die britische<br />
Prinzessin Diana an den Folgen eines<br />
Autounfalls. Mit einer ergreifenden<br />
Trauerfeier in der Londoner Westminster<br />
Abbey nimmt die Welt sechs<br />
Tage später Abschied.<br />
<strong>22</strong>4<br />
Im afrikanischen Zaire endet der siebenmonatige<br />
Bürgerkrieg mit dem<br />
Sieg der Rebellen unter Laurent-Désiré<br />
Kabila. <strong>Das</strong> Land wird in „Demokratische<br />
Republik Kongo“ umbenannt, Kabila regiert<br />
aber praktisch als Diktator. ❑ Die<br />
deutsche Bevölkerung wird durch die<br />
Dis kussion um die Sicherheit der Renten<br />
zunehmend verunsichert. ❑ Parlament<br />
und Föderationsrat Russlands verweigern<br />
trotz Einspruch von Präsident Jelzin die<br />
Rückgabe der Beutekunst an Deutsch-<br />
land. ❑ Nach 165 Jahren fällt Hongkong<br />
an China zurück, das mit sofortiger Wirkung<br />
die Bürgerrechte einschränkt. Die<br />
Stationierung chinesischer Truppen in der<br />
Sonderwirtschafts zone stößt auf internationale<br />
Kritik. ❑ Den Friedens nobelpreis<br />
erhält die Anti-Landminen-Kam pag ne,<br />
die 1992 von amerikanischen Vietnamveteranen<br />
ins Leben gerufen wurde. ❑ Die<br />
Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen<br />
der Wehrmacht 1941 bis 1944“ führt<br />
zu heftigen Kontroversen. ■<br />
Die im Mai 1995 gestartete gemeinsame<br />
Aktion von <strong>Volksbund</strong> und<br />
DRK-Suchdienst ist weitgehend abgeschlossen.<br />
Gesucht wurden Angehörige<br />
von in sowjetischer Kriegsgefangenschaft<br />
verstorbenen deutschen Soldaten – über<br />
diese hat der Suchdienst Unterlagen aus<br />
ehemals sowjetischen Archiven erhalten.<br />
Über 100 000 Karten und Briefe haben den<br />
Suchdienst erreicht. Knapp 60 000 davon<br />
konnten als echte Suchfälle re gistriert<br />
werden. Rund 20 Prozent der Anfragenden<br />
erhielten eine Auskunft über das<br />
Schicksal eines vermissten Angehörigen.<br />
❑ In den Ländern Osteuropas baut der<br />
<strong>Volksbund</strong> weitere 26 Friedhöfe für in<br />
Kriegsgefangenschaft verstorbene deutsche<br />
Soldaten aus. Ein möglichst großer<br />
Teil der noch vorhandenen Anlagen soll<br />
nach und nach in einer schlichten Form<br />
wieder hergerichtet werden. ❑ Im Jahre<br />
1990 betreute der Pflegedienst 343 Kriegsgräberstätten<br />
in 24 Ländern. 1997 sind es<br />
bereits 609 Anlagen in 39 Ländern. ❑ Auf<br />
Einladung des <strong>Volksbund</strong>es tagt der Bun-<br />
Auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />
Lynga I/Russland ruhen 30 Tote; die<br />
Planskizze (Ikowka/Russland) zeigt<br />
die typischen Gestaltungsmerkmale<br />
der schlichten Gräberstätten: Hochkreuz,<br />
Gedenkplatz mit Gedenk stein,<br />
über die Fläche verteilte Symbolkreuzgruppen<br />
und Zaun.<br />
Mitglieder und ein Teil der Spender<br />
des <strong>Volksbund</strong>es werden im Januar<br />
1997 gefragt, warum sie dem <strong>Volksbund</strong><br />
helfen, wie sie zur dauerhaften<br />
Erhal tung der Kriegsgräber und zum<br />
Friedhofsbau im Osten stehen. 17 388<br />
Ant worten gehen ein. 91,4 Prozent der<br />
Einsender sind dafür, dass die Kriegsgräber<br />
un begrenzt erhalten bleiben.<br />
Über 75 Prozent wollen, dass der<br />
Volks bund die Kriegs toten im Os ten<br />
auf Sammelfriedhöfen würdig bestattet.<br />
Bei der Betrach tung der Grün de<br />
zur Unter stützung des <strong>Volksbund</strong>es ergibt<br />
sich, dass ideelle Motive – Mahnung<br />
zum Frieden, Versöhnung und<br />
Verständi gung – genau so wichtig sind<br />
wie Motive, die sich auf die praktische<br />
Arbeit – Gräber pflege, Friedhofsbau,<br />
Ange hörigenbetreuung – beziehen.<br />
deselternrat in Kassel, um sich über die<br />
Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es zu informieren.<br />
Ergebnis ist eine gemeinsame Erklärung,<br />
die zur Unterstützung der Kriegsgräberfürsorge<br />
als Arbeit für den Frieden<br />
aufruft. ❑ Im Dezember unterzeichnet<br />
der stellvertretende Kultusminister der<br />
Republik Litauen, Naglis Puteikis, in Kassel<br />
einen Vertrag, der die künftige Zusam<br />
menarbeit des <strong>Volksbund</strong>es mit dem<br />
litauischen Kultur ministerium regelt. ❑<br />
Folgende Kriegsgräberstätten werden eingeweiht:<br />
Estland: Rakvere (Wesenberg),<br />
Tartu (Dorpat), Lettland: Dzukste (Wenden),<br />
Cesis, Russland: Korostyn, Tsche -<br />
chien: Jihlava (Iglau), Pacov (Patzau),<br />
Plzen (Pilsen), Polen: Modlin. ■<br />
Mitglieder- und Spenderbefragung<br />
Hauptmotiv zur Unterstützung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es:<br />
<strong>22</strong>5
Jugend -<br />
begeg nungs- und<br />
Bildungsstätten<br />
in Europa<br />
Ysselsteyn/Niederlande<br />
Golm/Deutschland<br />
Niederbronn-les-Bains/Frankreich<br />
Lommel/Belgien<br />
<strong>22</strong>6<br />
Spuren suchen, Freunde finden,<br />
Frieden machen<br />
„<strong>Das</strong> bringt uns zum Nachdenken, wie<br />
sinnlos Krieg ist – das werde ich nicht vergessen“<br />
– so das Resumée einer 18-jährigen<br />
Schülerin über die Projektfahrt zu<br />
einer Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte<br />
(JBS) des Volkbsundes.<br />
In reizvoller Umgebung, bewusst in<br />
direkter Nachbarschaft von deutschen<br />
Kriegsgräberstätten gebaut, liegen die<br />
vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es: in Ysselsteyn/<br />
Niederlande, am Golm/Deutschland, in<br />
Niederbronn-les-Bains/Frankreich und in<br />
Lommel/Bel gien. Der Erhalt dieser Kriegsgräber<br />
stätten als Mahnmale für den Frieden<br />
ist eines der wichtigsten Anliegen der<br />
internationalen Jugend- und Schularbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Geschichte begreifen<br />
Diese Häuser sind Treffpunkte für Menschen<br />
aus ganz Europa. In internationalen<br />
Friedensprojekten begeben sie sich<br />
auf historische Spurensuche, werden mit<br />
offensichtlichen Folgen von Krieg und<br />
Gewaltherrschaft konfrontiert und erleben<br />
Geschichte hautnah. <strong>Das</strong> sensibilisiert<br />
sie für das Thema Gewalt im Alltag<br />
und motiviert dazu, selbst Frieden zu<br />
praktizieren und sich dafür zu engagieren.<br />
Gemeinsam nachdenken<br />
Einen tiefen Eindruck hinterlässt die ge -<br />
meinsame Pflegearbeit an den Kriegs gräbern,<br />
die für alle Gäste obligatorisch ist.<br />
Die Arbeit mit Gleichaltrigen anderer Nationen<br />
und die intensive Auseinandersetzung<br />
mit der Geschichte gibt ihnen die<br />
Gewissheit, dass jeder Einzelne einen Bei -<br />
trag zur Verständigung der Völker leisten<br />
kann.<br />
Land und Leute erleben<br />
Ganz nebenbei schließen die jungen Menschen<br />
Freundschaften über Grenzen hinweg,<br />
machen sich über Internetkommunikation<br />
mit der Nutzung neuer Medien<br />
vertraut und frischen Fremdsprachenkenntnisse<br />
auf. Die gemeinsame Arbeit<br />
eröffnet einen Zugang zur Geschich te,<br />
wie er von keinem Unterricht im Klassenzimmer<br />
geleistet werden kann. So werden<br />
Offenheit, Verständnis und Toleranz<br />
gefördert.<br />
Vorbereitung ist der erste Schritt<br />
Die Jugendgruppen und Schulklassen<br />
planen bereits vor ihrem Treffen gemeinsam<br />
die täglichen Aktionen in der Jugend -<br />
begegnungsstätte. Die Kommunikation<br />
binationaler Schulpartnerschaften läuft<br />
beispielsweise über das Internet. Zweisprachige<br />
Workshops, Seminare, Ausflüge<br />
und Besichtigungen werden auf<br />
diese Weise realisiert.<br />
<strong>Volksbund</strong> unterstützt<br />
Zur Vorbereitung der Projektgruppen<br />
steht ein Team von Spezialisten mit umfassenden<br />
Planungshilfen zur Verfügung.<br />
In jeder Jugendbegegnungsstätte erwarten<br />
orts- und fachkundige Betreuer und<br />
Betreuerinnen des <strong>Volksbund</strong>es die Gäs -<br />
te. Sie stehen ihnen während der Projekte<br />
mit historischen Informationen, pädagogischen<br />
Anregungen und hilf reichen<br />
Tipps zur Seite.<br />
Planungshilfen<br />
Für jede Jugendbegegnungsstätte wurden<br />
Programmbausteine entwickelt. Neben<br />
der Besichtigung von Kriegsgräberstätten<br />
und KZ-Gedenkstätten, dem Besuch euro -<br />
päischer Institutionen, Gesprächen mit<br />
Zeitzeugen sowie Freizeitaktivitäten sind<br />
Bausteine, die den Umgang mit zwischen -<br />
mensch lichen Konflikten thematisieren<br />
und üben, besonders beliebt.<br />
Friedensprojekte ...<br />
... gegen das Vergessen von Krieg und<br />
Gewaltherrschaft lassen sich mit Unterstützung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es leicht organisieren.<br />
Kontakte zu Schulen, Jugendverbänden<br />
und Vereinen im jeweiligen Gastland<br />
stellt der <strong>Volksbund</strong> gern her. ■<br />
Mehr Informationen erhalten Sie im Internet<br />
unter www.volksbund.de.<br />
Im März 2001 beschließt der <strong>Volksbund</strong> den Ausbau<br />
der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte in Kamminke<br />
am Golm auf der Insel Usedom, Mecklenburg-<br />
Vorpommern. <strong>Das</strong> alte Schulhaus (Foto unten) wird<br />
dabei in die Planung einbezogen.<br />
Lommel/Belgien: Schülerinterview<br />
im Rahmen eines Filmprojekts.<br />
Der 8. Mai, Tag des Kriegsendes in<br />
Europa, ist Nationalfeiertag in Belgien.<br />
Alljährlich findet ein großes Fest<br />
in der Begegnungsstätte statt, in dessen<br />
Orga nisation und Programmgestaltung<br />
die Jugend lichen eingebunden<br />
werden. Besonders beliebt bei<br />
jungen Leuten ist das Graffitiprojekt.<br />
<strong>Das</strong> Foto zeigt Jugendliche bei<br />
Pflegearbeiten auf der deutschen<br />
Kriegsgräberstätte am Futa-Pass in<br />
Italien.<br />
Niederbronn-les-Bains/Frankreich:<br />
Bernard Klein, Leiter der Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätte, führt<br />
eine Besuchergruppe über das Friedhofsgelände.<br />
Die Jugendbegegnungs- und<br />
Bildungsstätten werden auch für<br />
Projekte der Lehrerausbildung<br />
genutzt (hier in Niederbronn-les-<br />
Bains/Frankreich).<br />
<strong>22</strong>7
1998<br />
Zu den Feierlichkeiten anlässlich<br />
des 350. Jahrestages des Westfälischen<br />
Friedens versammeln sich am<br />
24. Oktober die Staatsoberhäupter<br />
aus 20 europäischen Ländern in<br />
Münster und Osnabrück.<br />
Der neue Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder mit seiner Frau Doris.<br />
<strong>22</strong>8<br />
Großbritannien und die USA reagieren<br />
auf die ständigen Behinderungen<br />
der Rüstungskontrolleure im Irak mit<br />
Luftangriffen. ❑ Der Konflikt in der serbischen<br />
Provinz Kosovo nimmt kriegerische<br />
Ausmaße an. Nach UNO-Angaben<br />
flüchten rund 265 000 Kosovo-Albaner<br />
aus ihrer Heimat. ❑ US-Präsident Bill<br />
Clinton gibt zu, eine „unangemessene Beziehung“<br />
zu der Ex-Praktikantin Monica<br />
Lewinsky unterhalten zu haben. Gegen<br />
ihn wird ein Amts enthebungsverfahren<br />
wegen Mein eides und Behinderung der<br />
Justiz eingeleitet. ❑ Eine anhaltende Finanzkrise<br />
erschüttert die russische Politik<br />
und Wirtschaft. <strong>Das</strong> Land ist praktisch<br />
zahlungsunfähig. ❑ Die Staats- und Regierungschefs<br />
der EU besie geln den Start<br />
der Europäischen Wäh rungsunion und<br />
damit den Einstieg in die stufenweise<br />
Einführung des Euro ab dem 1. Januar<br />
1999. ❑ Die Wahlen zum 14. <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundestag bringen einen Machtwechsel.<br />
Künftig regiert die SPD gemeinsam mit<br />
Bündnis 90/Die Grünen. Neuer Bundes-<br />
kanzler wird der bisherige niedersächsische<br />
Ministerpräsident Gerhard Schröder.<br />
❑ In China sind über 230 Millionen Menschen<br />
von einer verheerenden Überschwemmung<br />
betroffen. Die Opfer gehen<br />
in die Zehntausende. ❑ Anfang November<br />
bringt der Hurrikan Mitch Tod und<br />
Zerstörung nach Mittelamerika. Die Schäden<br />
werden auf fünf Milliarden Dollar<br />
geschätzt. ❑ In Nordirland unterzeichnen<br />
acht Parteien einen Friedensplan, der u. a.<br />
eine politische Teilautonomie gegenüber<br />
Großbritannien gewährt. Der Katholik<br />
John Hume und der Protestant David<br />
Trimble erhalten den Friedensnobelpreis.<br />
Hume nennt in seiner Rede die deutschfranzösische<br />
Aussöhnung als Vorbild für<br />
den nord irischen Friedensprozess. ■<br />
Während der Fußballweltmeisterschaft in<br />
Frankreich kommt es zu schweren Auseinandersetzungen<br />
zwischen Hooligans und französischer<br />
Polizei. Der französische Polizist Daniel<br />
Nivel wird von deutschen Randalierern lebensgefährlich<br />
verletzt.<br />
<strong>Das</strong> schwerste Zugunglück seit Bestehen der<br />
Bundes republik fordert am 3. Juni in Eschede<br />
101 Todesopfer, 88 Reisende werden zum Teil<br />
lebensgefährlich verletzt.<br />
Im Januar unterzeichnen der französische<br />
Staatssekretär Jean-Pierre<br />
Masseret und Präsident Hans-Otto Weber<br />
in Straßburg eine Vereinbarung zur gemeinsamen<br />
Wiederherrichtung des<br />
Kriegsgefangenenfriedhofes im Wald von<br />
Rada bei Tambow/Russland. Hier starben<br />
von 1942 bis 1946 etwa <strong>22</strong> 000 Häftlinge<br />
und Kriegsgefangene aus <strong>22</strong> Nationen,<br />
darunter zahlreiche zwangseingezogene<br />
Franzosen aus dem Elsass. ❑ Im Rahmen<br />
seines Staatsbesuches in der Ukraine<br />
weiht Bundespräsident Roman Herzog<br />
gemeinsam mit dem Gouverneur des<br />
Charkower Gebietes den dortigen deutschen<br />
Soldatenfriedhof ein. ❑ Weitere<br />
Friedhofseinweihungen: Klaipeda (Me-<br />
20 deutsche Wehrpflichtige richten gemeinsam mit<br />
estnischen Soldaten den deutschen Soldatenfriedhof<br />
in Tallinn-Maarjamae (Reval-Marienberg) wieder her.<br />
mel)/Litauen, Potelitsch/Ukraine,<br />
Schlossberg (Dobrowolsk)/Russland,<br />
Laurahütte (Siemianowice)/Polen, Split/<br />
Kroatien, Reval (Tallinn)/Estland, Tambow-Rada/Russland,<br />
Valka/Lettland,<br />
Vazec/Slowakische Republik. ❑ Zum ersten<br />
Mal seit Bestehen der Bundeswehr<br />
arbeiten deutsche Soldaten in Estland. ❑<br />
In Magdeburg wählt der Bundesvertretertag<br />
des <strong>Volksbund</strong>es Karl-Wilhelm Lange,<br />
Regierungspräsident a. D., zum neuen<br />
Präsidenten. Die Delegierten ernennen<br />
Hans-Otto Weber, der dem <strong>Volksbund</strong><br />
seit 1952 verbunden ist und elf Jahre die<br />
Geschicke des Verbandes gelenkt hat,<br />
zum Ehrenpräsidenten. ■<br />
Der scheidende Präsident Hans-Otto Weber<br />
(links) übergibt die Amtsgeschäfte seinem<br />
Nachfolger Karl-Wilhelm Lange.<br />
„Friedenshimmel“ heißt das Bild,<br />
das die 14-jährige Tatjana Alexejewa<br />
aus St. Petersburg anlässlich<br />
eines inter nationalen Malwettbewerbs<br />
gemalt hat.<br />
Die Gedenkstätte für gefallene<br />
U-Bootfahrer beider Weltkriege<br />
in Kiel-Möltenort wird am 13. Juni<br />
60 Jahre alt.<br />
<strong>22</strong>9
Übersichtskarte Osten<br />
(Stand: April 2009)<br />
230<br />
Nach dem Ausbau der deutschen<br />
Kriegsgräberstätten in Deutschland,<br />
Nordafrika und im Westen Europas, auf<br />
denen über 1,4 Millionen Kriegstote ru -<br />
hen, kümmert sich der <strong>Volksbund</strong> seit<br />
1990 verstärkt um die über drei Millionen<br />
Gräber in Ost-, Mittel- und Südosteuropa.<br />
Hier sollen die Bemühungen bis zum Jahr<br />
2015 so sehr intensiviert werden, dass bis<br />
dahin ein Großteil der noch zu bergenden<br />
Kriegstoten umgebettet worden ist. Wo<br />
immer es möglich ist, werden die geborgenen<br />
Toten identifiziert, auf gesicherten<br />
und gepflegten Kriegsgräberstätten bestattet<br />
und die Namen auf Namenstelen<br />
festgehalten.<br />
Die politischen Veränderungen haben die<br />
Arbeitsbedingungen des <strong>Volksbund</strong>es in<br />
den Ländern Osteuropas inzwischen stark<br />
verbessert. Kriegsgräberabkommen zwischen<br />
der Bundesrepublik Deutschland<br />
und den jeweiligen Ländern geben dem<br />
<strong>Volksbund</strong> die Basis für seine Arbeit. In<br />
den bilateralen Kriegsgräberabkommen<br />
geht es um den Schutz der deutschen<br />
Kriegsgräber und das dauernde Ruherecht,<br />
die Erfassung und Sicherung der<br />
Ruhestätten, die Umbettung von Kriegstoten<br />
auf neue oder bestehende Anlagen<br />
und die Herrichtung und Pflege von<br />
Kriegsgräberstätten. In den Verträgen<br />
wird der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
von der Regierung der Bundesrepublik<br />
Deutschland als Partner ge -<br />
nannt, der mit der Durchführung der<br />
Abkommen beauftragt ist. ■<br />
Legende<br />
Hauptstadt (unterstrichen)<br />
Arbeit in<br />
Osteuropa<br />
Kriegsgräberstätte vor gesehen<br />
(keine Vorplanun gen bzw. Planungsarbeiten durchgeführt)<br />
Kriegsgräberstätte<br />
(Vorplanung bzw. Planungs arbeiten begonnen)<br />
Kriegsgräberstätte im Bau<br />
Kriegsgräberstätte fertig gestellt<br />
MLAWKA<br />
Sammel fried hof (Großbuchstaben)<br />
Warschau<br />
bestehen bleibende Friedhöfe (normale Schrift)<br />
_ _ _ _ _<br />
vorderster Frontverlauf<br />
231
1999<br />
Johannes Rau wird Bundespräsident;<br />
neben ihm seine Ehefrau Christina.<br />
Nach 17 vergeblichen Versuchen<br />
glückt erstmals die Weltumrundung<br />
mit einem Ballon.<br />
Sonnenfinsternis über Deutschland:<br />
<strong>Das</strong> seltene Naturschauspiel<br />
begeistert Millionen.<br />
232<br />
Zum Jahreswechsel beginnt in elf<br />
Ländern Europas das Euro-Zeitalter.<br />
Die Gemeinschaftswährung gilt zunächst<br />
nur im bargeldlosen Zahlungsverkehr. ❑<br />
König Hussein II. von Jordanien, einer<br />
der Väter des Aussöhnungsprozesses in<br />
Nahost, stirbt nach 46-jähriger Regentschaft<br />
an einem Krebsleiden. Nachfolger<br />
wird sein Sohn Abdallah. ❑ Die NATO beginnt<br />
am 24. März mit Luftangriffen auf<br />
Jugoslawien, nachdem alle Bemühungen<br />
um eine friedliche Lösung des Konflikts<br />
gescheitert sind. Für die Bundeswehr ist<br />
dies die erste Beteiligung an einer kriegerischen<br />
Auseinandersetzung seit ihrem<br />
Bestehen. ❑ Ein ausführ licher Bericht<br />
über Misswirtschaft und Korruption in<br />
der EU-Verwaltung führt zum Rücktritt<br />
der 20-köpfigen EU-Kommission. ❑ Völlig<br />
überraschend tritt der Bundesfinanzminister<br />
und SPD-Vorsitzender Oskar<br />
La fontaine von seinen politischen Ämtern<br />
