Gesamte Ausgabe als PDF (4,7 MB) - Wir Frauen
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Das Feministische Blatt<br />
GenDeRDisKURs eIne menge FUSSnoTen<br />
KRieG UnD FRieDen BerIchTe aUS TUneSIen, algerIen, Dakar<br />
Lesben keIn „chrISTIna-STreeT-Day“<br />
sexUaLisieRte GewaLt PrävenTIon Im SPorTUnTerrIchT<br />
30. Jahrgang | Sommer 2/2011<br />
ISSn 0178-6083 | 3,00 eUro<br />
Eure<br />
feministische<br />
Wahrheit<br />
hat Platz!<br />
www.meinefeministischewahrheit.de<br />
Queer und Gender<br />
(re-)politisieren!?<br />
www.wirfrauen.de
2<br />
KoRinthe<br />
an Bosch<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
liebe Bosch-entwickler, liebe Bosch-Werbeagentur,<br />
Ihre Werbung für Ihre hauseigenen Solarzellen fordert<br />
mich <strong>als</strong> Frau, und zwar auf, Solarzellen zu küssen. erstens<br />
küsse ich keine Solarzellen, auch wenn Sie diese vorstellung<br />
offensichtlich für sexy halten. Zweitens finde ich Ihre<br />
Zusammenführung von Solarzellen und einer küssenden<br />
Frau mit dem entsprechenden Text ein armutszeugnis<br />
für das, was sich jenseits von Technik in Ihren köpfen<br />
abspielt. Solange die Frau auf dem Bild nicht mit einem<br />
mann austauschbar ist und der Inhalt sich deshalb nicht<br />
ändert, solange ist diese Werbung frauenfeindlich. nun<br />
noch einmal in Ihrer Sprache:<br />
a + b = c muss entsprechen a + d = c<br />
Proof it.<br />
mechthilde vahsen
Liebe <strong>Frauen</strong>,<br />
inhaLt<br />
2 KoRinthe soLaReneRGie<br />
diesen Frühling werden wir sicher<br />
noch lange erinnern: Der atomare<br />
Wahnsinn muss endlich ein ende<br />
haben und treibt viele von uns auf die Straße – in nordafrika fegen<br />
menschen Diktaturen hinweg – noch und wieder einmal wird<br />
krieg geführt angeblich zum Schutz von „<strong>Frauen</strong>undkindern“. Uns<br />
allen bleibt dieser Tage kaum Zeit zum Innehalten. Und dennoch –<br />
auch daran möchten wir erinnern:<br />
vom 26. Juni bis 17. Juli wird die FIFa-<strong>Frauen</strong>-Wm in Deutschland<br />
ausgetragen. es ist ein offenes geheimnis: viele Profi-Fußballerinnen<br />
sind lesbisch. ein outing ist aber scheinbar immer noch<br />
ein Wagnis. „häufig vereinbaren die vereine Stillschweigen mit<br />
den Spielerinnen, um Imageschäden zu vermeiden. homosexuelle<br />
sollen bitte hinter geschlossener Schlafzimmertür lesbisch oder<br />
schwul sein“, so Tatjana eggeling, die über „homosexualität im<br />
Sport“ forscht und <strong>als</strong> Beraterin für homosexuelle Sportler_innen<br />
tätig ist. Die lag lesben in nrW und der lSvD landesverband<br />
nrW haben deshalb eine kampagne initiiert, die mit Bannern,<br />
Plakaten und klatschpappen lautstark gegen Diskriminierung mobilisiert:<br />
„<strong>Frauen</strong>fußball ist alles – auch lesbisch!“ <strong>Wir</strong> freuen uns<br />
auf spannende Spiele und gute Stimmung in den Fan-kurven!<br />
es gibt noch einen grund zum Feiern: Die Partei DIe lInke verlieh<br />
zum 100. Internationalen <strong>Frauen</strong>tag erstm<strong>als</strong> den clara-Zetkin-<br />
<strong>Frauen</strong>preis. Die auszeichnung für das lebenswerk ging an<br />
Florence hervé – ausschlaggebend waren ihre verdienste um eine<br />
fundierte Zetkin-rezeption jenseits von klischees, ihr internationalistisches<br />
engagement und ihr einsatz für feministische Projekte<br />
wie z. B. die „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“. <strong>Wir</strong> gratulieren! Ferner wurde das<br />
Projekt Discover Football des vereins Fußball und Begegnung e. v.<br />
ausgezeichnet. Die Initiator_innen veranstalten auch 2011 wieder<br />
die „kleine Wm in kreuzberg“, bei derinternationale <strong>Frauen</strong>fußballteams<br />
eine Woche lang um den Pokal kicken. Die Spielerinnen<br />
setzen sich in ihren heimatländern für soziale Fragen ein: Die<br />
Spielerinnen der afghanischen <strong>Frauen</strong>-nationalelf sehen sich <strong>als</strong><br />
vorreiterinnen für <strong>Frauen</strong>rechte, für Togo kicken ehrenamtliche<br />
Juristinnen, die für <strong>Frauen</strong>rechte kämpfen, ruandas Delegation<br />
betreibt in ihrem heimatland u. a. aufklärung zu hIv/aids und gender-Themen,<br />
die Spielerinnen von mifalot hinuch aus Israel sind<br />
christinnen, Jüdinnen, Drusinnen und muslimas – der club organisiert<br />
soziale Projekte für Jugendliche im nahen osten, die Slum<br />
Soccer aus Indien initiieren Fußballtrainings-camps, Bildungs- und<br />
gesundheitsworkshops und soziale entwicklungsprogramme<br />
(www.discoverfootball.de). ein Projekt zum nachmachen!<br />
Traurig stimmt uns, dass die feministische Zeitschrift aUF ihr<br />
erscheinen einstellt. Die älteren redakteurinnen sind müde, die<br />
prekären arbeitsverhältnisse lassen den jüngeren kaum mehr<br />
Zeit für ehrenamtliches engagement, es fehlt an rezeption und<br />
nachwuchs. mit einem Furioso soll die letzte aUF erscheinen und<br />
reflektieren: Feminismus, <strong>Frauen</strong>bewegung, <strong>Frauen</strong>rechte – wofür<br />
steht das im kontext der globalisierung, wie entwickeln sich<br />
die theoretischen Zugänge, was bedeuten diese für die kämpfe<br />
um autonomie und Selbstbestimmung aller Personen (welchen<br />
geschlechts und welcher herkunft auch immer), was gibt es an<br />
gesellschaftlichen Perspektiven in der linken, wieso springen zum<br />
Teil auch konservative kräfte auf feministische Forderungen auf,<br />
welcher Zusammenhang besteht zur arbeitsmarktpolitik. Wo<br />
stehen wir, was haben wir erreicht, was fehlt und wie weiter? Und<br />
wo wird versucht, die geschichte zurückzudrehen, wo geschieht<br />
das bereits, wie verhindern? Die ausgabe ist zu bestellen unter:<br />
auf@auf-einefrauenzeitschrift.at.<br />
Das multikulturelle <strong>Frauen</strong>magazin gazelle hofft auf ein kleines<br />
Wunder: Wenn 1.000 <strong>Frauen</strong> sich bereit erklären, ein abo zu erwerben,<br />
kann die Zeitschrift wieder erscheinen. alles andere wäre<br />
ein großer verlust: mit meinungsfreudigen artikeln schreiben<br />
die autorinnen der gazelle gegen „wohlmeinende“ klischees und<br />
vorurteile in Bezug auf musliminnen und migrantinnen an und<br />
fördert den „Dialog in augenhöhe“: www.gazelle-magazin.de.<br />
Wie steht es um „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“? Die zahlreichen aktivitäten rund<br />
um den 8. märz und euer engagement haben uns viele neue<br />
abos beschert – zugleich dürfen wir nicht nachlassen, weitere<br />
abonnentinnen und Förderinnen zu gewinnen. Das Fortbestehen<br />
der „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“ gilt es immer wieder neu zu sichern. an neuen<br />
redakteurinnen fehlt es nicht und derzeit freuen wir uns zudem<br />
über die tolle Unterstützung unserer Praktikantin anna Schiff.<br />
aber nach wie vor finanzieren wir die jeweils vierte ausgabe im<br />
Jahr allein über Spenden. Unser vertriebsweg nummer 1 sind<br />
immer noch eure herzliche empfehlung und das geschenkabo für<br />
eure Freundinnen!<br />
es grüßen euch herzlich<br />
Melanie, Mechthilde, Gabriele und Mareen<br />
redaktionsschluss dieser ausgabe: 10. mai 2011. Die herbstausgabe beschäftigt sich mit der Dominanz von mehrheiten. Titelbild: mediendepot ruhr. <strong>Wir</strong><br />
bitten um Beachtung der Beilagen von Schlangenbrut, lila Box und Sandra Wöhe<br />
schweRpUnKt<br />
6 QUeeR UnD GenDeR Re-poLitisieRen<br />
8 DeFinitionen UnD KRitiK<br />
von links und rechts<br />
10 eins, zwei … VieLe GeschLechteR<br />
Uschi Siemens liest heinz-Jürgen voß<br />
12 GenDeR-maniFest<br />
Plädoyer für eine kritisch reflektierende<br />
Praxis<br />
15 KoopeRation Von QUeeReR UnD<br />
FeministischeR KRitiK<br />
mareen heying sucht gemeinsamkeiten<br />
meIne FemInISTISche WahrheIT<br />
18 statements zUR FeiGheit DeR FRaUen<br />
krIeg UnD FrIeDen<br />
20 aUs DaKaR: so-, so-, soLiDaRité<br />
22 aUs tUnesien: FüR Die tRennUnG Von<br />
staat UnD ReLiGion<br />
24 aUs aLGeRien: Das netzweRK wassiLa<br />
ProJekTe<br />
26 saG´ miR wo Die Lesben sinD Von eLKe<br />
ambeRG<br />
28 aUGspURG-heymann-pReis an tanja<br />
waLtheR-ahRens<br />
kUlTUr<br />
29 biRGit paLzKiLL übeR pRäVention im<br />
spoRtUnteRRicht<br />
geSehen<br />
32 shoRtcUt to jUstice<br />
DaTen UnD TaTen<br />
35 Rosa manUs / LyDia Rabinowitsch-<br />
KempneR<br />
aUSSerDem<br />
4/5 hexenfunk<br />
33/34 gelesen<br />
34 Impressum<br />
eDitoRiaL / inhaLt 3<br />
wiR FRaUen 2.2011
4<br />
hexenFUnK<br />
Hollaback = Schrei zurück<br />
Die Idee kommt aus den USa – junge <strong>Frauen</strong> um die<br />
new yorkerin emily may lancierten vor sechs Jahren<br />
die Plattform «hollaback». Wer belästigt worden<br />
ist, kann dort den Übergriff und den Weg aus der<br />
bedrohlichen Situation schildern. <strong>als</strong> Belästigung definiert<br />
emily may jedes verhalten, das <strong>Frauen</strong> angst<br />
macht. Fast alle <strong>Frauen</strong> sind von dieser art der Belästigung<br />
betroffen. Das Ziel von «hollaback» (Schrei<br />
zurück) ist eine weltweite kampagne gegen sexuelle<br />
Belästigung im öffentlichen raum. mittlerweile gibt<br />
es auch außerhalb der USa «hollaback»-Seiten, vor<br />
kurzem schalteten aktivistinnen aus Berlin und aus<br />
Dortmund «hollaback»-Seiten online. Die Dortmunder<br />
Seite wird von <strong>Frauen</strong> betrieben, die ehrenamtlich<br />
zum Thema <strong>Frauen</strong>rechte arbeiten. Sie sind der<br />
Überzeugung, dass jeder mensch das recht hat, sich<br />
sicher zu fühlen. niemand darf zum objekt degradiert<br />
werden. „Sexuelle Belästigung ist ein Weg, der<br />
geschlechtsspezifische gewalt zu gesellschaftlicher<br />
akzeptanz verhilft. Für die ahndung von sexueller<br />
Belästigung und missbrauch im häuslichen sowie<br />
beruflichen Bereich existieren gesetze, doch wenn<br />
es um die Straße geht – gibt es eine lücke.“ mit den<br />
persönlichen Berichten auf «hollaback» wird nun<br />
Öffentlichkeit mit dem Ziel des gesellschaftlichen<br />
Wandels geschaffen. adressen Deutschland: http://<br />
berlin.ihollaback.org, http://dortmund.ihollaback.<br />
org. Wer eine «hollaback»-Seite anlegen will, erhält<br />
vom US-Team die nötigen Informationen: www.<br />
ihollaback.org/the-movement<br />
Ugandische Aktivistin ausgezeichnet<br />
Die ugandische homosexuellen-aktivistin kasha<br />
Jacqueline nabagesera wurde in genf für ihre<br />
couragierte arbeit mit dem jährlichen menschenrechtspreis<br />
der martin enn<strong>als</strong> Stiftung ausgezeichnet.<br />
In der laudatio für den mit 20.000 Schweizer<br />
Franken (etwa 15.600 euro) dotierten Preis hieß es,<br />
nabagesera sei eine außergewöhnliche Frau mit<br />
besonderem mut, die unter Bedrohung ihres lebens<br />
für menschliche Würde und die rechte von homosexuellen<br />
und benachteiligten menschen in afrika<br />
kämpfe. Sie ist die gründerin und vorsitzende der<br />
organisation „Freedom and roam Uganda“ und hat<br />
sich in verschiedenen radiosendungen schon oft<br />
gegen homophobie in ihrem heimatland geäußert.<br />
In der laudatio wurde auch auf die zahlreichen<br />
gewalttätigen Übergriffe auf sie hingewiesen. Ihr<br />
name erschien auf einer liste einer ugandischen<br />
Zeitschrift, die dazu aufrief, homosexuelle zu<br />
hängen, weshalb sie gezwungen ist, ihren Wohnsitz<br />
ständig zu ändern. Die auszeichnung kommt<br />
drei monate nach dem mord an dem international<br />
bekannten ugandischen homosexuellen-aktivisten<br />
David kato, der mit nabagesera auf verschiedene<br />
Weise zusammengearbeitet hatte. Die Polizei in<br />
kampalo ließ verlautbaren, dass kato von einem Sex-<br />
Partner ermordet worden sei. Ugandische homosexuellen-aktivistInnen<br />
behaupten, dass die regierung<br />
mit dieser erklärung lediglich internationaler kritik<br />
vorbeugen wolle. Der enn<strong>als</strong> Preis ist die größte auszeichnung<br />
der globalen menschenrechtsbewegung.<br />
Die auszeichnung ist nach dem ersten vorsitzenden<br />
von amnesty International, martin enn<strong>als</strong>, der 1991<br />
verstarb, benannt. Der Preis soll menschenrechtsarbeit<br />
befördern. (dieStandard)<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
Rosa Luxemburg zum 140. Geburtstag<br />
Zunächst politisch in der SPD beheimatet, provozierte<br />
sie 1914 mit ihrer bedingungslosen haltung<br />
zum krieg und zu den kriegskrediten zusammen<br />
mit liebknecht, mehring, Zetkin u. a. die Spaltung<br />
der SPD. <strong>als</strong> gründungsmitglied der kPD war sie<br />
maßgeblich am ersten Parteiprogramm beteiligt. am<br />
15. Januar 1919 wurde sie von mördern in Uniform<br />
erschlagen – leute, die zu jenen kreisen gehörten,<br />
die später offen die Übergabe der macht an die<br />
nation<strong>als</strong>ozialisten unterstützten. Sie sprach mehrere<br />
Sprachen, war hochgebildet, emanzipiert und<br />
lebte völlig selbstbestimmt. Bei aller kompromisslosigkeit<br />
in ihrer eigenen politischen haltung war<br />
ihr die Freiheit der andersdenkenden das höchste<br />
gut: „Freiheit nur für die anhänger der regierung,<br />
nur für mitglieder einer Partei – mögen sie noch so<br />
zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer<br />
Freiheit der andersdenkenden. nicht wegen des<br />
Fanatismus der »gerechtigkeit«, sondern weil all das<br />
Belebende, heilsame und reinigende der politischen<br />
Freiheit an diesem Wesen hängt und seine <strong>Wir</strong>kung<br />
versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird.“<br />
Der münchner Freidenker-verband hat in erinnerung<br />
an rosa luxemburg zu ihrem 140. geburtstag nun<br />
eine anregende Broschüre mit 17 kurztexten zu<br />
verschiedenen aspekten des lebens und Werks der<br />
Sozialistin herausgegeben. Bestellungen: Freidenkerverband,<br />
Fleischerstr. 3, 80337 münchen, e-mail:<br />
muenchen@freidenker.de. Schutzgebühr: 2 €<br />
Machen ModeherstellerInnen junge Mädchen<br />
zu Sexobjekten?<br />
laut einer neuen Studie aus den USa ist dies<br />
tatsächlich der Fall: Bis zu 30 Prozent der online<br />
erhältlichen kleidung für junge mädchen ist „sexy“<br />
oder sehr geschlechtsbetont. Die Studie wurde von<br />
Samantha goodin und einem wissenschaftlichen<br />
Team unter der leitung von Sarah murnen, Professorin<br />
für Psychologie am kenyon college, durchgeführt.<br />
nach ansicht der Wissenschaftlerinnen hat diese<br />
entwicklung ganz erhebliche auswirkungen auf die<br />
Selbstwahrnehmung der mädchen, die sich dadurch<br />
an femininen körperlichen reizen orientiert. Damit<br />
wird sexuelle Identität für sie schon in ganz jungen<br />
Jahren zu einem Thema. Sie sehen ihren körper <strong>als</strong><br />
„gegenstand“, der ausschließlich unter dem aspekt<br />
ihrer – oft sexuellen – attraktivität beurteilt wird.<br />
In anbetracht der negativen auswirkungen dieser<br />
Selbstwahrnehmung, wie zum Beispiel Unzufriedenheit<br />
mit dem äußeren, Depressionen, mangelndes<br />
Selbstbewusstsein und geringes Selbstwertgefühl,<br />
untersuchten goodin und ihr Team, inwieweit die<br />
kleidung von mädchen unter zwölf Jahren möglicherweise<br />
zu dieser Selbstwahrnehmung beiträgt.<br />
„Unsere Studie macht deutlich, dass mädchenkleidung<br />
oft in zweierlei hinsicht sexualisierend ist. Die<br />
kombination von stark geschlechtsbetonten und<br />
kindlichen merkmalen verdeckt häufig die Sexualisierung.<br />
Unsichere eltern lassen sich vielleicht<br />
überreden, den minirock im leopardendruck zu<br />
kaufen, wenn er grell pink ist. ein kleidungsstück<br />
wirkt allerdings oft trotz Schleifen und Batikdruck<br />
noch sexy. <strong>Wir</strong> glauben, dass diese art sich zu kleiden<br />
dazu beitragen könnte, dass sehr junge mädchen<br />
in die rolle eines Sexualobjekts gedrängt werden“,<br />
kommentieren die autorinnen. (red) Studie „Putting<br />
on“ sexiness: a content analysis<br />
of the presence of sexualizing<br />
characteristics in girls’ clothing<br />
(DoI 10.1007/s11199-011-9966-<br />
8), erschienen in der onlineausgabe<br />
des Springer-Journ<strong>als</strong><br />
„Sex roles“.<br />
Die Mädchen von<br />
Zimmer 28<br />
Zwölf bis vierzehn Jahre alt waren<br />
die mädchen, die von 1942 bis<br />
1944 im mädchenheim l 410 in<br />
Theresienstadt zusammenlebten;<br />
30 Quadratmeter für dreißig<br />
mädchen, das war Zimmer 28.<br />
Sie waren „ghetto-häftlinge“,<br />
einige der etwa 140.000 menschen,<br />
die durch das nS-regime<br />
ausgegrenzt, verfolgt, beraubt,<br />
entrechtet und schließlich in das<br />
konzentrationslager Theresienstadt<br />
deportiert wurden. Dort,<br />
im mädchenheim l 410, trafen<br />
ihre Wege aufeinander. <strong>als</strong> ab Juli<br />
1943 die kinderoper „Brundibár“<br />
geprobt wurde, waren auch mädchen<br />
von Zimmer 28 dabei – ela<br />
Stein <strong>als</strong> katze, maria mühlstein<br />
<strong>als</strong> Spatz, handa und Flaška<br />
(anna hanusová) sangen im<br />
chor der Schulkinder. Über Jahre<br />
hinweg haben zehn der <strong>Frauen</strong><br />
gemeinsam mit der kuratorin<br />
hannelore Brenner-Wonschick<br />
erinnerungen und Dokumente für<br />
eine ausstellung zusammengetragen:<br />
„Die mädchen von Zimmer<br />
28, l 410, Theresienstadt“. Sie<br />
wollen damit an die Freundinnen<br />
und an all jene erinnern, die im<br />
holocaust ermordet wurden<br />
sowie das engagement jener<br />
erwachsenen in Theresienstadt<br />
würdigen, die alles dafür taten,<br />
um die kinder vor der „entwertung<br />
des guten“ (Fredy hirsch) zu<br />
bewahren. Die ausstellung wurde<br />
bereits an über 60 ausstellungsorten<br />
in verschiedenen ländern<br />
gezeigt (2008 auch im Deutschen<br />
Bundestag), nun wird sie in Wien<br />
gezeigt. Weitere Infos zur ausstellung:<br />
www.room28projects.com.<br />
ausstellungsort bis 30.06.2011:<br />
Psychosoziales Zentrum eSra,<br />
Tempelgasse 5, 1020 Wien<br />
Datenbank über geschlechterbezogene<br />
Unterschiede<br />
in der Inneren Medizin<br />
Im märz 2011 trafen sich vertreterinnen<br />
und vertreter aus<br />
gesundheitswirtschaft, krankenkassen,<br />
Politik und medien<br />
aus Deutschland und Österreich<br />
im herzzentrum Berlin zu einem
Workshop „gendermedizin<br />
und Öffentlichkeit“, um zum<br />
Thema geschlechterbezogene<br />
Unterschiede in der Inneren<br />
medizin zu diskutieren und ein<br />
entsprechendes netzwerk zu<br />
gründen. erste erfahrungen,<br />
wie unterschiedlich <strong>Frauen</strong>- und<br />
männermedizin ist, liegen in<br />
der kardiologie, aber auch in<br />
Fachbereichen wie Zahnmedizin,<br />
Diabetologie, rheumatologie und<br />
der Intensivmedizin vor. auch in<br />
der arzneimittelforschung gibt es<br />
schon erste Studienergebnisse.<br />
Die krankenkassen stellen ebenfalls<br />
eine wachsende nachfrage<br />
nach geschlechterbezogenen<br />
gesundheitsangeboten und -informationen<br />
fest und wollen ihr<br />
angebot künftig stärker darauf<br />
ausrichten. ein Ziel des netzwerkes<br />
ist deshalb vor allem der<br />
Informationsaustausch innerhalb<br />
des gesundheitssystems. Im<br />
rahmen eines Pilotprojekts zur<br />
