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Das komplette Buch (22 MB) - Volksbund Deutsche ...

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Dienst<br />

am<br />

Menschen<br />

Dienst<br />

am<br />

Frieden<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V.


„Die Geschichte Deutschlands ist untrennbar verknüpft<br />

mit den beiden Weltkriegen. Die Erinnerung daran hat uns <strong>Deutsche</strong> tief geprägt.<br />

Wir haben die Verantwortung, die Erinnerung an dieses Leid und an seine Ursachen<br />

wach zu halten, und wir müssen dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V. setzt sich für diese Aufgabe<br />

in vorbildlicher Weise ein. Ich freue mich, dass er dabei auch auf die<br />

große Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger zählen kann.<br />

Gemeinsam mit den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern des <strong>Volksbund</strong>es<br />

leisten sie ihren wertvollen Beitrag zur Versöhnung über den Gräbern.<br />

Im Dezember 2009 wird der <strong>Volksbund</strong> 90 Jahre alt.<br />

Ich wünsche ihm für seine wichtige Arbeit alles erdenklich Gute!“<br />

Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />

Schirmherr des <strong>Volksbund</strong>es


Unser Jubiläumsbuch „Dienst am Menschen<br />

– Dienst am Frieden“ ist nicht nur<br />

ein besonderes Dankeschön für großzügi -<br />

ge und treue Freunde und Förderer des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. Es ist auch ein Rückblick in<br />

die Geschichte unseres Verbandes. Seit<br />

dem Ersten Weltkrieg ist sie auf das engste<br />

mit der deutschen und der europäischen<br />

Geschichte verbunden. Im Konzept dieses<br />

<strong>Buch</strong>es schlägt sich das nieder, wenn Sie<br />

auf der einen Seite in Text und Bild eine<br />

Auswahl politischer Ereignisse, auf der<br />

anderen Seite eine Auswahl von Eckpunkten<br />

des „<strong>Volksbund</strong>lebens“ finden. Selbstverständlich<br />

kann eine solche Auswahl<br />

nur kleine Teile des wirklichen Geschehens<br />

umfassen. Des halb darf dieses <strong>Buch</strong><br />

auch nicht als „Geschichtsbuch“ mit Anspruch<br />

auf wissenschaftliche Exaktheit<br />

gelten. Aber wir sind sehr stolz darauf,<br />

dass die ersten Auflagen (das erste <strong>Buch</strong><br />

erschien 1994 zum 75-jährigen Jubiläum<br />

des <strong>Volksbund</strong>es) gerade von Pädagogen<br />

wegen der Anschaulichkeit der Darstellung<br />

gelobt worden sind.<br />

Dieses Vorwort soll keine Inhaltsangabe<br />

sein. Festhalten möchte ich, dass der<br />

<strong>Volksbund</strong> in den vergangenen Jahrzehnten<br />

vor immer wieder neuen, scheinbar<br />

kaum zu bewältigenden Anforderun gen<br />

ge standen hat und diese immer wieder –<br />

das darf man sicher sagen – hervorragend<br />

bewältigen konnte.<br />

Andererseits ist seine Geschichte nicht<br />

frei von Brüchen. Gegründet wurde der<br />

<strong>Volksbund</strong> als humanitäre Initiative der<br />

Bürger und für die Bürger, mit großer Unterstützung<br />

aller Schichten der deut schen<br />

Bevölkerung. Er überstand mit einigen<br />

Blessuren die politischen und wirtschaft lichen<br />

Wirren der frühen 20er Jahre. Mit der<br />

Stabilisie rung kamen auch die Erfolge im<br />

Bau und Ausbau von Kriegsgräberstätten.<br />

Die frühe Selbstunterwerfung der <strong>Volksbund</strong>führung<br />

unter die Maximen des nationalsozialistischen<br />

Regimes rette te mög -<br />

licherweise die formelle Eigenstän dig keit<br />

des Verbandes. Der Preis aller dings war –<br />

aus heutiger Sicht – viel zu hoch. Denn die<br />

Organisation wurde zu einem willigen Erfüllungsgehilfen<br />

der unseligen Dikta tur,<br />

die un ser Land und viele Milli onen Menschen<br />

weltweit in Tod und Ver derben<br />

führte. Zum unrühmlichen Teil der Verbands<br />

geschich te gehört zum Beispiel die<br />

Verwandlung der Mitglieder zeit schrift in<br />

ein Organ zur Verherr lichung na tionalsozialistischer<br />

An schauungen und zur Festigung<br />

des Durchhaltewillens der Bevöl ke -<br />

rung im Krieg.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es<br />

nicht nur, die Abgründe der deutschen<br />

und auch der eigenen Geschichte zu über -<br />

winden – und hier ist noch vieles wissen-<br />

schaftlich aufzuarbeiten. Aus dem Nichts<br />

heraus waren ungleich größere Aufgaben<br />

als nach dem Ersten Weltkrieg zu bewältigen.<br />

Gleichzeitig war klar, dass Kriegsgräberstätten<br />

und Kriegsgräber mehr sind,<br />

einfach mehr sein müssen als nur elementare<br />

Bestandteile nationaler Identität und<br />

Orte der individuellen Erinnerung und<br />

Trauer für die Familien.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat dem mit seiner internationalen<br />

Jugendarbeit, festgeschrieben<br />

in seiner Satzung, ein neues Element<br />

hinzugefügt. Die Zusammenarbeit mit<br />

jungen Menschen zur Förderung von Verständigung<br />

und Versöhnung, von Freundschaft<br />

und Frieden wird seit Jahrzehnten<br />

konsequent ausgebaut. Mit Recht darf<br />

man stolz sein auf die großen Leistungen,<br />

die der Verband im Friedhofsbau und bei<br />

der Pflege der Friedhöfe, bei der Suche<br />

nach den Kriegs toten, ihrer Bergung und<br />

endgültigen Bestattung, bei der Betreuung<br />

der Angehörigen erbracht hat. Die Jugendarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, die Arbeit in den<br />

Jugendcamps, den Jugendbegegnungsund<br />

-bildungsstätten, die Zusammenarbeit<br />

mit den Schulen aber verdient es, besonders<br />

herausgehoben zu werden.<br />

Nach 90 Jahren ist die Geschichte des<br />

<strong>Volksbund</strong>es nicht „vorbei“. Seine Arbeit<br />

wird sich auch künftig nicht auf eine besonders<br />

organisierte Friedhofspflege reduzieren<br />

lassen. Große Herausforde rungen<br />

warten, in einer Zeit, in der ihre Finanzierung<br />

nicht unbedingt einfacher wird. Die<br />

letzten großen Sammelfriedhöfe sind bereits<br />

im Bau oder in Planung. Mit aller<br />

Kraft gilt es in Mittel-, Ost- und Südosteuropa<br />

die Kriegstoten zu bergen, die wir<br />

noch finden können. Diese Arbeit wird<br />

über das Jahr 2015 deutlich hinausreichen,<br />

wenngleich bis dahin der größte Teil des<br />

überhaupt Machbaren geschafft sein muss.<br />

Es stellt sich bereits jetzt die Frage, welchen<br />

Umfang die Aufgabe der Suche, Bergung<br />

und Bestattung der deutschen zivi -<br />

len Opfer des Geschehens bei Flucht und<br />

Vertreibung annehmen wird. Es wird eine<br />

angemessene Form der Namendokumentation<br />

für alle die Opfer geben müssen, die<br />

nicht mehr gefunden, identifiziert und bestattet<br />

werden können. Und schließlich<br />

wird uns allen immer wieder die Frage<br />

vorgelegt werden, wie wir mit den Toten<br />

umgehen, die während der Auslandseinsätze<br />

der Bundeswehr zu beklagen sind<br />

und sein werden.<br />

Ich bitte Sie herzlich, uns heute und<br />

auch in Zukunft dabei zu helfen, Antworten<br />

zu finden und unsere Aufgaben zu erfüllen.<br />

Mein Dank gilt allen, die uns bis<br />

heute geholfen haben und die uns weiter<br />

unterstützen. Mit Ihrer Hilfe werden wir<br />

es schaffen!<br />

Ein Blick in die<br />

Geschichte und<br />

die Aufgaben<br />

der Zukunft<br />

Reinhard Führer,<br />

Präsident des <strong>Volksbund</strong>es


Einleitung<br />

6<br />

Am 1. August 1914<br />

beginnt der Erste Weltkrieg.<br />

Die Geschichte der Menschheit ist<br />

auch die Geschichte ständiger Krie -<br />

ge: Immer starben Menschen, weil Waffen<br />

eingesetzt wurden, Gewalt angewendet,<br />

Krieg geführt wurde. Opfer von Krieg<br />

und Gewaltherrschaft nennen wir sie mit<br />

den Worten unseres Gräbergesetzes in der<br />

Fassung des Jahres 2007. Und noch immer<br />

entstehen neue Gräber für neue Opfer.<br />

Wie die Völker mit den Opfern und deren<br />

Gräbern umgingen, war im Laufe der Geschichte<br />

sehr unterschiedlich. Dies darzustellen<br />

ist nicht Aufgabe dieses <strong>Buch</strong>es.<br />

Da aber das Entstehen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

im Dezember 1919 unter dem Einfluss des<br />

Geschehens in den fünf Jahren davor<br />

stand, ist es wichtig, diese Jahre in die Betrachtung<br />

einzubeziehen. Nur so werden<br />

Hintergründe deutlich.<br />

Im Ersten Weltkrieg spielt der Gedanke<br />

der Kriegsgräberfürsorge im militärischen<br />

und zivilen Bereich eine stärkere<br />

Rol le als je zuvor. Grundsätzlich will man<br />

alle Gefallenen bestatten und ihre Gräber<br />

erhalten. <strong>Das</strong> war bis dahin, auch noch im<br />

deutsch-französischen Krieg 1870/71,<br />

durchaus nicht selbstverständlich. Erstmals<br />

gibt es eine Kriegsgräberfürsorge der<br />

deutschen Heeresverwaltung, deren Aufgabe<br />

in einer zeitgenössischen Schrift so<br />

beschrieben ist: „Bald nach Beginn des<br />

Krieges erkannte deshalb die Heeresverwaltung,<br />

dass es zur dauernden und<br />

würdigen Erhaltung der Gräber einer<br />

planmäßigen Nacharbeit bedarf.“ Eine<br />

besondere Stelle wird im preußischen<br />

Kriegsministerium eingerichtet. Ihre<br />

Aufgaben:<br />

- Aufsuchen und Feststellen der Gräber,<br />

- ihre Festlegung in Verzeichnissen,<br />

- die Erforschung der Namen von<br />

Unbekannten,<br />

- die Erhaltung der Gräber durch feste<br />

Gestaltung und Umwehrung und dazu<br />

vielfach vorherige Verlegung,<br />

- ihre würdige Ausschmückung und<br />

Ausstattung mit dauerhaften<br />

Grabzeichen,<br />

- ihre fotografische Aufnahme.<br />

Am 17./18. März 1916 werden Ver treter<br />

aller in Betracht kommenden Behörden<br />

zu einer gemeinsamen Besprechung<br />

nach Berlin berufen. Mitten im Krieg wird<br />

auch ein Abkommen mit Österreich-Ungarn<br />

getroffen, wonach „die Fürsorge für<br />

die Gräber gleich, ob eigene, verbündete<br />

oder feindliche Heeresangehörige in Fra -<br />

ge kommen, von dem Staat übernommen<br />

wird, in dessen Verwaltungsgebiet die<br />

Gräber liegen.“ Ähnliches wird mit Bulgarien<br />

vereinbart. Und schließlich heißt es<br />

im Jahre 1917: „Mit den feindlichen Regie-<br />

7


Die Siegesgewissheit der ersten<br />

Kriegs tage weicht bald der<br />

Ernüchterung im Stellungskrieg:<br />

Bilder von den Schlachten an der<br />

Somme und in Flandern. Besonders<br />

gefürchtet sind die Giftgasangriffe.<br />

8<br />

rungen sind Verhandlungen eingeleitet,<br />

damit den Gräbern deutscher Krieger in<br />

Feindesland die gleiche Fürsorge zuteil<br />

wird, wie die deutsche Heeresverwaltung<br />

sie unterschiedslos auch den Gräbern der<br />

feindlichen Krieger widmet, nicht nur den<br />

Ge fallenen auf den Schlachtfeldern, sondern<br />

auch den in der Kriegsgefangenschaft<br />

Verstorbenen.“<br />

Am 28. Februar 1917 finden diese<br />

Grundsätze Eingang in eine sogenannte<br />

Allerhöchste Kabinetts-Order. Hervorzuheben<br />

ist einerseits, dass danach weder<br />

Unterschiede nach Dienstgraden oder<br />

-rängen der Toten gemacht werden sollen,<br />

noch nach deren Zugehörigkeit zur deutschen,<br />

zu einer verbündeten oder einer<br />

gegnerischen Armee. Andererseits durchzieht<br />

der Grundsatz der solda tischen<br />

Schlichtheit sämtliche Festle gun gen. Über<br />

den Wandel in Bezug auf die Einstellung<br />

zu den Kriegsgräbern in der Geschichte<br />

heißt es in einem Aufsatz des Jahres 1917:<br />

„Die Art, wie wir unsere Krie ger beigesetzt<br />

wissen möchten, kann gar nicht<br />

streng, schlicht und in gewissem Sinne<br />

kunstlos genug sein; von allen persönlich<br />

allzu auszeichnenden Formen der Helden -<br />

verehrung möchten wir angesichts der<br />

überwältigenden sozialen Tatsache des<br />

Volksheeres und des Massen todes absehen.“<br />

Bemerkenswert ist auch die Ablehnung<br />

eines jeden „Monumenta lismus.“<br />

Auf der zivilen Seite gibt es im Jahre<br />

1917 überall Beratungsstellen für Kriegerehrungen,<br />

in Preußen mit einer beachtlichen<br />

Organisation. Auch in Bayern wird<br />

eine Beratungsstelle, dort schlicht „für<br />

Kriegsgräber”, eingerichtet, in Sachsen<br />

bleibt man bei der Bezeichnung „Landesberatungsstelle<br />

für Krieger ehrung.“ Eine<br />

Zusammenstellung der Publikationen allein<br />

dieser Landesstelle ist eindrucksvoll.<br />

Am 9. November 1918 wird der Waffenstillstand<br />

geschlossen. Der Kaiser<br />

dankt ab und geht ins Exil. <strong>Das</strong> geschlagene<br />

deutsche Heer kehrt – ganz anders<br />

als nach 1945 – in relativ guter militärischer<br />

Ord nung in eine im wesentlichen<br />

unzerstörte Heimat zurück. Aber die Verluste<br />

sind ungeheuer: über zwei Millionen<br />

Tote und Vermisste allein auf deu t sch er<br />

Seite, zusammen mit den Verlusten der<br />

anderen Staaten über zehn Millionen<br />

Menschen! Viele Überlebende kehren mit<br />

schwer en Schäden an Leib und Seele aus<br />

dem Trommelfeuer zu rück, aus den Schü tzengräben,<br />

aus den vom Krieg verwüsteten<br />

Ländern. In der Heimat herrschen<br />

inzwischen gro ße Not und tiefe Verzweiflung,<br />

die Hunger blockade der Alliierten<br />

wirkt fort und der Staatsbankrott, der<br />

1923 in der Infla tion gipfelt, wirft seine<br />

langen Schatten voraus. ■<br />

Gesichter des Krieges.<br />

Der Erste Weltkrieg fordert<br />

zehn Millionen Todesopfer.<br />

Wie viele Menschen jedoch mit<br />

körperlichen und seelischen<br />

Schäden nach dem Krieg weiter -<br />

leben, ist in keiner Statistik erfasst.<br />

9


Trotz der Schrecken des Krieges ist<br />

Menschlichkeit noch möglich –<br />

deutsche und britische Verwundete<br />

werden versorgt (Pozières, 1916).<br />

Der Stellungskrieg verwandelt<br />

große Teile Nordfrankreichs und<br />

Flanderns in Trümmerwüsten.<br />

Oktober 1918: <strong>Deutsche</strong> Kriegs -<br />

gefangene in Abbéville – für sie ist<br />

der Krieg vorbei (Foto auf Seite 10).<br />

11


12<br />

St. Quentin/Nordfrankreich 1917:<br />

Noch während des Krieges wird der<br />

Soldatenfriedhof von der deutschen<br />

Armee angelegt. Kaiser Wilhelm II.<br />

kommt zur Einweihung.<br />

Mit dem Frieden von Brest-Litowsk<br />

scheidet Russland im Frühjahr 1918<br />

endgültig aus dem Krieg aus.<br />

Die deutschen Kriegsgefangenen<br />

werden entlassen.<br />

13


1919<br />

14<br />

<strong>Das</strong> Jahr 1919 beginnt in Deutschland,<br />

wie das letzte Kriegsjahr geendet<br />

hat: blutig und politisch turbulent.<br />

Noch bevor die Verhandlungen über den<br />

kommenden Frieden oder eine neue de mokratische<br />

Verfassung Deutschlands auch<br />

nur begonnen haben, herrschen Ge walt,<br />

Umsturzversuche, Revolten und Mord.<br />

Allein im März 1919 gibt es in Ber lin<br />

1 200 Tote. ❑ Man muss sich diesen Hintergrund<br />

bewusst machen, wenn man das<br />

erste Jahr der Republik, das auch zugleich<br />

zum Gründungsjahr des <strong>Volksbund</strong>es wer -<br />

den soll, beurteilen will: Am 15. Janu ar<br />

werden in Berlin Rosa Luxemburg und<br />

Karl Liebknecht von radikalen Offizieren<br />

ermordet. Der Januar-Aufstand der revolutionären<br />

Spartakisten (Kommunisten,<br />

Spartakusbund) wird von der Reichswehr<br />

unter Führung des Sozial demokraten Gustav<br />

Noske niedergeschlagen. Der bayerische<br />

Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD)<br />

wird am 21. Febru ar in München nach seiner<br />

Nieder lage bei den Wahlen auf dem<br />

Weg zum Landtag von dem Leutnant<br />

Graf von Arco-Valley erschossen. Eisner<br />

wollte seinen Rücktritt erklären. Nachfolger<br />

wird am 28. März der Sozialdemokrat<br />

Hoffmann. Er muss aber bereits nach drei<br />

Wochen mit seiner Regierung vor den<br />

Kommunisten nach Nürnberg, dann nach<br />

Bamberg fliehen. Diese rufen die Räte republik<br />

in Bayern aus, München wird von<br />

einer Roten Armee beherrscht. Erst am<br />

1. und 2. Mai wird es von Regierungstruppen<br />

besetzt. ❑ Dies sind nur einige<br />

Schlaglichter, die den Hintergrund erhellen,<br />

vor dem am 18. Januar die Friedenskonferenz<br />

von Versailles beginnt – ohne<br />

Deutschland! ❑ Am 19. Januar wählt das<br />

deutsche Volk seine erste Nationalversammlung,<br />

um der Re publik eine demokratische<br />

Ver fassung zu geben. <strong>Das</strong> Ergeb<br />

nis ist verblüffend: Von 36,3 Millionen<br />

Wahlberechtigten beteiligen sich 83 Prozent<br />

an der Wahl. Und dies, obwohl die<br />

Kommunisten zum Boykott aufgerufen<br />

haben. Die Träger dieser Republik – So -<br />

zialdemokraten, Zentrum und <strong>Deutsche</strong><br />

Demokraten – erhalten zusammen 76 Pro -<br />

zent. Dies ist eine klare Absage sowohl an<br />

eine Räterepublik als auch an die Wiedereinführung<br />

der Monar chie. ❑ Am 11. Februar<br />

wird Friedrich Ebert (SPD) Reichs -<br />

präsident. Die Weimarer Verfassung wird<br />

am 13. August verabschiedet. Nun geht<br />

in Deutschland zum erst en Mal „alle<br />

Staats gewalt vom Volke aus.“ <strong>Das</strong> Koalitionsrecht<br />

wird verfas sungsrechtlich verbürgt.<br />

Schwarz-Rot-Gold wird Reichsflagge.<br />

❑ Die Sieger mächte erzwingen<br />

einen Friedens ver trag, der diesen Namen<br />

nicht verdient und der nicht geeignet ist,<br />

Hoffnung auf eine bessere Zukunft kei-<br />

men zu lassen. So treffend das Wort des<br />

britschen Pre mierministers Lloyd George<br />

ist, 1914 seien „die Völker in den Weltkrieg<br />

hineingeschlittert,“ so wenig weise<br />

ist der Vertrag von Versailles. Eine große<br />

Chance zu einer stabilen und gerechten<br />

Friedensordnung, wie sie dem amerika nischen<br />

Präsidenten Wilson vorschwebt<br />

und nach der sich wohl alle Völker sehnen,<br />

wird vertan. In Deutschland jedoch<br />

wirkt sich dieser Vertrag und die Art sei -<br />

nes Zustandekommens ver he erend aus:<br />

politisch, wirtschaftlich und moralisch.<br />

Da ist die von den Siegern erzwungene,<br />

historisch unhaltbare Anerkennung der<br />

Alleinschuld Deutschlands am Krieg (Artikel<br />

231 Versailler Vertrag), durch gesetzt<br />

als Rechtfertigung für 1919 noch unbezifferbare<br />

Reparationen. In Deutsch land<br />

wird er in erster Linie als moralische Diffamierung<br />

empfunden. Und die Ge biets -<br />

abtre tungen tragen erkennbar den Keim<br />

künf tiger Konflikte (Lloyd George) in<br />

sich. Noch schlimmer ist, dass sich keine<br />

zukunftsweisende neue Friedensordnung<br />

abzeichnet, für die es gelohnt hätte, positiv<br />

einzutreten – trotz des Völkerbundes.<br />

Damit wird die spätere, unglückliche Ent -<br />

wicklung in Europa ein ge leitet. Zugleich<br />

aber liegt hier eine der wichtigsten Ursachen<br />

für die innere Entwicklung in<br />

Deutsch land, die den Feinden der Demokratie<br />

und der Republik immer mehr<br />

Trümpfe in die Hände spielt. ❑ Truppen<br />

der Siegermächte besetzen am 1. Dezember<br />

Saarbrücken, das Rheinland und die<br />

Pfalz. ❑ In Weimar gründet der Architekt<br />

Walter Gropius das Bauhaus, Richard<br />

Dehmel veröffentlicht ein Jahr vor seinem<br />

Tod sein Kriegstagebuch „Zwischen Volk<br />

und Menschheit”, Heinrich Mann „Macht<br />

und Menschen,“ Max Reinhardt eröffnet<br />

in Berlin das umgebaute Schauspielhaus. ■<br />

Die gesellschaftliche Ordnung des<br />

Kaiserreiches bricht zusammen.<br />

Der Vertrag von Versailles mit<br />

seinen harten Bedingungen gibt den<br />

rechten Kräften Auftrieb (unten: Unterzeichnung<br />

im Schloss von Versailles,<br />

rechts: die deutsche Delegation).<br />

Der Kaiser hat abgedankt.<br />

Der Sozialdemokrat Philipp Scheide -<br />

mann ruft in Berlin am 9. November<br />

1918 die Republik aus (das Bild<br />

unten zeigt ihn bei einer Kundgebung<br />

gegen den Versailler Vertrag).<br />

15


16<br />

Am 10. September beschließen acht<br />

Männer in Berlin die Gründung ei -<br />

ner deutschen Kriegsgräberfürsorge. Je -<br />

der zahlt 100 Mark ein. Unter ihnen sind<br />

der Architekt Heinrich Straumer, der bereits<br />

gegen Ende des Krieges in der Gräberfürsorge<br />

tätig gewesen ist, und Siegfried<br />

Emmo Eulen, der während des Krieges<br />

nach Polen und in die Türkei entsandt<br />

war, um dort Friedhöfe zu bauen<br />

und die Kriegs gräber fürsorge zu organisieren.<br />

Dem vor bereitenden Gründungs-<br />

kongress am 26. November liegt als Arbeitsunterlage<br />

die Broschüre <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge vor. ❑ Am 16. Dezember<br />

wird der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfür sorge e. V. gegründet.<br />

Erster Präsident ist Oberst a. D. Joseph<br />

Koeth (bis 1923). Am 23. August hat Eu -<br />

len den Entwurf für die Statuten einer Internationalen<br />

Kriegsgräberfürsorge verfasst.<br />

Als ihr Sitz ist Genf vorgesehen, um<br />

eine enge Zusammenarbeit mit dem Völkerbund<br />

zu ermöglichen. Diese Pläne<br />

werden nicht verwirklicht. ❑ Die Reichsregierung<br />

ist weder politisch noch wirtschaftlich<br />

in der Lage, sich um die Gräber<br />

der Gefallenen jenseits der Reichsgrenzen<br />

zu kümmern. Sie müssen zunächst ihrem<br />

Schicksal überlassen blei ben. Heimkehrende<br />

Soldaten, Hinter blie bene der Opfer<br />

und andere Bürger suchen nach Wegen,<br />

um diesen von der Mehrheit als unerträglich<br />

empfundenen Zustand zu ändern. In<br />

Sorge um die Kriegsgräber im Ausland<br />

haben sich in Deutschland be reits einige<br />

Organisationen gebildet, die sich um<br />

Grabpflege und Erteilung von Auskünften<br />

an Angehörige bemühen wol len. So<br />

gibt es in Bayern seit dem 14. September<br />

den <strong>Deutsche</strong>n Kriegs gräber-Schutzbund,<br />

in Braunschweig den Verein zur Erforschung<br />

und Erhaltung <strong>Deutsche</strong>r Kriegsgräber<br />

e. V., in Salz wedel die <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräber- Interessenten-Vereinigung<br />

und in Hagen (Westfalen) den Bund Heimatdank.<br />

Der <strong>Volksbund</strong>, aus der Not geboren,<br />

nimmt seinen Anfang. Im heutigen<br />

Sprachgebrauch wür den wir ihn eine<br />

Bürger initiative nennen. ■<br />

Am 10. Januar tritt der Vertrag von<br />

Versailles in Kraft. ❑ Am 1. Februar<br />

wird Danzig von den Engländern besetzt.<br />

❑ Am 10. Februar stimmt Nord-Schleswig<br />

ab: Hadersleben, Apenrade, Tondern<br />

und die Insel Alsen fallen an Dänemark.<br />

❑ Am 13. März versuchen Reichswehr -<br />

offiziere, der Nationalist Wolfgang Kapp<br />

– ein ehemaliger politischer Beamter –<br />

und einige rechtsradikale Politiker eine<br />

„Gegenrevolution“ gegen die demokratische<br />

Republik: Kapp marschiert mit Ge -<br />

neral von Lüttwitz an der Spitze eines<br />

sogenannten Freikorps, der Brigade Ehr -<br />

hardt, in Berlin ein, um die Regierung mit<br />

Waffengewalt zu stürzen. Die Reichswehr<br />

versagt der Regierung ihre Hilfe. Der<br />

Chef der Heeresleitung, der loyale General<br />

Reinhardt, setzt sich vergeblich für<br />

den Truppeneinsatz gegen die Putschisten<br />

ein. Mit dem Ausspruch „Reichs -<br />

wehr schießt nicht auf Reichswehr“ ver -<br />

hindert der Chef des Truppenamtes, General<br />

von Seeckt, regie rungstreues Verhalten<br />

der Truppe. Dennoch bricht der<br />

Putsch nach wenigen Tagen zusammen:<br />

Die Gewerkschaften retten die Republik<br />

durch einen Generalstreik, die Beamtenschaft<br />

hilft, indem sie jede Zusammenarbeit<br />

mit den Hochverrätern verweigert.<br />

Wenig später stürzt die Regierung Bauer.<br />

Der Reichskanzler und Reichswehr minister<br />

Noske müssen gehen; General Reinhardt<br />

nimmt – angewidert von der Wei -<br />

gerung der Reichswehr, der Regierung<br />

die schuldige Hilfe zu leisten – den Abschied.<br />

Sein Nachfolger als Chef der Heeresleitung<br />

wird der für diese Illoyalität<br />

Hauptverantwortliche: General von<br />

Seeckt. Im Ruhrgebiet entsteht eine Rote<br />

Armee von ca. 50 000 Mann. Sie besetzt<br />

vom 15. März bis 10. Mai Düsseldorf,<br />

Remscheid, Duisburg und Mühlheim.<br />

Der Aufstand wird von der Reichswehr<br />

niedergeschlagen. ❑ Durch die Volksabstimmung<br />

am 11. Juli in Ost- und Westpreußen<br />

verbleiben Allenstein und Ma -<br />

rienwerder bei Deutschland. ❑ Am 16. De -<br />

zember setzen die Siegermächte die deutsche<br />

Gesamtschuld auf 269 Mil liarden<br />

Goldmark fest: Deutschland soll bis Ende<br />

1962 jährlich 6,4 Milliarden zahlen. ❑ Der<br />

Reichstag verabschiedet das erste Betriebs -<br />

rätegesetz – eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer<br />

ist noch nicht enthalten. Bei<br />

Demonstrationen dagegen gibt es in Berlin<br />

42 Tote. ❑ Es erscheinen die ersten bei -<br />

den Kriegsbücher namhafter Schrift stel ler:<br />

in Frankreich „Paroles d’un combattant“<br />

von Henri Barbusse, in Deutschland „In<br />

Stahlgewittern“ von Ernst Jünger. Von<br />

Thomas Mann erscheint das <strong>Buch</strong> „Herr<br />

und Hund,“ von Kurt Tucholsky „Träumereien<br />

an preußischen Kaminen“ – anti-<br />

nationalistische Sa tiren. Karl Binding und<br />

Alfred Hoche veröffentlichen ihr <strong>Buch</strong><br />

„Die Freigabe der Vernichtung lebens un -<br />

werten Lebens.“ ■<br />

1920<br />

Die Unruhen halten an: Kapp-Putsch<br />

in Berlin. Bewaffnete patrouillieren in<br />

den Straßen.<br />

Truppen der Alliierten besetzen<br />

während des Aufstandes am 6. April<br />

den Maingau: Frankfurt (Bild unten),<br />

Homburg, Hanau und Darmstadt.<br />

17


Viele Kriegsgräberstätten im ehe -<br />

maligen Frontgebiet sind durch die<br />

Kämpfe völlig verwüstet. Die Bilder<br />

unten zeigen den gleichen Friedhof<br />

in den Jahren 1917 und 1918.<br />

18<br />

Der <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber-Schutzbund,<br />

München, gliedert sich am<br />

5. März als bayerischer Landesverband in<br />

den <strong>Volksbund</strong> ein. Diesem Beispiel folgt<br />

u. a. der Braunschweiger Verein zur Erforschung<br />

und Erhaltung deutscher Kriegs -<br />

gräber. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hält am <strong>22</strong>. November<br />

in Berlin seinen ersten Vertretertag<br />

ab. Bereits zum Jahres ende liegen<br />

zahlreiche Berichte über den Zustand von<br />

Friedhöfen vor, geliefert von ehemaligen<br />

Soldaten: 430 aus Frankreich, 74 aus Bel-<br />

gien, vier aus Italien, drei aus Polen,<br />

sechs aus Jugo slawien, fünf aus Rumänien.<br />

In den Berichten heißt es: „guter<br />

Zustand,“ „gepflegt,“ „verunkrautet,“<br />

„verwahrlost,“ „bei den Kampfhandlungen<br />

der letzten Monate stark oder vollkommen<br />

zerstört,“ „von deutschen<br />

Kriegs gefan genen hergerichtet,“ „nach<br />

Abreise der Kriegs gefangenen verwahrlost.“<br />

Bei einzelnen Friedhofsorten ist<br />

vermerkt: „Einwohner des Ortes sind<br />

noch nicht zurückgekehrt.“ Von „Grabschändungen“<br />

ist allerdings – entgegen<br />

späteren Behaup tungen – nicht die Rede. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> in Ham burg wird<br />

von Frauen gegründet:<br />

Amanda Fera, Dr. Almuth Hartmann<br />

und Thekla Haerlin (von links).<br />

92 Persönlichkeiten des öffentlichen<br />

Lebens unterzeichnen den Aufruf<br />

zur Gründung, darunter Persönlichkeiten,<br />

deren Namen noch heute ein<br />

Begriff sind:<br />

Dr. Konrad Adenauer, Dr. Richard<br />

Dehmel, Bischof D. Dr. Otto Dibelius,<br />

Dr. Michael von Faulhaber, Gerhart<br />

Hauptmann, Paul von Hindenburg,<br />

Prof. Dr. Max Liebermann, Franz<br />

von Mendelssohn, Max Pechstein,<br />

Dr. Walther Rathenau.<br />

19


1921<br />

20<br />

Matthias Erzberger<br />

(1875 – 1921)<br />

In den schraffierten Landesteilen<br />

gibt es bereits Verbände des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. Rechts die erste Ausgabe<br />

der Mitglieder zeitschrift.<br />

In der Zeit vom 8. März bis 6. April<br />

besetzen die Siegermächte Düsseldorf,<br />

Duisburg, Ruhrort, Mühlheim und<br />

Oberhausen. ❑ Die Unruhen dauern an.<br />

In Thüringen und Sachsen tobt im März<br />

ein kommunistischer Aufruhr. Betroffen<br />

sind vor allem Merseburg, Eisleben,<br />

Sanger hausen, Halle und Leipzig. Auch<br />

in Ham burg herrscht Aufruhr. ❑ Am<br />

27. April werden die Reparationen auf<br />

132 Milliarden Goldmark ermäßigt.<br />

❑ Am 29. Juli wird Adolf Hitler Vorsitzender<br />

der Nationalsozialistischen <strong>Deutsche</strong>n<br />

Arbeiterpartei (NSDAP). ❑ Der<br />

ehemalige Reichsfinanzminister Matthias<br />

Erzberger (Zentrum) fällt am 26. August<br />

einem Attentat von Rechtsradikalen zum<br />

Opfer. Die Mörder gehören der berüchtigten<br />

„Organisation Consul“ an, die dem<br />

aus dem Kapp-Putsch bekannten Kapitän<br />

Ehrhardt untersteht. Nach der Tat erhalten<br />

sie falsche Pässe, die ihnen der nationalsozialistische<br />

Polizeipräsident Pöhner<br />

verschafft. Sie entkommen nach Ungarn<br />

und kehren kurz vor der Übernahme der<br />

Macht durch die Nationalsozialisten nach<br />

Deutschland zurück. ■<br />

Ende Februar erscheint die erste<br />

Aus gabe der Zeitschrift „Kriegsgräberfürsorge.“<br />

Zu diesem Zeitpunkt können<br />

von 14 Friedhöfen Grabfotos be -<br />

schafft werden. Grabschmuckwünsche<br />

werden im April für 33 Friedhöfe in Frankreich<br />

und Belgien, im September bereits<br />

für 90 Fried höfe in sieben Ländern aus geführt.<br />

❑ Der Antrag des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />

Einführung eines Nationaltrauertages,<br />

der vom Landesverband Bayern angeregt<br />

worden ist, wird vom Reichsrat zurückge<br />

stellt. ❑ Am 9. Mai bezeichnet das<br />

Reichs innenministerium den <strong>Volksbund</strong><br />

„als einzige von den beteiligten Reichsund<br />

Staatsbehörden für das Gebiet der<br />

Kriegs gräberfürsorge anerkannte Organisation.“<br />

❑ Aus der Bundestagung (Vertretertag)<br />

vom 28. und 29. Mai in Nürnberg:<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat neben Länderzentralen<br />

300 Ortsgruppen und 30 000 Mitglieder.<br />

❑ Der Reichsverkehrsminister lehnt<br />

die Eingabe des Bundesvorstandes auf<br />

Fahrpreisermäßigung für Angehörige, die<br />

die Gräber ihrer Gefallenen besuchen<br />

wollen, ab. ■<br />

Der Abschluss des deutsch-sowje -<br />

tischen Vertrages von Rapallo am<br />

17. April bedeutet einen großen politischen<br />

Erfolg von Reichsaußenminister<br />

Walther Rathenau. Wichtigster Passus:<br />

„Alle Ansprüche aus der Zeit des Krieges<br />

sind hiermit erledigt.“ ❑ Ende Mai leben<br />

in Deutschland eine Million Flüchtlinge<br />

aus dem Ausland und den ehemaligen<br />

Kolonien, aus Elsass-Lothringen, Westpreußen,<br />

Posen, Oberschlesien, aus Russland<br />

und dem Baltikum, Juden aus Ost -<br />

europa sowie im Ausland interniert gewesene<br />

<strong>Deutsche</strong>. ❑ Am 24. Juni wird<br />

Rathenau, einer der begabtesten Staatsmän<br />

ner der Republik, von rechtsradikalen<br />

Mördern aus der „Organisation Con -<br />

sul“ umgebracht. Die Erregung ist ungeheuer.<br />

Im Reichstag kommt es zu Schlägereien.<br />

Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum)<br />

zeigt auf die Hintermänner im Parlament<br />

und spricht seinen berühmt gewordenen<br />

Satz: „Da steht der Feind! Und<br />

dieser Feind steht rechts!“ ❑ Der Reichspräsident<br />

erlässt eine Verordnung zum<br />

<strong>Das</strong> Denkmal für sieben streikende Arbeiter,<br />

die von Putschisten während des<br />

Kapp-Putsches in Weimar erschossen<br />

wurden, wird am 1. Mai enthüllt. Der<br />

Entwurf stammt von Walter Gropius,<br />

dem Gründer des Bauhauses.<br />

Schutze der Republik. Einer der Mörder<br />

Rathenaus wird beim Versuch der Festnahme<br />

von der Polizei erschossen. Der<br />

andere begeht Selbstmord. Hitler lässt<br />

den beiden später ein Denkmal setzen! ❑<br />

Im selben Jahr werden von rechtsradikaler<br />

Seite Atten tate auf den ehema ligen<br />

Reichskanzler Philipp Scheidemann so -<br />

wie auf den bekannten Publizisten Maximilian<br />

Harden verübt. Beide kommen mit<br />

dem Leben davon. ❑ Oswald Spengler<br />

veröffentlicht Band II seines <strong>Buch</strong>es „Der<br />

Untergang des Abend landes“ (Band I ist<br />

1918 erschienen). ❑ <strong>Das</strong> Deutschlandlied<br />

wird durch Verordnung des Reichspräsidenten<br />

Nationalhymne. ■<br />

Der zunehmende Währungsverfall begünstigt<br />

den „Schwarzmarkt“: hier z. B.<br />

Straßenhandel mit Hemdkragen.<br />

19<strong>22</strong><br />

Dr. Walther Rathenau<br />

(1867 – 1921)<br />

21


<strong>22</strong><br />

Paul Löbe<br />

(1875 – 1967)<br />

Aus der Ansprache zum Volkstrauertag<br />

im Plenarsaal des Reichstags:<br />

„Noch sind die Wunden des Krieges<br />

nicht vernarbt. Eines aber liegt hinter<br />

uns, das Massen sterben durch<br />

körperliche Gewalt. Eines kann uns<br />

niemand verwehren, die Ehrung<br />

derjenigen, die in der Schlacht<br />

gefällt wurden, die nach langer<br />

Qual der Tod erlöste ....“<br />

Anfang Januar kostet den <strong>Volksbund</strong><br />

eine Auskunft aus fremden Ländern<br />

ca. 16 Mark Porto, das Juli-Heft der Zeitschrift<br />

12,15 Mark; ein französischer Franc<br />

ist zu diesem Zeitpunkt 111 Mark wert.<br />

Die Erfüllung von Angehörigenwünschen<br />

ist dadurch wesentlich erschwert. <strong>Das</strong><br />

November- und Dezember heft erscheinen<br />

nicht. ❑ Städte, Körperschaften, Vereinigungen,<br />

Firmen und auch Einzelpersonen<br />

werden um Übernahme der Betriebskos -<br />

ten für jeweils einen Tag gebeten (sog. Patronat),<br />

um die Weiterarbeit sicherzustel -<br />

len. In dem Aufruf heißt es: „In dieser<br />

Notlage hat der <strong>Volksbund</strong> beschlossen,<br />

den Schutz der deutschen Kriegsgräber<br />

durch Werbung von Patronaten zu mindestens<br />

10 000 Mark zu sichern. Die In haber<br />

der Patronate werden auf allen Schreiben<br />

des betreffenden Tages bekannt gegeben<br />

....“ In ähnlicher Weise wird versucht,<br />

durch Patenschaften die Pflege einzelner<br />

Friedhöfe im Ausland zu gewährleisten.<br />

❑ Die Frankfurter Opferwoche für die Erhaltung<br />

unserer fernen Gräber vom 5. bis<br />

12. März erbringt 284 525,35 Reichsmark.<br />

❑ Zum Volkstrauertag am 5. März im<br />

Berliner Reichstag hält Reichtagspräsident<br />

Paul Löbe die Gedenkrede. Zitat:<br />

„Leiden zu lindern, Wunden zu heilen,<br />

aber auch Tote zu ehren, Verlorene zu beklagen,<br />

bedeutet Abkehr vom Hass, bedeutet<br />

Hinkehr zur Liebe, und unsere<br />

Welt hat die Liebe Not: wo rauer Materialismus<br />

immer weitere Kreise zieht, wo<br />

Reichtum und Gewinn oft mehr gilt als<br />

Würde und Arbeit, da ist es zur Einkehr<br />

Zeit, und wo könnten wir die Selbstbesinnung<br />

eher finden als im Gedanken an ge -<br />

meinsamen Verlust.“ ❑ Bis Ende April<br />

hat der <strong>Volksbund</strong> insgesamt 10 000 Anfragen,<br />

Auskünfte und Zwischenbeschei -<br />

de, davon 1 600 in sieben Fremd spra chen,<br />

ins Ausland versandt. 20 000 Anfragen<br />

nach Gräbern liegen vor. ❑ Die Bi lanz auf<br />

der dritten Bundestagung (Vertretertag)<br />

in Leipzig am 29. und 30. April lautet: Der<br />

<strong>Volksbund</strong> hat 31 Verbände, 530 Ortsgruppen.<br />

❑ Ein außer ordentlicher Vertretertag<br />

wählt Pfarrer Fritz Siems zum Präsidenten.<br />

Siegfried Emmo Eulen führt als Generalsekretär<br />

mit Sitz im Vorstand die Ge -<br />

schäfte. ❑ Der Sonntag Invocavit (sechs -<br />

ter Sonntag vor Ostern) wird als Volkstrauertag<br />

vorgeschlagen. ■<br />

Friedrich Ebert<br />

(1871 – 1925)<br />

Er hat im Krieg zwei<br />

Söhne verloren und<br />

gehört zu den be son -<br />

deren Förderern des<br />

<strong>Volksbund</strong>es.<br />

Am 10. Januar besetzen die Litauer<br />

das Memelland, einen Tag später die<br />

Franzosen das Ruhrgebiet. Die Engländer<br />

distanzieren sich von dem einseitigen Vorgehen<br />

Frankreichs und lassen durch ihre<br />

Kronjuristen die Völkerrechtswidrigkeit<br />

der Ruhrbesetzung feststellen. Die Reichsregierung<br />

(Wilhelm Cuno, parteilos) beginnt<br />

den aussichtslosen Ruhrkampf. Sie<br />

ruft zum passiven Wider stand auf. Am<br />

12. August wird der Kampf als totaler<br />

Miss erfolg abgebrochen. Die Spätfolgen<br />

des Krieges und dieser Ruhrkampf führen<br />

zum Staatsban krott. ❑ Die Inflation<br />

in Deutschland erreicht ihren Höhepunkt:<br />

1 Dollar = 4,2 Billionen Papiermark. ❑<br />

Gustav Stresemann (<strong>Deutsche</strong> Volkspartei)<br />

wird Reichskanzler an der Spitze ei -<br />

ner großen Koalition aus Zentrum, So zial -<br />

demokraten, <strong>Deutsche</strong>r Demokratischer<br />

Partei und <strong>Deutsche</strong>r Volkspartei. ❑ Am<br />

16. Oktober fällt die Entscheidung zur Errichtung<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Rentenbank. Die<br />

neue deutsche Währung, die Rentenmark,<br />

wird stabilisiert – ein verheißungsvoller<br />

Auf takt einer neuen wirtschaftli chen Entwicklung.<br />

Jedoch: Am 2. November verlassen<br />

die Sozialdemokraten die Regie -<br />

rung, Stresemann wird nach 100 Tagen<br />

Amtszeit gestürzt. Reichspräsident Ebert<br />

zu seinen Parteifreunden: „Was euch ver -<br />

an lasst, den Kanzler zu stürzen, ist in<br />

sechs Wochen vergessen, aber die Folgen<br />

eurer Dummheit werdet ihr noch in zehn<br />

Jahren spüren.“ ❑ Die KPD plant auf Weisung<br />

der sowjetischen Parteiführung eine<br />

Neuauflage der russischen Oktoberrevolution<br />

in Deutschland. ❑ In München<br />

putschen Ludendorff und Hitler. An der<br />

Feldherrnhalle kommt es zu einem Blutbad.<br />

Beide werden in Haft genommen.<br />

❑ NSDAP und KPD werden verboten.<br />

❑ Heinrich Mann veröffentlicht seine Betrachtung<br />

„Die Diktatur der Vernunft,“<br />

Thomas Mann sowohl die „Bekenntnisse<br />

des Hochstaplers Felix Krull“ als auch<br />

seine Rede „Von deutscher Republik.“ ■<br />

<strong>Das</strong> Märzheft der „Kriegsgräberfürsorge“<br />

kostet 400 Mark, das Aprilheft<br />

500 Mark pro Exemplar bei nur vier<br />

Seiten Umfang. ❑ Auf dem Vertretertag<br />

in Münster/Westfalen am 6. Mai wird berichtet:<br />

„Die guten Erfolge der Werbung<br />

von Patronaten für den Schutz der deutschen<br />

Kriegergräber trugen wesentlich<br />

dazu bei, die Weiterführung der <strong>Volksbund</strong>arbeit<br />

zu ermöglichen. Die Erträge<br />

der Reichssammlung werden im Einvernehmen<br />

mit dem preußischen Staats kommissar<br />

für die Regelung der Wohlfahrts -<br />

pflege sowie mit den zuständigen Reichsbehörden<br />

verwendet. Sie fließen mindestens<br />

zur Hälfte der Grä berpflege, zur<br />

Hälfte den Bundeszwecken – Förderung<br />

der Kriegsgräberfürsorge und Unterstützung<br />

der Ange hörigen von Gefal lenen in<br />

allen Angelegenheiten der Kriegsgräberfürsorge<br />

– zu. <strong>Das</strong> Ergebnis der Sammlung<br />

beläuft sich bisher auf rund 30 Mil -<br />

lionen Mark.“ ■<br />

1923<br />

Gustav Stresemann<br />

(1878 – 1929))<br />

Die galoppierende Inflation<br />

betrifft alle Lebens bereiche.<br />

Lebensmittelmangel in der<br />

Wirtschaftskrise: Menschen menge<br />

vor der Frei bank des Berliner<br />

Schlachthofes.<br />

Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es kommt<br />

fast völlig zum Erliegen.<br />

23


1924<br />

Soldatenfriedhof Neuville-St. Vaast<br />

(44 833 Kriegs tote) – endlose<br />

Reihen mit Holzkreuzen.<br />

Vertretertag in Hamburg; fünfter von<br />

rechts: Präsident Fritz Siems, links<br />

neben ihm Dr. Poelchau, Vorsitzender<br />

des Landesverbandes Hamburg.<br />

24<br />

Am <strong>22</strong>. Februar wird das Reichsbanner<br />

Schwarz-Rot-Gold gegründet. Es<br />

ist eine Selbstschutzorganisation „republikanischer<br />

Kriegsteilnehmer“ aus SPD,<br />

DDP und Zentrum. ❑ Im gleichen Monat<br />

beginnt der Hochverratsprozess gegen<br />

Hitler wegen seines Münchner Putschversuches.<br />

Er wird lediglich zu fünf Jahren<br />

Festungshaft verurteilt und bereits im<br />

gleichen Jahr amnestiert. Wieder bleibt<br />

ein blutiger Hochverrat ungesühnt. ❑ Der<br />

Reichstag nimmt im August den Dawes-<br />

Plan an. Dieser regelt die deutschen Reparationen:<br />

Bis 1927 sind jährlich zwi -<br />

schen 1,2 und 1,75 Milliarden Goldmark<br />

zu zahlen, ab 1928 jährlich – ohne zeitliche<br />

Begrenzung – 2,5 Milliarden Goldmark.<br />

Deutschland erhält einen 800-Mil -<br />

lionen-Dollar-Kredit, um seine Währung<br />

zu stabilisieren, die Wirtschaft anzukurbeln<br />

und die Zahlungsfähigkeit des Reiches<br />

sicherzustellen. ❑ Thomas Mann<br />

veröffentlicht seinen großen Roman „Der<br />

Zauberberg.“ ■<br />

Die Zeitschrift „Kriegsgräberfürsor -<br />

ge,“ sieben Monate lang während<br />

des allgemeinen Niederganges nicht erschienen,<br />

kommt ab 1. April wieder heraus.<br />

Bei acht Seiten Umfang beträgt der<br />

Bezugspreis vierteljährlich 1,50 Mark. ❑<br />

Am Ende dieses Monats gibt es 34 Verbände<br />

und 649 Ortsgruppen. Beim Vertretertag<br />

am 16. und 17. Mai in Hamburg<br />

hat der <strong>Volksbund</strong> 58 590 Mitglieder. Die<br />

Versammlung appelliert erneut an die<br />

Reichs regierung, den Sonntag Invocavit<br />

als Volkstrauertag festzulegen. ❑ Am<br />

26. November beschließt der Vorstand,<br />

darauf hinzuwirken, dass der Volkstrauertag<br />

auch ohne gesetzliche Festlegung<br />

im ganzen Reich begangen wird. ❑ Im<br />

Laufe des Jahres wird bekannt, dass<br />

700 Fried höfe in Frankreich und Belgien<br />

aufgehoben worden sind. Große Sammelanlagen<br />

mit Massengräbern unbekannter<br />

Toter sind vor allem in Frankreich entstanden.<br />

Möglichkeiten zur Identifizierung<br />

der Gefallenen sind kaum noch<br />

vorhanden. ■<br />

Am 28. Februar stirbt Friedrich Ebert,<br />

der erste deutsche Reichspräsident.<br />

Zu seinem Nachfolger wird im April Paul<br />

von Hindenburg, der Generalfeldmarschall<br />

des Kaiserreiches, gewählt. Er ist<br />

78 Jahre alt. ❑ Im Februar gründet Hitler<br />

die NSDAP wieder. ❑ Am 1. Dezember<br />

wird, nach intensiver Vorarbeit zwischen<br />

dem französischen Außenminister Aristi -<br />

de Briand und dem deutschen Außenminister<br />

Gustav Stresemann, der Vertrag von<br />

Locarno unterzeichnet. Er bedeutet eine<br />

Garantie der Grenzen im Westen und ei -<br />

nen wichtigen Schritt auf eine europäische<br />

Friedensordnung hin. ❑ Die Räumung der<br />

besetzten Gebiete beginnt, ist jedoch erst<br />

1930 vollständig abgeschlossen. ❑ Der IG-<br />

Farben-Konzern wird gegründet. ❑ Werner<br />

Heisenberg entwickelt die Theorie der<br />

„quantenmechanischen Atom energie.“ ❑<br />

Emil Ludwig ver öffent licht die Biografien<br />

„Napoleon“ und „Wilhelm II.“ Aus dem<br />

Nachlass von Franz Kafka erscheint der<br />

Roman „Der Prozess.“ ■<br />

Die vom <strong>Volksbund</strong> mehrfach angeregte<br />

gesetzliche Festlegung eines<br />

Volkstrauertages ist durch den Erlass des<br />

Reichsministers des Inneren vom 19. Ja nu -<br />

ar nicht voll erreicht. Es wird nur empfohlen,<br />

für den Sonntag Invocavit im Verwal -<br />

tungsweg sicherzustellen, dass Lustbarkeiten<br />

an diesem Tage unterbleiben, halbmast<br />

geflaggt wird und die Gedenkfeiern<br />

des <strong>Volksbund</strong>es unterstützt werden. ❑<br />

Reichs kanzler Hans Luther und Außenminister<br />

Stresemann werden Mitglieder<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Zum Vertretertag am<br />

17./18. April in Karlsruhe hat der <strong>Volksbund</strong><br />

75 410 Mitglieder. 2 300 Briefe sind<br />

ins Ausland, 20 000 Briefe und Karten im<br />

Inland versandt worden. ❑ Am 6. Juli<br />

lehnt die Reichsbahn erneut einen Antrag<br />

auf Fahrpreisermäßigung für den Besuch<br />

von Kriegsgräbern ab. ❑ Am Totensonntag<br />

lässt der <strong>Volksbund</strong> auf 113 Soldatenfriedhöfen<br />

in Belgien und Frankreich Kränze<br />

niederlegen. ❑ Am Jahres ende ist der<br />

<strong>Volksbund</strong> in 39 Verbände und 871 Ortsgruppen<br />

gegliedert. ■<br />

1925<br />

Großes Foto unten:<br />

Gedenkfeier zum Volkstrauertag<br />

1925 im Plenarsaal des Reichstages.<br />

Sie arbeiten für die deutschfranzösische<br />

Versöhnung: Aristide<br />

Briand und Gustav Stresemann.<br />

25


1926<br />

Am 10. Februar wählt der<br />

<strong>Volksbund</strong> einen Kunstbeirat.<br />

Am 29. März entscheidet ein Ausschuss<br />

für die Annahme des von<br />

Prof. E. Böhm, Berlin, entworfenen<br />

Plakates und Signets. Im Kopf des<br />

Mai-Heftes der Zeitschrift „Kriegsgräberfürsorge“<br />

erscheinen zum ersten<br />

Male die fünf weißen Kreuze auf<br />

schwarzem Grund. Die Anregung zu<br />

diesem Zeichen gab das Vier-Grenadier-Grab<br />

in Grabowiec/Polen.<br />

26<br />

Briand und Stresemann erhalten den<br />

Friedensnobelpreis. ❑ Am 24. April<br />

schließen Deutschland und die Sowjetunion<br />

in Berlin einen Freundschafts- und<br />

Neutralitätsvertrag. ❑ Nach Ende der In -<br />

flation und mit dem Einströmen ameri ka -<br />

nischer Kredite bessern sich die wirt schaft-<br />

lichen Verhältnisse. ❑ Am 8. September<br />

wird Deutschland in den Völkerbund aufgenommen<br />

und erhält einen ständigen<br />

Ratssitz. ■<br />

Die letzten britischen und belgischen<br />

Truppen haben die Stadt verlassen.<br />

Am Festempfang in Köln nehmen<br />

Oberbürgermeister Dr. Konrad Ade -<br />

nauer, Reichs präsi dent Paul von Hindenburg<br />

und Erzbischof Schulte teil.<br />

Mit Zustimmung der drei großen<br />

Re ligions gemeinschaften wird der<br />

Volkstrauertag vom Sonntag Invocavit auf<br />

den Sonntag Reminiscere verlegt (fünfter<br />

Sonntag vor Ostern). ❑ Auf Initiative des<br />

späteren langjährigen Ge neralsekretärs<br />

Otto Margraf beginnt die Gemeindewerbung.<br />

Im April sind in der Provinz Hannover<br />

1 200 Landgemeinden Mitglied und<br />

zahlen einen Beitrag von einer Reichsmark<br />

für jeden ihrer Gefalle nen. ❑ Beim Vertretertag<br />

am 14./15. Mai in Düsseldorf hat<br />

der <strong>Volksbund</strong> 82 847 Mitglieder. ❑ Am<br />

1. Juni wird unter der Leitung von Siegfried<br />

Emmo Eulen und des Gartenarchitekten<br />

Robert Tischler in München ein<br />

Baubüro des <strong>Volksbund</strong>es, die spätere<br />

Bauleitung, eingerichtet. ❑ Eulen verabredet<br />

am 26. Juni in Paris mit der Leitung<br />

der franzö sischen Kriegsgräberfürsorge<br />

die Zusammenarbeit beider Verbände. ❑<br />

Zum Jahres ende hat der <strong>Volksbund</strong> 133<br />

Friedhöfe in 14 Ländern instand gesetzt.<br />

Für 200 Friedhöfe bestehen Patenschaften.<br />

3 014 Grabschmuck- und 1 278 Foto -<br />

wünsche sind erfüllt worden. 21 049 An -<br />

fragen gehen ein. ■<br />

Die politische und wirtschaftliche<br />

Situation festigt sich weiter. ❑ Am<br />

16. Juli wird eine Pflichtversicherung ge -<br />

gen Arbeitslosigkeit eingeführt. ❑ Im August<br />

wird der erste deutsch-franzö sische<br />

Handelsvertrag nach dem Krieg ab geschlossen.<br />

❑ Deutschland tritt im September<br />

dem Ständigen Internationalen<br />

Schiedsgerichtshof in Den Haag bei. ■<br />

Der Amerikaner Charles Lindbergh<br />

überquert als erster allein mit einem<br />

Flugzeug nonstop den Atlantik.<br />

<strong>Volksbund</strong>mitarbeiter infor mie ren sich<br />

über den Zustand der deutschen Kriegsgräber<br />

im Ausland.<br />

Am 11. April richtet der <strong>Volksbund</strong><br />

eine Verbindungsstelle beim Zentralnachweisamt<br />

für Kriegerverluste und<br />

Kriegergräber in Berlin ein. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

zählt im Mai 104 000 Mitglieder.<br />

❑ Der Vertretertag findet vom 26. bis<br />

28. Mai in München statt. ❑ Ab dem<br />

1. Juni kann der <strong>Volksbund</strong> zum Preis<br />

von je einer Reichsmark Grabfotos von<br />

215 Fried höfen in Frankreich und 59 in<br />

Bel gien liefern. Aus der Jahresbilanz<br />

1927: 24 605 Anfragen sind eingegangen,<br />

44 209 Auskünfte erteilt worden. ❑ Der<br />

<strong>Volksbund</strong> kann in Osteuropa bei der<br />

Instandsetzung von 310 Friedhöfen in<br />

13 Län dern mitwirken. Er gibt dafür<br />

276 600 Reichsmark aus. Unter anderem<br />

heißt es in den Berichten: „Der Kriegerfriedhof<br />

Hawrylki/Polen wird völlig neu<br />

ausgestaltet. Mit den Arbeiten hat man<br />

begonnen. Der Fried hof Holowo wurde<br />

auf unsere Kosten instand gesetzt und<br />

von Unkraut gesäubert. Unser Landesverband<br />

Bayern hat als Pate des Friedhofes<br />

Rosenau/Ru mänien (Siebenbürgen)<br />

10 000 Lei zur Errichtung ei nes Ehrenmals<br />

zur Verfügung gestellt.“ ■<br />

1927<br />

Reichskanzler a. D.<br />

Dr. Hans Luther<br />

(1879 – 1962) wird am<br />

23. Mai zum Stellvertretenden<br />

Präsidenten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es gewählt.<br />

Der deutsche Historiker<br />

Ludwig Quidde teilt sich<br />

den Friedensnobelpreis<br />

mit dem Franzosen Ferdinand<br />

Buisson.<br />

In Hohenstein/Ostpreußen wird das<br />

Ehrenmal zur Erinnerung an die<br />

Schlacht von Tannenberg (August<br />

1914) eingeweiht. Reichs präsident<br />

von Hindenburg beschwört vor<br />

70 000 Teilnehmern die Unschuld<br />

Deutschlands am Weltkrieg.<br />

Die Gräber des Fried hofes Bauske/<br />

Lettland werden hergerichtet und mit<br />

einheitlichen Kreuzen versehen.<br />

27


1928<br />

28<br />

Dr. Otto Geßler<br />

(1875 – 1955)<br />

Der deutsche Bildhauer Ernst Barlach<br />

(links, mit dem französischen Bild -<br />

hauer Maillol) schafft eindrucks volle<br />

Mahnstätten im Stil des Expressionismus.<br />

Der „Schwebende Engel“ in<br />

Güstrow ist eine<br />

seiner Schöpfungen.<br />

Soldatenfriedhöfe in Frankreich.<br />

Typisch für den Baustil des Volks bundes<br />

sind schmale Eingänge wie beim<br />

Friedhof Hautecourt (7 885 Kriegstote).<br />

Hier sollte jegliches Gespräch<br />

abbrechen.<br />

Der Friedhof Maissemy<br />

(30 478 Kriegs tote) vor dem Ausbau.<br />

Am 27. August unterzeichnet Stresemann<br />

für Deutschland den Kellogg-<br />

Pakt (auch Briand-Kellog-Pakt), der eine<br />

Ächtung des Krieges als Mittel internationaler<br />

Politik zum Gegenstand hat. ❑ Der<br />

Kölner Oberbürgermeister Dr. Konrad<br />

Adenauer macht den ersten Spatenstich<br />

zur Autobahn Köln-Bonn, der ersten in<br />

Deutschland. ❑ Der Transatlantik flug des<br />

deutschen Flugzeuges „Bremen“ erregt<br />

Begeisterung im In- und Ausland, nachdem<br />

im Vorjahr der Amerikaner Charles<br />

Lindbergh den Atlantik in West-Ost-Richtung<br />

überquert hatte. Im November fliegt<br />

Dr. Hugo Eckener mit dem Luftschiff<br />

„Graf Zeppelin“ nach Amerika. ❑ Im Winter<br />

1928/29 tauchen Anzeichen einer neu en<br />

Wirtschaftskrise auf. Die Jahre der wirtschaftlichen<br />

Erholung sind zu Ende. Zwei<br />

Millionen Menschen sind arbeitslos. ❑ Der<br />

Bildhauer Ernst Barlach gestaltet das Güs -<br />

tro wer und das Magde burger Ehrenmal. ■<br />

Der zehnte Vertretertag am 25. und<br />

26. Juni in Magdeburg spricht für<br />

112 429 Mitglieder. Reichspräsident Paul<br />

von Hindenburg sendet ein Gruß wort:<br />

„Mit meiner dankbaren Anerkennung für<br />

die geleistete segensreiche Arbeit auf den<br />

deutschen Kriegerfriedhöfen im In- und<br />

Auslande verbinde ich meine besten Wünsche<br />

für erfolgreiche Tätigkeit des <strong>Volksbund</strong>es.“<br />

❑ Präsident Fritz Siems tritt zu -<br />

rück und wird zum Ehrenmitglied ernannt.<br />

❑ Ein außerordentlicher Vertretertag wählt<br />

am 7. Dezember Reichswehr minster a. D.<br />

Dr. Otto Geßler zum Prä sidenten. ❑ Seit<br />

dem 26. Juni hat Reichskanzler a. D. Dr.<br />

Luther als Stellvertretender Präsident die<br />

Geschäfte geführt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> erhält<br />

die Genehmigung von Reichsbahn und<br />

Reichspost zur Plakatwerbung. ❑ Über<br />

500 Licht bild vor träge werden veranstaltet.<br />

❑ <strong>Das</strong> Bauprogramm des <strong>Volksbund</strong>es<br />

umfaßt 42 Friedhöfe mit 280 000 Gefallenen.<br />

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in<br />

Frankreich. Für den Friedhofsbau gibt er<br />

258 823 Reichsmark aus. ■<br />

An die Stelle des Dawes-Planes tritt<br />

der Young-Plan. Dieser bedeutet eine<br />

weitere Herabsetzung der deutschen Reparationsverpflichtungen<br />

und sieht deutsche<br />

Zahlungen bis zum Jahre 1988 vor.<br />

Deutschland erreicht dabei die Zusa ge<br />

der vorzeitigen Räumung des ge sam ten<br />

Rhein landes. ❑ Wieder gibt es in Berlin<br />

blutige Zusammenstöße zwischen Polizei<br />

und Demonstranten. ❑ Briand, unterstützt<br />

von Stresemann, legt am 4. September dem<br />

Völkerbund einen Plan für ein Vereinigtes<br />

Europa vor. ❑ Am 3. Okto ber stirbt Strese -<br />

mann. ❑ Am Ende des Jahres beträgt das<br />

Haus halts defizit des Reiches 1,7 Milliarden<br />

Reichsmark. ❑ Erich Maria Remarque ver -<br />

öffentlicht „Im Westen nichts Neues.“ ■<br />

Der Schwarze Freitag – der 25. Oktober 1929 –<br />

an der Börse von New York leitet die Weltwirtschaftskrise<br />

ein, von der Deutschland besonders schwer betroffen<br />

wird.<br />

1929<br />

Thomas Mann<br />

(1875 – 1955) erhält den<br />

Nobelpreis für Literatur.<br />

29


30<br />

Reichspräsident Paul von<br />

Hindenburg (1847 – 1934)<br />

fördert die Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es ganz besonders.<br />

Soldatenfriedhof Connantre in<br />

Frankreich (8 931 Kriegstote;<br />

rechts oben); Bundesvertretertag<br />

am 20. Oktober in Berlin.<br />

Bei der Volkstrauertagsfeier in Berlin<br />

stehen vor dem Präsidentenplatz im<br />

Reichstag die beiden Kränze der Reichsregierung<br />

und des Reichstages mit den<br />

In schriften: „Dem lebenden Geist unserer<br />

Toten“ und „Den nie vergessenen Söhnen<br />

des Volkes.“ ❑ Im Juni gibt der <strong>Volksbund</strong><br />

die Fertigstellung des Friedhofes Connantre<br />

(Frankreich) bekannt. ❑ Am 5. Juli wird<br />

in Polen ein Mitglied des Bundesvorstandes,<br />

Stadtbaurat Arendt aus Gelsenkirchen,<br />

bei Checiny wegen unerlaubten Fotogra-<br />

fierens verhaftet und unter dem Verdacht<br />

der Spionage ins Gefängnis gebracht. Nach<br />

Intervention der deutschen Gesandtschaft<br />

wird er gegen eine Kaution freigelassen.<br />

❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat bei seinem zehnjährigen<br />

Bestehen 133 033 Mitglieder. ❑ Zum<br />

Vertre ter tag vom 20. bis 23. Oktober in<br />

Ber lin wird eine Ausstellung in der Neu -<br />

en Wache gezeigt. ❑ Die Ausgaben für<br />

den Friedhofsbau im Ausland betragen in<br />

diesem Jahr 461 348 Reichsmark. ■<br />

Mit Reichskanzler Hermann Müller<br />

(SPD) stürzt am 27. März die letzte<br />

vom Parlament gestützte Regierung der<br />

Weimarer Republik, ohne dass dazu ein<br />

auch nur halbwegs plausibler Grund vorgelegen<br />

hätte. ❑ Am 30. März wird Heinrich<br />

Brüning (Zentrum) Reichskanzler. ❑<br />

Die Weltwirtschaftskrise wirkt sich verheerend<br />

auf Deutschland aus. Der Reichspräsident<br />

erlässt die erste Notverordnung<br />

zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen.<br />

Brüning versucht, „den Tiger der<br />

Welt wirtschaftskrise zu reiten,“ in der<br />

Absicht, dann eine Totalrevision des Ver -<br />

sailler Vertrages zu erreichen. Es kommt<br />

erst zur Stundung, dann – 1932 – zur<br />

Strei chung der deutschen Repara tionsschul<br />

den (Konferenz von Lausanne). Dieser<br />

Erfolg, den Brüning als Reichskanzler<br />

nicht mehr für sich verbuchen kann, wird<br />

zunächst dem Kabinett Papen zugerechnet;<br />

dies macht die spätere Legende mög -<br />

lich, es sei Hitler gewesen, der mit den<br />

Reparationen Schluss gemacht habe. ❑<br />

Die Zahl der Arbeitslosen steigt auf<br />

4,4 Millionen. ❑ Bei den Reichstagswahlen<br />

erzielt die NSDAP über 18 Prozent<br />

der Stimmen (1928: 2,6 Prozent) und<br />

107 (statt 12) Sitze, die Deutschnationalen<br />

verfügen über 41 Sitze im neuen Reichstag.<br />

Die Kommunisten gewinnen 77 statt<br />

54 Man date. Die <strong>Deutsche</strong> Demokratische<br />

Partei nennt sich nun Staatspartei. ❑ Die<br />

letzten Truppen der Siegermächte verlassen<br />

das Rheinland. ❑ Hitler schwört im<br />

Reichswehrprozess vor dem Reichsgericht<br />

in Leipzig, die Weimarer Verfassung<br />

einzuhalten. ■<br />

Im <strong>Volksbund</strong> wird darüber diskutiert,<br />

wie die Gräberflächen gestaltet<br />

werden sollen. Vom aufgehügelten Ein zelgrab,<br />

das den Vorstellungen der Angehörigen<br />

entspricht, soll zugunsten einer einheitlichen<br />

Gräberfläche abgegangen werden.<br />

❑ Es kommt zu einem Konflikt mit<br />

der Preußischen Staatsregierung: Der Präsident<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, Reichsminister<br />

a. D. Dr. Otto Geßler, verwahrt sich energisch<br />

gegen eine Verlautbarung der Amtlichen<br />

Preußischen Pressestelle, nach der<br />

der Volkstrauertag „keineswegs staatlich<br />

anerkannter oder überhaupt öffentlicher<br />

Gedenktag“ sei. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> gibt<br />

567 963 Reichsmark für den Friedhofsbau<br />

in allen Ländern aus. ■<br />

1930<br />

Am 4. Mai wird in Tarent/Italien<br />

das vom <strong>Volksbund</strong> errichtete Grab -<br />

mal für die Opfer des dort ge sun -<br />

kenen U-Bootes UC 12 eingeweiht.<br />

Die letzten Besatzungstruppen<br />

verlassen das Rheinland. Am 1. Juli<br />

marschiert die hessische Schutz -<br />

polizei in Mainz ein.<br />

31


1931<br />

Besichtigungs reise von Mitgliedern<br />

des Bundesvorstandes nach<br />

Frankreich (von rechts Dr. Siegfried<br />

Emmo Eulen, Justizrat Manfred<br />

Zimmermann und Ehefrau).<br />

<strong>Das</strong> wirtschaftliche Elend wächst.<br />

Millionen Menschen haben keine<br />

Arbeit. Nach jeder von den<br />

Arbeitsämtern angebotenen Arbeit<br />

drängen sich Hunderte von<br />

Arbeitslosen.<br />

32<br />

Die Arbeitslosenzahl steigt von 4,77<br />

im Januar auf 5,66 Millionen im Dezember.<br />

❑ Am 14. und 15. Juli werden<br />

auf grund der Wirtschafts- und Finanzkrise<br />

Banken und Börsen geschlossen.<br />

❑ Die Rechtsparteien verschärfen die<br />

innenpo litischen Gegensätze. NSDAP<br />

(Hitler), DNVP (Deutsch-Nationale Volks -<br />

partei; Hugenberg), Stahlhelm (Seldte),<br />

der Alldeutsche Verband und andere sogenannte<br />

vaterländische Verbände gründen<br />

am 11. Oktober 1931 die Harzburger<br />

Front gegen die Regierung Brüning. Hjalmar<br />

Schacht, der zurückgetre tene Reichsbankpräsident<br />

(später Hitlers Wirtschafts -<br />

minister), General von Seeckt, ehemaliger<br />

Reichswehrchef, und viele Generäle sind<br />

dabei. <strong>Das</strong> „Reichsbanner Schwarz-Rot-<br />

Gold“ versucht dagegenzu halten: Am<br />

16. Dezember wird in Berlin die Eiserne<br />

Front aus SPD, Reichsbanner, Freien Gewerkschaften<br />

und Arbeitersportorganisationen<br />

gegründet; Zentrum, <strong>Deutsche</strong><br />

Staatspartei und die christlichen Gewerkschaften<br />

betei ligen sich nicht. Dadurch<br />

bleibt die Eiserne Front schwach und ge -<br />

rät zudem in Verdacht, nicht ein republikanisch-demokratischer,<br />

sondern ein<br />

kom munistischer Verband zu sein. ❑ Es<br />

erscheinen Kurt Tucholskys „Schloss<br />

Gripsholm,“ Carl Zuckmayers Drama<br />

„Der Hauptmann von Köpenick,“ Bert<br />

Brechts „Dreigroschenoper“ als Film. ❑<br />

Albert Einstein unterstützt die Internationale<br />

der Kriegsdienstverweigerer. ❑ Der<br />

Architekt Heinrich Tessenow gestaltet<br />

Schinkels Neue Wache zum Gefallenen-<br />

Ehrenmal um. ■<br />

Am 12. und 13. Juni findet der Vertretertag<br />

in Königsberg statt. Unmittelbar<br />

anschließend beteiligen sich füh -<br />

rende Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es an<br />

Werbeveranstaltungen in verschiedenen<br />

ostpreußischen Städten. ❑ Im August arbeiten<br />

zum ersten Mal deutsche Jugendliche,<br />

Schüler aus Halberstadt, an deut -<br />

schen Kriegsgräbern in Sète in Frankreich.<br />

❑ Die wirtschaftliche Krise wirkt sich auf<br />

die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es aus. Er muss<br />

im August bekannt geben: „Da durch die<br />

Notverordnung des Reichs präsidenten der<br />

Ankauf von Devisen beschränkt ist, sind<br />

wir z. Z. nicht in der Lage, die bei uns vorliegenden<br />

Sonderaufträge von Angehörigen<br />

(Kranzniederlegungen, Bepflanzung,<br />

Kreuze, Licht bilder) auszuführen.“ ❑ Im<br />

November wird in einigen Ländern des<br />

Reiches, darunter in allen preußischen<br />

Provinzen, die erste von den Behörden<br />

genehmigte Haus- und Straßensammlung<br />

veranstaltet. ■<br />

Die Welt wirtschaftskrise überschreitet<br />

ihren Höhepunkt, jedoch dauern<br />

die politische und die wirtschaftliche<br />

Span nung in Deutschland an. Es gibt<br />

über sechs Millionen Arbeitslose. ❑ Am<br />

10. April wird der 85-jährige Hindenburg<br />

(53 Prozent der Stimmen) gegen Hitler<br />

(37 Prozent) und Thälmann (KPD, 10 Prozent)<br />

im zweiten Wahlgang zum Reichspräsidenten<br />

wiedergewählt. ❑ Reichs -<br />

kanzler Brüning wird von rechtsgerich teten<br />

Politikern mit Hilfe des Reichs prä sidenten<br />

gestürzt, von Papen und nach ihm<br />

General von Schleicher bilden kurzlebige<br />

Kabinette. ❑ Im Juli und November dieses<br />

unruhigen Jahres finden jeweils nach<br />

Auflösung des Reichstages Neuwahlen<br />

statt. ❑ Die Feinde der demokratischen<br />

Republik von rechts und links – Nationalsozialisten,<br />

Deutschnationale und Kommunis<br />

ten – haben jetzt im Reichstag zu -<br />

sammen die Mehrheit. Da sie gegen jede<br />

Reichsregierung zusammengehen, ist die<br />

Demokratie am Ende. ❑ Prof. Werner Heisen<br />

berg erhält den Nobelpreis für Physik. ■<br />

Im Februar legt Dr. Geßler sein Amt<br />

als Präsident des <strong>Volksbund</strong>es nieder.<br />

❑ Die Zahl der Einzelmitglieder geht<br />

von 138 000 auf 131 000 zurück. ❑ Beim<br />

Vertretertag am 28. und 29. Mai in Berlin<br />

zählt der <strong>Volksbund</strong> 5 165 Körperschaften,<br />

442 Städte und 11 658 Gemeinden als<br />

korporative Mitglieder. ❑ Landesdirektor<br />

a. D. Joachim von Winterfeldt-Menkin<br />

wird zum neuen Präsidenten gewählt. ■<br />

1932<br />

Der Plan oben links zeigt die Kriegsgräberstätte<br />

Nazareth (261 Kriegs to -<br />

te, Stand 2008: 416 Kriegs tote). Ganz<br />

links sehen Sie ein Modell der Kriegsgräberstätte<br />

Bitola (2 000 Kriegs tote,<br />

Stand 2008: 3 406 Kriegs tote).<br />

Rechts daneben ist die Zeichnung<br />

der Kriegsgräberstätte Lange mark<br />

(44 296 Kriegstote) abgebildet.<br />

Am 10. Juli weiht der <strong>Volksbund</strong> in<br />

Belgien Langemark, den Patenfriedhof<br />

der <strong>Deutsche</strong>n Studentenschaft,<br />

und den Friedhof De Ruyter ein.<br />

Erläuterung zur Aufstellung<br />

1 Nationalversammlung: 19.1.1919<br />

2 Wahl zum 1. Reichstag: 6.6.1920<br />

3 Wahl zum 2. Reichstag 4.5.1924<br />

4 Wahl zum 3. Reichstag: 7.12.1924<br />

5 Wahl zum 4. Reichstag: 20.5.1928<br />

6 Wahl zum 5. Reichstag: 14.9.1930<br />

7 Wahl zum 6. Reichstag: 31.7.1932<br />

8 Wahl zum 7. Reichstag: 6.11.1932<br />

9 Wahl zum 8. Reichstag: 5.3.1933<br />

NSDAP: Nationalsozialistische<br />

<strong>Deutsche</strong> Arbeiter partei<br />

DNVP: Deutschnationale Volkspartei<br />

DVP: <strong>Deutsche</strong> Volkspartei<br />

DDP: <strong>Deutsche</strong> Demokratische<br />

Partei<br />

SPD: Sozialdemokratische Partei<br />

Deutschlands<br />

KPD: Kommunistische Partei<br />

Deutschlands<br />

33


34<br />

35


1933<br />

Die Repressionen gegen innenpolitische<br />

Gegner der NSDAP werden<br />

von der Bevöl kerung widerstandslos<br />

hin genommen. Die ersten Konzen trationslager<br />

werden eingerichtet, willkürliche<br />

Verhaftungen vorgenommen.<br />

SA- und SS-Leute werden Hilfs polizisten.<br />

Angst und Terror sind jetzt Mittel<br />

der Politik. Goebbels ruft zum<br />

Boykott gegen jüdische Geschäftsleute<br />

auf. Bücher vor allem jüdischer<br />

Schriftsteller gelten jetzt als „un -<br />

deutsch“ und werden verbrannt.<br />

36<br />

Der Reichspräsident ernennt Hitler<br />

am 30. Januar zum Reichskanzler.<br />

Der Historiker Michael Salewski beurteilt<br />

diesen Vorgang rückschauend so: „Nicht<br />

so sehr der Umstand, dass die Nationalsozialisten<br />

tat sächlich an die Macht gekommen<br />

waren, wirkte im Nachhinein nieder -<br />

schmetternd, sondern, dass es ihnen so<br />

verdammt leicht gemacht wurde, fast von<br />

allen gesellschaftlichen Gruppen, den<br />

wichtigeren wie Reichswehr, Kirchen und<br />

Gewerkschaften ohnehin. Sie versagten<br />

kläglich, obwohl das Vaterland in Gefahr<br />

war – das hatte man an den Litfasssäulen<br />

lesen können: Hitler, das ist der Krieg.“ ❑<br />

Die Brandstiftung im Reichstag am 27. Fe -<br />

bruar liefert Hitler den Vorwand, mit Hilfe<br />

der sogenannten „Reichstagsbrandverordnung“<br />

die Demokratie abzuschaffen und<br />

die linke Opposition zu verfolgen und<br />

aus zuschalten. ❑ Reichspropagandaminister<br />

Joseph Goebbels entfaltet eine ungehemmte<br />

Agitation. Der „Tag von Pots dam“<br />

ist eine geschickt inszenierte Reverenz an<br />

das alte Preußen, den kaiser lichen General-<br />

feldmarschall und Reichspräsidenten der<br />

Republik und wird zu einem großen propagandistischen<br />

Erfolg für die neuen Machthaber.<br />

❑ Und trotz alldem hat die NSDAP<br />

bei den Reichstagswahlen am 5. März 1933<br />

nur 43,9 Prozent erhalten. Insofern ist es<br />

richtig: Hitler hat in einer freien Wahl vom<br />

Volk nie die ab solute Mehrheit erhalten.<br />

Aber diese Betrachtung täuscht über die<br />

Realitäten hin weg. Zusammen mit den<br />

Deutsch na tio nalen hat eine Regierung –<br />

erstmals wieder seit 1930 – im Parlament<br />

eine Mehrheit, jetzt 340 von 647 der Reichstagssitze,<br />

allerdings nicht die für eine Verfassungsänderung<br />

erforderli che Zwei drittelmehrheit.<br />

❑ Der Reichstag nimmt mit<br />

441 von 535 Stimmen das Ermächtigungsge<br />

setz an. Die Kommunisten werden mit<br />

Gewalt an der Sitzungsteilnah me gehindert.<br />

Nur die Sozial demo kra ten stimmen<br />

dagegen. Für die SPD hält Otto Wels die<br />

letzte freie Oppositionsrede im Reichstag.<br />

Er verweist darauf, dass angesichts der<br />

Mehrheitsverhält nisse dieses Gesetz überflüssig<br />

sei.<br />

Die Weimarer Demokratie ist damit formal<br />

am Ende. ❑ Und es geht Schlag auf<br />

Schlag weiter: Verbot der KPD, der SPD,<br />

aller Parteien außer der NSDAP, Verbot<br />

der Gewerkschaften, Gleichschaltung<br />

aller Organisa tionen und Verbot jeglicher<br />

Neugründungen, es sei denn nationalsozialistischer.<br />

❑ Die von der NSDAP inszenierte<br />

öffent liche Verbrennung „undeut -<br />

scher“ Schriften am 10. Mai auf dem Berliner<br />

Opernplatz symbolisiert das Ende<br />

des freien Geisteslebens in Deutschland.<br />

Unter den verbrannten Büchern befinden<br />

sich Werke von Karl Marx, Heinrich Mann,<br />

Erich Kästner, Sigmund Freud, Emil Ludwig,<br />

Theodor Wolff, Erich Maria Remarque,<br />

Alfred Kerr, Kurt Tucholsky und<br />

Carl v. Ossietzky. ❑ Die Emigration, vor<br />

allem der Intelligenz, aus Deutsch land<br />

beginnt. ❑ Deutschland tritt aus dem<br />

Völkerbund aus – der erste Schritt ins außenpoli<br />

tische Abseits. ■<br />

Symbol für das Ende der<br />

parla men tarischen Demokratie:<br />

Am 27. Februar brennt der Reichstag.<br />

37


Schattenseiten ...<br />

38<br />

Am Volkstrauertag 1929, zehn Jahre<br />

nach der Gründung des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

sagte dessen Präsident Dr. Otto Geßler:<br />

„Wir können unsere Vergangenheit<br />

nicht leugnen, wir müssen uns anständig<br />

und ehrlich mit ihr auseinan de rsetzen.“<br />

In der Tat, Geßler hatte Anlass, so zu<br />

sprechen, auch mit Blick auf den <strong>Volksbund</strong>.<br />

Zerrissen wie das deutsche Volk<br />

selbst, war der <strong>Volksbund</strong> ein Kind der<br />

deutschen Geschichte und als solches<br />

eher im nationalen, später im nationalistischen<br />

Spektrum der politischen Überzeugungen<br />

angesiedelt. Viele seiner Reprä -<br />

sentanten waren gegenüber der Weimarer<br />

Republik kritisch, manche feindlich eingestellt.<br />

Zwar gibt es eine Menge von Beispielen,<br />

die von der demokratischen Ge -<br />

sinnung und Integrität von Funktionsträgern<br />

des <strong>Volksbund</strong>es zeugen. Und der<br />

Beginn seines Wirkens gab auch keinen<br />

Anlass, an der Treue des Gesamtverbandes<br />

zur Weimarer Republik und zu ihrer<br />

Verfassung zu zweifeln. Aber die nationalistische<br />

Schlagseite nahm mit der zeitlichen<br />

Entfernung vom Tage seiner Grün -<br />

dung stetig zu. Von manchem seiner<br />

Gründerväter war er wohl auch mit einer<br />

solchen Absicht gegründet worden. Zwar<br />

zielte der erste Aufruf des <strong>Volksbund</strong>es<br />

auf „Kriegsgräberfürsorge von Volk zu<br />

Volk“ und auf gemeinsame Totenehrung<br />

jenseits allen Volkshasses; zwar verlangte<br />

Reichstagspräsident Paul Löbe in seiner<br />

Rede zum Volkstrauertag im Jahre 19<strong>22</strong>:<br />

„Abkehr vom Hass, ... Hinwendung zur<br />

Liebe.“ Und richtig ist auch, dass der<br />

<strong>Volksbund</strong> sich im selben Jahr mit der<br />

Bitte an die Weltwirtschaftskonferenz in<br />

Genua wandte, der Millionen Toten des<br />

Weltkrieges zu gedenken und eine feierliche<br />

Proklamation für die dauernde Erhaltung<br />

der Ruhestätten zu erlassen.<br />

Aber gleichzeitig gab es eben auch<br />

dies: „Den Hass, den augenblicklich die<br />

deutsche Seele packt, ... den Hass gegen<br />

den Erbfeind, ... den Hass sehe ich anders.<br />

<strong>Das</strong> ist ein heiliger Hass, und wir<br />

verstehen, was das Alte Testament mein -<br />

te: Du sollst deinen Freund lieben und<br />

deinen Feind hassen, Auge um Auge,<br />

Zahn um Zahn. Und ich weiß, auch ein<br />

Jesus wür de sich mit blitzendem Auge<br />

auf unsere Seite stellen, auf die Seite des<br />

heiligen Hasses.“<br />

<strong>Das</strong> sagte der evangelische Pfarrer<br />

und Präsident des <strong>Volksbund</strong>es, Siems,<br />

der so im Jahre 1923 redete und in der<br />

Zeitschrift des <strong>Volksbund</strong>es schrieb.<br />

Die Empörung über Ereignisse im Zu -<br />

ge der Besetzung des Rheinlandes war<br />

be rechtigt. Aber solch ein alttestamentarischer<br />

Hass als Aufruf des obersten Repräsentanten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es und in dessen<br />