zurück. ❑ Bundestagspräsident Wolfgang<br />
Thierse (SPD) eröffnet die erste Parlamentssitzung<br />
im umgebauten Berliner<br />
Reichstag. Die 11. Bundesversammlung<br />
wählt den 68-jährigen SPD-Politiker Johannes<br />
Rau zum achten Präsidenten der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Er übernimmt<br />
auch die Schirmherrschaft über<br />
den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegs gräberfürsorge.<br />
❑ Eine Affäre um sogenannte<br />
Schwarzgeldkonten stürzt die CDU in<br />
eine der schwersten Krisen seit ihrem Bestehen.<br />
❑ Am 1. September jährt sich zum<br />
60. Mal der Beginn des Zweiten Welt krieges.<br />
❑ Russlands Präsident Boris Jelzin<br />
erklärt zum Jahres ende seinen Rück tritt,<br />
Nachfolger wird Wladimir Putin. ■<br />
Jugoslawien: Heftige Zerstörungen<br />
nach einem Luftangriff der NATO.<br />
Im Rahmen der Aktion „Ich will<br />
Frieden“ macht der <strong>Volksbund</strong> mit<br />
Freianzeigen in Zeitungen auf seine<br />
Arbeit und Ziele aufmerksam. In 200 Millionen<br />
Zeitungsexemplaren sind diese<br />
für den <strong>Volksbund</strong> kostenlosen Anzeigen<br />
zu sehen. ❑ Jahrelange Verhandlungen<br />
und Planungen mit zahlreichen Rückschlägen<br />
finden ihren Abschluss mit der<br />
Einweihung der Kriegsgräberstätte Wolgograd-Rossoschka<br />
am 15. Mai. Weitere<br />
Einweihungen: Kranj/Slowenien, Neustadt<br />
(Kurdirkos-Naumiestis/Litauen),<br />
Frauenburg (Saldus/Lettland), Tauroggen<br />
(Taurage/Litauen), Troppau (Opava/<br />
Tschechische Republik). ❑ Anlässlich der<br />
25. Wiederkehr der Einweihung der<br />
Kriegsgräberstätte Maleme auf Kreta/<br />
Griechenland wird eine dreisprachige<br />
Dokumentation im Eingangsbereich installiert,<br />
um die jährlich etwa 100 000 Besucher<br />
des Friedhofes besser zu informieren.<br />
❑ Die Zahl der registrierten Besucher<br />
auf den deutschen Kriegsgräberstätten<br />
bleibt mit rund 800 000 weiter hoch. Die<br />
Anzahl der deutschen Besucher ist rückläufig,<br />
dafür steigt die Zahl ausländischer<br />
Gäste. ❑ Wenig beachtet von der Öffentlichkeit<br />
sind die Umbettungen im Inland,<br />
besonders im brandenburgischen Oderbruch.<br />
Etwa 500 deutsche und sowjetische<br />
Gefallene werden auf die umliegenden<br />
Kriegsgräberstätten zugebettet. ■<br />
Am 12. November stirbt Werner<br />
Michel im Alter von 77 Jahren. Der<br />
<strong>Volksbund</strong> trauert um den „Könner<br />
der Schularbeit,“ der in seinem fast<br />
50-jährigen Engagement für den<br />
<strong>Volksbund</strong> deutliche Akzente in der<br />
Zusammenarbeit mit den Schulen<br />
setzte.<br />
Ein Ort der Trauer und des Gedenkens<br />
für die Angehörigen: Die deutsche<br />
Kriegsgräberstätte im lettischen<br />
Saldus (Frauenburg) wird am 4. September<br />
ihrer Bestimmung übergeben.<br />
Ab Juli sind unter www.volksbund.de<br />
über zwei Millionen Grablagedaten<br />
frei im Internet zugänglich. Seitdem<br />
nutzen Monat für Monat tausende<br />
Mitbürger dieses kostenlose Angebot.<br />
Dazu müssen die Internetnutzer einfach<br />
nur die wichtigsten Angaben<br />
zum Vermissten unter „Gräbersuche<br />
online“ eingeben. <strong>Das</strong> Programm<br />
gibt umgehend eine Auskunft zum<br />
Sachstand der jeweiligen Grablage.<br />
Mit der Übergabe des renovierten<br />
Reichstagsgebäudes als Plenarbereich<br />
des Bundestages an die Öffentlichkeit<br />
kehrt auch der <strong>Volksbund</strong><br />
mit der zentralen Gedenkfeier zum<br />
Volkstrauertag an die Wurzeln seiner<br />
Gründung in Berlin im Dezember<br />
1919 zurück.<br />
233
Rossoschka<br />
bei Wolgograd<br />
Zur Einweihung am 15. Mai 1999<br />
kamen über 700 Gäste aus<br />
Deutschland und Russland.<br />
234<br />
Mit Stalingrad, dem heutigen Wolgograd,<br />
verbindet die Kriegsgeneration<br />
einen der tragischen, die Wende des Krieges<br />
einleitenden Höhepunkte im Verlauf<br />
des Zweiten Weltkrieges. Hunderttausen -<br />
de Opfer auf beiden Seiten forderte das<br />
Ringen um die Stadt. Die Schlacht endete<br />
am 2. Februar 1943 mit der Kapitulation<br />
der deutschen 6. Armee und der Truppen<br />
der Verbündeten. Allein auf deutscher<br />
Seite forderten die Kämpfe 60 000 Tote.<br />
Von 110 000 Kriegsgefangenen kehrten<br />
nach teilweise über zehnjähriger Zwangsarbeit<br />
weniger als 6 000 le bend nach<br />
Deutschland zurück.<br />
Fast 50 Jahre lang war es dem <strong>Volksbund</strong><br />
nicht gestattet, sich um die deutschen<br />
Kriegsgräber in der ehemaligen So -<br />
wjetunion zu kümmern. Die über 2,2 Millionen<br />
Gräber existierten offi ziell nicht<br />
mehr. Unter der Regierung von Michail<br />
Gorbatschow schlossen Deutschland und<br />
die Alliierten in Moskau ein Friedensabkommen.<br />
1992 wurde das deutsch-russische<br />
Kriegsgräberabkommen unterzeich-<br />
net. Aber erst nach dem 50. Jah restag des<br />
Kriegsendes, im Jahre 1995, stimmten die<br />
örtlichen Behörden und Veteranengruppen<br />
endgültig den Plänen des <strong>Volksbund</strong>es<br />
zu, nahe der Stadt Wolgograd eine<br />
deutsche Kriegsgräberstätte zu bauen.<br />
Diese wird als zentrale Anlage alle noch<br />
zu bergenden Gefallenen zwischen Don<br />
und Wolga aufnehmen.<br />
Der Platz liegt etwa 30 Kilometer<br />
westlich der Stadtgrenze an dem Flüsschen<br />
Rossoschka mitten in der Steppe.<br />
Nur durch eine Straße davon getrennt<br />
entstand hier mit Unterstützung durch<br />
den <strong>Volksbund</strong> 1997/98 der russische<br />
Soldatenfriedhof.<br />
Es war ein langer, schwieriger Weg<br />
bis zur Einweihung des Friedhofes am<br />
15. Mai 1999. Immer wieder bedrohten<br />
Bauunterbrechungen das Projekt, mussten<br />
die Pläne korrigiert werden. Aber das<br />
Ziel wurde erreicht.<br />
<strong>Deutsche</strong> und russische Soldaten,<br />
Gegner von einst, ruhen nun hier vereint<br />
– als Symbol der beginnenden deutschrussischen<br />
Aussöhnung.<br />
Der Friedhof, nach den Plänen des<br />
Kasseler Architekten Professor Jürgen<br />
H. Reuß gebaut, gliedert sich in zwei Grä -<br />
berfelder. Von der Straße aus links liegt<br />
der alte, inzwischen neu gestaltete Friedhof,<br />
der schon während des Krieges von<br />
der Wehrmacht in der Nähe des damaligen<br />
Flugplatzes Gumrak für 600 Gefalle -<br />
ne angelegt wurde. Dieses trapezförmi ge<br />
Areal ist von einer Natursteinmauer umgeben.<br />
Rechts davon liegt der neue Teil.<br />
Ein gepflasterter Weg führt den Besucher<br />
am alten Friedhof entlang direkt zum zen -<br />
tralen Gedenkplatz mit einem Hochkreuz<br />
aus Metall. Er bildet die Ver bindung zum<br />
neuen Sammelfriedhof, der an einer Fluss -<br />
schleife der Rossoschka liegt.<br />
Die kreisförmige Anlage mit einem<br />
Durchmesser von 150 Metern gleicht<br />
einer überdimensionalen auf die Steppe<br />
gelegten flachen Scheibe. Hier werden<br />
nach Abschluss der Umbettungen rund<br />
50 000 Gefallene ihre letzte Ruhestätte<br />
erhalten. Eine starke Ringmauer, die teilweise<br />
eine Höhe von 3,5 Metern erreicht,<br />
grenzt mit einem umlaufenden gepflas -<br />
terten Weg das Gelände gegen die Steppe<br />
ab. Hier werden auf Steintafeln die Na men<br />
aller geborgenen und iden tifizierten deutschen<br />
Gefallenen aus dem Kessel um Stalingrad<br />
für die Nachwelt festgehalten.<br />
Auf 120 großen Granitwürfeln sind<br />
über 110 000 Namen von Vermissten angebracht.<br />
Die Namen von Kriegstoten,<br />
die nicht mehr gefunden werden können,<br />
sollen ebenfalls auf diese Weise verewigt<br />
werden. So kommen alle Angehörigen<br />
endlich einen Ort der Erinnerung und<br />
Trauer. ■<br />
15. Mai 1999, Tag der Einweihung:<br />
Angehörige suchen – und finden auf<br />
den Stein tafeln die Namen ihrer<br />
Gefallenen (Fotos oben).<br />
Junge Menschen aus Deutschland<br />
und Russland verkaufen Blumen an<br />
die Gäste.<br />
<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer<br />
und Bundesverfassungsgerichtspräsident<br />
Hans-Jürgen Papier studieren<br />
die Lebensdaten der Vermissten von<br />
Stalingrad.<br />
<strong>Das</strong> Projekt Namen für Rossoschka<br />
(Foto unten) wird im Jahr 2006 verwirklicht:<br />
Auf den Granitwürfeln sind<br />
Namen- und Lebensdaten von weit<br />
über 100 000 Vermissten aus den<br />
Kämpfen um Stalingrad verewigt.<br />
235
Jugend -<br />
wettbewerb<br />
236<br />
„Ich will Frieden“ war eine Aktion,<br />
die im 80. Jahr des <strong>Volksbund</strong>es die<br />
Menschen in Deutschland verstärkt auf<br />
seine völkerverbindende Arbeit aufmerksam<br />
machte. So startete der <strong>Volksbund</strong><br />
zu Beginn des Jahres 1999 einen Jugendwettbewerb<br />
zum Thema. Vorgabe für die<br />
Wettbewerbsteilnehmer war, dem Motto<br />
„Ich will Frieden“ persönlich Ausdruck<br />
zu verleihen. „Ich will Frieden“ ist als<br />
Klammer zwischen dem aus eigener leidvoller<br />
Erfahrung geprägten Friedens-<br />
Janine Urschel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />
– Gruppe 2, Sekundarbereich I – den 1. Platz.<br />
Matthias Vogel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />
– Gruppe 1, Grundschule – den 2. Platz.<br />
Sophie Dirschel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />
– Gruppe 1, Grundschule – den 3. Platz.<br />
Jana Grabowski belegte in der Kate -<br />
gorie Malen und Zeichnen – Gruppe 3,<br />
Sekundarbereich II – den 1. Platz.<br />
wunsch der älteren Generation und der<br />
Friedenssehnsucht der jüngeren Generation<br />
zu verstehen. Aus Texten, Zeichnungen<br />
und Fotos wurde deutlich, wie junge<br />
Menschen sich Frieden vorstellen und<br />
warum sie – für sich und andere – Frieden<br />
wollen und brauchen.<br />
Am Wettbewerb nahmen bundes weit<br />
über 300 Schüler und Schülerinnen teil.<br />
Auf diesen Seiten sehen Sie eine kleine<br />
Auswahl der besten Beiträge. ■<br />
Markus Nass belegte in der Kategorie<br />
Malen und Zeichnen – Gruppe 3,<br />
Sekundarbereich II – den 3. Platz.<br />
Antonia Spohr belegte in der Kategorie Fotowettbewerb den 1. Platz.<br />
Martina Liptakova aus der Slowakischen Republik<br />
erhielt als Sonderpreis die kostenlose Teilnahme<br />
an einem internationalen Jugendlager in Deutschland.<br />
Die Jury des Wettbewerbs „Ich will Frieden“<br />
– Professor Lude Döring, Eva Köberle und<br />
Oswald Thomas (von links) – einigte sich<br />
schnell über die besten Bilder.<br />
Patrick Nachtigal belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />
– Gruppe 1, Grundschule – den 1. Platz.
2000<br />
Millenniumsfeiern: Rund um<br />
den Globus feiert die Welt den<br />
Beginn des neuen Jahrtausends.<br />
<strong>Das</strong> von vielen befürch tete<br />
Computer-Chaos bleibt aus.<br />
Korea: Erstmals seit 55 Jahren<br />
treffen sich die Staatsoberhäupter<br />
von Nord- und Südkorea, Kim Jong II<br />
und Kim Dae Jung. In beiden Hauptstädten<br />
kommt es zu ergreifenden<br />
Szenen, als sich nach fünf Jahrzehnten<br />
der Trennung Familienangehörige<br />
wiedertreffen.<br />
238<br />
Nach 18-monatigen zähen Verhandlungen<br />
beschließt der <strong>Deutsche</strong><br />
Bundestag am 6. Juli das Gesetz zur<br />
Entschädigung von überlebenden NS-<br />
Zwangsarbeitern. ❑ Steigende Ölpreise<br />
und die 1999 neu eingeführte Ökosteuer<br />
treiben die Energiekosten in die Höhe.<br />
7 000 LKW-Fahrer demonstrieren mit<br />
ihren Fahrzeugen vor dem Brandenburger<br />
Tor in Berlin. ❑ Die Weltausstellung<br />
Expo 2000 – geplant für 40 Millionen Besucher<br />
aus aller Welt – leidet unter Besu-<br />
chermangel. Insgesamt kommen aber<br />
rund 18 Millionen Menschen auf das<br />
Messegelände in Hannover, nur jeder<br />
zehnte da von aus dem Ausland. ❑ Die<br />
Krankheit BSE, auch Rinderwahnsinn genannt,<br />
erfasst nun auch Deutschland. ❑<br />
Weltweit gehen die Aktienkurse auf Talfahrt.<br />
Die Verluste der Anleger sind<br />
enorm. ❑ Beim Untergang des sowjetischen<br />
Atom-U-Bootes Kursk kommen<br />
alle 118 Besatzungsmitglieder ums Leben.<br />
❑ Die Olympischen Spiele von Sydney in<br />
Australien gelten als die „besten Spiele<br />
aller Zeiten:“ Niemals zuvor verlief eine<br />
Olympiade fröhlicher, friedlicher – und<br />
mediengerechter. ❑ Die Präsidentenwahl<br />
in den USA ergibt das knappste Ergebnis<br />
in ihrer Geschichte. Nach wochenlangem<br />
zähem Ringen um die Gültigkeit der Auszählungsergebnisse<br />
wird George W. Bush<br />
zum 43. Präsidenten der USA gewählt. ■<br />
Geiseldrama auf Jolo: Am Ostersonntag entführt<br />
die muslimische Terrorgruppe Abu Sayyaf 21 Menschen<br />
von der malaysischen Insel Sipadan. Unter<br />
ihnen befindet sich die Göttinger Familie Wallert.<br />
Nach 142 Tagen endet die Geiselhaft auf der philippinischen<br />
Insel Jolo für die <strong>Deutsche</strong>n mit der Frei lassung<br />
von Marc Wallert.<br />
Der genetische Code des Menschen ist vollständig<br />
entschlüsselt und eröffnet neue Wege bei der<br />
Erforschung von Krankheiten. Kritiker befürchten<br />
dagegen „den gläsernen Menschen,“ d. h. die<br />
mögliche Benachteiligung von Menschen mit<br />
bestimmten Genmerkmalen.<br />
Beim Absturz eines Überschallflugzeugs vom Typ<br />
Concorde kurz nach dem Start in Paris kommen<br />
113 Menschen ums Leben. Unter den Toten befinden<br />
sich 96 <strong>Deutsche</strong>.<br />
Am 12. März übernimmt der <strong>Volksbund</strong><br />
die Pflege der Kriegsgräberstät -<br />
te Golm auf der Insel Usedom (Mecklenburg-Vorpommern).<br />
Hier entsteht auch<br />
eine weitere Jugendbegegnungsstätte. ❑<br />
Generalsekretär Dr. Ger hard Holz tritt am<br />
31. März in den Ruhestand. Sein Nach folger<br />
ist Burkhard Nipper. ❑ Auf Anregung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es gründen 13 deutsche<br />
Städte im Mai das <strong>Deutsche</strong> Riga- Komi -<br />
tee, um mit Hilfe der Bundesregierung<br />
die Errichtung einer Gedenkstätte bei Ri -<br />
ga zu finanzieren. In den Jahren 1941/42<br />
wurden nahezu 25 000 <strong>Deutsche</strong> jüdischen<br />
Glaubens dorthin deportiert und<br />
ermordet. ❑ Anlässlich der Weltausstellung<br />
Expo 2000 in Hannover veranstaltet<br />
der <strong>Volksbund</strong> ein Internationales Jugendund<br />
Kulturfest. ❑ Herausragendes Ereignis<br />
des Jahres ist die offizielle Übergabe<br />
der Kriegsgräberstätte So logubowka bei<br />
St. Petersburg am 9. September an die Öffentlichkeit.<br />
❑ Am 27. Ok tober beschließt<br />
der Bundesvertretertag die Gründung der<br />
Stiftung Gedenken und Frieden, um auch<br />
künftige Aufgaben finanzieren zu können.<br />
❑ Außer der Kriegsgräberstätte Sologu<br />
bowka weiht der <strong>Volksbund</strong> in fünf<br />
osteuropäischen Ländern acht wei tere<br />
Anlagen ein: Bratislava/Slowakische Re -<br />
publik, Kirowograd/Ukraine, Pillau (ehemaliges<br />
Ostpreußen/Russland), Kaunas/<br />
Litauen, Salla/Russland, Kiew/Ukraine,<br />
Pulawy/Polen. ❑ Der Umbettungsdienst<br />
des <strong>Volksbund</strong>es birgt 52 841 Gefallene. ■<br />
Im Beisein von Bundespräsident Johannes Rau<br />
wird von <strong>Volksbund</strong>präsident Karl-Wilhelm Lange<br />
und den Repräsentanten von 13 deutschen Städten<br />
in Berlin das <strong>Deutsche</strong> Riga-Komitee gegründet.<br />
<strong>Deutsche</strong> und polnische Soldaten<br />
arbeiten gemeinsam auf der bei<br />
Stettin gelegenen deutschen<br />
Kriegsgräberstätte Neumark<br />
(Stare Czarnowo/Polen).<br />
Der Bremer Jugendarbeitskreis<br />
erzielt bei der Musikschau der Nationen<br />
in Bremen dank der großzügigen<br />
Spender im mer wieder neue Sammlungsrekorde.<br />
Diesmal sind über<br />
48 000 <strong>Deutsche</strong> Mark in den Spendendosen<br />
des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Eine junge Israelin, Teilnehmerin<br />
eines Jugendlagers, richtet auf dem<br />
Lagerfriedhof in Gurs/Frankreich ein<br />
Grabmal für die Gedenkfeier am<br />
29. Oktober her. Dort liegen 1 070<br />
überwiegend jüdische Deportierte<br />
aus Südwestdeutschland begraben.<br />
Am 25. August wird der deutsche<br />
Soldatenfriedhof Petschenga am<br />
Eismeer in Russland eingeweiht.<br />
239
St. Petersburg-<br />
Sologubowka<br />
240<br />
St. Petersburg-<br />
Sologubowka<br />
9. September 2000<br />
Über 1 000 deutsche und russische<br />
Gäste nahmen an der Einweihung<br />
des Friedhofes, der Weihe der Kirchenglocken<br />
und der Eröffnung des<br />
Friedensparks teil.<br />
Von 1941 bis 1944 belagerten deutsche<br />
Truppen das damalige Leningrad.<br />
In den 900 Blockadetagen starben<br />
Hunderttausende Menschen: Soldaten<br />
bei der Seiten und Einwohner der abgeriegelten<br />
Stadt. Leid und Not lassen sich<br />
kaum beschreiben. Viele der über einhunderttausend<br />
deutschen Gefallenen ruhen<br />
noch heute auf kleinen und kleinsten<br />
Frontfriedhöfen oder dort, wo sie damals<br />
fielen.<br />
1994 begann der <strong>Volksbund</strong> mit der<br />
Suche nach einem geeigneten Gelände für<br />
einen großen Sammel friedhof. Zahlreiche<br />
während des Krieges angelegte deutsche<br />
Soldatenfriedhöfe wurden begutachtet.<br />
Im Ort Sologubowka bot sich ein ausreichend<br />
großes Gelände an, zumal während<br />
des Krieges in der direkten Umgebung<br />
des heutigen Friedhofes vier kleinere Gräber<br />
felder mit insgesamt 3 198 Toten angelegt<br />
worden waren.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erhielt die Genehmigung<br />
für den Bau des Friedhofes auf<br />
einem fünf Hektar großen kircheneigenen<br />
Gelände in der Ortschaft Solo gu bow ka<br />
(Ortsteil Lezje). Auf der Grundlage von<br />
Gestaltungsvorgaben des <strong>Volksbund</strong>es<br />
wurde die Anlage von einem russischen<br />
Architekten geplant. <strong>Das</strong> Projekt gliedert<br />
sich in drei Teilbereiche: den großen Sammelfriedhof<br />
als Ort der Er inne rung und<br />
Mahnung, den Friedens park als Symbol<br />
für das Heranwachsen des Friedens zwischen<br />
den Menschen und die Wieder herstellung<br />
der alten russisch- orthodoxen<br />
Kirche als Zeichen der Versöhnung. Die<br />
Kirche Mariä Himmel fahrt, deren Geschich<br />
te fast 500 Jahre zurück reicht,<br />
wurde 1851 eingeweiht und 1880 mit<br />
einem Glockenturm versehen. In den 20er<br />
und 30er Jahren ausgeplündert, wurde sie<br />