geschlechterforschung in der<br />
medizin entstand nun die erste<br />
umfassende Datenbank zu den<br />
Unterschieden zwischen männern<br />
und <strong>Frauen</strong> in der Inneren<br />
medizin. Die Datenbank enthält<br />
über 4.500 wissenschaftliche<br />
Publikationen und richtet sich an<br />
medizinerinnen und mediziner in<br />
Praxis und Forschung, aber auch<br />
an die interessierte Öffentlichkeit.<br />
Das Projekt unter der leitung von<br />
Dr. med. vera regitz-Zagrosek,<br />
Direktorin des Instituts für<br />
geschlechterforschung in der<br />
medizin an der charité Universitätsmedizin<br />
in Berlin, wurde vom<br />
Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung gefördert.<br />
(frauennrw.de) Weitere Infos:<br />
www.gendermed.info<br />
Erstm<strong>als</strong> Frau an Spitze<br />
weltgrößter Physik-Gesellschaft<br />
Die heidelberger Professorin<br />
Johanna Stachel wird ab april<br />
2012 Präsidentin der Deutschen<br />
Physikalischen gesellschaft<br />
(DPg). mit der 56-jährigen kern-<br />
und Teilchenphysikerin wird<br />
erstm<strong>als</strong> eine Frau die leitung<br />
der weltgrößten physikalischen<br />
Fachvereinigung übernehmen.<br />
Johanna Stachel ist Professorin<br />
für experimentalphysik an<br />
der Universität heidelberg. am<br />
internationalen Forschungszentrum<br />
cern in genf ist sie<br />
überdies an den experimenten<br />
mit dem Teilchenbeschleuniger<br />
lhc beteiligt. Im mittelpunkt<br />
ihrer Forschung steht das „Quark-gluon-Plasma“. aus<br />
diesem materiezustand, der unmittelbar nach dem<br />
Urknall den kosmos erfüllte, entwickelten sich einst<br />
grundbausteine der materie und schließlich alles,<br />
was wir heute im Universum vorfinden. Der lhc<br />
macht es möglich, diese kosmische „Ursuppe“ im labormaßstab<br />
nachzubilden und zu untersuchen. Die<br />
Präsidentschaft der DPg ist ein ehrenamt auf jeweils<br />
zwei Jahre. Die DPg, deren Tradition bis in das Jahr<br />
1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit<br />
über 59.000 mitgliedern auch größte physikalische<br />
Fachgesellschaft der Welt. (red)<br />
Lise Meitners Töchter – Physikerinnen<br />
stellen sich vor<br />
eine gemeinsame ausstellung der Deutschen Physikalischen<br />
gesellschaft (DPg) und der Österreichischen<br />
Physikalischen gesellschaft (ÖPg) wird noch<br />
bis zum 24. Juli 2011 im <strong>Frauen</strong>museum Wiesbaden<br />
gezeigt. lise meitner (1878–1968), eine der bedeutendsten<br />
Physikerinnen ihrer Zeit, promovierte 1906<br />
<strong>als</strong> zweite Frau an der Universität Wien. Sie lieferte<br />
1939 die erste physikalisch-theoretische erklärung<br />
der kernspaltung. neben der kernphysikerin lise<br />
meitner präsentiert die ausstellung auf anschauliche<br />
und spannende Weise fünfzehn Wissenschaftlerinnen<br />
aus Deutschland und Österreich. „<strong>Wir</strong> stellen<br />
<strong>Frauen</strong> vor, die mit Begeisterung Physik studiert<br />
haben und dort eine karriere verfolgen oder verfolgt<br />
haben. Diese <strong>Frauen</strong> berichten sehr persönlich von<br />
ihrem Werdegang und ihrer motivation, in diese Wissenschaft<br />
zu gehen.“ (Barbara Sandow, Physikerin)<br />
www.frauenmuseum-wiesbaden.de<br />
Fußball wird weiblich<br />
Pünktlich zur <strong>Frauen</strong>fußball-Wm eröffnet das Bonner<br />
<strong>Frauen</strong>museum eine ausstellung zum Thema <strong>Frauen</strong>fußball:<br />
faszinierende Spielerinnen, eine turbulente<br />
geschichte, Schlammschlachten und Triumph,<br />
Spaß, Wettkampf, Fairplay. einst <strong>als</strong> moralisch verwerflich<br />
geächtet und verboten, wird der <strong>Frauen</strong>fußball<br />
heute bejubelt. Während in england schon ende<br />
des 19. Jahrhunderts die ersten Fußballerinnen um<br />
die Wette kickten, galt das Fußballspiel in Deutschland<br />
für <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> moralisch verwerflich. neben der<br />
Präsentation der historischen entwicklung wirken<br />
auch künstlerinnen aus den teilnehmenden nationen<br />
mit. Ihre kunst rund um das Thema <strong>Frauen</strong>fußball<br />
gibt Denkanstöße, stellt in Frage, berauscht,<br />
entführt in fremde Fußball-Welten. Spektakulär wird<br />
es bei der eröffnungsveranstaltung am 22.5.: Sabine<br />
Jamme zeigt eine kunstperformance mit Fußballhigh-heels<br />
und marion Isbert, die ehemalige rekordnation<strong>als</strong>pielerin<br />
des DFB, schießt die Trophäe – das<br />
kaffeeservice – vom grünen museumsdach.<br />
www.frauenmuseum.de.<br />
25 Jahre Tschernobyl – Wege zu einer<br />
transnationalen Erinnerungskultur<br />
am 26. april 2011 jährte sich die reaktorexplosion<br />
im atomkraftwerk Tschernobyl zum 25. mal. Der im<br />
april 1986 freigesetzte radioaktive Fall-out betraf<br />
alle europäischen länder. Durch Tschernobyl wurde<br />
folglich die mit technologischen katastrophen ver-<br />
bundene grenzüberschreitende Bedrohung erstm<strong>als</strong><br />
realität. Die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen<br />
Folgen der Tschernobyl-katastrophe sind<br />
gravierend. In Belarus, der Ukraine und russland wurde<br />
eine Fläche von über 150.000 km 2 auf lange Zeit<br />
radioaktiv belastet. Zum Zeitpunkt der katastrophe<br />
lebten in diesen regionen etwa 7,2 millionen menschen,<br />
davon 2,2 millionen in Belarus und 2,4 millionen<br />
in der Ukraine. Für die katastrophenbekämpfung<br />
wurden zudem über 600.000 gemeinhin <strong>als</strong> „liquidatoren“<br />
bezeichnete menschen eingesetzt. all diese<br />
menschen sind langfristig erheblichen zusätzlichen<br />
gesundheitlichen risiken ausgesetzt, die durch die<br />
Strahlenbelastung und ihre Begleitprobleme bedingt<br />
sind. Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk<br />
erstellte eine Wanderausstellung „25 Jahre<br />
nach Tschernobyl – menschen – orte – Solidarität“,<br />
die zunächst in mehr <strong>als</strong> 30 Städten in Deutschland,<br />
Österreich und den niederlanden zu sehen ist. Bereits<br />
lange vor der neuen atomkatastrophe in Fukushima<br />
konzipiert, bekam diese ausstellung durch die reaktorkatastrophe<br />
in Fukushima nun weitere schreckliche<br />
aktualität. Die Wanderausstellung „25 Jahre<br />
nach Tschernobyl – menschen – orte – Solidarität“<br />
präsentiert viele neue erkenntnisse über das größte<br />
Unglück der atomenergie. Informationen über die<br />
ausstellungstermine, ZeitzeugInnengespräche und<br />
Begleitveranstaltungen in den Städten auf: www.ibbd.de/tschernobyl.html<br />
Deutsche Kommunalpolitikerinnen<br />
„engagiert vor ort – Wege und erfahrungen von<br />
kommunalpolitikerinnen“ ist die bisher umfangreichste<br />
Untersuchung über Deutschlands kommunalpolitikerinnen.<br />
Die Studie von Uta kletzing<br />
und Dr. helga lukoschat liefert zum einen aktuelle<br />
empirische Daten zur soziodemographischen<br />
Zusammensetzung und zu ein- und aufstiegswegen<br />
von kommunalpolitikerinnen. Zum anderen leitet sie<br />
handlungsempfehlungen für Parteien, zivilgesellschaftliche<br />
organisationen und kommunale akteur/<br />
innen ab, die die Debatte neu beleben und aufzeigen<br />
sollen, wie der <strong>Frauen</strong>anteil in der kommunalpolitik<br />
nachhaltig erhöht werden kann. Durchschnittlich<br />
ein viertel der kommunalen Parlamentssitze werden<br />
aktuell von <strong>Frauen</strong> besetzt. an den Spitzen von<br />
landkreisen, Städten und gemeinden finden sich<br />
etwa 10 Prozent landrätinnen und 5 Prozent (ober-)<br />
Bürgermeisterinnen. Zudem stagnieren die <strong>Frauen</strong>anteile<br />
in der kommunalpolitik seit den 1990er<br />
Jahren. Die Studie steht im pdf-Format und <strong>als</strong> kostenlose<br />
Broschüre auf den Webseiten der eaF, www.<br />
eaf-berlin.de, und des BmFSFJ, www.bmfsfj.bund.<br />
de, zur verfügung. nachwuchspolitikerinnen in der<br />
kommunalpolitik sollen mit dem helene Weber-Preis<br />
ausgezeichnet werden. erstmalig wurde der helene<br />
Weber-Preis im mai 2009 verliehen. Die hauptpreisträgerin<br />
und die 14 weiteren Preisträgerinnen bilden<br />
seitdem ein parteienübergreifendes netzwerk und<br />
sind gemeinsam aktiv in der gewinnung von <strong>Frauen</strong><br />
für die kommunalpolitik. Das diesjährige Bewerbungsverfahren<br />
läuft noch bis zum 20. Juni 2011.<br />
alle Infos zu Bewerbung, vorschlagsrecht etc.:<br />
www.helene-weber-preis.de. Büro des helene<br />
Weber-Preises, c/o eaF | europäische akademie<br />
für <strong>Frauen</strong> in Politik und <strong>Wir</strong>tschaft, e-mail: info@<br />
helene-weber-preis.de<br />
ZUSammengeSTellT von maRion GaiDUsch<br />
5<br />
wiR FRaUen 2.2011
6<br />
schweRpUnKt<br />
Queer und Gender<br />
re-politisieren?!<br />
TexT meLanie stitz<br />
1 www.vier-in-einem.de/index.<br />
php/2009/11/vortrag-feminismus-sozialismus-und-utopie.<br />
Dieser und weitere Texte von<br />
Frigga haug unter www.vier-ineinem.de.<br />
2 Tove Soiland: gender-konzept<br />
in der krise. Die reprivatisierung<br />
des geschlechts. Der Text<br />
ist in der Textsammlung zu<br />
den „kritischen Tagen zum geschlechterverhältnis“(hannover<br />
2010) zu finden. Ferner sind<br />
dort online Texte von roswitha<br />
Scholz, mascha madörin, heinz-<br />
Jürgen voss, melanie groß,<br />
gabriele Winker, eske Wollrad<br />
und Felicita reuschling.<br />
3 Queer, flexibel, erfolgreich.<br />
haben dekonstruktive ansätze<br />
den Feminismus entwaffnet?<br />
aus: ak – analyse und kritik –<br />
zeitung für linke Debatte und<br />
Praxis, nr. 558, 18.2.2011.<br />
4 Z. B. melanie groß, gabriele<br />
Winker (hrsg.): Queer-/Feministische<br />
kritiken neoliberaler<br />
verhältnisse. 2007.<br />
5 vgl. dazu auch Judith Butler,<br />
die keineswegs „nur“ einen<br />
akademisch relevanten Diskurs<br />
pflegt, sondern gleichwohl<br />
krieg, rassismus und Prekarisierung<br />
skandalisiert: gefährdetes<br />
leben – Politische essays,<br />
Frankfurt am main 2005.<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
π<br />
Queer und gender haben <strong>als</strong> kampfbegriffe<br />
gegen identitäre Zuschreibungen, Biologismen,<br />
geschlechterstereotype und heteronormativität<br />
karriere gemacht. Wer von gender spricht, meint<br />
geschlecht <strong>als</strong> soziale, historisch gewordene kategorie.<br />
Queer bezieht sich auf Identitäten, die in<br />
keine Schublade passen wollen, die sich nonkonform<br />
und schräg jeder eindeutigkeit verweigern.<br />
Das sind keine erfindungen der 1990er Jahre –<br />
hier geht es um einen alten Traum des Feminismus:<br />
Dass wir einander <strong>als</strong> menschen begegnen<br />
können, ohne hierarchisch zueinander gestellt zu<br />
sein, dass jede_r sich entwickeln und entfalten<br />
kann, frei von Zwang und Zuschreibungen. Frigga<br />
haug formuliert in ihrem vortrag „Feminismus,<br />
Sozialismus und Utopie“ (marburg 2009) dies <strong>als</strong><br />
feministische Perspektive:<br />
„In ihrer Fixierung auf je ein geschlecht sind beide<br />
menschen defizitär. eine sich <strong>als</strong> feministisch<br />
verstehende Utopie setzt daher auf die abschaffung<br />
der „geschlechter“ wie die sozialistische auf<br />
die abschaffung der klassen hoffte. Individuell<br />
bedeutet das, dass etwa die weiblichen menschen<br />
sich zunächst <strong>als</strong> menschen erfahren können,<br />
bevor sie sich <strong>als</strong> <strong>Frauen</strong> auf andere beziehen;<br />
kulturell geht es darum, das gesamte netz der<br />
vergeschlechtlichung, das unsere gesellschaften<br />
durchzieht, zu zerreißen; und strukturell wäre es<br />
an der Zeit, die unterschiedlichen menschlichen<br />
Belange, für welche jetzt die einzelnen geschlechter<br />
stehen und die <strong>als</strong> getrennte Bereiche<br />
gewöhnlich wahrgenommen werden, so zusammenzufügen,<br />
dass soziale, ökologische, kulturelle<br />
menschliche entwicklung Perspektive ist und<br />
nicht unwahrscheinliches Beiprodukt. Dies ist die<br />
einzig mögliche und zugleich überlebensnotwendige<br />
veränderungsarbeit, für die es utopischen<br />
Denkens bedarf. Daher bezieht Utopie realität.<br />
Sie kann nur aus einem Feminismus formuliert<br />
werden, der Widerstand und auf der Suche nach<br />
glück ist.“ 1<br />
Die herrschenden arbeitsteilungen, die Produktionsverhältnisse,<br />
werden ideologisch aufwendig<br />
abgesichert, z. B. mit der Idee der „zwei ge-<br />
schlechtscharaktere“ oder mit rassismen und<br />
anderen kolonialen Diskursen. So werden z. B.<br />
ganze gruppen „qua natur“ dazu ausersehen,<br />
jene Tätigkeiten zu verrichten, die zwar für unser<br />
aller Überleben wesentlich sind, zugleich aber<br />
gering geschätzt und wenig bis gar nicht entlohnt<br />
werden. Dies betrifft z. B. die Wiederherstellung<br />
von natur und arbeitskraft, Pflege und Sorge um<br />
menschen, die arbeit in der landwirtschaft …<br />
Die Trennungen verlaufen zwischen „mann“ und<br />
„Frau“, „Stadt“ und „land“ (bzw. „Zentrum“ und<br />
„Peripherie“) oder „kopf“ und „hand“.<br />
hier könnten wir dekonstruktive ansätze nutzen.<br />
<strong>Wir</strong> könnten analysieren und skandalisieren, auf<br />
welche Weise wir akteur_innen und Unterworfene<br />
dieser ordnungen sind, wie wir <strong>als</strong>o zu „Subjekten“<br />
werden und welche rolle „doing gender“<br />
dabei spielt. Dabei gilt es, auch die ökonomischen<br />
Bedingungen, die entwicklung der Produktionsverhältnisse<br />
mit zu reflektieren: Die Zukunft gehört<br />
dem „Top girl“ und nicht mehr der hausfrau<br />
mit gestärkter Schürze, wie wir sie aus den 1950er<br />
Jahren kennen.<br />
manche feministischen kritikerinnen bezweifeln<br />
das kritische Potenzial von gender und Queer in<br />
Theorie und Praxis. allzu lang habe sich queere<br />
kritik allein an kulturellen Fragen abgearbeitet<br />
und um repräsentation und Sichtbarkeit gerungen.<br />
In dieser hinsicht sind die neoliberalen<br />
verhältnisse aber erstaunlich flexibel. nichts<br />
entschärft konflikte besser <strong>als</strong> Integration. neben<br />
all den „Werde-ständig-besser/schneller/dünner-<br />
Formaten“ ist im Fernsehen ab und an durchaus<br />
noch Platz für eine queere Ikone wie Beth Ditto.<br />
Tove Soiland begreift gender selbst <strong>als</strong> mittlerweile<br />
hegemonial gewordene Subjektivierungstechnologie:<br />
„Indem es mich glauben macht, ich<br />
müsse mich gegen Festschreibungen wehren,<br />
lässt das konzept von gender mich genau jene<br />
Fähigkeiten erwerben, die ich brauche, um die<br />
widerstrebendsten, ja sich vielleicht gegenseitig<br />
ausschließenden anforderungen unter einen hut<br />
zu bringen. mein flexibilisiertes gender ist zur<br />
Schlüsselqualifikation meiner Ware arbeitskraft<br />
geworden. gender verhält sich zu den erfordernis
sen des neoliberalismus möglicherweise gerade<br />
dadurch funktional, weil es verkennt, dass der<br />
«Feind» sich längst verändert hat (…).“ 2<br />
Queer wurde und wird oft dezidiert in Stellung<br />
gebracht gegen die „großen erzählungen“ des<br />
marxismus und gegen die Idee von „<strong>Frauen</strong>“ <strong>als</strong><br />
kollektiv. Queer kritisiert die ausschlüsse in der<br />
sozialistischen und in der <strong>Frauen</strong>bewegung und<br />
die Ignoranz, alle menschen <strong>als</strong> männlich und alle<br />
<strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> weiß und heterosexuell zu denken –<br />
und diese Blindheit nicht mal zuzugeben. mit<br />
dieser kritik knüpfen queere konzepte an feministische<br />
(Selbst-)kritiken an, die schon lange vor<br />
den 1990er Jahren diskutiert wurden. Und sich<br />
alS Frau zu emanzipieren schließt durchaus ein,<br />
sich auch vom „Frau-Sein“ zu emanzipieren. Was<br />
<strong>als</strong>o ist neu?<br />
nicht auf einem auf Identität begründeten „<strong>Wir</strong>“<br />
basiert die queere Bewegung, sondern auf vielen<br />
einzelnen „atomen“, die sich punktuell und kurzfristig<br />
zu Bündnissen zusammenfinden, so die<br />
Idee. Wenn sich alle minderheiten zusammentun,<br />
gibt es keine „hegemoniale mehrheit“ mehr. auch<br />
große Teile der <strong>Frauen</strong>bewegung setzten in ihrer<br />
geschichte immer wieder auf Bündnisse mit anderen<br />
sozialen Bewegungen. Was <strong>als</strong>o bedeuten<br />
diese Differenzen für die konkrete Praxis?<br />
Tove Soiland kritisiert auch hier das völlige ausblenden<br />
der ökonomischen verhältnisse. Queerkonzepte<br />
beförderten in der konsequenz „eine<br />
etwas merkwürdig anmutende Feier sexueller<br />
Freiheiten, die sich auf das dem liberalen gedankengut<br />
eigentümliche recht auf andersheit zu<br />
berufen scheint, das sich – infolge der strikten<br />
abstinenz hinsichtlich kollektiver Forderungen –<br />
gleichwohl nicht um die materiellen Bedingungen<br />
kümmert, unter denen diese andersheit<br />
verwirklicht werden kann.“ 3<br />
Ist diese Kritik gerechtfertigt?<br />
Immer häufiger sind Queer-Feminismus und kapitalismuskritik<br />
Themen von kongressen und Publikationen.<br />
4 Die Initiator_innen der „kritischen<br />
Tage zum geschlechterverhältnis“ in hannover<br />
2010 schreiben in ihrem aufruf: „<strong>Wir</strong> sehen die<br />
unterschiedlichen Strömungen im Feminismus<br />
wie queere ansätze, feministisch-materialistische<br />
oder eher differenzfeministische nicht <strong>als</strong><br />
einander ausschließende konzepte. auf unserem<br />
kongress wollen wir versuchen, die verschiedenen<br />
ansätze über ihre entstehungsgeschichte<br />
zu verstehen, und ausprobieren, sie auf verschiedenen<br />
ebenen anzuwenden. Dabei entstehen im<br />
besten Fall Spannungen, die zu Bereicherungen<br />
in der analyse weiterentwickelt werden können.“<br />
lassen sich Queer-Feminismus und Sozialismus<br />
<strong>als</strong>o doch miteinander versöhnen?<br />
flickr/goodnight london<br />
Jeder ansatz, jede isolierte Forderung, die nicht<br />
auch einschließt, die verhältnisse zu ändern,<br />
läuft gefahr, sich gegen uns zu stellen. viele<br />
unserer konzepte und Forderungen sind deshalb<br />
nicht mehr das, was sie mal sein sollten: aus<br />
unserer Forderung nach „Selbstbestimmung“<br />
wurde „eigenverantwortung“, aus Freiheit volles<br />
risiko, aus dem kampf um „ein recht aufs ganze<br />
leben“ ein wenig „vereinbarkeit“ oder „Work-life-<br />
Balance“. mit der Quote wollten Feministinnen<br />
auch die Welt verändern und nicht nur die hälfte<br />
vom kuchen erstreiten. Und die Befreiung aus der<br />
„alleinverdiener-ehe“ mündete für viele in prekäre<br />
Beschäftigung zum mini-lohn. gender hat vielerorts<br />
feministische gesellschaftskritik abgelöst –<br />
an den Unis, in der Politik, in den medien.<br />
Wie lassen sich dekonstruktive ansätze re-politisieren?<br />
5 Wie machen sie uns handlungsfähig?<br />
mareen heying fragt, ob queere und feministische<br />
kritik gemeinsam mehr bewegen kann. Uschi<br />
Siemens setzt sich mit dem Buch „geschlecht –<br />
Wider die natürlichkeit“ von heinz-Jürgen voß<br />
auseinander, einem versuch, Queer-Theorie und<br />
marxismus zusammenzubringen. Isolde aigner<br />