Namen: <strong>Das</strong> war offener Bruch des Grundsatzes<br />

der „Totenehrung jenseits allen<br />

Völ kerhasses“ und der „Hinwendung zur<br />

Liebe.“ Dabei handelt es sich nicht um<br />

eine einmalige Entgleisung und Siems<br />

stand auch nicht allein. Siegfried Emmo<br />

Eulen, den viele als den eigentlichen<br />

Gründer des <strong>Volksbund</strong>es ansehen, war<br />

extremer Nationalist von Anbeginn. Auch<br />

er machte aus seinem Revanchismus<br />

schon lange vor 1933 keinen Hehl. <strong>Das</strong><br />

Bemerkenswerteste daran ist: Niemand<br />

hat diese (und andere) Männer gezwungen,<br />

so zu reden, wie sie es taten. Nichts<br />

und niemand war „gleichgeschaltet.“<br />

<strong>Das</strong>s es auch ganz anders ging, beweist<br />

die Rede von Justizrat Dr. Kahl zum<br />

Volkstrauertag 1930 – ein Dokument, das<br />

der <strong>Volksbund</strong> auch heute noch mit Stolz<br />

zitieren kann: „Und nun die Frage: Werden<br />

es die letzten Kriegstoten gewesen<br />

sein? ... Denn die Verantwortlichkeit für<br />

Tote und Lebende legt sich mit Zentnergewicht<br />

auf das nationale Gewissen!“<br />

Notwendig sei, dass „die Menschheit aus<br />

den furchtbaren Erfahrungen dieses Krieges<br />

die Erkenntnis ziehen wird, dass künftig<br />

andere Mittel und Wege gesucht und<br />

gefunden werden müssen, um internationale<br />

Streitigkeiten zu schlichten.“<br />

Kahl weist darauf hin, dass man sich<br />

schon lange um die „Humanisierung des<br />

Krieges,“ um Verhinderung von Kriegen<br />

bemüht habe (zum Beispiel 1907 bei der<br />

zweiten großen Haager Friedenskonferenz).<br />

Als Hauptredner des Volkstrauertages<br />

1930 zieht er den Schluss: „Worum es<br />

geht, ist Höheres und mehr. Es geht um<br />

die Frage der Beseitigung, der Abschaffung<br />

des Krieges.“<br />

Und auch das Wort des späteren Bischofs<br />

Otto Dibelius, der auch zu den<br />

Gründervätern des <strong>Volksbund</strong>es gehört,<br />

geht in dieselbe Richtung: „Krieg soll<br />

nicht sein. Gott will nicht, dass Krieg sei!<br />

Uns ist das Weihnachtsevangelium ins<br />

Herz gefallen: Frieden auf Erden. <strong>Das</strong> ist<br />

ja doch Gottes Botschaft an die Menschheit.<br />

<strong>Das</strong> Wort ist doch ernst.“<br />

Geßler war also mit seiner Sorge um<br />

die Lehren aus der eigenen Vergangenheit<br />

nicht allein. Und er stand später für<br />

seine Grundüberzeugung im KZ ein.<br />

Aber diejenigen, die dachten wie er, verloren<br />

gegen Ende der Weimarer Republik<br />

zunehmend an Einfluss, und auch aus<br />

heutiger Sicht erscheint es mehr als zweifelhaft,<br />

ob sein Rücktritt als Präsident des<br />

<strong>Volksbund</strong>es wirklich aus „gesundheitlichen<br />

Gründen“ erfolgte und weil er nicht<br />

nach Berlin übersiedeln und deshalb<br />

seine ehrenamtliche Funktion „nicht<br />

nützlich“ ausfüllen könne. So fehlt denn<br />

auch in der Bekanntmachung seines<br />

Rücktritts durch den Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />

jedes Wort des Dankes. Dieser<br />

Präsident passte eben nicht in die Linie,<br />

man war offensichtlich froh, ihn los zu<br />

sein – und zeigte das auch!<br />

Reaktionen auf diese Entwicklung<br />

blieben nicht aus. So sagte beispielsweise<br />

der preußische Ministerpräsident Otto<br />

Braun am 16. März 1930 auf einer „Feier<br />

zur Erinnerung an die erfolgreiche Niederschlagung<br />

des Kapp-Putsches,“ dass<br />

man „bei den Veranstaltungen des privaten<br />

Vereins für Kriegsgräberfürsorge sich<br />

nicht des Verdachts erwehren könne, dass<br />

hier das Gedächtnis der Toten missbraucht<br />

werde, um einen gewissen, verderblichen<br />

Revanchegedanken zu wecken und wachzuhalten.“<br />

Für Eulen und andere Führungspersönlichkeiten<br />

war der 30. Januar 1933 der<br />

Tag der Erfüllung. Und so waren die „ehr -<br />

erbietigen Grüße,“ die die „versammelten<br />

deutschen Männer und Frauen (des Volks -<br />

bundes) ... dem Führer des deutschen Volkes,<br />

dem Kämpfer für Deutschlands Ehre<br />

und Macht“ entboten, nichts Besonderes<br />

mehr. <strong>Das</strong> wurde formuliert auf dem Vertretertag<br />

am 2. Dezember 1933. Am 31. Dezember<br />

1933 be fand Eulen, nunmehr „Bundesführer,“<br />

dass die „Adventszeit 1933 ...<br />

für Deutsch land voll Ju bel und Hoffnung<br />

ist, wie noch nie eine Zeit deutscher Jahreswende<br />

....“<br />

Die Gründung des <strong>Volksbund</strong>es war<br />

also von Anfang an mit einem Zwiespalt<br />

behaftet: Da waren die, die den Gründungsaufruf<br />

ernst nahmen, die den Völkerhass<br />

abbauen, mit Hilfe der Errich -<br />

tung würdiger Grab- und Gedenkstätten<br />

auch Zeichen für Versöhnung und Frieden<br />

setzten wollten, und die als Demokraten<br />

den <strong>Volksbund</strong> unterstützten, wo<br />

immer sie konnten: Reichspräsident<br />

Ebert, Reichstagspräsident Löbe, die<br />

Reichskanzler Stresemann und Luther,<br />

die Reichsminister Rathenau, Erzberger<br />

und Geßler, Oberbürgermeister Adenauer<br />

und andere.<br />

Und auch die Gründungsversammlung<br />

beschloss am 16. Dezember 1919<br />

nicht den von Eulen vorgeschlagenen autoritären<br />

Satzungstext, sondern eine Fassung,<br />

die zwar einige zeitbedingte Merk -<br />

würdigkeiten aufweist, die aber durchaus<br />

demokratisch war. Da gab es einen jährlich<br />

neu zu wählenden „Vorstand“ und<br />

einen vom „Vertretertag“ gewählten dreißigköpfigen<br />

„Verwaltungs rat.“ Im Vertretertag<br />

waren die Delegierten „mit der<br />

Zahl der von ihnen zu vertretenden Mitglieder<br />

stimmberechtigt.“ Da gab es klare<br />

Aufgabenzuweisungen – ein Dokument<br />

der Nüchternheit, ohne Großmannssucht<br />

und Versuche einer internationalen Bevor -<br />

mundung. Auf der anderen Seite standen<br />

jene, die schon bei der Gründung erkennbar<br />

anderes wollten, auch wenn sie das<br />

mit letzter Deutlichkeit erst bekannten,<br />

als sie keinen demokratisch orientierten<br />

Widerspruch mehr fürchten mussten.<br />

So wies Eulen am 1. Dezember 1933<br />

darauf hin, dass immer schon „nach dem<br />

Führergrundsatz“ gearbeitet worden sei.<br />

Die Verwirklichung der Bundesziele hätte<br />

selbstverständlich nur von deutsch-fühlenden<br />

Männern und Frauen geleistet<br />

wer den können. Die Führer im <strong>Volksbund</strong><br />

hätten sich siegreich in 15 Jahren<br />

durchgesetzt, auf dass das von allen miterkämpfte<br />

und ersehnte Dritte Reich erbaut<br />

werde, zu dem die Gefallenen drau -<br />

ßen die Fundamente gelegt hätten.<br />

Damit schloss sich in Eulens Augen<br />

der Kreis: Die Toten des Ersten Weltkrieges<br />

wurden zu Schöpfern der Grundlagen<br />

des Dritten Reiches erklärt.<br />

Was Eulen 1919 nicht durchsetzen<br />

konnte, wurde 14 Jahre später erreicht –<br />

vorbereitet durch die Gespräche mit<br />

Reichsminister Frick, Staatssekretär Lammers<br />

(am 24. März in der Reichskanzlei)<br />

und endlich mit Hitler selbst in dessen<br />

Wohnung. Kein Wunder, dass der sächsische<br />

Gauleiter Martin Mutschmann den<br />

Delegierten empfahl, die neue Satzung in<br />

Bausch und Bogen anzunehmen, was sie<br />

auch taten. Damit hat sich der <strong>Volksbund</strong><br />

am 1./2. Dezember 1933 zwar nicht formal,<br />

aber faktisch selbst gleichgeschaltet.<br />

Die Wei marer Republik war am 30. Januar<br />

1933 am Ende. Wie hätte der <strong>Volksbund</strong><br />

noch zehn Monate später „heil“<br />

sein können?<br />

Eulens Selbstbekenntnisse erwiesen<br />

sich nicht etwa als nachträgliche Schönfärberei,<br />

um sich bei den neuen Machthabern<br />

um der relativen Unversehrtheit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es willen anzubiedern. <strong>Das</strong><br />

wäre immerhin ein zwar falsches, aber<br />

diskutables Motiv gewesen. Es ist auch<br />

nicht der peinliche Kniefall vor den neu -<br />

en Machthabern, der nach dem März<br />

1933 zum Landesüblichen gehörte. Es ist<br />

undemokratische, nationalistische Geis -<br />

tes haltung, die offen zu Tage trat. ■<br />

39


In der Mitgliederzeitschrift werden<br />

die Fortschritte der Arbeit dokumentiert:<br />

Soldatenfriedhöfe Hohrod,<br />

Rancourt und Romagne-sous-Montfaucon<br />

(Frankreich), Nazareth<br />

(Palästina; Modell); unten Entwurf für<br />

einen Gedenkstein.<br />

40<br />

Volkstrauertag 1933: Reichskanzler<br />

Adolf Hitler neben Reichspräsident<br />

Paul von Hindenburg.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet auf den<br />

Soldatenfried höfen Connantre und<br />

Rancourt (8 931 und 11 4<strong>22</strong> Kriegstote).<br />

In dieser Zeit entstehen Eingänge<br />

und Gedenkkapellen, Bäume werden<br />

gepflanzt und Einfriedungen geschaffen.


1934<br />

Die Reichsparteitage der NSDAP<br />

in Nürnberg mit ihren Massen aufmärschen<br />

charakterisieren den Stil<br />

des Regimes. Die Gesell schaft ist<br />

„gleichgeschaltet.“<br />

42<br />

Am 30. Januar werden die Länder<br />

entmachtet. Ihre Hoheitsrechte gehen<br />

auf das Reich über. ❑ Am 30. Juni schafft<br />

Hitler auf seine Weise „Klarheit“ in den<br />

eigenen Reihen: Der sogenannte Röhm-<br />

Putsch ist in Wahrheit ein Mord anschlag<br />

auf die SA-Führung und andere, die Hitler<br />

für potenzielle Gegner hält. Unter den<br />

Er mordeten befinden sich Hitlers Amtsvor<br />

gänger von Schleicher und dessen Frau,<br />

Gregor Strasser (Reichsorgani sa tions leiter<br />

der NSDAP bis 1932), Erich Klausener (Ka -<br />

tholische Aktion), Edgar Jung (Mitarbeiter<br />

von Vizekanzler von Papen) und Gustav<br />

von Kahr (1923 bayerischer Generalstaatskommissar).<br />

Min des tens 83 Menschen<br />

werden ermordet. Ein Reichsgesetz vom<br />

3. Juli 1934 erklärt die Morde nach träglich<br />

für rechtens. Und der auch heute noch<br />

von manchen angesehene Staatsrechtslehrer<br />

Carl Schmitt rechtfertigt diese Taten:<br />

„Der Führer schützte das Recht.“ Hindenburg<br />

und Papen beglückwünschen Hitler.<br />

❑ <strong>Das</strong> Reich schließt einen Nichtangriffspakt<br />

mit Polen. ■<br />

<strong>Das</strong> „Gesetz über die Feiertage“ wird<br />

am 27. Februar verabschiedet. An die<br />

Stelle des Volkstrauertages tritt nunmehr<br />

im ganzen Reich der „Heldengedenktag“<br />

mit neuem Sinngehalt. Er findet jeweils<br />

am 5. Sonntag vor Ostern (Reminiscere)<br />

statt. ❑ Bei der Feierstunde in der Berliner<br />

Staatsoper Unter den Linden hält zum<br />

ersten Mal der Reichswehrminister die<br />

Ansprache. ❑ Im Rahmen einer Groß aus -<br />

stellung des <strong>Volksbund</strong>es im Lichthof des<br />

Dresdener Rathauses (Juni/Juli) werden<br />

die Modelle für die Friedhöfe Liny-devant-Dun,<br />

Haubourdin und Quero gezeigt.<br />

❑ In einem Aufruf zum 20. Jahrestag<br />

des Beginns des Ersten Weltkrieges empfiehlt<br />

der <strong>Volksbund</strong>, auf alle Feiern zu<br />

verzichten. Er appelliert an alle Mitglieder,<br />

in diesem Jahr mindestens ein neues<br />

Mitglied zu werben. ❑ Am 1. September<br />

übernimmt der langjährige Leiter der<br />

Werbe- und Presseabteilung, Otto Margraf,<br />

die Geschäftsführung der Bundesgeschäftsstelle<br />

in Berlin. ❑ Im November<br />

gibt der <strong>Volksbund</strong> bekannt, dass wegen<br />

der Devisenknappheit für die Totentage<br />

keine Angehörigenaufträge erfüllt werden<br />

können. ❑ Der Vertretertag, jetzt Reichstagung<br />

genannt, findet in Kiel statt. ❑ Zum<br />

Ende des Jahres gehören 1 830 Ortsgruppen<br />

mit insgesamt 151 110 Einzelmitgliedern<br />

zum <strong>Volksbund</strong>. ■<br />

Ausstellung des <strong>Volksbund</strong>es in der<br />

Münchner Feldherrenhalle.<br />

43


1935<br />

44<br />

Carl von Ossietzky wird wie<br />

viele andere verhaftet und<br />

ins Konzen trations lager<br />

gebracht. Er darf den ihm<br />

1936 verliehenen Friedens -<br />

nobelpreis nicht annehmen.<br />

Nach seiner Freilassung<br />

stirbt er am 4. Mai 1938 an<br />

den Folgen dieser Haft.<br />

Foto ganz rechts: Stimmzettel bei<br />

der Volksabstimmung im Saarland.<br />

Soldatenfriedhof Nazareth im<br />

damaligen Palästina. Hier ruhen<br />

261 Kriegstote (Stand 2008:<br />

416 Kriegstote). Heute liegt die<br />

Kriegsgräberstätte auf dem<br />

Staatsgebiet Israels.<br />

Eine Volksabstimmung am 13. Janu -<br />

ar führt zur Rückgabe des Saargebietes<br />

an Deutschland. ❑ Am 16. März beginnt<br />

mit der Einführung der allgemei -<br />

nen Wehrpflicht die offene Wiederauf rüs -<br />

tung des Reiches. Dieser einseitige, ohne<br />

Verhandlungen unternommene Schritt ist<br />

ein klarer Bruch geltender Verträge, der<br />

um so schwerer wiegt, als die Westmäch -<br />

te bereits informell mitgeteilt hatten, dass<br />

sie einer deutschen Aufrüstung bis zu<br />

200 000 Mann zustimmen würden. ❑<br />

Deutschland verlässt mit den berüchtigten<br />

Nürnberger Gesetzen am 15. September<br />

endgültig den Weg eines am Men -<br />

schenrecht orientierten Staats wesens. Sie<br />

legen den Grundstein für eine ver brecherische<br />

Politik, die später in der sogenannten<br />

„Endlösung der Juden frage,“ im Ho -<br />

locaust, endet. ■<br />

Am 30. Juni weiht der <strong>Volksbund</strong> die<br />

Kriegsgräberstätte Nazareth/Palästina<br />

und am 12. Juli Maissemy/Frankreich<br />

ein. ❑ In seiner Allerseelenpredigt<br />

sagt Kardinal Michael von Faulhaber in<br />

der Münchner Frauenkirche: „Wir danken<br />

dem <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge,<br />

der mit unermüdlichem Ei -<br />

fer und großem Erfolg die deutschen Soldatenfriedhöfe<br />

im Ausland in würdigem<br />

Zustand erhält und seine pietätvolle Gräberpflege<br />

ganz im Sinne der Hinterbliebenen<br />

unter das Zeichen des weißen Kreu -<br />

zes im schwarzen Feld gestellt hat.“ ❑ Im<br />

November besuchen der Leiter der britischen<br />

Imperial War Graves Commission<br />

und der Leiter der französischen Kriegsgräberfürsorge<br />

die Bundesgeschäftsstelle<br />

in Berlin. ❑ Im Jahre 1935 gibt es in <strong>22</strong> Ländern<br />

der Erde <strong>Volksbund</strong>mitglieder. ■<br />

Am 7. März bricht Adolf Hitler den<br />

Locarno-Pakt und zerstört damit<br />

Stresemanns Friedenswerk. Er lässt das<br />

entmilitarisierte Rheinland besetzen. Die<br />

Westmächte nehmen das ohne ernsthaften<br />

Widerstand hin. ❑ Im September des<br />

Jahres wird der Vierjahresplan verkündet,<br />

der das <strong>Deutsche</strong> Reich „bis 1940 kriegsbereit“<br />

machen soll. Hitler beginnt mit<br />

den Vorbereitungen für seine Angriffskriege.<br />

❑ Im Spanischen Bürgerkrieg, der<br />

zur Niederlage der Republik führt und<br />

die Franco-Diktatur begründet, unterstützt<br />

Deutschland den Militäraufstand<br />

General Francos. ■<br />

Am 8. Juni findet in London die ers -<br />

te Sitzung des gemischten deutschenglisch-französischen<br />

Ausschusses für<br />

Kriegsgräberfürsorge statt, in dem der<br />

<strong>Volksbund</strong> vertreten ist. Hintergrund: Be -<br />

reits 1923 hatte die Imperial War Graves<br />

Com mission die Pflege von 2 219 deutschen<br />

Kriegsgräbern an 216 verschiedenen<br />

Or ten im Vereinigten Königreich und<br />

den Kanalinseln übernommen. ❑ Die<br />

Reichstagung findet am 30. und 31. Ok tober<br />

in Köln statt. ❑ Die Jahresbilanz nennt<br />

folgende Zahlen: Es gibt 295 000 Mit glieder<br />

in 4 747 Ortsgruppen, etwa 50 Prozent der<br />

deutschen Gemeinden sind korporative<br />

Mitglieder. ❑ Die Gesamtausgaben des<br />

<strong>Volksbund</strong>es für den Friedhofs bau von<br />

seiner Gründung bis zum 31. Dezember<br />

1936 betragen 6,5 Millionen Reichsmark. ■<br />

1936<br />

Foto links: <strong>Deutsche</strong> Truppen marschieren<br />

ins Rheinland ein.<br />

Foto unten: Die Olympiade in Berlin<br />

wird für einen nationalsozialistischen<br />

Propagandafeldzug missbraucht.<br />

45


1937<br />

46<br />

<strong>Deutsche</strong> Sturzkampfbomber<br />

(Stukas) in Spanien.<br />

Mit der Explosion des deutschen<br />

Luftschiffes Hindenburg am 6. Mai<br />

in Lakehurst (USA) – 34 Menschen<br />

sterben – endet der trans-<br />

atlantische Zeppelin verkehr.<br />

Die deutsche Legion Condor bombardiert<br />

im spanischen Bürgerkrieg<br />

die baskische Hauptstadt Guernica. Pablo<br />

Picasso malt das Bild „Guernica“ als<br />

ei nen Aufruf gegen den Krieg. Über die<br />

deutschen Gefallenen darf nicht gesprochen<br />

werden. Die Toten werden vom<br />

<strong>Volksbund</strong> nicht registriert. ❑ Eine Wan -<br />

derausstellung zeigt in Deutschland sogenannte<br />

Entartete Kunst. Der inter natio -<br />

nale kulturelle Austausch kommt weitgehend<br />

zum Erliegen. ❑ Es gibt vier große<br />

Konzentrationslager: <strong>Buch</strong>enwald, Da -<br />

chau, Lichtenberg (nur für Frauen) und<br />

Sachsenhausen. ■<br />

Auf der zweiten Sitzung des deutschenglisch-französischen<br />

Ausschusses<br />

in Berlin wird berichtet: Für die etwa<br />

7 000 deutschen Kriegsgräber auf englischen<br />

Friedhöfen in Frankreich sind bisher<br />

4 500 Stelen aus dauerhaftem Natur -<br />

stein in den Münchner Werkstätten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es fertiggestellt werden. 2 000<br />

davon sind bereits aufgestellt.<br />

Sie entsprechen in den Maßen den englischen<br />

Grabsteinen. ❑ Als Folge der Maßnahmen<br />

zur Papiereinsparung im Rah men<br />

des Vier-Jahres-Planes erscheinen die Ausgaben<br />

Juli und August der „Kriegsgräberfürsorge“<br />

als ein Heft. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> weiht am 30. Mai die Kriegsgräberstätte<br />

Smederewo (Semendria, heute: Serbien) in<br />

Jugoslawien ein. Hier ruhen Gefallene aus den<br />

Kämpfen der Jahre 1915 und 1916.<br />

Im Februar entmachtet Hitler die<br />

Führungsspitze der Wehrmacht<br />

durch Entlassung des Reichskriegsministers<br />

Generalfeldmarschall von Blomberg<br />

und des Oberbefehlshabers des Heeres,<br />

Generaloberst Freiherr von Fritsch. ❑<br />

Nach Verhandlungen mit Hitler muss<br />

Österreichs Bundeskanzler Kurt von<br />

Schuschnigg vor dessen aggressiver<br />

Politik kapitulieren. Österreich wird mit<br />

Zustimmung der großen Mehrheit der<br />

Österreicher dem <strong>Deutsche</strong>n Reich angeschlossen.<br />

❑ Aus Protest gegen Hitlers<br />

Politik tritt der Generalstabschef des<br />

Heeres, Generaloberst Beck, zurück. ❑<br />

Am 29. September endet die Münchener<br />

Konferenz der Staats- und Regier ungs -<br />

chefs Deutschlands, Frankreichs, Groß britan<br />

niens und Italiens mit dem Be schluss<br />

zur Abtre tung der sudetendeutschen Gebiete<br />

durch die Tschechoslowakei an das<br />

<strong>Deutsche</strong> Reich. ❑ Die am 9. November<br />

im ganzen Reich von der NSDAP organisierten<br />

Pogrome gegen die Juden (von Antisemiten<br />

hämisch „Reichskristallnacht“<br />

genannt) erregen die Welt öffent lichkeit.<br />

Die jü dischen <strong>Deutsche</strong>n werden in den<br />

folgenden Tagen endgültig aus dem Wirtschafts<br />

leben ausgeschaltet. ❑ Am 31. Mai<br />

wird das „Gesetz zur Einziehung von Erzeugnissen<br />

entarteter Kunst“ erlassen. Geächtet<br />

werden vor allem Kunstwerke von<br />

Barlach, Beckmann, Cézanne, Chagall, Corinth,<br />

van Gogh, Heckel, Hofer, Kandinsky,<br />

Klee, Ko kosch ka, Macke (1914 gefal -<br />

len), Marc (1916 gefallen), Matisse, Munch,<br />

Picasso, Nolde und vielen anderen. ■<br />

Die Reichstagung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

findet vom 20. bis 23. Mai in Breslau<br />

(heute: Wrocław/Polen) statt. ❑ Die Gebei<br />

ne von 70 in der Schweizer Internierung<br />

verstorbenen deutschen Soldaten<br />

werden am 17. Dezember auf den Lerchenberg<br />

bei Meersburg am Bodensee<br />

überführt. Die Anlage wird jedoch erst<br />

1964 fertiggestellt. ■<br />

1938<br />

Am 12. Juni wird das U-Boot-<br />

Ehrenmal Möltenort (bei Kiel)<br />

eingeweiht.<br />

Reichstagung des <strong>Volksbund</strong>es in<br />

Breslau (Wrocław/Polen).<br />

Die österreichische Bevölkerung<br />

begrüßt begeistert den „Anschluss.“<br />

Bei der Abstimmung am 10. April<br />

werden in der zukünftigen „Ostmark“<br />

nur 11 807 Nein-Stimmen<br />

registriert.<br />

47


1939<br />

Die Wehrmacht marschiert in die<br />

Tschechoslowakei ein. Hitler bildet<br />

das „Protektorat“ Böhmen und Mähren.<br />

Die Slowakei wird unabhängig.<br />

48<br />

Hitler bricht das MünchnerAbkommen<br />

– deutsche Soldaten marschieren<br />

am 15. und 16. März in der Tsche chos lowakei<br />

ein. <strong>Das</strong> stellt ihn endgültig als<br />

Kriegstreiber bloß und erschüttert vollends<br />

das internationale Vertrauen in eine<br />

europäische Friedensordnung. ❑ Deutschland<br />

besetzt am 23. März das Memelgebiet.<br />

❑ Am 23. August kommt es über raschend<br />

in Moskau zum Hitler-Stalin-Pakt<br />

(offiziell ein Nichtangriffs pakt). Dazu gehört<br />

das berüchtigte gehei me Zusatzprotokoll<br />

mit der Abma chung über die Tei -<br />

lung Polens. Außerdem stimmt Hitler der<br />

Annexion der baltischen Staaten und Bessarabiens<br />

durch die Sowjetunion zu. ❑<br />

Am 1. September beginnt der Angriff auf<br />

Polen: Hitler hat nun den Krieg, den er<br />

stets gewollt hatte. Nach der Kriegserklärung<br />

Englands und Frankreichs am 3. September<br />

steht Deutschland zwischen zwei<br />

Fronten. ❑ Polen kapituliert nach vier<br />

Wochen, die Sowjetunion besetzt den<br />

Ostteil. ■<br />

Der Bau der Gedenkstätte Pordoi in<br />

den Dolomiten (Italien), bereits vor<br />

Kriegs ausbruch begonnen, wird bis zur<br />

Arbeits einstellung 1943 fortgeführt. ❑<br />

Die Einweihungen der Kriegsgräberstätten<br />

Quero, Feltre und Tolmein im Mai finden<br />

ein starkes Echo in der in- und aus -<br />

län dischen Öffentlichkeit. ❑ Bundesführer<br />

Eulen sowie sieben Mitarbeiter der<br />

Bundesgeschäftsstelle und vier der Bauleitung<br />

werden bei Kriegsausbruch eingezogen,<br />

dazu viele Mitarbeiter aus den<br />

Gliederungen. ❑ Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es<br />

stellen ihre Erfahrungen beim<br />

Aufbau des Wehrmacht-Gräberdienstes<br />

zur Verfügung. ❑ Der Stellvertretende<br />

Bundesführer, Justizrat Manfred Zim mer -<br />

mann, führt die Geschäfte. ■<br />

Während des Krieges setzt der <strong>Volksbund</strong><br />

den Bau der Kriegs gräberstätte<br />

Pordoi in Oberitalien fort. Hier ruhen<br />

9 431 Kriegstote (Foto links oben).<br />

Mit dem Angriff auf Polen beginnt<br />

am 1. September 1939 der Zweite<br />

Weltkrieg. <strong>Das</strong> Bild vom zerstörten<br />

Schlagbaum (Foto links) ist gestellt.<br />

<strong>Das</strong> große Sterben beginnt (Foto<br />

unten): Erst viel später – über den<br />

Gräbern zweier Weltkriege – wird<br />

Europa zusammenfinden.<br />

49


1940<br />

50<br />

Die deutschen Verluste<br />

werden größer. Der Wehrmachts<br />

gräberdienst entwirft<br />

ein einheitliches Grabzeichen.<br />

Am 9. April besetzen deutsche Truppen<br />

trotz eines Nichtangriffspaktes<br />

Dänemark und Norwegen. Die deutschen<br />

Seestreitkräfte erleiden bei der Besetzung<br />

Norwegens starke Verluste. ❑ Der Angriff<br />

an der Westfront beginnt am 10. Mai.<br />

Frankreich, Belgien, die Niederlande und<br />

Luxemburg werden in einem raschen<br />

Feldzug besiegt. ❑ Am <strong>22</strong>. Juni wird der<br />

Waffenstillstand mit Frankreich abgeschlossen.<br />

Italien tritt kurz vorher an<br />

Deutschlands Seite in den Krieg ein. ❑<br />

Im August beginnt zur Vorbereitung<br />

einer Invasion Großbritanniens die „Luft -<br />

schlacht um England.“ Hier erleidet<br />

Deutschland seine erste Niederlage. Die<br />

britische Luftwaffe kann nicht besiegt<br />

werden; die Pläne zur Landung in Großbritannien<br />

werden auf unbestimmte Zeit<br />

verschoben. Die deutsche Luftwaffe bombardiert<br />

Coventry, London und Malta. ❑<br />

Am 27. September schließen Deutschland,<br />

Italien und Japan den Dreimächtepakt. ❑<br />

Im November besucht der sow jetische<br />

Außenminister Wjatscheslaw Mo lotow<br />

die Reichshauptstadt: Weitere Aggressionen<br />

sollen abgestimmt werden. Die Skala<br />

reicht vom Balkan bis Indien. Man kann<br />

sich jedoch diesmal wegen unterschiedlicher<br />

Ziele nicht einigen. Die Beziehungen<br />

kühlen sich ab. ■<br />

Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />

kriegsbedingt schwieriger: Weitere<br />

Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle<br />

und der Bauleitung werden eingezogen,<br />

dazu eine große Zahl Mitarbeiter aus den<br />

Gliederungen. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat am<br />

Jahresende 537 000 Mitglieder. ■<br />

Die deutsche Wehrmacht besetzt<br />

Dänemark und Norwegen (Foto<br />

oben). Frank reich und die Beneluxstaaten<br />

werden ebenfalls überrannt<br />

(Foto unten). Die deutsche Luft waffe<br />

bombardiert am 14. November die<br />

englische Stadt Coventry. Auf dem<br />

Foto rechts sieht man die zerstörte<br />

Kathedrale. Zuvor hatte die britische<br />

Luftwaffe München und andere<br />

Städte in Deutschland angegriffen.<br />

51


1941<br />

Adolf Hitler greift immer neue Ziele<br />

an (Foto rechts). <strong>Deutsche</strong> Soldaten<br />

kämpfen in Nordafrika (Foto auf<br />

Seite 53 oben) und in der Sowjetunion<br />

(Foto auf Seite 53 unten).<br />

52<br />

Zur Unterstützung der italienischen<br />

Truppen in Nordafrika wird im Februar<br />

unter Befehl von General Rommel<br />

das <strong>Deutsche</strong> Afrika-Korps aufgestellt.<br />

❑ Am 6. April beginnt der Angriff auf<br />

Jugo slawien und Griechenland. ❑ Am<br />

1. Juni wird die Insel Kreta nach schweren<br />

Verlusten durch deutsche Luftlandetruppen<br />

erobert. ❑ Der Angriff gegen die<br />

Sowjetunion, als „Plan Barbarossa“ lange<br />

vorbereitet, beginnt am <strong>22</strong>. Juni. Die deut -<br />

schen Offensiven bleiben nach großen An -<br />

fangserfolgen im Winter vor Moskau und<br />

Leningrad stecken. Der Feldzug wird auf<br />

beiden Seiten mit erbitterter Härte und<br />

Grau samkeit geführt. ❑ Nach dem japa nischen<br />

Angriff auf Pearl Harbour am 7. Dezember<br />

erklärt Deutschland am 10. Dezem<br />

ber den USA den Krieg. ■<br />

Am 16. März wird der Chef des<br />

Ober kommandos der Wehrmacht<br />

(OKW) beauf tragt, die Errichtung würdiger<br />

Soldaten friedhöfe für die Gefallenen<br />

vor zubereiten. Professor Wilhelm Kreis,<br />

im Einvernehmen mit dem <strong>Volksbund</strong><br />

vom OKW vorgeschlagen, wird zum Generalbaurat<br />

ernannt. Professor Kreis gehört<br />

dem damaligen Verwaltungsrat des<br />

Volks bundes seit der Gründung an. ❑<br />

Bereits zu Beginn des Jahres erfolgt eine<br />

Anweisung zur Einführung eines einheitlichen<br />

Grabzeichens in der Form des<br />

Eisernen Kreuzes. ❑ Aufgrund von Befürchtungen<br />

aus Kreisen der Mitglieder<br />

über eine mögliche Einstellung der Arbeit<br />

gibt der <strong>Volksbund</strong> bekannt, dass seine<br />

Arbeit auf Weisung der maßgeblichen<br />

Stellen vor allem im Interesse der Angehörigen<br />

fortgesetzt werden solle. ■<br />

53


1942<br />

Hitler hat die Widerstandsfähigkeit<br />

und die Reserven der Sowjetunion<br />

weit unterschätzt. Stalingrad<br />

wird zur Wende des Krieges.<br />

Dieses Bild wirkt symbolisch: Die<br />

Soldaten sind eisiger Kälte ausgesetzt,<br />

erscheinen orientierungslos.<br />

54<br />

Die deutsche Sommeroffensive an<br />

der südlichen Ostfront erreicht die<br />

Wolga und den Kaukasus, die Offensi -<br />

ve Rommels führt von Libyen aus über<br />

die ägyptische Grenze bis El Alamein.<br />

Dann folgt die Wende des Krieges: Die<br />

6. Armee wird bei Stalingrad von sowjetischen<br />

Streitkräften eingeschlossen.<br />

Die deutschen Truppen erleiden in der<br />

Schlacht von El Ala mein eine schwere<br />

Niederlage. Libyen muss geräumt werden.<br />

<strong>Das</strong> Afrika-Korps wird bei Tunis<br />

eingeschlossen. ❑ Während der gesamten<br />

Kriegszeit werden zwölf Millionen<br />

sogenannte Fremdarbeiter verschleppt<br />

und in der deutschen Kriegswirtschaft<br />

eingesetzt. ■<br />

Im Februar erscheint ein Erlass,<br />

nach dem die Gräber der Opfer<br />

der Zivilbevölkerung, das heißt „die<br />

durch Feindeinwirkung getöteten oder<br />

in folge erlittener Verletzungen gestor -<br />

benen, nicht zur Wehrmacht gehö renden<br />

deutschen Staatsange hörigen so -<br />

wie die Staatsange hörigen der verbündeten<br />

Mächte“ auf „Ehrenfriedhöfen“<br />

bestattet werden sollen. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

kann trotz des Krieges in begrenztem<br />

Rahmen weiter arbeiten. In<br />

Frankreich wird der Soldatenfriedhof<br />

Consenvoye bei Verdun (11 146 Kriegstote)<br />

angelegt. ■<br />

55


1942 wird auf der Wannsee-<br />

Konferenz in Berlin die „Endlösung<br />

der Judenfrage“ beschlossen.<br />

Der deutsche Vormarsch im Osten<br />

schafft die Voraussetzungen: Der<br />

Mord an den Juden nimmt immer gewaltigere<br />

Ausmaße an. In den Vernichtungslagern<br />

wie Auschwitz-<br />

Birkenau werden die Menschen bei<br />

der Ankunft selektiert. Die als nicht<br />

arbeitsfähig eingestuften Menschen<br />

werden häufig sofort umgebracht.<br />

Für die anderen gilt die<br />

„Vernichtung durch Arbeit.“<br />

Je länger der Zweite Weltkrieg andauert,<br />

je mehr Gebiete von<br />

Deutschland besetzt werden, desto<br />

mehr Juden und andere Verfolgte<br />

fallen dem organisierten Massenmord<br />

zum Opfer. Damit werden auch<br />

diejenigen Menschen, die ohne<br />

Wissen über dieses unvorstellbare<br />

Verbrechen als Soldaten oder an anderer<br />

Stelle durch ihren tapferen Einsatz<br />

im Ergebnis den Krieg verlän -<br />

gern, in die Frage von Mitschuld und<br />

Mitverantwortung verstrickt.<br />

56<br />

Im Januar fordern die Alliierten auf<br />

der Casablanca-Konferenz die bedingungslose<br />

Kapitulation Deutschlands.<br />

❑ Am 2. Februar geht die Schlacht um Stalingrad<br />

zu Ende. Die Reste der 6. Armee<br />

ergeben sich – gegen Hitlers Befehl. Von<br />

170 000 im Kessel verbliebenen Soldaten<br />

der Wehrmacht sind über 60 000 gefallen.<br />

Rund 110 000 gehen in Gefangenschaft,<br />

nur etwa 5 000 von ihnen überleben. Zu -<br />

vor hatte die Luftwaffe 25 000 Verwundete<br />

ausgeflogen. Über das Schicksal der mit<br />

einge schlos senen italienischen und rumänischen<br />

Soldaten ist wenig bekannt. ❑<br />

Am 13. Mai kapitulieren die letzten Streitkräfte<br />

der sogenannten Achse in Tunesien.<br />

❑ Nach der erfolglosen deutschen Offensive<br />

bei Kursk (Panzerschlacht) beginnt<br />

der Rückzug der deutschen Truppen an<br />

der gesamten Ostfront. ❑ Goebbels fordert<br />

den „totalen Krieg.“ Doch der Krieg ist entschieden!<br />

Schwere Luftangriffe auf Hamburg<br />

und Berlin leiten die planmäßi ge Zerstörung<br />

der deutschen Großstädte ein. Da -<br />

bei wird mehr und mehr die Technik der<br />

sogenannten Feuerstürme angewendet,<br />

eine besonders unmenschliche Kriegführung<br />

gegen Zivilisten ohne militärischen<br />

Wert. ❑ Im Juli landen die Alliierten in Italien,<br />

das im Sep tember Waffenstillstand<br />

schließt. ❑ In Auschwitz, Tre blin ka, Maidanek<br />

und anderen Konzentrations lagern<br />

beginnt die systematische Ausrottung von<br />

Millionen Juden, aber auch von Roma,<br />

Sinti und anderen für lebensunwert erklär<br />

ten Menschen. Ge gen erbitterten Widerstand<br />

der eingepferchten Juden ver -<br />

nichtet die SS das Warschauer Ghetto. ■<br />

<strong>Das</strong> Ministerialblatt des Reichs minis -<br />

teriums veröffentlicht am 8. Dezember<br />

Darlegungen „über die Fürsorge für<br />

die Gräber der Kriegsgefallenen des jetzigen<br />

Krieges und die Gestaltung von<br />

Kriegs gräberanlagen,“ aus denen eine besondere<br />

Betonung der Tätigkeit der Amtlichen<br />

Kriegsgräberfürsorge im Reichs ge -<br />

biet hervorgeht. Stellungnahme des <strong>Volksbund</strong>es:<br />

„Unsere Aufgabe, die in der Errichtung<br />

von Ehrenstätten außerhalb des<br />

Reiches liegt, wird da durch nicht berührt.“<br />

❑ Ende des Jahres hat der <strong>Volksbund</strong><br />

993 572 Einzelmitglieder. ■<br />

Stalin, Roosevelt und Churchill (sitzend,<br />

von links) einigen sich auf der<br />

Konferenz von Teheran im Grundsatz<br />

über die Teilung Deutschlands nach<br />

dem Krieg.<br />

1943<br />

Stalingrad: Von den 110 000 deut -<br />

schen Kriegsgefangenen sterben<br />

allein 17 000 auf dem Weg in die<br />

La ger. Unten deutsche Kriegsgefangene<br />

im Sommer 1943 in der Nähe<br />

von Stalingrad.<br />

57


Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />

stark eingeschränkt. Zu dem Wenigen,<br />

was er tun kann, gehört der<br />

Ausbau des Soldatenfriedhofes<br />

Consenvoye in Frankreich (11 146<br />

Kriegstote). Hier werden zum ersten<br />

Mal Symbolkreuze aufgestellt.<br />

58<br />

Baurat Wilhelm Kreis erhält von<br />

der Reichsregierung den Auftrag,<br />

monumentale deutsche Ehrenstätten<br />

zu planen. Sie sind ein Ausdruck<br />

der Helden ver herrlichung. Seine Ent -<br />

würfe, die der Auffassung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

wider sprechen, werden nicht<br />

realisiert.<br />

59


1944<br />

Der alliierte Vormarsch in Italien<br />

stockt bei Cassino. Stadt und<br />

Kloster werden bei den schweren<br />

Kämpfen im Winter und Frühjahr<br />

1944 völlig zerstört. Der Abt des<br />

Klosters bedankt sich bei dem deutschen<br />

Oberstleutnant Julius Schlegel<br />

für die Rettung der unersetzlichen<br />

Kunst- und Kulturschätze.<br />

60<br />

Am 6. Juni beginnt in Frankreich die<br />

lang erwartete Landung der Alliierten;<br />

binnen weniger Tage ist sie erfolgreich.<br />

Bis zum 30. Juli haben die Westmächte<br />

850 000 Mann und rund 150 000<br />

Fahrzeuge gelandet. Ihnen gelingt der<br />

Durchbruch bei Avranches. Doch Hitler<br />

und seine Generale lassen das Inferno<br />

noch über neun Monate weiter auf die<br />

Menschen niedergehen. ❑ Hoffnung, den<br />

Kriegsausgang durch weiteren Widerstand<br />

günstiger zu gestalten, besteht nicht<br />

mehr, so wenig wie im August 1918. Zumindest<br />

die Generalität weiß das, zumal<br />

drei Wochen nach der Landung die Sommer<br />

offensive der Roten Armee beginnt,<br />

die sie bis zur Weichsel und auf den Balkan<br />

führt. Die größten Zerstörungen und<br />

Verluste, die Deutschland erleidet, sind<br />

nach dem Sommer 1944 einge treten. ❑<br />

Der letzte und aussichtsreichste Versuch,<br />

das Verderben abzuwenden, den Krieg zu<br />

beenden und Deutschland vor dem tota -<br />

len Untergang zu bewahren, scheitert am<br />

20. Juli 1944. <strong>Das</strong> Bombenattentat des<br />

Obersten Graf Stauffenberg auf Hitler<br />

missglückt. Im Zusammenhang damit<br />

werden über 700 deutsche Offi zie re, da -<br />

runter Generalfeldmarschall Erwin von<br />

Witzleben, sowie zahlreiche Zivilper sonen<br />

umgebracht. Generaloberst Ludwig<br />

Beck erschießt sich. ❑ <strong>Das</strong> Inter nationale<br />

Komitee vom Roten Kreuz erhält den<br />

Friedensnobelpreis. ■<br />

Am 15. Februar zerstören Bomben<br />

die Bundesgeschäftsstelle des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in Berlin. Viele Arbeitsunterlagen<br />

gehen verloren, darunter auch solche, die<br />

für einen historischen Rückblick wie in<br />

die sem <strong>Buch</strong> sehr wichtig gewesen wä -<br />

ren. ❑ Die Zeitschrift des <strong>Volksbund</strong>es<br />

kann nur noch vierteljährlich erscheinen.<br />

❑ Am 9. Juni verhindert Staatsrat Wilhelm<br />

Ahlhorn in Verbindung mit dem<br />

Leiter der Abteilung Wehrmachtsverlustwesen<br />

im OKW die Unterstellung des<br />

<strong>Volksbund</strong>es unter den Generalbaurat.<br />

Er droht, diese Maßnahme mit der Selbstauflösung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es zu beantworten.<br />

❑ Aufgrund der Anordnung über<br />

den totalen Kriegseinsatz vom 29. August<br />

führt der <strong>Volksbund</strong> die 60-Stunden-<br />

Woche für seine Mitarbeiter ein und baut<br />

sein Personal um 20 Prozent ab. ❑ Im teilzerstörten<br />

Erdgeschoss der Bundesgeschäftsstelle<br />

gedenkt der <strong>Volksbund</strong> in<br />

Anwesenheit von nur noch 57 Mitarbeitern<br />

seines 25-jährigen Bestehens. ❑ In<br />

einem Rundbrief „An die im Feld stehenden<br />

Mitarbeiter“ zu Weihnachten heißt<br />

es, dass der <strong>Volksbund</strong> rund zwei Millionen<br />

Mitglieder habe. Diese Zahl ist heute<br />

nicht mehr belegbar. ■<br />

Die letzte deutsche Offensive im<br />

Westen („Ardennen offen sive“)<br />

überrascht die Alliierten, scheitert<br />

aber nach wenigen Tagen.<br />

61


Für Freiheit und<br />

Gerechtigkeit:<br />

der 20. Juli 1944<br />

62<br />

„Die Rettung Deutschlands war der<br />

letzte Sinn des deutschen Widerstandes.<br />

Der Rettung des Vaterlandes im physischen<br />

und moralischen Sinn galt der<br />

verzweifelte Stoß des 20. Juli 1944. Wir,<br />

die dazugehörten oder sonstwie gegen<br />

die Schändung Deutschlands Front gemacht<br />

hatten, stimmten, ohne ein einziges<br />

Wort darüber zu verlieren und ohne<br />

Rücksicht auf unsere politische Herkunft<br />

– die Kommunisten eingeschlossen –,<br />

völlig darin überein, dass die Rettung<br />

Deutsch lands und die Sicherung seiner<br />

Zukunft allein in der Wiederherstellung<br />

des freiheitlichen Rechtsstaates und seiner<br />

entschlossenen Verteidigung gegen<br />

seine inneren und äußeren Feinde liegen<br />

könne. <strong>Das</strong> ist das bleibende Vermächtnis<br />

des 20. Juli 1944.“ Dies sagte einer der Beteiligten,<br />

der spätere Bundestagspräsident<br />

Eugen Gerstenmaier, nach dem Krieg.<br />

Im Attentat auf Hitler am 20. Juli<br />

gipfelt der Widerstand im Dritten Reich<br />

gegen das nationalsozialistische Regime<br />

und seine unheilvolle Politik. Viele Jahre<br />

war die westdeutsche Geschichtsschreibung<br />

auf dieses Ereignis und seine Vorgeschichte<br />

fixiert. Inzwischen hat sich die<br />

Perspektive jedoch erweitert, und auch<br />

der Widerstand außerhalb des militärischen<br />

und bürgerlich-konservativen La -<br />

gers wird gewürdigt. Damit wird der Tatsache<br />

besser Rechnung getragen, dass der<br />

Widerstand vielfältige Formen gezeigt hat<br />

– die im Übrigen nur schwer unter ei nem<br />

zentralen Begriff zusammengefasst werden<br />

können.<br />

Den Frauen und Männern, auch Ju -<br />

gend lichen, die Widerstand leisteten –<br />

offen oder verdeckt, konsequent oder gelegentlich,<br />

fast immer mit schweren Folgen<br />

für sie und ihre Familien – ist eines<br />

gemeinsam gewesen: Die Erkenntnis,<br />

dass der Weg, den Deutschland unter<br />

Hitler beschritten hatte, in die Katastrophe<br />

führte; das Bewusst sein, Widerstand<br />

leisten zu müssen und durch eigenes<br />

Handeln zur Rückkehr in eine bessere<br />

Gesellschaft beitragen zu können.<br />

Natürlich waren die Handlungsmöglichkeiten<br />

Einzelner sehr begrenzt. <strong>Das</strong><br />

gilt nicht zuletzt für die Soldaten an der<br />

Front. Viele hatten sich vor dem Krieg<br />

von den (vermeintlichen) innen- und außenpolitischen<br />

Erfolgen Hitlers blenden<br />

lassen und im Krieg von den erstaunlichen<br />

militärischen Anfangserfolgen. Bei<br />

vielen ist das Gewissen erst spät erwacht.<br />

Viele haben gar nicht oder erst sehr spät<br />

erfahren, welche Verbrechen in Namen<br />

des Vaterlandes und durch Landsleute in<br />

anderen Ländern und auch in Deutschland<br />

selbst geschehen waren. Viele Soldaten<br />

haben lange gezögert, wollten nicht<br />

eidbrüchig werden. Immerhin wurde die<br />

eigene Bevölkerung durch 40 000 Gesta po-<br />

Beamte, den SD (Sicherheitsdienst) und<br />

ungezählte Spitzel und Zuträger überwacht.<br />

Schon unbedeutende kritische Äußerungen<br />

– wie zum Beispiel Zweifel am<br />

propagierten „Endsieg“ – waren lebensgefährlich.<br />

Trotz der Gefahr für Leib und Leben<br />

haben sich während des Dritten Reiches<br />

viele aufrechte Menschen für ein besseres<br />

Deutschland eingesetzt. Sie kamen aus der<br />

Arbeiterbewegung, den Kirchen, dem Militär,<br />

bürgerlichen Kreisen. Zu ihnen gehörten<br />

einfache Arbeiter und hohe Diplo -<br />

maten, Hausfrauen und Feldmarschälle,<br />

Studenten und Staats beamte, Kommunisten<br />

und Kirchenführer. Der Erfolg blieb<br />

ihnen versagt, die Unrechtsherrschaft<br />

wurde erst durch den äußeren Gegner beendet.<br />

Aber es gilt das Wort des Generalmajors<br />

Hans Henning von Tresckow kurz<br />

vor dem Attentat am 20. Juli: „<strong>Das</strong> Attentat<br />

muß erfolgen, coûte que coûte (koste<br />

es, was es wolle). Sollte es nicht gelingen,<br />

so muss trotzdem in Berlin gehandelt<br />

werden. Denn es kommt nicht mehr auf<br />

einen praktischen Zweck an, sondern<br />

darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung<br />

vor der Welt und vor der Geschichte<br />

den entscheidenden Wurf ge -<br />

wagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“<br />

■<br />

Hitler überlebt das Attentat von Graf Stauffenberg.<br />

Später zeigt er Musso lini die zerstörte Baracke.<br />

1 2 3 4<br />

5 6 7 8<br />

Roland Freisler, Vorsitzender des berüchtigten Volksgerichtshofes<br />

in Berlin, während des Prozesses gegen<br />

die Widerstandskämpfer des 20. Juli. Immer mehr<br />

Menschen werden – auch wegen nichtiger Vorfälle –<br />

zum Tod verurteilt.<br />

Die Geschwister Hans und Sophie Scholl verteilen als<br />

Angehörige der Weißen Rose in München Flug blätter<br />

gegen das Regime und seine Kriegspolitik und werden<br />

deswegen hingerichtet.<br />

9 <br />

Persönlichkeiten<br />

des Widerstandes<br />

1 Generaloberst Ludwig Beck gilt<br />

als das Haupt der Verschwö rung.<br />

Freitod am 20. Juli 1944.<br />

2 Oberst Claus Schenk Graf von<br />

Stauffenberg zündet die Bombe in<br />

Hitlers Hauptquartier.<br />

Am 20. Juli 1944 erschossen.<br />

3 Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin. Am<br />

8. September 1944 hingerichtet.<br />

4 Carl-Friedrich Goerdeler,<br />

Oberbürgermeister von Leipzig.<br />

Am 2. Februar 1945 hingerichtet.<br />

5 Helmuth James Graf von Moltke<br />

gründet den oppositio nellen Kreisauer<br />

Kreis. Am 23. Januar 1945<br />

hingerichtet.<br />

6 Julius Leber kämpft bis 1933<br />

als SPD-Reichstagsabgeordneter<br />

ge gen die totalitären Parteien.<br />

Am 5. Januar 1945 hingerichtet.<br />

7 Wilhelm Leuschner, 1932<br />

stellvertretender Vorsitzender des<br />

Gewerk schaftsbundes. Hin ge richtet<br />

am 29. Sep tem ber 1944.<br />

8 Ulrich von Hassell, 1932 – 1938<br />

Botschafter in Rom. Am 8. Septem<br />

ber 1944 hingerichtet.<br />

9 Friedrich Werner Graf von<br />

der Schu lenburg,1934 – 1941<br />

Botschafter in Moskau. Hin ge richtet<br />

am 10. November 1944.<br />

Generalfeldmarschall Erwin von<br />

Witzleben. Am 9. August 1944<br />

hingerichtet.<br />

63


Die alliierte Landung in der Normandie :<br />

133 000 Sol daten werden am 6. Juni 1944 an Land<br />

gebracht, 23 000 landen aus der Luft. Die Alliierten<br />

setzen über 600 Kriegsschiffe, 4 000 Lan dungs boote<br />

und 10 000 Flugzeuge ein. Die schweren Kämpfe<br />

fordern viele Opfer auf beiden Seiten.<br />

Die deutschen Gefallenen sind über viele Orte verstreut.<br />

Sie werden zunächst von den Alliierten, in den<br />

50er Jahren dann vom <strong>Volksbund</strong> ge borgen und auf<br />

Sammel fried höfen beigesetzt. In der Skizze haben<br />

die Umbetter des <strong>Volksbund</strong>es alle bekannten Grablagen<br />

in der kleinen Gemeinde Tournai-sur-Dive eingetragen.<br />

Sie zeigt, wie schwie rig die Arbeit des<br />

Umbettungsdienstes ist.


1945<br />

Generalfeldmarschall Keitel<br />

unterzeichnet die bedingungslose<br />

Kapitulation. Deutschland ist<br />

ver wüstet, viele Städte wie zum<br />

Beispiel Freiburg (rechte Seite) sind<br />

zerstört. Fast acht Millionen<br />

Menschen sind umgekom men. Rund<br />

30 Millionen <strong>Deutsche</strong> sind nicht an<br />

ihrem Wohnort. Über zehn Millionen<br />

Soldaten sind in alliierter Kriegs gefangenschaft<br />

(unten ein Bild von<br />

einem der großen Gefangenenlager<br />

unter freiem Himmel am Rhein).<br />

66<br />

67


Die meisten <strong>Deutsche</strong>n er fahren erst<br />

nach Kriegsende vom Ausmaß<br />

der Ver brechen in den Konzentra tionslagern.<br />

Die Einwohner Bergens<br />

werden von den britischen Besatzungstruppen<br />

gezwungen, das<br />

KZ Bergen-Belsen zu betreten und<br />

sich von den schrecklichen Zuständen<br />

im Lager zu überzeugen.<br />

68<br />

Der Krieg in Europa endet am<br />

8. Mai. Deutschland steht unter<br />

Besatzungsrecht.<br />

Am 12. Januar tritt die Rote Armee<br />

an der Weichsel zur Offensive an.<br />

❑ Die Massenflucht und die Vertreibung<br />

von <strong>Deutsche</strong>n aus den deutschen Ostprovinzen,<br />

der Tschechoslowakei und anderen<br />

Ländern beginnen. Von 16,6 Millio -<br />

nen <strong>Deutsche</strong>n, die dort gelebt haben,<br />

sterben dabei über zwei Millionen. Bis<br />

1950 finden rund zwölf Millionen Menschen<br />

Aufnahme im Gebiet westlich der<br />

Oder-Neiße-Linie. Zwei Millionen von<br />

ihnen werden kurz vor Kriegsende über<br />

See gerettet. ❑ In der Nacht vom 13. auf<br />

den 14. Februar wird Dresden durch ei -<br />

nen militärisch absolut sinnlosen Luftangriff<br />

nahezu völlig zerstört. Über 35 000<br />

Menschen (die genaue Zahl steht nicht<br />

fest) kommen dabei ums Leben. ❑ Am<br />

2. Mai erobert die Rote Armee Berlin. ❑<br />

Hitler begeht am 30. April Selbstmord. ❑<br />

Am 9. Ma (um 00.01 Uhr) tritt die bedingungslose<br />

Kapitulation der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Wehrmacht in Kraft. ❑ Auf der Potsdamer<br />

Konferenz wird Ostdeutschland bis<br />

zur Oder-Neiße-Linie unter polnische,<br />

der Nordteil Ostpreußens unter sowjetische<br />

Verwaltung gestellt. ❑ Nach dem<br />

Abwurf amerikanischer Atombomben<br />

über Hiroshima und Nagasaki kapituliert<br />

Japan am 2. September. ❑ Der Zweite<br />

Weltkrieg ist zu Ende. Er hat über 55 Millionen<br />

Tote, darunter fast 7,8 Millionen<br />

<strong>Deutsche</strong>, gefordert. Aber nicht nur die<br />

Zahl der Opfer hat sich im Zweiten Weltkrieg<br />

ins Ungeheure gesteigert. Nun sind<br />

neben gefallenen Soldaten auch die Opfer<br />

der Gewaltherrschaft und des Unrechtsstaates<br />

zu beklagen. Nun liegen in den<br />

Gräbern nicht nur Soldaten, sondern<br />

auch Frauen, Kinder und Greise: Zu den<br />

4 300 000 Toten und Vermissten der Wehrmacht<br />

kommen über 3 500 000 Opfer der<br />

Zivilbevölkerung allein in Deutschland.<br />

Und: Jetzt gibt es im Unterschied zu 1918<br />

neben den Millionen gefallenen und vermissten<br />

Soldaten die Toten des Bombenkrieges<br />

in den Städten, die auf der Flucht<br />

und bei der Vertreibung Umgekommenen,<br />

die von einem verbrecherischen Regime<br />

Gemordeten. Sie alle sind – unbeschadet<br />

der unter anderem Blickwinkel nötigen<br />

Erwägung von Schuld, Scham und Verantwortung<br />

– Opfer derselben unheilvollen<br />

Entwicklung. Von Millionen gibt es<br />

nicht einmal mehr Überreste! Sie haben<br />

„ihr Grab in den Lüften, ihr Grab in den<br />

Wolken“ (Paul Celan, Todesfuge, mit Be -<br />

zug auf die ermordeten Juden). Über alle<br />

Unterschiede hinweg haben sie Anspruch<br />

darauf, nicht vergessen zu werden. ❑ In<br />

Deutsch land herrschen bei völliger Zerstörung<br />

fast aller größeren Städte wirt-<br />

schaftliches Chaos, Hunger, Elend und<br />

Verzweiflung. ❑ Am 20. November beginnt<br />

der Nürnberger Kriegsverbrecher-<br />

Prozess. ■<br />

Am 2. September ist der Zweite<br />

Weltkrieg zu Ende. Nach dem Ab-<br />

wurf zweier Atom bomben durch die<br />

Amerikaner auf Hiroshima (6. August<br />

1945) und Nagasaki (9. August<br />

1945) kapituliert Japan. In Hiroshima<br />

sterben fast 100 000 Menschen,<br />

10 000 sind schwer verwun -<br />

det, 14 000 vermisst. In Nagasaki<br />

kommen 36 000 Menschen um,<br />

40 000 werden verletzt. Wie viele<br />

Menschen an den Spätfolgen gestorben<br />

sind, ist unbekannt.<br />

69


70<br />

Gesichter des Krieges: Trümmer<br />

und Ruinen, Leid und Tod. Der<br />

„totale Krieg“ verschont niemanden.<br />

Für viele ist der Leidensweg mit dem<br />

Ende des Krieges nicht vorbei. Die<br />

Vertreibung, Hunger und Krank heiten<br />

fordern viele weitere Opfer. Diese<br />

Bilder sind Mahnung an uns alle, den<br />

Krieg nicht zu verharm losen und alles<br />

für die Erhaltung des Friedens zu tun.<br />

71


Nach 1945 –<br />

ein Neubeginn<br />

72<br />

Totengedenken nach Kriegsende:<br />

25. November 1945.<br />

Die Organisation des <strong>Volksbund</strong>es<br />

besteht nicht mehr, dennoch beginnen<br />

einzelne Mitarbeiter, wieder Kontakt<br />

miteinander aufzunehmen. Im Rahmen<br />

des Möglichen bergen sie Gefallene und<br />

sammeln Unterlagen über Gräber. Alle<br />

wirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen<br />

und eine offizielle Genehmigung<br />

für eine Verbandstätigkeit fehlen.<br />

Erst nach und nach beginnen die Aktivitäten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es wieder, wenigstens<br />

in den westlichen Besatzungszonen.<br />

Ein Neubeginn wird gefunden, der Wie -<br />

deraufbau der Organisation ist jedoch<br />

schwierig. <strong>Das</strong> Gräbergesetz von 1952<br />

weist den Weg zu einer würdigen Anlage<br />

und zur Pflege der Gräber der Opfer von<br />

Krieg und Gewalt. Es überträgt diese Auf -<br />

gaben im Inland den Gemeinden; im Ausland<br />

wird der <strong>Volksbund</strong> im Auftrag der<br />

Bundesregierung tätig. Auf seine Leistungen<br />

– im Folgenden näher be schrie ben –<br />

ist der <strong>Volksbund</strong> mit Recht stolz. Zahlreiche<br />

Anerkennungen aus dem In- und<br />

Ausland werden ihm zuteil. Mit der Arbeit<br />

auf den Gräberfeldern knüpft er an<br />

seine Tätigkeit in der Zeit der Weimarer<br />

Republik an und nutzt seine Erfahrungen<br />

auf diesem Gebiet. Aber auch die politischen<br />

Erfahrungen wirken sich aus. Drei<br />

andere Säulen des Neubeginns müssen<br />

deshalb hier hervorgehoben werden.<br />

Erstens: Nach 1949 bestimmt die Arbeit<br />

für den Frieden den Geist des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Revanchistische Töne, die schon<br />

in der Weimarer Republik und besonders<br />

im Dritten Reich das Erscheinungsbild<br />

des <strong>Volksbund</strong>es beeinträchtigt haben,<br />

gibt es nach 1945 kaum. <strong>Das</strong> Leitmotiv<br />

dieser Arbeit, in Jugendlagern in Belgien<br />

und Frankreich geboren, heißt nun: „Versöhnung<br />

über den Gräbern – Arbeit für<br />

den Frieden.“<br />

Zweitens: Der <strong>Volksbund</strong> stützt sich<br />

nach 1945 ganz wesentlich auf seine Jugendarbeit.<br />

Über 200 000 junge Menschen<br />

haben sich seit Neugründung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

dieser Arbeit gewidmet, viele<br />

Grabstätten vor allem im Ausland werden<br />

so in Ordnung gebracht und gehalten,<br />

und dabei wird viel zur Völkerverständigung<br />

beigetragen. <strong>Das</strong> war erstmals<br />

zwar schon 1932 in Sète in Frankreich<br />

geschehen. Aber was damals noch<br />

ein spontanes Ereignis war, ist heute integrierender<br />

Bestandteil der gesamten Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, verankert in den<br />

satzungs gemäßen Pflichten. Diese Jugendlichen<br />

sind – unbelastet von persönlicher<br />

Mitverantwortung für das Geschehen in<br />

der Vergangenheit – oft die besten Botschafter<br />

des <strong>Volksbund</strong>es im Ausland.<br />

Auch seine Internationalen Jugendlager,<br />

seit Jahren unter Beteiligung junger Men-<br />

schen aus den Ländern Osteuropas, beweisen<br />

das. <strong>Das</strong>s solche Jugendlager heu -<br />

te in nahezu allen Ländern des ehemali -<br />

gen Ostblocks stattfinden, deutet in dieselbe<br />

Richtung. Hier ist in Zukunft noch<br />

viel mehr zu tun.<br />

Drittens: Der <strong>Volksbund</strong> hat verbandsin<br />

tern eine Entwicklung genommen, die<br />

strikt an unserer freiheitlich-demokra tischen<br />

Grundordnung orientiert ist. Es ist<br />

gewiss kein Zufall, dass sich der <strong>Volksbund</strong><br />

1990 nicht nur für die Erhaltung des<br />

Friedens im Nahen Osten einsetzt, sondern<br />

auch gegen jede Gewalt im Inneren.<br />

1992 findet der Vertretertag deutliche Worte<br />

gegen den Bürgerkrieg im ehemaligen<br />

Jugoslawien und zum Terror gegen Ausländer.<br />

Der Weg nach 1945 ist nicht im -<br />

mer einfach und nicht frei von Irritatio -<br />

nen gewesen. Die Satzung (neueste Fassung:<br />

24. Oktober 2008) definiert die<br />

Grundlagen der humanitären Ausrichtung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es:<br />

„Im Gedenken an die Millionen Toten<br />

der Kriege und der Gewaltherrschaft,<br />

in dem Bestreben, das Leid der Hinterbliebenen<br />

zu lindern, und in der Erkenntnis,<br />

dass das Vermächtnis dieser<br />

Toten alle Völker zu Verständigung und<br />

Frieden mahnt, sorgt der <strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge für die<br />

Gräber dieser Toten.<br />

Er will mit seiner Arbeit zur Verständigung<br />

unter den Völkern und zur Förderung<br />

und Erhaltung des Friedens<br />

beitragen.<br />

Grundlage der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

ist die Achtung der unantastbaren<br />

Würde des Menschen. Die Würde des<br />

Menschen reicht über den Tod hinaus.<br />

Daraus erwächst die Verpflichtung,<br />

Kriegsgräberstätten zu schaffen und als<br />

ständige Mahnung zum Frieden dauerhaft<br />

zu erhalten.<br />

Kriegsgräberarbeit bedeutet zugleich,<br />

sich um die Aussöhnung und Verständigung<br />

der Völker zu bemühen und dabei<br />

insbesondere die Begegnung und die<br />

gemeinsame Arbeit junger Menschen<br />

aller Völker an den Kriegsgräberstätten<br />

zu fördern.<br />

Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es steht unter<br />

dem Leitwort:<br />

Versöhnung über den Gräbern – Arbeit<br />

für den Frieden.“<br />

Im Osten, in der späteren DDR, verhindern<br />

zunächst die Besatzungsmacht,<br />

dann die Machthaber des SED-Staates<br />

jegliche Neugründung oder Tätigkeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. Hier nehmen sich Privatpersonen<br />

in den Gemeinden und vor al lem<br />

die Evangelische Kirche der Grab pflege<br />

an, soweit das eben möglich ist. Wenn al -<br />

so im Folgenden von der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

nach 1945 die Rede ist, so bezie -<br />

hen sich diese Aussagen bis 1989 nur auf<br />

die „alte“ Bundesrepublik Deutsch land<br />

einschließlich Westberlins. Erst mit der<br />

Wende in der DDR und der Vereinigung<br />

Deutschlands wird nach einer Zwangspause<br />

von 45 Jahren die Neugründung<br />

von Landes- und Kreisverbänden in der<br />

ehemaligen DDR möglich, auf die viel Arbeit<br />

wartet. Dazu gehören auch die Anla -<br />

ge würdiger Grab- oder zumindest doch<br />

Gedenkstätten für die Opfer der Stalinund<br />

SED-Diktatur und einer zentralen Gedenkstätte<br />

für die Opfer von Krieg und<br />

Gewaltherrschaft, die Neue Wache in Berlin.<br />

Die Bundesgeschäftsstelle und die<br />

westlichen Landes- und Bezirksverbände<br />

des <strong>Volksbund</strong>es helfen den neuen Landesverbänden<br />

beim Aufbau der Strukturen<br />

für eine eigenständige Arbeit.<br />

Aber ganz eindeutig ist hier im Inland<br />

der Staat gefordert. <strong>Das</strong> gilt auch für die<br />

Forcierung der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es in<br />

den Staaten Osteuropas. Der Staat muss<br />

die vertraglichen Grundlagen schaffen<br />

und die notwendigen Arbeiten mit finanzieren<br />

– der <strong>Volksbund</strong> wird in seinem<br />

Auftrag tätig. Angesichts der großen Zahl<br />

der Kriegsgräber und der langen Zeit, die<br />

seit ihrer Anlage verflossen ist, kann hier<br />

nicht nach denselben Methoden wie in<br />

den west lichen Ländern nach 1945 gearbeitet<br />

werden. Aber es besteht gegenüber<br />

den dort ruhenden Opfern von Krieg und<br />

Gewalt dieselbe Verpflichtung wie ge genüber<br />

den Kriegsopfern im Westen. Eine<br />

geteilte Moral darf es so wenig geben wie<br />

geteiltes Gedenken. Deshalb hat die Bundesrepublik<br />

Deutschland als Ganzes für<br />

diese Gräber und deren würdige Behandlung<br />

einzustehen. Der <strong>Volksbund</strong> will<br />

und wird das Seine dazu tun. ■<br />

Der alliierte Bombenkrieg fordert mindestens<br />

500 000 Opfer. <strong>Das</strong> eigene Haus wird für viele<br />

Familien zum Grab. Bei einem der schwersten Angriffe<br />

auf Kassel sterben am <strong>22</strong>./23. Oktober 1943<br />

über 10 000 Menschen. Kreuze an den Ruinen<br />

erinnern an ihr Schicksal.<br />

73


1946<br />

Der Nürnberger Prozess:<br />

<strong>22</strong> Personen sind als<br />

Hauptkriegs verbrecher an ge klagt.<br />

Auf der Anklagebank (wäh rend<br />

der Aussage Hermann Görings):<br />

1. Reihe von links:<br />

Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop,<br />

Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner,<br />

Alfred Rosenberg, Hans<br />

Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher,<br />

Walther Funk, Hjalmar Schacht;<br />

2. Reihe von links:<br />

Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von<br />

Schirach, Fritz Sauckel, Alfred Jodl,<br />

Franz von Papen, Arthur Seyss-Inquart,<br />

Albert Speer, Konstantin Freiherr<br />

von Neurath, Hans Fritzsche.<br />

Zwölf Todesurteile werden verhängt.<br />

Göring entzieht sich der Hinrichtung<br />

durch Selbstmord mit Gift.<br />

74<br />

Eine große Zahl entwurzelter Menschen,<br />

heimatlos geworden, auch<br />

zwangsverschleppte Ausländer, sogenannte<br />

DPs (displaced persons) irren, oft<br />

obdachlos, durchs Land, wissen nicht<br />

wohin. ❑ Mit dem Inkrafttreten des Befreiungsgesetzes<br />

vom 5. März in der US-<br />

Zone beginnt die Entnazifizierung. ❑<br />

Amerikanische Hilfsorganisationen unterstützen<br />

durch Sendungen von Lebensmitteln<br />

und Kleidungsstücken (Care-<br />

Pa kete) die notleidende Bevölkerung<br />

Deutsch lands. ❑ Zwischen den Siegermächten<br />

aus Ost und West kommt es zu<br />

ernsten politischen Spannungen. ❑ Eine<br />

Rede des Außenministers der USA, James<br />

Byrnes, in Stuttgart am 6. September markiert<br />

eine Neuorientierung der amerikanischen<br />

Politik gegenüber Deutschland.<br />

❑ Am 1. Oktober werden die Urteile des<br />

Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher<br />

in Nürnberg verkündet. ❑ In den<br />

Westzonen finden erste Landtagswahlen<br />

statt. Dr. Konrad Adenauer wird Vorsitzender<br />

der CDU in der britischen Zone,<br />

Dr. Kurt Schumacher Vorsitzender der<br />

SPD. ❑ <strong>Das</strong> VW-Werk in Wolfsburg beginnt<br />

mit einer bescheidenen Serienfabrikation.<br />

❑ In der sowjetischen Besatzungs -<br />

zone (SBZ) erzwingt die Sowjetunion,<br />

teilweise unter Anwendung von Terror,<br />

willkürlichen Verhaftungen und Weiterverwendung<br />

der Konzentrationslager aus<br />

dem Hitlerreich (zum Beispiel <strong>Buch</strong>enwald,<br />

Sachsenhausen), die Vereinigung<br />

von KPD und SPD zur Sozialistischen<br />

Einheitspartei Deutschlands (SED). Viele<br />

Gegner werden umgebracht. Wenig spä-<br />

ter beginnt unter Anwendung derselben<br />

Mittel die Gleichschaltung der anderen<br />

Parteien. ❑ Am 2. Dezember wird die Ver -<br />

einbarung über den Zusammenschluss<br />

der britischen und der amerikanischen<br />

Zone zur Bizone unterzeichnet. ■<br />

In Oldenburg treffen sich die ersten<br />

vom Krieg verstreuten Mitarbeiter<br />

des <strong>Volksbund</strong>es und errichten eine erste,<br />

noch provisorische Geschäftsstelle. ❑ Am<br />

10. April erhält der <strong>Volksbund</strong> von der<br />

britischen Militärregierung eine generelle<br />

Arbeitsgenehmigung für die gesamte britische<br />

Zone: „Dieser Organisation wird<br />

die Erlaubnis gegeben, innerhalb der britischen<br />

Zone zu arbeiten als eine Dienststelle,<br />

die gleichgeordnet ist den örtlichen<br />

Ausschüssen, die unter der Kontrollkommission<br />

I. A. und C. Division Militärregierung<br />

Anweisung Nr. 51 errichtet worden<br />

sind. Eine Abschrift dieser Anweisung<br />

liegt zu Ihrer Kenntnisnahme bei. Diese<br />

Erlaubnis ist folgenden Bedingungen unterworfen:<br />

Die Arbeit dieser Ausschüsse<br />

wird beschränkt auf die Identifizierung<br />

der Gräber, auf die Errichtung einfacher<br />

Einzelkreuze oder Tafeln und auf die Unterhaltung<br />

der Gräber und Friedhöfe.<br />

Sam meldenkmäler und auffallende<br />

Ein zel denkmäler dürfen nicht errichtet<br />

werden ...“ ■<br />

Deutschland nach dem Krieg –<br />

Leben inmitten von Trümmer wüsten<br />

und Kriegsgräbern. Hunger, Wohnungsnot<br />

und die Suche nach den<br />

Angehörigen sind die größten<br />

Probleme. Der Staat ist zusammen -<br />

gebrochen, die Bevölkerung hat den<br />

Anord nungen der Besatzungsmächte<br />

bedingungslos zu folgen.<br />

75


1947<br />

Überall in Deutschland findet man<br />

provisorisch angelegte Kriegsgräber.<br />

<strong>Das</strong> Grab einer deutschen Mutter<br />

liegt bei Kilometer 43 neben der Autobahn<br />

Hamburg-Bremen. Zahllose<br />

Schicksale von gefallenen Soldaten<br />

und zivilen Kriegs opfern sind<br />

ungeklärt – eine große Auf gabe für<br />

den <strong>Volksbund</strong>, dessen Erfahrung<br />

dringend benötigt wird.<br />

76<br />

Auf Beschluss des Alliierten Kontrollrates<br />

wird der Staat Preußen<br />

aufgelöst. ❑ In München kommt es am<br />

6. und 7. Juni zur ersten und einzigen<br />

gesamtdeutschen Konferenz der Ministerpräsidenten<br />

der neu entstandenen<br />

deutschen Länder. Die Ministerpräsidenten<br />

der Länder der Sowjetischen Besatzungszone<br />

(SBZ) verlassen weisungsge -<br />

mäß vorzeitig die Konferenz. ❑ Am<br />

16. Juni wird der Wirtschaftsrat der Bizone<br />

mit dem Sitz in Frankfurt durch die<br />

Besatzungsmächte Großbritannien und<br />

USA eingerichtet. <strong>Das</strong> Wirtschaftsgebiet<br />

der Bizone wird am Marshallplan (Geor -<br />

ge Marshall, US-Außenminister) beteiligt.<br />

❑ Die Außen ministerkonferenzen der Siegermächte<br />

in Moskau und London bringen<br />

keine Einigung über das sogenannte<br />

Deutsch landproblem. ❑ Schwarz marktpreise<br />

sind für viele unerschwinglich: Ein<br />

Ei kostet zwölf Reichsmark, ein Kilo Kaffee<br />

1 200 Reichsmark, 20 amerikanische<br />

Zi garetten 150 Reichsmark, eine Schachtel<br />

Streichhölzer fünf Reichs mark. ■<br />

Am 11. Januar stellt das Bayerische<br />

Staatsministerium des Innern einen<br />

Antrag auf Wiederzulassung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

an die Militärregierung in Bayern.<br />

Die Genehmigung wird am 4. September<br />

erteilt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> nimmt Kontakt<br />

mit dem amtlichen italienischen Gräberdienst<br />

auf. ■<br />

<strong>Das</strong> Ruhrstatut wird verkündet: Ei ne<br />

internationale Kontrollbehörde von<br />

sieben Nationen setzt Verteilungsquoten<br />

für Kohle und Eisen fest. <strong>Das</strong> Statut führt<br />

1952 zur Montanunion. ❑ Im Rahmen des<br />

Marshallplanes investieren die USA von<br />

1948 bis 1951 insgesamt 13 Milliarden<br />

Dollar für den wirtschaftlichen Wiederaufbau<br />

Europas einschließlich Westdeutschlands.<br />

❑ Der 20. Juni bringt die<br />

lange vorbereitete Währungsreform in<br />

den drei westlichen Besatzungs zonen. Je -<br />

der Bürger erhält 40 D-Mark, im August<br />

nochmals 20 D-Mark. Die Sowjetunion<br />

unterbindet noch am gleichen Tage jeglichen<br />

Personen- und Güterverkehr, wenige<br />

Tage darauf auch den Verkehr zwi -<br />

schen den West zonen und Berlin. Die Berlin-Blockade<br />

fängt an. Die West alliierten<br />

beginnen sofort damit, die Bevölkerung<br />

Westberlins aus der Luft zu ver sor gen.<br />

Die Sowjetunion spaltet Berlin. ❑ Im Westen<br />

Berlins wird die Freie Universität gegründet.<br />

❑ Im Gebäude des Bonner Mu -<br />

seums Koenig beginnt der Par lamentari-<br />

sche Rat am 1. September seine Arbeit am<br />

Grundgesetz. ❑ Mahat ma Gandhi wird ermordet.<br />

Indien verdankt die Unabhängigkeit<br />

seiner Politik des gewaltlosen Wider -<br />

standes. ❑ Der Staat Israel wird ge grün -<br />

det und muss sich sogleich gegen seine<br />

arabischen Nachbarn zur Wehr setzen. ■<br />

Im Mai verlegt der <strong>Volksbund</strong> seine<br />

unter schwierigen Bedingungen arbeitende<br />

Bundesgeschäftsstelle von Oldenburg<br />

i. O. nach Nienburg a. d. Weser.<br />

❑ In Bremen nimmt er die Tradition des<br />

Volkstrauertages in der bis 1932 üblichen<br />

Form wieder auf. ❑ Eine aus ehemaligen<br />

deutschen Kriegsgefangenen gebildete<br />

Ständige Delegation des <strong>Volksbund</strong>es<br />

beginnt in Rom mit der Arbeit. Sie wird<br />

dem Commissariato Generale im italie -<br />

nischen Vertei digungs ministerium unterstellt.<br />

■<br />

1948<br />

Der Wiederaufbau der deutschen<br />

Wirtschaft wird in den ersten Jahren<br />

durch die Demon tage schwer<br />

be ein trächtigt. Während die West -<br />

mächte bereits auf den Wieder aufbau<br />

Deutschlands setzen, wird in der<br />

Sowjetische Besatzungszone (SBZ)<br />

weiter demontiert.<br />

77


78<br />

Währungsreform 1948 in den drei West zonen:<br />

Über Nacht sind die Schaufenster wieder gefüllt.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> Mark löst die wertlose Reichsmark und<br />

die Zigaretten währung des Schwarzmarktes ab.<br />

Am 24. Juni blockieren die Sowjets Berlin.<br />

Nur der Luftweg bleibt offen. Die westalliierten<br />

Rosinenbomber bringen täglich bis zu 12 900 Tonnen<br />

Versor gungs güter in die Stadt, bis 1949 ins gesamt<br />

1 736 781 Tonnen in 212 621 Transportflügen.<br />

88 Mitglieder von Flugzeug be sat zungen kommen<br />

dabei ums Leben.