1937 geschlossen. Während der Kriegsjahre<br />
befand sich im Gewölbe unter der<br />
Kirche ein deutsches Lazarett.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> dokumentiert in diesem<br />
Gewölbe die Namen aller in den<br />
Kämpfen um Lenin grad gefallenen Soldaten.<br />
Die Kirche dient den Menschen in So -<br />
lo gu bowka heute wieder als Gotteshaus.<br />
Mit diesem Projekt setzt der Volks bund<br />
Die Namen aller Gefallenen werden<br />
auf Steintafeln verewigt.<br />
ein Zeichen der Versöhnung zwischen<br />
den Menschen in Russland und Deutschland<br />
und vermittelt künfti gen Besuchern<br />
dieses Areals seine Friedensbotschaft.<br />
Am 9. September 2000 wurde der Fried -<br />
hof unter Beteili gung von Angehö rigen<br />
und der russischen Bevöl kerung der Öffentlichkeit<br />
über geben. ■<br />
August 1943<br />
August 2000<br />
August 2005<br />
Juni 2007<br />
Hochkreuz<br />
Eingang<br />
Kirche<br />
Glockenturm<br />
Vertragsunterzeichnung zum Wiederaufbau<br />
der Kirche Sologubowka:<br />
Metropolit von St. Petersburg und<br />
Ladoga Vladimir (links), Präsident<br />
Karl-Wilhelm Lange (Mitte) und Prof.<br />
Dr. Dieter Landgraf-Dietz (rechts).<br />
Pflanzung der ersten drei Bäume<br />
(von links): A. Lopatrikow, Andrej<br />
Wassiljew, Ortwin Runde, Erster<br />
Bürger meister Hamburgs, Nikolaj I.<br />
Pustotin, Dr. Dorothee Stapelfeldt,<br />
Hamburger Bürgerschaftspräsidentin.<br />
St. Petersburg-Sologubowka:<br />
Kriegsgräberstätte, Friedenspark und Kirche<br />
Mariä Himmelfahrt bilden eine Einheit<br />
Friedenspark<br />
Die Kirche Mariä Himmelfahrt<br />
damals und heute. Der Turm wurde<br />
während des Krieges von der deutschen<br />
Wehrmacht abgetragen, weil<br />
er Zielpunkt der sowjetische Artillerie<br />
war. <strong>Das</strong> Gotteshaus verfiel nach<br />
dem Krieg.<br />
241
Mitmachaktionen Die gegenseitige<br />
Verantwortung für<br />
den Frieden<br />
Rund 300 Anzeigenredaktionen erhalten<br />
vom <strong>Volksbund</strong> Anzeigen wie<br />
diese und drucken sie kostenlos ab.<br />
242<br />
Ich bin<br />
GEGEN GEWALT<br />
Erinnern Gedenken<br />
Frieden<br />
Mahnen<br />
Weltweit Zeichen setzen:<br />
Aktion Gedenken jetzt im<br />
Internet!<br />
Vor einigen Wochen sand ten<br />
wir vielen unserer Förderer den<br />
Coupon zur „Aktion Gedenken“<br />
zu. Rund 5 000 Namen von<br />
Kriegsopfern, derer wir<br />
öffentlich gedenken werden,<br />
haben wir bereits gesammelt.<br />
Die Namen wollen wir jetzt<br />
auch auf unseren Seiten im<br />
Internet<br />
www.volksbund.de<br />
veröffentlichen. Bitte nehmen<br />
auch Sie an unserer Aktion<br />
teil, wenn Sie noch keinen<br />
Coupon eingesandt haben!<br />
Zeigen Sie damit weltweit, dass<br />
die Opfer nicht vergessen sind.<br />
Aktion Gedenken:<br />
Die Opfer nicht vergessen.<br />
Die Aktionen<br />
„Ich bin gegen Gewalt“<br />
und „Gedenken“<br />
finden Sie im Internet<br />
auf den Seiten des <strong>Volksbund</strong>es<br />
www.volksbund.de<br />
Machen auch Sie mit!<br />
Erinnern Gedenken<br />
Gedenkanlass-Coupon<br />
Mahnen<br />
Vor- und Zuname des / der Gefallenen / Vermissten:<br />
Sein/ihr Alter: Jahre<br />
Frieden<br />
Ich bitte den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge um ein persönliches Gedenken an ...<br />
Er/sie ist durch Krieg / Flucht / Gefangenschaft / Vertreibung umgekommen in ...<br />
Land (falls bekannt): Jahr (falls bekannt):<br />
Die Aktion „Gedenken” – alle Namen werden öffentlich verlesen und auf den Seiten des<br />
<strong>Volksbund</strong>es im Internet veröffentlicht – hat im September 2000 begonnen. Die ersten<br />
Namen stehen bereits jetzt auf unseren Seiten. Sie finden sie unter www.volksbund.de.<br />
Aus Kostengründen geben wir Ihnen keine Rückbestätigung über Ihre Teilnahme. Machen<br />
Sie bitte mit – unsere Angehörigen und Freunde dürfen nicht vergessen werden!<br />
Absender:<br />
„... damit die Hoffnung<br />
auf eine bessere Welt<br />
nicht verloren geht und<br />
wir unseren Kindern sagen<br />
können, schau, dafür habe ich<br />
gelebt, nicht dafür<br />
habe ich getötet!“<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge e.V.<br />
Arbeit für den Frieden<br />
Erika Illner, 62 Jahre<br />
ICH WILL<br />
FRIEDEN ...<br />
Spendenkonto:<br />
Postbank Frankfurt<br />
4300 -603<br />
BLZ: 500 100 60<br />
Seit Ende 1998 ruft der <strong>Volksbund</strong><br />
mit wechselnden Aktionen auf, über<br />
Krieg, Frieden und Gewalt nachzudenken.<br />
Mit interaktiven Freianzeigen zum The -<br />
ma „Ich will Frieden, weil ...“ und „Ich<br />
bin gegen Gewalt, weil ...“ fordert der<br />
<strong>Volksbund</strong> die Zeitungsleser auf, diese<br />
Satzanfänge mit eigenen Worten zu ergänzen.<br />
Die Resonanz war und ist überwältigend:<br />
Zum einen bei den Zeitungen<br />
selbst, die in bisher nicht gekanntem<br />
Maße diese Anzeigen kostenlos für den<br />
<strong>Volksbund</strong> veröffentlichen, aber vor al lem<br />
bei den Lesern. Alle Generationen fühlen<br />
sich angesprochen, zu antworten, die<br />
eigenen Gedanken niederzuschreiben.<br />
Fast 20 000 Zeitungsleser haben bereits<br />
mitgemacht. So entwickelte sich aus diesen<br />
Aktionen auch der Jugend- und Schülerwett<br />
bewerb. Die Gedanken derjenigen<br />
Men schen, die bei der Aktion „Ich bin<br />
gegen Gewalt, weil ...“ mitgemacht ha -<br />
ben, sind in der virtuellen Lichterkette<br />
unter www.ich-bin-gegen-gewalt.de im<br />
Internet abrufbar.<br />
Seit Herbst 2000 läuft die Aktion Gedenken.<br />
Mitglieder und Förderer des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
aber auch andere, sind aufgerufen,<br />
die Namen von gefallenen, vermissten,<br />
in Kriegsgefangenschaft oder durch<br />
andere Ereignisse infolge des Krieges umgekommenen<br />
Angehörigen zu nennen.<br />
Alle Namen werden im Internet veröffentlicht<br />
oder können direkt dort eingetragen<br />
werden.<br />
Und warum unterstützen SIE den <strong>Volksbund</strong>?<br />
Freunde und Förderer tragen online<br />
ein, warum sie die Arbeit der deut -<br />
schen Kriegsgräberfürsorge so wichtig<br />
finden. Bitte machen auch Sie mit! ■<br />
„Ich erlebte einen schweren Krieg<br />
von den ersten Tagen an, vom Juni<br />
1941 bis Dezember 1944. Ich erlebte Rückzüge,<br />
Dienst bei der Volksverteidigung,<br />
Monate der Umzingelung und die Blockade<br />
von Leningrad. Ich erlebte schwere<br />
Monate im Winter 1942, den Hunger, Angriffe,<br />
Panzerschlachten.<br />
Nach dem Krieg wurde ich Schriftsteller.<br />
Als ich in dieser Funktion zum ersten<br />
Mal nach Deutschland kam, war ich, offen<br />
gestanden, von Hass erfüllt. Zu schwer<br />
waren die Jahre des Krieges für mich und<br />
für meine Kameraden gewesen. Ich sah in<br />
jedem <strong>Deutsche</strong>n meines Alters einen Soldaten,<br />
einen Gegner. Später, als ich Heinrich<br />
Böll kennen lern te, meinte er dazu,<br />
das war ein „Treffen derjenigen, die danebengeschossen<br />
haben.“ Erst in den 50er<br />
Jahren begann ich meinen Hass mühevoll<br />
und schmerzhaft zu überwinden, auch<br />
wenn das schwer war.<br />
In den Folgejahren war ich oft in<br />
Deutschland und konnte mich überzeugen,<br />
welch einen schwierigen, komplizierten<br />
Weg das deutsche Volk durch gemacht<br />
hat, um das demokratische Leben<br />
aufzubauen und den Faschismus zu überwinden,<br />
um alle Überreste dieser Ideologie<br />
zu überwinden.<br />
Viele Jahre später erfuhr ich vom<br />
<strong>Volksbund</strong>, der russische und deutsche<br />
Gräberstätten pflegt, und habe mit Interesse<br />
und Genugtuung an der Tätigkeit<br />
teilgenommen. Bereits in Deutschland<br />
bewegte und beeindruckte mich der Anblick<br />
der gepflegten Friedhöfe unserer<br />
Soldaten. In Hamburg betrachtete ich<br />
zum ersten Mal im Leben Grabstätten unserer<br />
Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg.<br />
In unserem eigenen Land habe ich nie zuvor<br />
etwas Ähnliches gesehen.<br />
Damals war es mir peinlich, ja ich<br />
schämte mich bei dem Gedanken, wie wir<br />
unsere Soldatenfriedhöfe und das Andenken<br />
an die Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg<br />
gefallen sind, behandeln.<br />
Andererseits verstand ich aber auch<br />
die Gefühle unserer Veteranen, die allen<br />
Versuchen, deutsche Soldatenfriedhöfe<br />
auf unserem Boden aufzubauen, nicht<br />
freundlich gegenüber standen. Diese Ablehnung<br />
verhindert den Aufbau von normalen,<br />
freien Beziehungen zu einem neu -<br />
en Deutschland, das nichts mehr gemeinsam<br />
mit dem Land hat, gegen das wir<br />
den Krieg führten.<br />
Ich denke, dass die Jugend, die heute<br />
die deutschen Soldatenfriedhöfe auf unserem<br />
Boden pflegt, eine ganz andere Einstellung<br />
dazu hat. Für diese Jugendlichen<br />
liegen in den Gräbern keine Gegner, sondern<br />
Opfer, keine Faschisten, sondern Opfer<br />
des Faschismus. <strong>Das</strong> ist ein ganz anderer<br />
Blick auf all das, was geschehen ist.<br />
Wenn wir von den Unterschieden in<br />
den Mentalitäten von Russen und <strong>Deutsche</strong>n<br />
sprechen, liegt die Grenze in der<br />
Toleranz. Solange wir nicht akzeptieren,<br />
dass ein anderer Mensch das Recht besitzt,<br />
anders zu sein, werden wir uns gegenseitig<br />
nicht verstehen können. Tole -<br />
ranz ist eine der Hauptbedingungen für<br />
das gemeinsame Leben in Europa und in<br />
der ganzen Welt.<br />
Für uns Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />
und des Großen Vaterländischen<br />
Krieges ist klar, dass unsere Zeit langsam<br />
zu Ende geht. <strong>Das</strong> Einzige, was wir weitergeben<br />
können, ist das Bestreben zum<br />
gegenseitigen Verständnis und zur Versöhnung.<br />
Wir können auch das Gefühl<br />
weitervermitteln, dass es möglich ist, sich<br />
gegenseitig zu verstehen. Die Möglichkeit<br />
dafür ist größer, als es uns scheint.<br />
Es ist doch seltsam, dass der Krieg,<br />
der uns voneinander trennte, uns gleichzeitig<br />
verbunden und uns geholfen hat,<br />
uns gegenseitig besser zu verstehen.<br />
Ich bin zutiefst überzeugt, dass die<br />
Verständigung, die wir aufbauen und<br />
ausbauen, uns die Möglichkeit geben<br />
wird, in dem zukünftigen vereinigten Europa<br />
ein Beispiel für alle anderen Völker<br />
zu sein. Unsere Freundschaft besteht<br />
auch in dem Gefühl der gegenseitigen<br />
Verantwortung für den Frieden, für die<br />
Welt, die wir aufbauen wollen.“<br />
Daniil Granin sprach auf einem<br />
deutsch-russischen Seminar in Travemünde<br />
am 4. Mai 2000. ■<br />
Daniil Granin,<br />
russischer Schriftsteller<br />
243
244<br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber<br />
aus dem Ersten<br />
und Zweiten Weltkrieg<br />
in fast 100 Ländern der Erde ...<br />
Ägypten Äthiopien Afghanistan Albanien Algerien<br />
Angola Argentinien Armenien Australien Barbados Belgien<br />
Belarus (Weissrussland) Benin Bulgarien Bundesrepublik<br />
Deutschland Burundi Chile China Dänemark<br />
Dem. Rep. Kongo Estland Finnland Frankreich Ghana<br />
Gibraltar Griechenland Großbritannien Indien Indonesien<br />
Irak Iran Irland Island Israel Italien Jamaika Japan<br />
Jordanien Kamerun Kanada Kenia Kerguelen Kroatien<br />
Libanon Lettland Libyen Litauen Luxemburg Madagaskar<br />
Mazedonien Malawi Malaysia Malta Marokko Mosambik<br />
Namibia Niederlande Nigeria Norwegen Österreich<br />
Panama Polen Portugal Rep. Kongo Ruanda Rumänien<br />
Russland Sambia Saudi-Arabien Schweden Schweiz Senegal<br />
Serbien Sierra Leone Simbabwe Slowakische Republik<br />
Slowenien Spanien Sri Lanka Südafrika Syrien Tansania<br />
Togo Trinidad-Tobago Tschechische Republik Tunesien<br />
Türkei Ukraine Ungarn Uruguay Usbekistan<br />
Vereinigte Staaten von Amerika Vietnam Zypern<br />
Auf vielen Kriegsgräberstätten, insbesondere<br />
in Frankreich, wurden Gefallene<br />
der ehemals verfeindeten Länder gemeinsam<br />
bestattet. Die Pflege ihrer Gräber<br />
wurde zum Ausgangspunkt der langjährigen,<br />
vertrauensvollen Zusammenarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es mit den Gräberdiensten<br />
der westlichen Länder. Besonders eng ist<br />
die Zusammenarbeit mit dem staatlichen<br />
Gräberdienst in Frankreich und dem Gräberdienst<br />
des britischen Commonwealth<br />
(Commonwealth War Graves Commission).<br />
Nicht minder vertrauensvoll und<br />
positiv sind die Kontakte zu den Gräberdiensten<br />
der anderen Länder Nord-, Westund<br />
Südeuropas und der österreichischen<br />
Schwesterorganisation des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
dem Österreichischen Schwarzen Kreuz.<br />
Seit der Öffnung Osteuropas arbeitet der<br />
<strong>Volksbund</strong> mit den dort teilweise neu entstandenen<br />
Gräberdiensten zusammen. ■<br />
Gräberdienste:<br />
Partner im<br />
Ausland<br />
Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet mit vielen<br />
ausländischen Gräberdiensten zusammen.<br />
Durch den gegenseitigen<br />
Erfahrungsaustausch wird zugleich<br />
der Standard der Pflege verbessert.<br />
<strong>Das</strong> Foto zeigt Arbeiten auf der<br />
amerikanischen Kriegsgräberstätte<br />
Hamm in Luxemburg.<br />
„Ohne leeres Heldenpathos“<br />
Jens-Ulf Jörgensen, Leiter der Kriegsgräberfürsorge im Dänischen<br />
Kirchenministerium, sprach 1994 auf der Veranstaltung zum 75-jährigen<br />
Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es für die ausländischen Gräberdienste:<br />
„Seit der Gründung 1919 ist der <strong>Volksbund</strong> als ein Symbol der<br />
vielen guten Kräfte in Deutschland hervorgetreten und hat nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg als ein würdiger Vertreter einer lebenstüchtigen<br />
deutschen Demokratie wirken können.<br />
Europa ist in diesem Jahrhundert in zwei zerstörende Kriege<br />
geworfen worden, mit Verlusten zahlloser Soldaten und Zivilisten. ...<br />
Aber in diesen Jahren der größten Leiden wurden Gedanken geboren,<br />
in denen die Möglichkeiten für ein neues und besseres Europa aufschienen.<br />
Briefe von Frontsoldaten, die sich an der Grenze ihrer eigenen<br />
Existenz befanden, erzählen davon. Einer von diesen Briefschreibern<br />
an der Front ist der große Maler, der Expressionist Franz Marc.<br />
In einem Brief vom Neujahr 1916 schrieb er unter anderem: ,Die Welt<br />
ist um das blutigste Jahr ihres vieltausendjährigen Bestehens reicher.<br />
Es ist fürchterlich dran zu denken; und das um nichts, um eines Missverständnisses<br />
willen, aus Mangel, sich dem Nächsten menschlich verständlich<br />
machen zu können! Und das in Europa! Man muss wirklich<br />
alles umdenken, neu denken, um mit dieser ungeheuerlichen Psychologie<br />
der Tat fertig zu werden und sie nicht nur zu hassen, zu beschimpfen<br />
und zu verhöhnen oder zu beweinen, sondern ursächlich zu begreifen<br />
und – Gegengedanken zu bilden.’<br />
Uns scheint, dass diese Gegengedanken ein Teil des <strong>Volksbund</strong>es<br />
geworden sind. Ohne leeres Heldenpathos hat der <strong>Volksbund</strong> durch<br />
stillwirkende Kräfte die Toleranz verwirklicht und durch die Versöhnung<br />
über den Gräbern dazu mitgewirkt, Verständnis zwischen früheren<br />
Gegnern zu ermöglichen.<br />
Um den Frieden zu bewahren, muss man unablässig an ihn denken<br />
und für ihn arbeiten. Eine Gewähr dafür bieten die Gräberdienste vieler<br />
Nationen und mit ihnen der <strong>Volksbund</strong>.“<br />
245
Gedenken und<br />
Frieden – Stiftung<br />
<strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber<br />
fürsorge<br />
<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer,<br />
Bundestagsvizepräsident Rudolf Seiters<br />
und Hans Koschnick (von links).<br />
Unterstiftungen:<br />
Bewahrtes Leben – Stiftung zum<br />
Gedenken und Frieden, <strong>Volksbund</strong><br />
<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
Carl und Hans-Norbert Schmotter<br />
– Stiftung zum Gedenken und Frieden,<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
Dr. med. vet. Herbert Hindemith –<br />
Stiftung zum Gedenken und Frieden,<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
Ilse und Hermann Schlosser –<br />
Stiftung zum Gedenken an Werner<br />
Schlosser (20 Jahre), Heinzjörg<br />
Schlosser (<strong>22</strong> Jahre), Marieluise<br />
Rompel (geborene Schlosser, 26<br />
Jahre), Hans Rompel (27 Jahre)<br />
und Hans Hermann Rompel<br />
(3 Jahre), die durch den Weltkrieg<br />
1939-1945 ihr Leben verloren;<br />
<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />
Manfred und Margot Johanna<br />
Beinder – Stiftung zum Gedenken<br />
und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge<br />
Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinrich<br />
Heitfeld – Stiftung zum Gedenken<br />
und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge<br />
Waltraud Ehrendorf und Helmut<br />
Ehrendorf – Stiftung zum Gedenken<br />
und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge<br />
246<br />
Vision – Frieden sichert unsere<br />
Zukunft<br />
Einst begann es mit der „Versöhnung<br />
über den Gräbern“ – nun wird es mehr<br />
und mehr zur „Arbeit für den Frieden.“<br />
Die vielen Orte der Tragödie, des Leides<br />
und des Todes in Europa mahnen uns.<br />
Wir dürfen die Opfer von Krieg und<br />
Gewalt nicht vergessen und müssen alles<br />
tun, damit nicht wieder Menschen ihr Leben<br />
im Krieg lassen müssen! Wir müssen<br />
der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken<br />
und in ihrem Sinne einen Auftrag<br />
wahrnehmen: das Bewusstsein, was Krieg<br />
bedeutet, stärker in der Bevölkerung verankern!<br />
Platon schrieb: „Alles Wissen ist<br />
Erinnern.“ Wenn wir künftigen Generationen<br />
die schrecklichen Folgen von Krieg<br />
und Gewaltherrschaft vermitteln, machen<br />
wir ihnen bewusst, dass ihre Existenz<br />
vom Frieden abhängt.<br />
Ob seine Freunde und Förder den<br />
<strong>Volksbund</strong> in Zukunft in gleichem Umfang<br />
wie bisher unterstützen werden, ist<br />
nicht planbar. Auch wie sich die Beteiligung<br />
des Staates an der Finanzierung der<br />
Kriegsgräberfürsorge entwickeln wird, ist<br />
nicht abzusehen. Vor diesem Hintergrund<br />
wurde am 6. April 2001 die Stiftung<br />
Gedenken und Frieden (Gedenken und<br />