und gabriele Bischoff haben kritiken an gender,<br />
Queer und gender mainstreaming von rechts bis<br />
links zusammengetragen. Die autor_innen des<br />
gender-manifests formulieren kriterien für eine<br />
emanzipatorische gender-Trainingspraxis und<br />
ein glossar erklärt zentrale Begriffe<br />
aus der Debatte.<br />
7<br />
wiR FRaUen 2.2011
π<br />
8<br />
schweRpUnKt DeFInITIonen<br />
Dr. Regina Frey, Dr. Jutta Hartmann,<br />
Andreas Heilmann,<br />
Thomas Kugler, Stephanie Nordt<br />
und Sandra Smykalla schreiben<br />
im Gender-Manifest (siehe S. 12<br />
dieser <strong>Ausgabe</strong>):<br />
<strong>Wir</strong> beobachten des Weiteren<br />
eine zunehmende Interpretationsweise<br />
von gender<br />
mainstreaming <strong>als</strong> neoliberaler<br />
reorganisationsstrategie zur<br />
optimierung „geschlechterspezifischer<br />
humanressourcen“.<br />
eine solche engführung des<br />
gleichstellungsbegriffs auf organisationsbezogeneeffizienzsteigerung<br />
verfehlt u. e. das ursprüngliche<br />
emanzipatorische<br />
Ziel gleicher rechte, chancen<br />
und gesellschaftlicher Teilhabe<br />
von männern und <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong><br />
umfassendes menschenrecht.<br />
Wo vermeintlich geschlechtsspezifische<br />
Fähigkeiten <strong>als</strong><br />
quasi natürliches vermögen<br />
„entdeckt“ werden, mutiert<br />
gleichstellung zum cleveren<br />
management angenommener<br />
Differenzen. In der konsequenz<br />
werden soziale Ungleichheiten<br />
und ausschlüsse durch eine<br />
bloße vielfaltsrhetorik verdeckt.<br />
Outside the box „Zeitschrift<br />
für feministische Gesellschaftskritik“:<br />
eine gesellschaftskritik,<br />
die emanzipatorisch sein<br />
will, muss die feministische<br />
Dimension mitdenken, sonst<br />
vernachlässigt und verkennt sie<br />
gesellschaftliche verhältnisse,<br />
die u. a. auch kapitalistische<br />
herrschaftsstrukturen etablieren.<br />
ganz klar ist es dabei<br />
notwendig den Begriff »Feminismus«<br />
auszudifferenzieren.<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
Genderkritik von links<br />
eine antiKapitaListische KRitiK an QUeeR, GenDeR UnD GenDeR mainstReaminG wiRD<br />
Von Feminist_innen UnD LinKen Geübt. hieR steht DeR maRKtKompatibLe GeDanKe DeR<br />
VeRweRtbaRKeit menschLichen VeRmöGens im mitteLpUnKt.<br />
Feminismus ist nicht automatisch<br />
links. Schließlich gibt es<br />
sogar nazis wie z. B. die gruppe<br />
Jeanne D., die sich feministisch<br />
nennen. es muss analysiert und<br />
kritisiert werden, wo Feminismus<br />
regressiv wird, d. h. nicht<br />
die auflösung von bestehenden<br />
herrschaftsverhältnissen<br />
meint, sondern sich mit rassistischen<br />
und antisemitischen<br />
ressentiments verbindet.<br />
Outside the box „Zeitschrift<br />
für feministische Gesellschaftskritik“<br />
zu Gender Mainstreaming:<br />
Die Idee und Umsetzung des<br />
gender-mainstreaming <strong>als</strong><br />
personale gleichstellung von<br />
männern und <strong>Frauen</strong> in Institutionen<br />
und organisationen<br />
macht dies deutlich. hier lässt<br />
sich erkennen, wie feministische<br />
Positionen für den<br />
kapitalismus logisch nutzbar<br />
gemacht werden. Schließlich<br />
ist es alles andere <strong>als</strong> rational,<br />
weite Teile des potenziellen<br />
humankapit<strong>als</strong> vom Produktionsprozess<br />
auszuschließen.<br />
Outside the box „Zeitschrift<br />
für feministische<br />
Gesellschaftskritik“:<br />
Uns erscheinen feministischeallgemeinstatemens<br />
oft <strong>als</strong> oberflächliches<br />
etikett,<br />
ohne beispielsweise<br />
konkret geklärt<br />
zu haben, wie<br />
Queer, Feminismus<br />
und<br />
antisexismus<br />
zusammenhängen.<br />
Daraus ergibt sich auch, dass<br />
Forderungen nach feministischer<br />
Politik z. B. in Bündnissen<br />
weniger stark vertreten werden.<br />
hier gilt es bei aktuellen<br />
politischen ereignissen und<br />
Diskussionen eine feministische<br />
Perspektive vehement einzufordern<br />
und sich nicht zu verstecken<br />
oder mit minimalzielen zufrieden<br />
zu geben. Dann müssen<br />
Tendenzen, wieder hinter bisher<br />
erkämpfte Standards zurückzufallen,<br />
stärker kritisiert werden –<br />
auch öffentlich.<br />
Tove Soiland, Lehrbeauftragte<br />
an verschiedenen Universitäten:<br />
Wie kam es dazu, dass sich Teile<br />
des Feminismus, etwa die gegen<br />
rigide geschlechternormen<br />
gerichteten Strömungen, in<br />
die nach der Fordismuskrise<br />
begonnene erneuerung des kapitalismus<br />
so problemlos<br />
eingliedern ließen?<br />
Die antwort ist:<br />
Subjektivierungsweisen explizit<br />
davon löste, diese auf die<br />
Produktionsverhältnisse – und<br />
damit auf mögliche historische<br />
veränderungen in ihnen – rückzubeziehen.<br />
Im rahmen dieser<br />
theoretischen Prämissen kann<br />
nämlich nicht mehr gefragt<br />
werden, ob das Instabilwerden<br />
von Identitäten, das in diesem<br />
kontext <strong>als</strong> errungenschaft<br />
der sexual politics und damit<br />
<strong>als</strong> effekt politischer kämpfe<br />
verstanden wird, nicht ganz<br />
einfach auf die veränderten<br />
Bedürfnisse des postfordistischen<br />
akkumulationsregimes<br />
zurückzuführen ist. (in: Queer,<br />
flexibel, erfolgreich – haben<br />
dekonstruktive ansätze den Feminismus<br />
entwaffnet? analyse<br />
& kritik)<br />
Weil sich die<br />
GenDeR bezeichnet das soziale oder<br />
analyse<br />
psychologische geschlecht einer Person im<br />
der<br />
Unterschied zu ihrem biologischen geschlecht<br />
(engl. sex). Der Begriff wurde aus dem englischen<br />
übernommen, um auch im Deutschen die Unterscheidung<br />
zwischen sozialem (gender) und biologischem (sex)<br />
geschlecht treffen zu können, da das deutsche Wort geschlecht<br />
in beiden Bedeutungen verwendet wird.<br />
GenDeR mainstReaminG, auch gleichstellungspolitik bzw. „geschlechtersensible<br />
Folgenabschätzung“, bezeichnet den versuch, die<br />
gleichstellung der geschlechter auf allen gesellschaftlichen ebenen<br />
durchzusetzen. Der Begriff wurde erstm<strong>als</strong> 1985 auf der 3. Un-Weltfrauenkonferenz<br />
in nairobi diskutiert und zehn Jahre später auf der 4. Weltfrauenkonferenz<br />
in Peking eingeführt. Bekannter wurde gender mainstreaming,<br />
<strong>als</strong> der amsterdamer vertrag 1997/1999 das konzept zum offiziellen Ziel der<br />
gleichstellungspolitik der europäischen Union machte. gender mainstreaming<br />
bezieht ausdrücklich beide geschlechter in die konzeptgestaltung mit ein.<br />
QUeeR bedeutet „seltsam, sonderbar“, aber auch „gefälscht, fragwürdig“. <strong>als</strong><br />
Schimpfwort für lesben, Schwule und Transgender legt der Begriff nahe, homo-<br />
Definit
Claudia von Werlhof, Professorin<br />
für <strong>Frauen</strong>forschung am<br />
Institut für Politikwissenschaft<br />
der Universität Innsbruck zu<br />
Gender:<br />
auch <strong>Frauen</strong> sind inzwischen<br />
weitgehend dem Patriarchat<br />
in ihrem Denken und Fühlen<br />
angepasst („gender“-ansatz),<br />
obwohl sie am meisten unter<br />
ihm gelitten haben. Damit<br />
sind sie in die „mimetische<br />
Sphäre“ des Patriarchats<br />
eingetaucht, die bewirkt, dass<br />
sie ihre mimetischen Fähigkeiten<br />
der kreativen „anverwandlung“<br />
an die Welt wie<br />
die meisten männer in eine<br />
richtung entwickeln, die eine<br />
tödliche Sackgasse und ohne<br />
Zukunft ist.<br />
ionen<br />
sexuelle seien „F<strong>als</strong>chgeld“, mit dem<br />
die straight world, die Welt der „richtigen“<br />
<strong>Frauen</strong> und männer, getäuscht werden soll.<br />
Queere kritik stellt heterosexuelle normen und<br />
hegemonie grundsätzlich in Frage.<br />
Michael Klonovsky,<br />
redaktioneller Leiter des<br />
Debattenressort der<br />
Zeitschrift FOCUS zu<br />
Gender Mainstreaming:<br />
„Daß sich aus den reihen<br />
steuerzahlender, familienernährender<br />
männer gegen<br />
diesen okkultismus kaum<br />
Widerstand regt, kann <strong>als</strong><br />
ein Propaganda-coup oder<br />
Dressurerfolg ersten ranges<br />
verbucht werden.“<br />
Eva Herman, Autorin und<br />
ehemalige Fernsehmoderatorin:<br />
„man habe sich gottes Plan<br />
entledigt, dessen Wissen<br />
abgeschüttelt und seiner<br />
Schöpfung den rücken<br />
gekehrt“.<br />
Arne Hoffmann, Zugpferd<br />
der maskulinistischen<br />
Bewegung:<br />
„Dabei soll<br />
durch<br />
staatli<br />
GenDeRKompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, wie die<br />
soziale kategorie geschlecht (gender) gesellschaftliche verhältnisse<br />
organisiert – körper, Subjektivität und Beziehungsformen,<br />
aber auch Wissen, Institutionen sowie organisationsweisen und<br />
Prozesse. genderkompetenz ist nicht nur eine Fähigkeit, sondern auch<br />
eine Strategie, um veränderungen zu bewirken, indem Ziele der gleichstellungs-,<br />
antidiskriminierungs- und Diversitätspolitiken umgesetzt<br />
werden.<br />
π<br />
QUeeRVeRsity ist eine Strategie, die darauf abzielt, der Unterschiedlichkeit<br />
von lebensweisen eine gleichberechtigte Teilnahme an der Öffentlichkeit zu<br />
ermöglichen. Identitäten sind weder eindimensional noch unveränderlich, sondern<br />
gehen aus komplexen machtverhältnissen hervor. Queerversity basiert auf<br />
der kritik an Identitätsvorstellungen und Politikformen, die hierarchien, abwertungen,<br />
ausschlüsse und Zurichtungen rechtfertigen.<br />
Genderkritik von rechts<br />
Die KRitiK an QUeeR, GenDeR UnD GenDeR mainstReaminG Reicht Vom<br />
RechtsKonseRVatiVen LaGeR bis in Die extReme Rechte. im FoKUs steht<br />
Die VoRsteLLUnG Von totaLitäRen iDeoLoGien, Die jeDe inDiViDUaLität<br />
abeRKennen, Die ziViLisatoRischen weRteGRUnDLaGen zeRsetzen UnD<br />
einen „neUen sexUaLisieRten einheitsmenschen“ schaFFen woLLen.<br />
chen Druck eine gigantische<br />
ideologische Umerziehung<br />
stattfinden. Das ist nichts<br />
weniger <strong>als</strong> totalitär.“<br />
Interessensgemeinschaft<br />
Antifeminismus Schweiz zu<br />
Gender Mainstreaming:<br />
„Frontalangriff aufs männliche<br />
geschlecht und seine<br />
endverantwortung über<br />
diese Welt bis hin zur Dämonisierung<br />
desselben.“<br />
Die Publizistin Gabriele Kuby<br />
zu Queer:<br />
„es geht um die auflösung<br />
jeder sexuellen norm. Der<br />
kampf um Pädophilie und<br />
Polygamie und die aufhebung<br />
des Inzestverbots ist<br />
bereits voll im gange.“<br />
Die neurechte Wochenzeitung<br />
Junge Freiheit zu Queer:<br />
„Die ausdifferenzierung der<br />
‚schwulen‘ in viele ‚queere‘<br />
Identitäten steht modellhaft<br />
für die vermeintlich emanzipatorische<br />
Dynamik, mit der<br />
das störrische Individuum<br />
unter sozialen Streß gesetzt,<br />
partikularisiert, gesteuert<br />
und nach ideologischen<br />
vorgaben neu strukturiert<br />
werden soll.“<br />
Die neurechte<br />
Wochenzeitung<br />
Junge Freiheit<br />
zu Gender:<br />
„gender Sekte“,<br />
„gender Totalitarismus“,„Diskriminie-<br />
rung des normalen“, „aufhebung<br />
des geschlechts“,<br />
„Sexualisierung der gesellschaft“,<br />
„ideologische<br />
kriegserklärung“, „schafft<br />
den durchsexualisierten<br />
einheitsmenschen“.<br />
Die österreichische Politikerin<br />
und Landesrätin der rechtspopulistischen<br />
Partei FPÖ<br />
Barbara Rosenkranz zu Queer:<br />
„Quasi-totalitäre Umstürzung<br />
unserer gesellschaftlichen<br />
verhältnisse, die auf<br />
die vernichtung von mann<br />
und Frau abzielt – sprich von<br />
adam und eva, denn für das<br />
christliche menschenbild ist<br />
die existenz von mann und<br />
Frau fundamental.“<br />
Die Neonazi-Organisation<br />
Free Gender zu Gender<br />
Mainstreaming:<br />
„Politisches Ungetüm“, das<br />
in Form von „Indokrination“<br />
darauf abzielt, „einen neuen<br />
geschlechtslosen menschentypus“<br />
zu schaffen.“<br />
Ring Nationaler <strong>Frauen</strong><br />
(<strong>Frauen</strong>organisation der NPD)<br />
zu Gender Mainstreaming:<br />
„Die alte feministische<br />
und auch kommunistische<br />
Doktrin vom ‚anerzogenen<br />
geschlecht‘ kann auch<br />
unter einer vermeintlich<br />
konservativen Familienministerin<br />
nicht fallen gelassen<br />
werden.“<br />
ZUSammengeSTellT<br />
von isoLDe aiGneR UnD<br />
GabRieLe bischoFF<br />
9<br />
wiR FRaUen 2.2011
10 schweRpUnKt geSchlechT<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
Eins, zwei ... viele Geschlechter?<br />
Die Berührung eines Tabus<br />
TexT Uschi siemens<br />
π<br />
Instanzen wie „gott“ oder die „natur“ scheinen<br />
die untergeordnete Stellung von <strong>Frauen</strong> in der<br />
gesellschaft und ihre Diskriminierung zu legitimieren.<br />
In seinem Buch „geschlecht – Wider<br />
die natürlichkeit“ wendet sich heinz-Jürgen voß<br />
gegen eine bestimmte art von „natürlichkeit“,<br />
die gerne herangezogen wurde und wird, um die<br />
unterschiedliche Stellung von menschen in der<br />
gesellschaft zu rechtfertigen. ebenso „natürlich“<br />
scheint es, dass es reiche und arme, Besitzer_innen<br />
von Produktionsmitteln gibt und menschen,<br />
die nur ihre arbeitskraft zu verkaufen haben.<br />
Wesentlicher aspekt dieser art von „natürlichkeit“<br />
ist es, dass eine macht angeführt wird, auf<br />
die scheinbar weder der einzelne mensch noch<br />
die gesellschaft einfluss nehmen können und die<br />
damit „natürlich“ im Sinne von vorgegeben und<br />
unabänderlich die möglichkeiten der menschen<br />
beschränkt. gegen diese art von Beschränkung<br />
auf der Basis von „natürlichkeit“ wendet sich voß<br />
besonders in Bezug auf das biologische geschlecht<br />
(sex). er stellt sich selbst in die Tradition<br />
von Simone de Beauvoir und besonders von Judith<br />
Butler.<br />
Marxismus und Natürlichkeit<br />
Das neue an seinem Buch ist der versuch, aspekte<br />
der Queer-Theorie mit der marxistischen Theorie<br />
zu ver- binden. voß interpretiert<br />
marx so, dass der<br />
mensch<br />
stets<br />
ein gesellschaftliches Wesen sei, er werde immer<br />
schon in eine gesellschaft hineingeboren und alle<br />
seine Wahrnehmungen seien von dieser gesellschaft<br />
geprägt. voß beruft sich auf den marxistischen<br />
Begriff der entfremdung des menschen<br />
im kapitalistischen Produktionsprozess, der sich<br />
aus dem Widerspruch der gesellschaftlichen<br />
Produktion einerseits und der privaten aneignung<br />
des gewinns andererseits ergibt. eine parallele<br />
art von entfremdung sieht voß im verhältnis<br />
des menschen zu seinem eigenen, biologischen<br />
geschlecht, das seiner meinung nach ebenfalls<br />
gesellschaftlich produziert und nicht natürlich ist.<br />
Das ist aber nur die halbe Wahrheit. marx geht<br />
davon aus, dass die Produktion des lebens, und<br />
zwar sowohl des eigenen lebens in der arbeit wie<br />
des fremden lebens in der Zeugung, ein doppeltes<br />
verhältnis ist: einerseits ein natürliches, andererseits<br />
ein gesellschaftliches. Das gesellschaftliche<br />
verhältnis besteht in der gemeinsamen Produktion<br />
von lebensmitteln, das natürliche verhältnis<br />
in der Fortpflanzung. menschen, und zwar<br />
männliche und weibliche, vereinigen sich, um<br />
neues leben, kinder zu produzieren. marx geht<br />
es nicht um die abschaffung der natürlichkeit im<br />
verhältnis der beiden geschlechter, sondern um<br />
ihre aneignung. Die „natürlichkeit“, gegen die voß<br />
sich richtet, wäre <strong>als</strong> das zu entlarven, was sie ist:<br />
ein gesellschaftliches Instrument, ein mittel zur<br />
aufrechterhaltung von kapitalistischen herrschaftsverhältnissen.<br />
gerade diesen Punkt<br />
scheint voß völlig
zu unterschätzen. eines der größten Probleme<br />
unserer jetzigen gesellschaft ist die vereinbarkeit<br />
von Berufstätigkeit und kindern. hier stößt<br />
die erreichte gleichberechtigung an die grenzen<br />
kapitalistischer arbeitsteilung: egal ob heterosexuell,<br />
homosexuell, lesbisch, transgender oder<br />
bigender – jede/jeder, die/der kinder haben will,<br />
muss entweder selbst in ihrer/seiner entwicklung<br />
zurückstecken oder von der/dem Partner_in<br />
verlangen, sich unter das mutter- oder vatersein<br />
zu subsumieren.<br />
Berührung eines Tabus<br />
voß, der selber Biologe ist, widmet einen großen<br />
Teil seines Buches der entwicklungsgeschichte<br />
der medizin von ihren anfängen bis zum heutigen<br />
Forschungsstand der Systembiologie und epigenetik.<br />
er kann nicht nachweisen, dass es wirklich<br />
ein drittes geschlecht neben dem weiblichen und<br />
männlichen gibt oder gegeben hat. Was er belegt,<br />
sind abweichungen vom Idealbild des „weiblichen“<br />
und „männlichen“ geschlechts, die je nach<br />
ansatz der Wissenschaften nicht zugelassen und<br />
diskriminiert werden oder aber <strong>als</strong> Differenzen<br />
anerkannt werden.<br />
Welche Brisanz in der anerkennung der geschlechterdifferenzen<br />
steckt, kann man am<br />
Beispiel des Präsidenten der Bundeszentrale für<br />
politische Bildung, Thomas krüger, nachvollziehen.<br />
krüger hielt im oktober 2010 die eröffnungsrede<br />
auf einem gender-kongress. Darin forderte<br />
er nicht nur, „das Prinzip des gender<br />
mainstreaming <strong>als</strong> zentrale Dimension<br />
aller gesellschaftlichen<br />
und politischen<br />
Bereiche umzusetzen“, sondern auch die „anerkennung<br />
der geschlechterdifferenzen und<br />
politische Bündnisse quer und jenseits von<br />
heteronormativität, Zweigeschlechtlichkeit und<br />
kleinfamilie“. Die reaktion erfolgte umgehend.<br />
Das Forum Deutscher katholiken forderte unter<br />
dem Titel „von Deutschland darf nicht das Unheil<br />
ausgehen“ den sofortigen rücktritt krügers. Ihm<br />
wurde vorgeworfen, mit seiner Forderung nach<br />
auflösung und Überwindung der geschlechteridentität<br />
das Wesen des menschen zu zerstören,<br />
„der seiner natur gemäß unverwechselbar<br />
mann oder Frau ist“. konservative katholiken<br />
und „moderne“ maskulinisten outen sich hier <strong>als</strong><br />
beharrende elemente, die machterhaltende herrschaftsstrukturen<br />
aufrechterhalten möchten.<br />
Gesellschaftskritik und Geschlechterkritik<br />
voß konstatiert in seinem Buch, dass sozialer Fortschritt<br />
verbunden ist mit veränderungen im Produktionsprozess<br />
und mit sozialen und politischen<br />
kämpfen der arbeiter- und <strong>Frauen</strong>bewegung.<br />
leider lässt er die Frage unbeantwortet, wo er im<br />
heutigen Produktionsprozess die veränderungen<br />
sieht, die zu mehr Freiheit und zur anerkennung<br />
von geschlechterdifferenzen führen könnten.<br />
aber er zeigt immerhin, dass die Befreiung von<br />
patriarchaler Unterdrückung nur zusammengeht<br />
mit der Befreiung von kapitalistischer Unterdrückung.<br />
Und dass diese Befreiung ein akt der<br />
menschen selbst sein muss.<br />
heinz-Jürgen voß: geschlecht –<br />
Wider die natürlichkeit.<br />
Schmetterling-verlag, Stuttgart<br />
2011, 10 euro<br />
flickr/dalbera<br />
11<br />
wiR FRaUen 2.2011
12 schweRpUnKt genDermanIFeST<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
Gender-Manifest<br />