1949<br />

80<br />

Die umfangreichen Demontagen im<br />

Ruhrgebiet führen zu örtlichen Unruhen.<br />

❑ Die UdSSR gibt die Berliner<br />

Blockade auf. Die 2,3 Millionen Westberliner<br />

sind durch die erste große „Luftbrücke“<br />

der Geschichte über elf Monate<br />

lang versorgt worden. ❑ Der Parlamentarische<br />

Rat beschließt am vierten Jahrestag<br />

der Kapitulation mit 53 gegen 12 Stimmen<br />

das Grundgesetz für die Bundes republik<br />

Deutschland. Es tritt am 23. Mai in<br />

Kraft, nachdem es von den Landtagen angenommen<br />

worden ist. ❑ Vier Tage später<br />

verkünden die drei westlichen Besat -<br />

zungsmächte ein neues Besatzungs statut.<br />

❑ Bonn wird Sitz der Bundesre gierung.<br />

Bei der ersten Bundestagswahl am 14. Au -<br />

gust fallen von den 402 Sitzen auf CDU/<br />

CSU 139, SPD 131, FDP 52, DP (<strong>Deutsche</strong><br />

Partei) 17, Bayern-Partei 17, KPD 15, WAV<br />

(Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung) 12,<br />

Zentrum 10, Nationale Rechte 5, Südschleswigscher<br />

Wählerverband 1, Sonstige<br />

3 Sitze. ❑ In Westdeutschland gibt<br />

es 1,3 Millionen Arbeits lose (8,8 Prozent).<br />

❑ Die Sowjetunion veranlasst die SED<br />

und die gleichgeschalteten Blockparteien<br />

zur Schaffung der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />

Republik. ❑ In München gründet<br />

sich der <strong>Deutsche</strong> Gewerkschaftsbund;<br />

Hans Böckler wird zum Vorsitzenden gewählt.<br />

■<br />

<strong>Das</strong> Genfer Abkommen über den<br />

Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte<br />

wird am 11. August von zunächst<br />

59 Staaten unterzeichnet; unter ihnen ist<br />

auch die Bundesrepublik Deutschland.<br />

Ein Zusatzabkommen sichert das dauernde<br />

Ruherecht der Kriegstoten. ❑ Der<br />

Vertretertag des <strong>Volksbund</strong>es, der sich<br />

noch Bundesrat nennt, wählt in Rothen -<br />

burg o. d. T. Landeshauptmann i. R. Eberhard<br />

Hagemann zum Präsidenten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. Der bisherige Präsident,<br />

Staatsrat a. D. Wil helm Ahlhorn, wird Ehrenpräsident.<br />

❑ Der Präsident führt zusammen<br />

mit dem neu ernannten Gene ralsekretär<br />

Otto Margraf in Genf erste Besprechnungen<br />

mit dem Internationalen<br />

Komitee vom Roten Kreuz, der YMCA<br />

(Young Men’s Christian Association),<br />

dem Ökumenischen Rat, dem Lutheri -<br />

schen Weltbund, Dienststellen der Vereinten<br />

Nationen so wie der Caritas Interna -<br />

tionalis. ❑ Ab August erscheint die Zeitschrift<br />

„Kriegs grä berfürsorge“ wieder. Sie<br />

berichtet: Die bel gi sche Regierung hat die<br />

Zusammenbettung aller deutschen Gefallenen<br />

des Zweiten Weltkrieges nach Lommel<br />

und Recogne-Foy beschlossen. ❑ <strong>Das</strong><br />

Niederländische Rote Kreuz hat die Gräber<br />

von 34 000 deutschen Gefallenen erfasst.<br />

❑ Vielerorts sorgen die deutschen<br />

Kriegs ge fan genen und Zivilarbeiter für<br />

die Grä ber. ❑ Berichte liegen aus Dänemark,<br />

Frankreich, Griechenland, Italien,<br />

Jugo slawien, Polen, Rumänien, Ungarn<br />

und der Tsche cho slo wakei vor. ❑ Im November<br />

wird der <strong>Volksbund</strong> in Westberlin<br />

zugelassen. ■<br />

Der Soldatenfriedhof in Edewecht/<br />

Oldenburg (424 Kriegstote) gehört<br />

zu den ersten vom <strong>Volksbund</strong> aus -<br />

gebauten Anlagen. Die eichenen<br />

Holzkreuze wurden gestiftet.<br />

81


1950<br />

Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />

Weeze am Niederrhein. Aus diesem<br />

Basaltlava-Block im Gewicht von<br />

275 Tonnen ist die Hochkreuzgruppe<br />

herausgehauen worden. <strong>Das</strong> mittlere<br />

Kreuz der Gruppe ist über fünf Meter<br />

hoch und wiegt 19 Tonnen, die beiden<br />

flankierenden Kreuze je 17 Tonnen.<br />

82<br />

Die Bundesregierung entscheidet<br />

sich für die soziale Marktwirtschaft<br />

und hebt schrittweise die Zwangswirtschaft<br />

auf. ❑ Die Lebensmittelrationierung<br />

wird beendet. ❑ Noch immer wer -<br />

den etwa 1,5 Millionen <strong>Deutsche</strong> ver misst.<br />

❑ Am 5. Mai erklärt die Sowjetunion die<br />

Rückführung deutscher Kriegs gefangener<br />

für abgeschlossen, obwohl seit der Kapitulation<br />

erst 1,9 von über 3,1 Millionen<br />

Soldaten zurückgekehrt sind. Da nach<br />

sind 1,1 bis 1,2 Millionen deutsche Kriegsgefangene<br />

bereits verstorben oder werden<br />

noch festgehalten. ❑ Im Juni tritt die<br />

Bundesrepublik dem Europarat bei. ❑<br />

Die Regierung der DDR lehnt gesamtdeutsche<br />

Wahlen ab. ❑ 600 000 Berliner<br />

demonstrieren am 1. Mai für die Freiheit<br />

ihrer Stadt. ❑ Der Koreakrieg beginnt. ■<br />

Die französischen Behörden genehmigen<br />

den Aufbau des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in ihrer Besatzungszone. ❑ Auf Wunsch<br />

des <strong>Volksbund</strong>es findet am 5. März erstmals<br />

nach 1945 im Bonner Bundeshaus<br />

eine Feierstunde zum Volkstrauertag<br />

statt. ❑ Im Anschluss an den Vertretertag<br />

in Gel senkirchen weiht der <strong>Volksbund</strong><br />

am 10. September die Friedhöfe Weeze<br />

und Dons brüggen ein. In Weeze spricht<br />

Bun des präsident Theodor Heuss. ❑ Die<br />

Landesverbände haben zu diesem Zeitpunkt<br />

bereits Hunderte von Kriegs gräberstätten<br />

angelegt. ❑ Die Bundesbahn<br />

gewährt zu Allerheiligen/Allerseelen<br />

und zum Totensonntag im Bundesgebiet<br />

50 Prozent Fahr preisermäßigung für Besucher<br />

von Kriegs gräbern. ❑ Die ersten<br />

Kriegs grä berfahrten des <strong>Volksbund</strong>es ins<br />

Ausland führen im November nach Sandweiler/Luxemburg<br />

und Lommel/Belgien.<br />

❑ Die Bundesgeschäftsstelle erhält<br />

81 300 Anfragen und versendet insgesamt<br />

115 000 Schreiben. ❑ In Bonn wird ein Ver -<br />

bindungsbüro des <strong>Volksbund</strong>es zur Bundesregierung<br />

eingerichtet. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

stellt den Antrag, auf dem Soldatenfriedhof<br />

Cassino arbeiten zu dürfen. ■<br />

Wilhelm Haffke (zweiter von rechts)<br />

organisiert die Kriegsgräberreisen<br />

des <strong>Volksbund</strong>es (hier im Gespäch<br />

mit dem Beauftragten des Volks -<br />

bundes für Belgien, Fischell, und<br />

Vertretern der Stadt Luxemburg).<br />

Bundespräsident Theodor Heuss<br />

(links, rechts Präsident Hagemann)<br />

hält die An sprache zur Einweihung<br />

des Friedhofes in Weeze.<br />

„<strong>Das</strong> Sterben am Niederrhein<br />

im Jahre 1944/45 war ein<br />

Opfergewordensein, ein Geopfert<br />

wordensein. Denn der Krieg<br />

war damals schon verloren, und<br />

viele, die hier liegen, wussten,<br />

dass er verloren sei. Und das ist<br />

das tragisch drückende Gefühl:<br />

Sie starben an ihre Pflicht gebunden,<br />

und davon darf nur in<br />

Dank barkeit und Ehrfurcht vor<br />

dem Einzelschicksal gesprochen<br />

werden. Ein anderer Ton ist<br />

nicht erlaubt. <strong>Das</strong> kämpfende<br />

Soldatentum einer alten, großen<br />

Geschichte ist unter gegangen.<br />

<strong>Das</strong> Schicksal unserer Nation<br />

liegt auch in den Massengräbern<br />

der Bombennächte.<br />

Es liegt auch in den Gruben<br />

am Rande der KZ-Lager.“<br />

Theodor Heuss<br />

83


1951<br />

Pastor de Beaulieu, einer der ersten<br />

ausländischen Helfer des Volks bundes,<br />

mit deutschen Angehö rigen bei<br />

einer Andacht auf dem noch nicht<br />

ausgebauten Friedhof Andilly.<br />

Volkstrauertag in Bonn:<br />

Präsident Hagemann, Bundeskanzler<br />

Adenauer, Bundespräsident Heuss.<br />

84<br />

Die Einsatzgruppe Afrika des<br />

<strong>Volksbund</strong>es wird von General -<br />

sekretär Margraf verabschiedet.<br />

Ihre Aufgabe: Umbettung von<br />

Gefallenen in Nordafrika.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat die Soldaten -<br />

friedhöfe Vossenack und Hürtgen<br />

(rechte Seite) in der Eifel ausgebaut.<br />

Am 18. April reist Bundeskanzler<br />

Adenauer zur Unterzeichnung des<br />

Vertrages über die Montan union nach<br />

Paris. ❑ Am 9. Juli erklären die west lichen<br />

Besatzungsmächte den Kriegszustand<br />

mit Deutschland für beendet. ■<br />

Im März erscheint erstmals ein Programm<br />

für Kriegsgräberreisen, das<br />

16 Fahrten umfasst. ❑ Die Bundesgeschäftsstelle<br />

verlegt im Mai ihren Sitz von<br />

Nienburg nach Kassel. ❑ Beim Vertretertag<br />

in Kassel wird bekanntgegeben, dass<br />

dem <strong>Volksbund</strong> rund 480 000 Einzelmitglieder<br />

in zehn Landesverbänden und<br />

7 650 Ortsgruppen angehören. Über<br />

18 000 Städte und Gemeinden und mehr<br />

als 17 000 Schulen sind korporative Mitglieder.<br />

❑ Zu 26 ausländischen Staaten<br />

bestehen Arbeitsbeziehungen; in Frankreich,<br />

Bel gien, den Niederlanden und<br />

Luxemburg hat der <strong>Volksbund</strong> jeweils<br />

Beauf tragte. ■<br />

Der Deutschlandvertrag, durch den<br />

die Bun desrepublik, von einigen Vorbehalten<br />

abgesehen, ihre Souveränität erhält,<br />

wird unterzeichnet. Er tritt am 5. Mai<br />

1955 in Kraft. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />

das „Gesetz über die Sorge für<br />

die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz).“ ❑<br />

Die Massenflucht aus der DDR nach Westberlin<br />

erreicht im August mit 16 000 Personen<br />

einen Höhepunkt. ❑ Ein Lastenausgleichsgesetz<br />

zur gerechteren Verteilung<br />

der Kriegs- und Kriegsfolgeschäden tritt<br />

in Kraft – unbestritten eine der wichtigsten<br />

sozialen Leistungen im wieder entstehenden<br />

Deutschland. ❑ Bundes präsident<br />

Heuss erklärt das Deutschlandlied<br />

zur Nationalhymne. Bei öffentlichen Veranstaltungen<br />

soll nur die dritte Strophe<br />

gesungen werden. ❑ Die USA zünden die<br />

erste Wasserstoffbombe. ❑ Der Arzt und<br />

Theologe Albert Schweit zer erhält den<br />

Friedens nobelpreis. ■<br />

<strong>Das</strong> Kriegsgräbergesetz, das die<br />

Kriegsgräberfürsorge im Inland den<br />

Bundesländern überträgt, ermöglicht dem<br />

<strong>Volksbund</strong>, seine Kräfte und Mittel der<br />

Auf ga be im Ausland zuzuwenden. Er betrachtet<br />

sich jedoch weiter als mitverantwortlich<br />

für die Kriegsgräber im Inland,<br />

zumal er bis zu diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet<br />

über 400 Kriegsgräberstätten<br />

fertiggestellt hat. ❑ Wegen der Wahlen im<br />

neu gebildeten Land Baden-Würt tem berg<br />

am 9. März wird der Volks trau ertag kurzfristig<br />

auf den Herbst verlegt. Dies führt<br />

in Absprache mit der Bundesregierung,<br />

den Bundesländern und den Kirchen zur<br />

Fest legung des Volkstrauertages auf den<br />

vorletzten Sonn tag vor dem ersten Ad -<br />

vent. ❑ Gustav Ahlhorn wird Präsident<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Am 23. Juni unterzeichnet<br />

die Bundesregierung das vom<br />

<strong>Volksbund</strong> vorberei tete Kriegsgrä berabkommen<br />

mit Luxemburg. ❑ Jugendliche<br />

aus einer Frei burger Gewerbeschule arbeiten<br />

erstmals auf dem Soldatenfriedhof<br />

Cassino. Sie reparieren Grabkreuze und<br />

leisten gärtnerische Arbeiten. ■<br />

1952<br />

Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber<br />

(Kriegsgräbergesetz) vom 27. Mai 1952 (Auszug aus §1)<br />

(1) Kriegsgräber im Sinne dieses Gesetzes sind, soweit sie in dem<br />

Anwendungsgebiet dieses Gesetzes liegen,<br />

1. die Gräber der Personen, die im Zweiten Weltkrieg<br />

a) bei ihrem Tode militärischen oder militärähnlichen Dienst ...<br />

versehen haben, ...<br />

b) nachweislich an den Folgen der Gesundheitsschädigungen,<br />

die sie sich im militärischen oder mitlitärähnlichen Dienst<br />

zugezogen haben, gestorben sind ...,<br />

c) in der Kriegsgefangenschaft gestorben sind oder<br />

noch sterben ...<br />

2. die Gräber der Kriegsteilnehmer fremder Staaten, die im zweiten<br />

Weltkrieg gefallen oder als Kriegsgefangene gestorben sind,<br />

3. die Gräber der deutschen und ausländischen Zivilpersonen, die<br />

durch unmittelbare Kriegseinwirkungen im zweiten Weltkrieg<br />

ihr Leben verloren haben.<br />

(2) Kriegsgräber sind ferner die Gräber, die nach § 5 des Gesetzes<br />

über die Erhaltung der Kriegsgräber aus dem Weltkrieg vom<br />

29. Dezember 19<strong>22</strong> ... als Kriegsgräber anerkannt sind. ...<br />

85


Bundespräsident Heuss (rechts)<br />

übernimmt die Schirmherrschaft über<br />

den <strong>Volksbund</strong> (von links: Präsident<br />

Ahlhorn, der erste stell vertretende<br />

Präsident Dr. Hatteisen, Dr. Koch,<br />

Vorsitzender des Landesverbandes<br />

Nordrhein-Westfalen).<br />

86<br />

Linke und rechte Seite: Die deutsche<br />

Kriegsgräberstätte Sandweiler im<br />

Ausbau. Hier ruhen 10 895 Kriegstote<br />

des Zweiten Weltkrieges.<br />

87


1953<br />

Der spontane Aufstand gegen das<br />

SED-Regime beginnt in Berlin und<br />

weitet sich schnell auf weite Teile der<br />

DDR aus. Aber gegen die sowje tischen<br />

Panzer und die Volks polizei<br />

haben die unorga nisierten Bürger<br />

keine Chance. Am 19. Juni ist<br />

der Aufstand niedergeschlagen.<br />

Der Friedhofsbau im Ausland hat<br />

begonnen: In Tobruk (Libyen) ruhen<br />

deutsche Gefallene der Kämpfe in<br />

Nordafrika 1941 – 1943.<br />

88<br />

17. Juni: Aufstand der Arbeiter in der<br />

DDR gegen das SED-Regime. Er<br />

wird durch sowjetische Truppen niedergeschlagen.<br />

❑ <strong>Das</strong> <strong>Deutsche</strong> Rote Kreuz<br />

erklärt, von den etwa zwei Millionen im<br />

Osten vermissten deutschen Soldaten<br />

lebe die Mehrzahl nicht mehr. ■<br />

Beim Vertretertag im Mai in Berlin<br />

wird berichtet: 1 828 Listen mit<br />

Grablagen sind ausgewertet (1950 waren<br />

es 1 027), die positiven Bescheide auf Anfragen<br />

erreichen 50 Prozent. ❑ An 51<br />

Kriegsgräberfahrten im Jahre 1952 haben<br />

4 500 Angehörige teilgenommen. ❑ Seit<br />

der Wäh rungs reform hat der <strong>Volksbund</strong><br />

9 140 000 DM für die Gräberfürsorge aufgewandt.<br />

❑ Im September besucht Olav<br />

Brunvand, Staatssekretär des norwegischen<br />

Verteidigungsministeriums, die<br />

Bundesgeschäftsstelle. Der Besuch führt<br />

zu einer Vereinbarung mit Norwegen<br />

über die deutschen Kriegsgräber. ❑ Der<br />

ägyptische Staatspräsident General<br />

Naguib stellt im September der Arbeitsgruppe<br />

Afrika einen Fieseler Storch (ein<br />

leichtes Aufklärungsflugzeug) für die<br />

Gräbersuche in der Wüste zur Verfügung.<br />

❑ Die Einsatzgruppe Nordafrika, die im<br />

Dezember nach Kassel zurückkehrt, hat<br />

über 6 000 Tote aus Wüsten gräbern geborgen.<br />

❑ 4 400 Angehörige nehmen an<br />

77 Kriegsgräberreisen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

teil. ❑ Dem Posteingang in diesem Jahr<br />

von 114 356 steht ein Ausgang von<br />

162 737 Schreiben gegenüber. ❑ In Italien<br />

sind Grablagen von 102 420 deutschen<br />

Toten an über 3 000 Orten erfasst. ❑ Der<br />

<strong>Volksbund</strong> beginnt mit dem Aufbau seines<br />

Umbettungsdienstes. ■<br />

Jugendliche des CVJM (Christlicher<br />

Verein Junger Männer) und des<br />

Kolpingwerkes arbeiten zusammen<br />

mit flämischen Jugendlichen auf dem<br />

deutschen Soldatenfriedhof Lommel/<br />

Belgien. Pater Rieth organisiert<br />

dieses erste Jugendlager nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Hier entsteht das<br />

Motto „Versöhnung über den<br />

Gräbern,“ das später durch „Arbeit<br />

für den Frieden“ ergänzt wird.<br />

1950 kommt Pater Rieth zum ersten<br />

Mal auf den Soldatenfriedhof:<br />

„Höhnend tanzen die elenden <strong>Buch</strong>staben<br />

auf dem amtlichen Weg weiser<br />

am Eingang: <strong>Deutsche</strong>r Soldaten -<br />

friedhof. Betreten streng verboten!<br />

Seuchengefahr! – Seuche? Da keiner<br />

Antwort gab, blieb nur die Tat. Ein<br />

amerikanischer Mit bruder segnete<br />

unter polizeilicher Aufsicht den<br />

Acker. In den nächsten Semester -<br />

ferien kamen junge <strong>Deutsche</strong> und<br />

Belgier. Auf den Totenacker durften<br />

sie nicht. Polizei stand davor. Ein<br />

Jahr verging. Lommel blieb unzugänglich.<br />

Dann gelang es. Die persönliche<br />

Initiative wurde auf gegriffen,<br />

organisiert, einem grö ßeren<br />

Rahmen eingefügt.“<br />

89


1954<br />

90<br />

Der <strong>Volksbund</strong> baut eine zentrale<br />

Gräberkartei auf, um schnell<br />

Auskunft über die Grablagen der<br />

Gefallenen geben zu können.<br />

Bundeskanzler Adenauer verhandelt<br />

im September in Moskau und<br />

erreicht durch Aufnahme diploma tischer<br />

Be ziehungen die Entlassung<br />

der letzten deutschen Kriegsgefan genen.<br />

Etwa 9 600 Spätheimkehrer<br />

kommen endlich nach Hause. Sie<br />

galten als tot oder verschollen.<br />

Im Lager Friedland: Ein Kind sieht<br />

zum ersten Mal seinen Vater, der aus<br />

der Sowjetunion zurückkommt.<br />

Die Außenministerkonferenz der<br />

vier Großmächte in Berlin bringt<br />

keine Lösung in der Deutschlandfrage.<br />

❑ In den Pariser Verträgen vereinbaren<br />

die USA und Großbritannien die Wiederbewaffnung<br />

Westdeutschlands. ■<br />

Am 28. Mai werden Kriegs grä berabkommen<br />

mit Belgien und am 23. Oktober<br />

mit Frankreich unterzeichnet. ❑<br />

Am 11. Mai kommt der Leiter des amerikanischen<br />

Gräberdienstes für Westeuropa<br />

zu Informa tions gesprä chen in die Bundes<br />

geschäfts stelle. ■<br />

Bundeskanzler Adenauer (links der<br />

sowjetische Minister präsident Nikolaj<br />

Bulganin) erreicht 1955 in Moskau<br />

die Freilassung der letzten deutschen<br />

Kriegsgefangenen.<br />

Die Sowjetunion erklärt am 25. Jan u -<br />

ar die Wiedervereinigung zur Angelegenheit<br />

der <strong>Deutsche</strong>n. Sie beendet an<br />

diesem Tag formell den Kriegszustand<br />

mit Deutschland. ❑ Die saarländi sche<br />

Bevölkerung erklärt sich in einer Volksabstimmung<br />

am 23. Oktober gegen ein<br />

eu ropäisches Statut für das Saarland.<br />

1957 wird es als neues Bundesland Teil<br />

der Bundesrepublik. ❑ Die Arbeitslo sigkeit<br />

sinkt auf 495 000. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> weiht seine ersten<br />

beiden Kriegsgräberstätten im Ausland<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg ein:<br />

Am 5. Juni Sandweiler/Luxemburg<br />

(10 895 Tote) und am 20. November To -<br />

bruk/Libyen (6 026 Tote). ❑ Für Tobruk<br />

ist die Form der Gruftanlage gewählt<br />

worden. ❑ Mit Italien wird ein Kriegsgräberabkommen<br />

unterzeichnet. ❑ Der Vertretertag<br />

findet in Konstanz statt. ■<br />

1955<br />

Die Angehörigen kommen mit<br />

Sonderzügen zur Ein weihung des<br />

Friedhofes Sandweiler/Luxemburg<br />

am 5. Juni.<br />

91


1956<br />

Nur mit einem massiven Einsatz<br />

von Panzern und Flug zeugen gelingt<br />

es den Sowjets, den Volksaufstand in<br />

Ungarn niederzuschlagen.<br />

Der Westen protestiert, kann sich<br />

aber wie 1953 in der DDR nicht<br />

zum Ein greifen durchringen.<br />

Die <strong>Deutsche</strong> Bundespost bringt im<br />

November eine Sondermarke zum<br />

Gedenken an die Gefallenen heraus.<br />

92<br />

In der Bundesrepublik wird die<br />

allgemeine Wehrpflicht eingeführt.<br />

❑ Zum Jahresende veröffentlicht das<br />

Bundesministerium des Innern nachstehende<br />

Zahlen: 1 245 000 Angehörige der<br />

Wehrmacht werden vermisst, 100 000<br />

Kriegsgefangene sind verschollen, das<br />

Schicksal von 3,2 Millionen Zivilpersonen<br />

der deutschen Ostgebiete und von<br />

800 000 Zivilverschleppten ist noch ungeklärt,<br />

16 000 Kinder suchen nach ihren<br />

Eltern, 17 000 Kinder werden von ihren<br />

Eltern gesucht. ❑ Im Oktober schlagen<br />

sowjetische Truppen den Volksaufstand<br />

in Ungarn nieder. ❑ Die Intervention<br />

Eng lands und Frankreichs am Suezkanal<br />

erregt die Weltöffentlichkeit. ❑ <strong>Das</strong> Weltpotenzial<br />

an Atombomben wird auf<br />

50 000 geschätzt, davon besitzen die USA<br />

35 000 und die Sowjetunion 15 000. ❑ <strong>Das</strong><br />

Internationale Rote Kreuz arbeitet einen<br />

„Entwurf von Regeln betreffend den<br />

Schutz der Zivilbevölkerung gegen die<br />

Gefahren des unterschiedslos geführten<br />

Krieges“ aus. ■<br />

Trotz der Suezkrise gehen die Bauarbeiten<br />

an der Kriegsgräberstätte El<br />

Alamein weiter. <strong>Das</strong> Kriegsgräber abkommen<br />

mit Ägypten wird im Februar abgeschlossen.<br />

❑ Alle Bemühungen, mit den<br />

Staaten des Ostblocks über die deutschen<br />

Kriegsgräber ins Gespräch zu kommen,<br />

schlagen fehl. ❑ Der <strong>Volksbund</strong> hat fast<br />

600 000 Mitglieder in 10 205 Ortsgruppen,<br />

300 Kreisverbände und 32 Bezirksverbän -<br />

de. ❑ Die Zahl der positiven Auskünfte<br />

der Zentralgräberkartei kann auf 66 Prozent<br />

gesteigert werden. Im Arbeitsjahr<br />

1955 werden 59 Kriegsgräberreisen mit<br />

4 917 Angehörigen gezählt und 13 124 Be -<br />

scheinigungen zum Erhalt der Fahr preisermäßigung<br />

ausgestellt. ❑ In Frankreich<br />

und Italien beginnen 150 Mitarbei ter des<br />

Umbettungsdienstes mit der Zusammenbettung<br />

der deutschen Kriegs toten auf<br />

Sammelfriedhöfen. ■<br />

Der neue deutsche Botschafter<br />

in Moskau, Dr. Haas (links), informiert<br />

sich in der Bundesgeschäftsstelle<br />

des <strong>Volksbund</strong>es über die<br />

Situation der Kriegsgräber in der<br />

Sowjetunion; rechts Generalsekretär<br />

Otto Margraf.<br />

Immer noch gibt es in Frankreich<br />

zahllose Feld gräber. Der Um bet -<br />

tungs dienst des <strong>Volksbund</strong>es sucht –<br />

unterstützt von der Be völ kerung –<br />

nach den Gefal lenen und bringt sie<br />

auf zentrale Friedhöfe. Nur so ist<br />

eine kostengünstige Pflege der<br />

Kriegsgräber möglich.<br />

Lommel: Langsam wird aus der<br />

ehe maligen Sandwüste eine wür dige<br />

Kriegsgräberstätte. Jugendliche<br />

ha ben einen Wall um den Friedhof<br />

angelegt sowie Tausende Heide kraut -<br />

pflanzen in den Wäldern ge stochen<br />

und eingepflanzt. Unser Bild zeigt<br />

Gärtner beim Setzen von Bäumen.<br />

93


Kriegsgräber -<br />

stätten in der<br />

Bundesrepublik<br />

94<br />

Oben: Skulptur „Die Frierende“ auf der Kriegsgräberstätte<br />

Golm.<br />

Links, von oben nach unten:<br />

Fahrdorf/Schleswig-Holstein<br />

Arnsburg/Hessen<br />

Waldfriedhof München<br />

Unten: In Stukenbrock/Nordrhein-Westfalen ruhen<br />

66 186 sowjetische Kriegsgefangene.<br />

Rechts: Auf dem Friedhof „Am<br />

Nagelberg“ in Treuchtlingen/Mittel -<br />

franken ruhen 2 553 Kriegstote des<br />

Zweiten Weltkrieges, darunter über<br />

400 Opfer eines Bombenangriffes<br />

auf die Stadt am 23. Februar 1945.<br />

Unten: 2 311 Gefallene des Zweiten<br />

Weltkrieges ruhen auf dem Soldatenfriedhof<br />

Vossenack in der Eifel –<br />

Opfer der schweren Kämpfe<br />

Anfang 1945 im Raum Hürtgen.<br />

Ostdeutschland: Der Waldfriedhof im<br />

märkischen Halbe ist eine der größten<br />

Kriegsgräberstätten Deutschlands<br />

95


1957<br />

Albert Schweitzer (1875 – 1965)<br />

empfängt Teilnehmer einer Pressefahrt<br />

des Landesverbandes Bayern in<br />

seinem Haus in Gunsbach/Elsass.<br />

Von ihm stammt das Zitat:<br />

„Die Soldatengräber sind die<br />

großen Prediger des Friedens,<br />

und ihre Bedeutung als solche<br />

wird immer zunehmen.“<br />

96<br />

Die ersten zehntausend Wehrpflichtigen<br />

rücken am 1. April ein. ❑ Am<br />

12. April richten zwölf bekannte deutsche<br />

Wissenschaftler einen Appell gegen die<br />

Atomrüstung an die Öffentlichkeit. ❑ Der<br />

Bundestag stimmt am 5. Juli den Verträgen<br />

über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

(EWG) und die Europäische<br />

Atomgemeinschaft (Euratom) zu. ❑ Am<br />

19. Oktober bricht die Bundesrepublik die<br />

diplo matischen Beziehungen zu Jugoslawien<br />

ab, nachdem dieses Land die DDR<br />

anerkannt hat. <strong>Das</strong> macht die begonnenen<br />

Verhandlungen mit Jugoslawien über die<br />

Kriegsgräberfrage zunichte. ❑ Die Sowjet -<br />

union startet den ersten Erdsatelliten<br />

Sputnik. ■<br />

Auch im Saarland – nun Teil der<br />

Bundesrepublik – gründet der <strong>Volksbund</strong><br />

einen Landesverband. ❑ Aus Anlass<br />

des zehnjährigen Bestehens des Lan -<br />

desverbandes Mittelrhein (heute Rheinland-Pfalz)<br />

findet am 26. und 27. Juni der<br />

Vertretertag in Speyer statt. ❑ Die von<br />

den Innenministerien der Länder genehmigte<br />

Haus- und Straßensammlung erbringt<br />

4 256 000 Mark. ❑ <strong>Das</strong> Präsidium<br />

beschließt wegen der starken Ausweitung<br />

der Bautätigkeit im Ausland die Hinzuziehung<br />

freier Architekten und Gartenarchitekten<br />

für die Gestaltung deutscher<br />

Kriegsgräberstätten. 13 Vertragsarchitekten<br />

entlasten die Bauleitung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in München. ■<br />

Pfadfinder helfen dem <strong>Volksbund</strong><br />

bei der Suche nach Gefallenen<br />

in den Seealpen (unten) und<br />

in den Pyrenäen (unten links).<br />

In Straßburg konstituiert sich das<br />

Europäische Parlament, in dem auch<br />

die Bundesrepublik vertreten ist. ❑ Die<br />

Aktion „Kampf dem Atomtod“ wird von<br />

den Gewerkschaften und der SPD unterstützt.<br />

❑ Der sowjetische Ministerpräsident<br />

und Parteichef Nikita Chruschtschow<br />

fordert, Westberlin den Status einer „entmilitarisierten,<br />

freien Stadt“ zu geben. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> weiht im Rahmen<br />

einer Angehörigenreise die Kriegsgräberstätte<br />

Reykjavik/Island (17 Kriegstote)<br />

ein. ❑ <strong>Das</strong> Präsidium stiftet eine För -<br />

derer-Plakette mit der Inschrift „Mortui<br />

viventes obligant“ (Die Toten verpfli chten<br />

die Lebenden). ❑ Im September er reicht<br />

der Umbettungsdienst mit 117 deut schen<br />

und 150 ausländischen Fachkräften seine<br />

höchste Personalstärke. ■<br />

In Vossfogi, auf dem hoch über<br />

der Sfaxa-<strong>Buch</strong>t gelegenen<br />

Zentralfriedhof der isländischen<br />

Hauptstadt Reykjavik, ruhen<br />

17 deutsche Luftwaffensoldaten.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> sorgt für Kriegs gräber<br />

in rund 100 Ländern der Erde.<br />

1958<br />

97


98<br />

99


1959<br />

Robert Tischler, der seit 1926 als<br />

Chef der Bauleitung den Baustil der<br />

deutschen Soldatenfriedhöfe geprägt<br />

hat, stirbt am 11. August.<br />

Bundespräsident Lübke besucht<br />

die Ausstellung „40 Jahre <strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge“<br />

in der Bonner Beethovenhalle. Rechts<br />

der stellvertretende Generalsekretär<br />

Klaus von Lutzau.<br />

100<br />

Der bisherige Bundesminister Hein -<br />

rich Lübke wird Bundes prä sident. ❑<br />

In Berlin hat der Anti-Kriegs film „Die<br />

Brücke“ von Regisseur Bernhard Wicki<br />

Premiere. Er zeigt, wie in den letzten<br />

Kriegstagen die Naivität einer Gruppe<br />

Jugendlicher für sinnlose militärische<br />

Ziele ausgenutzt wird. ■<br />

Der Vertretertag am 3./4. Juni erhält<br />

aus Anlass des 40-jährigen Bestehens<br />

einen besonders feierlichen Rah men. ❑<br />

Die Einweihungen erreichen einen Höhepunkt:<br />

am 6. September Lom mel/Belgien<br />

(39 094 Kriegstote; Bild rechts), der größte<br />

deutsche Soldatenfriedhof des Zweiten<br />

Weltkrieges, am 16. September Pordoi/<br />

Ita lien (9 431 Kriegs tote), am 20. September<br />

Me ran/Italien (2 586 Kriegstote) und<br />

am 28. Oktober El Alamein/Ägypten<br />

(4 313 Kriegs tote). ❑ Eine Vereinbarung<br />

mit Finnland ermöglicht dem <strong>Volksbund</strong><br />

die Arbeit in diesem Land. ❑ Präsident<br />

Gustav Ahlhorn legt aus gesundheitlichen<br />

Gründen am 30. September sein<br />

Amt nieder. Der stellvertretende Präsident<br />

Dr. August Hatteisen führt die Geschäfte<br />

weiter. ❑ Die Bundesregierung<br />

unterzeichnet im Oktober ein Kriegsgräberabkommen<br />

mit Großbritannien. ❑<br />

21 628 Gemeinden und 24 679 Schulen<br />

ge hören dem <strong>Volksbund</strong> als korporative<br />

Mitglieder an. ❑ 54 Kriegsgräberreisen<br />

führen 3 414 Angehörige an die Gräber<br />

ihrer Toten. ❑ Bei der Feierstunde zum<br />

Volkstrauertag im Bundeshaus wird „Der<br />

Andere – Ballade vom Tode im Kriege,“<br />

ein Auftragswerk des <strong>Volksbund</strong>es, uraufgeführt<br />

(Text Otto Heinrich Kühner,<br />

Musik Rudolf von Oertzen). ■<br />

Die deutsche Kriegsgräberstätte im<br />

belgischen Lommel weiht der <strong>Volksbund</strong><br />

am 6. Dezember ein. Hier<br />

ruhen etwa 40 000 Kriegstote.<br />

101


Linke Seite: Die Kriegsgräberstätte<br />

Pordoi in den Dolomiten/Italien,<br />

deren Bau während des Krieges<br />

unterbrochen worden ist, wird am<br />

16. September 1959 eingeweiht.<br />

Unter großer Beteiligung der ägyptischen<br />

Zivil- und Militärbehörden<br />

wird die zweite deutsche Kriegsgräberstätte<br />

in Nordafrika, El Alamein,<br />

am 28. Oktober 1959 eingeweiht.<br />

<strong>Das</strong> Bauwerk hat einen Durchmesser<br />

von 42 Metern. In sieben Gruftkammern<br />

sind 4 313 Gefallene bestattet.<br />

103


Walter Gruber fährt mit seinen<br />

Freunden vom „Kaiserstuhlkreis“<br />

nach Markolsheim ins Elsass, um<br />

dort nach deutschen Gefallenen zu<br />

suchen und ihre Gräber zu pflegen.<br />

Über <strong>22</strong> 000 Kriegstote liegen in<br />

Elsass-Lothringen verstreut. Der<br />

<strong>Volksbund</strong> ist dankbar, und schnell<br />

finden sich begeis terte Nachahmer.<br />

Als Jugendre ferent des Landes -<br />

verbandes Baden-Würt temberg<br />

organisiert Gruber viele Jahre den<br />

Einsatz der jungen Botschafter der<br />

Versöhnung.<br />

104<br />

Pfadfinder aus Hirson in Nordfrankreich<br />

und eine deutsche Jugendgruppe<br />

aus dem baden -württem -<br />

bergischen Schramberg arbeiten<br />

gemeinsam auf deutschen Kriegs gräbern<br />

in den Vogesen: Sie pflegen<br />

Grabstätten und forschen mit Hilfe<br />

von Ein heim ischen nach ungesicherten<br />

Feld gräbern.<br />

Von Anfang an suchen die jungen<br />

Leute den Kontakt zur Bevölkerung.<br />

Nur im Gespräch lassen sich die<br />

Grenzen überwinden – auch<br />

zwischen den Generationen. Die<br />

jungen Menschen aus Deutschland –<br />

sie brechen das Eis.<br />

105


1960<br />

Antrittsbesuch des neuen <strong>Volksbund</strong>präsidenten<br />

Walter Trepte<br />

bei Bundeskanzler Adenauer.<br />

Der Soldatenfriedhof Pomezia/<br />

Italien, im Krieg von den Amerikanern<br />

angelegt: vor und nach dem<br />

Ausbau durch den <strong>Volksbund</strong>.<br />

40 Jugendliche einer Gruppe<br />

der evangelischen Jugend betreuen<br />

deutsche Soldatengräber im fran -<br />

zösischen Departement Eure-et-Loir.<br />

Bei der Besichtigung der Kathedrale<br />

in Chartres begegnen sie Bundeskanzler<br />

Adenauer, der ihnen als<br />

Spende für die Fahrtenkasse<br />

100 Mark in die Hand drückt.<br />

106<br />

Gräbersuche in unwegsamem<br />

Gelände – Zusammenbettung<br />

deutscher Gefallener in<br />

Griechenland 1959/60.<br />

Der sowjetische Parteichef und Ministerpräsident<br />

Chruschtschow nimmt<br />

einen Luftzwischenfall zum Anlass, die<br />

Pariser Gipfelkonferenz der vier Großmächte<br />

vom 16./17. Mai zu verlassen. ❑<br />

In der DDR werden die bis dahin noch<br />

selbständigen kleinen landwirtschaftlichen<br />

Betriebe endgültig kollektiviert. ❑<br />

Nach dem Tode von DDR-Staatspräsident<br />

Wilhelm Pieck wird Walter Ulbricht als<br />

Vorsitzender des Staatsrates Staatschef<br />

der DDR. ❑ 199 188 Bürger der DDR<br />

flüchten in den Westen. ❑ Der englische<br />

Verleger Victor Gollancz, der sich für die<br />

Versöhnung mit dem deutschen Volk eingesetzt<br />

hat, erhält den Friedenspreis des<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Buch</strong>handels. ■<br />

Papst Johannes XXIII. empfängt in<br />

Rom am 3. März eine Delegation des<br />

Vorstandes zu einer Privataudienz. ❑ Der<br />

<strong>Volksbund</strong> weiht am 5. Juni die Kriegsgräberstätte<br />

Pomezia/Italien (27 487 Kriegstote)<br />

und am 5. September den Friedhof<br />

Recogne-Bastogne/Belgien (6 807 Kriegs-<br />

tote) ein. Auch die Kriegsgräberstätten in<br />

Norwegen – Oslo, Botn-Rognan, Narvik,<br />

Bergen-Solheim und Trondheim-Havstein<br />

– werden im September im Rahmen einer<br />

Angehörigenreise der Öffentlichkeit über -<br />

geben. ❑ Auf dem Vertretertag am 23. September<br />

in Kassel wird Dekan a. D. Walter<br />

Trepte, der bisherige Vorsitzende des Lan -<br />

des verbandes Hessen, zum Präsidenten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es gewählt. ❑ <strong>Das</strong> Durchschnittsaufkommen<br />

(Sammlungen, Spenden<br />

und Beiträge) eines Bundesbürgers<br />

für den <strong>Volksbund</strong> beträgt in diesem Jahr<br />

15,9 Pfennig. Zum Jahresende hat der<br />

<strong>Volksbund</strong> fast 640 000 Einzelmitglieder<br />

und 60 000 korporative Mitglieder bei<br />

12 853 Ortsgruppen und 349 Kreisverbänden.<br />

❑ Der Um bettungsdienst des <strong>Volksbund</strong>es<br />

arbeitet in Frankreich, Italien,<br />

Griechenland, Finnland und Großbritannien.<br />

❑ Am 31. Dezember scheidet der<br />

lang jährige Ge neral sekretär Otto Margraf<br />

aus gesundheitlichen Gründen aus den<br />

Diensten des <strong>Volksbund</strong>es. ■<br />

Als erstes deutsches Staatsoberhaupt<br />

stattet Bundespräsident Heinrich<br />

Lübke Frankreich einen Staatsbesuch ab.<br />

Er wird in Paris mit großer Herzlichkeit<br />

empfangen. ❑ Die Zahl der Flüchtlinge<br />

aus der DDR wächst rapide: Im Juli ge -<br />

hen 30 444 Einwohner in den Westen.<br />

Um einer innenpolitischen Katastrophe<br />

zu entgehen, errichtet die DDR-Regierung<br />

am 13. August die Mauer in Berlin.<br />

Bis zum Jahresende haben (seit 1949) insgesamt<br />

2 759 9<strong>22</strong> <strong>Deutsche</strong> aus der SBZ<br />

bzw. der DDR in der Bundesrepublik<br />

Deutschland einen Notaufnahmeantrag<br />

gestellt. Nach dem Bau der Mauer in Berlin<br />

erreichen 12 316 Flüchtlinge aus der<br />

DDR, meist unter Lebensgefahr, die Bundesrepublik.<br />

❑ In Jerusalem wird einer<br />

der Hauptverantwortlichen der Juden vernichtung<br />

in Europa, Adolf Eichmann, zum<br />

Tode verurteilt und hingerichtet. ❑ Der<br />

Friedensnobelpreis wird an den Schweden<br />

Dag Hammarskjöld, seit 1953 Generalsekretär<br />

der UN, verliehen. Er stirb<br />

beim einem Unfall in Afrika. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> weiht sechs Kriegsgräberstätten<br />

ein: Cagliari/Italien<br />

(435 Kriegstote) am 1. Juni, Glencree/Irland<br />

(134 Kriegstote) am 9. Juli sowie am<br />

20. und 21. September in Frankreich die<br />

vier Normandie-Friedhöfe Orglandes<br />

(10 152 Kriegstote), St.-Désir-de-Lisieux<br />

(3 735 Kriegstote), Marigny (11 169 Kriegs -<br />

tote) und La Cambe (21 139 Kriegstote). ❑<br />

Der Vertretertag findet im August in Flensburg<br />

statt. ❑ Ministerialrat a. D. Dr. Heinz<br />

von Hausen wird am 1. Februar Bundesgeschäftsführer.<br />

■<br />

Mit dem Bau der Mauer in Berlin<br />

schließt sich der Eiserne Vorhang<br />

zwischen Ost- und Westeuropa.<br />

Ein Todesstreifen trennt für 28 Jahre<br />

die beiden Teile Deutschlands.<br />

1961<br />

107


Die in der Normandie gefallenen<br />

deutschen Soldaten ruhen auf sechs<br />

Kriegsgräberstätten. Die auf dieser<br />

Seite gezeigten Anlagen wurden ursprünglich<br />

vom britischen sowie<br />

amerikanischen Gräberdienst angelegt<br />

und anschließend vom <strong>Volksbund</strong><br />

ausgebaut und gestaltet.<br />

108<br />

Von oben nach unten:<br />

St. Désir-de-Lisieux<br />

Marigny<br />

Orglandes<br />

La Cambe (großes Bild)<br />

Soldatenfriedhof La Cambe<br />

vor dem Ausbau.<br />

109


1962<br />

Der Staatsbesuch de Gaulles in der<br />

Bundesrepublik (hier in Hamburg)<br />

leitet eine enge deutsch-französische<br />

Zusammenarbeit ein.<br />

110<br />

Der französische Staatspräsident<br />

Charles de Gaulle wird bei seinem<br />

Staatsbesuch in der Bundesrepublik von<br />

der Bevölkerung begeistert gefeiert. ❑<br />

Die Kubakrise bringt die Welt an den<br />

Rand eines neuen Krieges. ❑ Bei einer<br />

schweren Sturmkatastrophe am 16./17.<br />

Januar an der deutschen Nordseeküste<br />

sterben 395 Menschen, rund 100 000 werden<br />

obdachlos. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> legt nach dem Krieg<br />

auch Friedhöfe für osteuropäische<br />

Kriegstote an. Im Jahr 1959 weiht<br />

der Landesverband Hessen die<br />

Kriegsgräberstätte Herleshausen<br />

(1 616 Kriegstote) ein. Bürgermeister<br />

Fehr (kleines Bild) hat im Krieg dafür<br />

gesorgt, dass die Namen der in seiner<br />

Gemeinde verstorbenen sowjetischen<br />

Kriegsgefangenen registriert<br />

werden. So kann der <strong>Volksbund</strong> die<br />

Hinterbliebenen in der Sowjetunion<br />

benachrichtigen. Rechts oben eines<br />

der zahlreichen Dankschreiben.<br />

<strong>Das</strong> Präsidium beschließt am<br />

16. März die Gründung eines Ausschusses<br />

für Jugendfragen, der die Gliederungen<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in der Ju gendarbeit<br />

beraten soll. ❑ Am 28. Juli werden<br />

die Soldatenfriedhöfe Solers/Frankreich<br />

(2 <strong>22</strong>8 Kriegs tote) und am 29. September<br />

Andilly (33 144 Kriegstote) eingeweiht. ❑<br />

Am 3. Oktober wird das Kriegsgräberabkommen<br />

mit Dänemark unterzeichnet. ■<br />

Tausende von Angehörigen aus<br />

allen Teilen Deutschlands und aus<br />

Österreich nehmen an der Einweihung<br />

des Soldatenfriedhofes Andilly<br />

teil. Mit 33 144 Gefallenen ist er die<br />

größte deutsche Anlage des Zweiten<br />

Weltkrieges in Frankreich.<br />

Bundeskanzler Adenauer empfängt<br />

ausländische Gäste und die Leiter der<br />

Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es im<br />

Bonner Bundeshaus.<br />

111


1963<br />

„Ich bin ein Berliner!“<br />

Mit diesem deutsch gesprochenen<br />

Satz gewinnt der amerikanische<br />

Präsident John F. Kennedy die<br />

Herzen der Berliner. Links Konrad<br />

Adenauer, rechts der Regierende<br />

Bürgermeister, Willy Brandt.<br />

Die deutsch-französische<br />

Verständigung ist das Herzstück<br />

der europäischen Einigung:<br />

Adenauer und de Gaulle nach der<br />

Unterzeichnung des deutsch-fran -<br />

zösischen Freundschaftsvertrages.<br />

112<br />

Bundeskanzler Ludwig<br />

Erhard empfängt den<br />

Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Der deutsch-französische Freundschaftsvertrag<br />

wird am <strong>22</strong>. Januar in<br />

Paris von de Gaulle und Adenauer unterzeichnet.<br />

❑ Der amerikanische Präsident<br />

John F. Kennedy besucht die Bundesrepublik<br />

und hält in Frankfurt und Berlin aufsehenerregende<br />

Reden. Er fällt am <strong>22</strong>. No -<br />

vember einem Attentat zum Opfer. ❑ Kon -<br />

rad Adenauer tritt zurück. Sein Nachfolger<br />

wird Prof. Dr. Ludwig Erhard, der bis -<br />

herige Wirtschaftsminister. ❑ Zwischen<br />

dem Senat von Berlin und der DDR wird<br />

ein Passierscheinabkommen abgeschlossen.<br />

Es ermöglicht nach Jahren des Wartens<br />

Westberliner Bürgern während der<br />

Weihnachtsfeiertage den Besuch ihrer Angehörigen<br />

in Ostberlin. ■<br />

Präsident Trepte legt beim Vertretertag<br />

in München auf der KZ-Gedenkstätte<br />

Dachau einen Kranz nieder.<br />

<strong>Das</strong> Kriegsgräberabkommen mit<br />

Griechenland ermöglicht den Bau<br />

der Kriegsgräberstätten Maleme auf Kre -<br />

ta und Dionyssos-Rapendoza bei Athen.<br />

Die deutschen Kriegstoten sind bereits ab<br />

1959 mit Zustimmung der griechischen<br />

Regierung geborgen worden. Die Särge<br />

mit den sterblichen Überresten hat der<br />

<strong>Volksbund</strong> zunächst in die Kloster Xenia<br />

und Gonia überführt. ❑ Der Rückblick<br />

auf zehn Jahre Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

zeigt, dass seit 1953 mehr als<br />

45 000 Jugendliche aus zwölf Nationen<br />

an Jugendlagern mit Arbeitseinsätzen auf<br />

Soldatenfriedhöfen in mehreren Ländern<br />

teilgenommen haben. <strong>Das</strong> findet in der<br />

in- und ausländischen Öffentlichkeit<br />

große Anerkennung. In Verdun treffen<br />

sich im August 2 000 deutsche und französische<br />

Jugendliche, die auf Kriegsgräberstätten<br />

in Frankreich arbeiten – Auf -<br />

takt einer engen Zusammenarbeit zwischen<br />

dem Deutsch-Französi schen Ju -<br />

gendwerk und dem <strong>Volksbund</strong>. ■<br />

Die Reihe der Einweihungen setzt<br />

sich fort: Am 17. August Reillon/<br />

Frankreich (5 428 Kriegstote), am<br />

30. August Helsinki-Honkanummi/<br />

Finnland (377 Kriegstote), am<br />

31. Au gust Rovaniemi-Norvajärvi/<br />

Finnland (2 326 Kriegstote), am<br />

14. September Mont-de-Huisnes/<br />

Frankreich (11 956 Kriegstote) und<br />

am 26. Oktober Dagneux/Frankreich<br />

(19 914 Kriegstote). Auch die<br />

Kriegsgräberstätte Sankt Peter Port<br />

auf der Insel Guernsey/Großbritannien<br />

(111 Kriegstote) wird im Rahmen<br />

einer Angehörigenreise der<br />

Öffentlichkeit übergeben.<br />

Oben: Mont-de-Huisnes, der einzige<br />

deutsche Gruftbau in Frankreich.<br />

Links: Dagneux/Frankreich (ganz<br />

links) und St. Peter Port auf der Insel<br />

Guernsey/Großbritannien.<br />

Unten: Helsinki-Honkanummi (links)<br />

und Rovaniemi-Norvajärvi/Finnland.<br />

113


Jugendtreffen in Verdun:<br />

Über 2 000 junge Leute aus<br />

Deutschland und Frankreich nehmen<br />

an der Veranstaltung von <strong>Volksbund</strong><br />

und Deutsch-Franzö sischem Jugendwerk<br />

teil und bekunden damit ihren<br />

Willen zu einer gemeinsamen<br />

friedlichen Zukunft.<br />

Rechts: Gottesdienst im Hof des im<br />

Ersten Welt krieg schwer umkämpften<br />

Forts Douaumont.<br />

Als Repräsentanten der deutschen<br />

und der französischen Regierung<br />

nehmen Dr. Bruno Heck (links),<br />

Bundesminister für Familie und<br />

Jugend, und Staatssekretär<br />

Maurice Herzog (rechts) an den<br />

Veranstaltungen teil.<br />

114<br />

In der Bundesrepublik stehen<br />

146 000 Arbeitslosen 614 530 offene<br />

Stellen gegenüber (Arbeitslosenquote<br />

0,6 Prozent). ❑ Am 12. Juni wird ein<br />

Freundschaftsvertrag zwischen der So w -<br />

jetunion und der DDR unterzeichnet, in<br />

dem die „Existenz zweier souveräner<br />

deutscher Staaten” bekräftigt und Westberlin<br />

als „selbstständige politische Einheit”<br />

bezeichnet wird. ■<br />

Papst Paul VI. richtet am 26. August<br />

einen eindringlichen Friedensappell<br />

an die Völker der Welt. Er erinnert an den<br />

Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 50<br />

und an den Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />

vor 25 Jahren. In seiner Botschaft geht<br />

er auch auf die Kriegsgräber ein: „Wir<br />

möchten den Mantel des Friedens ausbreiten,<br />

auch über die Kriegsgräber, auf<br />

dass auch die Gefallenen beigesetzt wer -<br />

den, die noch auf dieses letzte Zei chen<br />

menschlicher Liebe harren.“ ❑ Zwei Soldatenfriedhöfe<br />

in Frankreich werden eingeweiht:<br />

4. Juli Beauvais (1 597 Kriegs tote)<br />

und am 12. September Champigny-St. An -<br />

dré (19 830 Kriegstote). ■<br />

1964<br />

Als letzte der deutschen Kriegsgräberstätten<br />

in der Normandie wird<br />

Champigny-St. André eingeweiht.<br />

115


Die Bundesrepublik und Israel nehmen<br />

diplomatische Beziehungen auf.<br />

Neun arabische Länder brechen daraufhin<br />

ihre Beziehungen zu Bonn ab. ❑ Der<br />

Bundestag beschließt, dass die Verjährung<br />

der nationalsozialistischen Mordtaten erst<br />

ab 1969 gelten soll. ■<br />

Linke Seite: Der deutsche Soldatenfriedhof<br />

Cassino. Hier ruhen<br />

20 073 Kriegstote der schweren<br />

Kämpfe in Mittelitalien 1943/44.<br />

Am 1. Juli tritt ein neues Gräbergesetz<br />

in Kraft, das die Opfer der Gewaltherrschaft<br />

den Kriegstoten gleichstellt.<br />

❑ Ein Notenwechsel zwischen dem<br />

Königreich Libyen und der Bundesrepublik<br />

Deutschland schafft nachträglich die<br />

Rechtsgrundlage für die bereits im Jahre<br />

1955 erfolgte Errichtung der Kriegsgräber -<br />

stätte Tobruk. Sie konnte aufgrund ei ner<br />

mündlichen Genehmigung von Kö nig<br />

Idris I. gebaut werden. ❑ Folgende Soldatenfriedhöfe<br />

werden eingeweiht: 4. Mai<br />

Cas sino/Italien (20 073 Kriegstote), 19. Ju -<br />

ni Pornichet/Frankreich (4 944 Kriegsto te),<br />

21. August Fort-de Malmaison/Frankreich<br />

(11 841 Kriegstote) und 25. Sep tember Mot -<br />

ta St. Anastasia/Italien (4 561 Kriegstote).<br />

❑ Anfragen nach Grablagen kommen jetzt<br />

zu 35 Prozent von Eltern (1960 = 80 Prozent),<br />

zu 17 Prozent von Ehefrauen (1960 =<br />

15 Pro zent), zu 33 Prozent von Geschwistern<br />

(1960 = 2 Prozent) und zu 15 Prozent<br />

von Kin dern (1960 = 3 Prozent). ❑<br />

Bei der XX. Internationalen Rot-Kreuz-<br />

Konferenz in Wien wird von den Delegationen<br />

aus über 100 Ländern ohne Gegen -<br />

stimme eine Resolution angenommen, die<br />

den Austausch von Unterlagen über<br />

Kriegsgräber durch die nationalen Rot-<br />

Kreuz-Gesellschaften empfiehlt. ❑ Der<br />

Vertre tertag findet in Saarbrücken statt. ■<br />

Der Vietnamkrieg weitet sich aus.<br />

Die Zivilbevölkerung hat unter den<br />

massiven amerikanischen Bombenangriffen<br />

schwer zu leiden. Aber<br />

auch die Angriffe der Vietcong fordern<br />

zahlreiche Opfer.<br />

1965<br />

Papst Paul VI. empfängt Präsident<br />

Walter Trepte (rechts) und Vizepräsident<br />

Dr. August Hatteisen (Mitte).<br />

Kampf um gleiche Rechte für<br />

Farbige in den USA – Martin Luther<br />

King (vor der US-Fahne) führt in<br />

Montgomery demonstrierende<br />

Bürgerrechtler in den Südstaaten an.<br />

117


1966<br />

118<br />

In der Bundesrepublik kommt es zu<br />

bisher nicht gekannten wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten. Der Bundeshaushalt<br />

weist ein Defizit von zehn Milliarden<br />

Mark auf. ❑ Bundeskanzler Erhard tritt<br />

zurück. Nachfolger wird Kurt Georg Kiesinger.<br />

Er bildet eine Große Koalition aus<br />

CDU/CSU und SPD. Willy Brandt wird<br />

Vizekanzler und Außenminister. ■<br />

Der Soldatenfriedhof Niederbronn<br />

im Elsass vor und nach dem Ausbau.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> zählt bei der Einweihung<br />

am 1. Oktober 20 000 Besucher.<br />

Ein neues deutsch-französisches<br />

Kriegsgräberabkommen, am 19. Juli<br />

unterzeichnet, tritt an die Stelle des Abkommens<br />

von 1954 und überträgt dem<br />

<strong>Volksbund</strong> die Verantwortung für Erhaltung,<br />

Ausbau und Pflege der deutschen<br />

Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkrieges.<br />

Die 198 Anlagen hat bis dahin, wie 1919<br />

im Vertrag von Versailles bestimmt, der<br />

französische Staat gepflegt. Durch eine<br />

Verbalnote wird dem <strong>Volksbund</strong> auch die<br />

Erhaltung und Pflege der Grab- und Gedenkstätten<br />

aus dem deutsch-französischen<br />

Krieg 1870-1871 übertragen. ❑ Mit<br />

Tunesien wird ein Kriegs gräberab kommen<br />

abgeschlossen. ❑ In Frank reich werden<br />

Kriegsgräberstätten des Zweiten<br />

Weltkrieges eingeweiht: am 17. Sep tember<br />

Noyers-Pont-Maugis (26 843 Kriegstote)<br />

und am 1. Oktober Niederbronn-les-<br />

Bains (15 427 Kriegstote). ❑ An die Stelle<br />

des ausscheidenden Ersten Bundesgeschäftsführers<br />

Dr. von Hausen tritt Walter<br />

Hammersen. ■<br />

Gedenkstunde zum Volkstrauertag<br />

im Plenarsaal des Bundestages.<br />

Bundesinnenminister Paul Lücke hält<br />

die Ansprache.<br />

119


1967<br />

Konrad Adenauer ist tot. Im Kölner<br />

Dom wird sein Sarg aufgebahrt.<br />

Deutschland trauert um einen großen<br />

Staatsmann, der sich immer seine<br />

Menschlichkeit bewahrt hat. An den<br />

Trauerfeierlichkeiten zu seiner<br />

Beisetzung am 25. April nehmen<br />

Delegationen aus 54 Staaten teil.<br />

Krieg in Vietnam: Verhör einer<br />

Frau durch einen amerikanischen<br />

Soldaten. Sie wird verdächtigt,<br />

die kommunistische Vietcongbewegung<br />

zu unterstützen.<br />

Die Wirtschaftsrezession führt zu<br />

Kurzarbeit und einem Anstieg der<br />

Arbeitslosenziffer. Die Bundesregierung<br />

trifft einschneidende wirtschafts- und finanzpolitische<br />

Sofortmaßnahmen. Die<br />

Krise wird bewältigt. ❑ In Westberlin<br />

kommt es beim Besuch des Schahs von<br />

Persien zu heftigen Demonstrationen der<br />

studentischen Linken. Der Student Benno<br />

Ohnesorg wird von der Polizei erschossen.<br />

Eine Serie von Studentenunruhen in<br />

deutschen Universitätsstädten beginnt. ❑<br />

Die Bundesregierung nimmt diplomatische<br />

Beziehungen zu Rumänien auf. Verhandlungen<br />

mit der Tschechoslowakei<br />

führen zur Einrichtung von Handelsmissionen.<br />

❑ Am 19. April stirbt Konrad<br />

Adenauer im Alter von 91 Jahren. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> stellt in drei Ländern<br />

neue Kriegsgräberstätten fertig: Am<br />

6. Mai den Friedhof Costermano/Italien<br />

(21 988 Kriegstote), am 10. Juni Cannock<br />

Chase/England (4 970 Kriegstote), am<br />

24. Juni Berneuil/Frankreich (8 310 Kriegstote)<br />

und am 16. September Bourdon/<br />

Frank reich (<strong>22</strong> 216 Kriegstote). ❑ Bei den<br />

Beratungen des Bundeshaushalts kommt<br />

es zu Schwierigkeiten wegen der Finanzierung<br />

der Ausgaben für Kriegsgräberstätten<br />

im Ausland durch die Bundes re -<br />

gierung und den <strong>Volksbund</strong>. Der <strong>Volksbund</strong><br />

gibt deshalb ein Rechtsgutachten in<br />

Auftrag, das im November 1967 vom ehemaligen<br />

Präsidenten des Bundesrechnungshofes<br />

Dr. Hans Schäfer vorgelegt<br />

wird. Darin heißt es (Auszug):<br />

I. Die deutsche Kriegsgräberfürsorge<br />

ist eine öffentliche Verwaltungsaufgabe,<br />

die im Inland den Ländern<br />

der Bundesrepublik, im Ausland<br />

dem Bund obliegt.<br />

II. Der Bund hat mit der Wahrnehmung<br />

dieser Aufgabe im Ausland<br />

den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

e. V. beauftragt.<br />

III. Die Kosten für die deutsche Kriegsgräberfürsorge<br />

im Ausland sind<br />

Aufwendungen für Kriegsfolge -<br />

lasten, die nach dem Grundgesetz<br />

und den Kriegsgräberabkommen<br />

der Bund zu tragen hat.<br />

IV. Soweit sich der <strong>Volksbund</strong> gemäß<br />

seiner Satzung an den Kosten der<br />

deutschen Kriegsgräberfürsorge im<br />

Ausland beteiligt, geschieht dies ergänzend<br />

und freiwillig.<br />

Zum Jahresende wird die Bauleitung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in München aufgelöst,<br />

ihre Aufgabe übernimmt die Bauabteilung<br />

in der Bundesgeschäftsstelle. ❑ Eine<br />

erste Angehörigenfahrt des <strong>Volksbund</strong>es<br />

zu Kriegsgräbern in Rumänien verläuft<br />

ohne Schwierigkeiten. ❑ In der Tsche -<br />

chos lowakei beginnen Arbeiten an deutschen<br />

Kriegsgräbern durch örtliche Be -<br />

hör den in Abstimmung mit dem <strong>Volksbund</strong>.<br />

❑ Der Vertretertag findet in Bremen<br />

statt. ■<br />

<strong>Das</strong> deutsche Gräberfald am<br />

Stadtrand von Cluj (Klausenburg)<br />

in Siebenbürgen/Rumänien ist eine<br />

blühende Wiese. Es ist nicht möglich,<br />

die genaue Lage der Gräber festzustellen.<br />

Die Angehörigen legen ihre<br />

Blumengrüße dort nieder, wo sie die<br />

letzte Ruhestätte ihres Toten vermuten.