Frieden – Stiftung <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge) im Berliner Abgeordnetenhaus<br />
im Beisein des ehemaligen<br />
Vorstitzenden des Stiftungskuratorium,<br />
Hans Koschnick (ehemaliger Bremer Bürgermeister<br />
und Bosnienbeauftragter), und<br />
seinem damaligen Stellvertreter, Dr. Rudolph<br />
Seiters (Präsident des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Roten Kreuzes), gegründet. Die Stiftung<br />
soll den <strong>Volksbund</strong> auf Dauer finanziell<br />
unterstützen bzw. entlasten. Der <strong>Volksbund</strong><br />
bleibt als gemeinnütziger Verein bestehen<br />
und setzt seine Arbeit unverändert<br />
fort. Wie jede Stiftung sammelt auch die<br />
Stiftung Gedenken und Frieden Kapital<br />
an, mit dessen Erträgen die Aufgaben der<br />
Stiftung finanziert, insbesondere aber die<br />
Aufgaben des <strong>Volksbund</strong>es heute und in<br />
der Zukunft gesichert werden.<br />
Ziele – nachhaltig Zukunft sichern<br />
Der <strong>Volksbund</strong> setzt sich mit seinen<br />
vielen Freunden, Mitgliedern und Spendern<br />
seit Jahrzehnten für die Achtung der<br />
Menschenwürde, Friedenserhaltung und<br />
die Versöhnung zwischen den Menschen<br />
ein. Die Stiftung Gedenken und Frieden<br />
trägt diese Ziele in die Zukunft und gibt<br />
der Friedensarbeit in Deutschland eine<br />
breitere Basis.<br />
Kriegsgräberstätten sind überzeugende<br />
Mahnmale für den Frieden, zugleich<br />
Orte des Gedenkens und Lernorte<br />
der Geschichte. In drei Förderbereichen<br />
unterstützt die Stiftung Gedenken und<br />
Frieden die Erhaltung der Kriegsgräberstätten,<br />
das Gedenken an die Opfer von<br />
Krieg und Gewaltherrschaft und eine Jugend-<br />
und Bildungsarbeit, die der Friedenserziehung<br />
junger Menschen dient.<br />
Die Stiftung Gedenken und Frieden ist<br />
das geeignete Instrument, um die Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es nachhaltig zu fördern<br />
und sie für die Zukunft zu sichern. Mit<br />
der Stiftung können ganz spezielle Projekte<br />
direkt unterstützt werden: In Stiftungsprojekten<br />
wird zum Beispiel der<br />
Bau einer Jugendbegegnungsstätte gefördert<br />
oder der Erhalt einer Kriegsgräberstätte<br />
abgesichert. Wer auf diese Weise<br />
bleibende Symbole des Friedens schaffen<br />
will, kann auch einen Teil seines Vermögens<br />
testamentarisch den Zwecken der<br />
Stiftung Gedenken und Frieden widmen.<br />
Bei Stiftungsthemen hilft der Stifter, übergeordnete<br />
Ziele zu verfolgen. Hier steht<br />
die Durchsetzung inhaltlicher Absichten,<br />
zum Beispiel die Förderung der Jugendarbeit<br />
oder die Unterstützung der Kriegsgräberarbeit,<br />
im Vordergrund. Stiftungsthemen<br />
verlieren zu keinem Zeitpunkt<br />
ihre Bedeutung für die Ziele des <strong>Volksbund</strong>es.<br />
Es gibt viele Möglichkeiten, die Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es über die Stiftung zu unterstützen:<br />
Mit Spenden wird die Arbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es zeitnah gefördert. Zu-<br />
3 Förderbereiche Stiftungsentwicklung<br />
stiftungen wirken bis in ferne Zukunft<br />
und bleiben unangetastet erhalten. Mit<br />
einer einmaligen Zustiftung eines größeren<br />
Betrages kann man den <strong>Volksbund</strong><br />
mit den Kapitalerträgen vergleichbar zu<br />
einem heutigen Förderbetrag auf Dauer<br />
unterstützen. Nur die Zinserträge fließen<br />
dem Stiftungszweck zu.<br />
Projektförderung – Gedenken gestalten<br />
und Frieden fördern<br />
Seit ihrer Gründung wurden in den<br />
Jahren 2001 bis 2008 von der Stiftung Gedenken<br />
und Frieden über eine Million<br />
Euro für wichtige Projekte bereitgestellt.<br />
Jährlich übernimmt die Stiftung bei<br />
durchschnittlich 40 Projekten des <strong>Volksbund</strong>es<br />
oder Projekten, an deren Umsetzung<br />
der <strong>Volksbund</strong> beteiligt ist, bis zu<br />
45 Prozent der ihr gegenüber nachgewiesenen<br />
Projektkosten.<br />
So hat die Stiftung zum Beispiel 2008<br />
unter dem Stiftungsthema Kriegsgräberstätten<br />
18 Projekte gefördert, bei denen<br />
Pflege- und Ausbaumaßnahmen vorwiegend<br />
in Osteuropa mitfinanziert wurden.<br />
Im Stiftungsthema Gedenkkultur wurde<br />
neben kleineren Veranstaltungen die Organisation<br />
der zentralen Ge denkveranstaltung<br />
zum Volkstrauertag in Berlin un -<br />
terstützt. Insgesamt wurden 20 Jugendprojekte<br />
und Workcamps in ganz Europa<br />
unter dem Stiftungsthema Friedenserziehung<br />
durch Jugendarbeit gefördert. In<br />
29 Projekten wurden Schüler fahrten und<br />
die Herstellung von Arbeitsmaterialien<br />
zur Unterrichtsgestaltung an Schulen<br />
zum Thema Frieden durch Fördermittel<br />
im Stiftungsthema Friedens erziehung<br />
mittels Bildungsarbeit ermöglicht. Neben<br />
vielen kleinen Projekten unterstützt die<br />
Stiftung jedes Jahr besonders die Pflege<br />
und Erhaltung der Kriegsgräberstätte<br />
St. Petersburg-Sologubowka/Russ land<br />
und den Betrieb der Jugendbegegnungsstätte<br />
Golm/Deutschland.<br />
Stiftungsvermögen – Engagement mit<br />
Beständigkeit<br />
Über 2 000 großzügige Stifter haben<br />
seit 2001 das Gründungskapital des<br />
<strong>Volksbund</strong>es mehr als verdreifacht. In<br />
24 zweckgebundenen Zustiftungen setzen<br />
sich einige Stifter mit über 1,2 Millionen<br />
Euro für ganz bestimmte Projekte im<br />
<strong>Volksbund</strong> wie zum Beispiel die Erhaltung<br />
einer Kriegsgräberstätte oder die<br />
Jugendarbeit ein.<br />
<strong>Das</strong> Stiftungskapital soll heute wie in<br />
ferner Zukunft seinen Zweck erfüllen. Daher<br />
folgt die Vermögensanlage der Optimierung<br />
von Vermögenserhaltung und<br />
Ertragsausschüttung für den Stiftungszweck.<br />
Vor diesem Hintergrund wird<br />
auch die Kaufkraft des Stiftungskapitals<br />
im Rahmen des Möglichen erhalten. Mit<br />
dem Ziel der Realkapitalerhaltung wurden<br />
seit 2003 bei der Stiftung Gedenken<br />
und Frieden rund 200 000 Euro und bei<br />
den Unterstiftungen etwa 100 000 Euro<br />
den Stiftungskapitalien u. a. aus den Erträgen<br />
wieder zugeführt. ■<br />
Gruppenfoto aus dem Jahr 2008:<br />
<strong>Das</strong> neue Kuratorium der Stiftung Gedenken und Frieden mit Mitgliedern des Stiftungsvorstandes.<br />
Der Vorstand der Stiftung wird vom Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es [7], seinem Stellvertreter, dem Schatzmeis<br />
ter [10] und seinem Stellvertreter so wie dem Generalsekretär [5] gebildet. Zur Unterstützung beruft<br />
der Stif tungs vorstand ein ehrenamtliche Ku ratorium. Bundesminister a. D. Dr. Theodor Waigel [6] übernahm<br />
den Vorsitz von Hans Koschnick, der dieses seit Gründung der Stiftung innehatte. Neuer Stellvertreter<br />
ist General a. D. Harald Ku jat [9]. Weitere Kuratoriums-Mit glie der sind Bank vorstand a. D. Dr. Tessen<br />
von Heydebreck [3], Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama [11], Ge org Friedrich Prinz von Preußen (Chef<br />
des Hauses Hohenzollern) [2], Dr. Brigitte Seebacher (Histo ri kerin) [8], Prof. Dr. Michael Stürmer (Historiker),<br />
Prof. Dr. Karin Tomala (Historikerin) [4]. [Im Bild von links nach rechts]<br />
Stiftung<br />
Gedenken<br />
und Frieden<br />
Die Stiftung ist nicht nur über ihren Satzungszweck<br />
eng mit dem <strong>Volksbund</strong><br />
verbunden. Der Stiftungsvorstand wird<br />
von Mitgliedern des Vorstandes des<br />
<strong>Volksbund</strong>es gebildet. Die so garantierte<br />
enge Zusammenarbeit beider<br />
Organisationen spiegelt sich auch im<br />
Stiftungslogo wieder. Es enthält wesentliche<br />
Teile des <strong>Volksbund</strong>logos.<br />
Kontakt –<br />
Jeder kann stiften<br />
Wenn Sie sich nachhaltig und<br />
dauerhaft in der Stiftung für<br />
unsere Gedenk- und Friedensarbeit<br />
einsetzen wollen, wenden<br />
Sie sich bitte an:<br />
Stiftung Gedenken und Frieden<br />
Werner-Hilpert-Straße 2<br />
34117 Kassel<br />
Telefon: 0800-7777-001<br />
Telefax: 0561-7009-<strong>22</strong>1<br />
E-Mail: Info@Gedenken<br />
undFrieden.de<br />
Internet: www.Gedenken<br />
undFrieden.de<br />
Stiftungen und Spenden:<br />
Postbank Frankfurt am Main<br />
Kto: 756 180 600<br />
BLZ: 500 100 60<br />
IBAN: DE57 500 100 600<br />
756 180 600<br />
SWIFT: PBNKDEFF<br />
247
2001<br />
Anschlag auf das World Trade Center:<br />
Terroristen steuern am 11. September<br />
zwei entführte Verkehrsflugzeuge<br />
direkt in die Gebäude. Bei den anschließenden<br />
Explosionen und dem<br />
Einsturz der Zwillingstürme kommen<br />
Tausende ums Leben.<br />
248<br />
<strong>Das</strong> 21. Jahrhundert beginnt. ❑ Nach<br />
einer Grundgesetzänderung dürfen<br />
erstmals auch Frauen in der Bundeswehr<br />
den Dienst an der Waffe ausüben. ❑ Bundesregierung,<br />
Bundestag und Bundesrat<br />
beantragen beim Bundesverfassungsgericht<br />
in Karlsruhe ein Verbot der rechtsextremistischen<br />
Partei NPD. ❑ Im afghani -<br />
schen Bamiyan-Tal sprengen die Taliban<br />
zwei der größten Buddha-Statuen aus<br />
dem 5. und 6. Jahrhundert. ❑ Die russische<br />
Raumstation Mir, die 15 Jahre lang<br />
die Erde umkreiste, hat ausgedient. Am<br />
23. März nähert sie sich planmäßig der<br />
Erdatmosphäre und verglüht über dem<br />
Pazifik. ❑ In Serbien wird der ehemalige<br />
Staats präsident Slobodan Milosevic festgenommen<br />
und an den Internationalen<br />
Strafgerichtshof ausgeliefert. Milosevic,<br />
des Völkermordes angeklagt, verstirbt<br />
während des vierjährigen Prozesses im<br />
März 2006. ❑ Die Terroranschläge auf das<br />
World Trade Center in New York und das<br />
Pentagon in Washington am 11. September<br />
erschüttern die Welt. Über 3 000 Men-<br />
schen sterben. Die USA machen die transnationale<br />
Terrorgruppe Al-Kaida unter<br />
Führung von Osama bin Laden für die<br />
Anschläge verantwortlich. Da die in Afghanistan<br />
regierenden Taliban der Al-<br />
Kaida Unterschlupf gewähren, beginnen<br />
die USA und ihre Verbündeten mit der<br />
Invasion des Landes. Am Ende des Jahres<br />
ist Afghanistan vom islamisch-fundamentalistischen<br />
Talibanregime befreit, aber<br />
noch lange nicht befriedet. ❑ Am 27. September<br />
erschießt der geistig verwirrte<br />
Fried rich Leibacher in der schweizerischen<br />
Kantonstadt Zug 14 Minister und<br />
Parlamentarier, verletzt weitere zwölf<br />
Per sonen und tötet sich anschließend<br />
selbst. ❑ Durch den Zusammenstoß<br />
zweier Lastwagen kommt es im Gotthardtunnel<br />
zu einem Brand, bei dem elf<br />
Menschen sterben. ❑ Mit großer Mehrheit<br />
stimmt der <strong>Deutsche</strong> Bundestag der<br />
Entsendung deutscher Streitkräfte nach<br />
Afghanistan zu und beschließt damit den<br />
ersten außereuropäischen Kampfeinsatz<br />
der Bundeswehr. ■<br />
Osama bin Laden: Der islamische Fundamentalist<br />
und Chef der Terrorgruppe Al-Kaida gilt als Hauptveranwortlicher<br />
der Anschläge vom 11. September.<br />
Die Stiftung Gedenken und Frieden<br />
wird am 6. April im Berliner Abgeordnetenhaus<br />
mit einem Startkapital von<br />
fünf Millionen <strong>Deutsche</strong> Mark ins Leben<br />
gerufen. Ihr Ziel ist die nachhaltige Förderung<br />
der <strong>Volksbund</strong>arbeit und die Sicherung<br />
der Pflege der deutschen Kriegsgrä -<br />
berstätten in aller Welt. ❑ Anfang April<br />
besuchen Bundeskanzler Gerhard Schröder<br />
und Russlands Staatsprä sident Wladimir<br />
Putin den russischen Friedhof Piskarjowskoje/St.<br />
Petersburg, um dort der Op -<br />
fer der Blockade Leningrads zu gedenken.<br />
❑ Ein Zeichen der Versöhnung setzt auch<br />
die Gedenkveranstaltung zum Kriegsende<br />
1945 am Pariser Triumphbogen: Erstmals<br />
gedenken dort Franzosen und <strong>Deutsche</strong><br />
unter Beteiligung des <strong>Volksbund</strong>es offiziell<br />
gemeinsam der Opfer der Weltkrie ge.<br />
❑ Sechs Tage später begeht die Bundesgeschäftsstelle<br />
des <strong>Volksbund</strong>es (bis 1951 in<br />
Nienburg ansässig) ihr 50-jähriges Bestehen<br />
in Kassel. ❑ Am 9. Juni übergibt der<br />
<strong>Volksbund</strong> die Anlagen in Riga und den<br />
neuen Sammelfriedhof in Riga-Beberbeki<br />
Auf dem neuen Sammelfriedhof in Riga-Beberbeki<br />
betten Soldaten der Bundeswehr am 9. Juni die ersten<br />
Kriegsopfer ein.<br />
Am <strong>22</strong>. Juni übernimmt der <strong>Volksbund</strong> den Waldfriedhof<br />
Halbe in die Pflege. Die Anlage ist eine der<br />
größten Kriegsgräberstätten Deutschlands mit über<br />
28 000 Opfern des Zweiten Weltkrieges und eines<br />
sowjetischen Internierungslagers.<br />
Zeichen der Versöhnung:<br />
Am Pariser Triumphbogen begehen<br />
Franzosen und <strong>Deutsche</strong> unter Beteiligung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es am 9. Mai<br />
erstmals gemeinsam das Gedenken<br />
an die Opfer der Weltkriege.<br />
249
Die Kriegsgräberstätte in Sewastopol-<br />
Gontscharnoje/Ukraine weiht der<br />
<strong>Volksbund</strong> am 19. September ein.<br />
250<br />
der Öffentlichkeit. In Beberbeki betten<br />
Bundeswehrsoldaten zu dem die ersten<br />
Gefallenen ein. ❑ Die Übernahme des<br />
Waldfriedhofs im brandenburgischen<br />
Halbe durch den <strong>Volksbund</strong> am <strong>22</strong>. Juni<br />
ist eines der wichtigsten Ereignisse des<br />
Jahres 2001. Halbe ist eine der größten<br />
Kriegsgräberstätten Deutschlands. Dort<br />
ruhen über 28 000 Opfer des Zweiten<br />
Weltkrieges, überwiegend im Kessel von<br />
Halbe Gefallene, aber auch hingerichtete<br />
Deserteure der Wehrmacht, Zwangsarbeiter<br />
und noch bis 1947 Verstorbene aus<br />
dem sowjetischen Speziallager Ketschendorf.<br />
Zu der beeindruckenden Gedenkveranstaltung<br />
kommen über 4 500 Teil -<br />
nehmer aus Deutschland und Russland.<br />
In seiner Ansprache sagt <strong>Volksbund</strong>präsident<br />
Karl-Wilhelm Lange: „Die Soldatenfriedhöfe<br />
in unseren Ländern gleichen<br />
aufgeschlagenen Geschichtsbüchern.<br />
Diese von Krieg gezeichnete Geschichte<br />
können wir nicht ändern – aber wir können<br />
aus ihr lernen: <strong>Das</strong>s wir uns ändern<br />
können!“ ❑ In Kiel-Möltenort erhält am<br />
12. Juli die nachgegossene Adlerfigur auf<br />
dem U-Boot-Ehrenmal ihren seit 1936 angestammten<br />
Platz zurück. Die Anlage an<br />
der Kieler Außenförde erinnert an die gefallenen<br />
U-Boot-Fahrer des Ersten und<br />
Zweiten Weltkrie ges. ❑ Im estnischen<br />
Jöhvi (4. August) und im litaui schen Vilnius-Vingio-Park<br />
(18. August) werden<br />
ebenfalls neue deutsche Kriegsgräberstätten<br />
unter großer Anteilnahme der Angehörigen,<br />
der Bevölkerung und politischen<br />
Vertretern beider Nationen eingeweiht. ❑<br />
Weitere Einweihungen gibt es am 2. Septem<br />
ber in Korpowo/Russische Föderation,<br />
am 15. Sep tember in Walachisch<br />
Meseritz (Valasske Mezirici/Tsche chische<br />
Republik) und am 19. September in Sewastopol-Gontscharnoje/Ukraine.<br />
❑ In Riga-<br />
Bikernieki/Lettland folgt am 30. November<br />
unter Betei ligung der lettischen Staats -<br />
präsidentin Vaira Vike-Freiberga und des<br />
lettischen Ministerpräsi denten Andris<br />
Berzins die Einweihung der von der Bundesregierung<br />
und vielen deutschen Städten<br />
finanzierten Gräber- und Gedenk stätte<br />
für deportierte und ermordete deutsche,<br />
österreichische sowie tschechoslowakische<br />
Juden. Gedenkplatz, Namenschrein<br />
und vor allem die 5 000 Steine symbolisieren<br />
dabei die Schreie der schuldlos Getöteten<br />
und weisen darauf hin, dass der<br />
gesamte Platz ein Hinrichtungsort war. ■<br />
Riga-Bikernieki in Lettland – die Gedenkstätte für deportierte<br />
und ermordete Juden wird am 30. November<br />
eingeweiht.<br />
In Kiel-Möltenort wird die nachgegossene Adlerfigur<br />
am 12. Juli auf dem U-Boot-Ehrenmal installiert. Die<br />
alte Figur war nicht mehr standsicher und musste abgenommen<br />
werden.<br />
Die 5 000 Granitsteine der<br />
Gedenkstätte Riga-Bikernieki<br />
symbolisieren die Notschreie der<br />
ermor deten Juden.<br />
251
2002<br />
Abschied von der D-Mark:<br />
Die Europäischen Union führt in<br />
Deutschland und elf weiteren Mitgliedsstaaten<br />
den Euro als gemeinsame<br />
Währung ein.<br />
Kurze Pause für die freiwilligen Helfer,<br />
die Sandsäcke zum Schutz gegen<br />
die Wassermassen aufschichten. <strong>Das</strong><br />
Hochwasser geht als Jahrhundertflut<br />
in die Geschichtsbücher ein.<br />
252<br />
In zwölf Staaten der Europäischen<br />
Union wird der Euro als gemeinsame<br />
Währung eingeführt. ❑ Als erster<br />
Skispringer gewinnt Sven Hannawald<br />
alle vier Einzelspringen der Vierschanzentournee.<br />
❑ Die US-Regierung interniert<br />
Terrorverdächtige in einem Militär -<br />
gefängnis in Guantánamo Bay. Die in diesem<br />
Gefangenenlager verübten Menschenrechtsverletzungen<br />
verurteilt Am nesty<br />
Internatio nal auf das Schärfste. ❑ Beim<br />
Aufbau der Polizei in Afghanistan über-<br />
nimmt Deutschland eine führende Rolle.<br />
❑ Die rot-grüne Bundesregierung beschließt<br />
den Atom ausstieg bis 2021. ❑<br />
Die Terrorgruppe Al-Kaida verübt am<br />
11. April einen Bomben anschlag im tunesischen<br />
Djerba. Getötet werden 19 Menschen,<br />
darunter 14 <strong>Deutsche</strong>. ❑ Der<br />
Amok lauf von Erfurt: Mit einer Handfeuerwaffe<br />
tötet der 19-jährige Robert Steinhäuser<br />
im Gutenberg-Gymnasium zwei<br />
Schüler und vierzehn Lehrer. ❑ Im Mai<br />
wird der Vertrag zur Reduzierung strategischer<br />
Offensivwaffen von Russland und<br />
den USA unterzeichnet. Einen Monat später<br />
treten die USA einseitig vom 1972 abgeschlossenen<br />
ABM-Vertrag zurück, der<br />
die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen<br />
vorsah. ❑ Bei der Fußball-WM in<br />
Japan und Südkorea gewinnt Brasilien im<br />
Endspiel gegen Deutschland mit 2:0. ❑<br />
Am 1. Juli stoßen ein russisches Passagierflugzeug<br />
und eine Frachtmaschine in<br />
11 000 Metern Höhe über dem Bodensee<br />
zusammen und stürzen ab. Insgesamt<br />
sterben 71 Menschen. ❑ Starke Regenfälle<br />
lassen im August die Wasserstände von<br />
Elbe und Donau extrem stark ansteigen.<br />
<strong>Das</strong> Jahrhunderthochwasser verursacht<br />
Milliardenschäden. ❑ Bei den Wahlen<br />
zum 15. Bun destag wird die rot-grü ne<br />