Plädoyer für eine kritisch reflektierende Praxis in<br />
der genderorientierten Bildung und Beratung<br />
TexT DR. ReGina FRey, DR. jUtta haRtmann, anDReas heiLmann, thomas KUGLeR, stephanie noRDt, sanDRa smyKaLLa<br />
π<br />
(…) <strong>Wir</strong> beobachten, dass im Bereich von gender<br />
Training und gender Beratung genderkonzepte<br />
dominieren, die die derzeitige ordnung der<br />
geschlechter eher reproduzieren <strong>als</strong> verändern.<br />
<strong>Wir</strong> plädieren demgegenüber für eine kritisch<br />
reflektierende arbeit in diesem Feld, die dualisierende<br />
konzepte von geschlecht hinterfragt<br />
statt sie zu verstärken, die Stereotype analysiert<br />
und <strong>als</strong> solche sichtbar macht statt sie zu<br />
reproduzieren und die, anstatt gender isoliert<br />
zu denken, geschlechterverhältnisse immer im<br />
Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen<br />
machtverhältnissen begreift. <strong>Wir</strong> halten eine<br />
selbstreflexive, theoretisch fundierte und identitätskritische<br />
Praxis in der genderorientierten<br />
Bildung und Beratung für geboten.<br />
<strong>Wir</strong> beobachten des Weiteren eine zunehmende<br />
Interpretationsweise von gender<br />
mainstreaming <strong>als</strong><br />
neoliberaler reorganisationsstrategie<br />
zur optimierung<br />
„geschlechterspezifischerhumanressourcen“.<br />
eine<br />
solche engfüh-<br />
rung des gleichstellungsbegriffs auf organisationsbezogene<br />
effizienzsteigerung verfehlt u. e.<br />
das ursprüngliche emanzipatorische Ziel gleicher<br />
rechte, chancen und gesellschaftlicher Teilhabe<br />
von männern und <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> umfassendes menschenrecht.<br />
Wo vermeintlich geschlechtsspezifische<br />
Fähigkeiten <strong>als</strong> quasi natürliches vermögen<br />
„entdeckt“ werden, mutiert gleichstellung<br />
zum cleveren management angenommener<br />
Differenzen. In der konsequenz werden soziale<br />
Ungleichheiten und ausschlüsse durch eine<br />
bloße vielfaltsrhetorik verdeckt. <strong>Wir</strong> plädieren<br />
deshalb für eine systematisch emanzipatorische<br />
Perspektive, die sich der historischen Wurzeln<br />
des gender mainstreaming in feministischen<br />
Bewegungen und internationalen kontexten<br />
bewusst ist. (…)
Theoretische Prämissen: Zu unserem<br />
Verständnis von Gender<br />
gender ist mittlerweile in vieler munde. Spätestens<br />
seit die internationale Strategie gender<br />
mainstreaming in deutschen Institutionen<br />
eingang fand, hat sich ein professionelles Feld<br />
der gender- arbeit etabliert, wie es mitte der<br />
1990er Jahre noch undenkbar war: BeraterInnen,<br />
TrainerInnen und coaches verdienen heute geld<br />
damit, Institutionen aller art in Sachen gender<br />
zu schulen und zu beraten. Das Ziel ist dabei<br />
häufig, die gesetzlich verankerte gleichstellung<br />
durch institutionelles handeln zu fördern, insbesondere<br />
in einrichtungen der öffentlichen hand.<br />
Im Zuge der einführung von gender mainstreaming<br />
ist gender <strong>als</strong>o – zumindest in Fach-<br />
kreisen – zu einem gängigen Begriff geworden.<br />
häufig werden die Bezeichnungen „<strong>Frauen</strong>“ oder<br />
„männer“ durch gender ersetzt oder gender<br />
synonym für „männer einerseits und <strong>Frauen</strong><br />
andererseits“ verwendet.<br />
Die rede von gender im aktuellen Wissenschaftsdiskurs<br />
markiert demgegenüber die haltung,<br />
die vorherrschende geschlechterdualität<br />
nicht<br />
zu affirmieren,<br />
sondern nach deren<br />
sozialen herstellungsprozessen<br />
und Funktionsweisen<br />
in geschlechtshierarchischen<br />
Strukturen zu fragen: Wie wird<br />
„geschlecht“ immer wieder neu <strong>als</strong> bipolares<br />
muster sozialer Zuschreibung in einer monotonen<br />
Weise reproduziert, die männer und<br />
<strong>Frauen</strong> komplementär aufeinander bezieht und<br />
in hierarchische verhältnisse bringt? (…)<br />
Unseres erachtens werden diese kritischen Potentiale<br />
des gender-Begriffs in der genderorientierten<br />
Bildungs- und Beratungsarbeit zu wenig<br />
aufgegriffen. vielmehr beobachten wir hier eine<br />
problematische Tendenz im Umgang mit dem<br />
gender-Begriff: gender dient <strong>als</strong> analytische kategorie,<br />
die geschlechterunterschiede diagnostiziert<br />
und dabei häufig auf Differenzen zwischen<br />
„den männern“ und „den <strong>Frauen</strong>“ abstellt.<br />
Instrumente der gender-analyse werden in der<br />
regel dazu verwandt, Unterschiede zwischen<br />
männern und <strong>Frauen</strong> in einem spezifischen Feld<br />
oder Thema aufzudecken und somit problematisierbar<br />
zu machen. Ziel der in verschiedensten<br />
Formen angewandten gender-analysen ist<br />
es, eine behauptete geschlechtsneutralität zu<br />
widerlegen. Diese zunächst wichtige Funktion<br />
muss jedoch <strong>als</strong> ambivalent bewertet werden:<br />
ein bedenklicher nebeneffekt der gender-analyse<br />
liegt in der homogenisierung von <strong>Frauen</strong> und<br />
männern und in der ausblendung von Unterschieden<br />
innerhalb der genusgruppen.<br />
Zum Zweck der<br />
operationalisierbarkeit <br />
geschieht<br />
eine komplexitätsreduktion<br />
auf eine duale geschlechterordnung.<br />
Damit laufen gender-analysen gefahr,<br />
sich unhinterfragt an einem Doing gender zu<br />
beteiligen, das diejenigen Differenzen dramatisiert,<br />
die vorgeblich nur analysiert werden. Damit<br />
wird freilich eben jene geschlechterordnung<br />
manifestiert, die es aus unserer Perspektive zu<br />
überwinden gilt.<br />
flickr/Tim Brown architects<br />
13<br />
wiR FRaUen 2.2011
14<br />
Das gender-manifest wurde<br />
2006 von einer gruppe gendertheoretisch<br />
und -politisch engagierter<br />
Wissenschaftler_innen<br />
und Praktiker_innen verfasst –<br />
in kooperation zwischen dem<br />
genderbüro Berlin (www.gender.<br />
de) und dem genderForum Berlin<br />
(www.genderforum-berlin.<br />
de). anlass waren bedenkliche<br />
Tendenzen in der Bildungs- und<br />
Beratungspraxis, besonders<br />
bei der Implementierung<br />
von gender mainstreaming:<br />
Sozialkonstruktivistische und<br />
dekonstruktive ansätze wurden<br />
bzw. werden vergleichsweise<br />
wenig rezipiert und sind in der<br />
Praxis kaum relevant. Durch die<br />
Form des manifestes soll ein<br />
politisches anliegen öffentlich<br />
formuliert werden, um eine<br />
Debatte im Spannungsverhältnis<br />
von Theorie und Praxis zu<br />
eröffnen.<br />
Das komplette manifest zum<br />
Download und Unterzeichnen:<br />
www.gender.de/mainstreaming<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
<strong>Wir</strong> sehen die herausforderung daher darin,<br />
einen paradoxen Umgang mit gender zum<br />
ausgangspunkt des professionellen handelns<br />
zu machen, d. h. gender <strong>als</strong> analysekategorie zu<br />
gebrauchen, um gender <strong>als</strong> ordnungskategorie<br />
zu überwinden. Dafür ist es notwendig, genderanalysen<br />
– dem Dreischritt von konstruktionrekonstruktion-Dekonstruktion<br />
folgend – auch<br />
in Bezug auf ihre eigene konstruktionsleistung<br />
zu betrachten und somit selbst zum gegenstand<br />
der analyse zu machen. (…)<br />
gender <strong>als</strong> Idee markiert ja gerade die ablösung<br />
eines Denkens in biologisierender Dualität und<br />
schematischer mann-Frau-Differenz. Die reduktion<br />
von gender auf biologisches mann- oder Frausein<br />
allerdings ist ein Beispiel für Doing gender,<br />
das geschlechterpolitik zu einem banalen abzählen<br />
von weiblichen und männlichen köpfen (<strong>als</strong>o<br />
bloßem sex counting) werden lässt – egal, was<br />
in diesen köpfen steckt, und egal, was diese<br />
menschen verkörpern. eine solche biologische<br />
Fundierung von gender läuft mithin der grundidee<br />
des gender-Begriffs zuwider. (…)<br />
Impulse – Aufbruch zu mehr<br />
Geschlechtervielfalt<br />
(…) Unseres erachtens geht es nicht darum, identifizierte<br />
geschlechtsunterschiede zu managen,<br />
sondern die unserer Wahrnehmung immanenten<br />
geschlechtsunterscheidungen zu identifizieren.<br />
Dies bedeutet, die herstellung dieser vermeintlichen<br />
Unterschiede <strong>als</strong> normalisierungsprozess<br />
zu erkennen, der gesellschaftlich hergestellte<br />
Ungleichheiten <strong>als</strong> „natürliche“ objektiviert und<br />
sie uns scheinbar plausibel <strong>als</strong> körperlich oder<br />
psychisch veranlagt präsentiert. Sie sind <strong>als</strong><br />
ausdruck von <strong>als</strong> „normal“ verstandener gesellschaftlicher<br />
Platzanweisung zu entlarven und<br />
zurückzuweisen.<br />
ein verantwortungsvoller Umgang mit der<br />
kategorie gender ist sich der „gender-Paradoxie“<br />
bewusst, nimmt <strong>als</strong>o die gleichzeitigkeit der herstellung<br />
und Überwindung von geschlecht zum<br />
produktiven ausgangspunkt des handelns.<br />
es geht daher um die Frage, wie gender in einer<br />
Weise gebraucht werden kann, die zur Überwindung<br />
einer ungerechten gesellschafts- und<br />
geschlechterordnung beiträgt. mit Judith lorber<br />
plädieren wir daher eindringlich für eine Praxis<br />
des „Using gender to undo gender“. Wie der<br />
nähere Blick auf die Bedeutungsebenen des<br />
englischen verbs to undo enthüllt, geht es beim<br />
undoing um Prozesse des lösens von gebundenem<br />
und der Öffnung von verschlossenem<br />
einerseits sowie um den aspekt der aufhebung<br />
bestehender <strong>Wir</strong>kungen andererseits. Undoing<br />
gender in diesem Sinne löst die knoten, Bin-<br />
dungen und verstrickungen der bipolaren hierarchischen<br />
geschlechterordnung, öffnet die straffe<br />
Schnürung des oben skizzierten genderkorsetts<br />
und hebt langfristig die noch fortbestehenden<br />
<strong>Wir</strong>kungen der geschlechterhierarchisierungen<br />
auf – dies alles zugunsten einer individuell<br />
gestaltbaren gleichwertigen und gleichberechtigten<br />
geschlechtervielfalt und einer partnerschaftlichen<br />
und solidarischen neuaushandlung<br />
der geschlechterverhältnisse.<br />
Methodische Prämissen für eine<br />
reflektierende Gender-Praxis<br />
Dreischritt Konstruktion-Rekonstruktion-Dekonstruktion<br />
systematisch anwenden<br />
» konstruktionen von Zweigeschlechtlichkeit<br />
<strong>als</strong> solche benennen. geschlechterunterscheidungen<br />
rekonstruieren statt geschlechtsunterschiede<br />
anzunehmen.<br />
» Das historische, kulturelle und politische<br />
geworden-Sein von gender nachzeichnen.<br />
» Zusammenhänge und Wechselwirkungen<br />
von gender mit anderen sozialen kategorien<br />
beleuchten.<br />
» Das genderkorsett aufbrechen.<br />
» gender dekonstruieren und damit Spielräume<br />
für vielfältige geschlechtliche existenz und<br />
lebensweisen eröffnen.<br />
Undoing Gender<br />
» verlernen von geschlechterstereotypen <strong>als</strong><br />
chance statt <strong>als</strong> Bedrohung wahrnehmen.<br />
» Die geschlechterordnung (dosiert) irritieren<br />
statt von „weiblichen“ und „männlichen“ bzw.<br />
„geschlechtsspezifischen“ verhaltensweisen<br />
sprechen.<br />
» Für offenheit und Unabgeschlossenheit des<br />
eigenen Identitätsverständnisses motivieren.<br />
Gender-paradoxie bewusst machen<br />
» Die Zweischneidigkeit von Doing gender reflektieren,<br />
wie sie sich z.B. in der anwendung von<br />
gender-analysen zeigt.<br />
Gender-Konzepte kontextualisieren<br />
» gender <strong>als</strong> voraussetzungsvolles konzept<br />
von feministischen Theorien und Praktiken<br />
thematisieren und historisch in bewegungspolitischen<br />
kontexten verorten.<br />
machtfragen stellen<br />
» Im Wissen um Dominanzen im geschlechterverhältnis<br />
Privilegstrukturen in den Blick nehmen<br />
und konkrete Schritte zur veränderung<br />
erarbeiten.<br />
(…)<br />
Wo geschlechterdualität war, soll geschlechtervielfalt<br />
werden.
π<br />
Eine Kooperation von<br />
queerer und feministischer<br />
Kritik – geht das?<br />
TexT maReen heyinG<br />
„man wird nicht <strong>als</strong> Frau geboren, man wird es“<br />
stellte Simone de Beauvoir bereits 1949 fest. Dazu<br />
sagt die queere Bewegung im 21. Jahrhundert:<br />
„Die kategorie Frau an sich ist willkürlich und<br />
sie existiert so nicht!“ – „Das sehe ich anders!“<br />
entgegnet der Feminismus. „<strong>als</strong> Frau werde ich gesellschaftlich<br />
diskriminiert, eben weil ich zur Frau<br />
gemacht wurde!“ Da stimmt die queere Bewegung<br />
zu: „Das ist zwar richtig, aber genau deshalb gilt<br />
die kategorie geschlecht nicht, eben weil sie so<br />
willkürlich ist!“ Der Feminismus bleibt kritisch:<br />
„aber weil ich dazu gemacht wurde, muss ich<br />
damit umgehen, <strong>als</strong> Frau!“ – „aber du reduzierst<br />
dich ja selbst – du bist nicht nur eine sozialisierte<br />
Frau, du bist vor allem ein mensch mit allen rechten<br />
und Pflichten.“ Dem stimmt der Feminismus<br />
zu: „Ja, aber dadurch, dass ich geschlecht leugne,<br />
mache ich es schwieriger, auf geschlechtsspezifische<br />
Diskriminierung aufmerksam zu machen!“<br />
Beide haben sie recht. Und so sitzen Queerness<br />
und Feminismus zusammen auf der lila Bank im<br />
allumfassenden kapitalismus und fragen sich, mit<br />
welcher Theorie sie weiterkommen, wie sie am<br />
besten heteronormative Strukturen durchbrechen<br />
und besiegen können.<br />
Geht das überhaupt zusammen? Oder sind<br />
die Differenzen zu groß?<br />
Beide sind sich darüber einig, dass ihre Identität<br />
nicht frei gewählt wurde, sondern aus sozialen<br />
und kulturellen Prozessen entstanden ist. So weit,<br />
so gut. Stefanie Soine, Soziologin der Universität<br />
Bielefeld, bringt die Probleme, die sich durch eine<br />
manifestation der Zweigeschlechtlichkeit ergeben,<br />
auf den Punkt: es entsteht ein klassensystem,<br />
menschen werden sozial differenziert, je nachdem,<br />
welcher gruppe sie zugehören. Die gesellschaftliche<br />
grundstruktur „geschlecht“ ist zugleich<br />
heteronormativ, das bedeutet, alle abweichungen<br />
von der zweigeschlechtlichen norm werden mit<br />
argwohn betrachtet und diffamiert. Durch diese<br />
schweRpUnKt kooPeraTIon 15<br />
Anzeige<br />
wiR FRaUen 2.2011
16<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
ausgrenzungsformen wiederum entstehen, so Soine,<br />
machtstrukturen zugunsten der herrschenden,<br />
den nutznießern des konzeptes. Bereits im 18.<br />
Jahrhundert, <strong>als</strong> die geschlechtsspezifischen charakterzuschreibungen<br />
erschaffen wurden, dienten<br />
sie dazu, machtverhältnisse zu manifestieren und<br />
herrschende Strukturen zu erhalten.<br />
Weiter stellt Soine dar, wie aus dieser offensichtlichen<br />
Willkür schließlich eine naturalisierung<br />
der geschlechtshierarchien hergeleitet wurde,<br />
die noch heute besteht. Das Problem daran: Die<br />
Binarität der geschlechter haben wir alle mittlerweile<br />
verinnerlicht, sie ist überall zu finden. Was<br />
die Soziologin rät, ist vor allem ein wachsames<br />
verhalten, eine Selbstreflexion, damit wir nicht in<br />
rollenmuster tappen, ein klares handeln und eine<br />
fundierte kritik an bestehenden<br />
machtstrukturen.<br />
Dem stimmen vertreter_innen von Queerness<br />
und Feminismus in weiten Teilen zu. aber treffen<br />
sie aufeinander, hören sie stets die gleichen<br />
bekannten und zugleich trivialen argumente: „Ihr<br />
müsst euch auch mal für neue Ideen öffnen und<br />
nicht immer nur am 1980er-Feminismus kleben<br />
bleiben! Wenn wir keine queere kritik einbringen<br />
können, ist eine kooperation mit euch uninteressant<br />
für uns!“ – „Ihr solltet unsere kämpfe respektieren<br />
und würdigen. Dem Feminismus verdanken<br />
wir das Infragestellen der rollenklischees, das rad<br />
muss nicht neu erfunden werden.“<br />
Warum diese Spaltung? Wollen sie doch<br />
nicht das Gleiche?<br />
mit den dekonstruktivistischen Ideen, die in den<br />
1980er und 1990er Jahren vor allem in den USa<br />
entstanden, erschienen zahlreiche Schriften,<br />
die sich mit der negation von geschlecht <strong>als</strong><br />
kategorie befassen. So vertritt die feministische<br />
Theoretikerin Donna haraway in ihrem 1995
publizierten Werk „Die neuerfindung der natur“<br />
die haltung, dass die von Feministinnen propagierte<br />
„erfahrung der <strong>Frauen</strong>“ zugleich Fiktion<br />
und Tatsache sei. Denn ein kollektives „wir“ könne<br />
nicht empfunden werden. oder anders gesagt:<br />
eine alleinerziehende mutter mit drei kindern,<br />
die halbtags arbeitet und keinen Unterhalt von<br />
ihrem ex-mann bekommt, ist anderen Strukturen<br />
ausgesetzt <strong>als</strong> eine migrantin, die auf eine aufenthaltserlaubnis<br />
hofft. Trotzdem leiden beide <strong>Frauen</strong><br />
an Unterdrückungsmechanismen, das vereint sie,<br />
wie auch der daraus entstehende Wunsch nach<br />
Befreiung. So fragt haraway zu recht, wer mit<br />
„uns“ gemeint ist, wenn von „den <strong>Frauen</strong>“ gesprochen<br />
wird. Ihren angaben nach stellt es sich so<br />
dar: „gender-, rassen- oder klassenbewusstsein<br />
sind errungenschaften, die uns aufgrund der<br />
schrecklichen historischen erfahrung der widersprüchlichen,<br />
gesellschaftlichen <strong>Wir</strong>klichkeiten<br />
von Patriarchat, kolonialismus und kapitalismus<br />
aufgezwungen wurden.“<br />
Das bedeutet, dass die Unterdrückung der (konstruierten)<br />
Frau nicht natürlich ist, sondern<br />
durch die ausgestaltung der genannten<br />
komplexe und deren<br />
Folgen entstanden ist.<br />
Ihr ansatz: <strong>Wir</strong><br />
sollten<br />
nicht nur nach den Unterschieden gucken, die<br />
zu Spaltungen führen, mehr nach dem gleichen<br />
nenner suchen, denn es gibt kein kollektives<br />
„Weiblich“-Sein.<br />
Die feministische und die queere Bewegung müssen<br />
<strong>als</strong>o mehr <strong>als</strong> nur ihren anteil des kuchens<br />
wollen. gemeinsam müssen sie die heteronormativität<br />
kritisieren und sich gegen kapitalistische<br />
ausbeutung positionieren. Und: geschlechtsspezifische<br />
Zuschreibungen sind zu überwinden.<br />
können queere Bewegung und Feminismus das<br />
zusammen schaffen?<br />
mein ansatz: Um nach gemeinsamkeiten zu<br />
suchen, wie es haraway formuliert, sollten die<br />
vertreter_innen beider Bewegungen von der lila<br />
Bank aufstehen, die noch häufig in einem akademischen<br />
elfenbeinturm steht. auf der Straße, in<br />
kunst und kultur, im gespräch müssen sie mitstreiter_innen<br />
gewinnen, die nach Befreiung aus<br />
subjektiver und objektiver Unterdrückung streben.<br />
Sie müssen mit ihren Ideen einer gleichberechtigten,<br />
nicht diskriminierenden gesellschaft überzeugen<br />
und nicht mit ihren – vermeintlichen? –<br />
Differenzen.<br />
Dies ist ein schwerfälliger Prozess, denn aufeinander<br />
zuzugehen ist noch immer schwieriger, <strong>als</strong><br />
kritik zu üben. Solange von der lila Bank niemand<br />
aufsteht, werden weiterhin aus<br />
allen biologischen <strong>Frauen</strong><br />