Auf dem Soldatenfriedhof<br />

Cannock Chase in der mittel -<br />

englischen Grafschaft Staffordshire<br />

ruhen 4 940 Kriegstote des Ersten<br />

und Zweiten Weltkrieges. In einem<br />

separaten Gedenkhof sind Besatzungsmit<br />

glieder der im Ersten Weltkrieg<br />

abgestürzten deutschen<br />

Luftschiffe bestattet (oben rechts).<br />

1<strong>22</strong><br />

Auf dem Soldatenfriedhof Bourdon<br />

ruhen <strong>22</strong> 216 Kriegstote. Die meisten<br />

von ihnen sind 1940 gefallen. Die<br />

Plastik im Innneraum ist Sinnbild für<br />

die trauernden Mütter aller Opfer<br />

von Krieg und Gewalt.<br />

Wo finde ich das Grab meines Angehörigen?<br />

Diese Frage wird bei jeder<br />

Einweihung gestellt. Obwohl die Be -<br />

sucher vom <strong>Volksbund</strong> schon vorher<br />

genaue Auskunft erhalten haben, ist<br />

die Anspannung und Aufregung<br />

beim Betreten der Friedhöfe mit den<br />

oftmals riesigen Gräberfeldern sehr<br />

groß. Deshalb geben bei jeder Einweihung<br />

Mitarbeiter des Gräbernachweises<br />

Auskunft über die vor -<br />

herige und jetzige Grablage.<br />

123


Seit der Einweihung gehört die<br />

Kriegsgräberstätte Costermano zu<br />

den am meisten besuchten Friedhöfen.<br />

Auf der landschaftlich schön ge -<br />

legenen Anlage ruhen 21 988 Kriegstote.<br />

Vom Gedenkplatz aus hat man<br />

einen herrlichen Blick auf den Gardasee.<br />

Eine Tafel am Eingangsbereich<br />

der Kriegsgräberstätte weist darauf<br />

hin, dass hier einige Menschen<br />

bestattet sind, die während des<br />

Krieges schwerer Verbrechen schuldig<br />

geworden sind. Auch diesem<br />

Teil der Geschichte hat sich der<br />

<strong>Volksbund</strong> zu stellen.<br />

124<br />

125


1968<br />

Der Silberkranz aus der Neuen<br />

Wache (heute ist er im <strong>Deutsche</strong>n Historischen<br />

Museum zu besichtigen)<br />

verschwindet nach dem Krieg, bis<br />

187 der ursprünglich 235 goldenen<br />

und silbernen Eichenblätter nach<br />

einem anonymen Hinweis in einem<br />

Berliner Schließfach wieder gefunden<br />

werden.<br />

126<br />

Bei Demonstrationen von Studenten<br />

und anderen Jugendlichen kommt es<br />

mehrfach zu heftigen Zusammenstößen<br />

mit der Polizei. In München gibt es zwei<br />

Todesopfer. Am 11. April wird Rudi<br />

Dutschke, einer der führenden Köpfe des<br />

Sozialistischen <strong>Deutsche</strong>n Studentenbundes<br />

(SDS) und der sogenannten Außerparlamentarischen<br />

Opposition (APO), in<br />

Berlin durch einen Anschlag schwer verletzt.<br />

❑ Die innerhalb und außerhalb des<br />

Parlaments heftig debattierten Notstandsgesetze<br />

werden von Bundestag und Bundesrat<br />

mit Zweidrittelmehrheit verab -<br />

schiedet. Sie lösen alliierte Vorbehaltsrechte<br />

ab. Zugleich wird das Widerstandsrecht<br />

im Grundgesetz verankert. <strong>Das</strong> ist<br />

auch im internationalen Vergleich nahezu<br />

einmalig. ❑ Die Bundesrepublik nimmt<br />

wieder diplomatische Beziehungen zu Jugosla<br />

wien auf. ❑ Der amerikanische Bürgerrechtler<br />

Martin Luther King wird wäh -<br />

rend einer Veranstaltung in Mem phis<br />

(USA) von einem unbekannten weißen<br />

Atten täter ermordet. ■<br />

Im Herbst beginnt die bauliche und<br />

gärtnerische Gestaltung einer ersten<br />

Gruppe von zehn deutschen Soldatenfriedhöfen<br />

des Ersten Weltkrieges in Frankreich.<br />

❑ Im September wird der deutsche<br />

Soldatenfriedhof Ploudaniel- Lesneven in<br />

der Bretagne (5 831 Kriegs tote des Zweiten<br />

Weltkrieges) eingeweiht. ❑ Bundespräsident<br />

Heinrich Lübke besichtigt an -<br />

lässlich eines Berlin-Aufenthaltes im Januar<br />

die vom <strong>Volksbund</strong> 1966 errichtete<br />

Anlage auf dem ehemaligen Standortfriedhof<br />

in Berlin. Dort hat der 1945 zerstörte<br />

und 1966 vom <strong>Volksbund</strong> wiederhergestellte<br />

Silberkranz aus dem Ehrenmal<br />

in der Neuen Wache einen Platz gefunden.<br />

❑ Der <strong>Volksbund</strong> veranstaltet<br />

erstmalig eine Angehörigenreise nach<br />

Jugoslawien zu deutschen Kriegsgräbern<br />

in Slowenien. ❑ Bundes ge schäfts führer<br />

Wal ter Hammersen scheidet aus den<br />

Diensten des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Ehrenpräsident<br />

Wilhelm Ahlhorn stirbt im Alter von<br />

94 Jahren. ■<br />

Am 21. August beenden<br />

militärische Verbände der<br />

Sowjetunion und an de rer Staaten<br />

des Warschauer Paktes in der<br />

Tschechoslowakei mit Gewalt die<br />

Reformpolitik des Prager Frühlings.<br />

Wer beim Besuch einer deutschen<br />

Kriegsgräberstätte des Ersten Weltkrieges<br />

Grabzeichen mit dem Davidstern und he -<br />

bräischen <strong>Buch</strong>staben sieht, wird daran<br />

erinnert, dass in diesem Krieg 100 000<br />

<strong>Deutsche</strong> jüdischen Glaubens als Soldaten<br />

eingezogen wurden, von denen<br />

12 000 fielen.<br />

Im Testament des am 19.9.1915 als<br />

Flieger abgestürzten Leutnants Josef<br />

Zürndorfer lesen wir: „Ich bin als <strong>Deutsche</strong>r<br />

ins Feld gezogen, um mein be -<br />

drängtes Vaterland zu schützen. Aber<br />

auch als Jude, um die volle Gleichberechtigung<br />

meiner Glaubensbrüder zu erstreiten.“<br />

Die ersehnte Gleichberechtigung<br />

bleibt aus. Jüdische Soldaten werden<br />

nach dem Krieg von Antisemiten, später<br />

von Nationalsozialisten als Drückeberger<br />

verleumdet. Als Selbsthilfeorganisation<br />

gründen sie 1919 den „Reichsbund jüdischer<br />

Frontsoldaten.“ In Flugblättern,<br />

Broschüren und auf Versammlungen<br />

leistet der Reichsbund eine mühevolle<br />

Aufklärungsarbeit über Tod und soldatische<br />

Leistungen der jüdischen Frontkämpfer:<br />

17 000 von ihnen sind mit dem<br />

Eisernen Kreuz Zweiter Klasse, 1 000 mit<br />

Erster Klasse ausgezeichnet worden.<br />

2 000 waren Offiziere, 1 200 Militärärzte<br />

und -beamte. Der jüngste Kriegsfreiwillige<br />

des deutschen Heeres, Josef Zippes,<br />

kommt aus ihren Reihen, der erste Pourle-Mérite-Träger<br />

der deutschen Fliegertruppen,<br />

Wilhelm Frankl, und der sozial -<br />

demokratische Reichtagsabgeordnete<br />

Dr. Ludwig Frank, der am 3.9.1914 als<br />

Kriegsfreiwilliger an der Westfront gefal-<br />

len ist. Der Reichsbund hofft nach 1933,<br />

dass die jüdischen Frontsoldaten von den<br />

antijüdischen Maßnahmen des Hitler-Regimes<br />

ausgenommen werden. Zwar sind<br />

sie von dem „Gesetz zur Wiederherstellung<br />

des Berufsbeamtentums“ nicht betroffen,<br />

aber ihrem Begehren nach Auf -<br />

nahme in Wehrmacht und Arbeitsdienst<br />

wird nicht stattgegeben, und 1935 werden<br />

auch die jüdischen Frontkämpfer als<br />

Beamte entlassen. Der Reichsbund zieht<br />

aus dem Scheitern seiner Politik die Konsequenzen<br />

und setzt sich fortan für die<br />

Auswanderung ein. Nach der Pogromnacht<br />

vom 9./10. November. 1938 stellt er<br />

seine Tätigkeit ein. Den Weg in die Gaskammer<br />

müssen während des Holocaust<br />

auch jüdische Frontkämpfer des Ersten<br />

Weltkrieges gehen. ■<br />

<strong>Deutsche</strong> jüdische<br />

Soldaten<br />

Unter den 500 000 namentlich bekannten<br />

deutschen Gefallenen des<br />

Ersten Weltkrieges in Frankreich sind<br />

auch 3 000 Kriegstote jüdischen<br />

Glaubens. Gemeinsam mit dem<br />

Zentralrat der Juden und der<br />

Rab binerkonferenz in Deutschland<br />

beschließt der Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />

1968, die Gräber dieser<br />

Toten mit Stelen zu kennzeichnen.<br />

Neben einer Gravur des Davidsterns<br />

und den persönlichen Daten des<br />

Gefallenen tragen die Stelen einen<br />

Spruch in hebräischer Sprache. Er<br />

lautet: „Möge seine Seele eingeflochten<br />

sein in den Kreis der Lebenden.“<br />

(Bild: Neuville-St. Vaast bei Arras in<br />

Nordfrankreich, mit 44 833 Kriegs -<br />

toten der größte deutsche Soldaten -<br />

fried hof in Frankreich).<br />

127


1969<br />

128<br />

Sondermarke zum 50-jährigen<br />

Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

Die ersten Menschen auf dem Mond<br />

sind die amerikanischen Astronauten<br />

Neil Armstrong und Edwin Aldrin.<br />

Die Bundesversammlung wählt in<br />

Westberlin Bundesminister Dr. Gus -<br />

tav Heinemann (SPD) zum Bundes präsidenten.<br />

❑ Die amerikanischen Astro nauten<br />

Neil Armstrong und Edwin Aldrin<br />

betreten als erste Menschen den Mond. ❑<br />

Die Verjährung für Mord wird auf 30 Jah -<br />

re ausgedehnt, um die weitere Verfolgung<br />

von NS-Verbrechen möglich zu<br />

machen. ❑ Bei den Wahlen zum 6. <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundestag erhalten CDU/CSU<br />

46,1 Prozent, SPD 42,7 Prozent und FDP<br />

5,8 Prozent der Stimmen. Am <strong>22</strong>. Oktober<br />

wird das Kabinett Brandt/Scheel (Koali -<br />

tion aus SPD und FDP) vereidigt. In sei -<br />

ner Regierungserklärung vor dem Bun -<br />

destag kündigt der Bundeskanzler umfangreiche<br />

Reformen an. ❑ Im November<br />

tritt die Bundesrepublik dem Atomwaffensperrvertrag<br />

bei. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> besteht 50 Jahre. Mit<br />

einer Reihe von Veranstaltungen be -<br />

geht die Organisation diesen Jahrestag.<br />

Die Bundespost gibt aus diesem Anlass<br />

eine Sonderbriefmarke heraus. ❑ Eine<br />

Dokumentation mit dem Titel „Dienst am<br />

Menschen, Dienst am Frieden – 50 Jahre<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge“<br />

wird mit einer Auflage von 111 000 Exemplaren<br />

gedruckt. ❑ Die Grundsätze der<br />

<strong>Volksbund</strong>arbeit für die zukünftige Arbeit<br />

werden formuliert und vom Vertretertag<br />

in seiner Sitzung vom 12. Juni als<br />

Berliner Manifest einstimmig angenommen.<br />

❑ Am 19. und 20. Juli treffen sich in<br />

Arras/Frankreich über 2 000 Ju gendlagerteilnehmer,<br />

<strong>Deutsche</strong> und Fran zosen. ❑<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat 690 721 Mitglieder. ■<br />

Berliner Manifest<br />

- Achtung vor dem Menschen ist die<br />

Grundlage der Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Millionen von Kriegs gräbern erheben<br />

diese Forderung ständig neu.<br />

- Ihre Erfüllung verlangt, dass der<br />

<strong>Volksbund</strong> nach Mitteln und Wegen<br />

zur Mitarbeit an der Erhaltung des<br />

Friedens sucht.<br />

- Der <strong>Volksbund</strong> sorgt für die Gräber<br />

der Kriegstoten und betreut deren Angehörige.<br />

Die ursprüngliche Hauptaufgabe<br />

– Sorge für die deutschen<br />

Soldatengräber – hat sich durch den<br />

Totalen Krieg und infolge der politischen<br />

Gewaltherrschaft erweitert.<br />

- Der <strong>Volksbund</strong> hält das Gedenken an<br />

die Toten der Kriege und der Gewaltherrschaft<br />

lebendig.<br />

- Er führt die Lebenden an die Ruhe -<br />

s tätten der Toten. Nur so können die<br />

Gräber mahnen und dazu helfen,<br />

neue Kriege zu ver hüten.<br />

- Der <strong>Volksbund</strong> schlägt durch sein<br />

Wirken Brücken der Versöhnung von<br />

Volk zu Volk. Jugend leistet durch ihre<br />

Mitarbeit auf den Friedhöfen einen<br />

bedeutsamen Beitrag für die Völkerverständigung.<br />

- Kriegsgräberfürsorge fördert das Verstehen<br />

zwischen den Generationen.<br />

Die Gräber – warnende Zeichen einer<br />

dunklen Zeit – zwingen zur Auseinandersetzung<br />

mit der Vergangenheit<br />

und wirken so in die Zukunft.<br />

Die Kriegsgräberstätte am Futa-Pass<br />

(30 763 Kriegstote) in Italien wird<br />

am 28. Juni 1969 eingeweiht.<br />

Überall in der Bundesrepublik – wie<br />

hier auf der Kriegsgräberstätte Eversberg<br />

im Kreis Meschede/Nordrhein-<br />

West falen – erinnern Gedenksteine<br />

an die Gefallenen in Osteuropa. Ihre<br />

Gräber dürfen jahrzehntelang nicht<br />

besucht werden. Heute arbeitet der<br />

<strong>Volksbund</strong> mit aller Kraft dafür, dass<br />

auch diese Kriegstoten würdige Gräber<br />

erhalten.<br />

Er wird allen Teilnehmern unver gessen<br />

bleiben: Der Jugendtag in Arras/<br />

Nordfrankreich. Dort, wo sich im Ersten<br />

und Zweiten Weltkrieg <strong>Deutsche</strong><br />

und Franzosen erbittert bekämpften,<br />

treffen 2 000 Jugend liche zusammen,<br />

um ein Fest der Versöhnung<br />

zu feiern. <strong>Das</strong> Bild zeigt die Plattlergruppe<br />

des deutschen Alpenvereins,<br />

Sektion Bremen, bei einer Vorführung<br />

auf dem Marktplatz in Arras.<br />

129


1970<br />

130<br />

Bundes kanzler Willy Brandt und<br />

DDR-Ministerratsvorsitzender<br />

Willi Stoph in Kassel.<br />

Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen<br />

Gewalt verzichtsabkommens in<br />

Moskau durch Willy Brandt und<br />

Ministerpräsident Alexej Kossygin.<br />

Bundeskanzler Brandt vor dem<br />

Mahnmal für die jüdischen Toten<br />

in Warschau – auch das ein<br />

Sinnbild für den deutschen Wunsch<br />

nach Verständigung und<br />

Versöhnung ohne Vergessen<br />

der leidvollen Vergangenheit.<br />

Im März treffen Bundeskanzler Willy<br />

Brandt und der Vorsitzende des Ministerrats<br />

der DDR, Willi Stoph, in Erfurt<br />

zu Gesprächen über die Beziehungen<br />

zwischen den beiden deutschen Staaten<br />

zusammen. Im Mai werden diese Ge sprä -<br />

che in Kassel fortgesetzt. ❑ Am 12. August<br />

unterzeichnet Bundeskanzler Brandt<br />

in der Sowjetunion den deutsch-sowjetischen<br />

Vertrag über Gewaltverzicht und<br />

Anerkennung der in Europa bestehenden<br />

Grenzen (Moskauer Vertrag). ❑ Durch<br />

eine Grundgesetzänderung wird im Juli<br />

das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herabgesetzt.<br />

❑ Bei einem Besuch in Po len unterzeichnet<br />

Bundeskanzler Brandt am<br />

7. Dezember den Vertrag über die Norma -<br />

lisierung der Beziehungen zwischen der<br />

Bundesrepublik und der Volksrepublik<br />

Polen. ❑ Die Geste des Bundes kanz lers<br />

bei seinem Besuch im ehemaligen Warschauer<br />

Ghetto erregt Aufsehen: Brandt<br />

kniet am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus<br />

nieder. ■<br />

In Ellund bei Flensburg, nahe der<br />

dänischen Grenze, richtet der <strong>Volksbund</strong><br />

die Pflegestelle Nord ein. Damit ist<br />

die organisatorische Voraussetzung für<br />

eine intensivere Pflege der deutschen Sol -<br />

datenfriedhöfe in Skandinavien geschaf -<br />

fen. ❑ Die feierliche Übergabe des U-Boot-<br />

Ehrenmals in Möltenort bei Kiel findet<br />

ein starkes Echo. Die U-Boot- Kamerad -<br />

schaft Kiel hat großen Anteil an der Errichtung<br />

und Pflege dieser Gedenkstätte.<br />

❑ Auf dem Vertretertag 1970 scheidet Präsident<br />

Trepte aus seinem Amt. Neuer Präsident<br />

wird Regierungspräsident Prof. Dr.<br />

Willi Thiele. ❑ Im Mittelpunkt der Frauen<br />

arbeit des Volksbun des steht der internationale<br />

Frauen kongress in Hamburg,<br />

der unter Beteiligung von 192 Frau en aus<br />

13 Ländern im September veran staltet<br />

wird. Schwerpunkt der Diskussionen ist<br />

die Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es. ■<br />

Bundesvertretertag<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in Kassel<br />

Wilhelm Kratz, Vor sitzender des Landesverbandes<br />

Saar (links), und Bürgermeister a. D. Hermann<br />

Schneider (Landes ver band Baden-Württem berg)<br />

sind zwei der Diskussions redner.<br />

Die Frauen sind die eigentlichen<br />

Leidtragenden des Krieges. Sie<br />

haben Männer, Väter, Söhne und<br />

Brüder verloren. Deshalb liegt ihnen<br />

das Friedensthema besonders am<br />

Herzen, das auf dem internationalen<br />

Frauenkongress des <strong>Volksbund</strong>es in<br />

Hamburg im Mittelpunkt steht.<br />

Präsident Walter Trepte scheidet aus seinem Amt.<br />

Er hat zehn Jahre die Geschicke des <strong>Volksbund</strong>es<br />

geleitet. Sein Nachfolger wird der Braunschweiger<br />

Regierungspräsident Prof. Dr. Willi Thiele.<br />

<strong>Das</strong> U-Boot-Ehrenmal Kiel-Möltenort<br />

erinnert an das Schicksal von Zehntausenden<br />

Männern, die mit ihren<br />

Booten in den beiden Weltkriegen<br />

untergingen. Ihre Angehörigen<br />

haben hier einen Ort, an dem sie die<br />

Namen wiederfinden und der Toten<br />

gedenken können.<br />

Deutsch-französisches Denkmal für<br />

die Toten des Krieges 1870/71 bei<br />

Vionville/Frankreich.<br />

131


1971<br />

Bundesverteidigungsminister<br />

Helmut Schmidt hält die Gedenk -<br />

rede zum Volks trauertag in der<br />

Hamburger Musikhalle.<br />

132<br />

Bundeskanzler Brandt erhält in<br />

Oslo den Friedensnobelpreis.<br />

Bundesministerin Käthe Strobel<br />

besucht auch 1971 Jugendlager<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in Belgien, den<br />

Niederlanden, Frankreich und<br />

Großbritannien. Die Jugendlager<br />

werden durch das Bundes -<br />

ministe rium für Jugend, Familie<br />

und Gesundheit und das Deutsch-<br />

Französische Jugendwerk mit<br />

erheblichen Zuschüssen gefördert.<br />

Am 3. Mai tritt Walter Ulbricht vom<br />

Amt des Ersten Sekretärs des Zentral<br />

komitees der SED zurück. Nachfolger<br />

wird Erich Honecker. ❑ Am 3. September<br />

wird das Viermächteabkommen über Berlin<br />

von den USA, Groß britan nien, Frankreich<br />

und der UdSSR unterzeichnet. ❑<br />

Am 10. Dezember erhält Bundeskanzler<br />

Brandt aufgrund seiner Ostpolitik in Oslo<br />

den Friedens nobelpreis. ■<br />

Eine an Papst Paul VI. gerichtete<br />

Denkschrift des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />

am 4. Februar dem Kardinalstaatssekretär<br />

Jean Kardinal Villot im Vatikan über geben.<br />

❑ Der Präsident führt mit Vertretern<br />

des Auswärtigen Amtes Gespräche, um<br />

die Bestrebungen des <strong>Volksbund</strong>es und<br />

des Auswärtigen Amtes in der Kriegs gräberfrage<br />

im Osten neu abzustimmen. ❑ In<br />

Abstimmung mit der österreichischen Regierung<br />

wird die Zu sammen bettung der<br />

deutschen Gefal le nen aus Vorortfriedhöfen<br />

auf dem Zentralfriedhof in Wien abgeschlossen.<br />

❑ Auf der Insel Kreta in Grie -<br />

chenland werden 4 405 zunächst im Kloster<br />

Gonia aufbewahrte Sarkophage mit<br />

den Gebeinen der deutschen Gefallenen<br />

auf dem Gelände des neuen deutschen<br />

Sol da tenfriedhofes bei Maleme ein gebet -<br />

tet. ❑ Klaus von Lutzau wird Generalsekretär.<br />

❑ Gustav Ahlhorn, ehemaliger<br />

Präsident und Ehrenmitglied des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

stirbt im Alter von 84 Jahren. ■<br />

Präsident Willi Thiele (zweiter von rechts)<br />

und der Vorsitzende des Landesverbandes<br />

Niedersachsen, Eduard Haßkamp (rechts),<br />

legen zum Auftakt des Vertretertages in<br />

Hannover auf dem Gräberfeld für<br />

deutsche und ausländische Kriegstote in<br />

Hannover-Seelhorst einen Kranz nieder.<br />

Unübersehbare Gräberfelder mit<br />

schwarz gestrichenen Holzkeuzen –<br />

so zeigen sich viele Soldatenfried höfe<br />

des Ersten Weltkrieges in Frankreich<br />

dem Besucher: St. Laurent-Blangy<br />

bei Arras/Nordfrankreich mit<br />

31 939 Kriegs toten.<br />

Für den Ausbau der Friedhöfe des<br />

Ersten Weltkrieges in Frankreich<br />

transportieren Einheiten der Bundeswehr<br />

über 25 000 Betonfundamente<br />

für Metallkreuze.<br />

Mitarbeiter des Landesverbandes<br />

Berlin und eine Abordnung der<br />

Aktion Sühnezeichen legen in der<br />

KZ-Gedenkstätte Mauthausen im Mai<br />

einen Kranz nieder. Im Sommer helfen<br />

junge <strong>Deutsche</strong> im Rahmen von<br />

Workcamps bei der Pflege der in<br />

Österreich gelegenen Gedenkstätte.<br />

133


Kunst auf<br />

Friedhöfen<br />

Von oben nach unten, links:<br />

Liny-devant-Dun/Frankreich,<br />

Futa-Pass/Italien, Liny-devant-Dun;<br />

Mitte: Champigny-St. André/<br />

Frankreich, Illfurth/Frankreich,<br />

Tarabya/Türkei, Cannock Chase/<br />

Großbritannien, Cassino/Italien;<br />

rechts: Lommel/Belgien, Berlin-<br />

Neukölln, Costermano/Italien,<br />

Rovaniemi/Finnland.<br />

Seite 135: Die „trauernden Eltern“<br />

von Käthe Kollwitz auf dem Soldatenfriedhof<br />

Vladslo/Belgien.<br />

134<br />

135


1972<br />

Er läuft und läuft und läuft ...<br />

Der 15 007 034. Käfer läuft vom<br />

Band. Damit ist das T-Modell der<br />

20er Jahre von Ford übertroffen,<br />

dessen Serienproduktion damals<br />

nach 15 007 033 Stück eingestellt<br />

wurde.<br />

136<br />

Bundesminister Egon Bahr und DDR-<br />

Staatssekretär Michael Kohl unterzeichnen<br />

in Ostberlin den Grundlagenvertrag<br />

zur Normalisierung der Bezie hungen<br />

zwischen der Bundesrepublik und der<br />

DDR. ❑ Bei vorgezogenen Bundestagswahlen<br />

erhalten die SPD 45,8 Prozent,<br />

die CDU/CSU 44,9 Prozent und die FDP<br />

8,4 Prozent der Stimmen. Brandt bleibt<br />

Bundeskanzler. ■<br />

Präsident Thiele führt mit dem Botschafter<br />

der UdSSR, Valentin M. Fa -<br />

lin, Gespräche über die deutschen Krieg s -<br />

gräber in der Sowjetunion. Falin sagt zu,<br />

dass die Gräber deutscher Kriegsgefangener<br />

in Krasnogorsk und Ljublino (Stadtbereich<br />

von Moskau) instand gesetzt werden<br />

und der Besuch ermöglicht wird. ❑<br />

Am 9. September über gibt der <strong>Volksbund</strong><br />

den Soldatenfriedhof Jaunitzbachtal bei<br />

Freistadt in Oberösterreich (2 740 Kriegstote)<br />

der Öffentlichkeit. ■<br />

Staatssekretär Egon Bahr (rechts)<br />

und DDR-Staatssekretär Michael<br />

Kohl (links) unterzeichnen das<br />

Transitabkommen.<br />

Präsident Willi Thiele und Hans-<br />

Otto Weber (Mitglied des Bundesvorstandes)<br />

beim ersten Gespräch<br />

mit Valentin M. Falin über die<br />

deutschen Kriegsgräber in der<br />

Sowjetunion (von links).<br />

Papst Paul VI. empfängt Präsident<br />

Willi Thiele und Bundesvorstandsmitglied<br />

Richard Wagner zu einer<br />

Privat audienz. Er würdigt die Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es als „einen wesentlichen<br />

Beitrag zur Verständigung der<br />

Völker untereinander und damit zur<br />

Erhaltung des Friedens.“<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erhält für die Aktion<br />

„Versöhnung über den Gräbern“<br />

den Albert-Schweitzer-Preis der Internationalen<br />

Goethe-Stiftung, Basel.<br />

Durch den Beitritt Dänemarks, Großbritanniens<br />

und Irlands wird die EG<br />

zur Gemeinschaft der Neun. ❑ Die Vereinigten<br />

Staaten stellen die Kriegshandlungen<br />

gegen Nordvietnam ein. Im Januar<br />

unterzeichnen die kriegführenden Partei -<br />

en den Waffenstillstand. ❑ Nach kontroversen<br />

Debatten wird der am 21. Dezember<br />

1972 unterzeichnete Grundlagenvertrag<br />

mit der DDR ratifiziert. Er tritt am<br />

21. Juni in Kraft. <strong>Das</strong> zuvor angerufene<br />

Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe<br />

entscheidet, dass er mit dem Grund ge -<br />

setz vereinbar ist. ❑ Im September werden<br />

die Bundesrepublik und die DDR in<br />

die Vereinten Nationen aufgenommen. ❑<br />

Die zweite Phase der Konferenz für Sicherheit<br />

und Zusammenarbeit in Europa<br />

(KSZE) in Genf beginnt. ❑ Die Bundesrepublik<br />

Deutschland und die Tschechoslowakei<br />

nehmen diplomatische Beziehungen<br />

auf. ❑ <strong>Das</strong> Münchner Abkommen<br />

vom 29. September 1938 wird annulliert. ■<br />

Die Bemühungen um die Sicherung<br />

der Kriegsgräber in Osteuropa stehen<br />

auch in diesem Jahr im Vordergrund.<br />

Eine Delegation des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages<br />

bringt das Thema bei einem Besuch in<br />

Moskau zur Sprache. Die Kontakte zur<br />

sowjetischen Botschaft werden fortgesetzt.<br />

Es wird erreicht, dass erstmals der Soldatenfriedhof<br />

Moskau-Ljublino besucht wer -<br />

den kann. ❑ Bei einem Besuch des Präsi -<br />

denten in Tunesien wird Einigung über<br />

den Bau der Kriegsgräberstätte Bordj Cedria<br />

erzielt. ❑ In Frankreich schließt der<br />

Umbettungsdienst seine Tätigkeit mit der<br />

Umbettung von 898 Gefallenen aus dem<br />

Departement Haut Rhin auf den deutschen<br />

Soldatenfriedhof in Bergheim/Elsass<br />

ab. ❑ Aus Anlass des 1 000. Jugend -<br />

lagers in Frankreich (seit 1957) wird im<br />

Juli in Arras ein deutsch-französisches Seminar<br />

veranstaltet. ■<br />

1973<br />

<strong>Das</strong> Präsidium beschließt die Stiftung<br />

einer Ehrenplakette in Silber. Sie<br />

kann Persönlichkeiten im In- und<br />

Ausland verliehen werden, die sich<br />

für die internationale Friedensarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in besonderer<br />

Weise eingesetzt haben.<br />

Aufnahme der beiden deutschen<br />

Staaten in die Vereinten Nationen.<br />

Vorne die Delegation der DDR mit<br />

Außenminister Otto Winzer, hinter<br />

dem Gang die Bundesrepublik mit<br />

Außenminister Walter Scheel.<br />

Im Verlauf der „Ölkrise“ wird an<br />

vier Sonntagen ein Fahrverbot erteilt<br />

(Autobahn Heilbronn-Stuttgart).<br />

137


1974<br />

Bundeskanzler Schmidt und<br />

Außenminister Genscher legen<br />

bei einem Staatsbesuch in der<br />

Sowjetunion Ende Oktober am<br />

Grab des Unbekannten Soldaten<br />

in Kiew einen Kranz nieder.<br />

Internationales Friedenstreffen zur<br />

Erinnerung an die Kämpfe um Monte<br />

Cassino im Jahre 1943 – Gedenkstunde<br />

auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />

mit 3 000 Teilnehmern.<br />

Rechte Seite:<br />

An der Einweihung des deutschen<br />

Soldatenfriedhofes Maleme auf<br />

Kreta im Oktober nehmen außer<br />

1 500 Angehörigen und ehemaligen<br />

Kameraden auch 1 000 Einwohner<br />

der umliegenden Gemeinden teil.<br />

138<br />

Willy Brandt tritt zurück. Helmut<br />

Schmidt wird sein Nachfolger als<br />

Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition.<br />

❑ Die Ständigen Vertretungen in<br />

Bonn und Ost-Berlin nehmen ihre Arbeit<br />

auf. ❑ Am 15. Mai wird Walter Scheel<br />

(FDP) zum Bundespräsidenten gewählt.<br />

❑ Die Staats- bzw. Regierungschefs der<br />

EG beschließen in Paris die Gründung<br />

des Europäischen Rates. ■<br />

Zum ersten Mal kann der Botschafter<br />

der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Dr. Ulrich Sahm, am Volkstrauertag auf<br />

dem deutschen Soldatenfriedhof Moskau-<br />

Ljublino einen Kranz niederlegen. ❑ Erster<br />

Träger der 1973 neugeschaffenen Silbernen<br />

Ehrenplakette ist der ehemalige Ge neral -<br />

direktor der Commonwealth War Graves<br />

Commission, William John Chalmers. ■<br />

Bundespräsident Scheel (rechts Präsident<br />

Thiele) übernimmt die Schirmherrschaft über<br />

den <strong>Volksbund</strong>. Er sagt: „Die private Idee,<br />

auf die der <strong>Volksbund</strong> seine Arbeit aufgebaut<br />

hat, ist förderungswürdig und höher<br />

zu bewerten als die staatliche Pflicht.“


1975<br />

140<br />

KSZE-Gipfeltreffen in Helsinki<br />

(Eröffnungsfeier).<br />

Bundespräsident Scheel und<br />

Außenminister Genscher auf dem<br />

Kriegsgefangenenfriedhof Ljublino.<br />

Der seit dem israelisch-arabischen<br />

Sechstagekrieg im Juni 1967 gesperrte<br />

Suezkanal wird nach achtjähriger<br />

Blockade wieder geöffnet. ❑ Am 1. August<br />

wird nach zweijährigen Verhandlungen<br />

die KSZE-Schlussakte unterzeichnet.<br />

Die von 35 Staaten Europas und Nordamerikas<br />

unterzeichnete Charta regelt<br />

das Zusammenleben von Staaten unterschiedlicher<br />

Gesellschaftsordnungen. ❑<br />

Als erster Bundespräsident besucht Walter<br />

Scheel im November die UdSSR. ■<br />

Die Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />

Bergheim bei Colmar/Frankreich,<br />

dem letzten der <strong>22</strong> deutschen Sol -<br />

datenfriedhöfe des Zweiten Weltkrieges<br />

in Frankreich, wird zu einem vielbeachteten<br />

Bekenntnis zur Verständigung und<br />

der Freundschaft zwischen <strong>Deutsche</strong>n<br />

und Franzosen. Professor Carlo Schmid<br />

hält die Gedenkrede. ❑ Als letzte der<br />

34 deutschen Kriegsgräberstätten in Däne -<br />

mark – überwiegend Friedhöfe für Flüchtlinge<br />

aus Ostdeutschland – wird das Grä -<br />

berfeld in Fredericia/Jütland (401 Kriegstote)<br />

mit Grabzeichen aus Natursteinen<br />

versehen. ❑ Die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

Dionyssos-Rapendoza in Grie chenland<br />

wird eingeweiht. ❑ Der Bundesprä -<br />

sident würdigt mit der Verleihung des<br />

Gro ßen Verdienstkreuzes des Verdienstordens<br />

der Bundesrepublik den engagierten<br />

Einsatz Präsident Thieles für die<br />

Kriegs gräberfürsorge. ❑ Auf dem Wiener<br />

Zentralfriedhof wird der vom <strong>Volksbund</strong><br />

gestaltete Teil für die Gefallenen des<br />

Zweiten Weltkrieges eingeweiht. ■<br />

Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />

besucht auf Einladung des Sowjetischen<br />

Roten Kreuzes erstmals die<br />

Sowjetunion. Er legt in Ljublino/<br />

Moskau einen Kranz nieder.<br />

Der ägyptische Präsident Anwar<br />

el Sadat führt an Bord eines<br />

Zerstörers die ersten Schiffe an,<br />

die nach dem Sechstagekrieg<br />

1967 den wiedereröffneten<br />

Suezkanal passieren.<br />

Einweihung des Gräberfeldes für<br />

7 297 deutsche Kriegstote auf dem<br />

Wiener Zentralfriedhof am<br />

25. Oktober. Die seit 1939 bestehende<br />

Anlage ist durch Zubettungen<br />

aus 52 Wiener Vorortfriedhöfen vergrößert<br />

und neu gestaltet worden.<br />

Die am 28. September eingeweihte<br />

Kriegsgräberstätte Dionyssos-<br />

Rapendoza liegt 30 Kilometer von<br />

der griechischen Hauptstadt Athen<br />

entfernt. Die 68 Gefallenen des<br />

Ersten und 9 905 Gefallenen des<br />

Zweiten Weltkrieges ruhen in<br />

unterirdischen Gruftkammern.<br />

Am Tag der Einweihung sind die<br />

Namenplatten mit Blumen übersät.<br />

Am 7. Juni wird der Soldatenfriedhof<br />

Bergheim im Elsass eingeweiht.<br />

Hier ruhen 5 308 Gefallene des<br />

Zweiten Weltkrieges. Bundesminister<br />

a. D. Prof. Carlo Schmid hält die<br />

Gedenkrede.<br />

141


1976<br />

Die Vereinigten Staaten von Amerika<br />

feiern ihr 200-jähriges Bestehen.<br />

Demonstration gegen den Bau des<br />

Atomkraftwerkes Brokdorf.<br />

142<br />

Nach langen Verhandlungen werden<br />

die Vereinbarungen mit Polen ratifiziert.<br />

Polen sichert gegen einen Kredit<br />

von einer Milliarde DM die Ausreise von<br />

125 000 Deutschstämmigen zu. ❑ Die SED<br />

verabschiedet auf dem IX. Parteitag ein<br />

neues Programm. Parteichef Erich Honecker<br />

wird Staatsratsvorsitzender. ❑ Die<br />

Westmächte entscheiden gegen eine Direktwahl<br />

zum Europaparlament in Berlin,<br />

stattdessen werden die Parlamentarier<br />

durch das Abgeordnetenhaus gewählt. ■<br />

In Ostberlin trifft der <strong>Volksbund</strong>präsident<br />

mit dem Leiter der Ständigen<br />

Vertretung der Bundesrepublik Deutschland<br />

in der DDR, Staatssekretär Günter<br />

Gaus, zusammen. Gegenstand des Gesprächs<br />

sind die von der Regierung der<br />

DDR festgelegten Bestimmungen über<br />

den Besuch von Soldatengräbern und die<br />

Möglichkeiten ihrer praktischen Durchführung.<br />

Ein entsprechendes Merkblatt<br />

wird an die <strong>Volksbund</strong>gliederungen, an<br />

Reisebüros und an Interessenten ausgegeben.<br />

❑ Der sowjetische Botschafter Falin<br />

teilt dem <strong>Volksbund</strong> mit, dass nach dem<br />

Friedhof Ljublino nun auch Krasnogorsk<br />

(Bild unten) besucht werden könne. ■<br />

<strong>Das</strong> Foto unten zeigt die deutsche<br />

Kriegsgräberstätte Krasnogorsk.<br />

Nach Abschluss einer Vereinbarung<br />

zwischen der niederländischen Regierung<br />

und der Bundesregierung<br />

geht die von der niederländischen<br />

Armee angelegte deutsche Kriegsgräberstätte<br />

Ysselsteyn am 11. November<br />

in die Betreuung durch den<br />

<strong>Volksbund</strong> über.<br />

143


1977<br />

Mordanschläge von Terroristen<br />

erschüttern die Öffentlichkeit in der<br />

Bundesrepublik. Zwei Unbekannte<br />

ermorden am 7. April in Karlsruhe<br />

Generalbundesanwalt Siegfried<br />

Buback und seinen Fahrer.<br />

Nach grundlegender Umgestaltung<br />

durch den <strong>Volksbund</strong> wird die internationale<br />

Kriegsgräberstätte in Salzgitter-Jammertal<br />

im Oktober der<br />

Öffentlichkeit übergeben.<br />

4 037 Tote aus fünfzehn Nationen,<br />

die während des Zweiten Weltkrieges<br />

als Zwangsarbeiter in Salzgitter<br />

starben, ruhen auf dieser Anlage.<br />

Vertreter der polnischen, sowjetischen,<br />

tschechoslowakischen und<br />

ungarischen Botschaft nehmen an<br />

der Veranstaltung teil.<br />

144<br />

Die Mitgliedstaaten der EG verpflich<br />

ten sich in einer gemeinsamen<br />

Erklärung, die Entscheidungen des Europäischen<br />

Gerichtshofes in Menschenrechtsangelegenheiten<br />

als verbindlich<br />

anzuerkennen. ❑ Gegen die Stimmen der<br />

CDU/CSU verabschiedet der Bundestag<br />

eine Wehrdienstnovelle. Wehrpflichtige<br />

dürfen danach ohne Gewissensprüfung<br />

zwischen Bundeswehr und Zivildienst<br />

wählen. ■<br />

Präsident Thiele bittet den Präsidenten<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages und<br />

den Bundeskanzler um stärkere Unterstützung<br />

bei Kontakten zu Ostblockstaaten.<br />

❑ Die zwischen dem <strong>Volksbund</strong> und<br />

dem Rumänischen Roten Kreuz vereinbarte<br />

Erfassung der deutschen Gräber bei -<br />

der Weltkriege in Rumänien wird abge -<br />

schlossen. ❑ Aus Anlass des 25-jährigen<br />

Bestehens der Jugendlager des Volks bundes<br />

findet am 6. Juli auf dem Friedhof in<br />

Lommel/Belgien eine Feierstunde statt. ■<br />

Nach Tobruk in Libyen und El Alamein<br />

in Ägypten wird die Kriegsgräberstätte<br />

Bordj Cedria/Tunesien<br />

(8 562 Kriegstote) am 28. September<br />

als dritte deutsche Kriegsgräberstätte<br />

in Nordafrika eingeweiht.<br />

Kriegsgräberreise nach Russland:<br />

Angehörige besuchen den Kriegsgefangenenfriedhof<br />

Ljublino.<br />

145


1978<br />

Weißer Rauch aus einem Schornstein<br />

des Vatikans zeigt an, dass ein neuer<br />

Papst gewählt ist.<br />

Ölpest an der Küste der Bretagne<br />

nach der Havarie des Tankers<br />

Amoco Cadiz. Durch solche<br />

Katastrophen wächst das Umweltbewusstsein<br />

vieler Menschen.<br />

146<br />

Vom 4. bis 7. Mai hält sich der sowjetische<br />

Staats- und Parteichef Leonid<br />

Breschnew zu einem Staatsbesuch in<br />

Bonn auf. Die stagnierende Ost-West-Entspannung<br />

soll neu belebt werden. ❑ Am<br />

16. Juli beraten die sieben westlichen Industrienationen<br />

bei dem Weltwirtschaftsgipfel<br />

in Bonn über die Wirtschaftspolitik.<br />

❑ Für ihre Förderung des Friedens im<br />

Na hen Osten zwischen Israel und den<br />

arabischen Staaten werden Menachem<br />

Begin und Anwar el Sadat mit dem Friedensnobelpreis<br />

ausgezeichnet. ❑ In Rom<br />

wird der Erzbischof von Krakau, Karol<br />

Kardinal Wojtyla, zum neuen Papst gewählt;<br />

er nennt sich Johannes Paul II. ■<br />

Auf dem Bundesvertretertag wird<br />

Regierungspräsident i. R. Dr. Josef<br />

Schneeberger zum neuen Präsidenten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es gewählt. ❑ Auf Bitte von<br />

Präsident Schneeberger spricht Bundeskanzler<br />

Schmidt beim Besuch des sowjetischen<br />

Staats- und Parteichefs Breschnew<br />

in Bonn auch das noch immer ungelöste<br />

Problem der deutschen Kriegsgräber in<br />

der Sowjetunion an. ❑ In der Fragestun -<br />

de des Bundestages am 13. April nimmt<br />

die Bundesregierung zum Problem die<br />

Kriegsgräberstätten in Ost- und Südosteuropa<br />

Stellung. Ihr Sprecher betont, dass<br />

die Bundesregierung in enger Zusammen<br />

arbeit mit dem <strong>Volksbund</strong> seit vielen<br />

Jahren bestrebt sei, die Frage der Errichtung<br />

und Betreuung von Soldatenfriedhöfen<br />

in Ost- und Südosteuropa zu re -<br />

geln. ❑ Die Ministerpräsidenten aller<br />

deutschen Bundesländer fassen in Bonn<br />

folgenden Beschluss:<br />

„Die Bundesregierung wird gebeten, bei<br />

den Staaten Osteuropas weiterhin nachdrücklich<br />

darauf hinzuwirken, dass eine<br />

für alle Seiten zufriedenstellende Regelung<br />

für die deutschen Kriegsgräber in<br />

diesen Staaten erreicht wird.” ❑ <strong>Das</strong> Ungarische<br />

Rote Kreuz sichert dem <strong>Volksbund</strong><br />

die Erhaltung aller deutschen Kriegsgräber<br />

in Ungarn zu. Bis Ende 1979 soll<br />

die 1969 begonnene Erfassung der deutschen<br />

Kriegsgräber abgeschlossen sein. ❑<br />

Bei einem Be such in Warschau spricht<br />

Bundesaußenminister Hans-Dietrich<br />

Genscher auch das Thema der Pflege<br />

deutscher Kriegsgräber in Polen an. ❑<br />

Generalsekretär Neumann führt Gespräche<br />

mit dem Leiter der Ständigen Vertretung<br />

der Bundesrepublik bei der Deut -<br />

schen Demokra ti schen Republik, Staatssekretär<br />

Günther Gaus, und mit Vertretern<br />

der evangelischen Kirche. Die Erhaltung<br />

und Pflege der Kriegsgräber auf<br />

dem Gebiet der DDR ist das Hauptthema.<br />

In der Bundesrepublik wohnende Angehörige<br />

dürfen zum Besuch von Kriegsgräbern<br />

in die DDR einreisen und bei den<br />

örtlichen Stellen Grabschmuck in Auftrag<br />

geben. ■<br />

Hanns-Günther Michel (rechts) ist<br />

einer der Mitgründer der Jugendarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. Der trostlose<br />

Zustand des Soldatenfriedhofes<br />

Cassino bewegte ihn 1950 so sehr,<br />

dass er kurz darauf mit weiteren jungen<br />

Leuten dort arbeitete, um den<br />

Friedhof in Ordnung zu bringen.<br />

Viele weitere Arbeitseinsätze – vor<br />

allem in Elsass-Lothringen – folgten.<br />

Michel ist auch Initiator des ersten<br />

Friedensseminars des <strong>Volksbund</strong>es<br />

bei einem Jugendeinsatz zur Pflege<br />

von deutschen Kriegsgräbern in Norwegen.<br />

Sein Engagement betrachtet<br />

er ganz nüchtern: „Was wir tun und<br />

was ich getan habe, ist ja nichts weiter<br />

als ein konkreter Auftrag. Etwas,<br />

das mit der Toleranz Ernst macht und<br />

an die Versöhnung glaubt.“<br />

Die Welt, in der wir leben, ist auch<br />

nach zwei Weltkriegen noch durch<br />

Krieg und Gewalt bestimmt. Dort<br />

wo Frieden herrscht, wird das leicht<br />

übersehen. Der <strong>Volksbund</strong> wendet<br />

sich mit diesem eigens für die Schularbeit<br />

entwickelten Plakat an die<br />

jüngere Generation.<br />

147


1979<br />

Sowjetische Truppen marschieren<br />

am 26. Dezember in Afghanistan<br />

ein. Der Widerstand afghanischer<br />

Rebellen wird später zu einem<br />

erbitterten Partisanenkrieg.<br />

Die Anhänger von Ayatollah<br />

Ruhollah Khomeini bereiten ihm bei<br />

seiner Rückkehr aus dem franzö -<br />

sischen Exil in den Iran einen begeisterten<br />

Empfang. Die Herrschaft von<br />

Schah Reza Pahlevi geht zu Ende.<br />

148<br />

Als Ergebnis der amerikanisch-ägyptisch-israelischen<br />

Verhandlungen in<br />

Camp David kommt es zum Abschluss<br />

des israelisch-ägyptischen Friedensvertrages.<br />

❑ In den neun Ländern der Europäischen<br />

Gemeinschaft finden die ersten<br />

Direktwahlen zum Europäischen Parlament<br />

statt. ❑ Der Bundestag hebt die Verjährungsfrist<br />

für Mord auf, damit auch<br />

künftig neu entdeckte NS-Verbrechen<br />

verfolgt werden können. ❑ Erstmals seit<br />

zehn Jahren wenden sich die evangeli-<br />

schen Kirchen der Bundesrepublik und<br />

der DDR in einer gemeinsamen Erklärung<br />

aus Anlass des Ausbruchs des Zweiten<br />

Weltkrieges vor 40 Jahren mit einem<br />

„Wort zum Frieden” an die Öffentlichkeit.<br />

❑ Die Dritten Programme des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Fernsehens strahlen den ameri ka -<br />

nischen Film „Holocaust” aus, in dem die<br />

erschütternde Geschichte der Judenvernichtung<br />

besonders eindrucksvoll dargestellt<br />

wird. ■<br />

Der <strong>Volksbund</strong> besteht 60 Jahre. Der<br />

Bundesvorstand veröffentlicht aus<br />

diesem Anlass eine Denkschrift zur Frage<br />

der 3,8 Millionen deutschen Kriegsgräber<br />

in den Staaten Ost- und Südosteuropas.<br />

Er stellt fest, dass seine Tätigkeit dort nach<br />

wie vor nicht möglich ist, und legt die<br />

gro ße Sorge um eine Lösung des drängen -<br />

den humanitären Problems der Kriegsgräberfürsorge<br />

erneut dar. ❑ Der Vertretertag<br />

verabschiedet folgende Resolution:<br />

„In Erinnerung an den 65. Jahrestag des<br />

Beginns des Ersten Weltkrieges,<br />

in Erinnerung an den 40. Jahrestag des<br />

Beginns des Zweiten Weltkrieges,<br />

im Bewusstsein der Verpflichtung, dem<br />

Frieden zu dienen, mahnt der <strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

eindringlich, der Opfer der Kriege und<br />

der Gewaltherrschaft im Sinne der Versöhnung<br />

der Völker und der Erhaltung<br />

des Friedens zu gedenken.”<br />

❑ Hoffnungen auf weitere Gespräche in<br />

Jugoslawien und Polen zerschlagen sich.<br />

❑ Der Bundesvorstand würdigt die Verdienste<br />

von Altbundespräsident Walter<br />

Scheel um die Kriegsgräberfürsorge mit<br />

der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft.<br />

❑ Bedeutsam für die Zusammenarbeit<br />

zwischen Volks bund und Bundeswehr ist<br />

ein Erlass des Bundesministers der Verteidigung,<br />

Dr. Hans Apel. ■<br />

Bundespräsident Karl Carstens übernimmt<br />

die Schirmherrschaft über den<br />

<strong>Volksbund</strong>. Er erklärt: „<strong>Das</strong> Wirken<br />

des <strong>Volksbund</strong>es geht weit über die<br />

Aufgaben der Fürsorge für die Kriegs -<br />

gräber hinaus. Durch seine Friedensarbeit<br />

unter dem Motto – Versöhnung<br />

über den Gräbern – trägt der<br />

<strong>Volksbund</strong> zum besseren Verständnis<br />

unter den Völkern in Europa bei.“<br />

(Foto links Präsident Dr. Josef<br />

Schneeberger und Bundespräsident<br />

Karl Carstens)<br />

Bei seinem Besuch in Rumänien legt<br />

Bundesaußenminister Hans-Dietrich<br />

Genscher im Oktober auf dem Friedhof<br />

„Pro Patria“ in Bukarest einen<br />

Kranz nieder. Dort ruhen 3 855 deutsche<br />

Soldaten des Ersten und Zweiten<br />

Weltkrieges.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erhält für seine<br />

völkerversöhnende Arbeit die Goldmedaille<br />

der französischen Société<br />

d’Encouragement au Bien.<br />

Am 4. Mai gedenkt der <strong>Volksbund</strong><br />

in der Bonner Beethovenhalle seiner<br />

Gründung vor 60 Jahren. Bundesinnenminister<br />

Gerhart Rudolf Baum<br />

hält die Ansprache: Er sei überzeugt,<br />

dass die Entspannung zwischen West<br />

und Ost auch die humanitäre Aufgabe<br />

der Kriegsgräberfürsorge einschließe.<br />

Die Bundesregierung wolle<br />

alles Erdenkliche dafür tun, dass<br />

diese Zukunftsaufgabe realisiert<br />

werden könne.<br />

149


Zusammenarbeit<br />

mit der<br />

Bundeswehr<br />

<strong>Deutsche</strong> Soldaten pflegen in<br />

ihrer Freizeit die Kriegsgräberstätte<br />

Götzendorf in Österreich.<br />

Seit ihrem Bestehen unterstützt die<br />

Bundeswehr die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Die Grundlage dafür bilden ein zwischen<br />

dem <strong>Volksbund</strong> und der Bundeswehr geschlossener<br />

Vertrag sowie der jeweils gültige<br />

Erlass des Verteidigungsministers. In<br />

diesem Erlass sind die Hilfeleistungen<br />

der Bundeswehr für den <strong>Volksbund</strong> definiert<br />

und geregelt. Die Bundeswehr hilft<br />

dem <strong>Volksbund</strong> beispielsweise bei der<br />

Haus- und Straßensammlung, bei Arbeitseinsätzen<br />

auf Kriegsgräberstätten,<br />

den Workcamps und bei verschiedenen<br />

Gedenkveranstaltungen sowie Benefizkonzerten.<br />

Ohne diese Hilfeleistungen der Bundeswehr<br />

müsste der <strong>Volksbund</strong> in einigen<br />

Bereichen erhebliche Einschränkungen<br />

hinnehmen. Durch die freiwillige<br />

Teilnahme von Soldatinnen und Soldaten<br />

der Bundeswehr an der Haus- und Straßensammlung<br />

wird jährlich im Schnitt<br />

ein Betrag von rund zwei Millionen Euro<br />

gesammelt (Stand: 2008). Der Anteil der<br />

Bundeswehr an der Pflege und der Instandsetzung<br />

von Kriegsgräberstätten im<br />

In- und Ausland ist ebenfalls erheblich. In<br />

nahezu allen Ländern Europas helfen Soldatinnen<br />

und Soldaten der Bundeswehr,<br />

diese Orte der Erinnerung und des Gedenkens<br />

in einem würdigen Zustand zu<br />

erhalten. Tausende von Angehörigen der<br />

Bundeswehr haben so Kriegsgräberstätten<br />

kennen gelernt und sind dem <strong>Volksbund</strong><br />

aufgrund dieser Erfahrungen besonders<br />

verbunden.<br />

Junge Menschen vieler Nationalitäten<br />

treffen sich Jahr für Jahr in den Workcamps,<br />

um Kriegsgräber zu pflegen und<br />

sich mit der gemeinsamen Vergangenheit<br />

zu beschäftigen. Die Bundeswehr stellt dabei<br />

Busse und Fahrer für die meisten dieser<br />

Jugendbegegnungen. An zahlreichen<br />

Gedenkveranstaltungen im In- und Ausland<br />

ist die Bundeswehr ebenso beteiligt.<br />

Sie stellt Kranzträger, Ehrenformationen<br />

und entsendet Musikkorps. Zusätzlich<br />

gibt es viele Benefizkonzerte mit Beteiligung<br />

von Musikkorps der Bundeswehr.<br />

Im Rahmen ihrer Möglichkeiten und<br />

Vorgaben ist die Bundeswehr in Einzelfällen<br />

auch für Hilfen ansprechbar, die nicht<br />

ausdrücklich im Erlass aufgelistet sind.<br />

Für die erforderlichen Genehmigungen<br />

findet der <strong>Volksbund</strong> bei der politischen<br />

und militärischen Führung der Bundeswehr<br />

stets ein offenes Ohr.<br />

Heute beschäftigt der <strong>Volksbund</strong> ehemalige<br />

Stabsoffiziere der Bundeswehr als<br />

Beauftragte für die Zusammenarbeit. Diese<br />

Bundeswehr-Beauftragten halten Verbindung<br />

zur Truppe, informieren über die<br />

Ziele, Aufgaben und Projekte, bieten organisatorische<br />

Unterstützung und koordinieren<br />

die Zusammenarbeit. Zugleich ist<br />

der <strong>Volksbund</strong> bestrebt, die Bedeutung<br />

der Kriegsgräberfürsorge in die Streitkräfte<br />

zu tragen.<br />

Zusammenarbeit mit den Reservisten<br />

Die Zusammenarbeit mit dem Verband<br />

der Reservisten der <strong>Deutsche</strong>n Bundeswehr<br />

e.V. (VdRBw) beruht auf einer<br />

gemeinsamen Vereinbarung vom 1. Februar<br />

1996. Für den <strong>Volksbund</strong> sind die<br />

Reservisten der Bundeswehr besonders<br />

wichtig. Es sind Mitbürgerinnen und Mitbürger,<br />

die ihre Erfahrungen mit der<br />

Kriegs gräberfürsorge in unsere Gesellschaft<br />

tragen. Reservisten helfen dem<br />

<strong>Volksbund</strong> – wie die Bundeswehr – bei<br />

der Pflege der Kriegsgräberstätten im Inund<br />

Ausland. Sie unterstützen ihn bei der<br />

Haus- und Straßensammlung und arbeiten<br />

freiwillig auf deutschen Kriegsgräberstätten.<br />

Bei der Sammlung erzielen sie<br />

jährlich ein Ergebnis von über 500 000 Eu -<br />

ro – mit steigender Tendenz (Stand: 2008).<br />

Mit der Auflösung vieler Standorte<br />

der Bundeswehr gewinnt die Arbeit der<br />

Reservisten zusätzlich an Bedeutung. Mit<br />

ihrer Hilfe sollen an diesen Orten zu erwartende<br />

Ausfälle bei der Sammlung<br />

möglichst aufgefangen werden. Für die<br />

Betreuung der Reservisten setzt der <strong>Volksbund</strong><br />

Reservisten-Beauftragte ein. Ihre<br />

Aufgabe ist insbesondere die Informationsarbeit.<br />

Auch der VdRBw engagiert<br />

sich zunehmend für die Friedensarbeit<br />

der deutschen Kriegsgräberfürsorge. Der<br />

<strong>Volksbund</strong> ist bestrebt, diese Zusammenarbeit<br />

noch zu intensivieren. ■<br />

Seit Beginn der Partnerschaft zwischen<br />

<strong>Volksbund</strong> und Bundeswehr<br />

vor über 50 Jahren leisten die freiwilligen<br />

Helfer in Uniform etwa<br />

100 Arbeitseinsätze jährlich.<br />

So wie Generalmajor Johann Oppitz<br />

engagieren sich viele Soldatinnen<br />

und Soldaten der Bundeswehr sowie<br />

Reservisten bei der jährlichen Hausund<br />

Straßensammlung.<br />

151


1980<br />

152<br />

Bei der Eröffnung der Olympischen<br />

Spiele in Moskau fehlen 40 Nationen,<br />

die ihre Meldung wegen des sowjetischen<br />

Einmarsches in Afghanistan zurück<br />

gezogen haben. ❑ In Jugoslawien<br />

stirbt Staatspräsident Josip Brosz Tito.<br />

Damit ist der Zerfall des Vielvölker staates<br />

vorgezeichnet. ❑ Der erste Golfkrieg –<br />

zwischen dem Iran und dem Irak – beginnt.<br />

❑ Die DDR erhöht den sogenannten<br />

Zwangsumtausch für Westbesucher<br />

auf 25 Mark pro Tag. ■<br />

Der Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Bundestages,<br />

Richard Stücklen, gibt zum<br />

35. Jahrestag der Beendigung des Zweiten<br />

Weltkrieges am 8. Mai die folgende Erklärung<br />

zur Frage der deutschen Kriegsgräberfürsorge<br />

ab:<br />

„Wir gedenken am heutigen Tage,<br />

35 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges,<br />

der Opfer und ihrer Hinterbliebenen<br />

in tiefer Anteilnahme. Mit der Errichtung<br />

un seres demokratischen Staates haben wir<br />

die Folgen aus dem totalen Zusammenbruch<br />

gezogen. Die Bundesrepublik ist ein<br />

in der ganzen Welt geachtetes Mitglied der<br />

Staaten- und Völkergemeinschaft geworden.<br />

Mit dem Gedenken an die Opfer ver -<br />

binden wir den Appell, das Andenken der<br />

Toten aller Nationen im In- und Ausland<br />

zu respektieren. Wir beziehen in diesen<br />

Respekt die Pflege der letzten Ruhestätten<br />

von Millionen <strong>Deutsche</strong>n im In- und Ausland<br />

ein. Dankbar nehmen wir die Tatsache<br />

zur Kenntnis, dass die Gräber in zahl -<br />

reichen Ländern der Welt gepflegt werden<br />

können. Der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

hat sich dieser Verpflichtung<br />

vorbildlich angenommen. Wir be -<br />

dau ern, dass die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

noch immer erschwert ist. Ich möchte den<br />

heutigen Tag zum Anlass nehmen, an die<br />

Regierungen der osteuropäischen Länder,<br />

insbesondere an die Sowjetunion, zu appellieren,<br />

sich den humanitären Anliegen<br />

der Kriegs gräberfürsorge nicht zu verschließen.<br />

Es ist eine über die Grenzen<br />

hinausreichende Verpflichtung, die letzten<br />

Ruhestätten der Opfer in Würde und<br />

Humanität zu gestalten.“ ■<br />

Streikende Arbeiter der polnischen<br />

Lenin-Werft in Danzig (Gdansk).<br />

Der Vulkan Mount St. Helens in den<br />

USA bricht aus.<br />

Die politische Landschaft kommt in<br />

Bewegung – Gründung der Partei<br />

Die Grünen in Karlsruhe.<br />

Der Soldatenfriedhof Cuacos de Yuste<br />

ist die einzige deutsche Kriegsgräber -<br />

stätte in Spanien. Hier ruhen 26 Gefallene<br />

des Ersten sowie 154 Gefallene<br />

(Marine- und Luftwaffenange -<br />

hö rige) und verstorbene Inter nierte<br />

des Zweiten Weltkrieges.<br />

Bundespräsident Carstens besucht<br />

während einer Wanderung durch<br />

Hessen den Soldatenfriedhof Ludwig -<br />

stein (mit Stock: Minister präsident<br />

Holger Börner). Der Landesverband<br />

Hessen des <strong>Volksbund</strong>es hat die<br />

Grä berstätte unterhalb der Jugendburg<br />

Ludwigstein 1960/1961 angelegt.<br />

Hier ruhen 294 Kriegs tote aus<br />

verschiedenen Ländern, darunter<br />

auch Opfer der Gestapo.<br />

Alle Bemühungen, mit Albanien, Bul -<br />

ga rien, Polen, der Tschecho slowakei<br />

und der Sowjetunion über die deutschen<br />

Kriegsgräber ins Gespräch zu<br />

kommen, bleiben erfolglos. So wie<br />

dieses Gräberfeld in Suwalki/Polen<br />

mit jüdischen und moslemischen<br />

Gräbern sehen auch viele deut sche<br />

Friedhöfe aus: Die Kreuze sind verschwun<br />

den. Aber die Lage der Gräber<br />

ist noch immer erkennbar.<br />

153


1981<br />

Griechenland ist das zehnte Vollmitglied<br />

der Europäischen Gemeinschaft.<br />

❑ Papst Johannes Paul II. wird auf<br />

dem Petersplatz in Rom durch mehrere<br />

Schüsse schwer verletzt. ❑ Den Amerikanern<br />

gelingt der erste Weltraumflug mit<br />

der Raumfähre (Space Shuttle) „Columbia.“<br />

❑ Der NATO-Doppelbeschluss wird<br />

zu einer politischen Zerreißprobe. Helmut<br />

Schmidt und Hans-Dietrich Genscher<br />

drohen mit persönlichen politischen<br />

Konsequenzen, falls der Bundestag ihnen<br />

in der Frage der Raketennachrüstung<br />

nicht zustimmt. ❑ Am 11. Dezember treffen<br />

Bundeskanzler Schmidt und Staatsund<br />

Parteichef Honecker in der DDR zu<br />

Gesprächen zusammen. ❑ In Polen wird<br />

zur Niederschlagung der Solidarnosc-<br />

Bewegung (Gewerkschaft „Solidarität“)<br />

das Kriegsrecht verhängt. ■<br />

Der Vertretertag beschließt am<br />

24. Oktober in Mainz: „Die Bundesregierung<br />

wird gebeten, sie möge für die<br />

Errichtung eines zentralen Gedenk- und<br />

Mahnmals auf deutschem Boden besorgt<br />

sein. <strong>Das</strong> Gedenk- und Mahnmal soll<br />

Stätte des Gedenkens sein an alle Toten<br />

der Kriege und der Gewaltherrschaft,<br />

insbesondere an jene, deren Gräber unerreichbar<br />

sind. <strong>Das</strong> Gedenk- und Mahnmal<br />

soll zugleich Ort der Mahnung und<br />

der Besinnung sein, darauf, dass der<br />

Friede das höchste Gut der Menschheit<br />

ist.“ ❑ <strong>Das</strong> Ausbau programm der deutschen<br />

Kriegsgräberstätten des Ersten<br />

Weltkrieges in Frankreich wird abgeschlossen.<br />

150 000 Kreuze, Stelen und<br />

Platten kennzeichnen nun die Gräber der<br />

ca. 450 000 in Einzelgräbern bestatteten<br />

Kriegstoten. ❑ In mehr jähriger Arbeit<br />

haben Jugendliche und Bundeswehr auf<br />

der deutschen Kriegsgräberstätte Ysselsteyn/Niederlande<br />

über 31 000 Natursteinkreuze<br />

aufgestellt. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

erreicht in Verhandlungen mit dem Ungarischen<br />

Roten Kreuz im September, dass<br />

eine deutsche Kriegsgräberstätte im<br />

X. Bezirk von Budapest instand gesetzt<br />

wird. Auf dieser Anlage ruhen ca. 6 000<br />

Gefallene. ❑ Anlässlich der Bundesgartenschau<br />

in Kassel wird eine Freiluftausstellung<br />

entwickelt, die sechs Monate<br />

lang die Besucher über die weltweite<br />

<strong>Volksbund</strong>arbeit informiert. ■<br />

Erfolgreicher Start der Europarakete Ariane<br />

am 19. Juni in Kourou/Französisch- Guayana.<br />

An Bord: der euro päische Wettersatellit Meteosat 2.<br />

Bundesvertretertag 1981 in Mainz:<br />

Arbeitssitzung im großen Sitzungssaal<br />

des Neuen Rathauses. Bei der<br />

öffentlichen Veranstaltung im Festsaal<br />

des Kurfürstlichen Schlosses<br />

spricht Bundespräsident Carstens.<br />

Eine jugoslawische Delegation unter<br />

Leitung von Botschafter a. D. Prof. Dr.<br />

Gavro Altman besucht die Bundesgeschäftsstelle<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. Die<br />

Verhandlungen ergeben weit gehende<br />

Übereinstimmung in der grundsätzlichen<br />

Frage der Kriegsgräberfürsorge<br />

in Jugoslawien.<br />

Gedenkveranstaltung zum zehnten<br />

Jahrestag der Einweihung des Sol -<br />

datenfriedhofes Kitchener in Kanada.<br />

Auf dem deutschen Gräberfeld des<br />

„Woodland-Fried hofes“ ruhen 39 ver -<br />

storbene Kriegsgefangene des Ersten<br />

und 148 des Zweiten Weltkrieges.<br />

Sie wurden aus 30 kanadischen Gemeinden<br />

hierher umgebettet.<br />

155


Friedhöfe des<br />

Ersten Weltkrieges<br />

in Frankreich<br />

Die Kriegsgräberstätte Neuville-<br />

St. Vaast (44 833 Kriegstote) heute<br />

und in den 20er Jahren. Im Kameradengrab<br />

(rechts) ruhen 8 040 Gefallene.<br />

Die Namen der bekannten Toten<br />

sind auf Namentafeln verewigt.<br />

Besucher in Soupir (11 089 Kriegstote,<br />

Foto ganz rechts) und Consenvoye<br />

(11 146 Kriegs tote). Auf jedem<br />

Friedhof ist ein <strong>Buch</strong> mit den Namen<br />

der hier bestatteten Kriegstoten ausge<br />

legt. In Soupir befin det sich das<br />

Namenbuch in der Stele.<br />

Die Einzelgräber auf den Friedhöfen<br />

des Ersten Weltkrieges sind mit Steinoder<br />

Metallkreuzen gekennzeichnet.<br />

Unsere Bilder auf der rechten Seite<br />

zeigen einige Beispiele:<br />

St. Quentin (8 <strong>22</strong>9 Kriegstote; links<br />

oben); Rancourt (11 4<strong>22</strong> Kriegstote;<br />

rechts oben); Maissemy (30 478<br />

Kriegstote; links unten); Damvillers<br />

(1 113 Kriegstote; unten Mitte) und<br />

Illies (3 145 Kriegstote; ganz rechts).<br />

156<br />

Im Ersten Weltkrieg sind in Frankreich<br />

930 000 deutsche Soldaten gefallen. Obwohl<br />

eine große Anzahl der Gräber bei<br />

den Kampfhandlungen ver lorenging,<br />

kann der <strong>Volksbund</strong> Auskunft über fast<br />

760 000 Gefallene geben. Diese Toten liegen<br />

auf 192 Friedhöfen, 461 000 Gefallene<br />

in Einzel- und 294 000 Gefallene in Kameradengräbern.<br />

Die Gräber von 16 000 Ge -<br />

fallenen befinden sich auf Kriegs grä ber -<br />

stätten anderer Nationen und französischen<br />

Gemeindefried höfen. ■<br />

157


Pflegen heißt<br />

erhalten!<br />

158<br />

Die meisten vom <strong>Volksbund</strong> betreuten<br />

Kriegsgräberstätten liegen in<br />

Frankreich. Zur Organisation der<br />

Pflege sind sechs Pflegebezirke eingerichtet<br />

worden, zu denen jeweils<br />

ein Pflegehof mit dem nötigen Fahrzeug-<br />

und Maschinenpark gehört.<br />

Von hier aus starten die Friedhofs -<br />

arbeiter zu ihren Einsätzen.<br />

Die Erhaltung und Pflege der Friedhöfe<br />

mit ihren Gebäuden, Grab zeichen,<br />

Mauern, Wegen und Grünan -<br />

lagen ist eine umfangreiche und vielfältige<br />

Aufgabe: Gräben ziehen,<br />

Zäune reparieren, Bäume fällen und<br />

zer sägen, Rasenmähen, Grabzeichen<br />

reinigen, reparieren und neu setzen,<br />

Rasen aufhäufeln, Pflanzen setzen,<br />

Flächen und Wege planieren, Platten<br />

reinigen, ... Für dies alles und noch<br />

viel mehr ist der Pflegedienst des<br />

<strong>Volksbund</strong>es zuständig. Er wird tatkräftig<br />

unterstützt von den jungen<br />

Leuten in den Jugendlagern, von der<br />

Bundeswehr, von Schülergruppen<br />

und Freiwilligen, die für diesen guten<br />

Zweck gern etwas Zeit und auch<br />

Geld aufwenden. Der Dank an alle<br />

Helfer besteht in dem Lob, das die<br />

Pflege in vielen Briefen an den <strong>Volksbund</strong><br />

und in den Besucherbüchern<br />

auf den Friedhöfen erfährt.<br />

159


1982<br />

Am 2. April besetzen argentinische<br />

Truppen die zu Großbritannien<br />

gehörenden Falkland-Inseln. Ihr<br />

Besitz ist seit 150 Jahren umstritten.<br />

Am 21. Mai kapitulieren die<br />

argentinischen Streitkräfte vor den<br />

gelandeten Briten.<br />

160<br />

Am 1. Oktober wird Bundeskanzler<br />

Helmut Schmidt durch ein konstruktives<br />

Misstrauensvotum im Bundestag<br />

gestürzt. Dr. Helmut Kohl (CDU) wird<br />

zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik<br />

gewählt. ■<br />

Die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es findet<br />

Dank und Anerkennung aller Parteien<br />

bei einer Aussprache im Plenum des<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bundestages, die auf Antrag<br />

der Fraktion der CDU/CSU am 30. April<br />

stattfindet. In einem einstimmig gefassten<br />

Beschluss heißt es u. a., dass die Erfassung<br />

und Pflege deutscher Kriegsgräber<br />

nicht allein eine private Aufgabe des<br />

<strong>Volksbund</strong>es <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

sei, sondern im Interesse aller <strong>Deutsche</strong>n<br />

liege. Daher sei es Aufgabe der<br />

Bundesregierung, solange selbst die erforderlichen<br />

Verhandlungen zu führen,<br />

bis diese vom <strong>Volksbund</strong> fortgesetzt werden<br />

könnten. Besonders herausgehoben<br />

wird in der Debatte, dass die Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es die Verständigung, Versöhnung<br />

und den Frieden fördere. Dieses dokumentiere<br />

sich besonders in seiner Ju -<br />

gendarbeit. ❑ Eine Delegation des Vorstandes<br />

unter Leitung des Präsidenten<br />

besucht im März auf Einladung des So -<br />

w jetischen Roten Kreuzes die Sowjetunion.<br />

❑ Ein weiteres Gespräch mit Vertretern<br />

des Sowjetischen Roten Kreuzes schließt<br />

sich in Kassel an. Es werden Fotos von<br />

Gräbern deutscher Kriegsgefangener auf<br />

den Gefangenenfriedhöfen Tambow, Kirsanow<br />

und Morchansk mit der Erklärung<br />

überreicht, dass diese Friedhöfe künftig<br />

von deutschen Reisegruppen besucht wer -<br />

den dürfen. Außerdem erhält der <strong>Volksbund</strong><br />

Listen mit den Namen von 757 deut -<br />

schen Soldaten, die auf diesen Anlagen<br />

begraben sein sollen. ❑ Am 30. Juli stirbt<br />

Präsident Schneeberger. Der Vertretertag<br />

wählt am 18. Oktober in Kassel den bis-<br />

herigen Vorsitzenden des Landesverbandes<br />

Niedersachsen, Ver waltungspräsident<br />

a. D. Eduard Haßkamp, zu seinem Nachfolger.<br />

❑ Der Jugendausschuss als beratendes<br />

Gremium des Präsidiums begeht<br />

den 20. Jahrestag seiner Gründung. ■<br />

Gespräche des Bundesvorstandes<br />

mit dem Sowjetischen Roten Kreuz<br />

in Moskau.<br />

Kranzniederlegung auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />

Krasnogorsk und<br />

am Grab des Unbekannten Soldaten<br />

in Moskau.<br />

In Tarabya bei Istanbul/Türkei wird<br />

am 14. November eine Kriegsgräberstätte<br />

für 505 Gefallene des Ersten<br />

und 172 Gefallene des Zweiten<br />

Weltkrieges eingeweiht. Der <strong>Volksbund</strong><br />

hat hier alle in der Türkei bestatteten<br />

deutschen Kriegstoten<br />

zusammengebettet.<br />

161


1983<br />

<strong>Das</strong> Evangeliar Heinrichs des Löwen<br />

wird bei Sotheby’s in London im Auftrag<br />

der Bundesregierung und der<br />

Länder Bayern und Niedersachsen<br />

für 32,5 Millionen DM ersteigert.<br />

Bundespräsident Karl Carstens besucht<br />

das Grab des Dichters Gorch<br />

Fock auf der kleinen schwedischen<br />

Schäreninsel Stensholmen. Gorch<br />

Fock gehört zu den Opfern der<br />

Skagerrakschlacht 1916.<br />

Mit der Fertigstellung der Gebäude<br />

ist der Ausbau der Kriegsgräberstätte<br />

Neuville-St. Vaast in Frankreich (der<br />

größte deutsche Soldatenfriedhof des<br />

Ersten Weltkrieges) abgeschlossen.<br />

162<br />

<strong>Das</strong> 20jährige Bestehen des Vertrages<br />

über die deutsch-französische Zusammenarbeit<br />

wird feierlich begangen.<br />

Der französische Staatspräsident François<br />

Mitterrand spricht vor dem Bundestag;<br />

am Tag darauf nimmt Bundeskanzler Hel -<br />

mut Kohl an der Feierstunde im Pariser<br />

Elysée-Palast, dem Amtssitz des Staats präsidenten,<br />

teil. ❑ Der Bundestag beschließt<br />

im November gegen die Stimmen von<br />

SPD und Grünen, am NATO-Doppelbeschluss<br />

festzuhalten. ■<br />

Auf Initiative des <strong>Volksbund</strong>es bilden<br />

Vertreter von Vereinen und Verbänden<br />

ein Kuratorium zur Errichtung<br />

einer nationalen Mahn- und Gedenkstätte<br />

des deutschen Volkes auf dem Boden der<br />

Bundesrepublik Deutschland. Zum Vorsitzenden<br />

wird der <strong>Volksbund</strong>präsident<br />

gewählt. ❑ Dem Kuratorium gehören an:<br />

- <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber -<br />

fürsorge,<br />

- <strong>Deutsche</strong>s Rotes Kreuz,<br />

- <strong>Deutsche</strong>r Bundeswehrverband,<br />

- Bund der Vertriebenen,<br />

- Reichsbund der Kriegsopfer, Behinderten,<br />

Sozialrentner und Hinterbliebenen,<br />

- Ring deutscher Soldatenverbände,<br />

- Verband der Heimkehrer, Kriegsgefangenen<br />

und Vermisstenangehörigen<br />

Deutschlands,<br />

- Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer,<br />

Behinderten und Sozialrentner<br />

Deutschlands,<br />

- Zentralverband demokratischer Widerstandskämpfer-<br />

und Verfolgtenorganisationen.<br />

❑ Im Juli verhandelt eine Delegation des<br />

<strong>Volksbund</strong>es unter Leitung des Präsidenten<br />

in Moskau abermals mit dem Präsidi<br />

um des Sowjetischen Roten Kreuzes<br />

über deutsche Kriegsgräberstätten in der<br />

Sowjetunion. Die Vertreter des Sowjetischen<br />

Roten Kreuzes erklären wiederum,<br />

dass überirdisch erkennbare deutsche<br />

Soldatenfriehöfe aus der Kriegszeit nicht<br />

mehr vorhanden seien. Es könne aber<br />

sein, dass weitere Kriegsgefangenen friedhöfe<br />

gefunden würden. <strong>Das</strong> Sowjetische<br />

Rote Kreuz lehne es allerdings ab, dem<br />

<strong>Volksbund</strong> bei der Suche nach deutschen<br />

Kriegs gräberstätten zu helfen. ❑ Mit der<br />

Einweihung der Kriegsgräberstätte Oberwölbling/Österreich<br />

(4 059 Ge fallene) im<br />

September wird die neunte von insgesamt<br />

zehn im Bundesland Niederösterreich geplanten<br />

Anlagen fertiggestellt. Der <strong>Volksbund</strong><br />

hat in Österreich insgesamt 24 957<br />

Ge fallene auf Friedhöfen bestattet. Diese<br />

Arbeit mit Gesamt kosten von zehn Millionen<br />

DM ist aus Mitgliedsbeiträgen und<br />

Spenden vom <strong>Volksbund</strong> finanziert worden.<br />

Er arbeitet eng mit dem Österreichischen<br />

Schwarzen Kreuz (ÖSK) zusam -<br />

men. ❑ Auf spanischem Boden wird die<br />

einzige deutsche Kriegsgräberstätte Cuacos<br />

de Yuste (26 Gefallene des Ersten<br />

Weltkrieges, 154 Gefallene des Zweiten<br />

Weltkrieges) eingeweiht. ❑ Im Rahmen<br />

des Rei seangebotes für Freunde des <strong>Volksbund</strong>es<br />

können erstmals die vier Kriegsgefangenenfriedhöfe<br />

in der UdSSR besucht<br />

werden. ■<br />

Die Friedhöfe Oberwölbling/Öster -<br />

reich (4 059 Kriegstote des Zweiten<br />

Weltkrieges; oben) und Cuacos de<br />

Yuste/Spanien (180 Kriegstote beider<br />

Weltkriege; links) werden eingeweiht.<br />

163


164<br />

Die riesige Gedenkstätte mit der<br />

Figur der „Mutter Heimat“ auf dem<br />

Mamajew-Hügel in Wolgograd verherrlicht<br />

den sowjetischen Sieg in der<br />

Schlacht um Stalingrad.<br />

Diese Wand erinnert an die Kolonne<br />

der 110 000 deutschen Soldaten in<br />

die Kriegsgefangenschaft. Von ihnen<br />

sind nur ca. 5 000 nach Hause zurück -<br />

gekehrt. Viele deutsche Besucher legen<br />

hier zum Gedenken an ihre Angehörigen<br />

Blumen nieder.<br />

Über die von den deutschen Truppen<br />

ange leg ten Soldatenfriedhöfe in der<br />

Sowjetunion heißt es von sowjetischer<br />

Seite, sie seien nicht mehr vorhanden.<br />

Von den Kriegsgefangenen friedhöfen<br />

sind zum Besuch freigegeben (von oben):<br />

Morschansk (4 751 Kriegs tote),<br />

Kirsanow (1 555 Kriegstote),<br />

Krasnogorsk (211 Kriegstote) und<br />

Tambow (24 000 Kriegstote).<br />

Angehörige besuchen zum ersten Mal<br />

die Kriegsgräber in Tambow.<br />

165


1984<br />

166<br />

Die Gewerkschaft IG Druck und Papier<br />

ruft zum Streik für eine 35-Stunden-Woche<br />

auf. Er dauert 13 Wochen. ❑<br />

An der deutsch-deutschen Grenze werden<br />

die letzten Tötungsautomaten abge baut. ❑<br />

400 000 Anhänger der Friedens bewe gung<br />

demonstrieren in vielen Städten der Bundesrepublik<br />

gegen Aufrüs tung in Ost und<br />

West. ❑ Dr. Richard von Weizsäcker (CDU)<br />

wird Bundes präsident. ■<br />

Der italienische Staatspräsident Sandro<br />

Pertini empfängt den Präsidenten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. Er ist sehr interessiert<br />

an der Arbeit und den Problemen<br />

der deutschen Kriegsgräberfürsorge. ❑<br />

Aus Anlass des 40. Jahrestages der Landung<br />

der Alliierten in der Normandie<br />

veranstaltet der <strong>Volksbund</strong> auf der deutschen<br />

Kriegsgräberstätte La Cambe am<br />

8. Juni eine Gedenkfeier. ❑ Altbundes präsident<br />

Carstens wird für seine Unterstützung<br />

der Kriegsgräberfürsorge die Ehren -<br />

mitgliedschaft verliehen. ❑ Der Präsident<br />

nimmt an dem Treffen des Commonwealth-German-French<br />

Joint Committee<br />

(Gemeinsamer Ausschuss für Kriegsgräberfragen),<br />

in dem Erfahrungen und Meinungen<br />

ausgetauscht werden, teil. Bei<br />

dieser alle fünf Jahre stattfindenden Sitzung,<br />

die von der Commonwealth War<br />

Graves Commission diesmal in London<br />

ausgerichtet wird, sind auch die Botschafter<br />

der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Frankreichs und Australiens anwesend. ■<br />