Regierungskoalition unter Bundeskanzler<br />
Gerhard Schröder mit einer hauchdünnen<br />
Mehrheit bestätigt. ❑ Bei einem Terroranschlag<br />
im indonesischen Kuta sterben<br />
über 200 Menschen. ❑ In Moskau nehmen<br />
tschetschenische Rebellen knapp tausend<br />
Geiseln. Bei der Befreiungsaktion gibt es<br />
über hundert Opfer. ■<br />
Die neue Autorenbuchreihe „Erzählen<br />
ist Erinnern“ gibt ab Jahresanfang<br />
den Erinnerungen von Kriegsteilnehmern<br />
oder ihren Kindern Raum. ❑ Hans Kosch -<br />
nick, ehemaliger Bremer Bürgermeister<br />
und Bosnien-Beauftragter der Bundesregierung,<br />
wird am 21. Mai erster Kuratoriumsvorsitzender<br />
der im Vorjahr gegrün -<br />
deten Stiftung Gedenken und Frieden. ❑<br />
Hochrangiger Be such auf der deutschen<br />
Kriegsgräberstätte in Ljubljana am 29. Mai:<br />
Bundespräsident Johannes Rau legt dort<br />
gemeinsam mit dem slowenischen Staatspräsidenten<br />
Milan Kučan einen Kranz für<br />
alle Opfer der Weltkriege nieder. Die Anlage<br />
wird drei Tage später, am 1. Juni, offiziell<br />
eingeweiht. ❑ Ihr 20-jähriges Beste -<br />
hen begeht die Jugendbegegnungs- und<br />
Bildungs stätte des Volks - bundes in Ysselsteyn/Niederlande.<br />
Dieses Jubiläum wird<br />
unter Beteiligung hunderter Gäste am<br />
<strong>22</strong>. Juni mit dem „Tag der Begegnung“<br />
und der Aktion „Blumen gegen das Vergessen“<br />
gewürdigt. Dabei schmücken Jugendliche<br />
3 000 Gräber von unbekannten<br />
Auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Ljubljana<br />
legen Bundespräsident Johannes Rau und der slowenische<br />
Staatspräsident Milan Kučan einen Kranz für<br />
alle Opfer der Weltkriege nieder. Die Anlage wird<br />
am 1. Juni offiziell eingeweiht.<br />
In Polen wird die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
Groß-Nädlitz (Nadolice Wielkie/Polen) am<br />
5. Oktober der Öffentlichkeit übergeben.<br />
Den Soldatenfriedhof Heiligenbeil<br />
(Mamonowo/Russische Föderation)<br />
im ehemaligen Ostpreußen weiht der<br />
<strong>Volksbund</strong> am 29. Juni ein.<br />
253
Die Kriegsgräberstätte Rshew/<br />
Russische Föderation weiht der<br />
<strong>Volksbund</strong> am 28. September ein.<br />
254<br />
Sol daten. „Die Jugendbegegnungsstätten<br />
des <strong>Volksbund</strong>es stellen einen positiven<br />
Ansatz für das friedliche Zusammenwachsen<br />
Euro pas dar. Sie tragen zur Annäherung<br />
Jugendlicher verschiedener Natio -<br />
nen bei und leisten damit einen aktiven<br />
Beitrag zur Friedenserziehung über die<br />
Landesgrenzen hinweg,“ sagt Renate Hen -<br />
dricks, die Vorsitzende des Bundeselternrates.<br />
❑ Die Kriegsgräberstätte Smolensk<br />
weiht der <strong>Volksbund</strong> am 15. Juni ein, die<br />
Anlage in Heiligenbeil im ehemaligen Ost-<br />
preußen (Mamonowo/Russische Föderation)<br />
am 29. Juni. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />
am 4. Juli eine Entschließung, in<br />
der sie den Anspruch des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />
nachhaltige finanzielle Unterstützung seitens<br />
der Bundesrepublik Deutschland anerkennt.<br />
Die Bundestagsfraktionen bestä -<br />
tigen dem <strong>Volksbund</strong>, dass er die „Aufga -<br />
be zur Fürsorge für die Gräber der Ge fal -<br />
lenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges<br />
und für die Opfer rassistischer sowie politischer<br />
Verfolgung im Ausland” im staatlichen<br />
Auftrag wahrnimmt. ❑ 2 000 Gäste<br />
kommen am 28. September zur Einweihung<br />
der Kriegs gräberstätte Rshew/Russische<br />
Föderation. Sie ist ein Zeichen der<br />
Versöhnung, da an diesem Tag auch der<br />
russi sche Friedhof in einem gemeinsamen<br />
Festakt seiner Bestimmung übergeben<br />
wird. In Polen wird die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
Groß-Nädlitz (Nadolice Wielkie)<br />
am 5. Oktober, zwei Wo chen spä ter<br />
die Anlage in Budaörs/Ungarn, beide un -<br />
ter großer Anteilnahme der Bevölkerung,<br />
eingeweiht. Zu beiden Kriegsgrä berstätten<br />
gehört auch ein Friedenspark. Dort<br />
können Angehörige in Geden ken an ihre<br />
Lieben einen Baum stiften oder eine Pflegepatenschaft<br />
übernehmen. ❑ Der Bundes<br />
vertretertag des <strong>Volksbund</strong>es wählt<br />
den Berliner Landesvorsitzenden Reinhard<br />
Führer am <strong>22</strong>. November als Nachfolger<br />
von Karl-Wilhelm Lange zum neu -<br />
en Präsidenten. Reinhard Führer war von<br />
1999 bis 2001 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.<br />
■<br />
Reinhard Führer (links) löst Karl-Wilhelm Lange als<br />
Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es ab.<br />
Der Bundestag verabschiedet am 4. Juli eine<br />
Entschließung, in der dem <strong>Volksbund</strong> offiziell die<br />
staatliche Aufgabe zur Fürsorge für die Gräber der<br />
Weltkriege bestätigt und zugleich finanzielle<br />
Unterstützung zusagt wird.<br />
Über 30 000 Kreuze mahnen auf<br />
der deutschen Kriegsgräberstätte<br />
Ysselsteyn in den Niederlanden<br />
zum Frieden.<br />
255
2003<br />
Start des Space Shuttle Columbia:<br />
Beim späteren Landeanflug auf Cape<br />
Canaveral wird es zerstört (Foto unten).<br />
Verhaftet: Der irakische Diktator<br />
Saddam Hussein wird von amerikanischen<br />
Soldaten in einem Erdloch<br />
aufgespürt. <strong>Das</strong> Foto zeigt ihn während<br />
der ärztlichen Untersuchung.<br />
256<br />
Auf ihrem Rückweg zur Erde explodiert<br />
die amerikanische Weltraumfähre<br />
Columbia. Alle Besat zungs mitglie -<br />
der kommen dabei ums Leben. ❑ Ohne<br />
UN-Mandat beginnen die USA im März<br />
den Militäreinsatz gegen den Irak, den<br />
dritten Golfkrieg. Der amerikanische Präsident<br />
George W. Bush begründet den<br />
Angriff damit, dass das Land im Besitz<br />
von Massenvernichtungswaffen sei. Ge -<br />
gen diesen Krieg demonstrieren weltweit<br />
Millionen von Men schen. Zum 40. Jahres-<br />
tag des Elysée-Vertrags erklären Bundeskanzler<br />
Gerhard Schröder und der französische<br />
Staatspräsident Jaques Chirac<br />
öffentlich ihren Widerstand gegen einen<br />
Militäreinsatz der USA im Irak und verweigern<br />
sich der „Koalition der Willigen“<br />
(US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld).<br />
Unter der militärtechnischen Übermacht<br />
der USA bricht der Widerstand der<br />
irakischen Streitkräfte rasch zusammen.<br />
Bereits Mitte April ist die iraki sche Armee<br />
besiegt. Der irakische Staats präsident<br />
Saddam Hussein taucht unter. Er wird<br />
schließlich im Dezember von den Besatzungstruppen<br />
in einem Erdloch aufgespürt<br />
und verhaftet. ❑ Am ersten bun desweiten<br />
Ökumenischen Kirchentag in Berlin<br />
nehmen rund 200 000 Menschen teil.<br />
❑ Nach 20-jähriger Rekonstruktionsarbeit<br />
ist der originalgetreue Nachbau des verschollenen<br />
Bernsteinzimmers im Katharinenpalast<br />
bei Sankt Petersburg fertigge -<br />
stellt. ❑ Bei einem Selbstmordan schlag<br />
auf einen Bus in der afghanischen Haupt -<br />
stadt Kabul sterben vier deutsche Soldaten.<br />
❑ In Mexiko läuft der letzte VW-Käfer<br />
vom Band. ❑ Die NATO übernimmt die<br />
von den Vereinten Nationen geführte Internationale<br />
Schutztruppe für Afghanis -<br />
tan (ISAF) in Kabul. ❑ Bei einem Terror -<br />
anschlag eines Selbstmordattentäters auf<br />
das UNO-Hauptquartier in Bagdad stirbt<br />
der UN-Son der gesandte Sérgio Vieira de<br />
Mello. ❑ Nach den Wahlen in Georgien<br />
bezichtigt die Opposition den Präsidenten<br />
Eduard Scheward nadse des Wahlbetrugs.<br />
Die folgenden Unruhen zwingen<br />
ihn schließlich zum Rücktritt. ■<br />
Die deutsch-französische Freundschaft<br />
steht zu Beginn des Jahres im<br />
Blickpunkt: Denn vor 40 Jahren haben<br />
Frankreichs Staatschef Charles de Gaulle<br />
und Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />
den Elysée-Vertrag unterzeichnet. Dem<br />
Geist dieser Vereinbarung folgten der<br />
<strong>Volksbund</strong> und seine Förderer seither im<br />
Zeichen von Frieden und Versöhnung. Besonders<br />
die internationalen Jugendlager<br />
sowie die ständig wachsende Zahl von<br />
Städtepartnerschaften zwischen Deutschland<br />
und Frankreich belegen dies. ❑ Ende<br />
März wird der Vertrag über die Errichtung<br />
einer Kriegsgräberstätte in Berjosa/<br />
Belarus (Weißrussland) abgeschlossen.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> beginnt umgehend mit<br />
den Bauarbeiten für den ersten Sammelfriedhof<br />
in Belarus. ❑ Am 23. Mai wird<br />
die neue Kriegsgräberstätte in Siauliai<br />
(Schaulen/Litauen) eingeweiht. Zwei Ta -<br />
ge später gedenken die Trauergäste auch<br />
der Opfer des Untergangs der „Füsilier“<br />
und weiterer Schiffskatastrophen zwischen<br />
Kurischem Haff und Rigaer <strong>Buch</strong>t<br />
mit der Einweihung des Gedenksteins auf<br />
der Kriegsgräberstätte Klaipeda (Memel/<br />
Litauen). ❑ Die Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />
Olmütz (Olomouc/Tschechische<br />
Republik) folgt am 13. Juni unter<br />
Der <strong>Volksbund</strong> blickt am 13. September im belgischen<br />
Lommel auf 50 Jahre Jugendarbeit zurück<br />
(Foto unten).<br />
1953 gab es hier das erste Jugendlager (Foto rechts).<br />
Zugleich begeht die gleichnamige Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätte ihr zehnjähriges Bestehen.<br />
<strong>Das</strong> Foto links zeigt die ersten Einbettungen<br />
auf der Kriegsgräberstätte<br />
Berjosa in Weißrussland (Belarus).<br />
257
258<br />
großer Beteiligung der Angehörigen. ❑<br />
Die neue Kriegsgräberstätte Bartossen<br />
(Bartosze/Polen) wird am 9. August eingeweiht,<br />
die Kriegs gräberstätte Königsberg<br />
(Kaliningrad/Russische Föderation)<br />
weiht der <strong>Volksbund</strong> am 23. August ein.<br />
Neben den deutschen Gefallenen wird<br />
hier auf einer Ge denktafel auch an 3 000<br />
russische Opfer der Kämpfe um Königsberg<br />
erinnert. ❑ Auf der Kriegsgräberstätte<br />
Mont-de-Huisnes wird am 6. Septem<br />
ber der Einweihung des Friedhofs vor<br />
40 Jahren gedacht. ❑ 50 Jahre Jugendarbeit<br />
feiert der <strong>Volksbund</strong> kurz da rauf am<br />
13. September in Lommel/Belgien. Hier<br />
hat 1953 das erste Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es<br />
seine Zelte aufgeschlagen. Inzwischen<br />
sind es (bis 2003) insgesamt über<br />
4 300 Workcamps. Zugleich begeht die<br />
gleichnamige Jugendbegegnungs- und<br />
Bildungsstätte ihr zehnjähriges Bestehen.<br />
❑ Die Kirche Mariä Him melfahrt in<br />
St. Petersburg-Sologubowka/Russische<br />
Föderation wird dank der großzügigen<br />
Spenden der Förderer des <strong>Volksbund</strong>es<br />
am 20. September nach der Grundsa nierung<br />
wieder eingeweiht. „Dies ist ein einzigartiges<br />
Ereig nis in der Geschichte der<br />
deutsch-russischen Beziehungen und ein<br />
wichtiger Meilenstein in der Entwicklung<br />
von Verständigung und Zusammenarbeit<br />
unserer Völker“, sagt der St. Pe tersburger<br />
Metropolit Vladimir. ❑ Am 8. Dezember<br />
setzt Mecklenburg-Vorpommerns Landtagspräsidentin<br />
Sylvia Bretschneider den<br />
ersten Spatenstich zum Bau der Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätte am Golm<br />
auf Usedom. ■<br />
Am 23. Mai weiht der <strong>Volksbund</strong> die neue deutsche<br />
Kriegsgräberstätte in Siauliai (Schaulen/Litauen) ein.<br />
Die Kriegsgräberstätte Königsberg (Kaliningrad/<br />
Russische Föderation) übergibt der <strong>Volksbund</strong> am<br />
23. August seiner Bestimmung. Viele Gäste der<br />
Einweihungsfeier nutzen dabei ihren Besuch in der<br />
ehemaligen Hauptstadt Ostpreußens, um dort den<br />
berühmten Dom zu besichtigen (Foto links).<br />
Im neuen Glanz: Die durch Spenden<br />
der <strong>Volksbund</strong>-Förderer<br />
restaurierte Kirche Mariä Himmelfahrt<br />
wird in St.-Petersburg-Sologubowka<br />
am 20. September wieder<br />
eingeweiht.<br />
259
2004<br />
60. Jahrestag der Landung in der<br />
Normandie: Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder besucht den britischen Soldatenfriedhof<br />
Ranville, wo auch<br />
deutsche Gefallene beerdigt sind.<br />
Die Olympischen Sommerspiele von<br />
Athen: <strong>Das</strong> Foto zeigt den deutschen<br />
Springreiter Marco Kutscher.<br />
260<br />
US-Präsident George W. Bush räumt<br />
ein, aufgrund von Geheimdienstberichten<br />
vor dem Irakkrieg die Existenz<br />
von Massenvernichtungswaffen falsch<br />
eingeschätzt zu haben. ❑ Bei Bombenanschlägen<br />
in Bagdad und Kerbela sterben<br />
mehr als 270 Menschen. ❑ Gerhard Schrö -<br />
der nimmt als erster deutscher Bundeskanzler<br />
an den Gedenkfeiern zum Jahrestag<br />
der alliierten Landung in der Norman -<br />
die teil. ❑ Bei Bombenanschlägen auf Nah -<br />
verkehrszüge in Madrid werden 192 Men -<br />
schen getötet und rund 1 800 verletzt. ❑<br />
Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien,<br />
die Slowakische Republik und<br />
Slowe nien treten der NATO bei. ❑ Die<br />
unmenschliche Behandlung irakischer<br />
Häftlinge im US-Militärgefängnis Abu<br />
Ghraib nahe Bagdad schockiert die Weltöffentlichkeit.<br />
❑ Die Europäische Union<br />
nimmt zehn Staaten als neue Mitglieder<br />
in ihre Gemeinschaft auf: Estland, Lettland,<br />
Litauen, Malta, Po len, die Slowakische<br />
Republik, Slowenien, die Tschechi -<br />
sche Republik, Ungarn und Zypern. ❑<br />
Prof. Dr. Horst Köhler wird von der Bundesversammlung<br />
in Berlin zum neuen<br />
Bundespräsidenten gewählt. ❑ Tschet -<br />
schenische Terro risten besetzen in Beslan<br />
im russischen Nordos setien eine Schule<br />
und bringen über 1 000 Menschen in ihre<br />
Gewalt. Im Zuge der Geiselbefreiung<br />
durch russische Spezialeinheiten kommt<br />
es zu zahlreichen Toten und Verletzten. ❑<br />
In Athen beginnen die 28. Olym pischen<br />
Spiele. ❑ Aus gelöst durch einen Kabelbrand<br />
vernichtet ein Feuer in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek<br />
in Weimar<br />
tausende wertvolle Bücher. ❑ Bei den<br />
Wahlen in den USA wird George W. Bush<br />
erneut zum Präsidenten gewählt. ❑ Zur<br />
Unterstützung der Friedensmission im<br />
Sudan entsendet die Bundesregie rung<br />
drei Transportflugzeuge und 200 Soldaten.<br />
❑ Die Flutkatastrophe am 26. Dezember<br />
2004 in Süd- und Südostasien kostet<br />
nach Schätzungen über 230 000 Menschen<br />
das Leben. In Deutschland spenden wie<br />
überall in der Welt viele Menschen für die<br />
hilf losen Opfer. ■<br />
Im März steht dank des Engagements<br />
der <strong>Volksbund</strong>förderer der<br />
erste Granitwürfel der Aktion „Namen für<br />
Rossoschka.“ So werden den Vermissten<br />
der Kämpfe um Stalingrad ihr Namen zurückgegeben<br />
– und den Angehörigen ein<br />
Ort der Trauer. ❑ Am 8. Mai – Jahrestag<br />
des Kriegsendes 1945 in Europa – werden<br />
in Halbe südlich Berlin die Gedenktafeln<br />
für die über 4 600 hier ruhenden Opfer des<br />
sowjetischen Speziallagers Nummer 5 in<br />
Ketschendorf eingeweiht. An den 60. Jahrestag<br />
der Schlacht um Monte Cassino<br />
wird am 19. Mai, an die alliierte Landung<br />
in der Normandie am 29. Mai in La Cam -<br />
be erinnert. Zu dieser Veranstaltung organisiert<br />
der <strong>Volksbund</strong> ein internationales<br />
Workcamp, dessen Teilnehmer an der beeindrucken<br />
Gedenkzeremonie mitwirken<br />
und später mit Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder zusammentreffen. „Uns verbindet<br />
heute mehr als uns trennt: Wünsche,<br />
Hoffnungen, aber auch Sorgen. Wir sind<br />
dankbar und froh, dass wir uns 60 Jahre<br />
nach der Landung der Alliierten als<br />
Auch ehemalige französische Kriegsteilnehmer kommen<br />
zur Gedenkfeier anlässlich der Landung in der<br />
Normandie vor 60 Jahren auf die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
in La Cambe (Foto rechts unten).<br />
Die ersten von heute 120 Würfeln der Aktion<br />
„Namen für Rossosch ka“ werden aufgestellt. Auf<br />
ihnen finden sich die Namen der Vermissten aus den<br />
Kämpfen um das ehemalige Stalingrad (Wolgograd/<br />
Russische Föderation).<br />
Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag<br />
der Schlacht um Monte Cassino<br />
am 19. Mai (Foto links).<br />
Die Bremer Musikschau der Nationen<br />
feiert unter den Augen von 37 000<br />
Konzertgästen ihre 40. Auflage.<br />
Die spätere Fernsehübertragung in<br />
den Dritten Programmen erreicht<br />
über fünf Millionen Zuschauer.<br />
261
Die Gedenktafeln für die über 4 600<br />
Opfer des sowjetischen Speziallagers<br />
Nummer 5 (bei Ketschendorf) weiht<br />
der <strong>Volksbund</strong> unter großer Anteilnahme<br />
der Angehörigen ein.<br />
262<br />
Freunde respektvoll begegnen können“,<br />
heißt es in der Ansprache der Jugendlichen<br />
aus vier Nationen. Wenig später besucht<br />
auch der damalige Kardinal und<br />
spätere Papst Joseph Ratzinger den deutschen<br />
Friedhof in La Cambe. In seiner<br />
Gedenkrede in Caen erneuert der fran -<br />
zösische Staatspräsident Jacques Chirac<br />
die Friedensbotschaft Albert Schweitzers:<br />
„Der Europagedanke, die Projekte, die ihn<br />
verkörpern, all dies nahm in Wirklichkeit<br />
hier seinen Anfang. Diese Gedenkfeier<br />
legt vor aller Welt Zeugnis davon ab, dass<br />
kein Konflikt, sei er auch noch so schmerzhaft<br />
und tief, eines Tages nicht dem Dialog<br />
und der Verständigung weichen kann.<br />
Es gibt immer einen Weg, der zum Frieden<br />
führt.“ ❑ Kurz nach seiner Wahl am<br />
23. Mai zum neunten Bundespräsidenten<br />
der Bundesrepublik Deutschland übernimmt<br />
Prof. Dr. Horst Köhler in der Tradition<br />
seiner Vorgänger die Schirmherr -<br />
schaft über den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />
Kriegsgräberfürsorge. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
übergibt am 26. Juni in der ukrainischen<br />
Hauptstadt Kiew die Namenplatten mit<br />
den Lebensdaten der Weltkriegsopfer der<br />
Öffentlichkeit. Es folgen die Einweihungen<br />
der neuen Kriegsgräberstätten in Daugavpils<br />
(Dünaburg/Lettland) am 9. Juli, in<br />
Jelgava (Mitau/Lettland) am 11. Juli. ❑ Im<br />
französischem Champigny-St. André veranstaltet<br />
der <strong>Volksbund</strong> am 25. September<br />