auch soziale gemacht.<br />
flickr/klara.kristina<br />
Illustrationen im<br />
Schwerpunkt<br />
Der Schwerpunkt wird mit<br />
Beispielen einer dekonstruktiven<br />
architektur bebildert. auch in der<br />
architektur sollen seit den 1980er<br />
Jahren Struktur und Form einer<br />
Destruktion und einer erneuten<br />
konstruktion unterzogen werden.<br />
In der architektur geht es darum,<br />
gebäude im rückgriff auf einfache<br />
geometrische körper wie Würfel,<br />
Zylinder, kugel, Pyramide, kegel<br />
usw. zu konstruieren. Dekonstruktive<br />
architektur möchte in die<br />
Struktur hineingehen und dort die<br />
Instabilität aufspüren und sichtbar<br />
machen.<br />
Beispielhaft zeigen wir hier Werke<br />
von architekt_innen wie Zaha<br />
hadid (Seite 12: Bergstation der<br />
hungerburgbahn in Innsbruck und<br />
Seiter 16: phæno in Wolfsburg),<br />
Frank gehry (Seite 10: guggenheim-museum<br />
in Bilbao) und<br />
Daniel libeskind (Seite 7: Jüdisches<br />
museum in Berlin).<br />
17<br />
wiR FRaUen 2.2011
18 meine Feministische wahRheit DIe FeIgheIT Der FraUen<br />
genug mit dem geschlechtertheater!<br />
<strong>Frauen</strong> betrügen<br />
sich selbst. geben wir es zu:<br />
<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> haben es vermasselt<br />
und pflegen unsere<br />
geiselmentalität. <strong>Wir</strong> fordern<br />
ein eigenes leben und<br />
stolpern doch in die selbstverschuldete<br />
Unmündigkeit.<br />
<strong>Wir</strong> reden von Selbstbestimmung<br />
und erliegen doch der<br />
Faszination traditioneller<br />
rollen. rhetorisch sind wir<br />
emanzipiert, doch in der Praxis<br />
versagen wir jämmerlich.<br />
<strong>Wir</strong> ordnen uns unter. Freiwillig.<br />
Weil es bequem ist,<br />
weil wir konflikte scheuen,<br />
weil wir davon profitieren.<br />
<strong>Frauen</strong> sind zu feige. Bascha<br />
mika streitet gegen den<br />
weiblichen Selbstbetrug.<br />
Die autorin fordert von sich<br />
und anderen <strong>Frauen</strong> den<br />
mut, dem selbstgewählten<br />
rückfall in alte rollenmuster<br />
zu widerstehen. ein kontroverses<br />
Debattenbuch, das<br />
markant Position bezieht.<br />
Unsere Statements<br />
zum Buch<br />
Bascha mikas ansicht ist nicht neu. Bereits 1981 erschien „Der cinderella<br />
complex. Die heimliche angst der <strong>Frauen</strong> vor der Unabhängigkeit“<br />
von colette Dowling. Sie macht eine Ursache für die mangelnde gleichberechtigung<br />
der Frau in ihr selbst fest, da sich <strong>Frauen</strong> – v. a. weiße<br />
mittelständische – (insgeheim) nach einem Prinzen sehnen, der sie<br />
rettet (sprich: heiratet) und sie dadurch vor einem eigenständigen und<br />
anstrengenden leben bewahrt. auch naomi Wolf schrieb 1993 in „Die<br />
Stärke der <strong>Frauen</strong>. gegen den f<strong>als</strong>ch verstandenen Feminismus“ gegen<br />
den „opfer-Feminismus“ an und stellte ihm einen „Power-Feminismus“<br />
gegenüber, der das „weibliche“ harmoniebedürfnis überwindet und<br />
die Stärke der <strong>Frauen</strong> zelebriert. „Die Feigheit der <strong>Frauen</strong>“ ist <strong>als</strong>o weder<br />
revolutionär noch nützlich.<br />
bascha miKa<br />
anna schiFF<br />
„Der Katzentisch So viele kluge <strong>Frauen</strong> beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Strategien, um die<br />
männliche Dominanz auszuhebeln. Weibliche komplizenschaft, weibliche verstrickung ist dabei<br />
kein Thema. Warum wohl? Weil es einfacher ist, sich <strong>als</strong> opfer zu begreifen, statt <strong>als</strong> mittäterin –<br />
ein opfer darf auf seine ohnmacht pochen. Und weil zu viele <strong>Frauen</strong> fürchten, auf diesem Weg<br />
könnten männer aus der verantwortung entlassen werden.“ (S. 21)<br />
Ja ist denn schon wieder 20. Jahrhundert? eine ehemalige linke feministische chef-redakteurin<br />
lamentiert kapitelweise über <strong>Frauen</strong>, die keine lust haben auf karriere und sich lieber in die ehefrau-<br />
und mutterrolle begeben, dort versauern und unzufrieden mit ihrem leben sind. Das erzeugt bei mir<br />
langeweile und Überdruss. Ich erwarte von einer Journalistin mit diesem hintergrund visionen, Ideen,<br />
auch verrücktes und Wildes, aber nicht „alten Wein in neuen Schläuchen“. Was in diesem Buch steht,<br />
wissen wir, es wurde oft genug durchgekaut und wiederholt. eine Streitschrift? eine klageschrift. Da<br />
bleibt die Provokation im ansatz stecken. Denn die <strong>Frauen</strong>, die die autorin hier angreift und wachrütteln<br />
möchte, lesen sie das Buch? lassen sie sich provozieren? mich hat die lektüre ermüdet, weil es ständig<br />
um das gleiche geht: klischees (<strong>Frauen</strong> wollen den Womanizer), vorurteile, rollenfallen. So kommen wir<br />
nicht weiter. Und sind wir nicht längst weiter? mitten in der Diskussion über einen Feminismus des 21.<br />
Jahrhunderts? offensichtlich ist das bei Bascha mika aber noch nicht angekommen.<br />
bascha miKa<br />
mechthiLDe Vahsen<br />
„Wer die Paarbeziehung verklärt, wird alles dransetzen, sie zu erhalten. Zu vieles geht sonst zu Bruch. <strong>Frauen</strong> reden von hingabe<br />
und meinen eigentlich den Wunsch, sich in der Zweisamkeit aufzulösen, wie ein nasses Brötchen. Ihr nach außen getragenes<br />
Selbstbewusstsein ist häufig nur eine Farce: eine hübsche zeitgeistige Tünche auf einem zur ergebenheit bereiten klein-mädchen-gemüt.<br />
Diesen <strong>Frauen</strong> geht es nicht um die eigene Stärke, es geht ihnen um die starke Schulter. Zum anlehnen.“ (S. 42)<br />
wiR FRaUen 2.2011
Bascha mika will provozieren und das ist ihr geglückt. Dank<br />
ihr haben wir einen zusätzlichen Diskurs über die vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf, der die Quoten-Debatte weiter<br />
anheizt – wie immer ausgenommen der <strong>Frauen</strong>, die den luxus<br />
nicht haben zu wählen, ob sie arbeiten wollen oder nicht.<br />
mika macht klar: es ist nicht immer alles nur durch äußere<br />
Umstände versaut, wir müssen uns auch selbst reflektieren<br />
und zu dem stehen, was wir wollen und können. Das Buch ist<br />
ein appell, ein appell, wütend zu sein, sich zu regen und sich<br />
<strong>als</strong> Frau zu positionieren. Dass wir dies noch immer brauchen,<br />
ist schade, aber dass wir dank mika öffentlich darüber<br />
diskutieren, ist erfreulich.<br />
MeinefeministischeWahrheitbrauchtPlatz!<br />
och nö – das Buch will<br />
ich nicht lesen, da reichen<br />
mir die erstaunlich<br />
vielen Besprechungen in<br />
den üblichen Feuilletons.<br />
Übrigens: lesbische<br />
<strong>Frauen</strong> ticken da doch<br />
anders, sie treffen für<br />
ihre nicht mehr so seltenenregenbogenfamilien<br />
gemeinsam vereinbarungen.<br />
Das wünsche<br />
ich mir seit über 30<br />
Jahren in dieser konsequenz<br />
von so manchen<br />
heterosexuellen Paaren.<br />
bascha miKa<br />
GabRieLe bischoFF<br />
bascha miKa<br />
maReen heyinG<br />
„<strong>Wir</strong> nutzen das System <strong>als</strong> ausrede, um nicht auf uns selbst<br />
schauen zu müssen. auf unseren eigenen anteil an der<br />
geschichte. Und selbst wenn wir bestreiten, dass es heute<br />
noch eine grundsätzliche weibliche Benachteiligung gibt –<br />
wie viele junge <strong>Frauen</strong> es bedauerlicherweise tun – macht<br />
es das kein Stück besser. Im gegenteil. Diese <strong>Frauen</strong> leben<br />
in gefühlter Sicherheit und gleichberechtigung, und das oft<br />
auch nur in einer zeitlich begrenzten Phase. Je stärker sie<br />
die Strukturen leugnen, desto weniger sind sie gewappnet<br />
gegen deren paradoxe mechanismen.“ (S. 20)<br />
egal, ob <strong>Frauen</strong> ‚feige‘, mutig, bequem oder ambitioniert<br />
sind. letztendlich hängt ihr lebensentwurf auch immer von<br />
den sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen<br />
ab. Statt diese Dimensionen kritisch zu hinterfragen, bedienen<br />
sich Bascha mika (wie auch kristina Schröder) stumpfer<br />
klischees und zementieren das Bild der ‚schwachen und<br />
devoten Frau‘ und des ‚starken‘ und ‚überlegenen‘ mannes.<br />
„Der misthaufen … Das grundmuster<br />
ist erschreckend gleichgeblieben:<br />
Der mann <strong>als</strong> versorger draußen in<br />
der Welt, die Frau daheim bei haus<br />
und kindern, vielleicht mit einem<br />
halbtagsjob. er zahlt bar, sie mit<br />
lebenszeit und eigenständigkeit. ein<br />
schleichender Prozess der Selbstabwertung.“<br />
(S. 17)<br />
bascha miKa<br />
isoLDe aiGneR<br />
<strong>Wir</strong> alle sind von der Sehnsucht<br />
nach dem überlegenen<br />
mann infiziert. … Zu<br />
oft hoffen wir heimlich auf<br />
den, der für uns denkt und<br />
handelt. Der so stark ist, dass<br />
es uns leicht fällt, schwach<br />
zu werden. Der uns nicht<br />
so sehr braucht, wie wir ihn<br />
brauchen. Warum an sich<br />
selber festhalten, wenn man<br />
sich ergeben kann. Das ist ja<br />
so viel einfacher.“ (S. 43)<br />
19<br />
www.meinefeministischewahrheit.de<br />
wiR FRaUen 2.2011
π<br />
20 KRieG UnD FRieDen Dakar<br />
So-, so-, solidarité avec les<br />
femmes du monde entier!<br />
Dakar am 6.2.2011: Die Sonne steht hoch am strahlend blauen<br />
himmel, es ist heiß. mehrere 10.000 menschen, mehrheitlich afrikanerInnen,<br />
haben sich versammelt, um zu demonstrieren und das<br />
11. Weltsozialforum (WSF) zu eröffnen.<br />
Eine andere Welt ist nötig!<br />
mehr denn je in afrika und mehr denn je für <strong>Frauen</strong>, deren Präsenz<br />
in allen gruppen unübersehbar ist. Sie protestieren gemeinsam<br />
mit männern gegen ausbeutung des reichtums afrikas, landraub,<br />
Überfischung durch Fabrikschiffe aus europa und asien, Politik von<br />
Weltbank und IWF, die kriege in zahlreichen ländern des kontinents.<br />
Sie fordern Frieden, Bewegungsfreiheit für afrikanerInnen<br />
und alle Flüchtlinge, entschuldung, Demokratie, das Selbstbestimmungsrecht<br />
der völker und rechte für menschen mit Behinderungen.<br />
gruppen von <strong>Frauen</strong> und mädchen fordern selbstbewusst, kämpferisch<br />
und stolz das ende von gewalt an <strong>Frauen</strong> und mädchen in<br />
all ihren Formen. Ihre lautstärke und die Parole „Solidarität mit den<br />
<strong>Frauen</strong> der ganzen Welt“ sind unüberhörbar. Sie klagen z .B. den Femizid<br />
in kivu, einer Provinz der republik kongo, an. Dieser steht im<br />
Zusammenhang mit dem coltan-abbau. coltan ist ein begehrter<br />
rohstoff und wird vor allem von den ländern des nordens für die<br />
elektronikindustrie abgebaut.<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
aUS Dakar BerIchTen ZWeI<br />
verTreTerInnen von UtamaRa<br />
in Kabach (www.UtamaRa.oRG)<br />
UnD FRaU schmitzz in KöLn<br />
(www.FRaUschmitzz.De)<br />
Schon im vorbereitungsprozess zum WSF hatten <strong>Frauen</strong> ihre spezifischen<br />
anliegen und Forderungen eingebracht. In allen zwölf thematischen<br />
achsen des WSF meldeten sich <strong>Frauen</strong>organisationen zu<br />
Wort. Sie hoben die Bedeutung der <strong>Frauen</strong>sicht zu allen politischen,<br />
ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen hervor.<br />
auch in den gemischten sozialen Bewegungen setzen <strong>Frauen</strong><br />
immer deutlicher ihre Forderungen durch. So eröffnete via campesina,<br />
eine globale organisation für landreform und ernährungssicherheit<br />
in den ländern des Südens, ihre kampagne gegen gewalt<br />
an <strong>Frauen</strong> auf dem WSF.<br />
„Die Globalisierung unseres Kampfes ist die Globalisierung<br />
der Hoffnung.“<br />
mit diesem Satz leiteten die senegalesischen organisatorinnen<br />
die erste Sitzung der <strong>Frauen</strong>vollversammlungen in Dakar ein. etwa<br />
500 <strong>Frauen</strong> aus sechs kontinenten trugen ihre Standpunkte gegen<br />
das patriarchale kapitalistische System und ihre Forderungen für<br />
eine andere Welt zusammen. hieraus sollte eine gemeinsame<br />
abschlussresolution der <strong>Frauen</strong> entstehen.<br />
auf dem gelände des WSF war ein „<strong>Frauen</strong>dorf“ errichtet worden.<br />
Dort fand am ersten Tag das afrikanische <strong>Frauen</strong>forum statt. Themen<br />
waren:
Bildung für <strong>Frauen</strong> und mädchen, ökonomische autonomie <strong>als</strong><br />
voraussetzung für die Befreiung aus Unterdrückungsverhältnissen,<br />
alternative Produktionsformen, Zugang zu land und sauberem<br />
Wasser, gesundheitsversorgung, gewalt gegen <strong>Frauen</strong>, z. B.<br />
genitalverstümmelung.<br />
Die vielschichtige patriarchale gewalt, mit der <strong>Frauen</strong> in kriegsgebieten<br />
konfrontiert sind, wurde durch die Teilnehmerinnen scharf<br />
verurteilt.<br />
Für die Überwindung der persönlichen und gesellschaftlichen<br />
Traumata wurden <strong>als</strong> wichtige ansatzpunkte die selbstbestimmte<br />
Beteiligung von <strong>Frauen</strong> am demokratischen neuaufbau der politischen<br />
und gesellschaftlichen Strukturen sowie die internationale<br />
Solidarität unter <strong>Frauen</strong> hervorgehoben.<br />
Flüchtlingsfrauen, die vor den bewaffneten konflikten in mauretanien<br />
und Sierra leone in den 1990er Jahren nach Senegal geflohen<br />
waren, erzählten von den Schwierigkeiten dort <strong>als</strong> politische<br />
Flüchtlinge und nicht <strong>als</strong> konkurrentinnen im Überlebenskampf<br />
gesehen zu werden. manchmal bleibt ihnen und ihren Töchtern<br />
nur die Prostitution, um der armut zu entkommen.<br />
vertreterinnen kurdischer <strong>Frauen</strong>einrichtungen berichteten von<br />
der kampagne „Unser Freiheitskampf wird die vergewaltigungskultur<br />
überwinden“, mit der sie im vergangenen Jahr die strukturelle<br />
und die persönliche ebene sexistischer gewalt breit thematisierten.<br />
<strong>Frauen</strong> aus der West-Sahara prangerten die systematischen menschenrechtsverletzungen<br />
der marokkanischen Besatzungskräfte<br />
an und riefen zur Solidarität für ihr recht auf Selbstbestimmung<br />
auf.<br />
<strong>Frauen</strong> aus der casamance, Senegal erweiterten die Parole „So-,<br />
So-, Solidarität ...“, die auf allen versammlungen gemeinsam<br />
angestimmt wurde, mit dem Zusatz „… und für den Frieden in<br />
der casamance!“, um auf die zerstörerischen auswirkungen des<br />
von der internationalen Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen<br />
bewaffneten konflikts dort aufmerksam zu machen.<br />
Trotz der Unterschiede waren die Diskussionen und Begegnungen<br />
von der entschlossenheit und hoffnung auf veränderung gekennzeichnet.<br />
Der abschluss der <strong>Frauen</strong>vollversammlungen zeigte jedoch, dass<br />
ein globales Zusammenkommen gut vorbereitet sein muss. So<br />
verhinderten die Provokationen einiger marokkanischer <strong>Frauen</strong>,<br />
dass in der abschlussresolution zur Solidarität mit den <strong>Frauen</strong><br />
aus der West-Sahara aufgerufen wurde. Stattdessen einigten sich<br />
<strong>Frauen</strong>organisationen und -netzwerke darauf, den entwurf für<br />
die abschlussresolution <strong>als</strong> Solidaritätserklärung zu deklarieren<br />
und namentlich zu unterzeichnen. Dies hinterließ einen bitteren<br />
nachgeschmack und führte zu der ernüchternden erkenntnis,<br />
dass es dringend notwendig ist, chauvinismus auch innerhalb der<br />
globalen <strong>Frauen</strong>bewegung zu hinterfragen. nur dann kann der<br />
Parole von Solidarität eine entschlossene Praxis folgen, die eine<br />
globalisierung des kampfes und der hoffnung möglich macht.<br />
www.marchemondial.org<br />
www.viacampesina.org<br />
21<br />
wiR FRaUen 2.2011
22 KRieG UnD FRieDen TUneSIen<br />
inamo<br />
InFormaTIonSProJekT<br />
naher UnD mITTlerer<br />
oSTen<br />
erscheint vierteljährlich.<br />
Jedes heft hat einen<br />
Schwerpunkt, der entweder<br />
thematisch, z. B. globalisierung<br />
und Bildung,<br />
Wasser, medien, militär und<br />
gesellschaft, oder landerspezifisch<br />
angelegt ist. ergänzt<br />
wird der Schwerpunkt durch<br />
einen allgemeinen Teil und<br />
ab heft 26 auch durch einen<br />
nachrichtenblock in Form<br />
von kurzmeldungen.<br />
www.inamo.de<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
π<br />
„Die Trennung von Staat<br />
und Religion garantiert<br />
die Gleichberechtigung<br />
von <strong>Frauen</strong> und Männern“<br />
Martina Sabra im Interview mit Bochra Bel Haj Hamida,<br />
Rechtsanwältin, Menschenrechtsaktivistin, aktiv in der<br />
Tunesischen Assoziation Demokratischer <strong>Frauen</strong> (ATFD)<br />
© Inamo SPeZIal, game over, FeBrUar 2011 – WIr Danken FÜr DIe nachDrUckgenehmIgUng<br />
Bochra Bel Haj Hamida, Sie sind Rechtsanwältin<br />
und eine der wenigen tunesischen Dissidentinnen,<br />
die auch während der Diktatur Ben Alis Kritik<br />
wagten. Seit dem Sturz des Regimes sind Sie eine<br />
sehr gefragte Persönlichkeit, man setzt auf ihre<br />
politische Expertise. Hat man Ihnen einen Posten in<br />
der Übergangsregierung angeboten?<br />
Ja, und übrigens nicht nur mir. mehrere <strong>Frauen</strong><br />
aus der aTFD sind angesprochen worden, ob sie<br />
sich an der neuen regierung beteiligen wollten.<br />
flickr/Simon aughton<br />
<strong>Wir</strong> haben das sofort abgelehnt, denn wir finden,<br />
dass wir sehr viel in der Zivilgesellschaft tun<br />
müssen, und dass die arbeit an der Basis sehr<br />
wichtig ist. Denn diese gelegenheit haben wir<br />
jetzt zum ersten mal. <strong>Wir</strong> waren ja die ganzen<br />
Jahre über immer aktiv, aber wir hatten immer<br />
das gefühl, dass wir viel mehr hätten bewirken<br />
können, wenn wir mehr Freiheit gehabt hätten.<br />
Jetzt sind wir endlich frei, und wir betrachten das<br />
<strong>als</strong> DIe gelegenheit, um endlich mit den tunesischen<br />
<strong>Frauen</strong> kommunizieren zu können, um<br />
unseren Standpunkt zu erläutern und sie nicht<br />
einer ideologischen Strömung auszuliefern, die<br />
möglicherweise ihre rechte in Frage stellt und ihre<br />
menschlichkeit.<br />
Der tunesische Staatsgründer Habib Burgiba ließ<br />
nach der Unabhängigkeit 1956 die Polygamie<br />
und das frauenfeindliche islamische Scheidungsrecht<br />
verbieten. Tunesien ist bis heute das einzige<br />
arabische Land, das <strong>Frauen</strong> und Männer vor dem<br />
Gesetz radikal gleichgestellt hat. In den 1980er<br />
Jahren forderten Islamisten, die Familienrechtsreformen<br />
von Burgiba rückgängig zu machen. Nun<br />
ist der Islamistenführer Rachid Ghannouchi nach<br />
Tunesien zurückgekehrt. Glauben Sie, dass seine<br />
Anhänger oder andere islamistische Gruppen die<br />
Gleichberechtigung der tunesischen <strong>Frauen</strong> ernsthaft<br />
gefährden können?<br />
Ich bin nicht sicher, dass die Islamisten die Fortschritte<br />
in Bezug auf die gleichberechtigung der<br />
<strong>Frauen</strong> offen in Frage stellen werden. Sie waren<br />
diesbezüglich in den letzten Jahren ziemlich widersprüchlich<br />
– mal dafür, mal dagegen. Ich halte<br />
es auch für völlig f<strong>als</strong>ch, die Bedrohung nur bei<br />
den Islamisten zu sehen. Tatsache ist, dass auch<br />
viele junge leute, die nicht islamistisch denken,<br />