Händedruck als Symbol der Versöhnung:<br />

Staatspräsident Mitterrand und<br />

Bundeskanzler Kohl vor dem Gebeinhaus<br />

auf dem Douaumont/Verdun.<br />

Bundeskanzler Kohl und der französische<br />

Staatspräsident Mitterrand besuchen<br />

am <strong>22</strong>. September den deut -<br />

schen Soldatenfriedhof Consenvoye<br />

nördlich von Verdun. Dieses erste<br />

Zusammentreffen eines deutschen<br />

Kanz lers und eines französischen<br />

Präsidenten auf einem deutschen<br />

Soldatenfriedhof hat der <strong>Volksbund</strong><br />

angeregt. Die Staatsmänner werden<br />

von Präsident Haßkamp begleitet.<br />

167


Der Soldatenfriedhof Cernay/<br />

Frankreich (7 485 Gefallene beider<br />

Weltkriege) wird fertiggestellt und<br />

unter großer Beteiligung der Bevöl kerung<br />

und von Veteranenverbänden<br />

eingeweiht.<br />

168<br />

Gedankenaustausch mit dem Bundespräsidenten:<br />

Präsident Eduard<br />

Haßkamp, Bundespräsident Richard<br />

von Weizsäcker, Vizepräsident<br />

Richard Wagner und Generalsekretär<br />

Hans-Günter Neumann (von links).<br />

Besucher im U-Boot-Ehrenmal<br />

Kiel-Möltenort. Der <strong>Volksbund</strong> lässt<br />

27 Bronzetafeln mit den Namen<br />

der gefallenen U-Boot-Fahrer des<br />

Ersten Weltkrieges anbringen.<br />

Gedenken an die Opfer der schweren<br />

Kämpfe um Monte Cassino vor 40 Jahren;<br />

auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />

ruhen 20 073 Gefallene.<br />

Eröffnung des Internationalen Seminars<br />

in Hilden (bei Düsseldorf). Gäste<br />

des <strong>Volksbund</strong>es aus dem In- und<br />

Ausland diskutieren über Fragen der<br />

Kriegsgräberfürsorge. Höhepunkt<br />

des Seminars ist die Teilnahme an<br />

der zentralen Gedenkveranstaltung<br />

zum Volkstrauertag in Bonn.<br />

Der Soldatenfriedhof La Cambe ist<br />

eine der sechs deutschen Kriegsgräberstätten<br />

in der Normandie.<br />

Präsident Haßkamp hält die Ansprache<br />

während der Gedenkveranstaltung<br />

am 8. Juni.<br />

169


Mit uns reisen Grabschmuck<br />

Jedes Jahr organisieren die Bundesgeschäftsstelle<br />

und die Landesverbände<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in Zusammenarbeit<br />

mit verschiedenen Touristikpartnern<br />

über 100 Reisen in viele<br />

Länder West- und Osteuropas mit<br />

mehreren tausend Teilnehmern. Besondere<br />

Schwerpunkte sind Gedenkfahrten<br />

und Reisen von Angehörigen<br />

zur Einweihung von Kriegsgräberstätten.<br />

Die Reiseprogramme orientieren<br />

sich an den Interessen und<br />

Ansprüchen der Reiseteilnehmer.<br />

Viele Reiserouten verlaufen nicht<br />

durch die gängigen Urlaubsgebiete,<br />

sondern führen in Gegenden, die<br />

abseits der Touristenströme liegen.<br />

Die Teilnehmer besuchen Kriegsgräberstätten<br />

verschiedener Nationen,<br />

besichtigen Denkmäler und Sehenswürdigkeiten<br />

und spüren, wie sehr<br />

die Ereignisse des Ersten und Zweiten<br />

Weltkrieges auch heute noch das<br />

Zusammenleben der europäischen<br />

Nationen bestimmen.<br />

170<br />

Der <strong>Volksbund</strong> schmückt im Auftrag<br />

der Angehörigen Kriegsgräber in<br />

aller Welt mit Kränzen oder Blumen.<br />

Sogar Daueraufträge sind möglich.<br />

Auf Wunsch werden auch Grabfotos<br />

zugesandt. Über 10 000 Menschen<br />

nutzen jedes Jahr dieses Angebot.<br />

Die geschmückten Gräber zeigen,<br />

dass die Opfer des Krieges nicht<br />

vergessen sind.<br />

171


1985<br />

172<br />

Spanien und Portugal treten nach<br />

achtjährigen Verhandlungen der Europäischen<br />

Gemeinschaft bei. ❑ Der amerikanische<br />

Präsident Reagan kommt in<br />

die Bundesrepublik und besucht am 5. Mai<br />

mit Bundeskanzler Kohl den Soldatenfriedhof<br />

Bitburg. Um diesen Besuch beginnt<br />

in der Öffentlichkeit ein Streit über<br />

die dort befindlichen Gräber von To ten<br />

der Waffen-SS. ❑ Der Bundespräsident<br />

hält auf einer gemeinsamen Veran staltung<br />

von Bundestag und Bundesrat eine<br />

auch international vielbeachtete Gedenkrede<br />

anlässlich des 40. Jahrestages der<br />

deutschen Kapitulation. Er sagt u. a.:<br />

„Wir alle, ob schuldig oder nicht, ob alt<br />

oder jung, müssen die Vergangenheit annehmen.<br />

Wir alle sind von ihren Folgen<br />

betroffen und für sie in Haftung genommen.<br />

Jüngere und Ältere müssen und<br />

können sich gegenseitig helfen zu verstehen,<br />

warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung<br />

wachzuhalten. Es geht nicht da -<br />

rum, Vergangenheit zu bewältigen. <strong>Das</strong><br />

kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht<br />

nachträglich ändern oder ungeschehen<br />

machen.Wer aber vor der Vergangenheit<br />

die Augen verschließt, wird blind für die<br />

Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit<br />

nicht erinnern will, der wird wieder<br />

anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“ ■<br />

Bei der Einweihung des neuen<br />

Kriegs museums in Ypern/Belgien,<br />

zu dessen Ausstattung der <strong>Volksbund</strong><br />

eine Serie von Großfotos deutscher<br />

Kriegsgräberstätten beigesteuert hat, bedankt<br />

sich der Präsident bei König Baudouin<br />

für die vertrauensvolle Zusam -<br />

menarbeit mit den belgischen Behörden<br />

und Institutionen. ❑ Der Parlamentarische<br />

Ring, dem Abgeordnete der Bundestagsfraktionen<br />

der CDU/CSU, der SPD<br />

und der FDP angehören, informiert sich<br />

in Italien auf den Kriegsgräberstätten<br />

Pomezia und Cassino über die Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. ■<br />

Boris Becker gewinnt als bislang<br />

jüngster Tennisspieler und als<br />

erster <strong>Deutsche</strong>r das Tennisturnier<br />

von Wimbledon.<br />

Besuch aus der Sowjetunion:<br />

Iwan Zeinalow legt zum ersten Mal<br />

am Grab seines Vaters auf dem<br />

sowjetischen Kriegsgefangenenfriedhof<br />

in Herleshausen Blumen nieder.<br />

Privataudienz im Vatikan: Papst<br />

Johannes Paul II. empfängt am<br />

9. Januar eine Delegation des <strong>Volksbund</strong>es;<br />

von links: Präsident Eduard<br />

Haßkamp, Papst Johannes Paul II.,<br />

Hans Niemeyer (Leiter der Geschäftsstelle<br />

Süd des <strong>Volksbund</strong>es), Hilde<br />

Haßkamp, Richard Wagner und<br />

Dr. Hans Kreß.<br />

Bundeskanzler Kohl legt in<br />

Tarabya/Türkei einen Kranz nieder.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> stellt nach mehrjähriger<br />

Arbeit ein Gedenkbuch fertig,<br />

das die Na men von 63 686<br />

deutschen Marinesoldaten enthält,<br />

die im Zweiten Weltkrieg auf See<br />

gefallen oder verschollen sind. Der<br />

Präsident überreicht dieses <strong>Buch</strong><br />

dem Präsidenten des <strong>Deutsche</strong>n Marinebundes,<br />

Konteradmiral a. D.<br />

Hans-Arend Feindt. <strong>Das</strong> Bild zeigt<br />

die Gedenkhalle im Marine-Ehrenmal<br />

Laboe.<br />

173


1986<br />

174<br />

Kurz nach dem Start explodiert die<br />

amerikanische Raumfähre Challenger.<br />

Alle sieben Besatzungsmitglieder,<br />

darunter zwei Frauen, kommen ums<br />

Le ben. Die NASA setzt daraufhin alle<br />

bemannten Raumflüge aus. ❑ Der schwe -<br />

dische Ministerpräsident Olof Palme<br />

wird in Stockholm von einem Unbekannten<br />

ermordet. ❑ In einem Kernkraftwerk<br />

in Tschernobyl, nördlich von Kiew in der<br />

UdSSR, schmilzt der Reaktorkern und<br />

verursacht die bisher größte Katastrophe<br />

in der Geschichte der Kernenergie. Auch<br />

in der Bundesrepublik werden erhöhte<br />

Strahlungswerte gemessen. ❑ Die DDR<br />

verlangt von in Ostberlin akkreditierten<br />

westlichen Diplomaten beim Grenzübergang<br />

nach Westberlin die Vorlage ihrer<br />

Diplomatenpässe anstelle der Dienstausweise.<br />

Großbritannien, Frankreich und<br />

die USA sehen darin einen Verstoß gegen<br />

den Viermächtestatus Berlins und bestehen<br />

auf Rücknahme dieser Anordnung.<br />

Die DDR macht daraufhin ihre Maßnahmen<br />

weitgehend rückgängig. ■<br />

Adolf Barth wird neuer Generalsekretär.<br />

❑ Der niederländische Generalmajor<br />

a. D. Frans Jan Gerard Brackel,<br />

ein ehemaliger Widerstandskämpfer, erhält<br />

für seine Verdienste um die Aussöhnung<br />

und den Erhalt der deutschen<br />

Kriegsgräber in den Niederlanden die<br />

Verdienstplakette des <strong>Volksbund</strong>es. ❑<br />

Der Bundespräsident gedenkt mit einer<br />

Kranzniederlegung auf dem deutschen<br />

Soldatenfriedhof in Budapest erstmals in<br />

einem Land des Warschauer Paktes der in<br />

Ungarn gefallenen deutschen Soldaten. ❑<br />

Die korporative Mitgliedschaft des Verbandes<br />

der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS<br />

(HIAG) löst in der Öffentlichkeit<br />

und im <strong>Volksbund</strong> heftige Diskussionen<br />

aus. Der Verband verzichtet auf seine<br />

Mitgliedschaft, um Schaden vom <strong>Volksbund</strong><br />

abzuwenden. ■<br />

Die Explosion des Kernreaktors in<br />

Tschernobyl ist ein Schock für die<br />

ganze Welt.<br />

Der französische Premierminister<br />

Jacques Chirac legt auf dem deutschfranzösischen<br />

Soldatenfriedhof<br />

Souain, auf dem Gefallene des Ersten<br />

Weltkrieges ruhen, einen Kranz nieder.<br />

Er begrüßt dort auch Teilnehmer<br />

eines Jugendlagers des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Jugendlager in Frankreich: In<br />

vielen Gemeinden freut man sich<br />

jedes Jahr auf die jungen Gäste<br />

aus Deutschland!<br />

Im September wird der deutsche<br />

Soldatenfriedhof Dely Ibrahim/<br />

Algerien (63 Gefallene des Ersten<br />

und 495 Gefallene des Zweiten Weltkrieges)<br />

eingeweiht. Es ist der letzte<br />

im Westen gebaute Friedhof. Auch<br />

auf der britischen Kriegsgräberstätte<br />

(unten) werden Kränze niedergelegt.<br />

175


1987<br />

Bevölkerungsexplosion:<br />

Am 11. Juli erblickt – statistisch<br />

gesehen – der fünfmilliardste Erdenbürger<br />

das Licht der Welt.<br />

176<br />

Der Staatsrat der <strong>Deutsche</strong>n Demokratischen<br />

Republik (DDR) verkündet<br />

eine allgemeine Amnestie für Strafgefangene.<br />

Gleichzeitig wird die Todesstra -<br />

fe abgeschafft. ❑ DDR-Staats- und Par teichef<br />

Erich Honecker besucht die Bundes -<br />

republik. ❑ Ein Sonderparteitag der SPD<br />

wählt Dr. Hans-Jochen Vogel zum neuen<br />

Parteivorsitzenden. Willy Brandt wird<br />

Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit. ❑ Auf<br />

der Welt gibt es nun fünf Milliarden Menschen.<br />

■<br />

Der Primas der römisch-katholischen<br />

Kirche in Polen, Josef Kardinal<br />

Glemp, besucht die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

in Lommel (Belgien). ❑ Während<br />

seines Aufenthaltes in der Sowjet -<br />

union besucht Bundespräsident Richard<br />

von Weizsäcker den deutschen Kriegsgefangenenfriedhof<br />

Ljublino. ❑ Der Vertretertag<br />

findet in Berlin statt. Der bisherige<br />

Erste stellvertretende Präsident, Hans-<br />

Otto Weber, wird zum neuen Präsidenten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es gewählt. ■<br />

Seine Königliche Hoheit, der Herzog<br />

von Kent, enthüllt einen Gedenkstein,<br />

der an 25 Jahre Freundschaft zwischen<br />

der Grafschaft Staffordshire und der<br />

Stadt Bremen erinnert.<br />

Bundespräsident von Weizsäcker auf<br />

dem Friedhof Ljublino.<br />

Der polnische Kardinal Glemp auf<br />

dem Friedhof Lommel/Belgien.<br />

Seit 20 Jahren besteht die Städtepartnerschaft<br />

zwischen Damvillers/<br />

Frankreich und Zierenberg/Hessen.<br />

Die Bürgermeister unterschreiben<br />

eine Freundschaftsurkunde. Wie<br />

viele andere Partnerschaften ist auch<br />

diese durch die Arbeit von Jugendlichen<br />

auf einem deutschen Soldatenfriedhof<br />

entstanden.<br />

177


1988<br />

Katastrophe auf dem Flugtag in<br />

Ramstein: Ein Flugzeug einer italienischen<br />

Kunstflugstaffel stürzt ab und<br />

explodiert in der Zuschauermenge.<br />

Über 50 Tote und 340 Verletzte sind<br />

zu beklagen.<br />

178<br />

Bei Demonstrationen während der<br />

Kundgebungen zum 69. Jahrestag<br />

der Ermordung von Rosa Luxemburg<br />

und Karl Liebknecht verhaftet der DDR-<br />

Staatssicherheitsdienst rund 120 Menschen.<br />

54 von ihnen werden zur Ausreise<br />

in die Bundesrepublik genötigt. ❑ Nach<br />

fast sechsjährigen Verhandlungen unterzeichnen<br />

die Außenminister der USA, der<br />

Sowjetunion, Pakistans und Afghanistans<br />

in Genf das Abkommen zur Lösung des<br />

Afghanistankonflikts. ❑ Ronald Reagan<br />

und Michail Gorbatschow treffen sich<br />

zum vierten Mal, diesmal in Moskau. Höhepunkt<br />

ist der Austausch der Ratifizierungsurkunden<br />

zum Vertrag über den<br />

Abbau von Mittelstreckenraketen. ■<br />

Bundesaußenminister Genscher besucht<br />

während eines Staatsbesuches<br />

in Polen den deutschen Soldatenfriedhof<br />

Humin/Erster Weltkrieg (etwa 60 Kilometer<br />

von Warschau entfernt) und legt<br />

dort einen Kranz nieder. ❑ Unter dem<br />

Motto „Jugend überwindet Grenzen”<br />

empfängt Bundespräsident Richard von<br />

Weizsäcker in Bonn über 2 000 junge<br />

Menschen. Darunter ist auch eine Gruppe<br />

des <strong>Volksbund</strong>es mit Jugendlichen aus<br />

Norwegen, Dänemark, Belgien, Frankreich,<br />

Portugal, Italien, Großbritannien,<br />

Österreich und der Bundesrepublik<br />

Deutschland. ❑ Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />

begleitet Bundeskanzler Kohl auf<br />

dessen Reise in die Sowjetunion und hat<br />

Gelegenheit, mit dem Ersten Stellvertretenden<br />

Präsidenten des „Verbandes der<br />

sowjetischen Gesellschaft vom Roten<br />

Kreuz und Roten Halbmond,“ Tjuladin,<br />

zu sprechen. ❑ Anlässlich des fünfzigsten<br />

Jahrestages der Reichspogromnacht wird<br />

die Frage des Gedenkens und der Behandlung<br />

der Gräber von Kriegstoten<br />

aufgeworfen, die Soldaten der Wehrmacht,<br />

der Waffen-SS oder Angehörige<br />

von SS-Dienststellen und mutmaßliche,<br />

wenn auch nicht verurteilte Kriegsverbrecher<br />

waren. Der <strong>Volksbund</strong> erklärt dazu:<br />

„Kriegstote haben nach nationaler und<br />

internationaler Rechtslage ein dauerndes<br />

Ruherecht, das heißt, die jeweiligen Länder<br />

haben die Verpflichtung, ihre Gräber<br />

zu registrieren, zu sichern und zu erhalten.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> distanziert sich und<br />

verurteilt alle, die während des NS-Regimes<br />

Unmenschlichkeiten verübt haben.<br />

Aber gute oder böse Tote gibt es nicht. Sie<br />

sind der irdischen, von Menschen gestalteten<br />

Gerechtigkeit entzogen. Friedhöfe<br />

sind keine Gerichtsstätten. Sie lassen uns<br />

aber erfahren, dass es Friede und Versöhnung<br />

gibt. Sie lassen uns trauern und erinnern<br />

zugleich, wozu der Mensch immer<br />

fähig ist: zur Rache, zur Plünderung, zu<br />

Mord, zu Vergewaltigung, zur Tötung<br />

wehrloser Menschen – und auch zu humanitä<br />

rem Handeln.” ❑ Trotz Aufnahme<br />

offizieller diplomatischer Beziehungen<br />

zwischen der Bundesrepublik Deutschland<br />

und der Volksre publik Albanien gelingt<br />

es nicht, die Fra ge der Gräberfür -<br />

sorge für die ca. 3 600 in Albanien ruhenden<br />

deutschen Soldaten zu klären. ❑ Bulgarien<br />

sagt dem <strong>Volksbund</strong> die Instand -<br />

setzung des deutschen Soldatenfriedhofes<br />

in Sofia zu. ❑ Der während des Iran-<br />

Irak-Konflikts von Bomben getroffene<br />

deutsche Soldatenfriedhof in Bagdad/<br />

Irak wird wieder hergerichtet. ❑ Erstmals<br />

nehmen sowjetische Jugendliche an ei -<br />

nem internationalen Jugendlager des<br />

<strong>Volksbund</strong>es teil. ■<br />

Jugendempfang beim Bundespräsidenten<br />

im Garten der Villa Hammerschmidt:<br />

Richard von Weizsäcker am<br />

Stand der <strong>Volksbund</strong>jugend.<br />

Der Bundespräsident besucht<br />

während seiner Reisen nach Bulgarien<br />

und Luxemburg die deutschen<br />

Soldatenfriedhöfe in Sofia (ganz<br />

links) und Sandweiler (links).<br />

Während seines Staatsbesuches in<br />

der UdSSR legt Bundeskanzler Kohl<br />

auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />

Ljublino einen Kranz nieder.<br />

179


U-Boot-Ehrenmal<br />

Kiel-Möltenort<br />

Gedenkfeier zum<br />

50-jährigen Bestehen – Ansprache<br />

von Präsident Hans-Otto Weber.<br />

Gedenkveranstaltung zum<br />

50-jährigen Bestehen des Ehrenmals.<br />

180<br />

Auf der ehemaligen Möltenorter<br />

Schanze – dort wo sich die Kieler Förde<br />

stark verengt – steht das U-Boot-Ehrenmal<br />

Möltenort, die Gedenkstätte für die<br />

Gefallenen der deutschen U-Boot-Waffe.<br />

Die der See zugewandte Vorderfront<br />

des Bauwerks wird in der Mitte überragt<br />

von einer 15 Meter hohen Säule. Darauf<br />

angebracht ist die U-Boot-Fahrer-Spange.<br />

Auf der Spitze steht ein 12,4 Tonnen schwe -<br />

rer, aus verkupfertem Eisen geformter Adler<br />

mit 4,55 Metern Spannweite. Die beiden<br />

seitlichen Hallen sind dem Gedenken<br />

an die Toten beider Krie ge gewidmet. Sie<br />

werden durch einen halbkreisförmigen,<br />

in die Erde eingelassenen Umgang verbunden.<br />

Ursprünglich waren die Namen der mit<br />

199 U-Booten der Kaiserlichen Mari ne untergegangenen<br />

5 249 Gefallenen in Ehren -<br />

büchern vermerkt, die in einer vergit ter -<br />

ten Nische der Halle aufbewahrt wur den.<br />

In gleicher Weise will man nach dem Zwei -<br />

ten Weltkrieg die Namen der über 30 000<br />

ge fallenen Soldaten auf 739 U-Booten ein-<br />

schließlich der Einzelverluste festhalten.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat angesichts der Tatsache,<br />

dass keine andere Waffengattung solche<br />

relativ hohen Menschenverluste hin -<br />

nehmen musste und dies der Nachwelt<br />

anschaulich dargestellt werden soll, einen<br />

anderen Vorschlag: Es sollen sämtliche bekannten<br />

Namen der gefallenen U-Boot-<br />

Fahrer auf Bronzeplatten verewigt werden.<br />

1970 werden 89 Tafeln am äußeren<br />

Rundbogen der Öffentlichkeit übergeben.<br />

1984 folgen weitere 27 Bronzetafeln am<br />

inneren Rundbogen, hier für die gefallenen<br />

U-Boot-Fahrer des Ersten Weltkrieges.<br />

1992 werden Ergänzungstafeln für<br />

die gefallenen Kleinst-U-Boot-Fahrer an -<br />

gebracht.<br />

Diese Anlage des <strong>Volksbund</strong>es wird<br />

unterhalten und betreut durch die Mitglieder<br />

der U-Boot-Kameradschaft Kiel<br />

und durch die Stiftung U-Boot-Ehrenmal<br />

Möltenort.<br />

An einer der eindrucksvollsten Gedenkstätten<br />

für Kriegstote legen sehr viele Besuchergruppen<br />

und Angehörige Kränze<br />

und Blumenschalen nieder. Die Vielzahl<br />

der verewigten Namen zeigt das schreckliche<br />

Ausmaß der furchtbaren U-Boot-<br />

Kriege. Die meisten Opfer liegen unerreichbar<br />

in gesunkenen U-Booten auf dem<br />

Meeresgrund. ■<br />

Über eine Millionen Menschen besuchen<br />

jedes Jahr die Marine-Gedenkstätte<br />

in Laboe, teils aus Erinnerung an ihre gefallenen<br />

Familienangehörigen, aber auch,<br />

um den Ausblick vom Turm, dessen Spit -<br />

ze 85 Meter über dem Meeresspiegel<br />

liegt, zu genießen.<br />

Von der Größe und Gestaltung sowie<br />

von der Lage her betrachtet, gehört dieses<br />

Bauwerk an der Kieler <strong>Buch</strong>t zu einer der<br />

eindruckvollsten Gedenkstätten für Kriegstote<br />

in Deutschland.<br />

Der Turm gleicht einem Schiffsbug.<br />

Der Architekt des Ehrenmals, Prof. Munzer,<br />

interpretiert sein Modell seinerzeit so:<br />

Es sei „eine Flamme, die zum Himmel<br />

strebt, verwurzelt mit den Ufern und der<br />

See, ein leuchtendes Fanal.“<br />

1927 legt Admiral Scheer, der damalige<br />

Ehrenpräsident des <strong>Deutsche</strong>n Marinebundes,<br />

den Grundstein. 1936 werden<br />

die Bauarbeiten abgeschlossen.<br />

<strong>Das</strong> Mahnmal dient dem Gedenken<br />

aller auf See gebliebenen Marineangehörigen.<br />

Die meisten Schiffe dippen deshalb<br />

beim Einlaufen oder Verlassen der Kieler<br />

Förde in Höhe des Marine-Ehrenmals die<br />

Flagge – eine international übliche Respektbezeugung.<br />

Im Turm – auf Erdgeschosshöhe – be -<br />

findet sich die Gedenkhalle. An deren<br />

Wän den erblickt der Besucher die Schattenrisse<br />

aller in den beiden Weltkriegen<br />

gesunkenen Schiffe der Marine. 35 000 Seesoldaten<br />

sind im Ersten Weltkrieg gefallen;<br />

120 000 waren es im Zweiten Welt -<br />

krieg. Ihre Namen sind in Gedenkbüchern<br />

verzeichnet.<br />

Die unterirdisch angelegte Gedenkhal -<br />

le ist als Ort der Besinnung und der inneren<br />

Sammlung gedacht. In der Histori -<br />

schen Halle kann sich der Besucher über<br />

die Entwicklung der Schifffahrt und der<br />

Geschichte der deutschen Marine informieren.<br />

Eine Bronzetafel erinnert daran,<br />

dass 1945 förmlich in letzter Minute über<br />

zwei Millionen Flüchtlinge und Verwundete<br />

aus Ost- und Westpreußen über See<br />

gerettet wurden. ■<br />

<strong>Das</strong> Foto oben zeigt die Gedenkfeier<br />

des <strong>Volksbund</strong>es zum 70-jährigen<br />

Bestehen des U-Boot-Ehrenmals in<br />

Kiel-Möltenort.<br />

Vor dem Marine-Ehrenmal Laboe<br />

liegt seit 1972 das U-Boot 995. Die<br />

Besucher erhalten einen anschaulichen<br />

Eindruck davon, unter welchen<br />

Umständen die Besatzungen lebten –<br />

und starben.<br />

Marine-Ehrenmal<br />

Laboe<br />

<strong>Das</strong> Marine-Gedenkbuch enthält fast<br />

64 000 Namen von gefallenen oder<br />

vermissten Angehörigen der Kriegsmarine<br />

im Zweiten Weltkrieg, die<br />

keine Grabstätte an Land haben.<br />

181


1989<br />

Im Juni besucht der sowjetische<br />

Staats- und Parteichef Gorbatschow<br />

die Bundesrepublik. Politischer Höhepunkt<br />

der Visite ist die Unterzeichnung<br />

einer „Gemeinsamen Erklä rung“<br />

durch Gorbatschow und Bundeskanzler<br />

Kohl. Die UdSSR bekräftigt<br />

darin erstmals gegenüber einem<br />

westlichen Land das Recht eines<br />

jeden Staates, „das eigene politische<br />

und soziale System frei zu wählen.“<br />

182<br />

In Prag werden Demonstrationen gewaltsam<br />

von der Polizei aufgelöst.<br />

Zu den Demonstranten gehört der Dramatiker<br />

und Bürgerrechtler Václav Havel.<br />

Er wird zu neun Monaten Haft verurteilt,<br />

nach internationalen Protesten jedoch<br />

wieder entlassen. ❑ In der jugoslawischen<br />

Provinz Kosovo kommt es zu blutigen<br />

Unruhen, bei denen mindestens 20 Menschen<br />

getötet werden. Der Kosovokonflikt<br />

ist ein Vorbote für die eskalierenden<br />

Nationalitätenprobleme im Vielvölkerstaat<br />

Jugoslawien. ❑ Der Bundestag in<br />

Bonn verabschiedet ein Gesetz zur Verschärfung<br />

des Demonstrationsstrafrechts.<br />

❑ Ungarn beginnt mit dem Abbau von<br />

Überwachungsanlagen und Stacheldraht<br />

an der Grenze zu Österreich. ❑ Bei den<br />

Kommunalwahlen in der DDR stimmen<br />

nach offiziellen Angaben 98,85 Prozent<br />

für Kandidaten der Nationalen Front.<br />

Mehrere DDR-Bürger erstatten Anzeige:<br />

Die Wahlfälschung ist offenkundig. ❑ In<br />

der Sowjetunion finden Wahlen zum<br />

Kongress der Volksdeputierten statt. ❑<br />

Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

finden in Polen Parlamentswahlen statt,<br />

bei denen Kandidaten der Opposition zugelassen<br />

sind. Tadeusz Mazowiecki wird<br />

der erste nichtkommunistische Regierungschef<br />

in einem Land des Warschauer<br />

Paktes. ❑ Etwa 900 DDR-Bürger nutzen<br />

eine Veranstaltung der Paneuropäischen<br />

Bewegung an der österreichisch-ungarischen<br />

Grenze bei Sopron zu einer Flucht<br />

in den Westen. Dies ist die größte Massenflucht<br />

von DDR-Bürgern seit dem<br />

Mauerbau. Nachdem 130 DDR-Bürger in<br />

der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik<br />

in der DDR Zuflucht gesucht ha -<br />

ben, wird das Gebäude wegen Überfül -<br />

lung geschlossen. Im September lässt Ungarn<br />

etwa 10 000 DDR-Bürger nach Österreich<br />

ausreisen. Auch die DDR-Bürger,<br />

die sich in den Botschaften der Bundesrepublik<br />

Deutschland in Prag und Warschau<br />

aufhalten, können in die Bundesrepublik<br />

ausreisen. ❑ In Grünheide bei<br />

Ostberlin gründen 30 DDR-Regimekritiker<br />

die Reformbewegung „Neues Forum.“<br />

Es ist die erste landesweite Oppositionsgruppe<br />

in der DDR und die größte außerhalb<br />

der Evangelischen Kirche. ❑ Bei den<br />

offiziellen Feiern zum 40. Jahrestag der<br />

DDR-Gründung kommt es zu den größten<br />

Protestkundgebungen seit dem 17. Ju -<br />

ni 1953. Trotz der von der SED-Führung<br />

demonstrierten Härte versammeln sich<br />

am 9. Oktober bei der jetzt schon traditionellen<br />

Montagsdemonstration in der<br />

Leipziger Innenstadt 70 000 Menschen –<br />

eine Woche zuvor waren es 20 000. Am<br />

16. Oktober sind es 120 000 Menschen,<br />

die in Leipzig auf die Straße gehen und<br />

skandieren: „Wir sind das Volk.“ Am<br />

23. Oktober wird daraus zum ersten Mal:<br />

„Wir sind ein Volk.“ ❑ Am 18. Oktober<br />

tritt Erich Honecker als SED-Generalsekretär<br />

und DDR-Staatsratsvorsitzender<br />

zurück. Nachfolger ist Egon Krenz. ❑ Der<br />

amtierende ungarische Staatspräsident<br />

Matyas Szürös proklamiert in Budapest<br />

die Republik Ungarn. ❑ Am 9. November<br />

öffnet die DDR ihre Grenzen zur Bundesrepublik<br />

und nach Westberlin. Mauer<br />

und Stacheldraht trennen nicht mehr. Für<br />

die <strong>Deutsche</strong>n beginnt an diesem Tag<br />

eine neue Ära. ❑ <strong>Das</strong> letzte Todesopfer<br />

an der Mauer ist der <strong>22</strong>-jährige Chris<br />

Gueffroy, der am 6. Februar 1989 erschossen<br />

worden ist. ❑ Im November tritt die<br />

Führung der Kom munistischen Partei der<br />

Tschechoslowakei unter dem Druck anhaltender<br />

Massen proteste zurück. ❑<br />

Bundeskanzler Kohl verkündet vor dem<br />

<strong>Deutsche</strong>n Bundestag einen Zehn-Punkte-<br />

Plan zur Herstellung der Einheit Deutschlands.<br />

Er wird bei seinem ersten offiziellen<br />

Besuch der DDR in Dresden von Tausenden<br />

von Menschen – darunter viele<br />

mit Parolen zur deutschen Einheit und<br />

schwarz-rot-goldenen Fahnen – jubelnd<br />

begrüßt. ❑ <strong>Das</strong> Brandenburger Tor wird<br />

noch vor Weihnachten für den Fußgängerverkehr<br />

geöffnet. ❑ Vom 24. Dezember<br />

an werden im innerdeutschen Reise -<br />

verkehr Visum und Zwangsumtausch abgeschafft.<br />

❑ Der rumänische Staats- und<br />

Parteichef Nicolae Ceausescu – am <strong>22</strong>. Dezember<br />

durch einen Volksaufstand gestürzt<br />

– und seine Frau Elena werden hingerichtet.<br />

■<br />

Bürger der DDR flüchten in die<br />

Botschaft der Bundesrepublik in<br />

Osteuropa. Sie wollen damit die<br />

Ausreise in die Bundesrepublik<br />

erzwingen. Unser Bild zeigt die<br />

dramatischen Szenen vor der Botschaft<br />

in Prag, die von 3 000 Menschen<br />

„belagert“ wird.<br />

Frankreich feiert 200 Jahre<br />

Französische Revolution.<br />

Die letzten sowjetischen Truppen<br />

verlassen Afghanistan.<br />

14 000 Sow jetsoldaten sollen während<br />

der neunjährigen Besetzung ihr<br />

Leben verloren haben. Die Zahl der<br />

afghani schen Toten ist unbekannt.<br />

Mit einem Blutbad beendet das<br />

chine sische Militär in Peking<br />

die seit Mitte April anhaltenden<br />

Massenpro teste für Demokratie<br />

und Menschenrechte.<br />

183


„Nun wächst<br />

zusammen,<br />

was zusammen<br />

gehört!“<br />

(Willy Brandt)


<strong>Das</strong> erste Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in der Sowjetunion findet in Tambow<br />

statt. Die jungen Leute pflegen<br />

die Gräber deutscher Kriegs gefangener<br />

und bringen Namentafeln an.<br />

186<br />

Präsident Weber überreicht im April<br />

dem sowjetischen Botschafter in der<br />

Bundesrepublik Deutschland, Julij<br />

Kwizinskij, 53 Bände mit den Namen<br />

von 339 671 russischen bzw. sowjetischen<br />

Opfern der beiden Weltkriege.<br />

Es handelt sich um eine Zusammenstellung<br />

der Namen von Soldaten, die<br />

in Kriegsgefangenschaft umgekommen<br />

sind, und von Zwangsver schleppten,<br />

die infolge Krankheit, Hunger<br />

oder durch direkte Kriegseinwirkungen<br />

gestorben und auf Friedhöfen in<br />

der Bundesrepublik bestattet sind.<br />

Im April nimmt der <strong>Volksbund</strong> Arbeitsbeziehungen<br />

zum Tschechoslowakischen<br />

Roten Kreuz auf. Über diese<br />

Verbindung wird der Wunsch der Stadtverwaltung<br />

von Liptovsky-Mikulas bekannt,<br />

73 deutsche Kriegsgräber wegen<br />

Wohnungsbaumaßnahmen auf den örtlichen<br />

Friedhof umzubetten. ❑ Der Vertretertag<br />

in Bonn steht unter dem Zeichen<br />

des siebzigjährigen Bestehens des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Der Bundeskanzler würdigt in<br />

seiner Ansprache das Engagement des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. ❑ Zum Auftakt des Staatsbesuchs<br />

von Michail Gorbatschow in der<br />

Bundesrepublik übergibt der sowjetische<br />

Botschafter in Bonn dem Präsidenten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es und dem Generalsekretär<br />

des <strong>Deutsche</strong>n Roten Kreuzes Listen mit<br />

992 Namen der auf vier Friedhöfen – in<br />

Kasan, Jelabuga, Kagan und Kokand –<br />

bestatteten deutschen Kriegsgefangen.<br />

Dies ist ein großer Erfolg der internationalen<br />

Zusammenarbeit. ❑ Während des<br />

Staatsbesuchs von Bundeskanzler Kohl in<br />

Polen, an dem auch Präsident Weber teilnimmt,<br />

wird folgende gemeinsame Erklärung<br />

abgegeben:<br />

„Beide Seiten stimmen darin überein,<br />

dass die Möglichkeit, Gräber der Toten<br />

der Kriege aufzusuchen, zu erhalten und<br />

zu pflegen, eine ausschlaggebende, weil<br />

die Gefühle der Menschen unmittelbar<br />

berührende Bedeutung hat. Sie nehmen<br />

deshalb mit besonderer Befriedigung<br />

zur Kenntnis, dass die beiderseitigen<br />

Rot-Kreuz-Gesellschaften unter Beteiligung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

und des Ministeriums<br />

für Raum ordnung und Bauwesen der<br />

Volksrepublik Polen dazu inzwischen<br />

Kontakte aufgenommen haben und die<br />

Gründung einer Arbeitsgruppe beabsichtigen.<br />

Sie werden diese Zusammenarbeit<br />

fördern.”<br />

Die politische Entwicklung in Ost- und<br />

Südosteuropa ermöglicht die Teilnahme<br />

von 31 Polen, 40 Bürgern der UdSSR und<br />

drei Ungarn an den Internationalen Jugendlagern<br />

in der Bundesrepublik. ■<br />

Im Mai besucht Präsident Weber<br />

auf Einladung der Stadt Riga die<br />

lettische Hauptstadt. Anlass der<br />

Gespräche ist der Wunsch der Stadt,<br />

den <strong>Volksbund</strong> in die Entscheidung<br />

über die Zukunft eines Teiles des<br />

„Großen Friedhofes“ in Riga (oben)<br />

einzubeziehen. Dort sind 443 in<br />

Kriegsgefangenschaft verstorbene<br />

deutsche Soldaten bestattet.<br />

Gedenkveranstaltung in Bonn zum<br />

70-jährigen Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Zu den Ehrengästen gehört<br />

Altbundespräsident Carstens. Bundeskanzler<br />

Kohl hält die Ansprache.<br />

<strong>Deutsche</strong>s Gräberfeld in<br />

Humenné/Tschechoslowakei.<br />

Die neugestiftete Albert-Schweitzer-<br />

Plakette ist die höchste vom <strong>Volksbund</strong><br />

vergebene Auszeichnung.<br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber in Kelevic/<br />

Un garn. Wie in Polen helfen Einheimische<br />

im Auftrag des <strong>Volksbund</strong>es<br />

bei der Pflege von Einzelgräbern<br />

oder kleinen Gräberfeldern.<br />

187


Kriegsgräber<br />

in Berlin und<br />

in den neuen<br />

Bundesländern<br />

In den neuen Bundesländern gibt<br />

es nach den Unterlagen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

Kriegsgräber in 6 442 Gemeinden.<br />

Die Zahl der Opfer des<br />

Zweiten Weltkrieges beträgt etwa<br />

200 000, von denen 110 000 namentlich<br />

erfasst sind. In der Karte<br />

sind rund 120 Orte mit größeren<br />

Anlagen eingezeichnet.<br />

188<br />

Auf dem Gebiet der DDR hatte der<br />

<strong>Volksbund</strong> keinerlei Zuständigkeit. Nominell<br />

sah eine innerstaatliche Verordnung<br />

Regelungen für alle Fragen der<br />

Fürsorge für deutsche und ausländische<br />

Kriegsgräber vor. In der Praxis wurden<br />

aufgrund ideologischer Vorbehalte die<br />

deutschen Kriegsgräber stark vernachlässigt.<br />

Alle Bemühungen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

um eine angemessene Pflege waren, trotz<br />

Einschaltung der Ständigen Vertretung<br />

der Bundesrepublik, ergebnislos.<br />

Vor diesem Hintergrund bleibt seit<br />

1949 nur der inoffizielle Weg über den<br />

Bund der Evangelischen Kirchen in der<br />

DDR, Abteilung Gräberfürsorge. Der<br />

Name Kriegsgräberfürsorge darf nicht<br />

verwendet werden.<br />

Über diese Stelle steht der <strong>Volksbund</strong><br />

mit <strong>22</strong> sogenannten Vertrauensleuten, unter<br />

ihnen 16 Pfarrer, in Verbindung. Sie<br />

vermitteln Grabschmuckwünsche und<br />

Anfragen aus der Bundesrepublik in die<br />

DDR und umgekehrt. Außerdem berich-<br />

ten sie über den Zustand der Kriegsgräberanlagen<br />

sowie über private Initiativen<br />

zur Erhaltung der Gräber und sorgen<br />

selbst für die Instandhaltung.<br />

Im Rahmen dieser Kontakte arbeiten<br />

auch eine drei Personen umfassende „Grä -<br />

berbrigade“ mit finanzieller Unterstützung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es an der Pflege und<br />

Instandsetzung deutscher Kriegsgräber<br />

auf 60 kirchlichen Friedhöfen im Bereich<br />

des Oderbruchs.<br />

In mehreren Orten ist es mit finanzieller<br />

Hilfe des <strong>Volksbund</strong>es und dank des persönlichen<br />

Einsatzes von Bundesbürgern<br />

möglich, Gräber- und Friedhofsanlagen<br />

herzurichten und die Belegung dau erhaft<br />

mit Bronzetafeln zu dokumentieren. Die<br />

evangelische Kirche Bayerns stellt Grabkreuze<br />

zur Verfügung. Als außerordentlich<br />

hilfreich erweisen sich Kontakte zu<br />

engagierten Helfern in der DDR, über die<br />

den <strong>Volksbund</strong> Informationen über den<br />

Zustand von weiteren Friedhöfen erreichen,<br />

besonders aus Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Sachsen und Brandenburg.<br />

Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen des<br />

<strong>Volksbund</strong>es sorgen für den Kontakt zwischen<br />

dem <strong>Volksbund</strong> und dem Bund der<br />

Evangelischen Kirchen. Grenzüberschreitend,<br />

immer in Sorge vor Aktivitäten des<br />

DDR-Staatssicherheitsdienstes, übermitteln<br />

sie mündliche Informationen, bringen<br />

Friedhofslisten, <strong>Volksbund</strong>unterlagen<br />

und Anfragen von Angehörigen in die<br />

damalige DDR.<br />

Unterstützt werden sie von Mitarbeitern<br />

der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik<br />

in Ostberlin, die – unter den<br />

Augen der DDR-Organe – brisantes Material<br />

im Diplomatengepäck über die Grenze<br />

bringen. All dies ist Geschichte. Denn<br />

ein Regime, das die Trauer um die eigenen<br />

Kriegstoten verbietet, ist bereits im<br />

Fundament marode. ■<br />

Der Waldfriedhof Halbe in Bran denburg<br />

ist der größte deutsche Soldatenfriedhof<br />

im Inland. Hier ruhen<br />

insgesamt 28 000 Kriegstote, darunter<br />

zahlreiche Opfer der letzten<br />

Kämpfe im Raum Berlin und des sowjetischen<br />

Internierungslagers Ketschendorf<br />

aus der Nachkriegszeit.<br />

Inzwischen hat der <strong>Volksbund</strong> die<br />

Pflege dieser bedeutenden Anlage<br />

übernommen.<br />

189


1990<br />

Weltgeschichte in gelockerter Atmosphäre<br />

– die letzten Hindernisse auf<br />

dem Weg zur deutschen Einheit sind<br />

beseitigt.<br />

190<br />

Bundeskanzler Kohl und Außenminister<br />

Genscher kehren erfolgreich<br />

von einem Blitzbesuch aus Moskau zurück.<br />

Der sowjetische Staats- und Parteichef<br />

Michail Gorbatschow stellt sich der<br />

deutschen Einheit nicht länger in den<br />

Weg. Es sei Sache der <strong>Deutsche</strong>n, den<br />

Zeitpunkt und den Verlauf der Einigung<br />

selbst zu bestimmen. ❑ Die ersten freien<br />

Wahlen in der DDR enden mit einer Sensation.<br />

Die konservative Allianz für<br />

Deutschland, ein Bündnis der <strong>Deutsche</strong>n<br />

Sozialen Union (DSU), der DDR-CDU<br />

und des Demokratischen Aufbruchs (DA),<br />

verfehlt nur knapp die absolute Mehrheit.<br />

❑ Neuer Ministerpräsident der DDR wird<br />

der CDU-Vorsitzende Lothar de Maizière.<br />

Seiner Regierung gehören sämtliche Parteien<br />

der Allianz für Deutschland sowie<br />

Liberale und Sozialdemokraten an. ❑ Auf<br />

den saarländischen Ministerpräsidenten<br />

Oskar Lafontaine und Bundesinnenminister<br />

Wolfgang Schäuble werden Attentate<br />

verübt. Beide überleben. ❑ Am 18. Mai<br />

wird in Bonn der Staatsvertrag über die<br />

Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion<br />

zwischen der Bundesrepublik und der<br />

DDR unterzeichnet. Am 1. Juli wird in<br />

der DDR die <strong>Deutsche</strong> Mark als alleingültige<br />

Währung eingeführt. ❑ Bei Verhandlungen<br />

im Kaukasus verständigen sich<br />

Kohl und Gorbatschow (Bild unten, mit<br />

den Außenministern Genscher und Sche -<br />

wardnadse) auf folgende Vereinbarungen:<br />

- Bei Vollzug der deutschen Einigung<br />

werden die Viermächterechte vollständig<br />

abgelöst.<br />

- <strong>Das</strong> vereinte und vollständig souveräne<br />

Deutschland kann allein entscheiden,<br />

welchem Bündnis es angehören will; die<br />

Bundesregierung erklärt, sie wolle in<br />

der NATO bleiben.<br />

- Innerhalb von drei bis vier Jahren zieht<br />

die UdSSR sämtliche Truppen vom Gebiet<br />

der DDR ab.<br />

- Solange sowjetische Truppen auf DDR-<br />

Territorium stationiert sind, werden<br />

NATO-Strukturen nicht auf diesen Teil<br />

ausgedehnt.<br />

- Die Bundesregierung sagt eine Truppenreduzierung<br />

auf 370 000 Mann in<br />

drei bis vier Jahren zu.<br />

- Ein geeintes Deutschland wird auf<br />

ABC-Waffen verzichten.<br />

❑ Am 2. August überfallen irakische<br />

Streitkräfte das benachbarte Emirat Kuwait.<br />

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen<br />

in New York beschließt weltweite<br />

Sanktionen gegen den Irak. Insgesamt<br />

21 Nationen verlegen Truppen in die Krisenregion.<br />

❑ Nach 45 Jahren der Trennung<br />

wird am 3. Oktober mit dem Beitritt<br />

der DDR zur Bundesrepublik die Einheit<br />

Deutschlands wiederhergestellt. ❑ Im<br />

November unterzeichnen Bundesaußenminister<br />

Hans-Dietrich Genscher und<br />

sein polnischer Amtskollege Krzysztof<br />

Skubiszewski in Warschau ein Abkommen,<br />

das die Oder-Neiße-Linie endgültig<br />

als polnische Westgrenze anerkennt. ❑<br />

Aus den Wahlen zum ersten frei gewählten<br />

gesamtdeutschen Parlament seit 58<br />

Jahren geht die Bonner Regierungskoali-<br />

tion aus CDU/CSU und FDP unter Bundeskanzler<br />

Kohl als Sieger hervor. ■<br />

Im September unterzeichnen die<br />

Außenminister der Sowjetunion, der<br />

USA, Großbritanniens, Frankreichs,<br />

der Bundesrepublik Deutschland und<br />

der DDR in Moskau das Abschlussdokument<br />

der sogenannten Zwei-plus-<br />

Vier-Gespräche. Mit dem „Vertrag<br />

über die abschließende Regelung in<br />

Bezug auf Deutschland“ werden die<br />

äußeren Aspekte der deutschen Wiedervereinigung<br />

verbindlich festgelegt.<br />

191


Bundespräsident von Weizsäcker<br />

empfängt den Vorstand des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in der Villa Hammerschmidt.<br />

Thema der Gespräche ist insbesondere<br />

die Situation der Kriegsgräberfürsorge<br />

in Ost- und Südosteuropa<br />

sowie der ehemaligen DDR. Der<br />

Bundespräsident dankt dem <strong>Volksbund</strong><br />

für die geleistete Arbeit.<br />

Izabela Gutfeter, Generalsekretärin<br />

des Polnischen Roten Kreuzes,<br />

kommt zu Gesprächen nach Kassel.<br />

Links Präsident Hans-Otto Weber,<br />

rechts Generalsekretär Adolf Barth.<br />

192<br />

<strong>Deutsche</strong> Gefallene werden von<br />

Warschau-Powazki nach<br />

Joachimow-Mogily umgebettet.<br />

Parlamentarischer Ring<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erfüllt den Auftrag der<br />

Bundesregierung im Ausland, indem er<br />

seine Aktivitäten mit dem Auswärtigen<br />

Amt koordiniert. Auf Anregung des<br />

<strong>Volksbund</strong>es wird in den 50er Jahren der<br />

Parlamentarische Ring ins Leben gerufen,<br />

um Fragen seiner Arbeit mit den Abgeordneten<br />

zu beraten. An ihm beteiligen<br />

sich bis zu 20 Vertreter der Bundestagsfraktionen.<br />

Bis heute treffen sich Mitglieder<br />

des Vorstandes regelmäßig mit Abgeordneten,<br />

um über Entwicklungen,<br />

Probleme und Fortschritte zu berichten.<br />

Um die Arbeit der Kriegsgräberfürsorge<br />

kennenzulernen, besuchen die Parlamentarier<br />

die vom <strong>Volksbund</strong> angelegten<br />

Kriegsgräberstätten (links in Budapest/<br />

Ungarn). ■<br />

Am 4. Juli gründet der <strong>Volksbund</strong> in<br />

Hagenow den ersten Kreisverband<br />

Mecklenburg-Vorpommerns. ❑ Im Novem -<br />

ber besucht eine polnische Delegation die<br />

Bundesgeschäftsstelle. Die Ab ord nung<br />

wird von Izabela Gutfeter, Generalsekretärin<br />

des Polnischen Roten Kreuzes, geleitet<br />

und berät mit der Geschäftsleitung<br />

u. a. die Abwicklung der Umbettungsarbeiten<br />

von ca. 2 500 gefallenen deutschen<br />

Soldaten vom Soldatenfriedhof Warschau-<br />

Powazki auf eine Anlage bei Joachimow-<br />

Mogily. Grund ist der Bau einer Umge -<br />

hungsstraße über das Friedhofsgelände.<br />

❑ Der <strong>Volksbund</strong> wird um Beratung und<br />

finanzielle Hilfe bei der Instandsetzung<br />

von Kriegsgräberstätten in den neuen<br />

Bundesländern gebeten, wie in Weimar,<br />

<strong>Buch</strong>enwald, Halbe, Beeskow, Nardt-<br />

Hoyerswerda und weiteren 20 Städten. ■<br />

Viktor G. Kulikow, Marschall der<br />

Sowjetunion, stattet dem <strong>Volksbund</strong><br />

einen Informationsbesuch ab und<br />

erklärt, dass die Freigabe weiterer<br />

deutscher Soldatenfriedhöfe in der<br />

UdSSR in Aussicht stehe (hier mit Prä -<br />

sident Hans-Otto Weber auf der vom<br />

<strong>Volksbund</strong> angelegten sow je tischen<br />

Kriegsgräberstätte Herles hausen).<br />

Internationales Jugendlager in<br />

Bremen: Jugendreferent Hubertus<br />

Rogge (links) mit den Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmern aus elf Ländern,<br />

darunter auch die Sowjetunion.<br />

193


Hundertausende Menschen – <strong>Deutsche</strong> und Ausländer, Angehörige<br />

und Schülergruppen, Touristen, Soldaten und viele andere – besuchen<br />

jährlich die deutschen Kriegsgräberstätten im Westen Europas. Die<br />

Kriegsgräberstätten sind überaus wichtige Orte des Gedenkens, der Erinnerung<br />

und Mahnung, aber auch der Verständigung und Versöhnung<br />

über den Gräbern.<br />

Besucher auf den Friedhöfen:<br />

Sandweiler/Luxemburg (großes Bild);<br />

von oben nach unten, links:<br />

Pomezia/Italien, Rancourt/Frankreich,<br />

Maleme/Griechenland (Bundeskanzler<br />

Helmut Kohl und Minis -<br />

terpräsident Konstantin Mitso takis),<br />

Niederbronn/Frankreich;<br />

von oben nach unten, rechts:<br />

Vladslo/Belgien und Lommel/Belgien.


1991<br />

196<br />

Der erste gesamtdeutsche Bundestag<br />

wählt Helmut Kohl zum Bundeskanz<br />

ler. Er tritt damit seine vierte Amtsperiode<br />

an. ❑ In Berlin konstituiert sich<br />

das zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder<br />

frei gewählte Stadtparlament. Eine Große<br />

Koalition aus CDU und SPD regiert das<br />

ver einte Berlin. ❑ Fast 36 Jahre nach seiner<br />

Gründung löst der Warschauer Pakt<br />

seine militärische Struktur auf. ❑ Zwei<br />

Tage nach der Unabhängigskeitserklärung<br />

der Teilstaaten Slowenien und Kroatien<br />

Die Alliierten besiegen den Irak im zweiten<br />

Golfkrieg (erster Golfkrieg: 1980 – 1988 zwischen<br />

Iran und Irak). Die aus Kuwait flüchtenden irakischen<br />

Truppen stecken die Ölquellen in Brand.<br />

kommt es in Jugoslawien zum offenen<br />

Bürgerkrieg. ❑ Der russische Parlamentspräsident<br />

Boris Jelzin wird mit 57,3 Prozent<br />

der Stimmen vom Volk zum Präsi -<br />

denten der Russischen Förderation gewählt.<br />

❑ Der Bundestag beschließt, den<br />

künftigen Parlaments- und Regierungssitz<br />

des vereinten Deutschlands nach Berlin<br />

zu verlegen. ❑ US-Präsident George<br />

Bush und der sowjetische Staatschef Michail<br />

Gorbatschow unterzeichnen in Moskau<br />

den START-Vertrag zur Reduzierung<br />

der strategischen Atomwaffen. ❑ Im August<br />

übersteht Gorbatschow einen Putsch -<br />

versuch. ❑ Der Sarg mit den sterblichen<br />

Überresten Friedrichs des Großen wird<br />

nach Potsdam übergeführt und ober halb<br />

der Schlossterrasse von Sanssouci bei gesetzt.<br />

❑ Neonazis überfallen im nord -<br />

sächsischen Hoyerswerda Vietnamesen<br />

und Mosambikaner, zumeist Arbeiter im<br />

Braunkohlewerk Laubag und im Gaskombinat<br />

„Schwarze Pumpe.“ Sie lösen<br />

eine Welle der Gewalt gegen Ausländer<br />

auch in anderen deutschen Städten aus. ■<br />

Im Dezember hört die Sowjetunion –<br />

69 Jahre nach ihrer Gründung – auf<br />

zu existieren. In der Hauptstadt<br />

Kasachstans schließen sich elf von<br />

15 ehemaligen Sowjetrepubliken zur<br />

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten<br />

(GUS) zusammen. Sie lösen die<br />

UdSSR auf und erklären Präsident<br />

Gorbatschow für abgesetzt. Über<br />

dem Kreml weht die russische Fahne.<br />

Michail Gorbatschow kehrt nach dem<br />

Scheitern des Putsches im August<br />

nach Moskau zurück. Doch der neue<br />

„starke Mann“ heißt Boris Jelzin.<br />

Der Konflikt zwischen Kroaten und<br />

Serben weitet sich aus. Ehemalige<br />

Nachbarn und Freunde werden zu<br />

Feinden. Die jugoslawische Bundesarmee<br />

unterstützt die serbische Seite.<br />

Wie in jedem modernen Krieg leidet<br />

die Zivilbevölkerung am meisten (eine<br />

Frau in Borovo Naselje verkauft et was<br />

von den wenigen, ihr verbliebenen<br />

Habseligkeiten an einen Soldaten).<br />

197


Kranzniederlegung auf dem<br />

Dresdner Nordfriedhof anlässlich<br />

der Gründung des Landes -<br />

verbandes Sachsen.<br />

198<br />

Gründung des Landesverbandes<br />

Mecklenburg-Vorpommern in<br />

Schwerin; oben links: Ministerpräsident<br />

Alfred Gomolka, Wolfram<br />

Schmidt, Geschäftsführer des Patenverbandes<br />

Schleswig-Holstein;<br />

oben: Gründungsversammlung im<br />

Schweriner Dom (vorne von links:<br />

der erste Landesvorsitzende, Prof. Dr.<br />

Friedrich Täubrich, Ministerpräsident<br />

Gomolka, Finanzministerin Bärbel<br />

Kleedehn); unten: Ausstellung im Dom.<br />

Gomolka wird spontan Mitglied des<br />

<strong>Volksbund</strong>es.<br />

In den fünf neuen Bundesländern<br />

gründen sich Landesverbände und<br />

Kreisverbände. <strong>Das</strong> ehemalige Ost-Berlin<br />

wird vom Landesverband Berlin betreut.<br />

❑ Eine <strong>Volksbund</strong>delegation besucht auf<br />

Einladung des Oberbürgermeisters die<br />

Stadt Wolgograd. In einer gemeinsamen<br />

Erklärung heißt es:<br />

„Eine Kommission, bestehend aus Vertretern<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, der Stadt Wolgograd<br />

und des Vereins ‚Ewiges Gedenken<br />

den Soldaten’, wird dafür sorgen, dass<br />

- die noch vorhandenen Friedhöfe für<br />

deutsche Soldaten aus der Zeit der<br />

Kämpfe und danach erfasst, gesichert<br />

und in einen würdigen Zustand versetzt<br />

werden.<br />

- Für nicht mehr auffindbare deutsche<br />

Gefallene wird eine zentrale Ehrenstätte<br />

errichtet.”<br />

Auf dem Bundesvertretertag in Hamburg<br />

erhält der <strong>Volksbund</strong> als Anerkennung<br />

für seine friedensfördernde Arbeit<br />

den Friedenspreis des Verbandes <strong>Deutsche</strong>r<br />

Soldaten. ❑ Der Bundesjugendarbeitskreis,<br />

in dem die Jugendarbeitskreise<br />

der Landesverbände und auch die Jugendlichen<br />

der <strong>Volksbund</strong>gliederungen ohne<br />

Jugendarbeitskreis vertreten sind, nimmt<br />

seine Arbeit auf. ❑ Die ersten Unruhen<br />

des jugoslawischen Bürgerkrieges überschatten<br />

die Neueinweihung des k. u. k.<br />

Marinefriedhofes in kroatischen Pula. Dort<br />

ruhen auf einem Friedhofsteil 316 deutsche<br />

Gefallene des Zweiten Welt krieges. ❑<br />

Der erste wiederhergerichtete deutsche<br />

Soldatenfriedhof in der Tschechoslowakei,<br />

Rakovnik (Rakonitz, 28 Kriegstote),<br />

wird eingeweiht; in Ungarn sind es die<br />

Kriegsgräberstätten: Székesfehérvár<br />

(Stuhlweißenburg, 2 329 Kriegstote),<br />

Hajmáskér (518 Kriegstote), Pecs (Fünfkirchen,<br />

217 Kriegstote) und Esztergom<br />

(447 Kriegstote). ❑ In Lettland wird die<br />

Kriegsgräberstätte Riga (432 Kriegstote)<br />

eingeweiht. ■<br />

Der Friedhof in Riga ist die erste vom<br />

<strong>Volksbund</strong> auf dem Gebiet der (ehemaligen)<br />

Sowjetunion gebaute Kriegs -<br />

gräberstätte. Auf dieser am 15. Juni<br />

1991 eingeweihten Anlage im städtischen<br />

Memorial-Park ruhen 432 in<br />

Gefangenschaft verstorbene deutsche<br />

Soldaten des Zweiten Weltkrieges.<br />

Auf dem Friedhof in Joachimow-<br />

Mogily, eingeweiht am 5. Oktober<br />

1991, ruhen 2 563 deutsche Gefal lene<br />

beider Weltkriege. Die Toten des<br />

Zweiten Weltkrieges stammen aus<br />

einer Anlage in Warschau-Powazki,<br />

die dem Bau einer Straße weichen<br />

mussten. Bei der Einweihung spricht<br />

Bundesministerin Hannelore Rönsch.<br />

199


Spurensuche<br />

So wie in Wolgograd – dem ehe maligen<br />

Stalingrad – ist die Situation<br />

der deutschen Kriegsgräber an vielen<br />

Or ten in Russland. Viele Gräber sind<br />

mit Industrieanlagen, Häusern oder<br />

Gärten überbaut oder durch Baumaßnahmen<br />

bedroht, viele sind weit<br />

abgelegen (großes Bild: Steppe bei<br />

Wolgograd) oder unzugänglich. Leider<br />

werden immer mehr Gräber von<br />

Plünderern ausgeraubt, so dass die<br />

Klärung der Schicksale erschwert<br />

oder unmöglich gemacht wird.<br />

Die Öffnung Osteuropas macht es<br />

möglich, dass viele Angehörige von<br />

Gefallenen doch noch einmal die<br />

Gräber im Osten besuchen können.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> bietet Reisen in fast<br />

alle Länder Osteuropas an.<br />

200


Schulische und<br />

außerschulische<br />

Jugendarbeit<br />

Die Aktion Rote Hand wendet sich<br />

weltweit gegen den Einsatz von<br />

Kindersoldaten. Jugendliche, die<br />

sich in ihrer Freizeit beim <strong>Volksbund</strong><br />

engagieren, beteiligen sich rege:<br />

In den Landesverbänden, bei JAK-<br />

Treffen, beim Volleyballturnier oder<br />

dem Pfingstzelten sammeln sie die<br />

roten Handabdrücke sowie die zugehörigen<br />

Unterschriften und setzen<br />

sich so für die Achtung der Menschenrechte<br />

ein (Foto unten).<br />

202<br />

Der <strong>Volksbund</strong> ist anerkannter Träger<br />

der freien Jugendhilfe und betreibt als<br />

einziger Kriegsgräberdienst der Welt eine<br />

eigene außerschulische und schulische<br />

Jugendarbeit mit eigenen Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätten (JBS) sowie<br />

zahlreichen Workcamp-Angeboten. Mit<br />

wachsendem Abstand zu den beiden<br />

Weltkriegen nimmt die Zahl der unmittelbar<br />

Betroffenen ab. Immer mehr Menschen<br />

entstammen den Jahrgängen, die<br />

den Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt<br />

haben. Der Schwerpunkt der Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es wird sich deshalb von der<br />

Fürsorge für die Gräber und der Angehörigenbetreuung<br />

zunehmend auf die Mahnung<br />

zum Frieden verlagern.<br />

Jährlich treffen sich über 20 000 junge<br />

Menschen aus verschiedenen Ländern in<br />

den Workcamps sowie Jugendbegegnungsund<br />

Bildungsstätten im In- und Ausland,<br />

um sich kennenzulernen, gemeinsame<br />

Freizeit zu erleben, auf Kriegsgräber- und<br />

Gedenkstätten zu arbeiten und sich mit<br />

der deutschen und europäischen Geschichte<br />

auseinanderzusetzen.Die wichtigsten<br />

Ziele und Aufgaben der inter nationalen<br />

Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es bestehen<br />

darin, das gegenseitige Verständnis<br />

und Vertrauen zwischen den jungen<br />

Menschen zu stärken, die Kenntnisse der<br />

jungen Generation über das jeweilige<br />

Partnerland zu vertiefen und das Interesse<br />

an historischen, kulturellen, politischen<br />

und wirtschaftlichen Beziehungen<br />

zu fördern.<br />

Was in Westeuropa gelungen ist, ist<br />

künftig Anregung und Verpflichtung auch<br />

für Osteuropa. Dies gewinnt angesichts<br />

der Osterweiterung der Europäischen<br />

Union eine besondere Bedeutung. So leistet<br />

der <strong>Volksbund</strong> auch mit seiner internationalen<br />

Jugendarbeit wichtige Beiträ -<br />

ge zur Beibehaltung und Fortentwicklung<br />

von demokratischen Gedenk- und Erinnerungskulturen<br />

im zusammenwachsenden<br />

Europa. Die Arbeit an den Gräbern<br />

führt den Jugendlichen vor Augen, was<br />

Kriege bewirken. Durch Begegnungen<br />

und Gespräche mit den Menschen des<br />

Gastlandes erfahren sie, welches Schicksal<br />

die Menschen in dieser Landschaft in<br />

der Vergangenheit erleiden mussten. Sie<br />

lernen die Probleme der Gegenwart kennen<br />

und bekommen Gelegenheit, Grundsteine<br />

für eine gemeinsame friedliche Zu -<br />

kunft zu legen.<br />

Jugendarbeit nach 1949<br />

Bereits 1949 fahren erste Jugendgruppen<br />

über die Grenzen und besuchen unsere<br />

Nachbarländer. Bei ihren Fahrten<br />

finden sie die verstreut liegenden deutschen<br />

Kriegsgräber und versuchen unter<br />

oft sehr schwierigen Umständen, die Gräber<br />

herzurichten und die Namen der To -<br />

ten zu notieren. Lageskizzen und Angaben<br />

zur Person der Gefallenen leiten sie<br />

dem <strong>Volksbund</strong> zu. Neben der Betreuung<br />

der Gräber suchen die jungen Menschen<br />

Kontakte zur Bevölkerung des Gastlandes.<br />

Zunächst gibt es große Vorbehalte<br />

gegenüber den <strong>Deutsche</strong>n. Dennoch verfolgen<br />

sie ihr Ziel, eine Verständigung<br />

und damit eine Versöhnung zu erreichen,<br />

mit Beharrlichkeit weiter.<br />

1953 findet das erste Jugendlager des<br />

<strong>Volksbund</strong>es statt, dessen Teilnehmer/<br />

-innen am Ausbau der deutschen Kriegsgräberstätte<br />

Lommel in Belgien mitwirken.<br />

Hier entsteht in den Diskussionen<br />

unter den Jugendlichen das Leitwort „Ver -<br />

söhnung über den Gräbern,“ später ergänzt<br />

um „Arbeit für den Frieden.“ Dies<br />

wird zum Leitwort der gesamten Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Workcamps<br />

Unter dem Zeichen der Versöhnung<br />

haben bisher mehr als 200 000 junge Menschen<br />

aus Deutschland und vielen europäischen<br />

Ländern an über 4 500 Workcamps<br />

in 35 Ländern Europas und Nordafrikas<br />

teilgenommen (Stand: 2008).<br />

Durch die persönlichen Begegnungen<br />

junger Menschen verschiedener Nationen<br />

an den Kriegsgräber- und Gedenkstätten<br />

beteiligen sich die jungen Menschen aktiv<br />

an der friedenspädagogischen Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es. Neben der Arbeit an den<br />

Gräbern stehen der Kontakt zur Bevölkerung,<br />

der Jugendaustausch sowie die his -<br />

torisch-politische Bildung im Vordergrund.<br />

Die meisten Workcamps finden<br />

während der Sommerferien statt. Dabei<br />

lernen die Jugendlichen Land und Leute<br />

kennen und verstehen. Zum Programm<br />

gehören auch: Einladungen in Gastfamilien,<br />

Veranstaltungen von Jugendfesten,<br />

Junge Workcamp-Teilnehmer beteiligen sich an<br />

Gedenkfeiern, bei denen sie auch eigene Texte und<br />

Lieder vortragen (Foto oben).<br />

In den Workcamps des <strong>Volksbund</strong>es<br />

pflegen die Jugendlichen die Gräber<br />

der Weltkriege (Foto unten).<br />

203


Unterwegs mit der Sammeldose:<br />

Auch bei der jährlichen Haus- und<br />

Straßensammlung engagieren sich<br />

die Jugendlichen für den <strong>Volksbund</strong>.<br />

Momente wie diese erleben auch die<br />

freiwilligen Helfer der Jugendarbeitskreise<br />

(JAK) nur selten: Eine Einbettung<br />

auf der Kriegsgräberstätte<br />

Ysselsteyn in den Niederlanden.<br />

204<br />

gemeinsame Sportveranstaltungen, Besichtigungen,<br />

Betriebserkundungen und<br />

Einladungen, etwa zu Botschaften und<br />

Gemeindeverwaltungen.<br />

Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />

Anfang der 1980er Jahre erweiterte der<br />

<strong>Volksbund</strong> sein Angebot an Jugendliche<br />

mit der ersten Jugendbegegnungsstätte im<br />

niederländischen Ysselsteyn. Eine großartige<br />

friedenspädagogische Idee nimmt<br />

ihren erfolgreichen Verlauf. Inzwischen<br />

sind weitere Häuser hinzugekommen,<br />

so in Lommel in Belgien, in Niederbronnles-Bains<br />

im Elsass und auf der Insel Usedom<br />

nahe der Kriegsgräberstätte Golm.<br />

Seit 1993 haben über 110 000 junge<br />

Menschen die vier Jugendbegegnungsund<br />

Bildungsstätten des <strong>Volksbund</strong>es genutzt.<br />

Überwiegend waren es Schulklassen<br />

mit einwöchigen Schulprojekten.<br />

Während des Schulbetriebs fahren Klassenverbände<br />

und Projektgruppen mit<br />

ihren Pädagogen in die Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätten, erhalten dort<br />

in modernen und zweckmäßig eingerichteten<br />

Häusern die Möglichkeit, sich zum<br />

Beispiel mit einer Gruppe ihrer Partnerschule<br />

aus dem Ausland zu treffen und<br />

gemeinsame Projekte zu verwirklichen.<br />

Jugendarbeitskreise (JAK)<br />

Jugendarbeitskreise der <strong>Volksbund</strong>-<br />

Landesverbände sind regionale Foren der<br />

Jugend im <strong>Volksbund</strong>. Hier treffen sich<br />

die Teilnehmer aus den Jugendprojekten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es mit neuen Interessenten.<br />

Die Jugendarbeitskreise bieten jungen<br />

Menschen die Möglichkeit, aktiv mitzuarbeiten.<br />

Beispiele dafür sind die Workcamps,<br />

die jährliche Sammlung, Mitarbeit<br />

in den <strong>Volksbund</strong>-Gremien, Seminare,<br />

verschiedene Projekte sowie die Zusammenarbeit<br />

mit den Schulen und die Pflegeeinsätze<br />

auf Kriegsgräberstätten oder<br />

Gedenkstätten.<br />

Bundesjugendarbeitskreis (BJAK)<br />

Auf Bundesebene vertritt der Bundesjugendarbeitskreis<br />

die Interessen der regionalen<br />

Jugendarbeitskreise. Seine Auf -<br />

gabe ist, den bundesweiten Austausch<br />

von Informationen und Vorschlägen zur<br />

Jugendarbeit zu pflegen. Er koordiniert<br />

die überregionale Arbeit, unterstützt die<br />

Einrichtung neuer Jugendarbeitskreise<br />

und stellt Kontakte zu überregio nalen Jugend<br />

verbänden her. Die/der Vorsitzende<br />

des Bundesjugendarbeitskreises vertritt<br />

die Interessen der Jugendlichen als Mitglied<br />

im Bundespräsidium.<br />

Bundesjugendausschuss (BJA)<br />

Als Ausschuss des Bundesvorstandes<br />

erarbeitet der Bundesjugendausschuss die<br />

konzeptionellen Rahmenbedingungen für<br />

die Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es und leitet<br />

sie diesem in Form von Empfehlungen<br />

zu. Der Vorsitzende dieses Aus schusses<br />

ist Mitglied des Bundesvorstandes.<br />

Schule und <strong>Volksbund</strong><br />

Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet mit eigenen<br />

hauptamtlichen Bildungs- oder Schulreferenten,<br />

die engen Kontakt zu den Schulen<br />

in den jeweiligen Bundesländern halten<br />

und zur Unterstützung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

und seiner Friedensarbeit motivieren. In<br />

den Lehrplänen aller Kultusministerien<br />

der Bundesländer ist die Friedenserziehung<br />

als fester Bestandteil aller schulischen<br />

Aktivitäten verankert. Hier sind die<br />

Anknüpfungspunkte für die friedenspä -<br />

dagogische Arbeit mit dem <strong>Volksbund</strong>.<br />

Der Bundeselternrat, die oberste Interessenvertretung<br />

der Eltern von Schülern,<br />

hat dieses Konzept anerkannt und unterstützt<br />

den <strong>Volksbund</strong>. In einer gemeinsamen<br />

Resolution haben der Bundeseltern -<br />

rat und der <strong>Volksbund</strong> die Ständige Konferenz<br />

der Kultusminister der Länder in<br />

der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz)<br />

auf die zahlreichen<br />

pädagogischen Hilfen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

hingewiesen und um weitere Unterstüt-<br />

zung gebeten. Die Kultusministerkonferenz<br />

nimmt diese Empfehlung entgegen<br />

und erneuert ihre ursprünglichen Beschlüsse<br />

von 1968 und 1988 in einer Neufassung<br />

vom 27. April 2006.<br />

Schüler sammeln für den <strong>Volksbund</strong><br />

Im ganzen Bundesgebiet beteiligen<br />

sich etwa 20 000 Schülerinnen und Schüler<br />

aller Schulformen alljährlich an der<br />

Haus- und Straßensammlung für den<br />

<strong>Volksbund</strong>. Die Kontaktlehrer des <strong>Volksbund</strong>es<br />

haben ihnen im Rahmen der Friedenserziehung<br />

im Unterricht Aufgaben<br />

und Ziele des <strong>Volksbund</strong>es näher gebracht.<br />

Die Jugendlichen erfahren auch,<br />

dass die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es größtenteils<br />

durch freiwillige Spenden und die<br />

Beiträge der Mitglieder finanziert wird.<br />

Perspektiven für die Zukunft<br />

Die Bedeutung und Funktion der<br />

Kriegs gräberstätten ist in Veränderung<br />

be griffen. Sie wandeln sich von Angehörigenfriedhöfen<br />

mit der Funktion der persönlichen<br />

Trauer zu Besucherfriedhöfen.<br />

Für die nicht mehr der Kriegsgeneration<br />

angehörenden Besucher erfüllt die Kriegsgräberstätte<br />

den Zweck einer historischen<br />

Stätte sowie eines Lernortes oder einer<br />

Mahn- und Gedenkstätte. Der <strong>Volksbund</strong><br />

greift diese Entwicklung seit Jahren in<br />

seiner internationalen Jugendarbeit auf. ■<br />

Der Moment des Innehaltens: Die<br />

Arbeit auf den Kriegsgräberstätten<br />

ist für viele Jugendliche eine besondere<br />

Erfahrung (Foto oben).<br />

Gemeinsame Arbeit: Bei den Workcamps<br />

des <strong>Volksbund</strong>es arbeiten Jugendliche<br />

aus verschiedenen Natio -<br />

nen Hand in Hand (Foto unten links).<br />

Während der Workcamps entstehen<br />

unter den Jugendlichen häufig<br />

Freundschaften, die über Ländergrenzen<br />

und Sprachbarrieren hinaus<br />

gehen (Foto unten rechts).<br />

205


1992<br />

Willy Brandt, Altbundeskanzler<br />

und ehemaliger SPD-Vorsitzender,<br />

stirbt im Alter von 78 Jahren.<br />

206<br />

Die Außen- und Finanzminister der<br />

Europäischen Gemeinschaft unterzeichnen<br />

in Maastricht den Reformvertrag<br />

der EG. ❑ Bei den Olympischen<br />

Spielen im August geht erstmals wieder<br />

eine gesamtdeutsche Mannschaft an den<br />

Start. ❑ In den USA gewinnt der Kandidat<br />

der Demokraten Bill Clinton die Wahl<br />

um das Amt des US-Präsidenten. ■<br />

Dr. Gerhard Holz wird Generalsekretär.<br />

❑ Die Geschäftsstelle West<br />

verlegt der <strong>Volksbund</strong> von Maisons-Lafit -<br />

te nach Metz. ❑ Bei Bautzen, Sachsenhausen<br />

und <strong>Buch</strong>enwald werden in der Nähe<br />

der ehemaligen sowjetischen Straflager<br />

Massengräber aus der Nachkriegszeit<br />

entdeckt. ❑ In Ungarn wird der Friedhof<br />

Bajna (173 Gefallene des Zweiten Weltkrieges)<br />

eingeweiht. Es folgen Einweihungen<br />

in Bad Radkersburg/Öster reich<br />

(579 Ge fallene beider Weltkriege), in<br />

Przemysl/Polen (etwa 2 000 deutsche<br />

Soldaten des Ersten Weltkrieges), in Zborov/Slowakei<br />

(1 194 Gefallene des Zweiten<br />

Weltkrieges), in Celje/Slowe nien<br />

(2 907 Tote beider Weltkriege), die Kriegsgräberstätte<br />

Marienbad/Tsche chien (525<br />

deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />

und 1 483 zivile Kriegstote, Patienten<br />

aus Berliner Krankenhäusern, die wegen<br />

der Luftangriffe auf die damalige Hauptstadt<br />

nach Marienbad evakuiert worden<br />

waren). ❑ Der Präsident des <strong>Volksbund</strong>es<br />

informiert Kanzleramtsminister Dr. Friedrich<br />

Bohl über die gewaltigen Aufgaben<br />

in Osteuropa, die ohne finanzielle Hilfe<br />

der Bundesregierung nicht lösbar sind. Er<br />

bittet zugleich im Namen der Arbeitsgemeinschaft<br />

der Kriegsteilnehmer- und<br />

Kriegsopferverbände, die Neue Wache in<br />

Berlin als zentrale Mahn- und Gedenkstätte<br />

für alle Kriegstoten und Vermissten<br />

neu zu gestalten. ❑ Auf dem Bundesvertretertag<br />

in Kassel wird Präsident Weber<br />

für weitere fünf Jahre wiedergewählt. Die<br />

Mitglieder des Bundesvertretertages<br />

mahnen zum Frieden in Jugoslawien und<br />

verurteilen die Ausschreitungen gegen<br />

Minderheiten in der Bundesrepublik. ❑<br />

Zum 50. Jahrestag der Schlacht in El Ala-<br />

Mit einer 45 Kilometer langen Lichterkette aus<br />

Fackeln, Lampions, Taschenlampen und Kerzen<br />

demonstrieren mehr als 500 000 Menschen in<br />

Berlin und 400 000 in München und Hamburg<br />

gegen Rassismus, Gewalt und Ausländerhass.<br />

Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süßmuth<br />

empfängt die Teilnehmer des Internationalen<br />

Seminars des <strong>Volksbund</strong>es – Freunde und Förderer<br />

unserer Arbeit aus vielen Ländern in Ost und West.<br />

mein/Ägypten findet eine internationale<br />

Gedenkfeier auf dem deutschen Soldatenfriedhof<br />

statt. 5 000 Besucher, unter ihnen<br />

die Regierungschefs Großbritanniens,<br />

Frankreichs und Griechenlands, nehmen<br />

an der Gedenkveranstaltung teil. Der Präsident<br />

vertritt den <strong>Volksbund</strong>. ❑ Erstmals<br />

nach 45 Jahren findet die zentrale Gedenkveranstaltung<br />

zum Volkstrauertag in Berlin<br />

statt. ❑ Am 16. Dezember wird in<br />

Mos kau das deutsch-russische Kriegsgräberabkommen<br />

unterzeichnet. Damit ist<br />

die rechtliche Grundlage geschaffen,<br />

künftig in Russland deutsche Soldatenfriedhöfe<br />

anzulegen und zu pflegen.<br />

Russland ist der erste Staat in Osteuropa,<br />

mit dem ein derartiges Abkommen geschlossen<br />

wird. Beide Seiten verpflichten<br />

sich damit, die Kriegsgräber des Vertrags -<br />

partners im eigenen Hoheitsgebiet zu<br />

schützen und das dauernde Ruherecht<br />

der Kriegstoten zu gewährleisten. „Die<br />

Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />

beauftragt den <strong>Volksbund</strong> mit der<br />

technischen Durchführung der Aufgaben<br />

in der Russischen Föderation, die sich aus<br />

diesem Abkommen für die deutsche Seite<br />

ergeben.” (Artikel 8, Abs.1) Die russische<br />

Regierung benennt ihrerseits den „Verband<br />

für internationale Zusammenarbeit<br />

bei der Pflege von Soldatengedenkstätten”<br />

als Beauftragten. ❑ Bundes kanzler<br />

Kohl und Präsident Jelzin loben die<br />

Arbeit des Volksbun des, dessen Präsident<br />

zur Unterzeichnung des Abkommens eingeladen<br />

ist. ❑ Bei einem Besuch des Wolgograder<br />

Oberbürgermeisters Jurij V.<br />

Tschechow in Kassel verständigt man<br />

sich darauf, den ehe maligen Wehrmachtsfriedhof<br />

in Rossoschka wieder herzustellen<br />

und einen Kriegsgefangenen friedhof<br />

im Stadtgebiet auszubauen. ❑ Die Bundesregierung<br />

entspricht dem Wunsch des<br />

<strong>Volksbund</strong>es, die Gültigkeit des Gräbergesetzes<br />

möglichst schnell auf die neuen<br />

Bundesländer auszudehnen und es we -<br />

gen der besonderen Gegebenheiten zu<br />

novellieren. Die vom <strong>Volksbund</strong> gemachten<br />

Vorschläge werden über nommen, das<br />

Gesetz tritt am 1. Janu ar 1993 in Kraft. ❑<br />

Der <strong>Volksbund</strong>präsident erhält für seine<br />

besonderen Verdienste auf dem Gebiet der<br />

Kriegsgräberfürsorge das Große Verdienstkreuz<br />

des Verdienstordens der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Damit wird gleichzeitig<br />

das 40-jährige ehrenamtliche En gagement<br />

Hans-Otto Webers gewürdigt. ■<br />

El Alamein, 50 Jahre danach –<br />

internationale Gedenkfeier an der<br />

deutschen Kriegsgräberstätte für die<br />

4 313 Gefallenen aus beiden Weltkriegen.<br />

Einweihung des deutschen Soldaten -<br />

friedhofes in Zborov/Slowakische<br />

Republik (1 194 Kriegstote des Zweiten<br />

Weltkrieges) am 19. September.<br />

Die Anteilnahme der Bevölkerung ist<br />

sehr groß.<br />

Am 18. September wird der<br />

Friedhof in Przemysl/Polen<br />

(ca. 2 000 Soldaten des Ersten<br />

Weltkrieges), am 26. September<br />

der Friedhof in Celje/Slowenien<br />

(2 907 Kriegstote) eingeweiht.<br />

Gründung des Landesverbandes<br />

Thüringen, Landtagspräsident<br />

Dr. Gottfried Müller (vorne rechts)<br />

wird zum Vorsitzenden gewählt.<br />

Gedenkfeier 50 Jahre nach Ende der<br />

Schlacht von Stalingrad. Auch Vertreter<br />

des <strong>Volksbund</strong>es nehmen teil.<br />

207


1993<br />

Panzer vor dem Weißen Haus in<br />

Moskau, dem Sitz des russischen<br />

Parlaments. Der Putschversuch<br />

scheitert, doch Boris Jelzin ist<br />

danach politisch angeschlagen.<br />

208<br />

Die Tschechoslowakei wird in die<br />

Staaten Tschechien und Slowakische<br />

Republik getrennt. ❑ Mit Zustimmung<br />

von 337 Abgeordneten bei 185 Gegenstimmen<br />

und 13 Enthaltungen billigt der<br />

Bundestag den Einsatz von deutschen<br />

Soldaten im Rahmen einer UN-Aktion im<br />

afrikanischen Somalia. ❑ Mit Jahresbeginn<br />

treten die Regelungen für den Europäischen<br />

Binnenmarkt der zwölf EG-Staa -<br />

ten in Kraft. ❑ Die Bundeswehr beteiligt<br />

sich an einer Luftbrücke nach Bosnien.<br />

Transportflugzeuge werfen Lebensmittel<br />

und Medikamente mit Fallschirmen ab. ❑<br />

Der russische Präsident Boris Jelzin schlägt<br />

den Putschversuch vom Reformgegner<br />

mit Hilfe regierungstreuer Truppen in<br />

Moskau nieder. Bei den ersten demokratischen<br />

Wahlen in Russland errei chen die<br />

Gegner des Reformkurses jedoch einen<br />

unerwartet hohen Stimmenanteil. ❑ Der<br />

Vertrag von Maastricht tritt am 1. November<br />

nach seiner Ratifizierung durch<br />

alle zwölf Staaten der Europäischen Gemeinschaft<br />

in Kraft. ❑ Starke Regenfälle<br />

lösen am Mississippi die schwersten<br />

Überschwemmungen in der Geschichte<br />

der USA aus. ❑ In Berlin wird am Volkstrauertag<br />

die Neue Wache als zentrale Gedenkstätte<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft<br />

eingeweiht. ■<br />

Der 1992 begonnene Wiederaufbau<br />

des Umbettungsdienstes wird fortgeführt.<br />

Über 50 deutsche und 150 ausländische<br />

Mitarbeiter sind in den meisten<br />

Ländern Osteuropas im Einsatz. ❑ Bei<br />

einem Arbeitsbesuch des Generalsekretärs<br />

in der russischen Stadt Jaroslawl am<br />

21. April wird die Herrichtung eines<br />

deutschen Kriegsgefangenenfriedhofes<br />

vereinbart. ❑ Die Unterzeichnung des<br />

Rahmenvertrages über die Zusammenarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es mit dem russischen<br />