eine Gedenkfeier anlässlich des 40-jährigen<br />
Bestehens der Kriegsgräberstätte. Die<br />
Anlagen in Presov/Slowakische Republik<br />
und Posen (Poznan/Polen) hat der <strong>Volksbund</strong><br />
vor zehn, den Soldatenfriedhof in<br />
Retz/Österreich vor 25 Jahren eingeweiht.<br />
❑ Zum Volkstrauertag verteilen Dortmunder<br />
Schüler auf der Kriegsgräberstätte<br />
Ysselsteyn in den Niederlanden<br />
10 000 Kerzen und erinnern damit an alle<br />
Opfer von Krieg und Gewalt. ■<br />
Lichternacht auf der Kriegsgräberstätte<br />
Ysselsteyn in den Niederlanden:<br />
Schüler der Dortmunder<br />
Heinrich-Heine-Schule verteilen<br />
10 000 Kerzen auf dem Friedhof<br />
und erinnern damit an alle Opfer<br />
von Krieg und Gewalt.<br />
263
2005<br />
Aus der Ferne mag dieses Bild des<br />
Hurricans Katrina reizvoll sein – für<br />
die Menschen ist es jedoch eine der<br />
schlimmsten Naturkatastrophen.<br />
Wir sind Papst: Mit dieser Schlagzeile<br />
beschreibt eine Tageszeitung<br />
die Freude über die Wahl von<br />
Joseph Ratzinger zum neuen Papst.<br />
264<br />
In Deutschland startet im Rahmen<br />
der Sozialreformen die Einführung<br />
des Arbeitslosengeldes II (ALG II). Die<br />
Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit –<br />
Die Wahlalternative (WASG) wird gegründet.<br />
❑ <strong>Das</strong> Unternehmen Toll Collect<br />
nimmt den Betrieb des LKW-Mautsys -<br />
tems auf. ❑ Am 2. April stirbt Papst Johannes<br />
Paul II. im Alter von 84 Jahren.<br />
Joseph Alois Ratzinger wird als Papst Benedikt<br />
XVI. neues Oberhaupt der Römisch-katholischen<br />
Kirche. ❑ In Berlin<br />
wird das große Stelenfeld für die ermordeten<br />
Ju den Europas eingeweiht. ❑ Der<br />
ehemalige Bundesvorsitzen de der SPD,<br />
Oskar Lafontaine, tritt aus der Partei aus.<br />
Bun deskanzler Gerhard Schröder stellt<br />
im <strong>Deutsche</strong>n Bundestag die Vertrauensfra<br />
ge und verliert die Abstimmung. Bundespräsident<br />
Köhler löst daraufhin den<br />
Bundestag auf und ordnet Neuwahlen<br />
an. ❑ Anfang Juli verüben Terroristen in<br />
Lon don Bom benanschläge. Nur zwei Wochen<br />
später sterben bei ei nem Terrorattentat<br />
im ägyptischen Badeort Scharm el<br />
Scheich über 80 Personen. ❑ In New Orleans<br />
verursacht der Hurrikan Katrina<br />
Milliardenschäden; ca. 2 000 Men schen<br />
sterben. ❑ Die Dresdener Frau enkirche,<br />
1945 bei Luftangriffen zerstört, ist wieder<br />
aufgebaut und wird eingeweiht. ❑ Ab<br />
Ende Oktober bis Mitte November kommt<br />
es zu heftigen Unruhen und Ausschreitungen<br />
re bellierender Jugendlicher in den<br />
Vorstädten von Paris und weiteren französischen<br />
Großstädten. ❑ Die CDU/CSU<br />
gewinnt bei den Wahlen zum 16. Bun destag<br />
knapp vor der SPD. Eine Große Koalition<br />
wird gebildet und Dr. Angela Merkel<br />
(CDU) zur Bundeskanzlerin gewählt. ❑<br />
Im Irak wird die deutsche Archäologin<br />
Susanne Osthoff entführt, dann aber nach<br />
vier Wochen wieder freigelassen. ■<br />
Bundespräsident und <strong>Volksbund</strong>schirmherr<br />
Prof. Dr. Horst Köhler besucht<br />
am 24. September die neue Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätte des<br />
<strong>Volksbund</strong>es am Golm bei Kamminke auf<br />
der Insel Usedom. Dabei lobt Köhler besonders<br />
die Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
und wirbt für mehr deutsch-polnischen<br />
Austausch. Begegnungsstätten wie die in<br />
Kamminke seien dazu hervorragend geeignet.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat die jüngste seiner<br />
insgesamt vier Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätten am 12. März eröffnet.<br />
Sie soll Kontakte zwischen jungen <strong>Deutsche</strong>n<br />
und Polen fördern. ❑ 50 Jahre Partnerschaft<br />
von <strong>Volksbund</strong> und Bundeswehr<br />
– unter diesem Motto stehen im Jahr<br />
2005 die etwa 100 Arbeitseinsätze, die von<br />
den freiwilligen Helfern in Uniform geleistet<br />
werden. Dazu kommt das Engagement<br />
der Soldatinnen und Soldaten bei<br />
der Sammlung, den Workcamps oder Gedenkveranstaltungen.<br />
Zudem haben viele<br />
Einheiten der Bundeswehr Patenschaften<br />
Zum 50-jährigen Bestehen der<br />
Kriegsgräberstätte Sandweiler in<br />
Luxemburg hält der luxemburgische<br />
Premierminister Jean-Claude Juncker<br />
die Gedenkrede.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> eröffnet am 12. März<br />
die jüngste seiner insgesamt vier<br />
Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />
am Golm auf der Ostseeinsel<br />
Usedom. Bundespräsident Horst<br />
Köhler (im Bild rechts mit jungen<br />
<strong>Deutsche</strong>n und Polen) besucht im<br />
September die Anlage an der<br />
deutsch-polnischen Grenze.<br />
265
Schwerstarbeit leisten die jugend -<br />
lichen Teilnehmer des zehnten Workcamps<br />
in Lamsdorf (Lambinowice/<br />
Polen).<br />
Sie wollen nicht vergessen – aber<br />
sich versöhnen: Kriegsteilnehmer aus<br />
Deutschland und der ehemaligen<br />
Sowjetunion.<br />
266<br />
für bestimmte Kriegsgräberstätten übernommen.<br />
❑ Die große Gedenkveranstaltung<br />
des <strong>Volksbund</strong>es zum 60. Jahrestag<br />
des Kriegsendes in Europa findet bereits<br />
am 30. April auf den russischen und deutschen<br />
Kriegsgräberstätten in Baruth und<br />
Halbe statt. ❑ Rainer Ruff ist neuer Generalsekretär<br />
des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />
veranstaltet auf etlichen Kriegsgräberstätten<br />
Gedenk feiern anlässlich der<br />
runden Jubiläen ihrer Ein weihung: Fortde-Malmaison/Frankreich<br />
(40 Jahre),<br />
Veszprem/Ungarn (10 Jahre), Bergheim/<br />
Elsass, Frankreich (30 Jahre) sowie Tobruk/Libyen<br />
(50 Jahre). Zum 50-jährigen<br />
Bestehen der Kriegsgräberstätte Sandweiler<br />
in Luxemburg hält Premierminister<br />
Jean-Claude Juncker eine denkwürdige<br />
Ansprache. ❑ Schon zum 30. Mal findet in<br />
Hannover die „Musikparade der Nationen“<br />
statt. ❑ Ein weiteres wichtiges Ereignis<br />
ist die Einbettung der ersten Kriegs -<br />
toten in Apscheronsk/Kaukasus, Russische<br />
Föderation am 30. August unter Beteiligung<br />
von Generalinspekteur Wolf -<br />
gang Schneiderhan. 1 000 Weltkriegsopfer<br />
erhalten an diesem Tag ihre letzte Ruhestätte,<br />
bis zu 30 000 können es einmal<br />
sein. ❑ Die neue Kriegsgräberstätte in<br />
Berjosa/Belarus (Weißrussland) wird am<br />
1. Oktober eingeweiht. Die ersten 500 Soldaten<br />
des Zweiten Weltkrieges werden<br />
dort bestattet. ❑ Millionenfach er lebten<br />
und erlitten <strong>Deutsche</strong> die Kriegs gefangenschaft;<br />
viele kehrte nicht nach Hause zurück.<br />
An ihr Schicksal erinnert am 12. Ok -<br />
tober in Friedland eine Gedenkveranstaltung<br />
zum 50. Jahrestag der Rück kehr der<br />
letzten deutschen Gefange nen aus der Sowjetunion.<br />
❑ Am 10. November erhält der<br />
<strong>Volksbund</strong> die Ehren plakette des Bundes<br />
der Vertriebenen. ■<br />
Ansprache von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />
zum 50. Jahrestag der Rückkehr der letzten deutschen<br />
Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und<br />
zum 60-jährigen Bestehen des Lagers Friedland<br />
(Seite 267: Sonderdruck des <strong>Volksbund</strong>es, Dezember<br />
2005).<br />
Auf dem Gelände des neuen Sammelfriedhofs Apscheronsk<br />
(Kaukasus/Russische Föderation) werden<br />
am 30. August in Anwesenheit von Bundeswehrgeneralinspekteur<br />
Wolfgang Schneiderhan die ersten<br />
1 000 Kriegstoten bestattet.<br />
267
2006<br />
Karikaturenstreit: Die Veröffentlichung<br />
von Mohammed-Karikaturen<br />
durch eine dänische Zeitung lösen in<br />
der islamischen Welt heftige Proteste<br />
aus (Foto ganz unten).<br />
Die Fußball-Weltmeisterschaft sorgt<br />
für Euphorie. Deutschland präsentiert<br />
sich als hervorragender Gastgeber.<br />
268<br />
Im bayerischen Bad Reichenhall<br />
stürzt das Dach der Eissporthalle<br />
ein. Dabei kommen 15 Menschen ums<br />
Leben. ❑ Der Drei-Schluchten-Staudamm<br />
in China, eine der größten Talsperren der<br />
Welt, wird in Betrieb genommen. ❑ Bei<br />
einem gewaltigen Erdbeben auf der indonesischen<br />
Insel Java sterben rund 6 000<br />
Menschen. Nur drei Wochen später wird<br />
die Insel von der Flutwelle eines Seebebens<br />
heimgesucht, die abermals mehrere<br />
hundert Todesopfer fordert. ❑ Im Liba-<br />
non kommt es zwischen Isra el und der<br />
Hisbollah zum Krieg, der am 14. August<br />
nach 33 Tagen durch einen Waffenstillstand<br />
auf Basis einer UN-Resolution beendet<br />
wird. Die Resolution fordert die<br />
Unterbindung von Waffenlieferungen an<br />
die Hisbollah und stattet die Blauhelmmission<br />
im Libanon (UNIFIL) mit einem<br />
„robusten Mandat“ aus. Die Bundeswehr<br />
beteiligt sich ab Oktober mit mehreren<br />
Marineeinheiten an der Mission. ❑ Bundesverteidigungsminister<br />
Franz Josef<br />
Jung kündigt die Errichtung eines Ehrenmals<br />
für die in Ausübung ihres Dienstes<br />
gestorbenen Bundeswehrangehörigen an.<br />
<strong>Das</strong> Denkmal soll auf dem Gelände des<br />
Bendlerblocks errichtet werden. Dies<br />
führt zu Kritik; viele halten einen Standort<br />
in Sichtweite des Bundestages für angebrachter.<br />
❑ Unter großer Begeisterung<br />
der Zuschauer findet vom 9. Juni bis zum<br />
9. Juli die Fußball-Weltmeisterschaft in<br />
Deutschland statt. Die Nationalelf verliert<br />
im Halbfinale gegen die italienische<br />
Mannschaft, die später Weltmeis ter wird.<br />
❑ In Regionalzügen nach Dortmund und<br />
Koblenz werden Kofferbomben entdeckt,<br />
die aufgrund ihrer fehler haften Konstruktion<br />
nicht zünden. Die beiden Täter werden<br />
kurze Zeit später gefasst. ❑ Nach<br />
jahrelanger Waffenruhe bricht in Sri Lan -<br />
ka wieder der Bürgerkrieg aus. ❑ Bei<br />
einem tragischen Unfall auf der Transrapid-Teststrecke<br />
bei Lathen in Niedersachsen<br />
sterben 23 Menschen. ❑ Nordkorea<br />
führt erstmals einen Atombombentest<br />
durch. ■<br />
Am 27. Januar stirbt Johannes Rau,<br />
der ehemalige Bundespräsident und<br />
Schirmherr des <strong>Volksbund</strong>es. „Wir haben<br />
ihm viel zu verdanken. Es macht uns sehr<br />
traurig, einen solchen Freund verloren zu<br />
haben“, sagt <strong>Volksbund</strong>präsident Reinhardt<br />
Führer. ❑ Die Kriegsgräberstätte<br />
Chisinau in der Republik Moldau wird<br />
am 20. Juni, die Anlage in Tilsit (Sowjetsk/<br />
Russische Föderation) am 30. Juni der Öffentlichkeit<br />
übergeben. Die Einweihungen<br />
der Kriegsgräberstätten in Neumark<br />
(Stare Czarnowo/Polen) und Tirana/Albanien<br />
folgen am 15. Juli und am 19. November.<br />
Allein zur Gedenkfeier in Neumark<br />
nahe Stettin, dem letzten großen<br />
Sammelfriedhof in Polen, kommen über<br />
1 000 Besucher. ❑ Die Kriegsgräberstätten<br />
Inster burg (Tschernjachowsk/Russische<br />
Föderation) und Kuressaare/Estland sind<br />
zehn Jahre alt. ❑ Ein großes Projekt des<br />
<strong>Volksbund</strong>es erreicht am 9. September mit<br />
der Einweihung der Namenwürfel von<br />
Rossoschka ein wichtiges Zwischenziel.<br />
Zahlreiche Angehörige, aber auch Zeitzeugen<br />
beider Nationen nehmen an der<br />
würdigen Gedenkfeier in der russischen<br />
Steppe teil. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes,<br />
Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />
Papier, hält die Gedenkrede. Horst Zank,<br />
Vorsitzender des Bundes Ehemaliger Stalingradkämpfer,<br />
sagt: „Rossoschka ist eine<br />
welt weit einmalige Gedenkstätte. Wichti -<br />
ge Bestandteile dieses Gedenkortes sind<br />
die Granitwürfel mit den über 100 000<br />
Na men der Vermissten von Stalingrad. Eini<br />
ge von ihnen habe ich selbst gekannt ...<br />
Ich werde sie nie vergessen.“ ❑ Präsident<br />
Reinhard Führer und seine Stellvertre ter<br />
Karl-Heinz-Kälberer und Dr. Franz Vogt<br />
werden am 3. November vom Bundesvertretertag<br />
wiedergewählt. ❑ In ihrer Ansprache<br />
zum Volkstrauertag dankt Bun -<br />
deskanzlerin Dr. Angela Merkel dem<br />
<strong>Volksbund</strong> und seinen Mitgliedern für<br />
seine wichtige Friedensarbeit: „Mit dem<br />
Gedenken an das furchtbare Leid vergangener<br />
Tage geht eine eindringliche Mahnung<br />
an uns Lebende einher: Die Ermah -<br />
nung, uns im mer wieder für Frieden einzusetzen<br />
und entschieden gegen Unfrei-<br />
Trauer: Der ehemalige Bundespräsident und Schirmherr<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, Johannes Rau, verstirbt am<br />
27. Januar (Foto oben).<br />
Zur Einweihung der neuen Kriegsgräberstätten in<br />
Neumark (Stare Czarnowo/Polen) am 15. Juli kommen<br />
über 1 000 Besucher.<br />
269
Eine deutsch-französische Gedenkfeier<br />
erinnert am 7. Oktober an die<br />
Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />
Niederbronn-les-Bains/Frankreich<br />
vor 40 Jahren.<br />
270<br />
heit, Krieg, Gewalt und Terror vorzugehen.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hält mit seinem Engagement<br />
diese Mahnung aufrecht. Er trägt<br />
sie besonders durch seine Jugendarbeit<br />
auch in die Zukunft. Für sein Wirken<br />
danke ich dem <strong>Volksbund</strong> ganz ausdrücklich.“<br />
Sie erwähnt auch die neuen Bedrohungen<br />
für den Frieden: Internationaler<br />
Terrorismus, organisierte Kriminalität<br />
und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.<br />
■<br />
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel dankt in ihrer<br />
Re de zum Volkstrauertag dem <strong>Volksbund</strong> und allen<br />
seinen Förderern für ihre wichtige Friedensarbeit<br />
(oben; ganz oben: <strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer<br />
begrüßt die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung).<br />
Teilnehmer des 40. Workcamps in St. Désir-de-Lisieux<br />
weihen die Allee des Friedens zwischen der deutschen<br />
und der britischen Kriegsgräberstätte ein.<br />
Am 9. September weiht der <strong>Volksbund</strong><br />
die Namenwürfel von Rossoschka<br />
unter Mitwirkung des<br />
Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes,<br />
Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />
Papier, ein. Es ist eine<br />
weltweit einmalige Gedenkstätte<br />
mit über 100 000 Namen der<br />
Vermissten von Stalingrad.<br />
271
2007<br />
Friedlicher Protest: In Myanmar<br />
(Burma) protestieren buddhistische<br />
Mönche gegen die Militärdiktatur.<br />
Die Bewegung wird gewaltsam<br />
niedergeschlagen.<br />
<strong>Das</strong> Treffen der acht führenden Wirtschaftsnationen<br />
in Heiligendamm<br />
bietet die Bühne für wichtige Gespräche<br />
– und zahlreiche Proteste der<br />
Gipfelgegner.<br />
272<br />
Bulgarien und Rumänien treten der<br />
Europäischen Union bei. ❑ Neuer<br />
Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />
wird der Südkoreaner Ban Ki-moon. ❑<br />
Unter Bundestrainer Heiner Brand wird<br />
Deutschland Handballweltmeister. ❑ Mit<br />
Spitzenwindgeschwindigkeiten bis zu<br />
200 Stundenkilometern zieht der Orkan<br />
Kyrill über Nordeuropa hinweg. Er hinterlässt<br />
eine Schneise der Verwüstung. ❑<br />
Bei einem Brandanschlag auf den Samjhauta-Expresszug,<br />
der Indien mit Paki-<br />
stan verbindet, sterben mehr als 60 Menschen.<br />
❑ Der <strong>Deutsche</strong> Bundestag beschließt<br />
die Entsendung von Aufklä -<br />
rungsflugzeugen nach Afghanistan. ❑<br />
Ein Amokläufer tötet auf dem Campus<br />
der amerikanischen Hochschule Virginia<br />
Tech 32 Menschen und begeht anschließend<br />
Selbstmord. ❑ Unter umfangreichen<br />
Sicherheits- und Absperrungsmaßnahmen<br />
findet im deutschen Ostseebadeort<br />
Heili gendamm vom 6. bis 8. Juni der<br />
G8-Gipfel statt. ❑ Griechenland wird von<br />
verheerenden Waldbränden heimgesucht.<br />
Die Gesamtfläche der betroffenen Gebiete<br />
umfasst mehr als 180 000 Hektar. ❑ Bei<br />
einem der schwersten Erdbeben in Peru<br />
seit 50 Jahren sterben mehr als 500 Menschen.<br />
❑ Zehntausende Menschen, darunter<br />
zahlreiche buddhistische Mönche,<br />
demonstrieren in Myanmar (Burma) ge -<br />
gen das Regime. <strong>Das</strong> harte Durchgreifen<br />
des Militärs bringt die Protestbewegung<br />
zum Erliegen. ❑ In Pakistan erklärt Präsident<br />
Pervez Musharraf am 3. November<br />
den Ausnahmezustand und schickt Polizeikräfte<br />
auf die Straße, nachdem es zu<br />
Ausschreitungen gekommen ist. Die Medien<br />
werden staatlich zensiert. Die anstehenden<br />
Parlamentswahlen werden aus -<br />
gesetzt. Am 27. Dezember wird die aus<br />
dem Exil zurückgekehrte ehemalige Premierministerin<br />
Benazir Bhutto ermordet.<br />
❑ Der tropische Wirbelsturm Sidr verwüstet<br />
im November große Teile von Bang -<br />
la desch. Über 3 000 Men schen sterben. ■<br />
In einem Strategiepapier werden die<br />
Schwerpunkte für Friedhofsbau und<br />
-pflege sowie die Suche und Umbettung<br />
der deutschen Kriegstoten im ehemaligen<br />
Ostblock gesetzt. Bis 2015 müssen noch<br />
er hebliche Anstrengungen, besonders bei<br />
den Umbettungen, unternommen werden.<br />
Denn danach wird es mangels örtlicher<br />
Zeitzeugen sehr viel schwieriger<br />
werden, die Kriegstoten zu finden. Die<br />
vom Bundesvorstand gebilligte Ausarbeitung<br />
ist Grundlage für die Gespräche mit<br />
der Bundesregierung über die Höhe der<br />
bis 2015 benötigten staatlichen Finanzmittel.<br />
In der Tat erhöht die Bundesregierung<br />
ihre Zuwendungen. Wichtigste Einnahmequellen<br />
sind und bleiben jedoch – auch<br />
langfristig – die Beiträge und Spenden der<br />
Bürger. ❑ 40. Jahrestag der Einweihung<br />
des Friedhofs Costermano: In ihren Ansprachen<br />
erinnern Karl-Heinz Kälberer,<br />
stellvertretender Präsident des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
und der Mailänder Generalkonsul<br />
Dr. Axel Hartmann an die berechtigte<br />
Trauer der Angehörigen, aber auch an die<br />
Kinder und Jugendliche wirken bei der Gestaltung<br />
der Gedenkfeier in Berneuil zum 40-jährigen Bestehen<br />
der Kriegsgräberstätte mit (Foto unten rechts).<br />
Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Kriegsgräberstätte<br />
Vladslo (Belgien) werden auch die Geschwister<br />
Museeuw geehrt, die den Friedhof von Anfang<br />
an betreut haben.<br />