dazu neigen, die Bedeutung der <strong>Frauen</strong>emanzipation<br />
nicht wichtig genug zu nehmen. Sie sehen<br />
nicht, wie wichtig es ist, jetzt aktiv zu werden,
damit die <strong>Frauen</strong>rechte nicht bedroht werden.<br />
Das gilt auch für die politischen Parteien.<br />
Gender und Gleichberechtigung - welche Rolle<br />
werden diese Themen Ihrer Meinung nach in den<br />
kommenden Monaten im politischen Prozess<br />
spielen?<br />
<strong>Wir</strong> diskutieren sehr intensiv, sowohl innerhalb<br />
der aTFD <strong>als</strong> auch mit anderen aktiven <strong>Frauen</strong>.<br />
Das Spektrum umfasst die <strong>Frauen</strong>gruppen des<br />
gewerkschaftsverbandes UgTT, die tunesische<br />
menschenrechtsliga, die <strong>Frauen</strong>forschungsvereinigung<br />
aFTUrD bis hin zu unabhängigen <strong>Frauen</strong>.<br />
Zwischen uns ist konsens, dass die neue Situation<br />
nicht den <strong>Frauen</strong>rechten schaden darf, sondern<br />
dass es darum geht, die gleichberechtigung zu<br />
erhalten. <strong>Wir</strong> sind dabei, vorschläge für die neue<br />
verfassung und für die anstehenden politischen<br />
reformen zu erarbeiten und wir wollen möglichst<br />
viele <strong>Frauen</strong> im ganzen land für unsere Forderungen<br />
mobilisieren. Deshalb sind wir im augenblick<br />
sehr viel unterwegs, auch in den ländlichen<br />
gebieten. Das echo ist sehr ermutigend: zu<br />
uns kommen täglich <strong>Frauen</strong>, die sich vorher nie<br />
politisch engagiert haben, und die jetzt sagen:<br />
wir wollen was tun, wir wollen uns engagieren.<br />
Diesen <strong>Frauen</strong> geht es nicht nur darum, dass<br />
ihnen ihre rechte erhalten bleiben. Sie wollen<br />
eine noch weitergehende gleichberechtigung, z.B.<br />
was das erbrecht betrifft oder die freie Wahl des<br />
ehepartners. ein wichtiges Ziel ist auch, dass die<br />
vorbehalte Tunesiens gegen die antidiskriminierungs-konvention<br />
ceDaW aufgehoben werden.<br />
Daran haben wir seit Jahren gearbeitet, und daran<br />
arbeiten wir weiter.<br />
Die tunesische Verfassung wird reformiert werden.<br />
Bislang sind Staat und Religion in der tunesischen<br />
Verfassung nicht klar voneinander getrennt. Wie<br />
wichtig ist diese Trennung aus Ihrer Sicht?<br />
Die Trennung von religion und Staat ist eine<br />
garantie, dass die gleichstellung der <strong>Frauen</strong> nicht<br />
zurückgenommen wird. Die volle gleichstellung<br />
wurde bislang mit hinweis auf die religion nicht<br />
verwirklicht. Doch das ist nur ein vorwand. Das<br />
Patriarchat instrumentalisiert die religion, um<br />
die Diskussion über eine wirkliche gleichheit zu<br />
tabuisieren.<br />
Kommen wir noch einmal auf den bevorstehenden<br />
politischen Prozess. Westliche Beobachter haben<br />
sich skeptisch geäußert, weil die tunesische Opposition<br />
keine Führungsfiguren habe. Sehen Sie ein<br />
Problem darin, dass es offenbar keinen tunesischen<br />
Vaclav Havel gibt?<br />
Ich glaube, dass die Tunesier und Tunesierinnen<br />
heute vor allem antworten auf ihre drängenden<br />
Fragen und Bedürfnisse brauchen, und das betrifft<br />
flickr/anw.fr<br />
in erster linie die soziale Sicherung, die gesundheit<br />
und die Bildung. Davon abgesehen sind wir in<br />
ländern, wo sehr oft der Personenkult ein grund<br />
für die wirtschaftliche Unterentwicklung war.<br />
Deshalb denke ich, dass es viel wichtiger ist, den<br />
menschen konkrete angebote zu machen, die ihre<br />
konkrete lebenssituation betreffen, auch kulturelle<br />
angebote. Und wenn es dann charismatische<br />
Figuren geben sollte – gut, es gibt jetzt den raum,<br />
damit solche Figuren sich entfalten können, aber<br />
es ist Unsinn, sie künstlich schaffen zu wollen.<br />
Was sind ihre Befürchtungen, was sind Ihre Hoffnungen?<br />
Hat Tunesien die Chance, zu einer echten<br />
Demokratie zu werden?<br />
Was ich befürchte, ist dass die progressiven<br />
Demokraten nicht die richtige Form finden sich zu<br />
organisieren, um zumindest einen einfluss auf die<br />
politischen entscheidungen und die richtung zu<br />
gewinnen.<br />
meine hoffnung ist, dass die Jugend uns zur<br />
raison ruft, wenn wir den kompass verlieren.<br />
Und hier bin ich optimistisch. Seit ich vor zwei<br />
Jahren Facebook entdeckte, ist mir klar geworden,<br />
welches Potential in unserer Jugend steckt. Ich<br />
hatte seit Jahren alle politischen aktivitäten mit<br />
den leuten meiner generation eingestellt und<br />
nur noch zu <strong>Frauen</strong>rechten gearbeitet. Doch mit<br />
den Jugendlichen habe ich den geschmack an<br />
der Politik wiederentdeckt, zum Beispiel durch<br />
die kampagne „SayebSalih – nhar 3ala 3ammar“<br />
gegen die Internetzensur. Ich habe meinen<br />
altersgenossinnen, die nicht auf Facebook waren<br />
gesagt, dass es da eine neue generation gibt: eine<br />
generation, die man <strong>als</strong> unpolitisch abtut, die<br />
aber in <strong>Wir</strong>klichkeit nicht nur sehr politisiert ist,<br />
sondern auch mutig, und auch sehr kreativ, und<br />
die unseren Diskurs einfach archaisch findet. Diese<br />
Jugendlichen sind nicht apolitisch, sie engagieren<br />
sich anders. auf diese Jugend baue ich.<br />
23<br />
Anzeige<br />
wiR FRaUen 2.2011
24 KRieG UnD FRieDen neTZWerk WaSSIla<br />
Mit Wassila1 π Sind Sie durch die Soziologie zur Feministin gewor-<br />
ans Ziel den?<br />
Wer hätte gedacht, dass die seit Jahrzehnten<br />
obrigkeitshörigen menschen<br />
im lande karthagos oder an den<br />
Pyramiden zur revolte aufrufen, dass<br />
die <strong>Frauen</strong> und männer, die seit Jahrzehnten<br />
die autokratischen herrscher<br />
mit stoischem oder religiösem gleichmut<br />
ertrugen, alle ketten von sich<br />
werfen und demokratische verhältnisse<br />
für sich fordern: mitbestimmung,<br />
arbeit und Zukunftsperspektiven. Ben<br />
ali und mubarak wurden mittlerweile<br />
entthront, nun müssen mittel und<br />
Wege gefunden werden, um den gewünschten<br />
Demokratisierungsprozess<br />
auf einen sicheren Weg zu führen. In<br />
Tunesien werden <strong>Frauen</strong> auf den listen<br />
für die 2012 anstehenden Parlamentswahlen<br />
mit Unterstützung aller politischen<br />
kräfte paritätisch vertreten sein.<br />
Schon seit 1956 gab es in Tunesien eine<br />
in der arabischen Welt fast einzigartige<br />
gesetzgebung zugunsten der <strong>Frauen</strong>.<br />
Doch reicht das, um den Frühling zu<br />
bewahren?<br />
algerien hatte seine revolution bereits:<br />
Die 1988 in algerien ausgebrochenen<br />
Unruhen, bei denen über 600 men-<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
schen ihr leben ließen, führten zu<br />
einer demokratischen Öffnung, von<br />
der jedoch die Islamisten am meisten<br />
profitierten. Im Dezember 1991 hatte<br />
die Islamische heilsfront FIS 2 bei den ersten<br />
pluralistischen Parlamentswahlen<br />
den ersten Urnengang gewonnen. aus<br />
Furcht, algerien könnte gleich dem<br />
Iran zu einem fundamentalistisch-islamischen<br />
gottesstaat werden, brachen<br />
die seit der Unabhängigkeit im hintergrund<br />
waltenden generäle die Wahl<br />
ab. Darauf folgten zehn Jahre Terror:<br />
200.000 menschen starben, unzählige<br />
sind bis heute spurlos verschwunden.<br />
Die zunächst hoffnungsvolle Demokratisierung<br />
diente vor allem den gemäßigten<br />
und radikalen islamistischen<br />
kräften der gesellschaft, die in ihren<br />
Parteiprogrammen oder mittels ihrer<br />
<strong>Frauen</strong>organisationen offen die (rück-)<br />
verbannung der Frau ins haus forderten.<br />
Für die <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> sprach christine<br />
Belakhdar mit der <strong>Frauen</strong>rechtlerin und<br />
Soziologin DaLLiLa iamaRène über das<br />
netzwerk Wassila und die <strong>Frauen</strong> in<br />
algerien.<br />
flickr (2)/ adam Jones, Ph. D.<br />
Das ist eine Frage, die nur historisch zu beantworten<br />
ist. <strong>als</strong> Jugendliche habe ich die Befreiung<br />
algeriens, seine Unabhängigkeit und entkolonialisierung<br />
erlebt. <strong>Wir</strong> hatten seinerzeit hehre<br />
Ziele: Freiheit und gleichheit der geschlechter.<br />
alles war möglich zu jener Zeit. Die moudjahidates<br />
3 waren unser Ideal, jene <strong>Frauen</strong>, die mit<br />
allem gebrochen hatten, mit ihren Familien,<br />
mit ihren Traditionen. Dadurch hatte sich unser<br />
<strong>Frauen</strong>bild völlig gewandelt.<br />
Wie entstand das Netzwerk Wassila?<br />
<strong>Wir</strong> gründeten das netzwerk Wassila vor elf<br />
Jahren, <strong>als</strong> der islamistische Terror seinen<br />
höhepunkt erreicht hatte. es galt in dieser Zeit,<br />
Prioritäten zu setzen, lange Zeit hatten wir von<br />
den rechten der <strong>Frauen</strong> gesprochen, vom recht<br />
auf Bildung und arbeit zur Überwindung der<br />
Diskriminierung. Die Umstände zwangen uns<br />
allerdings, das hauptaugenmerk auf die gewalt<br />
gegen den weiblichen körper zu legen. eine<br />
omnipräsente gewalt, in der ehe, in der Familie,<br />
am arbeitsplatz, die offiziell mit Schweigen belegt<br />
wird. Wassila ist ein offenes netzwerk, das<br />
<strong>Frauen</strong> verschiedener alters- und Berufsgruppen<br />
sowie <strong>Frauen</strong>organisationen vereint, um gemeinsam<br />
handlungsstrategien für den kampf gegen<br />
gewalt an <strong>Frauen</strong> und kindern zu entwickeln.<br />
Inwiefern geht es dem Netzwerk Wassila vor allem<br />
um den Kampf gegen die Gewalt?<br />
Infolge der Unruhen von 1988 wurde 1989 ein<br />
gesetz erlassen, das die gründung von Parteien<br />
und organisationen zuließ. Ich erinnere<br />
mich noch an das erste koordinationstreffen<br />
der <strong>Frauen</strong>vereine: es war das erste mal, dass<br />
<strong>Frauen</strong> ihre eigenen Forderungen vorbrachten.<br />
es war eine völlig andere Sprache <strong>als</strong> die der<br />
Satellitenvereine. allerdings währte der enthusiasmus<br />
nur kurz, 1989/90 verblasste der algerische<br />
Frühling wieder. Die vorbereitung auf die<br />
Parlamentswahlen waren in vollem gang, viele<br />
<strong>Frauen</strong> hatten sich zur Wahl gestellt, doch dann<br />
eroberte die FIS die Straße, der Wahlprozess<br />
wurde abgebrochen, der Terrorismus begann,<br />
wenngleich die <strong>Frauen</strong> den Terror der Islamisten<br />
viel eher zu spüren bekamen. Die Islamisten<br />
diktierten seit langem vor allem gegen <strong>Frauen</strong><br />
gerichtete verbote und vorschriften, eine neue<br />
kleiderordnung, das verbot zu arbeiten, es kam<br />
massenhaft zu entführungen, ermordungen und<br />
vergewaltigungen. Was hier geschah, war ein<br />
verbrechen gegen die menschlichkeit, das jedoch<br />
mit dem amnestiegesetz von 2006 <strong>als</strong> ungeschehen<br />
erklärt werden sollte. Diese ereignisse<br />
haben extrem schlimme auswirkungen auf die
gesamte algerische gesellschaft. <strong>Wir</strong> stehen<br />
heute vor einer Banalisierung der gewalt, die<br />
sich zunehmend gegen <strong>Frauen</strong> richtet. Die Täter<br />
bleiben oft unbehelligt, die Straffreiheit ist beinahe<br />
garantiert.<br />
ein beredtes Beispiel sind auch die Schulen:<br />
lehrer schlagen Schüler und umgekehrt, lehrerinnen<br />
werden von ihren kollegen verprügelt,<br />
Schulleiter vergreifen sich am lehrpersonal usw.,<br />
d. h. wir haben es mit einer verallgemeinerten<br />
gewalt zu tun. Das amnestiegesetz hat uns eine<br />
verkehrung der moralischen ordnung gebracht,<br />
d. h. dass sämtliche ge- und verbote, die den<br />
gehalt einer gesellschaft ausmachen, praktisch<br />
außer kraft gesetzt sind. Unsere aufgabe im<br />
netzwerk Wassila sehen wir darin, die verbrechen<br />
anzuprangern, Workshops zu organisieren,<br />
um über diese ge- und verbote zu sprechen,<br />
ihnen einen namen zu geben, zumindest auf<br />
moralischer ebene. <strong>Wir</strong> müssen vor allem<br />
mediziner und vertreter des gesetzes systematisch<br />
für dieses Problem sensibilisieren, um die<br />
gewaltbereitschaft einzudämmen. allerdings<br />
ist uns der Zugang zu den medien versperrt,<br />
wir können weder im radio noch im Fernsehen<br />
Informationsarbeit leisten.<br />
Das réseau Wassila bekämpft alle arten und<br />
Sorten von gewalt, physische, wirtschaftliche,<br />
rechtliche.<br />
Integrieren die Menschenrechtsorganisationen die<br />
<strong>Frauen</strong>frage in ihren Kampf?<br />
Ja, allerdings sehr formal. Die Ungleichheit zwischen<br />
den Bürgern wird nicht <strong>als</strong> grundlegendes<br />
politisches Problem angesehen, sondern eher<br />
<strong>als</strong> ein Problem der Definition von Bürgerstatus,<br />
rechtsstaat und gesellschaftsprojekt, ihr Status<br />
wird eher <strong>als</strong> frauenintern abgetan, ihre Forderungen<br />
<strong>als</strong> nebengeordnet. Die Parteien selbst<br />
erheben die lage der Frau nicht zum Thema. Bei<br />
besonderen anlässen, wie etwa am 8. märz, gibt<br />
es versammlungen, Debatten, es erscheint der<br />
eine oder andere artikel in den Zeitungen, aber<br />
im Wesentlichen gehört die lage der Frau nicht<br />
zu den Prioritäten der Politiker.<br />
Was können die <strong>Frauen</strong> in einer „Männerrepublik“<br />
erhoffen, in der sie gerade einmal zu etwas<br />
mehr <strong>als</strong> sieben Prozent in staatlichen Organen<br />
vertreten sind, und wo die ehemalige <strong>Frauen</strong>rechtlerin<br />
Khalida Messaoudi 4 eine 180-Grad-<br />
Wende vollzogen hat und an der Absegnung<br />
frauenfeindlicher Gesetze mitbeteiligt ist?<br />
<strong>Wir</strong> können nur das erwarten, was wir selber<br />
bereit sind zu tun. Weder von der regierung<br />
noch vom Parlament haben wir etwas zu erhoffen,<br />
und schon gar nicht von einzelnen Personen,<br />
denn sobald diese mit dem politischen<br />
System verschmelzen, folgen sie dessen Spielregeln.<br />
Der kampf für die abschaffung von frauenfeindlichen<br />
gesetzen, für die Förderung von<br />
<strong>Frauen</strong> auf dem arbeitsmarkt, für die Würde<br />
der <strong>Frauen</strong> usw. kann nur von den <strong>Frauen</strong>bewegungen<br />
selbst erwirkt werden. Die verteilung<br />
der Sitze im Parlament spiegelt das kräfteverhältnis<br />
in der gesellschaft wider. Der politischrechtliche<br />
Status der <strong>Frauen</strong> war immer schon<br />
eine art Pfand, das gegen die errichtung eines<br />
rechtsstaates eingesetzt werden kann. Deshalb<br />
kämpfen wir für einen rechtsstaat, für Demokratie,<br />
für einen transparenten Staat.<br />
Wie sehen Sie die Zukunft der <strong>Frauen</strong>? Sicherlich<br />
gab es doch im Zuge des arabischen Frühlings<br />
große Enttäuschungen, wenn in Nachbarländern<br />
das demokratische Pflänzchen anfängt zu blühen,<br />
und in Algerien alles beim Alten bleibt.<br />
Ich glaube nicht, dass alles beim alten bleiben<br />
wird, doch zu solch großen Umwälzungen,<br />
wie wir sie 1988 erlebten, wird es wohl nicht<br />
kommen. aber mit kleinen Schritten werden<br />
wir erreichen, dass die machthaber begreifen,<br />
dass es so nicht weitergehen kann, die Bürgerinnen<br />
und Bürger werden schrittweise immer<br />
mehr rechte einfordern. Ich glaube im moment<br />
nicht an eine große Umwälzung in algerien.<br />
<strong>Wir</strong> leisten aufklärungs- und Informationsarbeit,<br />
auf diesem Wege werden wir die gesellschaft<br />
ändern. Die algerier haben während des<br />
schwarzen Jahrzehnts zu sehr gelitten, <strong>als</strong> dass<br />
sie sich erneut auf eine revolution einlassen<br />
würden.<br />
1 arabischer <strong>Frauen</strong>name mit<br />
der Bedeutung von „nähe“<br />
bzw. „mittel, um ans Ziel zu<br />
gelangen“<br />
2 FIS – Die Islamische heilsfront<br />
3 <strong>Frauen</strong>, die im Untergrund<br />
und an der Seite der männer<br />
für die Befreiung des landes<br />
gekämpft hatten<br />
4 khalida messaoudi: Worte<br />
sind meine einzige Waffe.<br />
verlag antje kunstmann<br />
25<br />
wiR FRaUen 2.2011
26 pRojeKte leSBen In Der PreSSe<br />
www.elke-amberg.de<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
π<br />
angela merkels mediale Präsenz verdeckt, dass in<br />
ihrer Partei nur 20 Prozent <strong>Frauen</strong> im Parlament<br />
vertreten sind. Und das scheinbar glatte comingout<br />
von anne Will täuscht darüber hinweg, dass<br />
lesben in der medienöffentlichkeit weithin nicht<br />
existieren – auch nach über drei Jahrzehnten<br />
<strong>Frauen</strong>- und lesbenbewegung nicht. allein <strong>als</strong><br />
mütter sind lesbische <strong>Frauen</strong> in der Presse gefragt.<br />
Zu diesem ergebnis kommt die Studie „Sag’ mir,<br />
wo die lesben sind?“ der Journalistin und kommunikationswissenschaftlerin<br />
elke amberg. Sie<br />
fand heraus: lesben werden oft nicht <strong>als</strong> lesbe<br />
benannt, der Begriff „lesbe“ taucht in keiner<br />
Überschrift auf, nur wenige lesben werden zitiert<br />
oder stehen gar im mittelpunkt eines artikels.<br />
meist verschwindet lesbisches leben in all seiner<br />
vielfalt hinter griffigen Formulierungen von<br />
„homo-ehe“ und „Schwulenparade“, angereichert<br />
mit Statements und Beispielen schwuler männer,<br />
illustriert mit Transvestiten im Diva-look. Zwar<br />
suggeriere der insbesondere in der seriösen Presse<br />
häufig verwendete und scheinbar neutrale Begriff<br />
„homosexuell“ Sachlichkeit und wirke auf den<br />
ersten Blick beide geschlechter umfassend, auf<br />
den zweiten Blick stelle sich dann jedoch oft heraus,<br />
dass nur schwule männer gemeint seien. ein<br />
Drittel aller analysierten artikel enthält diese art<br />
ausblendung von lesben. Der lesben ignorierende<br />
Sprachgebrauch geht so weit, dass einige artikel<br />
inhaltlich schlichtweg f<strong>als</strong>ch sind. Sie titeln beispielsweise<br />
mit „Steuersplitting für Schwule“ bei<br />
einem Thema, das lesben wie Schwule betrifft.<br />
flickr (2)/infomatique<br />
Sag’ mir,<br />
wo die<br />
Lesben sind?<br />
Studie zur (Nicht-)Sichtbarkeit<br />
von Lesben in der Presse<br />
TexT eLKe ambeRG<br />
Die Studie entstand im auftrag der münchner<br />
lesbenberatungsstelle leTra. elke amberg hat<br />
die Berichterstattung zu den lesbisch-schwulen<br />
Themen „rechtliche gleichstellung“ und „christopher-Street-Day“<br />
(cSD) ausgewertet. analysiert<br />
wurden insgesamt 81 artikel, die im zweiten<br />
halbjahr 2009 in der „Süddeutschen Zeitung“,<br />
dem „münchner merkur“ sowie den Boulevardzeitungen<br />
„abendzeitung“ und „tz“ veröffentlicht<br />
wurden. Die artikel setzen sich zusammen aus<br />
kurzen meldungen, Interviews und Berichten,<br />
bis hin zu langen, ausführlichen hintergrundberichten,<br />
reportagen und Features mit aussagen<br />
und konkreten Beispielen lesbisch-schwulen<br />
lebens. Sie befassten sich mit adoptionsrecht und<br />
regenbogenfamilien, mit Standesamtsöffnung,<br />
coming-out und Diskriminierung, mit Themen,<br />
reden, events und Betroffenen-geschichten rund<br />
um die cSD-Politparade. Die kommunikationswissenschaftliche<br />
analyse lehnte sich an methoden<br />