Ver band für internationale Zusammenarbeit<br />

bei der Pflege von Soldatengedenkstätten<br />

am 13. Mai schafft konkrete Vo -<br />

raussetzungen für die Arbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

in Russland. ❑ Am 15. Mai wird<br />

die deutsche Kriegsgräberstätte in Karlsbad<br />

– als dritte Anlage in der Tschechischen<br />

Republik – unter großer Beteiligung<br />

der Bevölkerung eingeweiht. Am<br />

4. und 5. September folgen die Kriegsgräberstätten<br />

Pärnu (Pernau) und Viljandi<br />

(Fellin) in Estland, am 1. und 2. Oktober<br />

in Ungarn die Einweihungen der Soldatenfriedhöfe<br />

Nagykanisza und Böhönye,<br />

am 16. Oktober die Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />

Krakau in Polen. ❑ Auf<br />

Einladung der slowenischen Regierung<br />

verhandeln Präsi dent Weber und Generalsekretär<br />

Dr. Holz vom 1. bis 4. Juni<br />

über den Bau weiterer Soldatenfriedhöfe<br />

(Kranj und Ljubljana) in Slowenien. Der<br />

Vorschlag des <strong>Volksbund</strong>es wird positiv<br />

aufgenommen. ❑ Im November legt der<br />

Vorstand die Farbe der <strong>Volksbund</strong>fahne<br />

neu fest: An die Stelle des bisherigen<br />

schwarzen Untergrundes tritt die Farbe<br />

Türkis (Blaugrün). ■<br />

Am 4. und 5. September werden<br />

unter großer Beteiligung der Bevölkerung<br />

die beiden ersten deutschen<br />

Kriegsgräberstätten in Estland eingeweiht:<br />

Pärnu (Pernau, 960 Kriegstote)<br />

und Viljandi (Fellin, 945 Kriegstote).<br />

Präsident Hans-Otto Weber fordert<br />

dazu auf, dass jeder Einzelne durch<br />

mehr Menschlichkeit zum Frieden beitragen<br />

solle (rechts oben: Kranzniederlegung<br />

am Denkmal für die Opfer<br />

des estnischen Befreiungskrieges).<br />

Seit 1953 helfen junge Leute dem<br />

<strong>Volksbund</strong> in Lommel/Belgien bei der<br />

Pflege der größten deutschen Kriegsgräberstätte<br />

des Zweiten Weltkrieges.<br />

Im Eingangsgebäude des Friedhofes<br />

hat der <strong>Volksbund</strong> eine Jugendbegegnungsstätte<br />

geschaffen. Dort werden<br />

– wie schon in Ysselsteyn/Niederlande<br />

– Jugendgruppen und Schulklassen<br />

untergebracht und betreut.<br />

Am 28. Oktober wird in Niederbronn/Frankreich<br />

der Grundstein zu<br />

einer weiteren Jugendbegegnungsstätte<br />

gelegt.<br />

16. Oktober: Einweihung des Soldatenfriedhofes<br />

Krakau als vierte deutsche<br />

Kriegsgräberstätte in Polen<br />

(3 095 Gefallene des Zweiten Weltkrieges).<br />

Über 3 000 Gäste aus Ungarn,<br />

Deutschland und Österreich nehmen<br />

in Ungarn am 1. und 2. Oktober an<br />

der Einweihung der Friedhöfe Böhönye<br />

und Nagykanisza teil. Hier<br />

ruhen 2 080 bzw. 727 Gefallene<br />

des Zweiten Weltkrieges.<br />

Einweihung in Karlsbad (Karlovy<br />

Vary) am 15. Mai: Über 1 000 Gäste<br />

besuchen den Friedhof in Tschechien,<br />

auf dem 2 100 deutsche Soldaten<br />

und zivile Kriegsopfer bestattet sind.<br />

Ruth Feichtner, stellvertretende Präsidentin<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, fordert in<br />

ihrer Ansprache Tole ranz gegenüber<br />

Anderen und den Willen zur friedlichen<br />

Konfliktlösung.<br />

209


<strong>Das</strong> Foto zeigt die Neue Wache in<br />

der Bundeshauptstadt Berlin.<br />

Mit der Kranzniederlegung am Volkstrauertag<br />

1993 wird die Neue Wache<br />

zentrale Mahn- und Gedenkstätte der<br />

Bundesrepublik (großes Foto von<br />

links: Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl,<br />

Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita<br />

Süßmuth, Bundespräsident Dr. Richard<br />

von Weiz säcker, Dr. Henning<br />

Voscherau, stellvertretender Bundesratspräsident,<br />

und Prof. Dr. Roman<br />

Herzog, Präsident des Bundesverfassungsgerichts).<br />

210<br />

Die Neue Wache<br />

in Berlin<br />

Ende des 18. Jahrhunderts gab es in<br />

Berlin 34 Wachlokale. Eine der Hauptwachen<br />

stand an der neuen Brücke auf dem<br />

Platz neben dem Zeughaus. <strong>Das</strong> Wachgebäude<br />

machte damals einen heruntergekommenen<br />

Eindruck. Nachdem der preu -<br />

ßische König, Friedrich Wilhelm III., das<br />

dieser Hauptwache gegenüberliegende<br />

Palais bezogen hatte, beschloss er, diesen<br />

Raum würdig gestalten zu lassen, zumal<br />

die Wache nunmehr seinem Schutz zu<br />

dienen hatte. Ideenwettbewerbe wurden<br />

veranstaltet, ihre Weiterführung aber<br />

scheiterte an den Folgen der preußischen<br />

Niederlage gegen Napoleon 1806/07.<br />

Nach dem Sieg der Verbündeten 1815<br />

rückte der Plan eines Neubaues der Königswache<br />

wieder in den Vordergrund.<br />

Karl Friedrich Schinkel erhielt den Auftrag,<br />

ein neues Wachgebäude zu entwerfen<br />

und das Gelände neu zu gestalten.<br />

1816 lag sein Bauplan vor. Er sah einen<br />

Hauptbau, aus dem zwei wuchtige Ecktürme<br />

hervorragen, und eine Vorhalle,<br />

die noch ein weiteres Stück zur Straße<br />

hinausragt, vor. 1818 war der Bau fertiggestellt.<br />

Schinkel schloss mit diesem Bauwerk<br />

von europäischem Rang auf groß -<br />

artige Weise eine bis dahin bestehende<br />

Lücke in der vorhandenen Architektur.<br />

Die Innenräume dienten den Zwecken<br />

eines Wachlokals. Bis zum Ende des Ersten<br />

Weltkrieges wurde das Gebäude<br />

auch so genutzt. Der Aufzug der Wache<br />

war für die Berliner und für die Gäste ein<br />

gern gesehenes Zeremoniell. Kaiser Wilhelm<br />

I. – so wird überliefert – beobachtete<br />

ihn aus dem historischen Eckfenster seines<br />

Palais gegenüber. Offiziell hieß das<br />

Gebäude weiterhin Königswache, aber<br />

populär wurde nach der Einweihung<br />

Neue Wache.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg entschied<br />

die preußische Regierung, in diesem nun<br />

ehe maligen Wachgebäude eine Gedächtnisstätte<br />

für die Gefallenen des Weltkrieges<br />

einzurichten. Der hiermit betraute<br />

Architekt Heinrich Tessenow beseitigte<br />

die fünf großen Fensteröffnungen in der<br />

Rückwand der Vorhalle und ersetzte sie<br />

durch drei Portale. Die Fensternischen an<br />

den Seiten wurden mit Rathenower Backstein<br />

zugemauert, blieben aber als Blendnischen<br />

erhalten. Auf jedes dekorative<br />

Beiwerk wurde verzichtet.<br />

Ein Block aus dunklem schwedischen<br />

Granit unter einer Lichtöffnung bildete<br />

den Höhe- und Mittelpunkt. Auf dem<br />

Stein ruhte ein Kranz aus 235 silbernen<br />

und goldenen Eichenblättern, eine Schöpfung<br />

des Berliner Bildhauers Prof. Ludwig<br />

Gies. Am 8. Juni 1931 wurde die<br />

Neue Wache als Ehrenmal für die Opfer<br />

des Weltkrieges in Anwesenheit des<br />

Reichspräsidenten Paul von Hindenburg<br />

eingeweiht.<br />

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Neue<br />

Wache schwer beschädigt. In den 50er<br />

und 60er Jahren wurde das in Ostberlin<br />

gelegene Bauwerk wiederhergestellt und<br />

1969 eingeweiht. Hinter den Gräbern ei -<br />

nes Unbekannten Soldaten und eines Unbekannten<br />

Widerstandskämpfers brannte<br />

nun in einem gläsernen Sarkophag eine<br />

Ewige Flamme. An den Seitenwänden<br />

wurde die Inschrift „Den Op fern des Faschismus<br />

und Militarismus” angebracht.<br />

<strong>Das</strong> Staatswappen der DDR an der Rückwand<br />

des Innenraumes ist nach dem Untergang<br />

dieses Staates und der Wieder -<br />

vereinigung entfernt worden.<br />

Es mehrten sich die Stimmen, die eine<br />

Wiederherstellung der Neuen Wache als<br />

Gedenkstätte für die Opfer der Kriege<br />

und Gewaltherrschaft – in ursprünglicher<br />

Gestalt – forderten. Besonders der <strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge vertrat<br />

diese Forderung mit Nachdruck.<br />

Im Januar 1993 hat die Bundesregierung<br />

mit Zustimmung der Parlamentsausschüs<br />

se entschieden, die Neue Wache<br />

als zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik<br />

Deutschland umzugestalten. Die<br />

Arbeiten konnten zum Volkstrauertag am<br />

14. November 1993 abgeschlossen werden.<br />

Heute empfängt den Besucher ein nach<br />

historischem Vorbild innen wie au ßen renoviertes<br />

Gebäude. Anstelle des Eichenkranzes<br />

steht eine Skulptur, die Käthe<br />

Kollwitz 1937/38 in Erinnerung an ihren<br />

in Flandern gefallenen Sohn schuf und<br />

die sie „Trauernde Mutter mit totem<br />

Sohn” benannte. Die Original-Skulptur<br />

ist 38 cm hoch. Für die Neue Wache wur -<br />

de sie im Einverständnis mit den Erben<br />

auf 1,52 Meter vergrößert. Diese Arbeit<br />

wurde von Harald Haacke ausgeführt.<br />

Vor der Plastik befindet sich, in den Bo -<br />

den eingelassen, die Inschrift „Den Opfern<br />

von Krieg und Gewaltherrschaft.“ ■<br />

Die Neue Wache in Berlin<br />

im Wandel der Zeit:<br />

1829 1880 1931 1945 1969<br />

1994 (linke Seite, Bild oben)<br />

211


1994<br />

Die Palästinenser im Gazastreifen<br />

und in Jericho erhalten vom Staat<br />

Israel das Recht zur Selbstverwaltung.<br />

Nach den ersten freien,<br />

geheimen und gleichen Wahlen in<br />

Südafrika wird der Führer des<br />

ANC (African National Congress),<br />

Nelson Mandela, am 10. Mai als<br />

Staatspräsident vereidigt.<br />

Bei einem Staatsbesuch spricht<br />

Staatspräsident Boris Jelzin von<br />

einer historischen Aussöhnung<br />

zwischen Russen und <strong>Deutsche</strong>n.<br />

Die letzten noch in Deutschland<br />

verbliebenen russischen Streitkräfte<br />

verlassen im Herbst Deutschland.<br />

D-Day Jahretag: Zehntausende Besucher,<br />

darunter viele alliierte Kriegsveteranen<br />

und Staatsoberhäupter<br />

von 13 Ländern, feiern am 4. Juni<br />

in der Normandie den Erfolg der<br />

alliierten Landung vor 50 Jahren.<br />

212<br />

19 Wahlen – zum Europaparlament,<br />

zum Bundestag, zu Landtagen und<br />

Kommunalvertretungen – machen das Jahr<br />

für die <strong>Deutsche</strong>n zum „Superwahljahr.“<br />

❑ Die britische Königin Elizabeth II. und<br />

der französische Staatspräsident François<br />

Mitterand eröffnen den Tunnel unter dem<br />

Ärmelkanal. ❑ Trotz des Abbruchs der<br />

serbischen Belagerung Sarajewos geht der<br />

Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina an<br />

anderer Stelle weiter. Die Vereinten Nationen<br />

sind trotz Luftangriffen der NATO<br />

machtlos. ❑ Auch im Jemen bricht ein<br />

Bürgerkrieg aus. ■<br />

Prof. Dr. Roman Herzog wird am<br />

23. Mai zum Bundespräsidenten<br />

gewählt. Er war vorher Präsident<br />

des Bundesverfassungsgerichts.<br />

Im ostafrikanischen Ruanda beginnt<br />

im April ein Bürgerkrieg. In wenigen<br />

Wochen kommen durch unvorstellbare<br />

Greueltaten Hunderttausende<br />

von Menschen ums Leben, Hunderttausende<br />

fliehen in die Nachbarländer.<br />

<strong>Das</strong> Elend in den riesigen<br />

Flüchtlingslagern ist unbeschreiblich.<br />

Marschall Viktor Kulikow, Berater<br />

im russischen Verteidigungsministerium<br />

und Vorsitzender des Veteranenverbandes,<br />

verspricht besseren Schutz der<br />

deutschen Kriegsgräber vor Plünderungen.<br />

❑ Die deutsch-polnische Stiftung<br />

Pamiec (Gedenken) mit Sitz in Warschau<br />

wird zukünftig dabei helfen, die von der<br />

deutsch-polnischen Kriegsgräberkommission<br />

getroffenen Entscheidungen in Polen<br />

in die Tat umzusetzen. Präsidentin der<br />

am 17. März gegründeten Stiftung wird<br />

Izabela Gutfeter, vormals Generalsekretärin<br />

des Polnischen Roten Kreuzes. Generalsekretär<br />

Dr. Gerhard Holz ist Vorsit zen -<br />

der des Stiftungsrates. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

trifft am 25. April – noch vor der Unterzeichnung<br />

eines deutsch-ungarischen<br />

Kriegsgräberabkommens – eine Vereinbarung<br />

mit dem ungarischen Verteidigungsministerium<br />

zur Zusammenarbeit in allen<br />

Fragen der Kriegsgräberfürsorge. ❑ Die<br />

Bundesregierung kündigt Regelungen an,<br />

die den Abschluss zukünftiger Kriegsgräberabkommen<br />

vereinfachen sollen. Bundesfinanzminister<br />

Dr. Theodor Waigel<br />

verspricht dem <strong>Volksbund</strong> die Hilfe der<br />

Bundesregierung bei der Lösung der Aufgaben<br />

im Osten. ❑ Die Veranstaltung des<br />

<strong>Volksbund</strong>es am 11. Mai in Potsdam anlässlich<br />

seiner Gründung vor 75 Jahren<br />

steht unter dem Motto „Aus der Vergangenheit<br />

für die Zukunft lernen.“ 600 Gäste<br />

nehmen teil: Unter ihnen sind Bundestagsvizepräsident<br />

Helmuth Becker, Bundesministerin<br />

Hannelore Rönsch, Bran -<br />

denburgs Ministerpräsident Dr. Manfred<br />

Stolpe und Vertreter von neun ausländi-<br />

Kranzniederlegung in Potsdam anlässlich des<br />

75-jährigen Bestehens des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Am 29. April wird in Rossoschka bei Wolgograd<br />

der Grundstein des Sammelfriedhofes für<br />

die zwischen Don und Wolga gefallenen deutschen<br />

Soldaten gelegt. Gegen den Bau deutscher<br />

Kriegsgräberstätten in Russland regt sich<br />

zunehmend Widerstand, vor allem in Kreisen<br />

russischer Kriegsveteranen und Kommunisten.<br />

schen Gräberdiensten. Präsident Weber<br />

dankt allen Menschen und Institutionen<br />

im In- und Ausland, die dem <strong>Volksbund</strong><br />

bei seiner Arbeit geholfen haben und im -<br />

mer noch helfen. Dr. Manfred Rommel,<br />

Oberbürgermeister von Stuttgart und<br />

Präsident des <strong>Deutsche</strong>n Städtetages,<br />

dankt dem <strong>Volksbund</strong> in seiner Gedenkansprache<br />

für sein humanitäres Wirken.<br />

Die ers te Ausgabe dieses Gedenkbuchs<br />

erscheint. ❑ Die Gedenkstunde des<br />

Volks bundes in La Cambe anlässlich der<br />

alliierten Landung in der Normandie, an<br />

der Repräsentanten aus England, Frankreich<br />

und Deutschland teilnehmen, steht<br />

unter dem Motto der Versöhnung. Gemeinsame<br />

Gedenkfeiern gibt es zwar<br />

nicht, aber viele Kriegsteilneh mer gedenken<br />

bei ihren Besuchen auf den Soldatenfriedhöfen<br />

auch der gefallenen Gegner. ❑<br />

Bundespräsident Prof. Dr. Ro man Herzog<br />

übernimmt die Schirmherr chaft über den<br />

<strong>Volksbund</strong>. ❑ Angehörige können jetzt<br />

auch Gräber auf Kriegs gräberstätten in<br />

Ungarn, Tschechien und der Slowakischen<br />

Republik schmücken lassen. ❑ In<br />

Posen/Polen, Presov und Hu menné/Slowakische<br />

Republik, Olaine/Lettland, Focsani/Rumänien<br />

und Rjasan/Russland<br />

werden Kriegsgräberstätten eingeweiht.<br />

❑ Die vierte Jugendbegegnungsstätte des<br />

<strong>Volksbund</strong>es wird in Niederbronn-les-<br />

Bains/Frankreich eingeweiht. ❑ Die zentrale<br />

Gedenkfeier zum Volkstrauertag<br />

findet im Berliner Dom statt. Pfarrer<br />

Friedrich Schorlemmer aus Wittenberg for -<br />

dert dazu auf, Konflikte zu überwinden<br />

und Vorsorge für den Frieden zu treffen. ■<br />

50 Jahre nach der Schlacht von<br />

Monte Cassino – eine Frau aus<br />

Deutschland am Grab ihres gefallenen<br />

Mannes. An der Veranstaltung<br />

des Bundes <strong>Deutsche</strong>r Fallschirmjäger<br />

am 16. Mai nehmen ehemalige Soldaten<br />

aus acht Nationen teil und gedenken<br />

gemeinsam mit über 600<br />

deutschen Familienangehörigen der<br />

Gefallenen.<br />

Sondermarke der Bundespost<br />

zum 75-jährigen Bestehen des<br />

<strong>Volksbund</strong>es.<br />

213


1995<br />

214<br />

Freie Fahrt ohne Passkontrolle gibt es<br />

zwischen den Unterzeichnerstaaten<br />

des Schengener Abkommens Deutschland,<br />

Frankreich, den Benelux-Staaten,<br />

Spanien und Portugal. ❑ Trotz massiver<br />

Proteste und Blockadeaktionen wird<br />

Atom müll in Castorbehältern mit einem<br />

Zug in das Atommüll-Zwischenlager<br />

Gorleben gebracht. ❑ Zum 50. Jahrestag<br />

des Kriegsendes in Europa gibt es Gedenkfeiern<br />

in vielen Ländern. ❑ Massive<br />

Proteste von Umweltschützern und Tankstellenboykotts<br />

führen zum Verzicht des<br />

Shell-Konzerns auf die geplante Versenkung<br />

der ausgedienten Ölbohrinsel Brent<br />

Spar im Nordatlantik. ❑ Der Bundestag<br />

billigt den Vorschlag der Bundesregierung,<br />

1 500 deutsche Soldaten zum Schutz<br />

des internationalen Einsatzverbandes<br />

nach Ex-Jugoslawien zu verlegen – der<br />

erste militärische Einsatz deutscher Soldaten<br />

im Ausland in der Geschichte der<br />

Bundesrepublik. ❑ Im Friedenspark von<br />

Hiroshima gedenken 60 000 Menschen<br />

der Opfer des Atombombeneinsatzes vor<br />

50 Jahren. ❑ Mehr als fünf Millionen<br />

Menschen besuchen den durch den „Verpackungskünstler“<br />

Christo verhüllten<br />

Reichstag in Berlin. ❑ Der israelische Ministerpräsident<br />

Yitzhak Rabin wird durch<br />

einen rechtsradikalen israelischen Studenten<br />

ermordet. <strong>Das</strong> israelisch-palästinensische<br />

Abkommen über den Abzug der israelischen<br />

Armee aus dem Westjordanland<br />

und die Abhaltung freier Wahlen für<br />

eine palästinensische Regierungsbehörde<br />

wird unterzeichnet. ❑ Nach verschärftem<br />

internationalen Druck und militärischer<br />

Intervention endet der Krieg in Bosnien.<br />

Am 14. Dezember wird in Paris das in<br />

Dayton/USA paraphierte Abkommen<br />

über die Beendigung des Krieges (Dayton-Abkommen)<br />

unterzeichnet. In vier<br />

Jahren sollen rund 250 000 Menschen<br />

ums Leben gekommen sein. Viele Flüchtlinge<br />

können nicht in ihre zerstörten oder<br />

von anderen Volksgruppen besetzten<br />

Heimatorte zurückkehren. ■<br />

Die damalige Bundesumweltministerin<br />

Angela Merkel besucht das Atommüllendlager<br />

in Gorleben. Zeitgleich<br />

demonstrieren tausende Gegner der<br />

Atomenergie.<br />

Große Verwüstung: Vor allem das<br />

Gebiet um die japanische Stadt Kobe<br />

wird schwer von den verheerenden<br />

Folgen des Erdbebens betroffen.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> betreut in 34 Ländern<br />

459 Friedhöfe mit den Gräbern von<br />

rund 1,6 Millionen Kriegstoten; 127 davon<br />

liegen in Ländern des früheren Ostblocks.<br />

Der Schwerpunkt der Bautätigkeit liegt in<br />

Polen, Russland, der Tschechischen Republik<br />

und Ungarn. ❑ Fol gen de deutsche<br />

Kriegsgräberstätten im Osten werden öffentlich<br />

eingeweiht: Sopron (<strong>22</strong>.7.), Szeged<br />

(15.9.) und Veszprem (16.9.) in Ungarn;<br />

Germau in Russland (Ostpreußen) am<br />

20.8.; Przemysl in Polen (7.10.); Hunkovce<br />

in der Slowakischen Republik (8.10.). ❑<br />

Der Umbettungsdienst arbeitet in 14 Ländern<br />

des ehemaligen Ostblocks. Die Mitarbeiter<br />

bergen die Gebeine von 29 035 Gefallenen;<br />

21 562 Ge fallene können endgültig<br />

bestattet werden. Durchschnittlich die<br />

Hälfte der geborgenen Kriegstoten kann<br />

identifiziert werden. ❑ Erstmals helfen<br />

Soldaten der Bundeswehr dem <strong>Volksbund</strong><br />

bei der Herrichtung eines deutschen Soldatenfriedhofes<br />

in einem Land des ehemaligen<br />

Ost blocks: 29 Soldaten des Jägerbataillons<br />

101 aus Pfullendorf sind für<br />

Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes<br />

in Europa ruft der <strong>Volksbund</strong> die<br />

Aktion Ginkgo ins Leben. Auf Kriegsgräberstätten<br />

wie hier in Lommel, auf<br />

Schulgeländen, in Parks und an Straßen<br />

werden Ginkgo-Bäume als Symbol<br />

der Erinnerung und der Hoffnung<br />

auf Frieden gepflanzt. Vor allem<br />

Schulen beteiligen sich an der Aktion.<br />

drei Wochen auf dem Soldatenfriedhof<br />

Veszprém in Ungarn mit der Aufstellung<br />

von Grabzeichen und Pflanzarbeiten beschäftigt.<br />

❑ Bei einer Gedenkveranstaltung<br />

in Marienbad (Mariánské Lázně/<br />

Tschechische Republik) würdigt der<br />

<strong>Volksbund</strong> das Entgegenkommen der<br />

Stadt. Die Stadtverordnetenversammlung<br />

hatte dem Wunsch des <strong>Volksbund</strong>es zugestimmt,<br />

auf der dort bestehenden<br />

Kriegsgräberstätte 2 000 deutsche Gefallene<br />

aus West- und Nordböhmen einzubetten,<br />

die ursprünglich in Eger (Cheb/<br />

Tschechische Republik) bestattet werden<br />

sollten. ❑ Zum ersten Mal nach 1971 erhält<br />

eine Reisegruppe des <strong>Volksbund</strong>es die<br />

Genehmigung zum Besuch der deutschen<br />

Kriegs gräberstätte Tobruk/Libyen. ■<br />

Freundlicher Empfang: Die Kinder<br />

des Friedhofverwalters der deutschen<br />

Kriegsgräberstätte Tobruk in Libyen<br />

begrüßen die Teilnehmer der ersten<br />

<strong>Volksbund</strong>-Reisegruppe.<br />

Die Planung für den Sammelfriedhof<br />

Rossoschka bei Wolgograd ist weitgehend<br />

abgeschlossen. Die ersten<br />

Gefallenen von Stalingrad werden im<br />

Herbst auf dem Gelände eingebettet.<br />

215


Flucht<br />

und Vertreibung<br />

Bei Bauarbeiten nahe der historischen<br />

Marienburg (Malbork/Polen)<br />

wird Ende 2008 ein Massengrab mit<br />

2 116 Ziviltoten entdeckt. Der <strong>Volksbund</strong><br />

bestattet sie im August 2009<br />

auf dem Sammelfriedhof in Neumark<br />

(Stare Czarnowo/Polen).<br />

216<br />

Der 8. Mai 1945 bedeutet für die meisten<br />

Menschen in Deutschland das Ende<br />

von Krieg, Gewalt und Angst. <strong>Das</strong> vorherrschende<br />

Gefühl war Erleichterung<br />

über das Ende des massenhaften gewaltsamen<br />

Sterbens. Doch für Millionen<br />

<strong>Deutsche</strong> in Ostdeutschland, Ost- und<br />

Südosteuropa setzte sich das Leid noch<br />

schlimmer fort.<br />

Auf der Flucht vor den herannahenden<br />

sowjetischen Armeen über Land und<br />

See waren unzählige Menschen ums Leben<br />

gekommen. Nun begann die gewaltsame<br />

Vertreibung aus der Heimat – schon<br />

vor dem Beschluss der Alliierten zur<br />

„Überführung der deutschen Bevölkerung<br />

oder Bestandteile derselben, die in<br />

Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn<br />

zurückgeblieben sind, ... in ordnungsgemäßer<br />

und humaner Weise“ (nie dergelegt<br />

im Potsdamer Protokoll vom 2. August<br />

1945). Besonders schlimme Auswüchse<br />

gab es im Jahr 1945 in Polen, Jugoslawien<br />

und der Tschechoslowakei (Sudetengebiet).<br />

Hier wurden Hunderttausende un-<br />

ter katastrophalen sanitären Verhältnissen<br />

in überfüllten Lagern festgehalten; eine<br />

hohe Todesrate war die Folge. In zwei<br />

Vertreibungswellen 1945 und 1946 wurden<br />

zum Beispiel über 2,5 Millionen Sudetendeutsche<br />

zum Verlassen der Heimat<br />

gezwungen.<br />

Auch die Internierung deutscher Zivilpersonen<br />

in Lagern in der sowjetisch<br />

besetzten Zone Deutschlands (SBZ) und<br />

die Verschleppung zur Zwangsarbeit in<br />

die Sowjetunion forderte viele Opfer. Die<br />

Zahl der Opfer von Flucht, Vertreibung<br />

und Deportation lässt sich nicht genau<br />

bestimmen. Allein der Vertreibung fielen<br />

nach Schätzungen zwischen 1,7 und<br />

2,8 Millionen Menschen zum Opfer. Ihre<br />

Gräber sind in unzähligen Fällen unbekannt.<br />

Niemand hat sie zählen können,<br />

viele Zeitzeugen, die sie vielleicht noch<br />

lokalisieren könnten, leben nicht mehr.<br />

Dennoch werden heute viele Einzel- und<br />

Massengräber von Ziviltoten entdeckt. ■<br />

„Wie viele starben? Wer kennt die Zahl?<br />

An Deinen Wunden sieht man die Qual der<br />

Namenlosen, die hier verbrannt im Hoellenfeuer<br />

aus Menschenhand.“<br />

Diese Inschrift auf dem Gedenkstein<br />

des Dresdener Heidefriedhofes erinnert<br />

an die Opfer des Bombenkrieges, der mit<br />

dem alliierten Angriff auf Dresden am<br />

13. und 14. Februar 1945 einen schrecklichen<br />

Höhepunkt fand. Rund eine halbe<br />

Million Menschen verlor in Deutschland<br />

durch die Tages- und Nachtangriffe der<br />

Briten und Amerikaner das Leben.<br />

Die meisten Angriffe richteten sich<br />

gegen die deutsche Zivilbevölkerung<br />

und ihre Wohnungen – aber auch unzählige<br />

Kriegsgefangene und ausländische<br />

Zwangsarbeiter fielen den Bomben zum<br />

Opfer.<br />

Erst als in den letzten Kriegsmonaten<br />

verstärkt Verkehrsverbindungen und An -<br />

lagen der Treibstoffproduktion bombardiert<br />

wurden, zeigte sich eine kriegsverkürzende<br />

Wirkung.<br />

Es soll nicht vergessen werden, dass<br />

auch durch deutsche Bomben- und Raketenangriffe<br />

viele tausende Menschen ums<br />

Leben kamen und die Besatzungen der<br />

alliierten Flugzeuge durch die deutsche<br />

Abwehr schwere Verluste erlitten.<br />

Die Gräber der Bombenopfer werden<br />

wie die Soldatengräber dauerhaft erhalten.<br />

Gibt es eine eindringlichere Mahnung<br />

zum Frieden als die Gräber unschuldiger<br />

Frauen und Kinder, die in den Feuerstürmen<br />

ums Leben kamen? ■<br />

Die Opfer der Bombenangriffe sind<br />

unvergessen. Tausende Bürger stellen in<br />

Dresden an jedem 13. Februar – Jahrestag<br />

des britischen Bombenangriffs 1945 – vor<br />

der Ruine der Frauenkirche Kerzen auf.<br />

Mahnmale erinnern in vielen deutschen<br />

Städten (rechts: Pforzheim) daran, dass der<br />

„moderne Krieg“ niemanden verschont.<br />

Opfer des<br />

Bombenkrieges<br />

217


1996<br />

Tierischer Protest: Wegen des Preisverfalls<br />

von Rindfleisch durch die<br />

BSE-Krise treiben französische Bauern<br />

ihre Herden bis ins Zentrum der<br />

Hauptstadt.<br />

218<br />

François Mitterrand, ehemaliger französischer<br />

Staatspräsident, stirbt. ❑<br />

350 Tschetschenen nehmen über 2 000 Geiseln<br />

in der Stadt Kisljar; 165 Geiseln nehmen<br />

sie später mit in das Dorf Perwomaiskoje.<br />

Bei der blutigen Beendigung der Geiselnahme<br />

durch russisches Militär kommen<br />

auch viele der Geiseln ums Leben. ❑<br />

Vor der Küste der Dominikanischen Republik<br />

stürzt eine Chartermaschine ab.<br />

Unter den 189 Todesopfern befinden sich<br />

164 deutsche Urlauber. ❑ Weit über vier<br />

Millionen Menschen in Deutsch land sind<br />

arbeitslos (Stand 29.2.: 4 270 426). ❑ Die<br />

britische Regierung räumt die Möglichkeit<br />

der Übertragung der Rinderseuche<br />

BSE auf den Menschen ein. Deutschland<br />

stoppt daraufhin den Import britischen<br />

Rindfleisches. ❑ Die Mehrheit der Bevölkerung<br />

Brandenburgs lehnt den Zusammenschluss<br />

mit Berlin zu einem Bundesland<br />

ab. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />

das neue Ladenschlussgesetz, das längere<br />

Öffnungs zeiten der Geschäfte erlaubt. ❑<br />

Der im Osten Zaires ausbrechende Bürgerkrieg<br />

treibt eine Million Menschen<br />

(die meisten davon Flüchtlinge aus Ruanda)<br />

in die Flucht; Mitte November kehren<br />

rund 500 000 Ruander in ihre Heimat<br />

zurück. ❑ Nach einer geschickten Werbekampagne<br />

für die neu ausgegebene Telekom-Aktie<br />

werden viele Menschen in<br />

Deutschland erstmals zu Aktionären;<br />

dennoch sehen vier von fünf Bundesbürgern<br />

Aktien als unsichere Geldanlage an.<br />

❑ Die Staats- und Regierungschefs der<br />

Europäischen Union einigen sich über die<br />

Voraussetzungen für die Einführung der<br />

gemeinsamen Europawährung Euro. ❑<br />

Nach langen Verhandlungen wird die<br />

deutsch-tschechi sche Erklärung durch<br />

die Außenminister der beiden Länder paraphiert;<br />

aber im mer noch gibt es Vorbehalte<br />

vor allem seitens tschechischer Kom -<br />

munisten und der Sudetendeutschen<br />

Landsmannschaft. ■<br />

Europameister: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft<br />

gewinnt das Endspiel in London<br />

gegen das tschechische Team mit 2:1.<br />

In Ost- und Südosteuropa werden<br />

folgende Soldatenfriedhöfe eingeweiht:<br />

Zagreb-Vrapce und Zagreb-Mirogoj<br />

in Kroatien (11.5.); Insterburg (6.7.)<br />

und Fischhausen (7.7.) im russischen Teil<br />

Ostpreußens; Kuressaare (Arensburg) auf<br />

der estnischen Insel Saaremaa (Ösel; 20.7.);<br />

Iasi in Rumänien (21.9.); Nowgorod in<br />

Russland (21.9.); Mlawka in Polen (5.9.).<br />

Im russischen Kronstadt wird ein Gedenkstein<br />

für 46 deutsche und sowjetische Marinesoldaten<br />

enthüllt, die dort 1944 fielen.<br />

❑ Die Mitarbeiter des Umbettungsdienstes<br />

bergen in elf Ländern die Gebeine von<br />

37 282 Gefallenen; 54 040 Tote werden auf<br />

Sammelfriedhöfen bestattet. ❑ In den Ländern<br />

des ehemaligen Ostblocks finden 23,<br />

im westlichen Ausland 40, in Deutschland<br />

14 Jugendlager statt. 3 207 Jugendliche<br />

aus <strong>22</strong> Ländern nehmen teil. 117 Gruppen<br />

mit 2 929 Jugendlichen und anderen<br />

Teilnehmern nutzen die vier Jugendbegegnungsstätten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ In<br />

72 Arbeitseinsätzen helfen 1 096 Soldaten<br />

und Reservisten der Bundeswehr dem<br />

Grundsteinlegung für den letzten deutschen Soldatenfriedhof<br />

in Ungarn, Budaörs (westlich von Budapest).<br />

Hier sollen einmal rund 5 000 ungarische und<br />

10 000 deutsche Gefallene ruhen.<br />

Bundeskanzler Helmut Kohl legt auf der deutschen<br />

Kriegsgräberstätte bei Kiew einen Kranz nieder. Erst<br />

auf seine Intervention hin konnte nach langer Verzögerung<br />

mit dem Bau des Sammelfriedhofs<br />

begonnen werden.<br />

<strong>Volksbund</strong> bei der Instandsetzung und<br />

der Pflege von Soldatenfriedhöfen im Inund<br />

Ausland. ❑ An der Informationsveranstaltung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es in Narwa/<br />

Estland (24.-25.5.) nehmen 90 Personen<br />

aus dem ganzen Land teil. Trotz kontroverser<br />

Diskussion stößt das Bestreben<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, Sammelfriedhöfe für<br />

die deutschen Kriegstoten anzulegen, auf<br />

Verständnis. ❑ Am 26. September werden<br />

gegenüber der deutschen Kriegsgräberstätte<br />

La Cambe das neue Informationszentrum<br />

und der Friedenspark eröffnet.<br />

❑ Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident<br />

Johannes Rau fordert in seiner<br />

Gedenkrede in Berlin dazu auf, den Volkstrauertag<br />

als Gedenktag für Menschenrechte<br />

und Menschenwürde zu verstehen.<br />

❑ Am 31.12. gehören dem <strong>Volksbund</strong><br />

271 790 Mitglieder an. 11 230 ehrenamtliche<br />

Mitglieder engagieren sich für die<br />

Kriegsgräberfürsorge. Über eine Million<br />

Bürger hilft regelmäßig oder gelegentlich<br />

mit Spenden. ■<br />

219


La Cambe<br />

Kriegsgräberstätte<br />

und Friedenspark<br />

Die ersten 21 Setzlinge des Friedensparks<br />

von La Cambe (Foto unten)<br />

werden 1996 gepflanzt.<br />

Über zwei Jahrzehnte später ist aus<br />

ihnen eine stattliche Allee zum Spazieren<br />

und Verweilen entstanden<br />

(Foto rechts).<br />

<strong>22</strong>0<br />

Weit über 100 000 Menschen starben<br />

im Sommer 1944 während der Kämpfe<br />

nach der alliierten Landung in der Nor -<br />

mandie – Amerikaner, Briten, <strong>Deutsche</strong>,<br />

Franzosen, Kanadier, Polen und Ange hörige<br />

vieler anderer Nationen. Min destens<br />

14 000 französische Zivil personen fielen<br />

den Kämpfen, vor allem den schweren<br />

alliierten Bombenan griffen, zum Opfer.<br />

Ausstellungen, Denkmäler, Bücher, Postkarten,<br />

Filme und Souvenirs vielfältigster<br />

Art erinnern an das Kriegs ge schehen in<br />

der Normandie. Die Ausstellung im Informa<br />

tionszentrum am deutschen Soldatenfriedhof<br />

La Cambe stellt weder die<br />

Schlachten noch die Kriegswaffen in den<br />

Vordergrund. Sie verherrlicht keine mili -<br />

tä ri schen Leistungen und erklärt keine<br />

(mi li tärischen) Tragödien. Vielmehr zeigt<br />

sie an Beispielen, was der Krieg damals<br />

den Menschen antat – den Soldaten aller<br />

beteiligten Länder, der französischen Zivilbevölkerung.<br />

Sie zeigt Schicksale und<br />

lässt Menschen zu Wort kom men. Sie<br />

zeigt die schrecklichen Folgen des Krieges<br />

– doch den Bildern von Tod, Zerstörung<br />

und Kriegsgräbern stehen hoffnungs -<br />

volle Beispiele der Versöhnung, Verständigung<br />

und Freundschaft gegen über.<br />

Am 21. September 1996, dem Tag der<br />

Eröffnung der Ausstellung, wurden die<br />

ersten 21 Bäume des Friedensparks von<br />

La Cambe ge pflanzt. Mit der Idee des<br />

Friedensparks und der Übernahme einer<br />

Spende von 250 Euro für eine Baumpatenschaft<br />

setzen die Spender ein lebendiges<br />

Zeichen für den Frieden. Zu den<br />

ersten Baumspendern gehörten der da-<br />

malige Präsident des <strong>Volksbund</strong>es, Hans-<br />

Otto Weber, der für die französischen<br />

Kriegs teilnehmer und Kriegsopfer zustän<br />

dige Minister Pierre Pasquini und die<br />

miteinander verschwis terten deutschen<br />

und französischen Gemeinden Oberarnbach<br />

– La Cambe, Kindsbach – Grandcamp-Maisy<br />

und Weilerbach – Isigny-sur-<br />

Mer. Schilder an den Bäumen enthalten<br />

die jeweiligen Widmungen der Paten.<br />

Im Jahr 2009 wachsen im Friedenspark<br />

1 217 Ahornbäume und gestalten nachhaltig<br />

das Gelände um den deutschen<br />

Soldatenfriedhof. Dieses Projekt, dessen<br />

schneller und großer Erfolg alle Beteiligten<br />

überrascht hat, ist ab ge schlos sen. Da<br />

die Idee des Friedensparks bei den Freunden<br />

und Förderern des <strong>Volksbund</strong>es im<br />

In- und Ausland sehr großen Anklang gefunden<br />

hat und in Frankreich alle Baumpatenschaften<br />

vergeben sind, hat der<br />

<strong>Volksbund</strong> neue Projekte begonnen.<br />

1998 werden Friedensparks in Buda -<br />

örs nahe der ungarischen Hauptstadt Bu -<br />

dapest und Groß-Nädlitz (Nadolice Wiel -<br />

kie) bei Breslau in Polen eröffnet. Dort<br />

entstehen große Sammelfriedhöfe.<br />

Im September 2000 wird der große Sol -<br />

datenfriedhof St. Petersburg-Sologubowka<br />

der Öffentlichkeit übergeben. Auch<br />

hier wachsen Bäume für den Frieden. ■<br />

Seit Anfang der 90er Jahre kümmert<br />

sich der Volks bund auch in Polen<br />

um die deutschen Kriegs gräber. Über<br />

850 000 deutsche Soldaten ver loren in den<br />

beiden Weltkriegen im heu tigen polnischen<br />

Staatsgebiet ihr Leben. Die alte<br />

Festungsstadt Breslau (Wroclaw/Polen),<br />

da mals fast voll stän dig zerstört, ist zum<br />

Teil in alter Schön heit wieder entstan den<br />

und lädt zum Besuch ein.<br />

An die Opfer des Krieges erinnern<br />

Denkmäler und Solda ten fried höfe.<br />

Nur etwa 15 Kilometer von der Stadt<br />

entfernt hat der <strong>Volksbund</strong> in Groß-Nädlitz<br />

(Nadolice Wiel kie) auf einem über<br />

drei Hektar großen Gelände einen Sammelfriedhof<br />

für etwa 18 000 Gefallene angelegt.<br />

Hier werden alle in Nie der schle -<br />

sien noch zu bergenden Opfer ihre endgül<br />

tige Ruhestätte erhalten.<br />

Bei der Planung des Friedhofes wurde<br />

die Idee für einen Friedenspark in die Gestaltung<br />

übernommen. Die Begrünung<br />

der Anlage erfolgte unter anderem mit<br />

über 600 Laubbäumen (Ahorn, Eiche und<br />

Eber esche). Jeder Baum hat einen Paten,<br />

der für die Pflanzung einen Betrag von<br />

250 Euro gespendet und da mit auch ei -<br />

nen Beitrag zur Gestaltung des Friedhofes<br />

geleistet hat. Alle Bäume tragen Plaketten<br />

mit einer Nummer und dem Namen<br />

des Spenders. Im Eingangs gebäude,<br />

in dem eine kleine Ausstel lung über die<br />

Aufgaben und Ziele des <strong>Volksbund</strong>es informiert,<br />

liegen Bücher mit Namen und<br />

Daten der bereits identifizierten Gefallenen<br />

sowie der Baumpaten aus.<br />

Am 9. Oktober 1998 wird mit der<br />

Pflanzung der ersten 48 Friedensbäume<br />

der Friedenspark Groß-<br />

Nädlitz (Nadolice Wielkie) eröffnet.<br />

Im Sommer 1999 wurde an der Zufahrtsstraße<br />

zum Friedhof und Friedenspark<br />

ein Sport- und Spielplatz für die Kin -<br />

der des Dorfes eingerichtet. Dies ermöglichten<br />

Extra-Spenden der Freunde und<br />

Förderer des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Im Rahmen eines Arbeitseinsatzes der<br />

Bundeswehr und unter fachlicher An leitung<br />

des Herstellers wurden die Spielgeräte<br />

aufgebaut, die sogleich mit großer<br />

Freude von den Kindern in Beschlag ge -<br />

nommen wurden. ■<br />

Informationsgebäude Eingang<br />

Groß-Nädlitz<br />

(Nadolice Wielkie)<br />

Kriegsgräberstätte<br />

und Friedenspark<br />

Der Bauplan des <strong>Volksbund</strong>es macht<br />

es deutlich – über 600 Bäume umgeben<br />

die Gräber der Soldaten des<br />

Zweiten Weltkrieges.<br />

<strong>22</strong>1


Budaörs –<br />

deutsch-ungarische<br />

Kriegsgräberstätte<br />

und Friedenspark<br />

Maria Lauber, geb. Kraus (✝)<br />

spendete sieben Bäume im Friedenspark.<br />

Ihre Familie finanzierte den<br />

Bau des Pflege- und Lagergebäudes.<br />

Informations -<br />

gebäude<br />

<strong>22</strong>2<br />

Einfahrt<br />

Pflege- und Lagergebäude<br />

Hochkreuz<br />

Im Westen von Budapest, am Rande<br />

der Budaer Berge, eingebettet in ein<br />

Landschaftsschutzgebiet, ist zwischen<br />

den Vororten Budaörs und Budakeszi ein<br />

wichtiges Zeugnis deutsch-ungarischer<br />

Geschichte entstanden.<br />

Auf einem etwa sechs Hektar großen<br />

Gelände hat der <strong>Volksbund</strong> die größte<br />

Kriegsgräberstätte für deutsche und un -<br />

garische Opfer des Zweiten Weltkrieges<br />

in Ungarn angelegt.<br />

Kriegstote beider Länder bettet der<br />

<strong>Volksbund</strong> aus dem Bereich östlich der<br />

Donau hierher. Insgesamt werden etwa<br />

12 000 deutsche und 5 000 unga rische Gefallene<br />

in Budaörs ihre endgültige Ruhestätte<br />

bekommen. <strong>Das</strong> Gelände stellte der<br />

ungarische Staat zur Verfügung.<br />

Eine Ausstellung im Hauptgebäude<br />

der Anlage gibt in deutscher, ungarischer<br />

und englischer Sprache einen Überblick<br />

über die damalige Kriegssituation, über<br />

die Aufgaben und Ziele, die der <strong>Volksbund</strong><br />

mit dem Bau dieser Kriegsgräberstätte<br />

verbindet, und sie zeigt einzelne<br />

Schick sale von Menschen, die zu Opfern<br />

des Krieges wurden.<br />

In die Gesamtkonzeption der Anlage<br />

wurde die Idee eines Friedensparks einbezogen.<br />

Die gepflanzten Bäume (Feld -<br />

ahorn, Spitz ahorn, Mehlbeere und Hainbuche)<br />

bilden einen grünen Gürtel um<br />

die Gräberflächen und verbinden so<br />

Fried hof und Natur. Alle Bäume, für die<br />

je 250 Euro gespendet wurden, tragen<br />

Namensplaketten der Baumpaten.<br />

Die Idee und Ausführung wurde vom<br />

ungarischen Ministerium für Landwirtschaft<br />

und Regional entwick lung mit dem<br />

Preis „Pro Architectura“ gewürdigt.<br />

Im April 2000 konnte nach lediglich<br />

sieben Monaten Bauzeit das neue Pflegeund<br />

Lagergebäude neben dem Informationsgebäude<br />

eröffnet werden. Dies verdankt<br />

der <strong>Volksbund</strong> einer außerordentlich<br />

großzügigen Spende der Familie<br />

Kraus. ■<br />

Am 24. Oktober 1998 wurde der Friedenspark<br />

Budaörs mit der Pflanzung der ersten<br />

58 Friedensbäume eröffnet.<br />

Nähere Informationen zu den Friedens<br />

parks gibt es auch im Internet<br />

unter www.friedenspark.de.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erhielt für den Bau<br />

der Kriegs gräberstätte ein etwa fünf<br />

Hektar großes Ge lände auf kirchen eigenem<br />

Grund in der Ortschaft Sologubowka<br />

(Ortsteil Lezje) zugewiesen.<br />

<strong>Das</strong> Projekt gliedert sich in drei Teilbereiche:<br />

den Friedhof als Ort der Erinnerung<br />

und Mahnung, den Friedenspark als<br />

Symbol für das Wachsen des Friedens zwischen<br />

den Menschen und die Wiederherstellung<br />

der alten russisch-orthodoxen<br />

Kirche als Symbol der Versöhnung.<br />

Am 9. September 2000 wurde der<br />

Friedhof unter Beteiligung von Angehörigen<br />

und der ortsansässigen Bevölkerung<br />

der Öffentlichkeit übergeben. Mit Abschluss<br />

der Zubettungen werden hier<br />

einst 80 000 deutsche Kriegstote bestattet<br />

sein. St. Petersburg-Sologubowka wird<br />

damit zur weltweit größten deutschen<br />

Kriegs gräberstätte.<br />

Die Bäume im Friedenspark sind mit<br />

Nummern gekennzeichnet. Die Liste der<br />

Baumpaten wird im Gedenk- und Ausstellungsraum<br />

der Kirche ausgelegt. ■<br />

Der Friedenspark wurde am 9. September 2000<br />

mit der Pflanzung der ersten drei Bäume eröffnet.<br />

Hochkreuz<br />

Eingang<br />

Hochkreuz und Gedenkstein der<br />

Kriegsgräberstätte Sologubowka<br />

(Foto links).<br />

Die renovierte russisch-orthodoxe<br />

Kirche – Symbol der Versöhnung<br />

(Foto links unten).<br />

Kirche<br />

Glockenturm<br />

Pflegepatenschaft für einen Baum<br />

St. Petersburg-<br />

Sologubowka<br />

Kriegsgräberstätte<br />

und Friedenspark<br />

Friedenspark<br />

Zusätzlich zu den Patenschaften für Friedensbäume bietet der<br />

<strong>Volksbund</strong> auch Pflegepatenschaften für Bäume auf anderen<br />

Kriegsgräber stätten an. Für den Zeitraum von fünf Jahren beträgt<br />

die Spendenhöhe 250 Euro bzw. für zehn Jahre 500 Euro. So können<br />

die Pflege des Baumes und der Erhalt der Kriegsgräberstätte<br />

unterstützt werden.<br />

<strong>22</strong>3


1997<br />

Im Alter von 87 Jahren stirbt die<br />

als „Engel der Armen“ verehrte<br />

Ordensgründerin und Friedensnobelpreisträgerin<br />

Mutter Teresa<br />

im indischen Kalkutta.<br />

Eine Hochwasserkatastrophe an der<br />

Oder mit Schäden in Deutsch land,<br />

Tschechien und Polen löst eine Welle<br />

der Hilfsbereitschaft aus.<br />

Am 31. August stirbt die britische<br />

Prinzessin Diana an den Folgen eines<br />

Autounfalls. Mit einer ergreifenden<br />

Trauerfeier in der Londoner Westminster<br />

Abbey nimmt die Welt sechs<br />

Tage später Abschied.<br />

<strong>22</strong>4<br />

Im afrikanischen Zaire endet der siebenmonatige<br />

Bürgerkrieg mit dem<br />

Sieg der Rebellen unter Laurent-Désiré<br />

Kabila. <strong>Das</strong> Land wird in „Demokratische<br />

Republik Kongo“ umbenannt, Kabila regiert<br />

aber praktisch als Diktator. ❑ Die<br />

deutsche Bevölkerung wird durch die<br />

Dis kussion um die Sicherheit der Renten<br />

zunehmend verunsichert. ❑ Parlament<br />

und Föderationsrat Russlands verweigern<br />

trotz Einspruch von Präsident Jelzin die<br />

Rückgabe der Beutekunst an Deutsch-<br />

land. ❑ Nach 165 Jahren fällt Hongkong<br />

an China zurück, das mit sofortiger Wirkung<br />

die Bürgerrechte einschränkt. Die<br />

Stationierung chinesischer Truppen in der<br />

Sonderwirtschafts zone stößt auf internationale<br />

Kritik. ❑ Den Friedens nobelpreis<br />

erhält die Anti-Landminen-Kam pag ne,<br />

die 1992 von amerikanischen Vietnamveteranen<br />

ins Leben gerufen wurde. ❑ Die<br />

Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen<br />

der Wehrmacht 1941 bis 1944“ führt<br />

zu heftigen Kontroversen. ■<br />

Die im Mai 1995 gestartete gemeinsame<br />

Aktion von <strong>Volksbund</strong> und<br />

DRK-Suchdienst ist weitgehend abgeschlossen.<br />

Gesucht wurden Angehörige<br />

von in sowjetischer Kriegsgefangenschaft<br />

verstorbenen deutschen Soldaten – über<br />

diese hat der Suchdienst Unterlagen aus<br />

ehemals sowjetischen Archiven erhalten.<br />

Über 100 000 Karten und Briefe haben den<br />

Suchdienst erreicht. Knapp 60 000 davon<br />

konnten als echte Suchfälle re gistriert<br />

werden. Rund 20 Prozent der Anfragenden<br />

erhielten eine Auskunft über das<br />

Schicksal eines vermissten Angehörigen.<br />

❑ In den Ländern Osteuropas baut der<br />

<strong>Volksbund</strong> weitere 26 Friedhöfe für in<br />

Kriegsgefangenschaft verstorbene deutsche<br />

Soldaten aus. Ein möglichst großer<br />

Teil der noch vorhandenen Anlagen soll<br />

nach und nach in einer schlichten Form<br />

wieder hergerichtet werden. ❑ Im Jahre<br />

1990 betreute der Pflegedienst 343 Kriegsgräberstätten<br />

in 24 Ländern. 1997 sind es<br />

bereits 609 Anlagen in 39 Ländern. ❑ Auf<br />

Einladung des <strong>Volksbund</strong>es tagt der Bun-<br />

Auf dem Kriegsgefangenenfriedhof<br />

Lynga I/Russland ruhen 30 Tote; die<br />

Planskizze (Ikowka/Russland) zeigt<br />

die typischen Gestaltungsmerkmale<br />

der schlichten Gräberstätten: Hochkreuz,<br />

Gedenkplatz mit Gedenk stein,<br />

über die Fläche verteilte Symbolkreuzgruppen<br />

und Zaun.<br />

Mitglieder und ein Teil der Spender<br />

des <strong>Volksbund</strong>es werden im Januar<br />

1997 gefragt, warum sie dem <strong>Volksbund</strong><br />

helfen, wie sie zur dauerhaften<br />

Erhal tung der Kriegsgräber und zum<br />

Friedhofsbau im Osten stehen. 17 388<br />

Ant worten gehen ein. 91,4 Prozent der<br />

Einsender sind dafür, dass die Kriegsgräber<br />

un begrenzt erhalten bleiben.<br />

Über 75 Prozent wollen, dass der<br />

Volks bund die Kriegs toten im Os ten<br />

auf Sammelfriedhöfen würdig bestattet.<br />

Bei der Betrach tung der Grün de<br />

zur Unter stützung des <strong>Volksbund</strong>es ergibt<br />

sich, dass ideelle Motive – Mahnung<br />

zum Frieden, Versöhnung und<br />

Verständi gung – genau so wichtig sind<br />

wie Motive, die sich auf die praktische<br />

Arbeit – Gräber pflege, Friedhofsbau,<br />

Ange hörigenbetreuung – beziehen.<br />

deselternrat in Kassel, um sich über die<br />

Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es zu informieren.<br />

Ergebnis ist eine gemeinsame Erklärung,<br />

die zur Unterstützung der Kriegsgräberfürsorge<br />

als Arbeit für den Frieden<br />

aufruft. ❑ Im Dezember unterzeichnet<br />

der stellvertretende Kultusminister der<br />

Republik Litauen, Naglis Puteikis, in Kassel<br />

einen Vertrag, der die künftige Zusam<br />

menarbeit des <strong>Volksbund</strong>es mit dem<br />

litauischen Kultur ministerium regelt. ❑<br />

Folgende Kriegsgräberstätten werden eingeweiht:<br />

Estland: Rakvere (Wesenberg),<br />

Tartu (Dorpat), Lettland: Dzukste (Wenden),<br />

Cesis, Russland: Korostyn, Tsche -<br />

chien: Jihlava (Iglau), Pacov (Patzau),<br />

Plzen (Pilsen), Polen: Modlin. ■<br />

Mitglieder- und Spenderbefragung<br />

Hauptmotiv zur Unterstützung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es:<br />

<strong>22</strong>5


Jugend -<br />

begeg nungs- und<br />

Bildungsstätten<br />

in Europa<br />

Ysselsteyn/Niederlande<br />

Golm/Deutschland<br />

Niederbronn-les-Bains/Frankreich<br />

Lommel/Belgien<br />

<strong>22</strong>6<br />

Spuren suchen, Freunde finden,<br />

Frieden machen<br />

„<strong>Das</strong> bringt uns zum Nachdenken, wie<br />

sinnlos Krieg ist – das werde ich nicht vergessen“<br />

– so das Resumée einer 18-jährigen<br />

Schülerin über die Projektfahrt zu<br />

einer Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte<br />

(JBS) des Volkbsundes.<br />

In reizvoller Umgebung, bewusst in<br />

direkter Nachbarschaft von deutschen<br />

Kriegsgräberstätten gebaut, liegen die<br />

vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es: in Ysselsteyn/<br />

Niederlande, am Golm/Deutschland, in<br />

Niederbronn-les-Bains/Frankreich und in<br />

Lommel/Bel gien. Der Erhalt dieser Kriegsgräber<br />

stätten als Mahnmale für den Frieden<br />

ist eines der wichtigsten Anliegen der<br />

internationalen Jugend- und Schularbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Geschichte begreifen<br />

Diese Häuser sind Treffpunkte für Menschen<br />

aus ganz Europa. In internationalen<br />

Friedensprojekten begeben sie sich<br />

auf historische Spurensuche, werden mit<br />

offensichtlichen Folgen von Krieg und<br />

Gewaltherrschaft konfrontiert und erleben<br />

Geschichte hautnah. <strong>Das</strong> sensibilisiert<br />

sie für das Thema Gewalt im Alltag<br />

und motiviert dazu, selbst Frieden zu<br />

praktizieren und sich dafür zu engagieren.<br />

Gemeinsam nachdenken<br />

Einen tiefen Eindruck hinterlässt die ge -<br />

meinsame Pflegearbeit an den Kriegs gräbern,<br />

die für alle Gäste obligatorisch ist.<br />

Die Arbeit mit Gleichaltrigen anderer Nationen<br />

und die intensive Auseinandersetzung<br />

mit der Geschichte gibt ihnen die<br />

Gewissheit, dass jeder Einzelne einen Bei -<br />

trag zur Verständigung der Völker leisten<br />

kann.<br />

Land und Leute erleben<br />

Ganz nebenbei schließen die jungen Menschen<br />

Freundschaften über Grenzen hinweg,<br />

machen sich über Internetkommunikation<br />

mit der Nutzung neuer Medien<br />

vertraut und frischen Fremdsprachenkenntnisse<br />

auf. Die gemeinsame Arbeit<br />

eröffnet einen Zugang zur Geschich te,<br />

wie er von keinem Unterricht im Klassenzimmer<br />

geleistet werden kann. So werden<br />

Offenheit, Verständnis und Toleranz<br />

gefördert.<br />

Vorbereitung ist der erste Schritt<br />

Die Jugendgruppen und Schulklassen<br />

planen bereits vor ihrem Treffen gemeinsam<br />

die täglichen Aktionen in der Jugend -<br />

begegnungsstätte. Die Kommunikation<br />

binationaler Schulpartnerschaften läuft<br />

beispielsweise über das Internet. Zweisprachige<br />

Workshops, Seminare, Ausflüge<br />

und Besichtigungen werden auf<br />

diese Weise realisiert.<br />

<strong>Volksbund</strong> unterstützt<br />

Zur Vorbereitung der Projektgruppen<br />

steht ein Team von Spezialisten mit umfassenden<br />

Planungshilfen zur Verfügung.<br />

In jeder Jugendbegegnungsstätte erwarten<br />

orts- und fachkundige Betreuer und<br />

Betreuerinnen des <strong>Volksbund</strong>es die Gäs -<br />

te. Sie stehen ihnen während der Projekte<br />

mit historischen Informationen, pädagogischen<br />

Anregungen und hilf reichen<br />

Tipps zur Seite.<br />

Planungshilfen<br />

Für jede Jugendbegegnungsstätte wurden<br />

Programmbausteine entwickelt. Neben<br />

der Besichtigung von Kriegsgräberstätten<br />

und KZ-Gedenkstätten, dem Besuch euro -<br />

päischer Institutionen, Gesprächen mit<br />

Zeitzeugen sowie Freizeitaktivitäten sind<br />

Bausteine, die den Umgang mit zwischen -<br />

mensch lichen Konflikten thematisieren<br />

und üben, besonders beliebt.<br />

Friedensprojekte ...<br />

... gegen das Vergessen von Krieg und<br />

Gewaltherrschaft lassen sich mit Unterstützung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es leicht organisieren.<br />

Kontakte zu Schulen, Jugendverbänden<br />

und Vereinen im jeweiligen Gastland<br />

stellt der <strong>Volksbund</strong> gern her. ■<br />

Mehr Informationen erhalten Sie im Internet<br />

unter www.volksbund.de.<br />

Im März 2001 beschließt der <strong>Volksbund</strong> den Ausbau<br />

der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte in Kamminke<br />

am Golm auf der Insel Usedom, Mecklenburg-<br />

Vorpommern. <strong>Das</strong> alte Schulhaus (Foto unten) wird<br />

dabei in die Planung einbezogen.<br />

Lommel/Belgien: Schülerinterview<br />

im Rahmen eines Filmprojekts.<br />

Der 8. Mai, Tag des Kriegsendes in<br />

Europa, ist Nationalfeiertag in Belgien.<br />

Alljährlich findet ein großes Fest<br />

in der Begegnungsstätte statt, in dessen<br />

Orga nisation und Programmgestaltung<br />

die Jugend lichen eingebunden<br />

werden. Besonders beliebt bei<br />

jungen Leuten ist das Graffitiprojekt.<br />

<strong>Das</strong> Foto zeigt Jugendliche bei<br />

Pflegearbeiten auf der deutschen<br />

Kriegsgräberstätte am Futa-Pass in<br />

Italien.<br />

Niederbronn-les-Bains/Frankreich:<br />

Bernard Klein, Leiter der Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätte, führt<br />

eine Besuchergruppe über das Friedhofsgelände.<br />

Die Jugendbegegnungs- und<br />

Bildungsstätten werden auch für<br />

Projekte der Lehrerausbildung<br />

genutzt (hier in Niederbronn-les-<br />

Bains/Frankreich).<br />

<strong>22</strong>7


1998<br />

Zu den Feierlichkeiten anlässlich<br />

des 350. Jahrestages des Westfälischen<br />

Friedens versammeln sich am<br />

24. Oktober die Staatsoberhäupter<br />

aus 20 europäischen Ländern in<br />

Münster und Osnabrück.<br />

Der neue Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder mit seiner Frau Doris.<br />

<strong>22</strong>8<br />

Großbritannien und die USA reagieren<br />

auf die ständigen Behinderungen<br />

der Rüstungskontrolleure im Irak mit<br />

Luftangriffen. ❑ Der Konflikt in der serbischen<br />

Provinz Kosovo nimmt kriegerische<br />

Ausmaße an. Nach UNO-Angaben<br />

flüchten rund 265 000 Kosovo-Albaner<br />

aus ihrer Heimat. ❑ US-Präsident Bill<br />

Clinton gibt zu, eine „unangemessene Beziehung“<br />

zu der Ex-Praktikantin Monica<br />

Lewinsky unterhalten zu haben. Gegen<br />

ihn wird ein Amts enthebungsverfahren<br />

wegen Mein eides und Behinderung der<br />

Justiz eingeleitet. ❑ Eine anhaltende Finanzkrise<br />

erschüttert die russische Politik<br />

und Wirtschaft. <strong>Das</strong> Land ist praktisch<br />

zahlungsunfähig. ❑ Die Staats- und Regierungschefs<br />

der EU besie geln den Start<br />

der Europäischen Wäh rungsunion und<br />

damit den Einstieg in die stufenweise<br />

Einführung des Euro ab dem 1. Januar<br />

1999. ❑ Die Wahlen zum 14. <strong>Deutsche</strong>n<br />

Bundestag bringen einen Machtwechsel.<br />

Künftig regiert die SPD gemeinsam mit<br />

Bündnis 90/Die Grünen. Neuer Bundes-<br />

kanzler wird der bisherige niedersächsische<br />

Ministerpräsident Gerhard Schröder.<br />

❑ In China sind über 230 Millionen Menschen<br />

von einer verheerenden Überschwemmung<br />

betroffen. Die Opfer gehen<br />

in die Zehntausende. ❑ Anfang November<br />

bringt der Hurrikan Mitch Tod und<br />

Zerstörung nach Mittelamerika. Die Schäden<br />

werden auf fünf Milliarden Dollar<br />

geschätzt. ❑ In Nordirland unterzeichnen<br />

acht Parteien einen Friedensplan, der u. a.<br />

eine politische Teilautonomie gegenüber<br />

Großbritannien gewährt. Der Katholik<br />

John Hume und der Protestant David<br />

Trimble erhalten den Friedensnobelpreis.<br />

Hume nennt in seiner Rede die deutschfranzösische<br />

Aussöhnung als Vorbild für<br />

den nord irischen Friedensprozess. ■<br />

Während der Fußballweltmeisterschaft in<br />

Frankreich kommt es zu schweren Auseinandersetzungen<br />

zwischen Hooligans und französischer<br />

Polizei. Der französische Polizist Daniel<br />

Nivel wird von deutschen Randalierern lebensgefährlich<br />

verletzt.<br />

<strong>Das</strong> schwerste Zugunglück seit Bestehen der<br />

Bundes republik fordert am 3. Juni in Eschede<br />

101 Todesopfer, 88 Reisende werden zum Teil<br />

lebensgefährlich verletzt.<br />

Im Januar unterzeichnen der französische<br />

Staatssekretär Jean-Pierre<br />

Masseret und Präsident Hans-Otto Weber<br />

in Straßburg eine Vereinbarung zur gemeinsamen<br />

Wiederherrichtung des<br />

Kriegsgefangenenfriedhofes im Wald von<br />

Rada bei Tambow/Russland. Hier starben<br />

von 1942 bis 1946 etwa <strong>22</strong> 000 Häftlinge<br />

und Kriegsgefangene aus <strong>22</strong> Nationen,<br />

darunter zahlreiche zwangseingezogene<br />

Franzosen aus dem Elsass. ❑ Im Rahmen<br />

seines Staatsbesuches in der Ukraine<br />

weiht Bundespräsident Roman Herzog<br />

gemeinsam mit dem Gouverneur des<br />

Charkower Gebietes den dortigen deutschen<br />

Soldatenfriedhof ein. ❑ Weitere<br />

Friedhofseinweihungen: Klaipeda (Me-<br />

20 deutsche Wehrpflichtige richten gemeinsam mit<br />

estnischen Soldaten den deutschen Soldatenfriedhof<br />

in Tallinn-Maarjamae (Reval-Marienberg) wieder her.<br />

mel)/Litauen, Potelitsch/Ukraine,<br />

Schlossberg (Dobrowolsk)/Russland,<br />

Laurahütte (Siemianowice)/Polen, Split/<br />

Kroatien, Reval (Tallinn)/Estland, Tambow-Rada/Russland,<br />

Valka/Lettland,<br />

Vazec/Slowakische Republik. ❑ Zum ersten<br />

Mal seit Bestehen der Bundeswehr<br />

arbeiten deutsche Soldaten in Estland. ❑<br />

In Magdeburg wählt der Bundesvertretertag<br />

des <strong>Volksbund</strong>es Karl-Wilhelm Lange,<br />

Regierungspräsident a. D., zum neuen<br />

Präsidenten. Die Delegierten ernennen<br />

Hans-Otto Weber, der dem <strong>Volksbund</strong><br />

seit 1952 verbunden ist und elf Jahre die<br />

Geschicke des Verbandes gelenkt hat,<br />

zum Ehrenpräsidenten. ■<br />

Der scheidende Präsident Hans-Otto Weber<br />

(links) übergibt die Amtsgeschäfte seinem<br />

Nachfolger Karl-Wilhelm Lange.<br />

„Friedenshimmel“ heißt das Bild,<br />

das die 14-jährige Tatjana Alexejewa<br />

aus St. Petersburg anlässlich<br />

eines inter nationalen Malwettbewerbs<br />

gemalt hat.<br />

Die Gedenkstätte für gefallene<br />

U-Bootfahrer beider Weltkriege<br />

in Kiel-Möltenort wird am 13. Juni<br />

60 Jahre alt.<br />

<strong>22</strong>9


Übersichtskarte Osten<br />

(Stand: April 2009)<br />

230<br />

Nach dem Ausbau der deutschen<br />

Kriegsgräberstätten in Deutschland,<br />

Nordafrika und im Westen Europas, auf<br />

denen über 1,4 Millionen Kriegstote ru -<br />

hen, kümmert sich der <strong>Volksbund</strong> seit<br />

1990 verstärkt um die über drei Millionen<br />

Gräber in Ost-, Mittel- und Südosteuropa.<br />

Hier sollen die Bemühungen bis zum Jahr<br />

2015 so sehr intensiviert werden, dass bis<br />

dahin ein Großteil der noch zu bergenden<br />

Kriegstoten umgebettet worden ist. Wo<br />

immer es möglich ist, werden die geborgenen<br />

Toten identifiziert, auf gesicherten<br />

und gepflegten Kriegsgräberstätten bestattet<br />

und die Namen auf Namenstelen<br />

festgehalten.<br />

Die politischen Veränderungen haben die<br />

Arbeitsbedingungen des <strong>Volksbund</strong>es in<br />

den Ländern Osteuropas inzwischen stark<br />

verbessert. Kriegsgräberabkommen zwischen<br />

der Bundesrepublik Deutschland<br />

und den jeweiligen Ländern geben dem<br />

<strong>Volksbund</strong> die Basis für seine Arbeit. In<br />

den bilateralen Kriegsgräberabkommen<br />

geht es um den Schutz der deutschen<br />

Kriegsgräber und das dauernde Ruherecht,<br />

die Erfassung und Sicherung der<br />

Ruhestätten, die Umbettung von Kriegstoten<br />

auf neue oder bestehende Anlagen<br />

und die Herrichtung und Pflege von<br />

Kriegsgräberstätten. In den Verträgen<br />

wird der <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

von der Regierung der Bundesrepublik<br />

Deutschland als Partner ge -<br />

nannt, der mit der Durchführung der<br />

Abkommen beauftragt ist. ■<br />

Legende<br />

Hauptstadt (unterstrichen)<br />

Arbeit in<br />

Osteuropa<br />

Kriegsgräberstätte vor gesehen<br />

(keine Vorplanun gen bzw. Planungsarbeiten durchgeführt)<br />

Kriegsgräberstätte<br />

(Vorplanung bzw. Planungs arbeiten begonnen)<br />

Kriegsgräberstätte im Bau<br />

Kriegsgräberstätte fertig gestellt<br />

MLAWKA<br />

Sammel fried hof (Großbuchstaben)<br />

Warschau<br />

bestehen bleibende Friedhöfe (normale Schrift)<br />

_ _ _ _ _<br />

vorderster Frontverlauf<br />

231


1999<br />

Johannes Rau wird Bundespräsident;<br />

neben ihm seine Ehefrau Christina.<br />

Nach 17 vergeblichen Versuchen<br />

glückt erstmals die Weltumrundung<br />

mit einem Ballon.<br />

Sonnenfinsternis über Deutschland:<br />

<strong>Das</strong> seltene Naturschauspiel<br />

begeistert Millionen.<br />

232<br />

Zum Jahreswechsel beginnt in elf<br />

Ländern Europas das Euro-Zeitalter.<br />

Die Gemeinschaftswährung gilt zunächst<br />

nur im bargeldlosen Zahlungsverkehr. ❑<br />

König Hussein II. von Jordanien, einer<br />

der Väter des Aussöhnungsprozesses in<br />

Nahost, stirbt nach 46-jähriger Regentschaft<br />

an einem Krebsleiden. Nachfolger<br />

wird sein Sohn Abdallah. ❑ Die NATO beginnt<br />

am 24. März mit Luftangriffen auf<br />

Jugoslawien, nachdem alle Bemühungen<br />

um eine friedliche Lösung des Konflikts<br />

gescheitert sind. Für die Bundeswehr ist<br />

dies die erste Beteiligung an einer kriegerischen<br />

Auseinandersetzung seit ihrem<br />

Bestehen. ❑ Ein ausführ licher Bericht<br />

über Misswirtschaft und Korruption in<br />

der EU-Verwaltung führt zum Rücktritt<br />

der 20-köpfigen EU-Kommission. ❑ Völlig<br />

überraschend tritt der Bundesfinanzminister<br />

und SPD-Vorsitzender Oskar<br />

La fontaine von seinen politischen Ämtern<br />

zurück. ❑ Bundestagspräsident Wolfgang<br />

Thierse (SPD) eröffnet die erste Parlamentssitzung<br />

im umgebauten Berliner<br />

Reichstag. Die 11. Bundesversammlung<br />

wählt den 68-jährigen SPD-Politiker Johannes<br />

Rau zum achten Präsidenten der<br />

Bundesrepublik Deutschland. Er übernimmt<br />

auch die Schirmherrschaft über<br />

den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegs gräberfürsorge.<br />