Anlässlich des 40. Jahrestages der<br />
Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />
Costermano reisen viele Besucher am<br />
5. Mai an den Gardasee in Italien.<br />
<strong>Das</strong> 20. Pfingsttreffen der Jugendarbeitskreise<br />
des <strong>Volksbund</strong>es (JAK)<br />
schlägt in Bremen seine Zelte auf.<br />
273
Generalmajor Johann Gustav Oppitz<br />
arbeitet gemeinsam mit Jugendlichen<br />
im Workcamp am Futa-Pass in Italien<br />
(Foto unten links).<br />
Wichtiges Ereignis: Der <strong>Volksbund</strong><br />
weiht am 8. September die neue<br />
Kriegsgräberstätte Sebesh in der<br />
Russischen Föderation ein.<br />
274<br />
Verbrechen, die im Zweiten Weltkrieg<br />
durch <strong>Deutsche</strong> verübt wurden. ❑ Eine<br />
Woche später begeht der Landesverband<br />
Saar in einem Festakt sein 50-jähriges Bestehen.<br />
Besonderer Gast ist Ministerpräsident<br />
Peter Müller. ❑ Auf ein Viertel jahrhundert<br />
Jugendarbeit blickt die Jugendbegegnungs-<br />
und Bildungsstätte (JBS) Ysselsteyn<br />
in den Niederlanden am 16. Juni<br />
zurück. Auf der angrenzenden Kriegsgräberstätte<br />
tragen die Jugendlichen an diesem<br />
Tag, 60 Jahre nach der ersten Einbet -<br />
tung und 30 Jahre nach der Übernahme<br />
des Friedhofes durch den <strong>Volksbund</strong>, in<br />
einer bewegenden Zeremonie ein weiteres<br />
Weltkriegs opfer zu Grabe. ❑ Zur Gedenkfeier<br />
anlässlich des 40-jährigen Bestehens<br />
der Kriegsgräberstätte Berneuil nahe Bordeaux<br />
kom men eine Woche später 400 Besucher.<br />
❑ Zeitgleich findet im litau ischen<br />
Puoriai das erste Förderer-Workcamp des<br />
<strong>Volksbund</strong>es statt. Dabei arbeiten Senioren<br />
– ähnlich wie bei Workcamps oder Arbeitsein<br />
sät zen der Bundeswehr – ehrenamtlich<br />
auf deutschen Kriegsgrä ber stätten<br />
im Ausland. ❑ In Bourdon/Frankreich,<br />
Vladslo/Belgien und Cannock Chase/<br />
Großbritannien veranstaltet der <strong>Volksbund</strong><br />
Gedenkstunden anlässlich des<br />
40-jährigen beziehungsweise 50-jährigen<br />
Bestehens der deutschen Kriegsgräberstätten.<br />
❑ <strong>Das</strong> wichtigste Ereignis ist die<br />
Einweihung der neuen Kriegsgräberstätte<br />
Sebesh in Russland am 8. September. Bis<br />
zu 50 000 Kriegstote können hier beerdigt<br />
werden. Am Tage der Einweihung wirken<br />
auch deutsche und russische Soldaten<br />
mit, die zuvor erstmals in gemeinsamer<br />
Arbeit 4 000 deutsche Kriegstote auf der<br />
Kriegsgräberstätte in Sologubowka beerdigt<br />
haben. „Dies ist ein Meilenstein in<br />
unseren Beziehungen zu Russland. Hier<br />
wird die Bedeutung des <strong>Volksbund</strong>mottos<br />
,Versöh nung über den Gräbern – Arbeit<br />
für den Frieden‘ besonders deutlich“, sagt<br />
<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer. ❑<br />
Am 21. und <strong>22</strong>. September weiht der<br />
<strong>Volksbund</strong> in Lettland die Kriegsgräberstätten<br />
Riga-Beberbeki und Ogre ein. Bundeswehrgeneralinspekteur<br />
Wolfgang<br />
Schnei derhan verspricht, dass die Bundeswehr<br />
die Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
auch künftig engagiert unterstützen<br />
werde. ❑ Generalmajor Johann Gustav<br />
Oppitz setzt dies umgehend in die Tat<br />
um: Er besucht ein Workcamp am Futa-<br />
Pass in Italien und pflegt dort gemeinsam<br />
mit den Jugendlichen die Gräber des<br />
Zweiten Weltkriegs. ■<br />
40 Jahre Kriegsgräberstätte und 45. Workcamp des<br />
Landesverbandes Bremen in Cannock Chase/Großbritannien.<br />
Gemeinsame Arbeit: <strong>Deutsche</strong><br />
und russische Soldaten betten in<br />
Sologubowka/Russische Föderation<br />
4 000 Opfer des Zweiten<br />
Weltkriegs ein.<br />
275
2008<br />
276<br />
Der Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit<br />
von Serbien. ❑ Neuer Präsident<br />
Russlands und Nachfolger Wladimir<br />
Putins wird Dmitri Medwedew. ❑ Inzestfall<br />
im österreichischen Amstetten: Elisabeth<br />
F. entkommt ihrem Vater, der sie<br />
24 Jahre lang eingesperrt und missbraucht<br />
hat. ❑ Anfang Mai zieht ein gewaltiger<br />
Wirbelsturm über Myanmar (Burma) hinweg.<br />
Über 80 000 Menschen verlieren ihr<br />
Le ben. Nur wenige Tage später ereignet<br />
sich ein Erdbeben der Stärke 7,9 im Süden<br />
Chinas. 70 000 Menschen sterben und<br />
mehrere Millionen werden obdachlos. ❑<br />
Der fünftägige Krieg zwischen Georgien<br />
und Russland im August endet nach Intervention<br />
der EU. Georgien hatte zuvor<br />
in der abtrünnigen Provinz Südossetien<br />
eine militärische Offensive gestartet. ❑<br />
Ausgelöst durch Immobilienspekulationen<br />
in den USA zieht die Finanzkrise im -<br />
mer größere Kreise. Die amerikanische<br />
In vestmentbank Lehman Brothers meldet<br />
Insolvenz an. Immer mehr Banken droht<br />
die Zahlungsunfähigkeit. In Deutschland<br />
besonders betroffen ist die Immobilienbank<br />
Hypo Real Estate. Es droht eine welt -<br />
weite Rezession. Um eine Trendwende<br />
ein zuleiten, werden in vielen Ländern<br />
umfangreiche Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme<br />
auf den Weg gebracht.<br />
❑ In Peking werden die 29. Olym pischen<br />
Spiele eröffnet. ❑ Die Amerikaner wählen<br />
Barack Obama zu ihrem neu en Präsidenten.<br />
Obama begeistert welt weit viele<br />
Menschen mit seiner Ausstrahlung und<br />
seinem Slogan: „Yes we can!“ ❑ Der Flughafen<br />
Berlin-Tempelhof – Sinnbild für die<br />
Luftbrücke der Alliierten – stellt den Betrieb<br />
endgültig ein. Die letzten drei Flugzeuge<br />
heben am 24. November ab. ❑ Im<br />
indischen Mum bai, ehemals Bombay, verüben<br />
Terroristen mehrere Spreng stoff anschläge<br />
und nehmen Geiseln. Heftige<br />
Gefechte mit der Polizei folgen. Die erschreckende<br />
Bilanz: Über 150 Tote und<br />
mehr als 200 Verletzte. ■<br />
Finanzkrise: Der Kurssturz an den Börsen in der<br />
ganzen Welt (Bild: Frankfurter Börse) schockt<br />
Aktienhändler und Bevölkerung gleichermaßen.<br />
Eine gigantische Spekulationsblase ist geplatzt, mit<br />
nahezu unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft.<br />
Yes we can: Mit diesem Slogan gewinnt Barrack<br />
Obama die US-Präsidentschaftswahlen. Er ist der<br />
erste farbige Präsident in der Geschichte der<br />
Vereinigten Staaten.<br />
Papst Bendedikt XVI. (im Bild mit<br />
<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer)<br />
dankt bei einer Generalaudienz am<br />
20. Februar dem <strong>Volksbund</strong> für seine segensreiche<br />
Arbeit. ❑ Am 11. März folgt<br />
durch die Verleihung der Goldmedaille<br />
der Fondation du Mérite Européen eine<br />
weitere Ehrung. Damit zeichnet die luxemburgische<br />
Stiftung die europäische Jugendarbeit<br />
des <strong>Volksbund</strong>es aus. ❑ <strong>Das</strong><br />
Jahr 2008 ist der 90. Jahrestag des Endes<br />
des Ersten Weltkrieges. Der <strong>Volksbund</strong> erinnert<br />
da ran in zahlreichen Gedenkveranstaltungen,<br />
zum Beispiel in Langemark/<br />
Bel gien und Cambrai/Frankreich. Selbst<br />
neun Jahrzehnte nach Kriegsende werden<br />
in den ehemaligen Kampfgebieten immer<br />
noch Kriegstote gefunden. Der französische<br />
Staatspräsident Nicolas Sarkozy und<br />
EU-Kommissionspräsident José Manuel<br />
Barroso besuchen die deutsche Kriegsgräber<br />
stätte Ville-devant-Chaumont. ❑ Zahlreiche<br />
Jahrestage der Einweihung von<br />
Kriegsgräber- und -gedenkstätten sind zu<br />
begehen: Kiel-Möltenort (70 Jahre),<br />
Bei der Gedenkfeier zum zehnjährigen Bestehen der<br />
Kriegsgräberstätte in Potelitsch/Ukraine nimmt die<br />
einheimische Bevölkerung großen Anteil. <strong>Das</strong> Foto<br />
unten rechts zeigt die kleine Tochter des Bürgermeisters<br />
der Stadt.<br />
Am 90. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges<br />
bettet der <strong>Volksbund</strong> in Langemark/Belgien und<br />
Cambrai/Frankreich neun Jahrzehnte nach Kriegsende<br />
weitere Opfer ein.<br />
Motiv einer Anzeigenkampagne des<br />
<strong>Volksbund</strong>s (links).<br />
<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer,<br />
sein Stellvertreter Dr. Franz Vogt und<br />
Ehrenpräsident Richard Wagner treffen<br />
am 20. Februar Papst Benedikt<br />
XVI. während einer Generalaudienz<br />
im Petersdom (Foto unten).<br />
277
Cheb (Eger/Tschechische Republik):<br />
Nach langjährigen Verhandlungen<br />
beerdigt der <strong>Volksbund</strong> am 12. November<br />
5 500 deutschen Kriegstote.<br />
278<br />
Vladslo/Belgien (50 Jahre), Oberwölbling/Österreich<br />
(25 Jahre), Potelitsch und<br />
Charkow/Ukra ine, Vazec/Slowakische<br />
Republik sowie Laurahütte (Siemianowice/Polen,<br />
alle 10 Jahre). In Laurahütte,<br />
werden gleichzeitig 23 neue Namentafeln<br />
eingeweiht; in Rossoschka sind 13 weitere<br />
Namenwürfel für die Vermissten von Stalingrad<br />
aufgestellt. ❑ Zeitgleich startet<br />
der <strong>Volksbund</strong> die Werbeaktionen: „Frieden<br />
kann man nicht kaufen, ... sondern<br />
nur mit seinem Engagement dazu beitra-<br />
gen!“ und „Anstoß zum Frieden.“ ❑ Am<br />
6. September wird die Kriegsgräberstätte<br />
Apscheronsk (Russische Föderation) eingeweiht.<br />
Hier im Kaukasusgebiet können<br />
bis zu 30 000 Kriegs tote bestattet werden.<br />
„Dies ist ein Ort der Erin nerung gegen<br />
das Vergessen“, sagt Generalinspekteur<br />
Wolfgang Schneiderhan in seiner Gedenkrede.<br />
❑ Der <strong>Volksbund</strong> stärkt sein Profil<br />
als Träger und Förderer einer demokratischen<br />
Gedenk- und Erinnerungskultur.<br />
Mit dem Sterben der Menschen aus der<br />
Kriegsgeneration wird es immer wichtiger,<br />
die nachfolgenden Generationen zu<br />
erreichen. Ein Ansatz dazu ist das politisch-wissenschaftli<br />
che Kolloquium „Darf<br />
der Rote Baron wieder Held sein?“ am<br />
16. Oktober in Berlin. ❑ Die Diskussion<br />
um das Bundeswehrehrenmal in Berlin<br />
hält an. Präsident Führer fordert, auch<br />
den im Einsatz gestorbenen Bundeswehrangehörigen<br />
das dauerhafte Ruherecht zu<br />
gewähren. ❑ Die neue Satzung des <strong>Volksbund</strong>es<br />
tritt in Kraft. An den Hauptaufgaben<br />
ändert sich nichts. ❑ <strong>Das</strong> bedeut -<br />
samste Ereignis des Jahres ist die von starkem<br />
Medieninteresse begleitete Einbettung<br />
von 5 500 deutschen Kriegstoten im<br />
tschechischen Eger (Cheb) am 12. November.<br />
Nach langjährigen Verhandlungen erhalten<br />
auch diese Menschen, die zum Teil<br />
schon vor Jahren geborgen worden wa -<br />
ren, endlich eine würdige Ruhestätte. ❑<br />
Zum Volkstrauertag in Berlin hält der luxemburgische<br />
Premierminister Jean-<br />
Claude Juncker die Gedenkrede; diese<br />
Worte sind ganz besonders hervorhebenswert:<br />
„Wer an Europa verzweifelt, der<br />
sollte Soldatenfriedhöfe besuch en. Nirgendwo<br />
besser, nirgendwo eindringlicher,<br />
nirgendwo bewe gender ist zu spüren,<br />
was das europäische Gegeneinander an<br />
Schlimmstem bewirken kann.“ ■<br />
Zum Volkstrauertag hält der luxemburgische Premierminister<br />
Jean-Claude Juncker eine viel beachtete<br />
Rede (Bild links unten).<br />
Bei der Einweihung der neuen Kriegsgräberstätte in<br />
Apscheronsk/Russische Föderation am 6. September<br />
hält Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhahn die<br />
Gedenkrede (Bild rechts unten).<br />
Jana Reichbott vom Jugend -<br />
arbeits kreis Schleswig-Holstein<br />
nimmt gemeinsam mit insgesamt<br />
88 Jugendlichen aus ganz<br />
Deutschland am Pfingstzelten im<br />
brandenburgischen Halbe teil.<br />
279
2009<br />
280<br />
Drei große Jahrestage stehen im Vordergrund:<br />
<strong>Das</strong> Inkrafttreten des<br />
Grundgesetzes der Bundesrepublik<br />
Deutschland vor 60 Jahren, der Fall der<br />
Berliner Mauer vor 20 Jahren und der<br />
70. Jahrestag des Beginns des Zweiten<br />
Weltkrie ges. ❑ Der neue US-Präsident Barack<br />
Oba ma wird am 20. Januar vereidigt.<br />
❑ Die Slowakische Republik führt als<br />
16. EU-Land den Euro ein. ❑ Zur Überwindung<br />
der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />
bringt die Bundesregierung ein<br />
zweites Konjunkturpaket auf den Weg.<br />
Bestandteil dessen ist die so genannte Abwrackprämie,<br />
die in den kommenden<br />
Monaten viele Tausend Bürgerinnen und<br />
Bürger zum Auto-Neukauf veranlasst. ❑<br />
Ausgelöst durch Tiefbauarbeiten stürzt<br />
am 3. März das Kölner Stadtarchiv ein. ❑<br />
Bei dem Amoklauf eines 17-Jährigen in<br />
der Kleinstadt Winnenden, nordöstlich<br />
von Stuttgart, sterben 15 Men schen. Der<br />
Täter begeht Selbstmord. ❑ Bei einem<br />
Erdbeben der Stärke 6,3 werden in den<br />
italienischen Abruzzen rund um die Stadt<br />
L’Aquila 299 Menschen getötet. ❑ Die<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />
warnt vor einer weltweiten Verbreitung<br />
der Influenza H1N1, bekannt als Schweinegrippe.<br />
❑ Die 13. Bundesversammlung<br />
bestätigt am 23. Mai Horst Köhler im Amt<br />
des Bundespräsidenten. ❑ In Honduras<br />
wird der linksorientierte Staatspräsident<br />
Manuel Zelaya wegen eines um strittenen<br />
Verfassungsreferendums von Militäreinheiten<br />
inhaftiert. ❑ Air-France-Flug 447<br />
endet mit dem Absturz über dem Atlantik.<br />
Alle <strong>22</strong>8 Insassen sterben. ❑ Die<br />
UNESCO ernennt niederländische und<br />
deutsche Teile des Wattenmee res zum<br />
Weltnaturerbe. Dem Dresdener Elbtal<br />
hingegen wird der Titel eines Weltkulturerbes<br />
aufgrund des Baus der Wald -<br />
schlösschenbrücke aberkannt. ❑ Bei den<br />
Europawahlen erreicht die Wahlbeteiligung<br />
ein neues Rekordtief. Nur noch<br />
43 Prozent der Wahlberechtigten im vereinten<br />
Europa machen von ihrem Stimmrecht<br />
Gebrauch. ❑ Am 8. September wird<br />
das Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr<br />
eingeweiht. Die Worte von Bundespräsident<br />
Köhler und des Vaters eines der<br />
umgekommen Soldaten machen nachdenklich.<br />
Die Bevölkerung will Klarheit<br />
über die Kampf einsätze und ihre Folgen,<br />
keine Verharmlosungen und Beschönigungen.<br />
❑ Bundestagswahl am 27. September:<br />
Die großen Volksparteien verlie<br />
ren, FDP, Die Grünen und Die Linke<br />
gewinnen deutlich hinzu. Neuer Koalitionspartner<br />
der CDU/CSU ist nach dem<br />
katastrophalen Abschneiden der SPD die<br />
FDP. Die größte „Partei“ stellen jedoch die<br />
Nichtwähler. ❑ Den 1990 gestifteten Kasseler<br />
Bürgerpreis „Glas der Vernunft“ erhält<br />
in diesem Jahr Hans-Joachim Gauck. In sei -<br />
ner Rede erteilt er jeglicher „Schluss strichdebatte“<br />
bei den Themen Nationalso zia -<br />
lis mus und DDR-Diktatur eine Absage. ■<br />
(Redaktionsschluss: September 2009)<br />
Wiederwahl: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />
und seine Ehefrau Eva Luise freuen sich über die<br />
zweite Amtszeit.<br />
Nur wenige Wochen vor Vollendung<br />
seines 85. Lebensjahres verstirbt Ehrenpräsident<br />
Richard Wagner am 2. Febru<br />
ar 2009. „Die Erinnerung an die Toten<br />
der beiden Weltkriege wach zu halten,<br />
ihnen eine würdige Grabstätte zu schaffen<br />
und für die Versöhnung zu arbeiten – das<br />
war ihm eine Herzensangelegenheit“,<br />
würdigt ihn Präsi dent Reinhard Führer. ❑<br />
In Cassino gedenken Angehöri ge und<br />
Kriegsteilnehmer vieler Nationen am<br />
19. Mai der Opfer der Kämpfe vor 65 Jahren.<br />
❑ Der „Aktionstag“ des <strong>Volksbund</strong>es<br />
auf der Bundesgartenschau in Schwerin<br />
findet großes Inter esse beim Publikum. ❑<br />
Zum 65. Jahrestag der Landung in der<br />
Normandie am 6. Juni schmücken Soldaten<br />
der deutsch-französischen Brigade<br />
dank der Spenden der <strong>Volksbund</strong>förderer<br />
die Kriegsgräberstätte La Cambe in<br />
Frankreich mit 3 500 weißen Blumensträußen.<br />
Die Aktion „Blumen gegen das Vergessen“<br />
erinnert an die unbekannten<br />
Toten. ❑ Besondere Gedenkfeiern: Die<br />
Kriegsgräberstätte Futa Pass/Italien ist<br />
40 Jahre, die Kriegsgräberstätten Narwa/<br />
Est land und Saldus/Lettland sind zehn<br />
Jahre alt. ❑ 2 116 Zi vil tote, die von Oktober<br />
2008 bis April 2009 aus ei nem Massengrab<br />
in Marienburg (Malbork/Polen)<br />
Während der Gedenkfeier zum 65. Jahrestag der<br />
Landung in der Normandie bettet der <strong>Volksbund</strong> in<br />
La Cambe ein weiteres Opfer ein (Foto rechts).<br />
Eine der beeindruckendsten Kriegsgräberstätten<br />
befindet sich in der Nähe des Monte Cassino in<br />
Italien (Foto unten).<br />
Der <strong>Volksbund</strong> präsentiert sich<br />
während der Bundesgartenschau in<br />
Schwerin mit einem abwechslungsreichen<br />
Programm für Jung und Alt.<br />
281
Die Anlage am Futa-Pass weihte der<br />
<strong>Volksbund</strong> bereits vor 40 Jahren ein.<br />
Auf dieser Kriegsgräberstätte ruhen<br />
über 30 000 Kriegsopfer.<br />
282<br />
geborgen wurden, erhalten am 14. August<br />
ein würdiges Begräbnis auf der deutschen<br />
Kriegsgräber stätte in Neumark (Stare<br />
Czarnowo) bei Stettin. Es sind hauptsächlich<br />
Frauen und Kinder, die unter noch<br />
ungeklärten Umständen das Leben verloren<br />
haben. Und es gibt weitere solcher<br />
grausiger Funde. ❑ In Pordoi/Ita lien wird<br />
am 15. August an die Eröffnung des Friedhofs<br />
vor 50 Jahren erinnert, die Anlage in<br />
Prilep/Mazedonien wird am 29. August<br />
neu eingeweiht. Eine Gedenkfeier am<br />
11. September erinnert an das 50-jährige<br />
Bestehen der Kriegsgräberstätte Lommel/Belgien;<br />
gespendete Blumensträuße<br />
schmücken auch hier die Gräber unbekannter<br />
Soldaten. ❑ Für die Zeit nach Redaktionsschluss<br />
dieses <strong>Buch</strong>es sind wei -<br />
tere Ver anstaltungen geplant: Die neue<br />
Kriegsgräberstätte in Kursk-Besedino<br />
wird am 17. Oktober ihrer Bestimmung<br />
übergeben; am 24. Oktober folgt eine Veranstaltung<br />
zum 50-jährigen Bestehen der<br />
Kriegsgräberstätte El Alamein/Ägypten.<br />
❑ Bundespräsident und <strong>Volksbund</strong>schirmherr<br />
Prof. Dr. Horst Köhler hat zugesagt,<br />
am Volkstrauertag die Gedenkrede<br />
im Bundestag zu halten. Darin will er<br />
auch das 90-jährige Wirken des <strong>Volksbund</strong>es<br />
würdigen, dessen Geschichte unlösbar<br />
mit der deutschen und europäischen<br />