des weltweiten global-media-monitoring-Projekts<br />
zur Präsenz von <strong>Frauen</strong> in den nachrichten an.<br />
Die lesben-Studie weist auf eine Forschungslücke<br />
hin und belegt jedoch erstm<strong>als</strong> die bisher nur gefühlte<br />
„nicht-existenz“ von lesben in den medien.<br />
aber sie zeigt – dank ihres spezifischen Fokus und<br />
vor dem hintergrund bisheriger gendermedienforschung<br />
– auch auf, welche Qualitäten des<br />
<strong>Frauen</strong>bildes in den medien insgesamt zu kurz<br />
kommen: Weibliches Begehren aus der Sicht<br />
von <strong>Frauen</strong> wird nicht dargestellt und lesbisches<br />
Begehren bezogen auf andere lesben schon gar
nicht. es sei denn <strong>als</strong> männerphantasie, zur sexuellen<br />
Stimulation. Die Pionierarbeit und die mutigen<br />
lebensleistungen von lesben – gerade auch<br />
in der <strong>Frauen</strong>bewegung – werden nicht benannt.<br />
Zum Teil aus angst vor einem medienöffentlichen<br />
coming-out, zum Teil weil <strong>Frauen</strong>bewegung und<br />
feministische Themen insgesamt keinen Platz<br />
haben im „malestream“ der medien. Die lesbe<br />
<strong>als</strong> Straßenbahnfahrerin, <strong>als</strong> krankenschwester,<br />
<strong>als</strong> Ingenieurin oder rechtsanwältin kommt nicht<br />
vor. Dabei hat Berufstätigkeit für lesbische <strong>Frauen</strong><br />
oftm<strong>als</strong> noch größere Bedeutung, da es keine<br />
existenzsicherung über den männlichen Partner<br />
gibt. nur das traditionelle Stereotyp wird bedient<br />
(und damit zumindest auch gebrochen): lesbisch-<br />
Sein und mutterschaft.<br />
Das scheinbare Paradox macht neugierig. Betrachtet<br />
man/frau die wenigen artikel zu diesem<br />
Thema allerdings genauer, wird deutlich, dass<br />
hier vor allem nach dem Wohl der (männlichen!)<br />
kinder gefragt wird. ein Thema, das seine Berechtigung<br />
hat. aber der alltag, die Beziehungen, die<br />
kreativen lebensentwürfe lesbischer <strong>Frauen</strong> und<br />
lesbischer Paare jenseits von weiblichen rollenzuschreibungen<br />
bleiben ohne Öffentlichkeit und<br />
damit ohne gesellschaftliche anerkennung – wie<br />
im Übrigen auch lebensentwürfe von heterosexuell<br />
lebenden <strong>Frauen</strong> jenseits der norm nur selten<br />
in den medien vorkommen.<br />
Weitere Forschungen sind sicherlich notwendig<br />
um herauszufinden, welche auswirkungen diese<br />
flickr (2)/jerome_munich<br />
„leerstelle lesben“ für mädchen und jungen<br />
<strong>Frauen</strong> hat, die im coming-out auf der Suche<br />
nach ihrer Identität <strong>als</strong> Frau und lesbe sind und<br />
auf vorbilder verzichten müssen. Die Studie<br />
liegt zunächst <strong>als</strong> Powerpoint-Präsentation mit<br />
zahlreichen Pressebeispielen vor. eine schriftliche<br />
ausarbeitung soll folgen, kontakt und Informationen<br />
unter www.elke-amberg.de.<br />
Münchner CSD bleibt „Christopher<br />
Street Day“<br />
Der münchner cSD macht in diesem Jahr die Sichtbarkeit von lesbischen <strong>Frauen</strong><br />
zum Thema. Deshalb sollte der cSD einmalig einen weiblichen vornamen tragen.<br />
In der lesbisch-schwulen Szene hat diese aktion für hitzige, teilweise beleidigende<br />
Debatten gesorgt.<br />
Die veranstalter wollen die Polemik um den namen „christina Street Day“ jetzt<br />
entschärfen und kehren zu „christopher Street Day“ zurück. Der lesbische Schwerpunkt<br />
soll nun über das neue motto „Für ein solidarisches miteinander: lesben<br />
vor!“ und entsprechende veranstaltungen transportiert werden.<br />
Seit Jahrzehnten treten lesben und Schwule in münchen gemeinsam für ihre<br />
rechte ein. Seit 15 Jahren veranstalten sie gemeinsam den münchner christopher<br />
Street Day. Das wollten die organisatorinnen und organisatoren öffentlichkeitswirksam<br />
in Szene setzen; einmalig sollte der cSD „christina Street Day“<br />
heißen. Doch vor allem innerhalb der schwulen Szene traf die aktion auf großen<br />
Widerstand. Der „etikettenwechsel“ nur für dieses Jahr hat dann aber neben<br />
Zustimmung und sachlich konstruktiver kritik auch zu heftigen Diskussionen und<br />
offener ablehnung in der Szene geführt – auf unterschiedlichem niveau und bei<br />
bedenklicher aggressivität, vor allem auf Facebook und auf queer.de. gb<br />
27<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
flickr (2)/martin hey
28 pRojeKte aUgSPUrg-heymann-PreIS<br />
Fußballerin<br />
Tanja Walther-<br />
Ahrens mit<br />
dem Augspurg-<br />
Heymann-Preis<br />
2011 geehrt<br />
TexT GabRieLe bischoFF<br />
TanJa WalTher-ahrenS:<br />
„SeITenWechSel - comIng<br />
oUT Im FUSSBall“, 176 S.,<br />
gÜTerSloher verlagShaUS<br />
FeBrUar 2011, 14,99 €<br />
www.augspurg-heymann-preis.de<br />
* lSBTI = lesben, Schwule, Bisexuelle,<br />
Trans* und Intersexuelle<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
π<br />
Im Jahr der <strong>Frauen</strong>-Fußball-Weltmeisterschaft in<br />
Deutschland ehrt die landesarbeitsgemeinschaft<br />
lesben in nrW die ehemalige Bundesliga-Fußballspielerin<br />
Tanja Walther-ahrens aus Berlin für<br />
ihr engagiertes eintreten gegen homophobie im<br />
Fußballsport mit der verleihung des „augspurgheymann-Preises“.<br />
auch heute noch gibt es erst wenige lesbische<br />
<strong>Frauen</strong>, die sich öffentlich sichtbar und mit Stolz<br />
zu ihrem lesbischsein bekennen – sei es in ihrem<br />
Privatleben, in der Politik oder auch durch ihr<br />
<strong>Wir</strong>ken in kultur, musik, Fernsehen oder auf dem<br />
Sportplatz. Die lag lesben in nrW will diesen<br />
stolzen <strong>Frauen</strong> gegenüber ihre Wertschätzung<br />
ausdrücken und einen anstoß geben, damit sich<br />
weitere <strong>Frauen</strong> an ihnen ein vorbild nehmen. Die<br />
erste Preisträgerin war die Schriftstellerin mirjam<br />
müntefering, im vergangenen Jahr wurde die<br />
Schauspielerin und entertainerin maren kroymann<br />
geehrt.<br />
Tanja Walther-ahrens hat <strong>als</strong> Stürmerin bei<br />
Tennis Borussia Berlin und Turbine Potsdam in<br />
der Bundesliga gespielt. heute ist sie seit über 10<br />
Jahren aktiv im Sv Seitenwechsel, dem <strong>Frauen</strong>/<br />
lesben Sportverein Berlin e. v. mit gut 800 mitfrauen,<br />
wovon 100 Fußball spielen. Die Stürmerin<br />
hat erkannt, dass Fußball ein abbild der gesellschaft<br />
ist. „Wenn wir hier etwas ändern können,<br />
kann man vielleicht auch in der gesellschaft<br />
etwas ändern“, sagt sie. Weil mädchensport insgesamt<br />
zu kurz kommt, hat sie außerdem in den<br />
Berliner Bezirken kreuzberg und Friedrichshain<br />
fünf Fußball-ags ins leben gerufen. Denn: „Fußball<br />
spielen ist allemal spannender <strong>als</strong> Fußball<br />
gucken.“<br />
Die Sportwissenschaftlerin und lehrerin engagiert<br />
sich auch über den verein hinaus: Sie hält<br />
vorträge zum Thema homophobie im Sport,<br />
besucht konferenzen, ist abgesandte der euro-<br />
pean gay and lesbian Sport Federation (eglSF)<br />
beim europäischen netzwerk Football against<br />
racism in europe (Fare). <strong>als</strong> solche hält sie auch<br />
den kontakt zum Deutschen Fußballbund (DFB).<br />
Dessen Präsident Dr. Theo Zwanziger hat bei der<br />
verleihung der kompassnadel 2009 des Schwulen<br />
netzwerks nrW gesagt, dass er alles über homophobie<br />
im Fußballsport von Tanja Walther-ahrens<br />
weiß. Zusammen haben die beiden das Thema in<br />
den beliebtesten Sport der Deutschen getragen.<br />
Inzwischen wird über homosexualität im Fußball<br />
viel mehr gesprochen. „es darf dabei aber nicht<br />
vergessen werden, dass diese aktivitäten erst<br />
einen anfang darstellen können. homophobie<br />
ist über Jahrhunderte gewachsen. lesben und<br />
Schwule galten viel zu lange <strong>als</strong> krank, sündhaft,<br />
und so weiter“, so Tanja Walther-ahrens. „vorurteile<br />
oder klischees können nur über viele Jahre<br />
abgebaut werden. Das geht nicht mit einem Flyer<br />
oder einer Diskussion, in der gesagt wird: „Die<br />
lesben und Schwulen sind doch ganz nett.“ aber<br />
solche aktionen bringen vielleicht den einen oder<br />
die andere zum nachdenken. Dann ist schon viel<br />
erreicht.“<br />
Das, was Tanja Walther-ahrens über Fußballsport<br />
und homophobie weiß, hat sie kenntnisreich und<br />
doch kurzweilig in ihrem Buch „Seitenwechsel –<br />
coming out im Fußball“ zusammengetragen.<br />
Das Buch richtet sich an Fußballinteressierte, die<br />
homosexualität nur vom hörensagen kennen<br />
und an menschen, denen der Spaß am aktiven<br />
und passiven Sport vermiest wurde. mit viel vergnügen<br />
hat sie SportlerInnen und PolitikerInnen<br />
Fragen gestellt und mit knappen Worten erklärt<br />
sie Begriffe der lSBTI*-community.<br />
Im Jahr der <strong>Frauen</strong>fußball-Weltmeisterschaft ist<br />
sie eine gefragte referentin für das Themenfeld,<br />
auch, weil es kaum Fußballerinnen und Fußballer<br />
gibt, die sich zu diesem Thema öffentlich äußern<br />
wollen.
π<br />
Sexualisierte Gewalt<br />
Was macht<br />
Sportunterricht<br />
sicher?<br />
TexT biRGit paLzKiLL<br />
„Wenn ich laufe, dann rufen sie: ‚Guck mal wie deine Titten wackeln’...<br />
Manchmal sagen sie aber auch: ‚Ich find dich heiß‘. Wenn man beim<br />
Sport so dasteht oder man bückt sich, dann kommt ‚aahh‘“. Diese<br />
Schilderung einer Schülerin aus der 8. klasse ist kein einzelfall.<br />
Da der körper im mittelpunkt des Sportunterrichts steht, werden<br />
grenzverletzungen oftm<strong>als</strong> unmittelbarer erlebt und treten direkter<br />
und klarer zutage. Der weitaus größte Teil der gewalt in Form<br />
von sexistischen Sprüchen sowie entsprechende gesten spielt sich<br />
dabei auf der ebene der Schülerinnen und Schüler ab.<br />
Ungewollte Berührungen bis hin zu dem versuch, gezielt an die<br />
genitalien oder die Brüste zu greifen, können im Sportunterricht <strong>als</strong><br />
zufällig oder <strong>als</strong> notwendige hilfestellung kaschiert werden. ebenso<br />
kann gezielte körperliche gewalt <strong>als</strong> unbeabsichtigt dargestellt<br />
werden, z. B. wenn jemand mit dem Ball absichtlich hart auf den<br />
körper zielt. mädchen oder Jungen, die opfer solchen verhaltens<br />
werden und nicht mehr mitmachen wollen, werden dann häufig<br />
mit attributen wie schwächlich, empfindlich, „memme“ oder „typisch<br />
mädchen“ abgewertet und ausgegrenzt.<br />
vor und nach dem Sportunterricht kann es zu verletzungen der<br />
Intimsphäre führen, wenn Türen von Umkleiden und Duschen aufgerissen<br />
werden oder jemand in die Umkleide eindringt. klein/Palzkill<br />
(1998) berichten darüber hinaus von Fällen sexueller nötigung<br />
und gewalt, die in Umkleiden stattgefunden haben.<br />
Sexualisierte gewalt kann für mädchen wie für Jungen zu gravierenden<br />
einschränkungen ihrer entfaltungs- und entwicklungsmöglichkeiten<br />
führen – wenn auch in unterschiedlicher Form.<br />
mädchen neigen eher dazu, die Zuschreibung der Unterlegenen<br />
und „Unsportlichen“ für sich selbst anzunehmen. Sie gehen<br />
dann mit zunehmendem alter dazu über, sexistische angriffe <strong>als</strong><br />
„normal“ hinzunehmen, und sehen einen Schutz nur noch darin,<br />
die Übergriffe so weit wie möglich aus der eigenen Wahrnehmung<br />
auszublenden.<br />
„Bei uns war das schon in der 5. Klasse so und deshalb sind wir das<br />
gewöhnt. ... Dagegen kann man ja nichts machen. <strong>Wir</strong> hören einfach<br />
weg und dann ist es ja auch nicht mehr so schlimm.“ (Schülerin 7.<br />
klasse)<br />
oftm<strong>als</strong> ist dies zudem mit dem versuch verbunden, sich so weit<br />
wie möglich ganz aus dem Sportunterricht zurückzuziehen.<br />
Jungen dagegen suchen einen Schutz vor angriffen eher darin, sich<br />
in die muster „hegemonialer männlichkeit“ einzupassen, sich aus<br />
angst vor ausgrenzung auf die Seite der angreifer zu schlagen, um<br />
eigene Überlegenheit und Stärke zu demonstrieren.<br />
„Viele, die Mädchen anmachen oder solche Sprüche loslassen<br />
(sexistische Abwertungen von Jungen; B.P.) machen das nur, damit<br />
sie nicht selbst angemacht werden und damit keiner auf die Idee<br />
kommt, sie könnten selbst so einer sein.“ (Schüler 12. Jahrgang)<br />
Im ergebnis werden einengende, hierarchische geschlechterklischees<br />
verfestigt und damit genau die Strukturen des geschlechterverhältnisses,<br />
die andererseits der nährboden sind, auf dem<br />
diese gewalt sich entwickelt.<br />
Sexualisierter Gewalt unter Schülerinnen und Schülern<br />
Grenzen setzen<br />
Die möglichkeiten, gegen diese Formen der gewalt zu handeln,<br />
liegen auf allen ebenen: von der einzelnen lehrkraft über das lehrer_innenkollegium,<br />
die Schulleitung, die Schulaufsicht, die elternschaft<br />
bis hin zur Schulpolitik. voraussetzung hierfür ist es, dass die<br />
Bereitschaft besteht, sexualisierte gewalt überhaupt wahrzunehmen<br />
und die Thematik für wichtig zu erachten.<br />
aufgrund der weit verbreiteten normalisierung und Bagatellisierung<br />
sexualisierter gewalt ist auch bei Sportlehrerinnen und<br />
Sportlehrern von gewissen „gewöhnungseffekten“ auszugehen, die<br />
29<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
flickr/bfoese
30 Gesehen DIe TaUBe aUF Dem Dach<br />
dazu führen, dass sie sogar deutliche Übergriffe aus der eigenen<br />
Wahrnehmung ausblenden.<br />
Gewalt zum Thema machen und Handlungsbereitschaft<br />
zeigen<br />
Doch selbst dann, wenn eine lehrperson sensibel bezüglich<br />
der Thematik ist, erfährt sie oft gar nicht, was kinder von ihren<br />
mitschülern so alles zu ertragen haben. Schülerinnen und Schüler<br />
beschweren sich nur dann bei der lehrperson über Übergriffe und<br />
gewaltsames verhalten, wenn sie davon ausgehen können, dass<br />
ihre Beschwerde nicht bagatellisiert wird und dass die lehrperson<br />
etwas zur veränderung der Situation unternimmt. Dies gilt vor<br />
allem in höheren Jahrgängen, in denen sie schon gelernt haben,<br />
sexualisierte gewalt <strong>als</strong> selbstverständlichen Bestandteil ihres alltags<br />
hinzunehmen. eine aufgabe der lehrkraft ist es daher, diese<br />
gewalt <strong>als</strong> unrechtmäßig zu benennen und glaubhaft zu verdeutlichen,<br />
dass sie etwas dagegen unternimmt.<br />
Vorbild sein – Reflexion der eigenen Rolle<br />
Schülerinnen und Schüler registrieren dabei sehr genau, wie sich<br />
die lehrerin bzw. der lehrer selber in der eigenen rolle <strong>als</strong> Frau<br />
bzw. mann verhält und orientieren sich an deren vorbild.<br />
männer können <strong>als</strong> lehrer Schülern nur dann glaubhaft grenzen<br />
setzen, wenn sie sich selber von verbaler und körperlicher gewalt<br />
und sexistischem verhalten innerlich und äußerlich distanzieren<br />
und sich nicht unbewusst mit übergriffigen Schülern solidarisieren.<br />
Denn Schüler spüren sehr genau, ob es der kollege ernst<br />
meint, wenn er sie wegen sexistischen verhaltens zur rede stellt<br />
oder nicht. Zitat einer kollegin:<br />
„Wenn ich zum Beispiel hinter einem Jungen hergehe, der so im<br />
Vorübergehen eben mal in die Umkleidekabine von den Mädchen<br />
stürmt. Da ist es ein Unterschied, ob ich sage: ‚So, jetzt kommst du<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
mal her. Bei mir machst du das nicht‘. Oder ob ich hinterhergehe und<br />
sage: Na, ttt, so im Sinne von: ‚Ich kann das zwar verstehen, aber das<br />
solltest du hier nicht machen‘, oder gar nach dem Motto: ‚Wenn ich<br />
es dürfte, würde ich es auch machen‘, das wäre dann die nächste<br />
Stufe.“ (lehrerin)<br />
verhalten sich lehrer selbst abwertend, verletzen sie durch sexistische<br />
Sprüche oder werten sie Jungen <strong>als</strong> „Schwächlinge“ ab, so<br />
wird dies von bestimmten Jungen <strong>als</strong> Bestätigung der rechtmäßigkeit<br />
ihres verhaltens aufgefasst. Selbst wenn ein solcher lehrer<br />
Schüler bezüglich ihres sexistischen verhaltens verbal zurechtweist,<br />
wird dies keinerlei <strong>Wir</strong>kung bei den Schülern zeigen.<br />
auch <strong>Frauen</strong> sind <strong>als</strong> lehrerinnen keineswegs qua geschlecht davor<br />
geschützt, sich mit der „männlichen“ macht kokettierend mit<br />
übergriffigen und dominanten Jungen zu solidarisieren. Ich verweise<br />
hier auf das von Scheffel/Palzkill (1994) dargelegte Phänomen<br />
des „sexualisierten Bündnisses“. Bei einem solchen Bündnis<br />
spiegeln lehrerinnen Jungen ihre „männlichkeit“. Jungen fügen<br />
sich im gegenzug in das Unterrichtsgeschehen ein und verstehen<br />
sich oft <strong>als</strong> ‚Beschützer‘ der lehrerin“.<br />
auf dieser grundlage sorgen sie dann für ruhe und tun der lehrerin<br />
– solange diese ihnen ihre Überlegenheit, Stärke und macht<br />
beständig spiegelt und nicht gegen ihre Interessen handelt –<br />
vielleicht den gefallen, auf offensichtliche verbale und körperliche<br />
gewalt sowie sexistische Übergriffe gegen mitschülerinnen und<br />
mitschüler sowie gegen die lehrerin selbst zu verzichten.<br />
auf der erscheinungsebene hat die lehrerin zwar der direkten<br />
gewalt mit dieser Strategie eine grenze gesetzt, doch ist diese<br />
Strategie erstens äußerst brüchig und zweitens dient das verhalten<br />
der lehrerin den mädchen <strong>als</strong> (negatives) vorbild. es bestätigt,<br />
dass nur die Unterwerfung unter männliche Dominanz und<br />
herrschaftsansprüche den ausbruch offener gewalt (vielleicht)<br />
verhindern kann.<br />
flickr/fototastisch
Grenzen setzen gegen Gewalt – Durchsetzungskompetenz<br />
ein wirksames handeln gegen gewalt ist nur dann möglich, wenn<br />
es gelingt, denen, die gewalt ausüben, immer wieder grenzen zu<br />
setzen. Dies erfordert ausdauer, kraft und Durchsetzungskompetenz.<br />
Das Training der hierbei notwendigen verbalen und nonverbalen<br />
Fähigkeiten findet in der bisherigen aus- und Fortbildung<br />
bislang zu wenig Beachtung und sollte unbedingt ausgebaut<br />
werden. Doch unabhängig von den individuellen Fähigkeiten hängt<br />
die Durchsetzungsfähigkeit der einzelnen lehrkraft in großem<br />
ausmaß davon ab, wie sicher sie sich der Unterstützung durch das<br />
kollegium sein kann und ob es abgesprochene maßnahmen und<br />
verfahren für den Fall gibt, dass Schülerinnen und Schüler regeln<br />
verletzen und gewalt ausüben. hierzu gehört einerseits die entwicklung<br />
pädagogischer maßnahmen und hilfsangebote . andererseits<br />
aber auf kollegialer ebene auch die auseinandersetzung<br />
darüber, wann dem pädagogischen handeln grenzen gesetzt sind<br />
und eine grenzsetzung mit anderen mitteln (z. B. über die verhängung<br />
von ordnungsmaßnahmen) angezeigt ist.<br />
Der Diskurs in der Schule<br />
So selbstverständlich dies erscheint, so schwierig kann sich dies<br />
in der Praxis erweisen. voraussetzung für gemeinsames handeln<br />
ist es nämlich, dass in der Schule überhaupt über sexualisierte<br />
gewalt gesprochen werden kann und der ernsthafte Wille besteht,<br />
dagegen zu handeln. Dies ist jedoch leider nicht <strong>als</strong> Selbstverständlichkeit<br />
anzusehen. alle aus der erforschung sozialer Probleme <strong>als</strong><br />