❑ Eine Affäre um sogenannte<br />

Schwarzgeldkonten stürzt die CDU in<br />

eine der schwersten Krisen seit ihrem Bestehen.<br />

❑ Am 1. September jährt sich zum<br />

60. Mal der Beginn des Zweiten Welt krieges.<br />

❑ Russlands Präsident Boris Jelzin<br />

erklärt zum Jahres ende seinen Rück tritt,<br />

Nachfolger wird Wladimir Putin. ■<br />

Jugoslawien: Heftige Zerstörungen<br />

nach einem Luftangriff der NATO.<br />

Im Rahmen der Aktion „Ich will<br />

Frieden“ macht der <strong>Volksbund</strong> mit<br />

Freianzeigen in Zeitungen auf seine<br />

Arbeit und Ziele aufmerksam. In 200 Millionen<br />

Zeitungsexemplaren sind diese<br />

für den <strong>Volksbund</strong> kostenlosen Anzeigen<br />

zu sehen. ❑ Jahrelange Verhandlungen<br />

und Planungen mit zahlreichen Rückschlägen<br />

finden ihren Abschluss mit der<br />

Einweihung der Kriegsgräberstätte Wolgograd-Rossoschka<br />

am 15. Mai. Weitere<br />

Einweihungen: Kranj/Slowenien, Neustadt<br />

(Kurdirkos-Naumiestis/Litauen),<br />

Frauenburg (Saldus/Lettland), Tauroggen<br />

(Taurage/Litauen), Troppau (Opava/<br />

Tschechische Republik). ❑ Anlässlich der<br />

25. Wiederkehr der Einweihung der<br />

Kriegsgräberstätte Maleme auf Kreta/<br />

Griechenland wird eine dreisprachige<br />

Dokumentation im Eingangsbereich installiert,<br />

um die jährlich etwa 100 000 Besucher<br />

des Friedhofes besser zu informieren.<br />

❑ Die Zahl der registrierten Besucher<br />

auf den deutschen Kriegsgräberstätten<br />

bleibt mit rund 800 000 weiter hoch. Die<br />

Anzahl der deutschen Besucher ist rückläufig,<br />

dafür steigt die Zahl ausländischer<br />

Gäste. ❑ Wenig beachtet von der Öffentlichkeit<br />

sind die Umbettungen im Inland,<br />

besonders im brandenburgischen Oderbruch.<br />

Etwa 500 deutsche und sowjetische<br />

Gefallene werden auf die umliegenden<br />

Kriegsgräberstätten zugebettet. ■<br />

Am 12. November stirbt Werner<br />

Michel im Alter von 77 Jahren. Der<br />

<strong>Volksbund</strong> trauert um den „Könner<br />

der Schularbeit,“ der in seinem fast<br />

50-jährigen Engagement für den<br />

<strong>Volksbund</strong> deutliche Akzente in der<br />

Zusammenarbeit mit den Schulen<br />

setzte.<br />

Ein Ort der Trauer und des Gedenkens<br />

für die Angehörigen: Die deutsche<br />

Kriegsgräberstätte im lettischen<br />

Saldus (Frauenburg) wird am 4. September<br />

ihrer Bestimmung übergeben.<br />

Ab Juli sind unter www.volksbund.de<br />

über zwei Millionen Grablagedaten<br />

frei im Internet zugänglich. Seitdem<br />

nutzen Monat für Monat tausende<br />

Mitbürger dieses kostenlose Angebot.<br />

Dazu müssen die Internetnutzer einfach<br />

nur die wichtigsten Angaben<br />

zum Vermissten unter „Gräbersuche<br />

online“ eingeben. <strong>Das</strong> Programm<br />

gibt umgehend eine Auskunft zum<br />

Sachstand der jeweiligen Grablage.<br />

Mit der Übergabe des renovierten<br />

Reichstagsgebäudes als Plenarbereich<br />

des Bundestages an die Öffentlichkeit<br />

kehrt auch der <strong>Volksbund</strong><br />

mit der zentralen Gedenkfeier zum<br />

Volkstrauertag an die Wurzeln seiner<br />

Gründung in Berlin im Dezember<br />

1919 zurück.<br />

233


Rossoschka<br />

bei Wolgograd<br />

Zur Einweihung am 15. Mai 1999<br />

kamen über 700 Gäste aus<br />

Deutschland und Russland.<br />

234<br />

Mit Stalingrad, dem heutigen Wolgograd,<br />

verbindet die Kriegsgeneration<br />

einen der tragischen, die Wende des Krieges<br />

einleitenden Höhepunkte im Verlauf<br />

des Zweiten Weltkrieges. Hunderttausen -<br />

de Opfer auf beiden Seiten forderte das<br />

Ringen um die Stadt. Die Schlacht endete<br />

am 2. Februar 1943 mit der Kapitulation<br />

der deutschen 6. Armee und der Truppen<br />

der Verbündeten. Allein auf deutscher<br />

Seite forderten die Kämpfe 60 000 Tote.<br />

Von 110 000 Kriegsgefangenen kehrten<br />

nach teilweise über zehnjähriger Zwangsarbeit<br />

weniger als 6 000 le bend nach<br />

Deutschland zurück.<br />

Fast 50 Jahre lang war es dem <strong>Volksbund</strong><br />

nicht gestattet, sich um die deutschen<br />

Kriegsgräber in der ehemaligen So -<br />

wjetunion zu kümmern. Die über 2,2 Millionen<br />

Gräber existierten offi ziell nicht<br />

mehr. Unter der Regierung von Michail<br />

Gorbatschow schlossen Deutschland und<br />

die Alliierten in Moskau ein Friedensabkommen.<br />

1992 wurde das deutsch-russische<br />

Kriegsgräberabkommen unterzeich-<br />

net. Aber erst nach dem 50. Jah restag des<br />

Kriegsendes, im Jahre 1995, stimmten die<br />

örtlichen Behörden und Veteranengruppen<br />

endgültig den Plänen des <strong>Volksbund</strong>es<br />

zu, nahe der Stadt Wolgograd eine<br />

deutsche Kriegsgräberstätte zu bauen.<br />

Diese wird als zentrale Anlage alle noch<br />

zu bergenden Gefallenen zwischen Don<br />

und Wolga aufnehmen.<br />

Der Platz liegt etwa 30 Kilometer<br />

westlich der Stadtgrenze an dem Flüsschen<br />

Rossoschka mitten in der Steppe.<br />

Nur durch eine Straße davon getrennt<br />

entstand hier mit Unterstützung durch<br />

den <strong>Volksbund</strong> 1997/98 der russische<br />

Soldatenfriedhof.<br />

Es war ein langer, schwieriger Weg<br />

bis zur Einweihung des Friedhofes am<br />

15. Mai 1999. Immer wieder bedrohten<br />

Bauunterbrechungen das Projekt, mussten<br />

die Pläne korrigiert werden. Aber das<br />

Ziel wurde erreicht.<br />

<strong>Deutsche</strong> und russische Soldaten,<br />

Gegner von einst, ruhen nun hier vereint<br />

– als Symbol der beginnenden deutschrussischen<br />

Aussöhnung.<br />

Der Friedhof, nach den Plänen des<br />

Kasseler Architekten Professor Jürgen<br />

H. Reuß gebaut, gliedert sich in zwei Grä -<br />

berfelder. Von der Straße aus links liegt<br />

der alte, inzwischen neu gestaltete Friedhof,<br />

der schon während des Krieges von<br />

der Wehrmacht in der Nähe des damaligen<br />

Flugplatzes Gumrak für 600 Gefalle -<br />

ne angelegt wurde. Dieses trapezförmi ge<br />

Areal ist von einer Natursteinmauer umgeben.<br />

Rechts davon liegt der neue Teil.<br />

Ein gepflasterter Weg führt den Besucher<br />

am alten Friedhof entlang direkt zum zen -<br />

tralen Gedenkplatz mit einem Hochkreuz<br />

aus Metall. Er bildet die Ver bindung zum<br />

neuen Sammelfriedhof, der an einer Fluss -<br />

schleife der Rossoschka liegt.<br />

Die kreisförmige Anlage mit einem<br />

Durchmesser von 150 Metern gleicht<br />

einer überdimensionalen auf die Steppe<br />

gelegten flachen Scheibe. Hier werden<br />

nach Abschluss der Umbettungen rund<br />

50 000 Gefallene ihre letzte Ruhestätte<br />

erhalten. Eine starke Ringmauer, die teilweise<br />

eine Höhe von 3,5 Metern erreicht,<br />

grenzt mit einem umlaufenden gepflas -<br />

terten Weg das Gelände gegen die Steppe<br />

ab. Hier werden auf Steintafeln die Na men<br />

aller geborgenen und iden tifizierten deutschen<br />

Gefallenen aus dem Kessel um Stalingrad<br />

für die Nachwelt festgehalten.<br />

Auf 120 großen Granitwürfeln sind<br />

über 110 000 Namen von Vermissten angebracht.<br />

Die Namen von Kriegstoten,<br />

die nicht mehr gefunden werden können,<br />

sollen ebenfalls auf diese Weise verewigt<br />

werden. So kommen alle Angehörigen<br />

endlich einen Ort der Erinnerung und<br />

Trauer. ■<br />

15. Mai 1999, Tag der Einweihung:<br />

Angehörige suchen – und finden auf<br />

den Stein tafeln die Namen ihrer<br />

Gefallenen (Fotos oben).<br />

Junge Menschen aus Deutschland<br />

und Russland verkaufen Blumen an<br />

die Gäste.<br />

<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer<br />

und Bundesverfassungsgerichtspräsident<br />

Hans-Jürgen Papier studieren<br />

die Lebensdaten der Vermissten von<br />

Stalingrad.<br />

<strong>Das</strong> Projekt Namen für Rossoschka<br />

(Foto unten) wird im Jahr 2006 verwirklicht:<br />

Auf den Granitwürfeln sind<br />

Namen- und Lebensdaten von weit<br />

über 100 000 Vermissten aus den<br />

Kämpfen um Stalingrad verewigt.<br />

235


Jugend -<br />

wettbewerb<br />

236<br />

„Ich will Frieden“ war eine Aktion,<br />

die im 80. Jahr des <strong>Volksbund</strong>es die<br />

Menschen in Deutschland verstärkt auf<br />

seine völkerverbindende Arbeit aufmerksam<br />

machte. So startete der <strong>Volksbund</strong><br />

zu Beginn des Jahres 1999 einen Jugendwettbewerb<br />

zum Thema. Vorgabe für die<br />

Wettbewerbsteilnehmer war, dem Motto<br />

„Ich will Frieden“ persönlich Ausdruck<br />

zu verleihen. „Ich will Frieden“ ist als<br />

Klammer zwischen dem aus eigener leidvoller<br />

Erfahrung geprägten Friedens-<br />

Janine Urschel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />

– Gruppe 2, Sekundarbereich I – den 1. Platz.<br />

Matthias Vogel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />

– Gruppe 1, Grundschule – den 2. Platz.<br />

Sophie Dirschel belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />

– Gruppe 1, Grundschule – den 3. Platz.<br />

Jana Grabowski belegte in der Kate -<br />

gorie Malen und Zeichnen – Gruppe 3,<br />

Sekundarbereich II – den 1. Platz.<br />

wunsch der älteren Generation und der<br />

Friedenssehnsucht der jüngeren Generation<br />

zu verstehen. Aus Texten, Zeichnungen<br />

und Fotos wurde deutlich, wie junge<br />

Menschen sich Frieden vorstellen und<br />

warum sie – für sich und andere – Frieden<br />

wollen und brauchen.<br />

Am Wettbewerb nahmen bundes weit<br />

über 300 Schüler und Schülerinnen teil.<br />

Auf diesen Seiten sehen Sie eine kleine<br />

Auswahl der besten Beiträge. ■<br />

Markus Nass belegte in der Kategorie<br />

Malen und Zeichnen – Gruppe 3,<br />

Sekundarbereich II – den 3. Platz.<br />

Antonia Spohr belegte in der Kategorie Fotowettbewerb den 1. Platz.<br />

Martina Liptakova aus der Slowakischen Republik<br />

erhielt als Sonderpreis die kostenlose Teilnahme<br />

an einem internationalen Jugendlager in Deutschland.<br />

Die Jury des Wettbewerbs „Ich will Frieden“<br />

– Professor Lude Döring, Eva Köberle und<br />

Oswald Thomas (von links) – einigte sich<br />

schnell über die besten Bilder.<br />

Patrick Nachtigal belegte in der Kategorie Malen und Zeichnen<br />

– Gruppe 1, Grundschule – den 1. Platz.


2000<br />

Millenniumsfeiern: Rund um<br />

den Globus feiert die Welt den<br />

Beginn des neuen Jahrtausends.<br />

<strong>Das</strong> von vielen befürch tete<br />

Computer-Chaos bleibt aus.<br />

Korea: Erstmals seit 55 Jahren<br />

treffen sich die Staatsoberhäupter<br />

von Nord- und Südkorea, Kim Jong II<br />

und Kim Dae Jung. In beiden Hauptstädten<br />

kommt es zu ergreifenden<br />

Szenen, als sich nach fünf Jahrzehnten<br />

der Trennung Familienangehörige<br />

wiedertreffen.<br />

238<br />

Nach 18-monatigen zähen Verhandlungen<br />

beschließt der <strong>Deutsche</strong><br />

Bundestag am 6. Juli das Gesetz zur<br />

Entschädigung von überlebenden NS-<br />

Zwangsarbeitern. ❑ Steigende Ölpreise<br />

und die 1999 neu eingeführte Ökosteuer<br />

treiben die Energiekosten in die Höhe.<br />

7 000 LKW-Fahrer demonstrieren mit<br />

ihren Fahrzeugen vor dem Brandenburger<br />

Tor in Berlin. ❑ Die Weltausstellung<br />

Expo 2000 – geplant für 40 Millionen Besucher<br />

aus aller Welt – leidet unter Besu-<br />

chermangel. Insgesamt kommen aber<br />

rund 18 Millionen Menschen auf das<br />

Messegelände in Hannover, nur jeder<br />

zehnte da von aus dem Ausland. ❑ Die<br />

Krankheit BSE, auch Rinderwahnsinn genannt,<br />

erfasst nun auch Deutschland. ❑<br />

Weltweit gehen die Aktienkurse auf Talfahrt.<br />

Die Verluste der Anleger sind<br />

enorm. ❑ Beim Untergang des sowjetischen<br />

Atom-U-Bootes Kursk kommen<br />

alle 118 Besatzungsmitglieder ums Leben.<br />

❑ Die Olympischen Spiele von Sydney in<br />

Australien gelten als die „besten Spiele<br />

aller Zeiten:“ Niemals zuvor verlief eine<br />

Olympiade fröhlicher, friedlicher – und<br />

mediengerechter. ❑ Die Präsidentenwahl<br />

in den USA ergibt das knappste Ergebnis<br />

in ihrer Geschichte. Nach wochenlangem<br />

zähem Ringen um die Gültigkeit der Auszählungsergebnisse<br />

wird George W. Bush<br />

zum 43. Präsidenten der USA gewählt. ■<br />

Geiseldrama auf Jolo: Am Ostersonntag entführt<br />

die muslimische Terrorgruppe Abu Sayyaf 21 Menschen<br />

von der malaysischen Insel Sipadan. Unter<br />

ihnen befindet sich die Göttinger Familie Wallert.<br />

Nach 142 Tagen endet die Geiselhaft auf der philippinischen<br />

Insel Jolo für die <strong>Deutsche</strong>n mit der Frei lassung<br />

von Marc Wallert.<br />

Der genetische Code des Menschen ist vollständig<br />

entschlüsselt und eröffnet neue Wege bei der<br />

Erforschung von Krankheiten. Kritiker befürchten<br />

dagegen „den gläsernen Menschen,“ d. h. die<br />

mögliche Benachteiligung von Menschen mit<br />

bestimmten Genmerkmalen.<br />

Beim Absturz eines Überschallflugzeugs vom Typ<br />

Concorde kurz nach dem Start in Paris kommen<br />

113 Menschen ums Leben. Unter den Toten befinden<br />

sich 96 <strong>Deutsche</strong>.<br />

Am 12. März übernimmt der <strong>Volksbund</strong><br />

die Pflege der Kriegsgräberstät -<br />

te Golm auf der Insel Usedom (Mecklenburg-Vorpommern).<br />

Hier entsteht auch<br />

eine weitere Jugendbegegnungsstätte. ❑<br />

Generalsekretär Dr. Ger hard Holz tritt am<br />

31. März in den Ruhestand. Sein Nach folger<br />

ist Burkhard Nipper. ❑ Auf Anregung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es gründen 13 deutsche<br />

Städte im Mai das <strong>Deutsche</strong> Riga- Komi -<br />

tee, um mit Hilfe der Bundesregierung<br />

die Errichtung einer Gedenkstätte bei Ri -<br />

ga zu finanzieren. In den Jahren 1941/42<br />

wurden nahezu 25 000 <strong>Deutsche</strong> jüdischen<br />

Glaubens dorthin deportiert und<br />

ermordet. ❑ Anlässlich der Weltausstellung<br />

Expo 2000 in Hannover veranstaltet<br />

der <strong>Volksbund</strong> ein Internationales Jugendund<br />

Kulturfest. ❑ Herausragendes Ereignis<br />

des Jahres ist die offizielle Übergabe<br />

der Kriegsgräberstätte So logubowka bei<br />

St. Petersburg am 9. September an die Öffentlichkeit.<br />

❑ Am 27. Ok tober beschließt<br />

der Bundesvertretertag die Gründung der<br />

Stiftung Gedenken und Frieden, um auch<br />

künftige Aufgaben finanzieren zu können.<br />

❑ Außer der Kriegsgräberstätte Sologu<br />

bowka weiht der <strong>Volksbund</strong> in fünf<br />

osteuropäischen Ländern acht wei tere<br />

Anlagen ein: Bratislava/Slowakische Re -<br />

publik, Kirowograd/Ukraine, Pillau (ehemaliges<br />

Ostpreußen/Russland), Kaunas/<br />

Litauen, Salla/Russland, Kiew/Ukraine,<br />

Pulawy/Polen. ❑ Der Umbettungsdienst<br />

des <strong>Volksbund</strong>es birgt 52 841 Gefallene. ■<br />

Im Beisein von Bundespräsident Johannes Rau<br />

wird von <strong>Volksbund</strong>präsident Karl-Wilhelm Lange<br />

und den Repräsentanten von 13 deutschen Städten<br />

in Berlin das <strong>Deutsche</strong> Riga-Komitee gegründet.<br />

<strong>Deutsche</strong> und polnische Soldaten<br />

arbeiten gemeinsam auf der bei<br />

Stettin gelegenen deutschen<br />

Kriegsgräberstätte Neumark<br />

(Stare Czarnowo/Polen).<br />

Der Bremer Jugendarbeitskreis<br />

erzielt bei der Musikschau der Nationen<br />

in Bremen dank der großzügigen<br />

Spender im mer wieder neue Sammlungsrekorde.<br />

Diesmal sind über<br />

48 000 <strong>Deutsche</strong> Mark in den Spendendosen<br />

des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Eine junge Israelin, Teilnehmerin<br />

eines Jugendlagers, richtet auf dem<br />

Lagerfriedhof in Gurs/Frankreich ein<br />

Grabmal für die Gedenkfeier am<br />

29. Oktober her. Dort liegen 1 070<br />

überwiegend jüdische Deportierte<br />

aus Südwestdeutschland begraben.<br />

Am 25. August wird der deutsche<br />

Soldatenfriedhof Petschenga am<br />

Eismeer in Russland eingeweiht.<br />

239


St. Petersburg-<br />

Sologubowka<br />

240<br />

St. Petersburg-<br />

Sologubowka<br />

9. September 2000<br />

Über 1 000 deutsche und russische<br />

Gäste nahmen an der Einweihung<br />

des Friedhofes, der Weihe der Kirchenglocken<br />

und der Eröffnung des<br />

Friedensparks teil.<br />

Von 1941 bis 1944 belagerten deutsche<br />

Truppen das damalige Leningrad.<br />

In den 900 Blockadetagen starben<br />

Hunderttausende Menschen: Soldaten<br />

bei der Seiten und Einwohner der abgeriegelten<br />

Stadt. Leid und Not lassen sich<br />

kaum beschreiben. Viele der über einhunderttausend<br />

deutschen Gefallenen ruhen<br />

noch heute auf kleinen und kleinsten<br />

Frontfriedhöfen oder dort, wo sie damals<br />

fielen.<br />

1994 begann der <strong>Volksbund</strong> mit der<br />

Suche nach einem geeigneten Gelände für<br />

einen großen Sammel friedhof. Zahlreiche<br />

während des Krieges angelegte deutsche<br />

Soldatenfriedhöfe wurden begutachtet.<br />

Im Ort Sologubowka bot sich ein ausreichend<br />

großes Gelände an, zumal während<br />

des Krieges in der direkten Umgebung<br />

des heutigen Friedhofes vier kleinere Gräber<br />

felder mit insgesamt 3 198 Toten angelegt<br />

worden waren.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erhielt die Genehmigung<br />

für den Bau des Friedhofes auf<br />

einem fünf Hektar großen kircheneigenen<br />

Gelände in der Ortschaft Solo gu bow ka<br />

(Ortsteil Lezje). Auf der Grundlage von<br />

Gestaltungsvorgaben des <strong>Volksbund</strong>es<br />

wurde die Anlage von einem russischen<br />

Architekten geplant. <strong>Das</strong> Projekt gliedert<br />

sich in drei Teilbereiche: den großen Sammelfriedhof<br />

als Ort der Er inne rung und<br />

Mahnung, den Friedens park als Symbol<br />

für das Heranwachsen des Friedens zwischen<br />

den Menschen und die Wieder herstellung<br />

der alten russisch- orthodoxen<br />

Kirche als Zeichen der Versöhnung. Die<br />

Kirche Mariä Himmel fahrt, deren Geschich<br />

te fast 500 Jahre zurück reicht,<br />

wurde 1851 eingeweiht und 1880 mit<br />

einem Glockenturm versehen. In den 20er<br />

und 30er Jahren ausgeplündert, wurde sie<br />

1937 geschlossen. Während der Kriegsjahre<br />

befand sich im Gewölbe unter der<br />

Kirche ein deutsches Lazarett.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> dokumentiert in diesem<br />

Gewölbe die Namen aller in den<br />

Kämpfen um Lenin grad gefallenen Soldaten.<br />

Die Kirche dient den Menschen in So -<br />

lo gu bowka heute wieder als Gotteshaus.<br />

Mit diesem Projekt setzt der Volks bund<br />

Die Namen aller Gefallenen werden<br />

auf Steintafeln verewigt.<br />

ein Zeichen der Versöhnung zwischen<br />

den Menschen in Russland und Deutschland<br />

und vermittelt künfti gen Besuchern<br />

dieses Areals seine Friedensbotschaft.<br />

Am 9. September 2000 wurde der Fried -<br />

hof unter Beteili gung von Angehö rigen<br />

und der russischen Bevöl kerung der Öffentlichkeit<br />

über geben. ■<br />

August 1943<br />

August 2000<br />

August 2005<br />

Juni 2007<br />

Hochkreuz<br />

Eingang<br />

Kirche<br />

Glockenturm<br />

Vertragsunterzeichnung zum Wiederaufbau<br />

der Kirche Sologubowka:<br />

Metropolit von St. Petersburg und<br />

Ladoga Vladimir (links), Präsident<br />

Karl-Wilhelm Lange (Mitte) und Prof.<br />

Dr. Dieter Landgraf-Dietz (rechts).<br />

Pflanzung der ersten drei Bäume<br />

(von links): A. Lopatrikow, Andrej<br />

Wassiljew, Ortwin Runde, Erster<br />

Bürger meister Hamburgs, Nikolaj I.<br />

Pustotin, Dr. Dorothee Stapelfeldt,<br />

Hamburger Bürgerschaftspräsidentin.<br />

St. Petersburg-Sologubowka:<br />

Kriegsgräberstätte, Friedenspark und Kirche<br />

Mariä Himmelfahrt bilden eine Einheit<br />

Friedenspark<br />

Die Kirche Mariä Himmelfahrt<br />

damals und heute. Der Turm wurde<br />

während des Krieges von der deutschen<br />

Wehrmacht abgetragen, weil<br />

er Zielpunkt der sowjetische Artillerie<br />

war. <strong>Das</strong> Gotteshaus verfiel nach<br />

dem Krieg.<br />

241


Mitmachaktionen Die gegenseitige<br />

Verantwortung für<br />

den Frieden<br />

Rund 300 Anzeigenredaktionen erhalten<br />

vom <strong>Volksbund</strong> Anzeigen wie<br />

diese und drucken sie kostenlos ab.<br />

242<br />

Ich bin<br />

GEGEN GEWALT<br />

Erinnern Gedenken<br />

Frieden<br />

Mahnen<br />

Weltweit Zeichen setzen:<br />

Aktion Gedenken jetzt im<br />

Internet!<br />

Vor einigen Wochen sand ten<br />

wir vielen unserer Förderer den<br />

Coupon zur „Aktion Gedenken“<br />

zu. Rund 5 000 Namen von<br />

Kriegsopfern, derer wir<br />

öffentlich gedenken werden,<br />

haben wir bereits gesammelt.<br />

Die Namen wollen wir jetzt<br />

auch auf unseren Seiten im<br />

Internet<br />

www.volksbund.de<br />

veröffentlichen. Bitte nehmen<br />

auch Sie an unserer Aktion<br />

teil, wenn Sie noch keinen<br />

Coupon eingesandt haben!<br />

Zeigen Sie damit weltweit, dass<br />

die Opfer nicht vergessen sind.<br />

Aktion Gedenken:<br />

Die Opfer nicht vergessen.<br />

Die Aktionen<br />

„Ich bin gegen Gewalt“<br />

und „Gedenken“<br />

finden Sie im Internet<br />

auf den Seiten des <strong>Volksbund</strong>es<br />

www.volksbund.de<br />

Machen auch Sie mit!<br />

Erinnern Gedenken<br />

Gedenkanlass-Coupon<br />

Mahnen<br />

Vor- und Zuname des / der Gefallenen / Vermissten:<br />

Sein/ihr Alter: Jahre<br />

Frieden<br />

Ich bitte den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge um ein persönliches Gedenken an ...<br />

Er/sie ist durch Krieg / Flucht / Gefangenschaft / Vertreibung umgekommen in ...<br />

Land (falls bekannt): Jahr (falls bekannt):<br />

Die Aktion „Gedenken” – alle Namen werden öffentlich verlesen und auf den Seiten des<br />

<strong>Volksbund</strong>es im Internet veröffentlicht – hat im September 2000 begonnen. Die ersten<br />

Namen stehen bereits jetzt auf unseren Seiten. Sie finden sie unter www.volksbund.de.<br />

Aus Kostengründen geben wir Ihnen keine Rückbestätigung über Ihre Teilnahme. Machen<br />

Sie bitte mit – unsere Angehörigen und Freunde dürfen nicht vergessen werden!<br />

Absender:<br />

„... damit die Hoffnung<br />

auf eine bessere Welt<br />

nicht verloren geht und<br />

wir unseren Kindern sagen<br />

können, schau, dafür habe ich<br />

gelebt, nicht dafür<br />

habe ich getötet!“<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge e.V.<br />

Arbeit für den Frieden<br />

Erika Illner, 62 Jahre<br />

ICH WILL<br />

FRIEDEN ...<br />

Spendenkonto:<br />

Postbank Frankfurt<br />

4300 -603<br />

BLZ: 500 100 60<br />

Seit Ende 1998 ruft der <strong>Volksbund</strong><br />

mit wechselnden Aktionen auf, über<br />

Krieg, Frieden und Gewalt nachzudenken.<br />

Mit interaktiven Freianzeigen zum The -<br />

ma „Ich will Frieden, weil ...“ und „Ich<br />

bin gegen Gewalt, weil ...“ fordert der<br />

<strong>Volksbund</strong> die Zeitungsleser auf, diese<br />

Satzanfänge mit eigenen Worten zu ergänzen.<br />

Die Resonanz war und ist überwältigend:<br />

Zum einen bei den Zeitungen<br />

selbst, die in bisher nicht gekanntem<br />

Maße diese Anzeigen kostenlos für den<br />

<strong>Volksbund</strong> veröffentlichen, aber vor al lem<br />

bei den Lesern. Alle Generationen fühlen<br />

sich angesprochen, zu antworten, die<br />

eigenen Gedanken niederzuschreiben.<br />

Fast 20 000 Zeitungsleser haben bereits<br />

mitgemacht. So entwickelte sich aus diesen<br />

Aktionen auch der Jugend- und Schülerwett<br />

bewerb. Die Gedanken derjenigen<br />

Men schen, die bei der Aktion „Ich bin<br />

gegen Gewalt, weil ...“ mitgemacht ha -<br />

ben, sind in der virtuellen Lichterkette<br />

unter www.ich-bin-gegen-gewalt.de im<br />

Internet abrufbar.<br />

Seit Herbst 2000 läuft die Aktion Gedenken.<br />

Mitglieder und Förderer des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

aber auch andere, sind aufgerufen,<br />

die Namen von gefallenen, vermissten,<br />

in Kriegsgefangenschaft oder durch<br />

andere Ereignisse infolge des Krieges umgekommenen<br />

Angehörigen zu nennen.<br />

Alle Namen werden im Internet veröffentlicht<br />

oder können direkt dort eingetragen<br />

werden.<br />

Und warum unterstützen SIE den <strong>Volksbund</strong>?<br />

Freunde und Förderer tragen online<br />

ein, warum sie die Arbeit der deut -<br />

schen Kriegsgräberfürsorge so wichtig<br />

finden. Bitte machen auch Sie mit! ■<br />

„Ich erlebte einen schweren Krieg<br />

von den ersten Tagen an, vom Juni<br />

1941 bis Dezember 1944. Ich erlebte Rückzüge,<br />

Dienst bei der Volksverteidigung,<br />

Monate der Umzingelung und die Blockade<br />

von Leningrad. Ich erlebte schwere<br />

Monate im Winter 1942, den Hunger, Angriffe,<br />

Panzerschlachten.<br />

Nach dem Krieg wurde ich Schriftsteller.<br />

Als ich in dieser Funktion zum ersten<br />

Mal nach Deutschland kam, war ich, offen<br />

gestanden, von Hass erfüllt. Zu schwer<br />

waren die Jahre des Krieges für mich und<br />

für meine Kameraden gewesen. Ich sah in<br />

jedem <strong>Deutsche</strong>n meines Alters einen Soldaten,<br />

einen Gegner. Später, als ich Heinrich<br />

Böll kennen lern te, meinte er dazu,<br />

das war ein „Treffen derjenigen, die danebengeschossen<br />

haben.“ Erst in den 50er<br />

Jahren begann ich meinen Hass mühevoll<br />

und schmerzhaft zu überwinden, auch<br />

wenn das schwer war.<br />

In den Folgejahren war ich oft in<br />

Deutschland und konnte mich überzeugen,<br />

welch einen schwierigen, komplizierten<br />

Weg das deutsche Volk durch gemacht<br />

hat, um das demokratische Leben<br />

aufzubauen und den Faschismus zu überwinden,<br />

um alle Überreste dieser Ideologie<br />

zu überwinden.<br />

Viele Jahre später erfuhr ich vom<br />

<strong>Volksbund</strong>, der russische und deutsche<br />

Gräberstätten pflegt, und habe mit Interesse<br />

und Genugtuung an der Tätigkeit<br />

teilgenommen. Bereits in Deutschland<br />

bewegte und beeindruckte mich der Anblick<br />

der gepflegten Friedhöfe unserer<br />

Soldaten. In Hamburg betrachtete ich<br />

zum ersten Mal im Leben Grabstätten unserer<br />

Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg.<br />

In unserem eigenen Land habe ich nie zuvor<br />

etwas Ähnliches gesehen.<br />

Damals war es mir peinlich, ja ich<br />

schämte mich bei dem Gedanken, wie wir<br />

unsere Soldatenfriedhöfe und das Andenken<br />

an die Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg<br />

gefallen sind, behandeln.<br />

Andererseits verstand ich aber auch<br />

die Gefühle unserer Veteranen, die allen<br />

Versuchen, deutsche Soldatenfriedhöfe<br />

auf unserem Boden aufzubauen, nicht<br />

freundlich gegenüber standen. Diese Ablehnung<br />

verhindert den Aufbau von normalen,<br />

freien Beziehungen zu einem neu -<br />

en Deutschland, das nichts mehr gemeinsam<br />

mit dem Land hat, gegen das wir<br />

den Krieg führten.<br />

Ich denke, dass die Jugend, die heute<br />

die deutschen Soldatenfriedhöfe auf unserem<br />

Boden pflegt, eine ganz andere Einstellung<br />

dazu hat. Für diese Jugendlichen<br />

liegen in den Gräbern keine Gegner, sondern<br />

Opfer, keine Faschisten, sondern Opfer<br />

des Faschismus. <strong>Das</strong> ist ein ganz anderer<br />

Blick auf all das, was geschehen ist.<br />

Wenn wir von den Unterschieden in<br />

den Mentalitäten von Russen und <strong>Deutsche</strong>n<br />

sprechen, liegt die Grenze in der<br />

Toleranz. Solange wir nicht akzeptieren,<br />

dass ein anderer Mensch das Recht besitzt,<br />

anders zu sein, werden wir uns gegenseitig<br />

nicht verstehen können. Tole -<br />

ranz ist eine der Hauptbedingungen für<br />

das gemeinsame Leben in Europa und in<br />

der ganzen Welt.<br />

Für uns Soldaten des Zweiten Weltkrieges<br />

und des Großen Vaterländischen<br />

Krieges ist klar, dass unsere Zeit langsam<br />

zu Ende geht. <strong>Das</strong> Einzige, was wir weitergeben<br />

können, ist das Bestreben zum<br />

gegenseitigen Verständnis und zur Versöhnung.<br />

Wir können auch das Gefühl<br />

weitervermitteln, dass es möglich ist, sich<br />

gegenseitig zu verstehen. Die Möglichkeit<br />

dafür ist größer, als es uns scheint.<br />

Es ist doch seltsam, dass der Krieg,<br />

der uns voneinander trennte, uns gleichzeitig<br />

verbunden und uns geholfen hat,<br />

uns gegenseitig besser zu verstehen.<br />

Ich bin zutiefst überzeugt, dass die<br />

Verständigung, die wir aufbauen und<br />

ausbauen, uns die Möglichkeit geben<br />

wird, in dem zukünftigen vereinigten Europa<br />

ein Beispiel für alle anderen Völker<br />

zu sein. Unsere Freundschaft besteht<br />

auch in dem Gefühl der gegenseitigen<br />

Verantwortung für den Frieden, für die<br />

Welt, die wir aufbauen wollen.“<br />

Daniil Granin sprach auf einem<br />

deutsch-russischen Seminar in Travemünde<br />

am 4. Mai 2000. ■<br />

Daniil Granin,<br />

russischer Schriftsteller<br />

243


244<br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber<br />

aus dem Ersten<br />

und Zweiten Weltkrieg<br />

in fast 100 Ländern der Erde ...<br />

Ägypten Äthiopien Afghanistan Albanien Algerien<br />

Angola Argentinien Armenien Australien Barbados Belgien<br />

Belarus (Weissrussland) Benin Bulgarien Bundesrepublik<br />

Deutschland Burundi Chile China Dänemark<br />

Dem. Rep. Kongo Estland Finnland Frankreich Ghana<br />

Gibraltar Griechenland Großbritannien Indien Indonesien<br />

Irak Iran Irland Island Israel Italien Jamaika Japan<br />

Jordanien Kamerun Kanada Kenia Kerguelen Kroatien<br />

Libanon Lettland Libyen Litauen Luxemburg Madagaskar<br />

Mazedonien Malawi Malaysia Malta Marokko Mosambik<br />

Namibia Niederlande Nigeria Norwegen Österreich<br />

Panama Polen Portugal Rep. Kongo Ruanda Rumänien<br />

Russland Sambia Saudi-Arabien Schweden Schweiz Senegal<br />

Serbien Sierra Leone Simbabwe Slowakische Republik<br />

Slowenien Spanien Sri Lanka Südafrika Syrien Tansania<br />

Togo Trinidad-Tobago Tschechische Republik Tunesien<br />

Türkei Ukraine Ungarn Uruguay Usbekistan<br />

Vereinigte Staaten von Amerika Vietnam Zypern<br />

Auf vielen Kriegsgräberstätten, insbesondere<br />

in Frankreich, wurden Gefallene<br />

der ehemals verfeindeten Länder gemeinsam<br />

bestattet. Die Pflege ihrer Gräber<br />

wurde zum Ausgangspunkt der langjährigen,<br />

vertrauensvollen Zusammenarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es mit den Gräberdiensten<br />

der westlichen Länder. Besonders eng ist<br />

die Zusammenarbeit mit dem staatlichen<br />

Gräberdienst in Frankreich und dem Gräberdienst<br />

des britischen Commonwealth<br />

(Commonwealth War Graves Commission).<br />

Nicht minder vertrauensvoll und<br />

positiv sind die Kontakte zu den Gräberdiensten<br />

der anderen Länder Nord-, Westund<br />

Südeuropas und der österreichischen<br />

Schwesterorganisation des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

dem Österreichischen Schwarzen Kreuz.<br />

Seit der Öffnung Osteuropas arbeitet der<br />

<strong>Volksbund</strong> mit den dort teilweise neu entstandenen<br />

Gräberdiensten zusammen. ■<br />

Gräberdienste:<br />

Partner im<br />

Ausland<br />

Der <strong>Volksbund</strong> arbeitet mit vielen<br />

ausländischen Gräberdiensten zusammen.<br />

Durch den gegenseitigen<br />

Erfahrungsaustausch wird zugleich<br />

der Standard der Pflege verbessert.<br />

<strong>Das</strong> Foto zeigt Arbeiten auf der<br />

amerikanischen Kriegsgräberstätte<br />

Hamm in Luxemburg.<br />

„Ohne leeres Heldenpathos“<br />

Jens-Ulf Jörgensen, Leiter der Kriegsgräberfürsorge im Dänischen<br />

Kirchenministerium, sprach 1994 auf der Veranstaltung zum 75-jährigen<br />

Bestehen des <strong>Volksbund</strong>es für die ausländischen Gräberdienste:<br />

„Seit der Gründung 1919 ist der <strong>Volksbund</strong> als ein Symbol der<br />

vielen guten Kräfte in Deutschland hervorgetreten und hat nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg als ein würdiger Vertreter einer lebenstüchtigen<br />

deutschen Demokratie wirken können.<br />

Europa ist in diesem Jahrhundert in zwei zerstörende Kriege<br />

geworfen worden, mit Verlusten zahlloser Soldaten und Zivilisten. ...<br />

Aber in diesen Jahren der größten Leiden wurden Gedanken geboren,<br />

in denen die Möglichkeiten für ein neues und besseres Europa aufschienen.<br />

Briefe von Frontsoldaten, die sich an der Grenze ihrer eigenen<br />

Existenz befanden, erzählen davon. Einer von diesen Briefschreibern<br />

an der Front ist der große Maler, der Expressionist Franz Marc.<br />

In einem Brief vom Neujahr 1916 schrieb er unter anderem: ,Die Welt<br />

ist um das blutigste Jahr ihres vieltausendjährigen Bestehens reicher.<br />

Es ist fürchterlich dran zu denken; und das um nichts, um eines Missverständnisses<br />

willen, aus Mangel, sich dem Nächsten menschlich verständlich<br />

machen zu können! Und das in Europa! Man muss wirklich<br />

alles umdenken, neu denken, um mit dieser ungeheuerlichen Psychologie<br />

der Tat fertig zu werden und sie nicht nur zu hassen, zu beschimpfen<br />

und zu verhöhnen oder zu beweinen, sondern ursächlich zu begreifen<br />

und – Gegengedanken zu bilden.’<br />

Uns scheint, dass diese Gegengedanken ein Teil des <strong>Volksbund</strong>es<br />

geworden sind. Ohne leeres Heldenpathos hat der <strong>Volksbund</strong> durch<br />

stillwirkende Kräfte die Toleranz verwirklicht und durch die Versöhnung<br />

über den Gräbern dazu mitgewirkt, Verständnis zwischen früheren<br />

Gegnern zu ermöglichen.<br />

Um den Frieden zu bewahren, muss man unablässig an ihn denken<br />

und für ihn arbeiten. Eine Gewähr dafür bieten die Gräberdienste vieler<br />

Nationen und mit ihnen der <strong>Volksbund</strong>.“<br />

245


Gedenken und<br />

Frieden – Stiftung<br />

<strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräber<br />

fürsorge<br />

<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer,<br />

Bundestagsvizepräsident Rudolf Seiters<br />

und Hans Koschnick (von links).<br />

Unterstiftungen:<br />

Bewahrtes Leben – Stiftung zum<br />

Gedenken und Frieden, <strong>Volksbund</strong><br />

<strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

Carl und Hans-Norbert Schmotter<br />

– Stiftung zum Gedenken und Frieden,<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

Dr. med. vet. Herbert Hindemith –<br />

Stiftung zum Gedenken und Frieden,<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

Ilse und Hermann Schlosser –<br />

Stiftung zum Gedenken an Werner<br />

Schlosser (20 Jahre), Heinzjörg<br />

Schlosser (<strong>22</strong> Jahre), Marieluise<br />

Rompel (geborene Schlosser, 26<br />

Jahre), Hans Rompel (27 Jahre)<br />

und Hans Hermann Rompel<br />

(3 Jahre), die durch den Weltkrieg<br />

1939-1945 ihr Leben verloren;<br />

<strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge<br />

Manfred und Margot Johanna<br />

Beinder – Stiftung zum Gedenken<br />

und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Heinrich<br />

Heitfeld – Stiftung zum Gedenken<br />

und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge<br />

Waltraud Ehrendorf und Helmut<br />

Ehrendorf – Stiftung zum Gedenken<br />

und Frieden, <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge<br />

246<br />

Vision – Frieden sichert unsere<br />

Zukunft<br />

Einst begann es mit der „Versöhnung<br />

über den Gräbern“ – nun wird es mehr<br />

und mehr zur „Arbeit für den Frieden.“<br />

Die vielen Orte der Tragödie, des Leides<br />

und des Todes in Europa mahnen uns.<br />

Wir dürfen die Opfer von Krieg und<br />

Gewalt nicht vergessen und müssen alles<br />

tun, damit nicht wieder Menschen ihr Leben<br />

im Krieg lassen müssen! Wir müssen<br />

der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken<br />

und in ihrem Sinne einen Auftrag<br />

wahrnehmen: das Bewusstsein, was Krieg<br />

bedeutet, stärker in der Bevölkerung verankern!<br />

Platon schrieb: „Alles Wissen ist<br />

Erinnern.“ Wenn wir künftigen Generationen<br />

die schrecklichen Folgen von Krieg<br />

und Gewaltherrschaft vermitteln, machen<br />

wir ihnen bewusst, dass ihre Existenz<br />

vom Frieden abhängt.<br />

Ob seine Freunde und Förder den<br />

<strong>Volksbund</strong> in Zukunft in gleichem Umfang<br />

wie bisher unterstützen werden, ist<br />

nicht planbar. Auch wie sich die Beteiligung<br />

des Staates an der Finanzierung der<br />

Kriegsgräberfürsorge entwickeln wird, ist<br />

nicht abzusehen. Vor diesem Hintergrund<br />

wurde am 6. April 2001 die Stiftung<br />

Gedenken und Frieden (Gedenken und<br />

Frieden – Stiftung <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge) im Berliner Abgeordnetenhaus<br />

im Beisein des ehemaligen<br />

Vorstitzenden des Stiftungskuratorium,<br />

Hans Koschnick (ehemaliger Bremer Bürgermeister<br />

und Bosnienbeauftragter), und<br />

seinem damaligen Stellvertreter, Dr. Rudolph<br />

Seiters (Präsident des <strong>Deutsche</strong>n<br />

Roten Kreuzes), gegründet. Die Stiftung<br />

soll den <strong>Volksbund</strong> auf Dauer finanziell<br />

unterstützen bzw. entlasten. Der <strong>Volksbund</strong><br />

bleibt als gemeinnütziger Verein bestehen<br />

und setzt seine Arbeit unverändert<br />

fort. Wie jede Stiftung sammelt auch die<br />

Stiftung Gedenken und Frieden Kapital<br />

an, mit dessen Erträgen die Aufgaben der<br />

Stiftung finanziert, insbesondere aber die<br />

Aufgaben des <strong>Volksbund</strong>es heute und in<br />

der Zukunft gesichert werden.<br />

Ziele – nachhaltig Zukunft sichern<br />

Der <strong>Volksbund</strong> setzt sich mit seinen<br />

vielen Freunden, Mitgliedern und Spendern<br />

seit Jahrzehnten für die Achtung der<br />

Menschenwürde, Friedenserhaltung und<br />

die Versöhnung zwischen den Menschen<br />

ein. Die Stiftung Gedenken und Frieden<br />

trägt diese Ziele in die Zukunft und gibt<br />

der Friedensarbeit in Deutschland eine<br />

breitere Basis.<br />

Kriegsgräberstätten sind überzeugende<br />

Mahnmale für den Frieden, zugleich<br />

Orte des Gedenkens und Lernorte<br />

der Geschichte. In drei Förderbereichen<br />

unterstützt die Stiftung Gedenken und<br />

Frieden die Erhaltung der Kriegsgräberstätten,<br />

das Gedenken an die Opfer von<br />

Krieg und Gewaltherrschaft und eine Jugend-<br />

und Bildungsarbeit, die der Friedenserziehung<br />

junger Menschen dient.<br />

Die Stiftung Gedenken und Frieden ist<br />

das geeignete Instrument, um die Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es nachhaltig zu fördern<br />

und sie für die Zukunft zu sichern. Mit<br />

der Stiftung können ganz spezielle Projekte<br />

direkt unterstützt werden: In Stiftungsprojekten<br />

wird zum Beispiel der<br />

Bau einer Jugendbegegnungsstätte gefördert<br />

oder der Erhalt einer Kriegsgräberstätte<br />

abgesichert. Wer auf diese Weise<br />

bleibende Symbole des Friedens schaffen<br />

will, kann auch einen Teil seines Vermögens<br />

testamentarisch den Zwecken der<br />

Stiftung Gedenken und Frieden widmen.<br />

Bei Stiftungsthemen hilft der Stifter, übergeordnete<br />

Ziele zu verfolgen. Hier steht<br />

die Durchsetzung inhaltlicher Absichten,<br />

zum Beispiel die Förderung der Jugendarbeit<br />

oder die Unterstützung der Kriegsgräberarbeit,<br />

im Vordergrund. Stiftungsthemen<br />

verlieren zu keinem Zeitpunkt<br />

ihre Bedeutung für die Ziele des <strong>Volksbund</strong>es.<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, die Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es über die Stiftung zu unterstützen:<br />

Mit Spenden wird die Arbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es zeitnah gefördert. Zu-<br />

3 Förderbereiche Stiftungsentwicklung<br />

stiftungen wirken bis in ferne Zukunft<br />

und bleiben unangetastet erhalten. Mit<br />

einer einmaligen Zustiftung eines größeren<br />

Betrages kann man den <strong>Volksbund</strong><br />

mit den Kapitalerträgen vergleichbar zu<br />

einem heutigen Förderbetrag auf Dauer<br />

unterstützen. Nur die Zinserträge fließen<br />

dem Stiftungszweck zu.<br />

Projektförderung – Gedenken gestalten<br />

und Frieden fördern<br />

Seit ihrer Gründung wurden in den<br />

Jahren 2001 bis 2008 von der Stiftung Gedenken<br />

und Frieden über eine Million<br />

Euro für wichtige Projekte bereitgestellt.<br />

Jährlich übernimmt die Stiftung bei<br />

durchschnittlich 40 Projekten des <strong>Volksbund</strong>es<br />

oder Projekten, an deren Umsetzung<br />

der <strong>Volksbund</strong> beteiligt ist, bis zu<br />

45 Prozent der ihr gegenüber nachgewiesenen<br />

Projektkosten.<br />

So hat die Stiftung zum Beispiel 2008<br />

unter dem Stiftungsthema Kriegsgräberstätten<br />

18 Projekte gefördert, bei denen<br />

Pflege- und Ausbaumaßnahmen vorwiegend<br />

in Osteuropa mitfinanziert wurden.<br />

Im Stiftungsthema Gedenkkultur wurde<br />

neben kleineren Veranstaltungen die Organisation<br />

der zentralen Ge denkveranstaltung<br />

zum Volkstrauertag in Berlin un -<br />

terstützt. Insgesamt wurden 20 Jugendprojekte<br />

und Workcamps in ganz Europa<br />

unter dem Stiftungsthema Friedenserziehung<br />

durch Jugendarbeit gefördert. In<br />

29 Projekten wurden Schüler fahrten und<br />

die Herstellung von Arbeitsmaterialien<br />

zur Unterrichtsgestaltung an Schulen<br />

zum Thema Frieden durch Fördermittel<br />

im Stiftungsthema Friedens erziehung<br />

mittels Bildungsarbeit ermöglicht. Neben<br />

vielen kleinen Projekten unterstützt die<br />

Stiftung jedes Jahr besonders die Pflege<br />

und Erhaltung der Kriegsgräberstätte<br />

St. Petersburg-Sologubowka/Russ land<br />

und den Betrieb der Jugendbegegnungsstätte<br />

Golm/Deutschland.<br />

Stiftungsvermögen – Engagement mit<br />

Beständigkeit<br />

Über 2 000 großzügige Stifter haben<br />

seit 2001 das Gründungskapital des<br />

<strong>Volksbund</strong>es mehr als verdreifacht. In<br />

24 zweckgebundenen Zustiftungen setzen<br />

sich einige Stifter mit über 1,2 Millionen<br />

Euro für ganz bestimmte Projekte im<br />

<strong>Volksbund</strong> wie zum Beispiel die Erhaltung<br />

einer Kriegsgräberstätte oder die<br />

Jugendarbeit ein.<br />

<strong>Das</strong> Stiftungskapital soll heute wie in<br />

ferner Zukunft seinen Zweck erfüllen. Daher<br />

folgt die Vermögensanlage der Optimierung<br />

von Vermögenserhaltung und<br />

Ertragsausschüttung für den Stiftungszweck.<br />

Vor diesem Hintergrund wird<br />

auch die Kaufkraft des Stiftungskapitals<br />

im Rahmen des Möglichen erhalten. Mit<br />

dem Ziel der Realkapitalerhaltung wurden<br />

seit 2003 bei der Stiftung Gedenken<br />

und Frieden rund 200 000 Euro und bei<br />

den Unterstiftungen etwa 100 000 Euro<br />

den Stiftungskapitalien u. a. aus den Erträgen<br />

wieder zugeführt. ■<br />

Gruppenfoto aus dem Jahr 2008:<br />

<strong>Das</strong> neue Kuratorium der Stiftung Gedenken und Frieden mit Mitgliedern des Stiftungsvorstandes.<br />

Der Vorstand der Stiftung wird vom Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es [7], seinem Stellvertreter, dem Schatzmeis<br />

ter [10] und seinem Stellvertreter so wie dem Generalsekretär [5] gebildet. Zur Unterstützung beruft<br />

der Stif tungs vorstand ein ehrenamtliche Ku ratorium. Bundesminister a. D. Dr. Theodor Waigel [6] übernahm<br />

den Vorsitz von Hans Koschnick, der dieses seit Gründung der Stiftung innehatte. Neuer Stellvertreter<br />

ist General a. D. Harald Ku jat [9]. Weitere Kuratoriums-Mit glie der sind Bank vorstand a. D. Dr. Tessen<br />

von Heydebreck [3], Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama [11], Ge org Friedrich Prinz von Preußen (Chef<br />

des Hauses Hohenzollern) [2], Dr. Brigitte Seebacher (Histo ri kerin) [8], Prof. Dr. Michael Stürmer (Historiker),<br />

Prof. Dr. Karin Tomala (Historikerin) [4]. [Im Bild von links nach rechts]<br />

Stiftung<br />

Gedenken<br />

und Frieden<br />

Die Stiftung ist nicht nur über ihren Satzungszweck<br />

eng mit dem <strong>Volksbund</strong><br />

verbunden. Der Stiftungsvorstand wird<br />

von Mitgliedern des Vorstandes des<br />

<strong>Volksbund</strong>es gebildet. Die so garantierte<br />

enge Zusammenarbeit beider<br />

Organisationen spiegelt sich auch im<br />

Stiftungslogo wieder. Es enthält wesentliche<br />

Teile des <strong>Volksbund</strong>logos.<br />

Kontakt –<br />

Jeder kann stiften<br />

Wenn Sie sich nachhaltig und<br />

dauerhaft in der Stiftung für<br />

unsere Gedenk- und Friedensarbeit<br />

einsetzen wollen, wenden<br />

Sie sich bitte an:<br />

Stiftung Gedenken und Frieden<br />

Werner-Hilpert-Straße 2<br />

34117 Kassel<br />

Telefon: 0800-7777-001<br />

Telefax: 0561-7009-<strong>22</strong>1<br />

E-Mail: Info@Gedenken<br />

undFrieden.de<br />

Internet: www.Gedenken<br />

undFrieden.de<br />

Stiftungen und Spenden:<br />

Postbank Frankfurt am Main<br />

Kto: 756 180 600<br />

BLZ: 500 100 60<br />

IBAN: DE57 500 100 600<br />

756 180 600<br />

SWIFT: PBNKDEFF<br />

247


2001<br />

Anschlag auf das World Trade Center:<br />

Terroristen steuern am 11. September<br />

zwei entführte Verkehrsflugzeuge<br />

direkt in die Gebäude. Bei den anschließenden<br />

Explosionen und dem<br />

Einsturz der Zwillingstürme kommen<br />

Tausende ums Leben.<br />

248<br />

<strong>Das</strong> 21. Jahrhundert beginnt. ❑ Nach<br />

einer Grundgesetzänderung dürfen<br />

erstmals auch Frauen in der Bundeswehr<br />

den Dienst an der Waffe ausüben. ❑ Bundesregierung,<br />

Bundestag und Bundesrat<br />

beantragen beim Bundesverfassungsgericht<br />

in Karlsruhe ein Verbot der rechtsextremistischen<br />

Partei NPD. ❑ Im afghani -<br />

schen Bamiyan-Tal sprengen die Taliban<br />

zwei der größten Buddha-Statuen aus<br />

dem 5. und 6. Jahrhundert. ❑ Die russische<br />

Raumstation Mir, die 15 Jahre lang<br />

die Erde umkreiste, hat ausgedient. Am<br />

23. März nähert sie sich planmäßig der<br />

Erdatmosphäre und verglüht über dem<br />

Pazifik. ❑ In Serbien wird der ehemalige<br />

Staats präsident Slobodan Milosevic festgenommen<br />

und an den Internationalen<br />

Strafgerichtshof ausgeliefert. Milosevic,<br />

des Völkermordes angeklagt, verstirbt<br />

während des vierjährigen Prozesses im<br />

März 2006. ❑ Die Terroranschläge auf das<br />

World Trade Center in New York und das<br />

Pentagon in Washington am 11. September<br />

erschüttern die Welt. Über 3 000 Men-<br />

schen sterben. Die USA machen die transnationale<br />

Terrorgruppe Al-Kaida unter<br />

Führung von Osama bin Laden für die<br />

Anschläge verantwortlich. Da die in Afghanistan<br />

regierenden Taliban der Al-<br />

Kaida Unterschlupf gewähren, beginnen<br />

die USA und ihre Verbündeten mit der<br />

Invasion des Landes. Am Ende des Jahres<br />

ist Afghanistan vom islamisch-fundamentalistischen<br />

Talibanregime befreit, aber<br />

noch lange nicht befriedet. ❑ Am 27. September<br />

erschießt der geistig verwirrte<br />

Fried rich Leibacher in der schweizerischen<br />

Kantonstadt Zug 14 Minister und<br />

Parlamentarier, verletzt weitere zwölf<br />

Per sonen und tötet sich anschließend<br />

selbst. ❑ Durch den Zusammenstoß<br />

zweier Lastwagen kommt es im Gotthardtunnel<br />

zu einem Brand, bei dem elf<br />

Menschen sterben. ❑ Mit großer Mehrheit<br />

stimmt der <strong>Deutsche</strong> Bundestag der<br />

Entsendung deutscher Streitkräfte nach<br />

Afghanistan zu und beschließt damit den<br />

ersten außereuropäischen Kampfeinsatz<br />

der Bundeswehr. ■<br />

Osama bin Laden: Der islamische Fundamentalist<br />

und Chef der Terrorgruppe Al-Kaida gilt als Hauptveranwortlicher<br />

der Anschläge vom 11. September.<br />

Die Stiftung Gedenken und Frieden<br />

wird am 6. April im Berliner Abgeordnetenhaus<br />

mit einem Startkapital von<br />

fünf Millionen <strong>Deutsche</strong> Mark ins Leben<br />

gerufen. Ihr Ziel ist die nachhaltige Förderung<br />

der <strong>Volksbund</strong>arbeit und die Sicherung<br />

der Pflege der deutschen Kriegsgrä -<br />

berstätten in aller Welt. ❑ Anfang April<br />

besuchen Bundeskanzler Gerhard Schröder<br />

und Russlands Staatsprä sident Wladimir<br />

Putin den russischen Friedhof Piskarjowskoje/St.<br />

Petersburg, um dort der Op -<br />

fer der Blockade Leningrads zu gedenken.<br />

❑ Ein Zeichen der Versöhnung setzt auch<br />

die Gedenkveranstaltung zum Kriegsende<br />

1945 am Pariser Triumphbogen: Erstmals<br />

gedenken dort Franzosen und <strong>Deutsche</strong><br />

unter Beteiligung des <strong>Volksbund</strong>es offiziell<br />

gemeinsam der Opfer der Weltkrie ge.<br />

❑ Sechs Tage später begeht die Bundesgeschäftsstelle<br />

des <strong>Volksbund</strong>es (bis 1951 in<br />

Nienburg ansässig) ihr 50-jähriges Bestehen<br />

in Kassel. ❑ Am 9. Juni übergibt der<br />

<strong>Volksbund</strong> die Anlagen in Riga und den<br />

neuen Sammelfriedhof in Riga-Beberbeki<br />

Auf dem neuen Sammelfriedhof in Riga-Beberbeki<br />

betten Soldaten der Bundeswehr am 9. Juni die ersten<br />

Kriegsopfer ein.<br />

Am <strong>22</strong>. Juni übernimmt der <strong>Volksbund</strong> den Waldfriedhof<br />

Halbe in die Pflege. Die Anlage ist eine der<br />

größten Kriegsgräberstätten Deutschlands mit über<br />

28 000 Opfern des Zweiten Weltkrieges und eines<br />

sowjetischen Internierungslagers.<br />

Zeichen der Versöhnung:<br />

Am Pariser Triumphbogen begehen<br />

Franzosen und <strong>Deutsche</strong> unter Beteiligung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es am 9. Mai<br />

erstmals gemeinsam das Gedenken<br />

an die Opfer der Weltkriege.<br />

249


Die Kriegsgräberstätte in Sewastopol-<br />

Gontscharnoje/Ukraine weiht der<br />

<strong>Volksbund</strong> am 19. September ein.<br />

250<br />

der Öffentlichkeit. In Beberbeki betten<br />

Bundeswehrsoldaten zu dem die ersten<br />

Gefallenen ein. ❑ Die Übernahme des<br />

Waldfriedhofs im brandenburgischen<br />

Halbe durch den <strong>Volksbund</strong> am <strong>22</strong>. Juni<br />

ist eines der wichtigsten Ereignisse des<br />

Jahres 2001. Halbe ist eine der größten<br />

Kriegsgräberstätten Deutschlands. Dort<br />

ruhen über 28 000 Opfer des Zweiten<br />

Weltkrieges, überwiegend im Kessel von<br />

Halbe Gefallene, aber auch hingerichtete<br />

Deserteure der Wehrmacht, Zwangsarbeiter<br />

und noch bis 1947 Verstorbene aus<br />

dem sowjetischen Speziallager Ketschendorf.<br />

Zu der beeindruckenden Gedenkveranstaltung<br />

kommen über 4 500 Teil -<br />

nehmer aus Deutschland und Russland.<br />

In seiner Ansprache sagt <strong>Volksbund</strong>präsident<br />

Karl-Wilhelm Lange: „Die Soldatenfriedhöfe<br />

in unseren Ländern gleichen<br />

aufgeschlagenen Geschichtsbüchern.<br />

Diese von Krieg gezeichnete Geschichte<br />

können wir nicht ändern – aber wir können<br />

aus ihr lernen: <strong>Das</strong>s wir uns ändern<br />

können!“ ❑ In Kiel-Möltenort erhält am<br />

12. Juli die nachgegossene Adlerfigur auf<br />

dem U-Boot-Ehrenmal ihren seit 1936 angestammten<br />

Platz zurück. Die Anlage an<br />

der Kieler Außenförde erinnert an die gefallenen<br />

U-Boot-Fahrer des Ersten und<br />

Zweiten Weltkrie ges. ❑ Im estnischen<br />

Jöhvi (4. August) und im litaui schen Vilnius-Vingio-Park<br />

(18. August) werden<br />

ebenfalls neue deutsche Kriegsgräberstätten<br />

unter großer Anteilnahme der Angehörigen,<br />

der Bevölkerung und politischen<br />

Vertretern beider Nationen eingeweiht. ❑<br />

Weitere Einweihungen gibt es am 2. Septem<br />

ber in Korpowo/Russische Föderation,<br />

am 15. Sep tember in Walachisch<br />

Meseritz (Valasske Mezirici/Tsche chische<br />

Republik) und am 19. September in Sewastopol-Gontscharnoje/Ukraine.<br />

❑ In Riga-<br />

Bikernieki/Lettland folgt am 30. November<br />

unter Betei ligung der lettischen Staats -<br />

präsidentin Vaira Vike-Freiberga und des<br />

lettischen Ministerpräsi denten Andris<br />

Berzins die Einweihung der von der Bundesregierung<br />

und vielen deutschen Städten<br />

finanzierten Gräber- und Gedenk stätte<br />

für deportierte und ermordete deutsche,<br />

österreichische sowie tschechoslowakische<br />

Juden. Gedenkplatz, Namenschrein<br />

und vor allem die 5 000 Steine symbolisieren<br />

dabei die Schreie der schuldlos Getöteten<br />

und weisen darauf hin, dass der<br />

gesamte Platz ein Hinrichtungsort war. ■<br />

Riga-Bikernieki in Lettland – die Gedenkstätte für deportierte<br />

und ermordete Juden wird am 30. November<br />

eingeweiht.<br />

In Kiel-Möltenort wird die nachgegossene Adlerfigur<br />

am 12. Juli auf dem U-Boot-Ehrenmal installiert. Die<br />

alte Figur war nicht mehr standsicher und musste abgenommen<br />

werden.<br />

Die 5 000 Granitsteine der<br />

Gedenkstätte Riga-Bikernieki<br />

symbolisieren die Notschreie der<br />

ermor deten Juden.<br />

251


2002<br />

Abschied von der D-Mark:<br />

Die Europäischen Union führt in<br />

Deutschland und elf weiteren Mitgliedsstaaten<br />

den Euro als gemeinsame<br />

Währung ein.<br />

Kurze Pause für die freiwilligen Helfer,<br />

die Sandsäcke zum Schutz gegen<br />

die Wassermassen aufschichten. <strong>Das</strong><br />

Hochwasser geht als Jahrhundertflut<br />

in die Geschichtsbücher ein.<br />

252<br />

In zwölf Staaten der Europäischen<br />

Union wird der Euro als gemeinsame<br />

Währung eingeführt. ❑ Als erster<br />

Skispringer gewinnt Sven Hannawald<br />

alle vier Einzelspringen der Vierschanzentournee.<br />

❑ Die US-Regierung interniert<br />

Terrorverdächtige in einem Militär -<br />

gefängnis in Guantánamo Bay. Die in diesem<br />

Gefangenenlager verübten Menschenrechtsverletzungen<br />

verurteilt Am nesty<br />

Internatio nal auf das Schärfste. ❑ Beim<br />

Aufbau der Polizei in Afghanistan über-<br />

nimmt Deutschland eine führende Rolle.<br />

❑ Die rot-grüne Bundesregierung beschließt<br />

den Atom ausstieg bis 2021. ❑<br />

Die Terrorgruppe Al-Kaida verübt am<br />

11. April einen Bomben anschlag im tunesischen<br />

Djerba. Getötet werden 19 Menschen,<br />

darunter 14 <strong>Deutsche</strong>. ❑ Der<br />

Amok lauf von Erfurt: Mit einer Handfeuerwaffe<br />

tötet der 19-jährige Robert Steinhäuser<br />

im Gutenberg-Gymnasium zwei<br />

Schüler und vierzehn Lehrer. ❑ Im Mai<br />

wird der Vertrag zur Reduzierung strategischer<br />

Offensivwaffen von Russland und<br />

den USA unterzeichnet. Einen Monat später<br />

treten die USA einseitig vom 1972 abgeschlossenen<br />

ABM-Vertrag zurück, der<br />

die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen<br />

vorsah. ❑ Bei der Fußball-WM in<br />

Japan und Südkorea gewinnt Brasilien im<br />

Endspiel gegen Deutschland mit 2:0. ❑<br />

Am 1. Juli stoßen ein russisches Passagierflugzeug<br />

und eine Frachtmaschine in<br />

11 000 Metern Höhe über dem Bodensee<br />

zusammen und stürzen ab. Insgesamt<br />

sterben 71 Menschen. ❑ Starke Regenfälle<br />

lassen im August die Wasserstände von<br />

Elbe und Donau extrem stark ansteigen.<br />

<strong>Das</strong> Jahrhunderthochwasser verursacht<br />

Milliardenschäden. ❑ Bei den Wahlen<br />

zum 15. Bun destag wird die rot-grü ne<br />

Regierungskoalition unter Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder mit einer hauchdünnen<br />

Mehrheit bestätigt. ❑ Bei einem Terroranschlag<br />

im indonesischen Kuta sterben<br />

über 200 Menschen. ❑ In Moskau nehmen<br />

tschetschenische Rebellen knapp tausend<br />

Geiseln. Bei der Befreiungsaktion gibt es<br />

über hundert Opfer. ■<br />

Die neue Autorenbuchreihe „Erzählen<br />

ist Erinnern“ gibt ab Jahresanfang<br />

den Erinnerungen von Kriegsteilnehmern<br />

oder ihren Kindern Raum. ❑ Hans Kosch -<br />

nick, ehemaliger Bremer Bürgermeister<br />

und Bosnien-Beauftragter der Bundesregierung,<br />

wird am 21. Mai erster Kuratoriumsvorsitzender<br />

der im Vorjahr gegrün -<br />

deten Stiftung Gedenken und Frieden. ❑<br />

Hochrangiger Be such auf der deutschen<br />

Kriegsgräberstätte in Ljubljana am 29. Mai:<br />

Bundespräsident Johannes Rau legt dort<br />

gemeinsam mit dem slowenischen Staatspräsidenten<br />

Milan Kučan einen Kranz für<br />

alle Opfer der Weltkriege nieder. Die Anlage<br />

wird drei Tage später, am 1. Juni, offiziell<br />

eingeweiht. ❑ Ihr 20-jähriges Beste -<br />

hen begeht die Jugendbegegnungs- und<br />

Bildungs stätte des Volks - bundes in Ysselsteyn/Niederlande.<br />

Dieses Jubiläum wird<br />

unter Beteiligung hunderter Gäste am<br />

<strong>22</strong>. Juni mit dem „Tag der Begegnung“<br />

und der Aktion „Blumen gegen das Vergessen“<br />

gewürdigt. Dabei schmücken Jugendliche<br />

3 000 Gräber von unbekannten<br />

Auf der deutschen Kriegsgräberstätte in Ljubljana<br />

legen Bundespräsident Johannes Rau und der slowenische<br />

Staatspräsident Milan Kučan einen Kranz für<br />

alle Opfer der Weltkriege nieder. Die Anlage wird<br />

am 1. Juni offiziell eingeweiht.<br />

In Polen wird die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

Groß-Nädlitz (Nadolice Wielkie/Polen) am<br />

5. Oktober der Öffentlichkeit übergeben.<br />

Den Soldatenfriedhof Heiligenbeil<br />

(Mamonowo/Russische Föderation)<br />

im ehemaligen Ostpreußen weiht der<br />

<strong>Volksbund</strong> am 29. Juni ein.<br />

253


Die Kriegsgräberstätte Rshew/<br />

Russische Föderation weiht der<br />

<strong>Volksbund</strong> am 28. September ein.<br />

254<br />

Sol daten. „Die Jugendbegegnungsstätten<br />

des <strong>Volksbund</strong>es stellen einen positiven<br />

Ansatz für das friedliche Zusammenwachsen<br />

Euro pas dar. Sie tragen zur Annäherung<br />

Jugendlicher verschiedener Natio -<br />

nen bei und leisten damit einen aktiven<br />

Beitrag zur Friedenserziehung über die<br />

Landesgrenzen hinweg,“ sagt Renate Hen -<br />

dricks, die Vorsitzende des Bundeselternrates.<br />

❑ Die Kriegsgräberstätte Smolensk<br />

weiht der <strong>Volksbund</strong> am 15. Juni ein, die<br />

Anlage in Heiligenbeil im ehemaligen Ost-<br />

preußen (Mamonowo/Russische Föderation)<br />

am 29. Juni. ❑ Der Bundestag verabschiedet<br />

am 4. Juli eine Entschließung, in<br />

der sie den Anspruch des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />

nachhaltige finanzielle Unterstützung seitens<br />

der Bundesrepublik Deutschland anerkennt.<br />

Die Bundestagsfraktionen bestä -<br />

tigen dem <strong>Volksbund</strong>, dass er die „Aufga -<br />

be zur Fürsorge für die Gräber der Ge fal -<br />

lenen des Ersten und Zweiten Weltkrieges<br />

und für die Opfer rassistischer sowie politischer<br />

Verfolgung im Ausland” im staatlichen<br />

Auftrag wahrnimmt. ❑ 2 000 Gäste<br />

kommen am 28. September zur Einweihung<br />

der Kriegs gräberstätte Rshew/Russische<br />

Föderation. Sie ist ein Zeichen der<br />

Versöhnung, da an diesem Tag auch der<br />

russi sche Friedhof in einem gemeinsamen<br />

Festakt seiner Bestimmung übergeben<br />

wird. In Polen wird die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

Groß-Nädlitz (Nadolice Wielkie)<br />

am 5. Oktober, zwei Wo chen spä ter<br />

die Anlage in Budaörs/Ungarn, beide un -<br />

ter großer Anteilnahme der Bevölkerung,<br />

eingeweiht. Zu beiden Kriegsgrä berstätten<br />

gehört auch ein Friedenspark. Dort<br />

können Angehörige in Geden ken an ihre<br />

Lieben einen Baum stiften oder eine Pflegepatenschaft<br />

übernehmen. ❑ Der Bundes<br />

vertretertag des <strong>Volksbund</strong>es wählt<br />

den Berliner Landesvorsitzenden Reinhard<br />

Führer am <strong>22</strong>. November als Nachfolger<br />

von Karl-Wilhelm Lange zum neu -<br />

en Präsidenten. Reinhard Führer war von<br />

1999 bis 2001 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses.<br />

■<br />

Reinhard Führer (links) löst Karl-Wilhelm Lange als<br />

Präsidenten des <strong>Volksbund</strong>es ab.<br />

Der Bundestag verabschiedet am 4. Juli eine<br />

Entschließung, in der dem <strong>Volksbund</strong> offiziell die<br />

staatliche Aufgabe zur Fürsorge für die Gräber der<br />

Weltkriege bestätigt und zugleich finanzielle<br />

Unterstützung zusagt wird.<br />

Über 30 000 Kreuze mahnen auf<br />

der deutschen Kriegsgräberstätte<br />

Ysselsteyn in den Niederlanden<br />

zum Frieden.<br />

255


2003<br />

Start des Space Shuttle Columbia:<br />

Beim späteren Landeanflug auf Cape<br />

Canaveral wird es zerstört (Foto unten).<br />

Verhaftet: Der irakische Diktator<br />

Saddam Hussein wird von amerikanischen<br />

Soldaten in einem Erdloch<br />

aufgespürt. <strong>Das</strong> Foto zeigt ihn während<br />

der ärztlichen Untersuchung.<br />

256<br />

Auf ihrem Rückweg zur Erde explodiert<br />

die amerikanische Weltraumfähre<br />

Columbia. Alle Besat zungs mitglie -<br />

der kommen dabei ums Leben. ❑ Ohne<br />

UN-Mandat beginnen die USA im März<br />

den Militäreinsatz gegen den Irak, den<br />

dritten Golfkrieg. Der amerikanische Präsident<br />

George W. Bush begründet den<br />

Angriff damit, dass das Land im Besitz<br />

von Massenvernichtungswaffen sei. Ge -<br />

gen diesen Krieg demonstrieren weltweit<br />

Millionen von Men schen. Zum 40. Jahres-<br />

tag des Elysée-Vertrags erklären Bundeskanzler<br />

Gerhard Schröder und der französische<br />

Staatspräsident Jaques Chirac<br />

öffentlich ihren Widerstand gegen einen<br />

Militäreinsatz der USA im Irak und verweigern<br />

sich der „Koalition der Willigen“<br />

(US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld).<br />

Unter der militärtechnischen Übermacht<br />

der USA bricht der Widerstand der<br />

irakischen Streitkräfte rasch zusammen.<br />

Bereits Mitte April ist die iraki sche Armee<br />

besiegt. Der irakische Staats präsident<br />

Saddam Hussein taucht unter. Er wird<br />

schließlich im Dezember von den Besatzungstruppen<br />

in einem Erdloch aufgespürt<br />

und verhaftet. ❑ Am ersten bun desweiten<br />

Ökumenischen Kirchentag in Berlin<br />

nehmen rund 200 000 Menschen teil.<br />

❑ Nach 20-jähriger Rekonstruktionsarbeit<br />

ist der originalgetreue Nachbau des verschollenen<br />

Bernsteinzimmers im Katharinenpalast<br />

bei Sankt Petersburg fertigge -<br />

stellt. ❑ Bei einem Selbstmordan schlag<br />

auf einen Bus in der afghanischen Haupt -<br />

stadt Kabul sterben vier deutsche Soldaten.<br />

❑ In Mexiko läuft der letzte VW-Käfer<br />

vom Band. ❑ Die NATO übernimmt die<br />

von den Vereinten Nationen geführte Internationale<br />

Schutztruppe für Afghanis -<br />

tan (ISAF) in Kabul. ❑ Bei einem Terror -<br />

anschlag eines Selbstmordattentäters auf<br />

das UNO-Hauptquartier in Bagdad stirbt<br />

der UN-Son der gesandte Sérgio Vieira de<br />

Mello. ❑ Nach den Wahlen in Georgien<br />

bezichtigt die Opposition den Präsidenten<br />

Eduard Scheward nadse des Wahlbetrugs.<br />

Die folgenden Unruhen zwingen<br />

ihn schließlich zum Rücktritt. ■<br />

Die deutsch-französische Freundschaft<br />

steht zu Beginn des Jahres im<br />

Blickpunkt: Denn vor 40 Jahren haben<br />

Frankreichs Staatschef Charles de Gaulle<br />

und Bundeskanzler Konrad Adenauer<br />

den Elysée-Vertrag unterzeichnet. Dem<br />

Geist dieser Vereinbarung folgten der<br />

<strong>Volksbund</strong> und seine Förderer seither im<br />

Zeichen von Frieden und Versöhnung. Besonders<br />

die internationalen Jugendlager<br />

sowie die ständig wachsende Zahl von<br />

Städtepartnerschaften zwischen Deutschland<br />

und Frankreich belegen dies. ❑ Ende<br />

März wird der Vertrag über die Errichtung<br />

einer Kriegsgräberstätte in Berjosa/<br />

Belarus (Weißrussland) abgeschlossen.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> beginnt umgehend mit<br />

den Bauarbeiten für den ersten Sammelfriedhof<br />

in Belarus. ❑ Am 23. Mai wird<br />

die neue Kriegsgräberstätte in Siauliai<br />

(Schaulen/Litauen) eingeweiht. Zwei Ta -<br />

ge später gedenken die Trauergäste auch<br />

der Opfer des Untergangs der „Füsilier“<br />

und weiterer Schiffskatastrophen zwischen<br />

Kurischem Haff und Rigaer <strong>Buch</strong>t<br />

mit der Einweihung des Gedenksteins auf<br />

der Kriegsgräberstätte Klaipeda (Memel/<br />

Litauen). ❑ Die Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />

Olmütz (Olomouc/Tschechische<br />

Republik) folgt am 13. Juni unter<br />

Der <strong>Volksbund</strong> blickt am 13. September im belgischen<br />

Lommel auf 50 Jahre Jugendarbeit zurück<br />

(Foto unten).<br />

1953 gab es hier das erste Jugendlager (Foto rechts).<br />

Zugleich begeht die gleichnamige Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätte ihr zehnjähriges Bestehen.<br />