Geschichte verknüpft ist. ■<br />
(Redaktionsschluss: September 2009)<br />
Der <strong>Volksbund</strong> bestattet am 14. August 2 116 Tote<br />
aus einem Massengrab in Marienburg (Malbork) auf<br />
der deutschen Kriegsgräberstätte in Neumark (Stare<br />
Czarnowo/Polen).<br />
Blumen gegen das Vergessen –<br />
so lautet das Motto der <strong>Volksbund</strong>-<br />
Spendenaktion zum 65. Jahrestag<br />
der Landung in der Normandie.<br />
In La Cambe schmücken Soldaten<br />
dabei die Gräber mit tausenden<br />
Blumensträußen.<br />
283
20 Jahre<br />
<strong>Volksbund</strong><br />
in den neuen<br />
Bundesländern<br />
Auch in den neuen Bundesländern<br />
wird der <strong>Volksbund</strong> inzwischen durch<br />
Jugendarbeitskreise (JAK) unterstützt.<br />
Auf dem Foto unten sieht man die<br />
ehrenamtlichen Helfer als Kranzträger<br />
einer Gedenkveranstaltung.<br />
284<br />
Bis zur Wiedervereinigung der beiden<br />
deutschen Teilstaaten ist die Erhaltung<br />
und Pflege von Kriegsgräbern in<br />
der DDR mit Schwierigkeiten verbunden.<br />
Dabei sind Grabstätten in 6 442 Gemeinden<br />
registriert! Der <strong>Volksbund</strong> hat dort<br />
keine Zuständigkeit, gilt als „faschistische<br />
Organisation.“ So bleibt nur der inoffizielle<br />
Weg über den Bund evan ge li scher<br />
Kirchen, Abteilung Gräberfürsorge. Den<br />
Aus tausch von Informationen, Anfragen<br />
von Angehörigen oder Grabschmuckwünsche<br />
vermitteln ehrenamt liche Mitglieder<br />
des <strong>Volksbund</strong>es und zeitweise<br />
bis zu <strong>22</strong> sogenannte Vertrauensleute,<br />
unter ihnen 16 Pfarrer.<br />
Schon bald nach dem Fall der Mauer<br />
nimmt der <strong>Volksbund</strong> seine Arbeit in den<br />
späteren „Neuen Bundesländern“ offiziell<br />
auf. Die Haltung in der Bevölkerung<br />
reicht von Ablehnung und Abwarten bis<br />
zu großem Interesse. Ein großes Informationsdefizit<br />
ist aufzuarbeiten, bis in die<br />
Gegenwart hinein ist dies spürbar.<br />
Der erste Kreisverband wird bereits<br />
am 4. Juli 1990 in Hagenow gegründet.<br />
Weitere folgen. Am 8. Mai 1991 konstituiert<br />
sich Thüringen als erster Landesverband.<br />
Im Herbst 1991 gibt es in allen fünf<br />
neuen Bundesländern Landesverbände.<br />
Ost-Berlin wird dem Landesverband Berlin<br />
angegliedert. Wie in der „alten“ Bundesrepublik<br />
finden sich überall in den<br />
heute nicht mehr ganz so „neuen“ Ländern<br />
ein fluss reiche Repräsentanten aus<br />
Politik und Gesellschaft bereit, den jeweiligen<br />
Vorsitz zu übernehmen. Nicht nur<br />
die überzeugenden Ziele, Aufgaben und<br />
praktischen Leistungen des <strong>Volksbund</strong>es,<br />
auch dies schafft Vertrauen in der Bevölkerung.<br />
Ein Indiz dafür ist die in wenigen<br />
Jahren auf 170 000 angestiegene Zahl der<br />
Mitglieder und Spender.<br />
Der Aufbau ehrenamtlicher Strukturen<br />
in der Fläche ist wegen der vielen Gebietsreformen<br />
nicht einfach. In zwi schen<br />
aber hat sich eine stabile, wenngleich sicher<br />
hier und da noch ausbau fähige, ehrenamtlich<br />
getragene und hauptamtlich<br />
gestützte Verbands struktur gebildet.<br />
Zum 1. Januar 1993 wird das Gräbergesetz<br />
geändert; seine Geltung erstreckt<br />
sich seitdem auch auf das Gebiet der<br />
neuen Bundesländer. Es bezieht Gräber<br />
von Personen mit ein, „die auf Grund<br />
von rechtsstaatswidrigen Maßnahmen als<br />
Opfer des kommunistischen Systems<br />
ums Leben gekommen sind oder Gesundheitsschäden<br />
erlitten haben, an deren Folgen<br />
sie innerhalb eines Jahres nach Been -<br />
digung dieser Maßnahmen gestorben<br />
sind.“ Der <strong>Volksbund</strong> hat sich für diese<br />
Novellierung eingesetzt, die von ihm vorgelegten<br />
Vorschläge werden vom Gesetzgeber<br />
übernommen.<br />
Am 14. April 1993 übergibt Präsident<br />
Hans-Otto Weber die neu gestaltete<br />
Kriegsgräberstätte im brandenburgischen<br />
Luckenwalde der Öffentlichkeit. Dort<br />
liegen 351 deutsche Soldaten begraben.<br />
Ihre Gräber hat der <strong>Volksbund</strong> im Rahmen<br />
eines Modellprojektes für die neuen<br />
Bundesländer wiederhergerichtet. 1992<br />
sind schon 15 weitere Friedhöfe bereits<br />
wieder hergerichtet oder ihr Ausbau hat<br />
begonnen. Im Laufe der Zeit werden<br />
zahlreiche weitere, größere und kleinere<br />
Gräberstätten neu angelegt oder in einen<br />
würdigen Zustand versetzt. Viele Friedhofsträger<br />
nutzen seitdem die Fachkompetenz<br />
des <strong>Volksbund</strong>es, wenn sie Anla -<br />
gen in ihrer Zuständigkeit wiederherzurichten<br />
oder umzugestalten haben.<br />
Für die ersten Jahre besonders hervorzuheben<br />
sind die Arbeiten in Seelow/<br />
Oder bruch und in Halbe bei Berlin. Der<br />
Friedhof Halbe ist mit etwa 28 000 Toten<br />
– darunter mehrere Tausend Opfer des<br />
sowjetischen Internierungslagers Ketschendorf<br />
– eine der größten Kriegsgräberstätten<br />
im Inland. 2001 übernimmt<br />
der <strong>Volksbund</strong> die Pflege dieser Anlage.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> hat auch die Pflege<br />
der Kriegsgräberstätte Golm auf der<br />
Insel Usedom übernommen. Unter den<br />
ca. 23 000 Toten befinden sich vor allem<br />
Opfer der Bombardierung Swinemündes<br />
am 12. März 1945. In Kamminke, direkt<br />
am Friedhof gelegen, hat der <strong>Volksbund</strong><br />
im Jahr 2005 die Jugendbegegnungs- und<br />
Bildungsstätte Golm eröffnet. Die Bau -<br />
kosten wurden überwiegend vom Land<br />
Meck len burg-Vorpommern und der Kommunalgemeinschaft<br />
Pomerania getragen.<br />
Immer wieder werden, vor allem in<br />
Brandenburg, Tote aus den Kämpfen der<br />
letzten Kriegs wochen gefunden. Mitarbeiter<br />
des <strong>Volksbund</strong>es sorgen dafür, dass<br />
sie geborgen und würdig bestattet werden.<br />
Hier zeigt sich der <strong>Volksbund</strong> direkt<br />
in seiner Aufgabe der Kriegsgräberfürsorge.<br />
<strong>Das</strong> Wiederaufleben des in der<br />
DDR nicht begangenen Volkstrauertags<br />
zeigt, dass das Bedürfnis nach gemeinsa-<br />
mer Trauer, gemeinsamem Gedenken<br />
nicht durch staatliche Verbote ausgelöscht<br />
werden kann.<br />
Wie auch in den alten Bundesländern<br />
ist die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr<br />
– insbesondere was Arbeitseinsätze<br />
auf Friedhöfen sowie die Organisation<br />
von Sammlungen und Jugendlagern angeht<br />
– ausgezeichnet.<br />
Die Jugendarbeit hat in allen Landesverbänden<br />
einen hohen Stellenwert. Dies<br />
gilt ebenso für das aktive Mitwirken von<br />
Vertretern des Schul- und Bildungsbereiches.<br />
Zahlreiche erfolgreiche Projekte wie<br />
das der Schule Gelbensande in Mecklenburg-Vorpommern<br />
zeigen, dass die friedenspädagogischen<br />
und gewaltprä ven ti -<br />
ven Projektangebote des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />
fruchtbaren Boden fallen. In allen fünf Landesverbänden<br />
finden regelmäßig nationale<br />
und internationale Jugendlager statt.<br />
Insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit<br />
profitiert von der regen Tätigkeit der Jugendarbeitskreise.<br />
Sie bleibt darüber hinaus<br />
eine der vordring lichen Aufgaben.<br />
Denn immer noch gibt es viele Menschen<br />
(allerdings nicht nur in den neuen Bundesländern),<br />
die über die Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es zu wenig wissen. Aktionen<br />
wie der „<strong>Volksbund</strong>-Tag“ auf der Bundesgartenschau<br />
2009 in Schwerin zeigen,<br />
dass der Aufwand lohnt. Der <strong>Volksbund</strong><br />
ist in den neuen Bundesländern angenom<br />
men! ■<br />
Noch heute werden in den neuen<br />
Bundesländern Gräber des Zweiten<br />
Weltkrieges entdeckt. Viele dieser<br />
Opfer erhalten eine würdige Ruhestätte<br />
so wie hier 1996 in Lietzen.<br />
285
Botschafter<br />
des Friedens<br />
Die Schirmherren<br />
des <strong>Volksbund</strong>es<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
Baden-Württemberg<br />
Peter Straub<br />
Präsident des Landtages<br />
Bayern<br />
Alois Glück<br />
Präsident des Landtages a. D.<br />
Berlin<br />
Walter Momper<br />
Präsident des<br />
Abgeordnetenhauses<br />
Brandenburg<br />
Matthias Platzeck<br />
Ministerpräsident<br />
Bremen<br />
Christian Weber<br />
Präsident der Bürgerschaft<br />
Hamburg<br />
Ole von Beust<br />
Erster Bürgermeister,<br />
Präsident des Senats<br />
Hessen<br />
Norbert Kartmann<br />
Präsident des Landtages<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Sylvia Bretschneider<br />
Präsidentin des Landtages<br />
Niedersachsen<br />
Hermann Dinkla<br />
Präsident des Landtages<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Dr. Jürgen Rüttgers<br />
Ministerpräsident<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Joachim Mertes<br />
Präsident des Landtages<br />
Saarland<br />
Peter Müller<br />
Ministerpräsident<br />
Sachsen<br />
Erich Iltgen<br />
Präsident des Landtages<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Dieter Steinecke<br />
Präsident des Landtages<br />
Schleswig-Holstein<br />
Martin Kayenburg<br />
Präsident des Landtages<br />
Thüringen<br />
Dieter Althaus<br />
Ministerpräsident<br />
(Stand August 2009)<br />
286<br />
Der <strong>Volksbund</strong> erfüllt seine Aufgaben<br />
im Auftrag der Bundesregierung.<br />
Wichtig ist dabei auch die Unterstützung<br />
durch namhafte Politikerinnen und Politiker,<br />
die auf Bundes- und Landesebene<br />
eine Schirmherrschaft des <strong>Volksbund</strong>es<br />
übernehmen. Sie sind wichtige Repräsentanten<br />
und Botschafter des Friedens. An<br />
der Spitze unserer Schirmherren steht<br />
Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler.<br />
Dazu kommen sechzehn Schirmherren<br />
der Landesverbände:<br />
Bundespräsident Köhler<br />
übernahm mit seinem<br />
Amtsantritt 2004 auch<br />
die Schirmherrschaft<br />
über den Gesamtverband<br />
des Volksbun -<br />
des.<br />
1 2 3 4<br />
5 6 7 8<br />
9 10 11 12<br />
13 14 15 16<br />
Heute wie vor 90 Jahren gehen alle<br />
Aktivitäten des <strong>Volksbund</strong>es von den<br />
Kriegsgräbern aus, von der Verpflichtung,<br />
diese in einen würdigen Zustand zu versetzen<br />
und zu erhalten. <strong>Das</strong>s diese Bemühungen<br />
alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft<br />
einschließen, ist im <strong>Volksbund</strong><br />
selbstverständlich.<br />
Bis Ende der 80er Jahre lag der Ar beits -<br />
schwerpunkt in den Ländern Nord-,<br />
West- und Südeuropas sowie Nordafrikas.<br />
Dies betraf auch die Jugendarbeit mit<br />
ihren Workcamps im In- und Ausland.<br />
Seit der politischen Öffnung der Länder<br />
Mittel-, Ost- und Süd osteuropas liegt<br />
dort der Schwerpunkt der Arbeit. Der<br />
<strong>Volksbund</strong> hat inzwischen auch hier für<br />
die Angehörigen der Opfer, für seine<br />
Freunde und Spender viel erreicht. Es<br />
sind zahlreiche Sammelfriedhöfe entstanden,<br />
mit denen die Kriegstoten endlich<br />
würdige Ruhestätten erhalten. Bald werden<br />
die letzten Anlagen gebaut sein.<br />
Doch damit ist die Arbeit nicht zu<br />
Ende. Die Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es<br />
bergen und bestatten noch heute bis zu<br />
40 000 Tote des Zweiten Welt krieges –<br />
Jahr für Jahr. Diese Arbeit hat hohe Priorität.<br />
Denn wenn die einheimischen Zeitzeugen<br />
einmal nicht mehr sein werden,<br />
wird es sehr schwer, die Gräber aus der<br />
Kriegszeit zu finden.<br />
Der <strong>Volksbund</strong> weiß von 1,2 Millionen<br />
Kriegsgefangenen, die nicht heimkehrten.<br />
Sie hungerten, litten und starben in etwa<br />
6 000 Lagern. Obwohl schon zahlreiche<br />
Anlagen mit einfachen Mitteln ausgebaut<br />
wurden, steht eine befriedigende Gesamt-<br />
lösung dieser Frage noch aus. Es wird<br />
ebenso eine Lösung – vielleicht in Form<br />
einer Gedenkstätte mit einer Namendokumentation<br />
– für alle nicht zu bergenden<br />
Kriegstoten, für die 1,3 Millionen<br />
Vermissten und für die nicht zu findenden<br />
und zu identifzierenden Ziviltoten<br />
geben müssen. Deshalb ist die Aufgabe,<br />
die vor dem <strong>Volksbund</strong> liegt, immer noch<br />
ge waltig.<br />
Mit seiner Jugendarbeit leistet der<br />
<strong>Volksbund</strong> bereits einen international an -<br />
erkannten Beitrag zur Friedenserziehung.<br />
In den nächsten Jahren wird er auch sein<br />
Profil als Träger und Förderer der Gedenk-<br />
und Erinnerungskultur deutlich<br />
schärfen.<br />
Dies gilt entsprechend für die Öffentlichkeitsarbeit<br />
und die Werbung. Denn<br />
ohne Hilfe aus der Bevölkerung ist all<br />
dies nicht leistbar! Auch dieses <strong>Buch</strong> soll<br />
dazu dienen, Menschen vom Sinn der<br />
Ziele und Aufgaben des <strong>Volksbund</strong>es zu<br />
überzeugen und sie zum aktiven Mitmachen<br />
anzuregen.<br />
Ein Motto der Ar beit des <strong>Volksbund</strong>es<br />
lautet seit vielen Jahren: Aus der Vergangenheit<br />
für die Zukunft lernen! Dieses<br />
<strong>Buch</strong> ist deshalb auch als Informations-,<br />
Lehr- und Lernbuch zu verstehen. Es soll<br />
zur Diskussion, aber auch zu Kritik anregen<br />
und herausfordern.<br />
Möge dieser Rückblick auf 90 Jahre<br />
Arbeit für uns wie für die nach uns Kommenden<br />
Ansporn zu künftigem Handeln<br />
sein – ganz im Sinne des Wahlspruchs:<br />
Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für<br />
den Frieden. ■<br />
Ein Blick<br />
auf die künftige<br />
Arbeit des<br />
<strong>Volksbund</strong>es<br />
<strong>Das</strong> Foto zeigt die deutsche Kriegsgräberstätte<br />
Važec in der Slowakischen<br />
Republik. Im Hintergrund<br />
erkennt man die Hohe Tatra.<br />
287
Impressum<br />
Mitarbeit an vorherigen<br />
Ausgaben<br />
des Bildbandes<br />
(1994 bis 2001)<br />
Bildnachweis<br />
Wichtiger Hinweis<br />
288<br />
Herausgegeben vom <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V.<br />
Werner-Hilpert-Straße 2, 34112 Kassel<br />
Tel.: 0561 - 7009 - 0<br />
Fax: 0561 - 7009 - <strong>22</strong>1<br />
E-Mail: redaktion@volksbund.de<br />
Internet: www.volksbund.de<br />
Spendenkonto: 3 <strong>22</strong>2 999, Commerzbank Kassel, Bankleitzahl: 520 400 21<br />
IBAN: DE23 5204 0021 03<strong>22</strong> 2999 00 ❑ BIC: COBADEFFXXX<br />
Spendentelefon: 01805 - 7009 - 01<br />
Verantwortlich: Rainer Ruff, Generalsekretär<br />
Redaktion: Maurice Bonkat, Dr. Martin Dodenhoeft, Olav Teichert<br />
Gestaltung/Satz: René Strack<br />
Druck: Vogel Druck, Würzburg<br />
2009-75<br />
Gefördert durch:<br />
Stiftung<br />
Gedenken<br />
und<br />
Frieden<br />
Lützowufer 1, 10785 Berlin<br />
www.GedenkenundFrieden.de<br />
info@GedenkenundFrieden.de<br />
Tel.: 0800 - 7777 - 001<br />
Fax: 0561 - 7009 - <strong>22</strong>1<br />
Ruth Feichtner, Günter Apel, Dr. Philipp Brucker, Friedrich-Albrecht Hahnenfeld,<br />
Adolf Heimbauer, Dr. Julius Jessen, Karl-Wilhelm Lange, Hans-Otto Weber, Dr. Otto<br />
Wenzel<br />
Redaktion: Willi Kammerer, Dr. Martin Dodenhoeft<br />
Mitarbeit: Detlef Kroll, Petra Kesten-Kühne<br />
Gestaltung: Willi Kammerer, Dr. Martin Dodenhoeft<br />
Satz: Dr. Martin Dodenhoeft, Lars Rückert,<br />
Janine Credé, Christina Kopplin<br />
Ackermann (1) ❑ Agence France-Presse (1) ❑ Alexejewa (1) ❑ Apel, C. (7) ❑ Apel, G. (1) ❑ Arend (2) ❑ Atzmüller<br />
(2) ❑ Barth (3) ❑ Bengs (1) ❑ Bethke (1) ❑ Bildschön (1) ❑ Bohl (1) ❑ Bonkat (<strong>22</strong>) ❑ Börner (1) ❑ Breitenbach<br />
(4) ❑ Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1) ❑ Bundesprä sidial<br />
amt (2) ❑ Bundespresseamt/Engelbert Reinecke (2) ❑ B&O (1) ❑ Burda-Verlag (1) ❑ Christliche Pfadfinderschaft<br />
(1) ❑ clan.3 (1) ❑ Coerdt (1) ❑ Croe (1) ❑ Damm (4) ❑ Darweger (1) ❑ Della Costa, L. (3) ❑ Della<br />
Costa, N. (2) ❑ Denisov (2) ❑ Dernière Nouvelles d´Alsace (1) ❑ <strong>Deutsche</strong> Bundespost (4) ❑ <strong>Deutsche</strong><br />
Presse-Agentur (102) ❑ „Die Kunst im Dritten Reich”, Heft 7/1941 (2) ❑ Dirschel (1) ❑ Dr. Dodenhoeft (<strong>22</strong>)<br />
❑ Dombois (1) ❑ Dudat (1) ❑ Dürdoth (1) ❑ Dworak (1) ❑ Edelmann (1) ❑ Ezio la Nave (1) ❑ Dr. Fischbacher<br />
(1) ❑ Dr. Gensior (1) ❑ Först (1) ❑ Foto-Engels (2) ❑ Foto Felici (2) ❑ Fotostudio Kruijsen (1) ❑ Frankl<br />
(1) ❑ Furtwängler (1) ❑ Gäbelein (1) ❑ Gobs (1) ❑ Goldberg (2) ❑ Grabowski (1) ❑ Gräfe (1) ❑ Hansen (1) ❑<br />
Harder (1) ❑ Haselbök (1) ❑ Hauser (1) ❑ Heine (10) ❑ Herschelmann (1) ❑ Heuer (1) ❑ Hirdes (1) ❑ Hoerle<br />
(4) ❑ Höschele (2) ❑ Holtz (3) ❑ Dr. Holz (2) ❑ Huschke (1) ❑ Imperial War Museum (49) ❑ Jussen (2) ❑<br />
Kammerer (35) ❑ Karich (1) ❑ Kartographie Oberländer (6) ❑ Kiesewetter (1) ❑ Kirchmeier (11) ❑ Dr. Kleinert<br />
(2) ❑ KNA Pressebild (1) ❑ Kottkamp (1) ❑ Krause (1) ❑ Kroll (4) ❑ Kugel (3) ❑ Kunze (1) ❑ Landesbildstelle<br />
Berlin (13) ❑ Liptakova (1) ❑ Lockemann (2) ❑ Dr. Löffler (1) ❑ Lützkendorf (1) ❑ Media Mobile<br />
(1) ❑ Menzel (7) ❑ Methner (1) ❑ Michel (1) ❑ Munker (1) ❑ Nachtigal (1) ❑ Nagel (6) ❑ Nass (1) ❑ Neumann<br />
(2) ❑ Neutze (1) ❑ O´Leary (1) ❑ Otto (1) ❑ Pabst (6) ❑ Paschke (3) ❑ Photo Aérienne (1) ❑ Photo<br />
Knut (1) ❑ Photo Müller (1) ❑ Poss (1) ❑ Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - Bundesbildstelle<br />
(6) ❑ Presse Photo (1) ❑ Pressebildarchiv Heinz Finke (11) ❑ Rauter (1) ❑ v. Reuß (1) ❑ Reuters (1) ❑<br />
Rinker (1) ❑ Röschmann (4) ❑ Rofke (1) ❑ Rogl (5) ❑ Rückert (1) ❑ Rustige (1) ❑ Schmidt (4) ❑ Schneidewind<br />
(1) ❑ Schotte (3) ❑ Schulte (1) ❑ Schultheiß (5) ❑ Schrader (2) ❑ Siebert (1) ❑ Slomifoto (1) ❑ Soltau (5)<br />
❑ Spohr (1) ❑ Stadtarchiv Freiburg (1) ❑ Stiel (2) ❑ Stöcker (2) ❑ Stöppler (2) ❑ Süddeutscher Verlag (1) ❑<br />
Suderow (6) ❑ Thiele, D. (1) ❑ Thiele, J. (1) ❑ Ullstein-Bilderdienst (65) ❑ Urschel (1) ❑ Vay (1) ❑ Verlag<br />
Langewiesche-Brandt (8) ❑ Vogel (1) ❑ <strong>Volksbund</strong>archiv (262) ❑ von Lutzau (1) ❑ Weber, G. (1) ❑ Weber,<br />
H.-O. (6) ❑ Wehmeyer (3) ❑ Weitmann (1) ❑ Wiedemann (2) ❑ Wittek (1) ❑ Winkelmann (1) ❑ Wollenzien<br />
(1) ❑ Ziwas (1) ❑ Zucchi (4)<br />
Die Belegungszahlen der Kriegsgräberstätten entsprechen, soweit nicht anders vermerkt,<br />
dem Stand des Jahres 2008; Titelbild: Gedenkfeier anlässlich der Einweihung<br />
der Kriegsgräberstätte Sandweiler/Luxemburg vor 50 Jahren (2005).