<strong>Das</strong> Foto links zeigt die ersten Einbettungen<br />

auf der Kriegsgräberstätte<br />

Berjosa in Weißrussland (Belarus).<br />

257


258<br />

großer Beteiligung der Angehörigen. ❑<br />

Die neue Kriegsgräberstätte Bartossen<br />

(Bartosze/Polen) wird am 9. August eingeweiht,<br />

die Kriegs gräberstätte Königsberg<br />

(Kaliningrad/Russische Föderation)<br />

weiht der <strong>Volksbund</strong> am 23. August ein.<br />

Neben den deutschen Gefallenen wird<br />

hier auf einer Ge denktafel auch an 3 000<br />

russische Opfer der Kämpfe um Königsberg<br />

erinnert. ❑ Auf der Kriegsgräberstätte<br />

Mont-de-Huisnes wird am 6. Septem<br />

ber der Einweihung des Friedhofs vor<br />

40 Jahren gedacht. ❑ 50 Jahre Jugendarbeit<br />

feiert der <strong>Volksbund</strong> kurz da rauf am<br />

13. September in Lommel/Belgien. Hier<br />

hat 1953 das erste Jugendlager des <strong>Volksbund</strong>es<br />

seine Zelte aufgeschlagen. Inzwischen<br />

sind es (bis 2003) insgesamt über<br />

4 300 Workcamps. Zugleich begeht die<br />

gleichnamige Jugendbegegnungs- und<br />

Bildungsstätte ihr zehnjähriges Bestehen.<br />

❑ Die Kirche Mariä Him melfahrt in<br />

St. Petersburg-Sologubowka/Russische<br />

Föderation wird dank der großzügigen<br />

Spenden der Förderer des <strong>Volksbund</strong>es<br />

am 20. September nach der Grundsa nierung<br />

wieder eingeweiht. „Dies ist ein einzigartiges<br />

Ereig nis in der Geschichte der<br />

deutsch-russischen Beziehungen und ein<br />

wichtiger Meilenstein in der Entwicklung<br />

von Verständigung und Zusammenarbeit<br />

unserer Völker“, sagt der St. Pe tersburger<br />

Metropolit Vladimir. ❑ Am 8. Dezember<br />

setzt Mecklenburg-Vorpommerns Landtagspräsidentin<br />

Sylvia Bretschneider den<br />

ersten Spatenstich zum Bau der Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätte am Golm<br />

auf Usedom. ■<br />

Am 23. Mai weiht der <strong>Volksbund</strong> die neue deutsche<br />

Kriegsgräberstätte in Siauliai (Schaulen/Litauen) ein.<br />

Die Kriegsgräberstätte Königsberg (Kaliningrad/<br />

Russische Föderation) übergibt der <strong>Volksbund</strong> am<br />

23. August seiner Bestimmung. Viele Gäste der<br />

Einweihungsfeier nutzen dabei ihren Besuch in der<br />

ehemaligen Hauptstadt Ostpreußens, um dort den<br />

berühmten Dom zu besichtigen (Foto links).<br />

Im neuen Glanz: Die durch Spenden<br />

der <strong>Volksbund</strong>-Förderer<br />

restaurierte Kirche Mariä Himmelfahrt<br />

wird in St.-Petersburg-Sologubowka<br />

am 20. September wieder<br />

eingeweiht.<br />

259


2004<br />

60. Jahrestag der Landung in der<br />

Normandie: Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder besucht den britischen Soldatenfriedhof<br />

Ranville, wo auch<br />

deutsche Gefallene beerdigt sind.<br />

Die Olympischen Sommerspiele von<br />

Athen: <strong>Das</strong> Foto zeigt den deutschen<br />

Springreiter Marco Kutscher.<br />

260<br />

US-Präsident George W. Bush räumt<br />

ein, aufgrund von Geheimdienstberichten<br />

vor dem Irakkrieg die Existenz<br />

von Massenvernichtungswaffen falsch<br />

eingeschätzt zu haben. ❑ Bei Bombenanschlägen<br />

in Bagdad und Kerbela sterben<br />

mehr als 270 Menschen. ❑ Gerhard Schrö -<br />

der nimmt als erster deutscher Bundeskanzler<br />

an den Gedenkfeiern zum Jahrestag<br />

der alliierten Landung in der Norman -<br />

die teil. ❑ Bei Bombenanschlägen auf Nah -<br />

verkehrszüge in Madrid werden 192 Men -<br />

schen getötet und rund 1 800 verletzt. ❑<br />

Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien,<br />

die Slowakische Republik und<br />

Slowe nien treten der NATO bei. ❑ Die<br />

unmenschliche Behandlung irakischer<br />

Häftlinge im US-Militärgefängnis Abu<br />

Ghraib nahe Bagdad schockiert die Weltöffentlichkeit.<br />

❑ Die Europäische Union<br />

nimmt zehn Staaten als neue Mitglieder<br />

in ihre Gemeinschaft auf: Estland, Lettland,<br />

Litauen, Malta, Po len, die Slowakische<br />

Republik, Slowenien, die Tschechi -<br />

sche Republik, Ungarn und Zypern. ❑<br />

Prof. Dr. Horst Köhler wird von der Bundesversammlung<br />

in Berlin zum neuen<br />

Bundespräsidenten gewählt. ❑ Tschet -<br />

schenische Terro risten besetzen in Beslan<br />

im russischen Nordos setien eine Schule<br />

und bringen über 1 000 Menschen in ihre<br />

Gewalt. Im Zuge der Geiselbefreiung<br />

durch russische Spezialeinheiten kommt<br />

es zu zahlreichen Toten und Verletzten. ❑<br />

In Athen beginnen die 28. Olym pischen<br />

Spiele. ❑ Aus gelöst durch einen Kabelbrand<br />

vernichtet ein Feuer in der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek<br />

in Weimar<br />

tausende wertvolle Bücher. ❑ Bei den<br />

Wahlen in den USA wird George W. Bush<br />

erneut zum Präsidenten gewählt. ❑ Zur<br />

Unterstützung der Friedensmission im<br />

Sudan entsendet die Bundesregie rung<br />

drei Transportflugzeuge und 200 Soldaten.<br />

❑ Die Flutkatastrophe am 26. Dezember<br />

2004 in Süd- und Südostasien kostet<br />

nach Schätzungen über 230 000 Menschen<br />

das Leben. In Deutschland spenden wie<br />

überall in der Welt viele Menschen für die<br />

hilf losen Opfer. ■<br />

Im März steht dank des Engagements<br />

der <strong>Volksbund</strong>förderer der<br />

erste Granitwürfel der Aktion „Namen für<br />

Rossoschka.“ So werden den Vermissten<br />

der Kämpfe um Stalingrad ihr Namen zurückgegeben<br />

– und den Angehörigen ein<br />

Ort der Trauer. ❑ Am 8. Mai – Jahrestag<br />

des Kriegsendes 1945 in Europa – werden<br />

in Halbe südlich Berlin die Gedenktafeln<br />

für die über 4 600 hier ruhenden Opfer des<br />

sowjetischen Speziallagers Nummer 5 in<br />

Ketschendorf eingeweiht. An den 60. Jahrestag<br />

der Schlacht um Monte Cassino<br />

wird am 19. Mai, an die alliierte Landung<br />

in der Normandie am 29. Mai in La Cam -<br />

be erinnert. Zu dieser Veranstaltung organisiert<br />

der <strong>Volksbund</strong> ein internationales<br />

Workcamp, dessen Teilnehmer an der beeindrucken<br />

Gedenkzeremonie mitwirken<br />

und später mit Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder zusammentreffen. „Uns verbindet<br />

heute mehr als uns trennt: Wünsche,<br />

Hoffnungen, aber auch Sorgen. Wir sind<br />

dankbar und froh, dass wir uns 60 Jahre<br />

nach der Landung der Alliierten als<br />

Auch ehemalige französische Kriegsteilnehmer kommen<br />

zur Gedenkfeier anlässlich der Landung in der<br />

Normandie vor 60 Jahren auf die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

in La Cambe (Foto rechts unten).<br />

Die ersten von heute 120 Würfeln der Aktion<br />

„Namen für Rossosch ka“ werden aufgestellt. Auf<br />

ihnen finden sich die Namen der Vermissten aus den<br />

Kämpfen um das ehemalige Stalingrad (Wolgograd/<br />

Russische Föderation).<br />

Gedenkveranstaltung zum 60. Jahrestag<br />

der Schlacht um Monte Cassino<br />

am 19. Mai (Foto links).<br />

Die Bremer Musikschau der Nationen<br />

feiert unter den Augen von 37 000<br />

Konzertgästen ihre 40. Auflage.<br />

Die spätere Fernsehübertragung in<br />

den Dritten Programmen erreicht<br />

über fünf Millionen Zuschauer.<br />

261


Die Gedenktafeln für die über 4 600<br />

Opfer des sowjetischen Speziallagers<br />

Nummer 5 (bei Ketschendorf) weiht<br />

der <strong>Volksbund</strong> unter großer Anteilnahme<br />

der Angehörigen ein.<br />

262<br />

Freunde respektvoll begegnen können“,<br />

heißt es in der Ansprache der Jugendlichen<br />

aus vier Nationen. Wenig später besucht<br />

auch der damalige Kardinal und<br />

spätere Papst Joseph Ratzinger den deutschen<br />

Friedhof in La Cambe. In seiner<br />

Gedenkrede in Caen erneuert der fran -<br />

zösische Staatspräsident Jacques Chirac<br />

die Friedensbotschaft Albert Schweitzers:<br />

„Der Europagedanke, die Projekte, die ihn<br />

verkörpern, all dies nahm in Wirklichkeit<br />

hier seinen Anfang. Diese Gedenkfeier<br />

legt vor aller Welt Zeugnis davon ab, dass<br />

kein Konflikt, sei er auch noch so schmerzhaft<br />

und tief, eines Tages nicht dem Dialog<br />

und der Verständigung weichen kann.<br />

Es gibt immer einen Weg, der zum Frieden<br />

führt.“ ❑ Kurz nach seiner Wahl am<br />

23. Mai zum neunten Bundespräsidenten<br />

der Bundesrepublik Deutschland übernimmt<br />

Prof. Dr. Horst Köhler in der Tradition<br />

seiner Vorgänger die Schirmherr -<br />

schaft über den <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong><br />

Kriegsgräberfürsorge. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

übergibt am 26. Juni in der ukrainischen<br />

Hauptstadt Kiew die Namenplatten mit<br />

den Lebensdaten der Weltkriegsopfer der<br />

Öffentlichkeit. Es folgen die Einweihungen<br />

der neuen Kriegsgräberstätten in Daugavpils<br />

(Dünaburg/Lettland) am 9. Juli, in<br />

Jelgava (Mitau/Lettland) am 11. Juli. ❑ Im<br />

französischem Champigny-St. André veranstaltet<br />

der <strong>Volksbund</strong> am 25. September<br />

eine Gedenkfeier anlässlich des 40-jährigen<br />

Bestehens der Kriegsgräberstätte. Die<br />

Anlagen in Presov/Slowakische Republik<br />

und Posen (Poznan/Polen) hat der <strong>Volksbund</strong><br />

vor zehn, den Soldatenfriedhof in<br />

Retz/Österreich vor 25 Jahren eingeweiht.<br />

❑ Zum Volkstrauertag verteilen Dortmunder<br />

Schüler auf der Kriegsgräberstätte<br />

Ysselsteyn in den Niederlanden<br />

10 000 Kerzen und erinnern damit an alle<br />

Opfer von Krieg und Gewalt. ■<br />

Lichternacht auf der Kriegsgräberstätte<br />

Ysselsteyn in den Niederlanden:<br />

Schüler der Dortmunder<br />

Heinrich-Heine-Schule verteilen<br />

10 000 Kerzen auf dem Friedhof<br />

und erinnern damit an alle Opfer<br />

von Krieg und Gewalt.<br />

263


2005<br />

Aus der Ferne mag dieses Bild des<br />

Hurricans Katrina reizvoll sein – für<br />

die Menschen ist es jedoch eine der<br />

schlimmsten Naturkatastrophen.<br />

Wir sind Papst: Mit dieser Schlagzeile<br />

beschreibt eine Tageszeitung<br />

die Freude über die Wahl von<br />

Joseph Ratzinger zum neuen Papst.<br />

264<br />

In Deutschland startet im Rahmen<br />

der Sozialreformen die Einführung<br />

des Arbeitslosengeldes II (ALG II). Die<br />

Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit –<br />

Die Wahlalternative (WASG) wird gegründet.<br />

❑ <strong>Das</strong> Unternehmen Toll Collect<br />

nimmt den Betrieb des LKW-Mautsys -<br />

tems auf. ❑ Am 2. April stirbt Papst Johannes<br />

Paul II. im Alter von 84 Jahren.<br />

Joseph Alois Ratzinger wird als Papst Benedikt<br />

XVI. neues Oberhaupt der Römisch-katholischen<br />

Kirche. ❑ In Berlin<br />

wird das große Stelenfeld für die ermordeten<br />

Ju den Europas eingeweiht. ❑ Der<br />

ehemalige Bundesvorsitzen de der SPD,<br />

Oskar Lafontaine, tritt aus der Partei aus.<br />

Bun deskanzler Gerhard Schröder stellt<br />

im <strong>Deutsche</strong>n Bundestag die Vertrauensfra<br />

ge und verliert die Abstimmung. Bundespräsident<br />

Köhler löst daraufhin den<br />

Bundestag auf und ordnet Neuwahlen<br />

an. ❑ Anfang Juli verüben Terroristen in<br />

Lon don Bom benanschläge. Nur zwei Wochen<br />

später sterben bei ei nem Terrorattentat<br />

im ägyptischen Badeort Scharm el<br />

Scheich über 80 Personen. ❑ In New Orleans<br />

verursacht der Hurrikan Katrina<br />

Milliardenschäden; ca. 2 000 Men schen<br />

sterben. ❑ Die Dresdener Frau enkirche,<br />

1945 bei Luftangriffen zerstört, ist wieder<br />

aufgebaut und wird eingeweiht. ❑ Ab<br />

Ende Oktober bis Mitte November kommt<br />

es zu heftigen Unruhen und Ausschreitungen<br />

re bellierender Jugendlicher in den<br />

Vorstädten von Paris und weiteren französischen<br />

Großstädten. ❑ Die CDU/CSU<br />

gewinnt bei den Wahlen zum 16. Bun destag<br />

knapp vor der SPD. Eine Große Koalition<br />

wird gebildet und Dr. Angela Merkel<br />

(CDU) zur Bundeskanzlerin gewählt. ❑<br />

Im Irak wird die deutsche Archäologin<br />

Susanne Osthoff entführt, dann aber nach<br />

vier Wochen wieder freigelassen. ■<br />

Bundespräsident und <strong>Volksbund</strong>schirmherr<br />

Prof. Dr. Horst Köhler besucht<br />

am 24. September die neue Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätte des<br />

<strong>Volksbund</strong>es am Golm bei Kamminke auf<br />

der Insel Usedom. Dabei lobt Köhler besonders<br />

die Jugendarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

und wirbt für mehr deutsch-polnischen<br />

Austausch. Begegnungsstätten wie die in<br />

Kamminke seien dazu hervorragend geeignet.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat die jüngste seiner<br />

insgesamt vier Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätten am 12. März eröffnet.<br />

Sie soll Kontakte zwischen jungen <strong>Deutsche</strong>n<br />

und Polen fördern. ❑ 50 Jahre Partnerschaft<br />

von <strong>Volksbund</strong> und Bundeswehr<br />

– unter diesem Motto stehen im Jahr<br />

2005 die etwa 100 Arbeitseinsätze, die von<br />

den freiwilligen Helfern in Uniform geleistet<br />

werden. Dazu kommt das Engagement<br />

der Soldatinnen und Soldaten bei<br />

der Sammlung, den Workcamps oder Gedenkveranstaltungen.<br />

Zudem haben viele<br />

Einheiten der Bundeswehr Patenschaften<br />

Zum 50-jährigen Bestehen der<br />

Kriegsgräberstätte Sandweiler in<br />

Luxemburg hält der luxemburgische<br />

Premierminister Jean-Claude Juncker<br />

die Gedenkrede.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> eröffnet am 12. März<br />

die jüngste seiner insgesamt vier<br />

Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten<br />

am Golm auf der Ostseeinsel<br />

Usedom. Bundespräsident Horst<br />

Köhler (im Bild rechts mit jungen<br />

<strong>Deutsche</strong>n und Polen) besucht im<br />

September die Anlage an der<br />

deutsch-polnischen Grenze.<br />

265


Schwerstarbeit leisten die jugend -<br />

lichen Teilnehmer des zehnten Workcamps<br />

in Lamsdorf (Lambinowice/<br />

Polen).<br />

Sie wollen nicht vergessen – aber<br />

sich versöhnen: Kriegsteilnehmer aus<br />

Deutschland und der ehemaligen<br />

Sowjetunion.<br />

266<br />

für bestimmte Kriegsgräberstätten übernommen.<br />

❑ Die große Gedenkveranstaltung<br />

des <strong>Volksbund</strong>es zum 60. Jahrestag<br />

des Kriegsendes in Europa findet bereits<br />

am 30. April auf den russischen und deutschen<br />

Kriegsgräberstätten in Baruth und<br />

Halbe statt. ❑ Rainer Ruff ist neuer Generalsekretär<br />

des <strong>Volksbund</strong>es. ❑ Der <strong>Volksbund</strong><br />

veranstaltet auf etlichen Kriegsgräberstätten<br />

Gedenk feiern anlässlich der<br />

runden Jubiläen ihrer Ein weihung: Fortde-Malmaison/Frankreich<br />

(40 Jahre),<br />

Veszprem/Ungarn (10 Jahre), Bergheim/<br />

Elsass, Frankreich (30 Jahre) sowie Tobruk/Libyen<br />

(50 Jahre). Zum 50-jährigen<br />

Bestehen der Kriegsgräberstätte Sandweiler<br />

in Luxemburg hält Premierminister<br />

Jean-Claude Juncker eine denkwürdige<br />

Ansprache. ❑ Schon zum 30. Mal findet in<br />

Hannover die „Musikparade der Nationen“<br />

statt. ❑ Ein weiteres wichtiges Ereignis<br />

ist die Einbettung der ersten Kriegs -<br />

toten in Apscheronsk/Kaukasus, Russische<br />

Föderation am 30. August unter Beteiligung<br />

von Generalinspekteur Wolf -<br />

gang Schneiderhan. 1 000 Weltkriegsopfer<br />

erhalten an diesem Tag ihre letzte Ruhestätte,<br />

bis zu 30 000 können es einmal<br />

sein. ❑ Die neue Kriegsgräberstätte in<br />

Berjosa/Belarus (Weißrussland) wird am<br />

1. Oktober eingeweiht. Die ersten 500 Soldaten<br />

des Zweiten Weltkrieges werden<br />

dort bestattet. ❑ Millionenfach er lebten<br />

und erlitten <strong>Deutsche</strong> die Kriegs gefangenschaft;<br />

viele kehrte nicht nach Hause zurück.<br />

An ihr Schicksal erinnert am 12. Ok -<br />

tober in Friedland eine Gedenkveranstaltung<br />

zum 50. Jahrestag der Rück kehr der<br />

letzten deutschen Gefange nen aus der Sowjetunion.<br />

❑ Am 10. November erhält der<br />

<strong>Volksbund</strong> die Ehren plakette des Bundes<br />

der Vertriebenen. ■<br />

Ansprache von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />

zum 50. Jahrestag der Rückkehr der letzten deutschen<br />

Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und<br />

zum 60-jährigen Bestehen des Lagers Friedland<br />

(Seite 267: Sonderdruck des <strong>Volksbund</strong>es, Dezember<br />

2005).<br />

Auf dem Gelände des neuen Sammelfriedhofs Apscheronsk<br />

(Kaukasus/Russische Föderation) werden<br />

am 30. August in Anwesenheit von Bundeswehrgeneralinspekteur<br />

Wolfgang Schneiderhan die ersten<br />

1 000 Kriegstoten bestattet.<br />

267


2006<br />

Karikaturenstreit: Die Veröffentlichung<br />

von Mohammed-Karikaturen<br />

durch eine dänische Zeitung lösen in<br />

der islamischen Welt heftige Proteste<br />

aus (Foto ganz unten).<br />

Die Fußball-Weltmeisterschaft sorgt<br />

für Euphorie. Deutschland präsentiert<br />

sich als hervorragender Gastgeber.<br />

268<br />

Im bayerischen Bad Reichenhall<br />

stürzt das Dach der Eissporthalle<br />

ein. Dabei kommen 15 Menschen ums<br />

Leben. ❑ Der Drei-Schluchten-Staudamm<br />

in China, eine der größten Talsperren der<br />

Welt, wird in Betrieb genommen. ❑ Bei<br />

einem gewaltigen Erdbeben auf der indonesischen<br />

Insel Java sterben rund 6 000<br />

Menschen. Nur drei Wochen später wird<br />

die Insel von der Flutwelle eines Seebebens<br />

heimgesucht, die abermals mehrere<br />

hundert Todesopfer fordert. ❑ Im Liba-<br />

non kommt es zwischen Isra el und der<br />

Hisbollah zum Krieg, der am 14. August<br />

nach 33 Tagen durch einen Waffenstillstand<br />

auf Basis einer UN-Resolution beendet<br />

wird. Die Resolution fordert die<br />

Unterbindung von Waffenlieferungen an<br />

die Hisbollah und stattet die Blauhelmmission<br />

im Libanon (UNIFIL) mit einem<br />

„robusten Mandat“ aus. Die Bundeswehr<br />

beteiligt sich ab Oktober mit mehreren<br />

Marineeinheiten an der Mission. ❑ Bundesverteidigungsminister<br />

Franz Josef<br />

Jung kündigt die Errichtung eines Ehrenmals<br />

für die in Ausübung ihres Dienstes<br />

gestorbenen Bundeswehrangehörigen an.<br />

<strong>Das</strong> Denkmal soll auf dem Gelände des<br />

Bendlerblocks errichtet werden. Dies<br />

führt zu Kritik; viele halten einen Standort<br />

in Sichtweite des Bundestages für angebrachter.<br />

❑ Unter großer Begeisterung<br />

der Zuschauer findet vom 9. Juni bis zum<br />

9. Juli die Fußball-Weltmeisterschaft in<br />

Deutschland statt. Die Nationalelf verliert<br />

im Halbfinale gegen die italienische<br />

Mannschaft, die später Weltmeis ter wird.<br />

❑ In Regionalzügen nach Dortmund und<br />

Koblenz werden Kofferbomben entdeckt,<br />

die aufgrund ihrer fehler haften Konstruktion<br />

nicht zünden. Die beiden Täter werden<br />

kurze Zeit später gefasst. ❑ Nach<br />

jahrelanger Waffenruhe bricht in Sri Lan -<br />

ka wieder der Bürgerkrieg aus. ❑ Bei<br />

einem tragischen Unfall auf der Transrapid-Teststrecke<br />

bei Lathen in Niedersachsen<br />

sterben 23 Menschen. ❑ Nordkorea<br />

führt erstmals einen Atombombentest<br />

durch. ■<br />

Am 27. Januar stirbt Johannes Rau,<br />

der ehemalige Bundespräsident und<br />

Schirmherr des <strong>Volksbund</strong>es. „Wir haben<br />

ihm viel zu verdanken. Es macht uns sehr<br />

traurig, einen solchen Freund verloren zu<br />

haben“, sagt <strong>Volksbund</strong>präsident Reinhardt<br />

Führer. ❑ Die Kriegsgräberstätte<br />

Chisinau in der Republik Moldau wird<br />

am 20. Juni, die Anlage in Tilsit (Sowjetsk/<br />

Russische Föderation) am 30. Juni der Öffentlichkeit<br />

übergeben. Die Einweihungen<br />

der Kriegsgräberstätten in Neumark<br />

(Stare Czarnowo/Polen) und Tirana/Albanien<br />

folgen am 15. Juli und am 19. November.<br />

Allein zur Gedenkfeier in Neumark<br />

nahe Stettin, dem letzten großen<br />

Sammelfriedhof in Polen, kommen über<br />

1 000 Besucher. ❑ Die Kriegsgräberstätten<br />

Inster burg (Tschernjachowsk/Russische<br />

Föderation) und Kuressaare/Estland sind<br />

zehn Jahre alt. ❑ Ein großes Projekt des<br />

<strong>Volksbund</strong>es erreicht am 9. September mit<br />

der Einweihung der Namenwürfel von<br />

Rossoschka ein wichtiges Zwischenziel.<br />

Zahlreiche Angehörige, aber auch Zeitzeugen<br />

beider Nationen nehmen an der<br />

würdigen Gedenkfeier in der russischen<br />

Steppe teil. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes,<br />

Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />

Papier, hält die Gedenkrede. Horst Zank,<br />

Vorsitzender des Bundes Ehemaliger Stalingradkämpfer,<br />

sagt: „Rossoschka ist eine<br />

welt weit einmalige Gedenkstätte. Wichti -<br />

ge Bestandteile dieses Gedenkortes sind<br />

die Granitwürfel mit den über 100 000<br />

Na men der Vermissten von Stalingrad. Eini<br />

ge von ihnen habe ich selbst gekannt ...<br />

Ich werde sie nie vergessen.“ ❑ Präsident<br />

Reinhard Führer und seine Stellvertre ter<br />

Karl-Heinz-Kälberer und Dr. Franz Vogt<br />

werden am 3. November vom Bundesvertretertag<br />

wiedergewählt. ❑ In ihrer Ansprache<br />

zum Volkstrauertag dankt Bun -<br />

deskanzlerin Dr. Angela Merkel dem<br />

<strong>Volksbund</strong> und seinen Mitgliedern für<br />

seine wichtige Friedensarbeit: „Mit dem<br />

Gedenken an das furchtbare Leid vergangener<br />

Tage geht eine eindringliche Mahnung<br />

an uns Lebende einher: Die Ermah -<br />

nung, uns im mer wieder für Frieden einzusetzen<br />

und entschieden gegen Unfrei-<br />

Trauer: Der ehemalige Bundespräsident und Schirmherr<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, Johannes Rau, verstirbt am<br />

27. Januar (Foto oben).<br />

Zur Einweihung der neuen Kriegsgräberstätten in<br />

Neumark (Stare Czarnowo/Polen) am 15. Juli kommen<br />

über 1 000 Besucher.<br />

269


Eine deutsch-französische Gedenkfeier<br />

erinnert am 7. Oktober an die<br />

Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />

Niederbronn-les-Bains/Frankreich<br />

vor 40 Jahren.<br />

270<br />

heit, Krieg, Gewalt und Terror vorzugehen.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hält mit seinem Engagement<br />

diese Mahnung aufrecht. Er trägt<br />

sie besonders durch seine Jugendarbeit<br />

auch in die Zukunft. Für sein Wirken<br />

danke ich dem <strong>Volksbund</strong> ganz ausdrücklich.“<br />

Sie erwähnt auch die neuen Bedrohungen<br />

für den Frieden: Internationaler<br />

Terrorismus, organisierte Kriminalität<br />

und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen.<br />

■<br />

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel dankt in ihrer<br />

Re de zum Volkstrauertag dem <strong>Volksbund</strong> und allen<br />

seinen Förderern für ihre wichtige Friedensarbeit<br />

(oben; ganz oben: <strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer<br />

begrüßt die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung).<br />

Teilnehmer des 40. Workcamps in St. Désir-de-Lisieux<br />

weihen die Allee des Friedens zwischen der deutschen<br />

und der britischen Kriegsgräberstätte ein.<br />

Am 9. September weiht der <strong>Volksbund</strong><br />

die Namenwürfel von Rossoschka<br />

unter Mitwirkung des<br />

Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes,<br />

Prof. Dr. Hans-Jürgen<br />

Papier, ein. Es ist eine<br />

weltweit einmalige Gedenkstätte<br />

mit über 100 000 Namen der<br />

Vermissten von Stalingrad.<br />

271


2007<br />

Friedlicher Protest: In Myanmar<br />

(Burma) protestieren buddhistische<br />

Mönche gegen die Militärdiktatur.<br />

Die Bewegung wird gewaltsam<br />

niedergeschlagen.<br />

<strong>Das</strong> Treffen der acht führenden Wirtschaftsnationen<br />

in Heiligendamm<br />

bietet die Bühne für wichtige Gespräche<br />

– und zahlreiche Proteste der<br />

Gipfelgegner.<br />

272<br />

Bulgarien und Rumänien treten der<br />

Europäischen Union bei. ❑ Neuer<br />

Generalsekretär der Vereinten Nationen<br />

wird der Südkoreaner Ban Ki-moon. ❑<br />

Unter Bundestrainer Heiner Brand wird<br />

Deutschland Handballweltmeister. ❑ Mit<br />

Spitzenwindgeschwindigkeiten bis zu<br />

200 Stundenkilometern zieht der Orkan<br />

Kyrill über Nordeuropa hinweg. Er hinterlässt<br />

eine Schneise der Verwüstung. ❑<br />

Bei einem Brandanschlag auf den Samjhauta-Expresszug,<br />

der Indien mit Paki-<br />

stan verbindet, sterben mehr als 60 Menschen.<br />

❑ Der <strong>Deutsche</strong> Bundestag beschließt<br />

die Entsendung von Aufklä -<br />

rungsflugzeugen nach Afghanistan. ❑<br />

Ein Amokläufer tötet auf dem Campus<br />

der amerikanischen Hochschule Virginia<br />

Tech 32 Menschen und begeht anschließend<br />

Selbstmord. ❑ Unter umfangreichen<br />

Sicherheits- und Absperrungsmaßnahmen<br />

findet im deutschen Ostseebadeort<br />

Heili gendamm vom 6. bis 8. Juni der<br />

G8-Gipfel statt. ❑ Griechenland wird von<br />

verheerenden Waldbränden heimgesucht.<br />

Die Gesamtfläche der betroffenen Gebiete<br />

umfasst mehr als 180 000 Hektar. ❑ Bei<br />

einem der schwersten Erdbeben in Peru<br />

seit 50 Jahren sterben mehr als 500 Menschen.<br />

❑ Zehntausende Menschen, darunter<br />

zahlreiche buddhistische Mönche,<br />

demonstrieren in Myanmar (Burma) ge -<br />

gen das Regime. <strong>Das</strong> harte Durchgreifen<br />

des Militärs bringt die Protestbewegung<br />

zum Erliegen. ❑ In Pakistan erklärt Präsident<br />

Pervez Musharraf am 3. November<br />

den Ausnahmezustand und schickt Polizeikräfte<br />

auf die Straße, nachdem es zu<br />

Ausschreitungen gekommen ist. Die Medien<br />

werden staatlich zensiert. Die anstehenden<br />

Parlamentswahlen werden aus -<br />

gesetzt. Am 27. Dezember wird die aus<br />

dem Exil zurückgekehrte ehemalige Premierministerin<br />

Benazir Bhutto ermordet.<br />

❑ Der tropische Wirbelsturm Sidr verwüstet<br />

im November große Teile von Bang -<br />

la desch. Über 3 000 Men schen sterben. ■<br />

In einem Strategiepapier werden die<br />

Schwerpunkte für Friedhofsbau und<br />

-pflege sowie die Suche und Umbettung<br />

der deutschen Kriegstoten im ehemaligen<br />

Ostblock gesetzt. Bis 2015 müssen noch<br />

er hebliche Anstrengungen, besonders bei<br />

den Umbettungen, unternommen werden.<br />

Denn danach wird es mangels örtlicher<br />

Zeitzeugen sehr viel schwieriger<br />

werden, die Kriegstoten zu finden. Die<br />

vom Bundesvorstand gebilligte Ausarbeitung<br />

ist Grundlage für die Gespräche mit<br />

der Bundesregierung über die Höhe der<br />

bis 2015 benötigten staatlichen Finanzmittel.<br />

In der Tat erhöht die Bundesregierung<br />

ihre Zuwendungen. Wichtigste Einnahmequellen<br />

sind und bleiben jedoch – auch<br />

langfristig – die Beiträge und Spenden der<br />

Bürger. ❑ 40. Jahrestag der Einweihung<br />

des Friedhofs Costermano: In ihren Ansprachen<br />

erinnern Karl-Heinz Kälberer,<br />

stellvertretender Präsident des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

und der Mailänder Generalkonsul<br />

Dr. Axel Hartmann an die berechtigte<br />

Trauer der Angehörigen, aber auch an die<br />

Kinder und Jugendliche wirken bei der Gestaltung<br />

der Gedenkfeier in Berneuil zum 40-jährigen Bestehen<br />

der Kriegsgräberstätte mit (Foto unten rechts).<br />

Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Kriegsgräberstätte<br />

Vladslo (Belgien) werden auch die Geschwister<br />

Museeuw geehrt, die den Friedhof von Anfang<br />

an betreut haben.<br />

Anlässlich des 40. Jahrestages der<br />

Einweihung der Kriegsgräberstätte<br />

Costermano reisen viele Besucher am<br />

5. Mai an den Gardasee in Italien.<br />

<strong>Das</strong> 20. Pfingsttreffen der Jugendarbeitskreise<br />

des <strong>Volksbund</strong>es (JAK)<br />

schlägt in Bremen seine Zelte auf.<br />

273


Generalmajor Johann Gustav Oppitz<br />

arbeitet gemeinsam mit Jugendlichen<br />

im Workcamp am Futa-Pass in Italien<br />

(Foto unten links).<br />

Wichtiges Ereignis: Der <strong>Volksbund</strong><br />

weiht am 8. September die neue<br />

Kriegsgräberstätte Sebesh in der<br />

Russischen Föderation ein.<br />

274<br />

Verbrechen, die im Zweiten Weltkrieg<br />

durch <strong>Deutsche</strong> verübt wurden. ❑ Eine<br />

Woche später begeht der Landesverband<br />

Saar in einem Festakt sein 50-jähriges Bestehen.<br />

Besonderer Gast ist Ministerpräsident<br />

Peter Müller. ❑ Auf ein Viertel jahrhundert<br />

Jugendarbeit blickt die Jugendbegegnungs-<br />

und Bildungsstätte (JBS) Ysselsteyn<br />

in den Niederlanden am 16. Juni<br />

zurück. Auf der angrenzenden Kriegsgräberstätte<br />

tragen die Jugendlichen an diesem<br />

Tag, 60 Jahre nach der ersten Einbet -<br />

tung und 30 Jahre nach der Übernahme<br />

des Friedhofes durch den <strong>Volksbund</strong>, in<br />

einer bewegenden Zeremonie ein weiteres<br />

Weltkriegs opfer zu Grabe. ❑ Zur Gedenkfeier<br />

anlässlich des 40-jährigen Bestehens<br />

der Kriegsgräberstätte Berneuil nahe Bordeaux<br />

kom men eine Woche später 400 Besucher.<br />

❑ Zeitgleich findet im litau ischen<br />

Puoriai das erste Förderer-Workcamp des<br />

<strong>Volksbund</strong>es statt. Dabei arbeiten Senioren<br />

– ähnlich wie bei Workcamps oder Arbeitsein<br />

sät zen der Bundeswehr – ehrenamtlich<br />

auf deutschen Kriegsgrä ber stätten<br />

im Ausland. ❑ In Bourdon/Frankreich,<br />

Vladslo/Belgien und Cannock Chase/<br />

Großbritannien veranstaltet der <strong>Volksbund</strong><br />

Gedenkstunden anlässlich des<br />

40-jährigen beziehungsweise 50-jährigen<br />

Bestehens der deutschen Kriegsgräberstätten.<br />

❑ <strong>Das</strong> wichtigste Ereignis ist die<br />

Einweihung der neuen Kriegsgräberstätte<br />

Sebesh in Russland am 8. September. Bis<br />

zu 50 000 Kriegstote können hier beerdigt<br />

werden. Am Tage der Einweihung wirken<br />

auch deutsche und russische Soldaten<br />

mit, die zuvor erstmals in gemeinsamer<br />

Arbeit 4 000 deutsche Kriegstote auf der<br />

Kriegsgräberstätte in Sologubowka beerdigt<br />

haben. „Dies ist ein Meilenstein in<br />

unseren Beziehungen zu Russland. Hier<br />

wird die Bedeutung des <strong>Volksbund</strong>mottos<br />

,Versöh nung über den Gräbern – Arbeit<br />

für den Frieden‘ besonders deutlich“, sagt<br />

<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer. ❑<br />

Am 21. und <strong>22</strong>. September weiht der<br />

<strong>Volksbund</strong> in Lettland die Kriegsgräberstätten<br />

Riga-Beberbeki und Ogre ein. Bundeswehrgeneralinspekteur<br />

Wolfgang<br />

Schnei derhan verspricht, dass die Bundeswehr<br />

die Friedensarbeit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

auch künftig engagiert unterstützen<br />

werde. ❑ Generalmajor Johann Gustav<br />

Oppitz setzt dies umgehend in die Tat<br />

um: Er besucht ein Workcamp am Futa-<br />

Pass in Italien und pflegt dort gemeinsam<br />

mit den Jugendlichen die Gräber des<br />

Zweiten Weltkriegs. ■<br />

40 Jahre Kriegsgräberstätte und 45. Workcamp des<br />

Landesverbandes Bremen in Cannock Chase/Großbritannien.<br />

Gemeinsame Arbeit: <strong>Deutsche</strong><br />

und russische Soldaten betten in<br />

Sologubowka/Russische Föderation<br />

4 000 Opfer des Zweiten<br />

Weltkriegs ein.<br />

275


2008<br />

276<br />

Der Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit<br />

von Serbien. ❑ Neuer Präsident<br />

Russlands und Nachfolger Wladimir<br />

Putins wird Dmitri Medwedew. ❑ Inzestfall<br />

im österreichischen Amstetten: Elisabeth<br />

F. entkommt ihrem Vater, der sie<br />

24 Jahre lang eingesperrt und missbraucht<br />

hat. ❑ Anfang Mai zieht ein gewaltiger<br />

Wirbelsturm über Myanmar (Burma) hinweg.<br />

Über 80 000 Menschen verlieren ihr<br />

Le ben. Nur wenige Tage später ereignet<br />

sich ein Erdbeben der Stärke 7,9 im Süden<br />

Chinas. 70 000 Menschen sterben und<br />

mehrere Millionen werden obdachlos. ❑<br />

Der fünftägige Krieg zwischen Georgien<br />

und Russland im August endet nach Intervention<br />

der EU. Georgien hatte zuvor<br />

in der abtrünnigen Provinz Südossetien<br />

eine militärische Offensive gestartet. ❑<br />

Ausgelöst durch Immobilienspekulationen<br />

in den USA zieht die Finanzkrise im -<br />

mer größere Kreise. Die amerikanische<br />

In vestmentbank Lehman Brothers meldet<br />

Insolvenz an. Immer mehr Banken droht<br />

die Zahlungsunfähigkeit. In Deutschland<br />

besonders betroffen ist die Immobilienbank<br />

Hypo Real Estate. Es droht eine welt -<br />

weite Rezession. Um eine Trendwende<br />

ein zuleiten, werden in vielen Ländern<br />

umfangreiche Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme<br />

auf den Weg gebracht.<br />

❑ In Peking werden die 29. Olym pischen<br />

Spiele eröffnet. ❑ Die Amerikaner wählen<br />

Barack Obama zu ihrem neu en Präsidenten.<br />

Obama begeistert welt weit viele<br />

Menschen mit seiner Ausstrahlung und<br />

seinem Slogan: „Yes we can!“ ❑ Der Flughafen<br />

Berlin-Tempelhof – Sinnbild für die<br />

Luftbrücke der Alliierten – stellt den Betrieb<br />

endgültig ein. Die letzten drei Flugzeuge<br />

heben am 24. November ab. ❑ Im<br />

indischen Mum bai, ehemals Bombay, verüben<br />

Terroristen mehrere Spreng stoff anschläge<br />

und nehmen Geiseln. Heftige<br />

Gefechte mit der Polizei folgen. Die erschreckende<br />

Bilanz: Über 150 Tote und<br />

mehr als 200 Verletzte. ■<br />

Finanzkrise: Der Kurssturz an den Börsen in der<br />

ganzen Welt (Bild: Frankfurter Börse) schockt<br />

Aktienhändler und Bevölkerung gleichermaßen.<br />

Eine gigantische Spekulationsblase ist geplatzt, mit<br />

nahezu unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft.<br />

Yes we can: Mit diesem Slogan gewinnt Barrack<br />

Obama die US-Präsidentschaftswahlen. Er ist der<br />

erste farbige Präsident in der Geschichte der<br />

Vereinigten Staaten.<br />

Papst Bendedikt XVI. (im Bild mit<br />

<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer)<br />

dankt bei einer Generalaudienz am<br />

20. Februar dem <strong>Volksbund</strong> für seine segensreiche<br />

Arbeit. ❑ Am 11. März folgt<br />

durch die Verleihung der Goldmedaille<br />

der Fondation du Mérite Européen eine<br />

weitere Ehrung. Damit zeichnet die luxemburgische<br />

Stiftung die europäische Jugendarbeit<br />

des <strong>Volksbund</strong>es aus. ❑ <strong>Das</strong><br />

Jahr 2008 ist der 90. Jahrestag des Endes<br />

des Ersten Weltkrieges. Der <strong>Volksbund</strong> erinnert<br />

da ran in zahlreichen Gedenkveranstaltungen,<br />

zum Beispiel in Langemark/<br />

Bel gien und Cambrai/Frankreich. Selbst<br />

neun Jahrzehnte nach Kriegsende werden<br />

in den ehemaligen Kampfgebieten immer<br />

noch Kriegstote gefunden. Der französische<br />

Staatspräsident Nicolas Sarkozy und<br />

EU-Kommissionspräsident José Manuel<br />

Barroso besuchen die deutsche Kriegsgräber<br />

stätte Ville-devant-Chaumont. ❑ Zahlreiche<br />

Jahrestage der Einweihung von<br />

Kriegsgräber- und -gedenkstätten sind zu<br />

begehen: Kiel-Möltenort (70 Jahre),<br />

Bei der Gedenkfeier zum zehnjährigen Bestehen der<br />

Kriegsgräberstätte in Potelitsch/Ukraine nimmt die<br />

einheimische Bevölkerung großen Anteil. <strong>Das</strong> Foto<br />

unten rechts zeigt die kleine Tochter des Bürgermeisters<br />

der Stadt.<br />

Am 90. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges<br />

bettet der <strong>Volksbund</strong> in Langemark/Belgien und<br />

Cambrai/Frankreich neun Jahrzehnte nach Kriegsende<br />

weitere Opfer ein.<br />

Motiv einer Anzeigenkampagne des<br />

<strong>Volksbund</strong>s (links).<br />

<strong>Volksbund</strong>präsident Reinhard Führer,<br />

sein Stellvertreter Dr. Franz Vogt und<br />

Ehrenpräsident Richard Wagner treffen<br />

am 20. Februar Papst Benedikt<br />

XVI. während einer Generalaudienz<br />

im Petersdom (Foto unten).<br />

277


Cheb (Eger/Tschechische Republik):<br />

Nach langjährigen Verhandlungen<br />

beerdigt der <strong>Volksbund</strong> am 12. November<br />

5 500 deutschen Kriegstote.<br />

278<br />

Vladslo/Belgien (50 Jahre), Oberwölbling/Österreich<br />

(25 Jahre), Potelitsch und<br />

Charkow/Ukra ine, Vazec/Slowakische<br />

Republik sowie Laurahütte (Siemianowice/Polen,<br />

alle 10 Jahre). In Laurahütte,<br />

werden gleichzeitig 23 neue Namentafeln<br />

eingeweiht; in Rossoschka sind 13 weitere<br />

Namenwürfel für die Vermissten von Stalingrad<br />

aufgestellt. ❑ Zeitgleich startet<br />

der <strong>Volksbund</strong> die Werbeaktionen: „Frieden<br />

kann man nicht kaufen, ... sondern<br />

nur mit seinem Engagement dazu beitra-<br />

gen!“ und „Anstoß zum Frieden.“ ❑ Am<br />

6. September wird die Kriegsgräberstätte<br />

Apscheronsk (Russische Föderation) eingeweiht.<br />

Hier im Kaukasusgebiet können<br />

bis zu 30 000 Kriegs tote bestattet werden.<br />

„Dies ist ein Ort der Erin nerung gegen<br />

das Vergessen“, sagt Generalinspekteur<br />

Wolfgang Schneiderhan in seiner Gedenkrede.<br />

❑ Der <strong>Volksbund</strong> stärkt sein Profil<br />

als Träger und Förderer einer demokratischen<br />

Gedenk- und Erinnerungskultur.<br />

Mit dem Sterben der Menschen aus der<br />

Kriegsgeneration wird es immer wichtiger,<br />

die nachfolgenden Generationen zu<br />

erreichen. Ein Ansatz dazu ist das politisch-wissenschaftli<br />

che Kolloquium „Darf<br />

der Rote Baron wieder Held sein?“ am<br />

16. Oktober in Berlin. ❑ Die Diskussion<br />

um das Bundeswehrehrenmal in Berlin<br />

hält an. Präsident Führer fordert, auch<br />

den im Einsatz gestorbenen Bundeswehrangehörigen<br />

das dauerhafte Ruherecht zu<br />

gewähren. ❑ Die neue Satzung des <strong>Volksbund</strong>es<br />

tritt in Kraft. An den Hauptaufgaben<br />

ändert sich nichts. ❑ <strong>Das</strong> bedeut -<br />

samste Ereignis des Jahres ist die von starkem<br />

Medieninteresse begleitete Einbettung<br />

von 5 500 deutschen Kriegstoten im<br />

tschechischen Eger (Cheb) am 12. November.<br />

Nach langjährigen Verhandlungen erhalten<br />

auch diese Menschen, die zum Teil<br />

schon vor Jahren geborgen worden wa -<br />

ren, endlich eine würdige Ruhestätte. ❑<br />

Zum Volkstrauertag in Berlin hält der luxemburgische<br />

Premierminister Jean-<br />

Claude Juncker die Gedenkrede; diese<br />

Worte sind ganz besonders hervorhebenswert:<br />

„Wer an Europa verzweifelt, der<br />

sollte Soldatenfriedhöfe besuch en. Nirgendwo<br />

besser, nirgendwo eindringlicher,<br />

nirgendwo bewe gender ist zu spüren,<br />

was das europäische Gegeneinander an<br />

Schlimmstem bewirken kann.“ ■<br />

Zum Volkstrauertag hält der luxemburgische Premierminister<br />

Jean-Claude Juncker eine viel beachtete<br />

Rede (Bild links unten).<br />

Bei der Einweihung der neuen Kriegsgräberstätte in<br />

Apscheronsk/Russische Föderation am 6. September<br />

hält Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhahn die<br />

Gedenkrede (Bild rechts unten).<br />

Jana Reichbott vom Jugend -<br />

arbeits kreis Schleswig-Holstein<br />

nimmt gemeinsam mit insgesamt<br />

88 Jugendlichen aus ganz<br />

Deutschland am Pfingstzelten im<br />

brandenburgischen Halbe teil.<br />

279


2009<br />

280<br />

Drei große Jahrestage stehen im Vordergrund:<br />

<strong>Das</strong> Inkrafttreten des<br />

Grundgesetzes der Bundesrepublik<br />

Deutschland vor 60 Jahren, der Fall der<br />

Berliner Mauer vor 20 Jahren und der<br />

70. Jahrestag des Beginns des Zweiten<br />

Weltkrie ges. ❑ Der neue US-Präsident Barack<br />

Oba ma wird am 20. Januar vereidigt.<br />

❑ Die Slowakische Republik führt als<br />

16. EU-Land den Euro ein. ❑ Zur Überwindung<br />

der Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

bringt die Bundesregierung ein<br />

zweites Konjunkturpaket auf den Weg.<br />

Bestandteil dessen ist die so genannte Abwrackprämie,<br />

die in den kommenden<br />

Monaten viele Tausend Bürgerinnen und<br />

Bürger zum Auto-Neukauf veranlasst. ❑<br />

Ausgelöst durch Tiefbauarbeiten stürzt<br />

am 3. März das Kölner Stadtarchiv ein. ❑<br />

Bei dem Amoklauf eines 17-Jährigen in<br />

der Kleinstadt Winnenden, nordöstlich<br />

von Stuttgart, sterben 15 Men schen. Der<br />

Täter begeht Selbstmord. ❑ Bei einem<br />

Erdbeben der Stärke 6,3 werden in den<br />

italienischen Abruzzen rund um die Stadt<br />

L’Aquila 299 Menschen getötet. ❑ Die<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO)<br />

warnt vor einer weltweiten Verbreitung<br />

der Influenza H1N1, bekannt als Schweinegrippe.<br />

❑ Die 13. Bundesversammlung<br />

bestätigt am 23. Mai Horst Köhler im Amt<br />

des Bundespräsidenten. ❑ In Honduras<br />

wird der linksorientierte Staatspräsident<br />

Manuel Zelaya wegen eines um strittenen<br />

Verfassungsreferendums von Militäreinheiten<br />

inhaftiert. ❑ Air-France-Flug 447<br />

endet mit dem Absturz über dem Atlantik.<br />

Alle <strong>22</strong>8 Insassen sterben. ❑ Die<br />

UNESCO ernennt niederländische und<br />

deutsche Teile des Wattenmee res zum<br />

Weltnaturerbe. Dem Dresdener Elbtal<br />

hingegen wird der Titel eines Weltkulturerbes<br />

aufgrund des Baus der Wald -<br />

schlösschenbrücke aberkannt. ❑ Bei den<br />

Europawahlen erreicht die Wahlbeteiligung<br />

ein neues Rekordtief. Nur noch<br />

43 Prozent der Wahlberechtigten im vereinten<br />

Europa machen von ihrem Stimmrecht<br />

Gebrauch. ❑ Am 8. September wird<br />

das Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr<br />

eingeweiht. Die Worte von Bundespräsident<br />

Köhler und des Vaters eines der<br />

umgekommen Soldaten machen nachdenklich.<br />

Die Bevölkerung will Klarheit<br />

über die Kampf einsätze und ihre Folgen,<br />

keine Verharmlosungen und Beschönigungen.<br />

❑ Bundestagswahl am 27. September:<br />

Die großen Volksparteien verlie<br />

ren, FDP, Die Grünen und Die Linke<br />

gewinnen deutlich hinzu. Neuer Koalitionspartner<br />

der CDU/CSU ist nach dem<br />

katastrophalen Abschneiden der SPD die<br />

FDP. Die größte „Partei“ stellen jedoch die<br />

Nichtwähler. ❑ Den 1990 gestifteten Kasseler<br />

Bürgerpreis „Glas der Vernunft“ erhält<br />

in diesem Jahr Hans-Joachim Gauck. In sei -<br />

ner Rede erteilt er jeglicher „Schluss strichdebatte“<br />

bei den Themen Nationalso zia -<br />

lis mus und DDR-Diktatur eine Absage. ■<br />

(Redaktionsschluss: September 2009)<br />

Wiederwahl: Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler<br />

und seine Ehefrau Eva Luise freuen sich über die<br />

zweite Amtszeit.<br />

Nur wenige Wochen vor Vollendung<br />

seines 85. Lebensjahres verstirbt Ehrenpräsident<br />

Richard Wagner am 2. Febru<br />

ar 2009. „Die Erinnerung an die Toten<br />

der beiden Weltkriege wach zu halten,<br />

ihnen eine würdige Grabstätte zu schaffen<br />

und für die Versöhnung zu arbeiten – das<br />

war ihm eine Herzensangelegenheit“,<br />

würdigt ihn Präsi dent Reinhard Führer. ❑<br />

In Cassino gedenken Angehöri ge und<br />

Kriegsteilnehmer vieler Nationen am<br />

19. Mai der Opfer der Kämpfe vor 65 Jahren.<br />

❑ Der „Aktionstag“ des <strong>Volksbund</strong>es<br />

auf der Bundesgartenschau in Schwerin<br />

findet großes Inter esse beim Publikum. ❑<br />

Zum 65. Jahrestag der Landung in der<br />

Normandie am 6. Juni schmücken Soldaten<br />

der deutsch-französischen Brigade<br />

dank der Spenden der <strong>Volksbund</strong>förderer<br />

die Kriegsgräberstätte La Cambe in<br />

Frankreich mit 3 500 weißen Blumensträußen.<br />

Die Aktion „Blumen gegen das Vergessen“<br />

erinnert an die unbekannten<br />

Toten. ❑ Besondere Gedenkfeiern: Die<br />

Kriegsgräberstätte Futa Pass/Italien ist<br />

40 Jahre, die Kriegsgräberstätten Narwa/<br />

Est land und Saldus/Lettland sind zehn<br />

Jahre alt. ❑ 2 116 Zi vil tote, die von Oktober<br />

2008 bis April 2009 aus ei nem Massengrab<br />

in Marienburg (Malbork/Polen)<br />

Während der Gedenkfeier zum 65. Jahrestag der<br />

Landung in der Normandie bettet der <strong>Volksbund</strong> in<br />

La Cambe ein weiteres Opfer ein (Foto rechts).<br />

Eine der beeindruckendsten Kriegsgräberstätten<br />

befindet sich in der Nähe des Monte Cassino in<br />

Italien (Foto unten).<br />

Der <strong>Volksbund</strong> präsentiert sich<br />

während der Bundesgartenschau in<br />

Schwerin mit einem abwechslungsreichen<br />

Programm für Jung und Alt.<br />

281


Die Anlage am Futa-Pass weihte der<br />

<strong>Volksbund</strong> bereits vor 40 Jahren ein.<br />

Auf dieser Kriegsgräberstätte ruhen<br />

über 30 000 Kriegsopfer.<br />

282<br />

geborgen wurden, erhalten am 14. August<br />

ein würdiges Begräbnis auf der deutschen<br />

Kriegsgräber stätte in Neumark (Stare<br />

Czarnowo) bei Stettin. Es sind hauptsächlich<br />

Frauen und Kinder, die unter noch<br />

ungeklärten Umständen das Leben verloren<br />

haben. Und es gibt weitere solcher<br />

grausiger Funde. ❑ In Pordoi/Ita lien wird<br />

am 15. August an die Eröffnung des Friedhofs<br />

vor 50 Jahren erinnert, die Anlage in<br />

Prilep/Mazedonien wird am 29. August<br />

neu eingeweiht. Eine Gedenkfeier am<br />

11. September erinnert an das 50-jährige<br />

Bestehen der Kriegsgräberstätte Lommel/Belgien;<br />

gespendete Blumensträuße<br />

schmücken auch hier die Gräber unbekannter<br />

Soldaten. ❑ Für die Zeit nach Redaktionsschluss<br />

dieses <strong>Buch</strong>es sind wei -<br />

tere Ver anstaltungen geplant: Die neue<br />

Kriegsgräberstätte in Kursk-Besedino<br />

wird am 17. Oktober ihrer Bestimmung<br />

übergeben; am 24. Oktober folgt eine Veranstaltung<br />

zum 50-jährigen Bestehen der<br />

Kriegsgräberstätte El Alamein/Ägypten.<br />

❑ Bundespräsident und <strong>Volksbund</strong>schirmherr<br />

Prof. Dr. Horst Köhler hat zugesagt,<br />

am Volkstrauertag die Gedenkrede<br />

im Bundestag zu halten. Darin will er<br />

auch das 90-jährige Wirken des <strong>Volksbund</strong>es<br />

würdigen, dessen Geschichte unlösbar<br />

mit der deutschen und europäischen<br />

Geschichte verknüpft ist. ■<br />

(Redaktionsschluss: September 2009)<br />

Der <strong>Volksbund</strong> bestattet am 14. August 2 116 Tote<br />

aus einem Massengrab in Marienburg (Malbork) auf<br />

der deutschen Kriegsgräberstätte in Neumark (Stare<br />

Czarnowo/Polen).<br />

Blumen gegen das Vergessen –<br />

so lautet das Motto der <strong>Volksbund</strong>-<br />

Spendenaktion zum 65. Jahrestag<br />

der Landung in der Normandie.<br />

In La Cambe schmücken Soldaten<br />

dabei die Gräber mit tausenden<br />

Blumensträußen.<br />

283


20 Jahre<br />

<strong>Volksbund</strong><br />

in den neuen<br />

Bundesländern<br />

Auch in den neuen Bundesländern<br />

wird der <strong>Volksbund</strong> inzwischen durch<br />

Jugendarbeitskreise (JAK) unterstützt.<br />

Auf dem Foto unten sieht man die<br />

ehrenamtlichen Helfer als Kranzträger<br />

einer Gedenkveranstaltung.<br />

284<br />

Bis zur Wiedervereinigung der beiden<br />

deutschen Teilstaaten ist die Erhaltung<br />

und Pflege von Kriegsgräbern in<br />

der DDR mit Schwierigkeiten verbunden.<br />

Dabei sind Grabstätten in 6 442 Gemeinden<br />

registriert! Der <strong>Volksbund</strong> hat dort<br />

keine Zuständigkeit, gilt als „faschistische<br />

Organisation.“ So bleibt nur der inoffizielle<br />

Weg über den Bund evan ge li scher<br />

Kirchen, Abteilung Gräberfürsorge. Den<br />

Aus tausch von Informationen, Anfragen<br />

von Angehörigen oder Grabschmuckwünsche<br />

vermitteln ehrenamt liche Mitglieder<br />

des <strong>Volksbund</strong>es und zeitweise<br />

bis zu <strong>22</strong> sogenannte Vertrauensleute,<br />

unter ihnen 16 Pfarrer.<br />

Schon bald nach dem Fall der Mauer<br />

nimmt der <strong>Volksbund</strong> seine Arbeit in den<br />

späteren „Neuen Bundesländern“ offiziell<br />

auf. Die Haltung in der Bevölkerung<br />

reicht von Ablehnung und Abwarten bis<br />

zu großem Interesse. Ein großes Informationsdefizit<br />

ist aufzuarbeiten, bis in die<br />

Gegenwart hinein ist dies spürbar.<br />

Der erste Kreisverband wird bereits<br />

am 4. Juli 1990 in Hagenow gegründet.<br />

Weitere folgen. Am 8. Mai 1991 konstituiert<br />

sich Thüringen als erster Landesverband.<br />

Im Herbst 1991 gibt es in allen fünf<br />

neuen Bundesländern Landesverbände.<br />

Ost-Berlin wird dem Landesverband Berlin<br />

angegliedert. Wie in der „alten“ Bundesrepublik<br />

finden sich überall in den<br />

heute nicht mehr ganz so „neuen“ Ländern<br />

ein fluss reiche Repräsentanten aus<br />

Politik und Gesellschaft bereit, den jeweiligen<br />

Vorsitz zu übernehmen. Nicht nur<br />

die überzeugenden Ziele, Aufgaben und<br />

praktischen Leistungen des <strong>Volksbund</strong>es,<br />

auch dies schafft Vertrauen in der Bevölkerung.<br />

Ein Indiz dafür ist die in wenigen<br />

Jahren auf 170 000 angestiegene Zahl der<br />

Mitglieder und Spender.<br />

Der Aufbau ehrenamtlicher Strukturen<br />

in der Fläche ist wegen der vielen Gebietsreformen<br />

nicht einfach. In zwi schen<br />

aber hat sich eine stabile, wenngleich sicher<br />

hier und da noch ausbau fähige, ehrenamtlich<br />

getragene und hauptamtlich<br />

gestützte Verbands struktur gebildet.<br />

Zum 1. Januar 1993 wird das Gräbergesetz<br />

geändert; seine Geltung erstreckt<br />

sich seitdem auch auf das Gebiet der<br />

neuen Bundesländer. Es bezieht Gräber<br />

von Personen mit ein, „die auf Grund<br />

von rechtsstaatswidrigen Maßnahmen als<br />

Opfer des kommunistischen Systems<br />

ums Leben gekommen sind oder Gesundheitsschäden<br />

erlitten haben, an deren Folgen<br />

sie innerhalb eines Jahres nach Been -<br />

digung dieser Maßnahmen gestorben<br />

sind.“ Der <strong>Volksbund</strong> hat sich für diese<br />

Novellierung eingesetzt, die von ihm vorgelegten<br />

Vorschläge werden vom Gesetzgeber<br />

übernommen.<br />

Am 14. April 1993 übergibt Präsident<br />

Hans-Otto Weber die neu gestaltete<br />

Kriegsgräberstätte im brandenburgischen<br />

Luckenwalde der Öffentlichkeit. Dort<br />

liegen 351 deutsche Soldaten begraben.<br />

Ihre Gräber hat der <strong>Volksbund</strong> im Rahmen<br />

eines Modellprojektes für die neuen<br />

Bundesländer wiederhergerichtet. 1992<br />

sind schon 15 weitere Friedhöfe bereits<br />

wieder hergerichtet oder ihr Ausbau hat<br />

begonnen. Im Laufe der Zeit werden<br />

zahlreiche weitere, größere und kleinere<br />

Gräberstätten neu angelegt oder in einen<br />

würdigen Zustand versetzt. Viele Friedhofsträger<br />

nutzen seitdem die Fachkompetenz<br />

des <strong>Volksbund</strong>es, wenn sie Anla -<br />

gen in ihrer Zuständigkeit wiederherzurichten<br />

oder umzugestalten haben.<br />

Für die ersten Jahre besonders hervorzuheben<br />

sind die Arbeiten in Seelow/<br />

Oder bruch und in Halbe bei Berlin. Der<br />

Friedhof Halbe ist mit etwa 28 000 Toten<br />

– darunter mehrere Tausend Opfer des<br />

sowjetischen Internierungslagers Ketschendorf<br />

– eine der größten Kriegsgräberstätten<br />

im Inland. 2001 übernimmt<br />

der <strong>Volksbund</strong> die Pflege dieser Anlage.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> hat auch die Pflege<br />

der Kriegsgräberstätte Golm auf der<br />

Insel Usedom übernommen. Unter den<br />

ca. 23 000 Toten befinden sich vor allem<br />

Opfer der Bombardierung Swinemündes<br />

am 12. März 1945. In Kamminke, direkt<br />

am Friedhof gelegen, hat der <strong>Volksbund</strong><br />

im Jahr 2005 die Jugendbegegnungs- und<br />

Bildungsstätte Golm eröffnet. Die Bau -<br />

kosten wurden überwiegend vom Land<br />

Meck len burg-Vorpommern und der Kommunalgemeinschaft<br />

Pomerania getragen.<br />

Immer wieder werden, vor allem in<br />

Brandenburg, Tote aus den Kämpfen der<br />

letzten Kriegs wochen gefunden. Mitarbeiter<br />

des <strong>Volksbund</strong>es sorgen dafür, dass<br />

sie geborgen und würdig bestattet werden.<br />

Hier zeigt sich der <strong>Volksbund</strong> direkt<br />

in seiner Aufgabe der Kriegsgräberfürsorge.<br />

<strong>Das</strong> Wiederaufleben des in der<br />

DDR nicht begangenen Volkstrauertags<br />

zeigt, dass das Bedürfnis nach gemeinsa-<br />

mer Trauer, gemeinsamem Gedenken<br />

nicht durch staatliche Verbote ausgelöscht<br />

werden kann.<br />

Wie auch in den alten Bundesländern<br />

ist die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr<br />

– insbesondere was Arbeitseinsätze<br />

auf Friedhöfen sowie die Organisation<br />

von Sammlungen und Jugendlagern angeht<br />

– ausgezeichnet.<br />

Die Jugendarbeit hat in allen Landesverbänden<br />

einen hohen Stellenwert. Dies<br />

gilt ebenso für das aktive Mitwirken von<br />

Vertretern des Schul- und Bildungsbereiches.<br />

Zahlreiche erfolgreiche Projekte wie<br />

das der Schule Gelbensande in Mecklenburg-Vorpommern<br />

zeigen, dass die friedenspädagogischen<br />

und gewaltprä ven ti -<br />

ven Projektangebote des <strong>Volksbund</strong>es auf<br />

fruchtbaren Boden fallen. In allen fünf Landesverbänden<br />

finden regelmäßig nationale<br />

und internationale Jugendlager statt.<br />

Insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit<br />

profitiert von der regen Tätigkeit der Jugendarbeitskreise.<br />

Sie bleibt darüber hinaus<br />

eine der vordring lichen Aufgaben.<br />

Denn immer noch gibt es viele Menschen<br />

(allerdings nicht nur in den neuen Bundesländern),<br />

die über die Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es zu wenig wissen. Aktionen<br />

wie der „<strong>Volksbund</strong>-Tag“ auf der Bundesgartenschau<br />

2009 in Schwerin zeigen,<br />

dass der Aufwand lohnt. Der <strong>Volksbund</strong><br />

ist in den neuen Bundesländern angenom<br />

men! ■<br />

Noch heute werden in den neuen<br />

Bundesländern Gräber des Zweiten<br />

Weltkrieges entdeckt. Viele dieser<br />

Opfer erhalten eine würdige Ruhestätte<br />

so wie hier 1996 in Lietzen.<br />

285


Botschafter<br />

des Friedens<br />

Die Schirmherren<br />

des <strong>Volksbund</strong>es<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

Baden-Württemberg<br />

Peter Straub<br />

Präsident des Landtages<br />

Bayern<br />

Alois Glück<br />

Präsident des Landtages a. D.<br />

Berlin<br />

Walter Momper<br />

Präsident des<br />

Abgeordnetenhauses<br />

Brandenburg<br />

Matthias Platzeck<br />

Ministerpräsident<br />

Bremen<br />

Christian Weber<br />

Präsident der Bürgerschaft<br />

Hamburg<br />

Ole von Beust<br />

Erster Bürgermeister,<br />

Präsident des Senats<br />

Hessen<br />

Norbert Kartmann<br />

Präsident des Landtages<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Sylvia Bretschneider<br />

Präsidentin des Landtages<br />

Niedersachsen<br />

Hermann Dinkla<br />

Präsident des Landtages<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Dr. Jürgen Rüttgers<br />

Ministerpräsident<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Joachim Mertes<br />

Präsident des Landtages<br />

Saarland<br />

Peter Müller<br />

Ministerpräsident<br />

Sachsen<br />

Erich Iltgen<br />

Präsident des Landtages<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Dieter Steinecke<br />

Präsident des Landtages<br />

Schleswig-Holstein<br />

Martin Kayenburg<br />

Präsident des Landtages<br />

Thüringen<br />

Dieter Althaus<br />

Ministerpräsident<br />

(Stand August 2009)<br />

286<br />

Der <strong>Volksbund</strong> erfüllt seine Aufgaben<br />

im Auftrag der Bundesregierung.<br />

Wichtig ist dabei auch die Unterstützung<br />

durch namhafte Politikerinnen und Politiker,<br />

die auf Bundes- und Landesebene<br />

eine Schirmherrschaft des <strong>Volksbund</strong>es<br />

übernehmen. Sie sind wichtige Repräsentanten<br />

und Botschafter des Friedens. An<br />

der Spitze unserer Schirmherren steht<br />

Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler.<br />

Dazu kommen sechzehn Schirmherren<br />

der Landesverbände:<br />

Bundespräsident Köhler<br />

übernahm mit seinem<br />

Amtsantritt 2004 auch<br />

die Schirmherrschaft<br />

über den Gesamtverband<br />

des Volksbun -<br />

des.<br />

1 2 3 4<br />

5 6 7 8<br />

9 10 11 12<br />

13 14 15 16<br />

Heute wie vor 90 Jahren gehen alle<br />

Aktivitäten des <strong>Volksbund</strong>es von den<br />

Kriegsgräbern aus, von der Verpflichtung,<br />

diese in einen würdigen Zustand zu versetzen<br />

und zu erhalten. <strong>Das</strong>s diese Bemühungen<br />

alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft<br />

einschließen, ist im <strong>Volksbund</strong><br />

selbstverständlich.<br />

Bis Ende der 80er Jahre lag der Ar beits -<br />

schwerpunkt in den Ländern Nord-,<br />

West- und Südeuropas sowie Nordafrikas.<br />

Dies betraf auch die Jugendarbeit mit<br />

ihren Workcamps im In- und Ausland.<br />

Seit der politischen Öffnung der Länder<br />

Mittel-, Ost- und Süd osteuropas liegt<br />

dort der Schwerpunkt der Arbeit. Der<br />

<strong>Volksbund</strong> hat inzwischen auch hier für<br />

die Angehörigen der Opfer, für seine<br />

Freunde und Spender viel erreicht. Es<br />

sind zahlreiche Sammelfriedhöfe entstanden,<br />

mit denen die Kriegstoten endlich<br />

würdige Ruhestätten erhalten. Bald werden<br />

die letzten Anlagen gebaut sein.<br />

Doch damit ist die Arbeit nicht zu<br />

Ende. Die Mitarbeiter des <strong>Volksbund</strong>es<br />

bergen und bestatten noch heute bis zu<br />

40 000 Tote des Zweiten Welt krieges –<br />

Jahr für Jahr. Diese Arbeit hat hohe Priorität.<br />

Denn wenn die einheimischen Zeitzeugen<br />

einmal nicht mehr sein werden,<br />

wird es sehr schwer, die Gräber aus der<br />

Kriegszeit zu finden.<br />

Der <strong>Volksbund</strong> weiß von 1,2 Millionen<br />

Kriegsgefangenen, die nicht heimkehrten.<br />

Sie hungerten, litten und starben in etwa<br />

6 000 Lagern. Obwohl schon zahlreiche<br />

Anlagen mit einfachen Mitteln ausgebaut<br />

wurden, steht eine befriedigende Gesamt-<br />

lösung dieser Frage noch aus. Es wird<br />

ebenso eine Lösung – vielleicht in Form<br />

einer Gedenkstätte mit einer Namendokumentation<br />

– für alle nicht zu bergenden<br />

Kriegstoten, für die 1,3 Millionen<br />

Vermissten und für die nicht zu findenden<br />

und zu identifzierenden Ziviltoten<br />

geben müssen. Deshalb ist die Aufgabe,<br />

die vor dem <strong>Volksbund</strong> liegt, immer noch<br />

ge waltig.<br />

Mit seiner Jugendarbeit leistet der<br />

<strong>Volksbund</strong> bereits einen international an -<br />

erkannten Beitrag zur Friedenserziehung.<br />

In den nächsten Jahren wird er auch sein<br />

Profil als Träger und Förderer der Gedenk-<br />

und Erinnerungskultur deutlich<br />

schärfen.<br />

Dies gilt entsprechend für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

und die Werbung. Denn<br />

ohne Hilfe aus der Bevölkerung ist all<br />

dies nicht leistbar! Auch dieses <strong>Buch</strong> soll<br />

dazu dienen, Menschen vom Sinn der<br />

Ziele und Aufgaben des <strong>Volksbund</strong>es zu<br />

überzeugen und sie zum aktiven Mitmachen<br />

anzuregen.<br />

Ein Motto der Ar beit des <strong>Volksbund</strong>es<br />

lautet seit vielen Jahren: Aus der Vergangenheit<br />

für die Zukunft lernen! Dieses<br />

<strong>Buch</strong> ist deshalb auch als Informations-,<br />

Lehr- und Lernbuch zu verstehen. Es soll<br />

zur Diskussion, aber auch zu Kritik anregen<br />

und herausfordern.<br />

Möge dieser Rückblick auf 90 Jahre<br />

Arbeit für uns wie für die nach uns Kommenden<br />

Ansporn zu künftigem Handeln<br />

sein – ganz im Sinne des Wahlspruchs:<br />

Versöhnung über den Gräbern – Arbeit für<br />

den Frieden. ■<br />

Ein Blick<br />

auf die künftige<br />

Arbeit des<br />

<strong>Volksbund</strong>es<br />

<strong>Das</strong> Foto zeigt die deutsche Kriegsgräberstätte<br />

Važec in der Slowakischen<br />

Republik. Im Hintergrund<br />

erkennt man die Hohe Tatra.<br />

287


Impressum<br />

Mitarbeit an vorherigen<br />

Ausgaben<br />

des Bildbandes<br />

(1994 bis 2001)<br />

Bildnachweis<br />

Wichtiger Hinweis<br />

288<br />

Herausgegeben vom <strong>Volksbund</strong> <strong>Deutsche</strong> Kriegsgräberfürsorge e. V.<br />

Werner-Hilpert-Straße 2, 34112 Kassel<br />

Tel.: 0561 - 7009 - 0<br />

Fax: 0561 - 7009 - <strong>22</strong>1<br />

E-Mail: redaktion@volksbund.de<br />

Internet: www.volksbund.de<br />

Spendenkonto: 3 <strong>22</strong>2 999, Commerzbank Kassel, Bankleitzahl: 520 400 21<br />

IBAN: DE23 5204 0021 03<strong>22</strong> 2999 00 ❑ BIC: COBADEFFXXX<br />

Spendentelefon: 01805 - 7009 - 01<br />

Verantwortlich: Rainer Ruff, Generalsekretär<br />

Redaktion: Maurice Bonkat, Dr. Martin Dodenhoeft, Olav Teichert<br />

Gestaltung/Satz: René Strack<br />

Druck: Vogel Druck, Würzburg<br />

2009-75<br />

Gefördert durch:<br />

Stiftung<br />

Gedenken<br />

und<br />

Frieden<br />

Lützowufer 1, 10785 Berlin<br />

www.GedenkenundFrieden.de<br />

info@GedenkenundFrieden.de<br />

Tel.: 0800 - 7777 - 001<br />

Fax: 0561 - 7009 - <strong>22</strong>1<br />

Ruth Feichtner, Günter Apel, Dr. Philipp Brucker, Friedrich-Albrecht Hahnenfeld,<br />

Adolf Heimbauer, Dr. Julius Jessen, Karl-Wilhelm Lange, Hans-Otto Weber, Dr. Otto<br />

Wenzel<br />

Redaktion: Willi Kammerer, Dr. Martin Dodenhoeft<br />

Mitarbeit: Detlef Kroll, Petra Kesten-Kühne<br />

Gestaltung: Willi Kammerer, Dr. Martin Dodenhoeft<br />

Satz: Dr. Martin Dodenhoeft, Lars Rückert,<br />

Janine Credé, Christina Kopplin<br />

Ackermann (1) ❑ Agence France-Presse (1) ❑ Alexejewa (1) ❑ Apel, C. (7) ❑ Apel, G. (1) ❑ Arend (2) ❑ Atzmüller<br />

(2) ❑ Barth (3) ❑ Bengs (1) ❑ Bethke (1) ❑ Bildschön (1) ❑ Bohl (1) ❑ Bonkat (<strong>22</strong>) ❑ Börner (1) ❑ Breitenbach<br />

(4) ❑ Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (1) ❑ Bundesprä sidial<br />

amt (2) ❑ Bundespresseamt/Engelbert Reinecke (2) ❑ B&O (1) ❑ Burda-Verlag (1) ❑ Christliche Pfadfinderschaft<br />

(1) ❑ clan.3 (1) ❑ Coerdt (1) ❑ Croe (1) ❑ Damm (4) ❑ Darweger (1) ❑ Della Costa, L. (3) ❑ Della<br />

Costa, N. (2) ❑ Denisov (2) ❑ Dernière Nouvelles d´Alsace (1) ❑ <strong>Deutsche</strong> Bundespost (4) ❑ <strong>Deutsche</strong><br />

Presse-Agentur (102) ❑ „Die Kunst im Dritten Reich”, Heft 7/1941 (2) ❑ Dirschel (1) ❑ Dr. Dodenhoeft (<strong>22</strong>)<br />

❑ Dombois (1) ❑ Dudat (1) ❑ Dürdoth (1) ❑ Dworak (1) ❑ Edelmann (1) ❑ Ezio la Nave (1) ❑ Dr. Fischbacher<br />

(1) ❑ Dr. Gensior (1) ❑ Först (1) ❑ Foto-Engels (2) ❑ Foto Felici (2) ❑ Fotostudio Kruijsen (1) ❑ Frankl<br />

(1) ❑ Furtwängler (1) ❑ Gäbelein (1) ❑ Gobs (1) ❑ Goldberg (2) ❑ Grabowski (1) ❑ Gräfe (1) ❑ Hansen (1) ❑<br />

Harder (1) ❑ Haselbök (1) ❑ Hauser (1) ❑ Heine (10) ❑ Herschelmann (1) ❑ Heuer (1) ❑ Hirdes (1) ❑ Hoerle<br />

(4) ❑ Höschele (2) ❑ Holtz (3) ❑ Dr. Holz (2) ❑ Huschke (1) ❑ Imperial War Museum (49) ❑ Jussen (2) ❑<br />

Kammerer (35) ❑ Karich (1) ❑ Kartographie Oberländer (6) ❑ Kiesewetter (1) ❑ Kirchmeier (11) ❑ Dr. Kleinert<br />

(2) ❑ KNA Pressebild (1) ❑ Kottkamp (1) ❑ Krause (1) ❑ Kroll (4) ❑ Kugel (3) ❑ Kunze (1) ❑ Landesbildstelle<br />

Berlin (13) ❑ Liptakova (1) ❑ Lockemann (2) ❑ Dr. Löffler (1) ❑ Lützkendorf (1) ❑ Media Mobile<br />

(1) ❑ Menzel (7) ❑ Methner (1) ❑ Michel (1) ❑ Munker (1) ❑ Nachtigal (1) ❑ Nagel (6) ❑ Nass (1) ❑ Neumann<br />

(2) ❑ Neutze (1) ❑ O´Leary (1) ❑ Otto (1) ❑ Pabst (6) ❑ Paschke (3) ❑ Photo Aérienne (1) ❑ Photo<br />

Knut (1) ❑ Photo Müller (1) ❑ Poss (1) ❑ Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - Bundesbildstelle<br />

(6) ❑ Presse Photo (1) ❑ Pressebildarchiv Heinz Finke (11) ❑ Rauter (1) ❑ v. Reuß (1) ❑ Reuters (1) ❑<br />

Rinker (1) ❑ Röschmann (4) ❑ Rofke (1) ❑ Rogl (5) ❑ Rückert (1) ❑ Rustige (1) ❑ Schmidt (4) ❑ Schneidewind<br />

(1) ❑ Schotte (3) ❑ Schulte (1) ❑ Schultheiß (5) ❑ Schrader (2) ❑ Siebert (1) ❑ Slomifoto (1) ❑ Soltau (5)<br />

❑ Spohr (1) ❑ Stadtarchiv Freiburg (1) ❑ Stiel (2) ❑ Stöcker (2) ❑ Stöppler (2) ❑ Süddeutscher Verlag (1) ❑<br />

Suderow (6) ❑ Thiele, D. (1) ❑ Thiele, J. (1) ❑ Ullstein-Bilderdienst (65) ❑ Urschel (1) ❑ Vay (1) ❑ Verlag<br />

Langewiesche-Brandt (8) ❑ Vogel (1) ❑ <strong>Volksbund</strong>archiv (262) ❑ von Lutzau (1) ❑ Weber, G. (1) ❑ Weber,<br />

H.-O. (6) ❑ Wehmeyer (3) ❑ Weitmann (1) ❑ Wiedemann (2) ❑ Wittek (1) ❑ Winkelmann (1) ❑ Wollenzien<br />

(1) ❑ Ziwas (1) ❑ Zucchi (4)<br />

Die Belegungszahlen der Kriegsgräberstätten entsprechen, soweit nicht anders vermerkt,<br />

dem Stand des Jahres 2008; Titelbild: Gedenkfeier anlässlich der Einweihung<br />

der Kriegsgräberstätte Sandweiler/Luxemburg vor 50 Jahren (2005).

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