„neutralisierungsstrategien“ bekannten verhaltensweisen können<br />
jede Thematisierung sexistischer gewalt z. B. auf einer Fachkonferenz<br />
schon im keim ersticken:<br />
» negieren (Übergehen, Schweigen)<br />
» Bagatellisieren („Stellt euch doch nicht so an“, „Das ist doch nicht<br />
so schlimm“, „<strong>Wir</strong> haben wichtigere Probleme“)<br />
» vorwurf der Prüderie („Jetzt sind wir doch mal nicht so prüde<br />
hier“, „<strong>Wir</strong> wollen es doch wohl nicht haben wie früher“)<br />
» Schuldzuweisung an die opfer („Was bewegen die sich auch so<br />
tuntig“, „Die haben das selber gewollt“, „Die wehren sich ja auch<br />
nicht richtig“)<br />
» normalisieren („Das gehört zu diesem alter“, „Das war schon<br />
immer so.“, „Das ist doch normal“)<br />
» abwertung und Isolation derer, die gewalt benennen („Der/die<br />
regt sich aber auch schnell auf“)<br />
greifen diese Strategien, so wird es unmöglich, gemeinsam grenzen<br />
aufzuzeigen. hält z. B. ein großer Teil des kollegiums oder der<br />
elternschaft sexistisches verhalten für ein kavaliersdelikt oder für<br />
eine normale Phase der Identitätsentwicklung, die sich auswächst,<br />
so wird wegen solcher „Bagatellen“ keine ordnungsmaßnahme<br />
nach der allgemeinen Schulordnung verhängt werden. <strong>Wir</strong>d nicht<br />
das sexistische verhalten selbst <strong>als</strong> Problem angesehen, sondern<br />
die lehrkraft, die dieses benennt, so hat die hierdurch abgewertete<br />
und isolierte lehrkraft kaum chancen, sich durchzusetzen.<br />
Die Notwendigkeit institutioneller Stützung<br />
Wie hier deutlich wird, kann sexualisierter gewalt unter Schülerinnen<br />
und Schülern nur durch das gemeinsame handeln aller Beteiligten<br />
grenzen gesetzt werden. letztlich sind einzelne lehrkräfte<br />
dabei auf ihre kolleginnen und kollegen ebenso angewiesen wie<br />
auf institutionelle Stützung durch die Schulleitung, die elternschaft<br />
und die Schulpolitik. Je mehr denen, die sexualisierte gewalt<br />
benennen und dagegen intervenieren, der rücken gestärkt wird<br />
und je mehr Wertschätzung und Unterstützung maßnahmen und<br />
Projekte gegen sexualisierte gewalt erfahren, desto deutlicher kann<br />
diese gewalt eingegrenzt und stattdessen eine kultur der achtsamkeit<br />
aller akteurInnen im Sportunterricht entwickelt werden.<br />
LiteRatUR<br />
kleIn, mIchael/ PalZkIll, BIrgIT (1998). geWalT gegen mäDchen UnD<br />
FraUen Im SPorT. Pilotstudie im auftrag des ministeriums für <strong>Frauen</strong>,<br />
Jugend, Familie und gesundheit des landes nrW (mFJFg). In. mFJFg (hg.).<br />
Dokumente und Berichte 46 (S. 1–94). Düsseldorf. // PalZkIll, BIrgIT/<br />
heIDI ScheFFel (1997). SPorTlehrerInnen UnTerrIchTen JUngen.<br />
In: sportpädagogik, 21. Jahrgang, heft 6, 18–22. // PalZkIll, BIrgIT/ heIDI<br />
ScheFFel (2005): SPeZIFISche konFlIkTe In Der BeZIehUng ZWISchen<br />
lehrerInnen UnD SchÜlern – konSeQUenZen FÜr eIne geSchlech-<br />
TerSenSIBle SUPervISIon UnD ForTBIlDUng. In: ministerium für Schule<br />
nrW (hg.): Schule im gender mainstream. Soest, S. 233–238 onlinefassung<br />
unter: www.learnline.de/angebote/gendermainstreaming // ScheFFel,<br />
heIDI (1996). mäDchenSPorT UnD koeDUkaTIon. aspekte einer feministischen<br />
Sportpraxis. Butzbach. // ScheFFel, heIDI/ BIrgIT PalZkIll (1994).<br />
machT UnD ohnmachT von SPorTlehrerInnen Im koeDUkaTIven<br />
SPorTUnTerrIchT. In: sportunterricht 43, heft 4, 5. 159–168 // SoBIech,<br />
gaBrIele (1994): grenZÜBerSchreITUngen. körperstrategien von <strong>Frauen</strong><br />
in modernen gesellschaften. opladen.<br />
Alle kampfbereit –<br />
außer Deutschland<br />
Libyen:<br />
Freude über<br />
Luftangriff<br />
... oder gleich hier im Probeabo<br />
31<br />
www.jungewelt.de<br />
Bitte schicken Sie mir oder folgender Person die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen<br />
kostenlos. Das Testabo endet automatisch.<br />
Ja, ich bin damit einverstanden, daß Sie mich zwecks einer Leserbefragung zur Qualität der Zeitung, der<br />
Zustellung und zur Fortführung des Abonnements telefonisch kontaktieren. (jW garantiert, daß die Daten<br />
ausschließlich zur Kundenbetreuung genutzt werden.)<br />
Frau Herr<br />
Name Vorname<br />
Straße/Nr. PLZ/Ort<br />
Telefon E-Mail<br />
Datum Unterschrift<br />
Die Belieferung soll ab Montag, den beginnen.<br />
Gaddafi : <strong>Wir</strong> schießen<br />
Urlaubsfl ieger ab<br />
Deutsche AKW:<br />
die sichersten<br />
Streit um<br />
»Stuttgart »Stuttgart 21« 21«<br />
gefährdet<br />
Zukunftsfähigkeit<br />
Zukunftsfähigkeit<br />
Deutschlands<br />
Deutschlands<br />
Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, oder faxen an die 0 30/53 63 55-44<br />
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Betrugsrekord:<br />
SO WIRD<br />
BEI HARTZ IV<br />
ABGEZOCKT!<br />
auf der Welt Speerwerferin in Kuba:<br />
Nach Nach den den Landtagswahlen:<br />
Landtagswahlen:<br />
Deutschland strahlt grün<br />
Sarrazin-Debatte: Deutsche arbeiten<br />
demografi sch an ihrem Verschwinden<br />
Spitzelausleihe<br />
In Großbritannien ist erneut ein international<br />
tätiger verdeckter Ermittler<br />
aufgeflogen. Von Matthias Monroy<br />
Training Training mit mit der der Handgranate<br />
Handgranate<br />
Linke Gewalt schwer im Kommen<br />
Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten<br />
jungeWelt<br />
Ohrfeige<br />
Klatsche für Sarkozy bei Kantonalwahlen<br />
in Frankreich. Sozialisten regieren<br />
jedes dritte Departement<br />
4 7<br />
8<br />
Abschiebungen<br />
Hamburgs Ausländerbehörde will<br />
50 Roma nach Serbien und Mazedonien<br />
ausweisen. Ein Interview<br />
Uranwaffen gegen Libyen<br />
NATO-Staaten setzen DU-Munition im Krieg gegen Ghaddafi-Truppen ein. Rußland kritisiert<br />
Parteinahme im Bürgerkrieg. Türkei will vermitteln. Von Karin Leukefeld<br />
D<br />
Die Tageszeitung<br />
Gegründet 1947 · Dienstag, 29. März 2011 · Nr . 74 · 1,30 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt<br />
Rußland kritisierte erneut die internationalen<br />
Luftangriffe <strong>als</strong> »unerlaubte<br />
Militärintervention«. Die Unterstützung<br />
der Rebellen sei ein Verstoß<br />
gegen die UN-Resolution, sagte<br />
Außenminister Sergej Lawrow am<br />
Montag laut Itar-Tass in Moskau. Es<br />
herrsche »praktisch Bürgerkrieg« in<br />
dem nordafrikanischen Land, der UN-<br />
Beschluß sage nicht, »daß eine ausländische<br />
Koalition hier Partei ergreifen<br />
soll«, so Lawrow. Ein ranghoher US-<br />
Beamter behauptete, die NATO stimme<br />
sich bei ihrem Militäreinsatz nicht<br />
mit den Aufständischen ab.<br />
Abstandsklausel<br />
ie »Internationale Kampagne<br />
zum Verbot von Uranwaffen«<br />
warnt vor dem Einsatz von<br />
Bomben und Munition mit abgereichertem<br />
Uran, den sogenannten DU-<br />
Waffen, in Libyen. Sowohl das von der<br />
US-Marine eingesetzte Kampfflugzeug<br />
AV 8B Harrier <strong>als</strong> auch die von<br />
der US-Luftwaffe eingesetzten Kampfjets<br />
A-10 Thunderbolt trügen Raketen<br />
mit DU-Sprengköpfen. In den ersten<br />
24 Stunden hätten allein US-amerikanische<br />
B-2-Maschinen 45 Bomben abgeworfen,<br />
von denen jede 2 000 Pfund<br />
schwer gewesen sei, heißt es in einem<br />
Beitrag der britischen Antikriegsgruppe<br />
»Stop the War Coalition«. Sowohl<br />
diese Bomben <strong>als</strong> auch die von Kriegsschiffen<br />
abgefeuerten Cruise-Missile-<br />
Raketen seien mit DU-ummantelten<br />
Sprengköpfen ausgerüstet.<br />
»Depleted Uranium« ist ein Abfallprodukt<br />
der Urananreicherung und<br />
wird von Militärs <strong>als</strong> panzer- und bunkerbrechende<br />
Waffe eingesetzt. Trifft<br />
die Rakete, zerstört sie das Ziel und<br />
setzt eine brennende Dunstwolke frei, Potentiell verseuchtes Gebiet: Aufständische auf einem zerstörten Panzer in Adschabija (26. März)<br />
die sowohl giftig <strong>als</strong> auch radioaktiv<br />
ist. Nicht nur Ziel und Umgebung der flog das westliche Militärbündnis, das kreten Zahlen nennen, das westliche<br />
Luftschläge werden verseucht – auch inzwischen unter NATO-Kommando Kriegsbündnis gibt an, Zivilisten zu Nach Frankreich hat nun auch das<br />
die Libyer, die jubelnd auf den zerstör- steht, auch am frühen Montag mor- schützen, nicht zu töten.<br />
Emirat Katar den selbsternannten Naten<br />
Panzern posieren, sind radioaktiver gen eine Serie von Angriffen auf Sirte.<br />
tionalen Übergangsrat der Opposition<br />
Verseuchung ausgesetzt.<br />
Auch die Hauptstadt Tripolis wurde<br />
aus Bengasi <strong>als</strong> einzigen legitimen Re-<br />
Ungeachtet dessen setzen die Auf- gestern nach Luftangriffen von hefpräsentanten<br />
Libyens anerkannt. Die<br />
ständischen dank anhaltender massiver tigen Detonationen erschüttert, wie<br />
Nachrichtenagentur Reuters berichte-<br />
Luftangriffe der westlichen Kriegsalli- dort stationierte Korrespondenten<br />
te, das Land habe den Oppositionellen<br />
anz ihren Siegeszug weiter fort. Nach berichteten. Die amtliche libysche<br />
zugesagt, Öllieferungen für sie abzu-<br />
der Wiedereinnahme der Küstensstäd- Nachrichtenagentur Jana berichtete<br />
wickeln. Eine Bestätigung der Katarite<br />
Adschabija und Brega zogen die von Luftangriffen auf Wohnviertel der<br />
schen Ölgesellschaft gibt es nicht.<br />
bewaffneten Gruppen am Montag Stadt Sebha, 750 Kilometer südlich<br />
Der türkische Regierungschef Re-<br />
ungehindert über den Ölhafen Ras von Tripolis. In Sebha befinden sich<br />
cep Tayyip Erdogan sagte gegenüber<br />
Lanuf und den Küstenort Bin Jawad zahlreiche Militäranlagen. Wieviele<br />
dem britischen Guardian, die Türkei<br />
weiter westlich nach Sirte, dem Ge- Menschen bisher bei den Luftangriffen<br />
sei bereit, zwischen den Parteien in<br />
burtsort von Staatschef Muammar Al- getötet wurden, ist unklar. Libysche<br />
Libyen zu vermitteln.<br />
Ghaddafi. Nach Angriffen am Sonntag Stellen können oder wollen keine kon-<br />
u Siehe auch Seite 8<br />
CDU und FDP vertagen Personalentscheidung<br />
Nach Landtagswahlen im Südwesten: Linke favorisiert Ruhe und solider Aufarbeitung<br />
S<br />
SUHAIB SALEM / REUTERS<br />
Jetzt am<br />
Kiosk.<br />
Nicht Nicht alles alles im im Blick Blick<br />
Regierung Regierung und und Opposition Opposition präsenpräsentierten im bayerischen Landtag unterschiedlicheUntersuchungsberichte<br />
zur BayernLB: 3,7 Milliarden Euro<br />
verspielt, aber manches interessiert<br />
nicht Seite 9<br />
Bundesarbeitsgericht verwirft automatische<br />
Besserstellung von Gewerkschaftern<br />
per Tarifklausel<br />
contraste<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
chwarz-Gelb hat personelle und die baden-württembergische FDP- kussionen. »Ich rate zur Ruhe und zu entschieden. Im Wahlkampf hatten sich<br />
Konsequenzen nach dem Wahl- Chefin Birgit Homburger schloß FDP- solider Aufarbeitung«, meinte auch Vi- die Grünen noch vehement für eine<br />
desaster vom Sonntag vertagt. Vorsitzender Westerwelle aus. zefraktionschef Dietmar Bartsch. Volksabstimmung eingesetzt.<br />
ngela Merkel will ihr Ka- In Baden-Württemberg will CDU- Angesichts der Erfolge betonen füh- Parteichef Cem Özdemir hat nun leidenLanrende<br />
Grünen-Politiker in Stuttgart und se Zweifel an der Abstimmung angeet.<br />
Nach dem Streßtest und seiner<br />
15<br />
www.jungewelt.de<br />
Harrisburg-Jahrestag:<br />
Für US-Atomausstieg<br />
Middletown. Atomkraftgegner haben<br />
am Montag in der Nähe des<br />
Reaktors Three Mile Island im US-<br />
Bundesstaat Pennsylvania an das<br />
Atomunglück von Harrisburg vor<br />
genau 32 Jahren erinnert. Vor dem<br />
Hintergrund der Katastrophe im<br />
japanischen Fukushima forderten<br />
sie einen Atomausstieg in den USA.<br />
Wie jedes Jahr am 28. März hielten<br />
die Aktivisten um 03.53 Uhr Ortszeit<br />
eine Schweigeminute ab. Um diese<br />
Uhrzeit begann 1979 der Unfall, der<br />
zu einer teilweisen Kernschmelze<br />
führte und große Mengen radioaktiver<br />
Strahlung austreten ließ. Gene<br />
Stilp von der »No nuke«-Bewegung<br />
kündigte Großdemonstrationen<br />
im Sommer in Washington an, um<br />
Obama dazu zu bringen, »seine Pläne<br />
fallen zu lassen«. (dpa/jW)<br />
u Siehe Seite 6<br />
Geißler fordert<br />
Volksentscheid zu AKW<br />
ALEx DOMANSKI / REUTERS<br />
Anzeige<br />
Baden-Baden. Der Streit um die<br />
Atompolitik in Deutschland läßt<br />
sich nach Ansicht des ehemaligen<br />
CDU-Gener<strong>als</strong>ekretärs Heiner<br />
Geißler (Foto) nur durch eine Volksabstimmung<br />
lösen. Dazu müsse<br />
man allerdings die Verfassung<br />
ändern, sagte Geißler dem SWR<br />
in Baden-Baden. Eine deutliche<br />
Mitschuld am CDU-Wahldebakel<br />
im Südwesten habe auch Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel (CDU),<br />
betonte Geißler. Der Verlust der<br />
Macht sei kein unabwendbarer<br />
»Schicks<strong>als</strong>schlag« gewesen, sondern<br />
das »Ergebnis einer f<strong>als</strong>chen<br />
Politik«. Zwar habe Merkel mit<br />
ihrer Entscheidung für ein Moratorium<br />
für die ältesten deutschen<br />
Atomkraftwerke nach Japan richtig<br />
gehandelt. Es sei aber f<strong>als</strong>ch gewesen,<br />
dabei die weitere Zukunft der<br />
Meiler offen zu lassen. (dpa/jW)<br />
junge Welt wird herausgegeben von 1 100<br />
1).
32 Gesehen IFFF<br />
orIgInalFaSSUng mIT<br />
DeUTSchen UnTerTITeln,<br />
41 mInUTen, 16:9 FaSSUng,<br />
D 2009<br />
ReGie DanIel BUrkholZ UnD<br />
SyBIlle FeZer<br />
ReGieassistenz rUnkI<br />
mUkherJee, mUBaSShera<br />
camPWala<br />
VeRLeih roaDSIDe<br />
DokUmenTarFIlm,<br />
alSenSTr. 20 a, 44789<br />
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03, WWW.roaDSIDe-DokUmenTarFIlm.De<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
Shortcut to Justice<br />
<strong>Frauen</strong> in Indien schaffen einen neuen<br />
Weg zur Gerechtigkeit<br />
Die bewegende Dokumentation Shortcut to<br />
Justice erzählt die geschichte einer handvoll<br />
couragierter <strong>Frauen</strong> aus vadodara, einer millionenstadt<br />
im nordwesten Indiens nahe der<br />
pakistanischen grenze, die sich zur gruppe<br />
„<strong>Frauen</strong> für gerechtigkeit“ zusammengeschlossen<br />
haben.<br />
Die gruppe wehrt sich gegen Unrecht und gewalt,<br />
unter denen viele <strong>Frauen</strong> dort leiden. Weil<br />
Polizei und überforderte gerichte oft untätig<br />
bleiben und kaum Schutz und hilfe geben, haben<br />
sie selber ein gericht gegründet. auf einem<br />
staubigen Platz am rande des armen viertels<br />
kalyan nagar versammeln sie sich Woche für<br />
Woche unter einem schattigen Baum und<br />
sprechen in anwesenheit des angeklagten und<br />
seiner Familie das Urteil. Dabei stehen die betroffenen<br />
<strong>Frauen</strong> und ihre Sicherheit im Zentrum<br />
des Interesses.<br />
mit Schlagfertigkeit und kreativität weisen sie<br />
prügelnde ehemänner und zänkische Schwiegermütter<br />
in die Schranken. Und wenn es sein<br />
muss, ziehen sie auch schon mal <strong>als</strong> räumkommando<br />
los, um die mitgift einer armen Witwe,<br />
die mit ihrer Tochter einfach auf die Straße<br />
gesetzt wurde, zurückzuholen.<br />
gewalt gegen <strong>Frauen</strong> ist für die regisseurin Sybille<br />
Fezer kein unbekanntes gebiet. <strong>als</strong> mitglied<br />
der <strong>Frauen</strong>- und menschenrechtsorganisation<br />
medica mondiale befasste sie sich schon länger<br />
mit diesem Thema. auch die Idee zum Film<br />
spukte ihr schon einige Zeit im kopf herum.<br />
stimmen zUm FiLm<br />
eIn WUnDerBareS UnD mUT machenDeS<br />
BeISPIel FÜr FraUenInITIaTIven gegen ge-<br />
WalT. Yakin Ertürk, Sonderberichterstatterin der<br />
Vereinten Nationen für Gewalt gegen <strong>Frauen</strong><br />
enDlIch eInmal gUTe nachrIchTen ÜBer<br />
InDIen. Ujjwal Bhattacharya, Deutsche Welle<br />
eIn WUnDerBarer FIlm ÜBer DIe machT Der<br />
SolIDarITäT. Manfred F. Kubiak in Heidenheimer<br />
Zeitung<br />
aUsGewähLt FüR DiVeRse FiLmFestiVaLs<br />
» Film Festival for Women´s rights Fiwom 2010,<br />
Seoul<br />
» Festival cinéma du Sud 2010, luxembourg<br />
» International Women´s Film Festival ankara,<br />
2010<br />
» london International Documentary Festival,<br />
2010<br />
» menschenrechtsfilmfestival Document 7,<br />
glasgow<br />
» guangzhou International Documentary Film<br />
Festival 2009, china<br />
» menschenrechtsfilmfestival move It 2009,<br />
Dresden<br />
» 2. <strong>Frauen</strong>filmwoche kiel – fe:motion 2009<br />
» Bollywood and beyond 2009, Stuttgart<br />
» medimed 2009, Sitges<br />
» Wiener <strong>Frauen</strong>filmtage 2009<br />
» <strong>Frauen</strong>filmfestival leipzig 2009<br />
» Terre des Femmes Filmfestival Tübingen 2008
<strong>Frauen</strong><br />
inGe wettiG-DanieLmeieR, KathaRina<br />
oeRDeR: FeminismUs – UnD moRGen?<br />
GLeichsteLLUnG jetzt. BerlIn: vorWärTS<br />
BUch 2011. 10 eUro<br />
aus SPD-Perspektive werden hier die<br />
wichtigsten errungenschaften mit kurzen<br />
historischen rückblenden skizziert: gleiche<br />
staatsbürgerliche rechte, recht auf arbeit,<br />
chancengleichheit, Quote. Dem schließt<br />
sich ein längerer abriss über aktuelle Fragen<br />
an: Wo steht der Feminismus heute? Was<br />
ist mit <strong>Frauen</strong>solidarität? Und wie kann<br />
eine feministische Bewegung, die sich<br />
vielfältig präsentiert, heute aussehen?<br />
Die antwort: „Dreh- und angelpunkt für<br />
eine Umgestaltung der gesellschaft ist die<br />
arbeit, die erwerbsarbeit! Denn diese stellt<br />
die Unabhängigkeit des Individuums von<br />
anderen versorgern sicher. Sie macht <strong>Frauen</strong><br />
selbstständig und ermöglicht eine tatsächliche<br />
Partizipation an der gesellschaft.“<br />
ein radikaler Umbau des kapitalistischen<br />
Systems ist damit nicht gemeint, doch<br />
enthält das Buch konkrete Ideen, was sofort<br />
umgesetzt werden könnte, z. B. die abschaffung<br />
des ehegattensplittings und eine den<br />
bundesweiten Bedarf deckende kinderbetreuung.<br />
mv<br />
natasha waLteR: LiVinG DoLLs. waRUm<br />
jUnGe FRaUen heUte LiebeR schön aLs<br />
schLaU sein woLLen. FrankFUrT am<br />
maIn: krÜger verlag 2011. 19,95 eUro<br />
„rosa für mädchen, blau für Jungen“ – die<br />
britische Publizistin natasha Walter hatte<br />
eigentlich gedacht, dass diese Zeiten vorbei<br />
sind. In zahlreichen gesprächen mit <strong>Frauen</strong><br />
aus unterschiedlichen lebensbereichen<br />
spricht sie mit ihnen über ihr Selbstverständnis<br />
und diskutiert die rückkehr zum<br />
biologischen Determinismus. eine von<br />
Walters Thesen lautet, dass das Idealbild<br />
weiblicher Schönheit immer noch in hohem<br />
maße durch Sexualität und erotische<br />
ausstrahlung definiert wird. In zwei großen<br />
kapiteln schreibt sie über den neuen alten<br />
Sexismus und schildert eindrückliche<br />
erfahrungsberichte, z. B. von Prostituierten<br />
oder Stripperinnen. leider hat Walter dabei<br />
vergessen, dass der Sexismus nie weg war.<br />
Ihre Thesen sind nicht neu, sondern immer<br />
noch aktuell! eb<br />
Lyrik<br />
anna zURmühL: Rose mit KaFFee.<br />
GeDichte mit Rhythmischen atmosphäRen.<br />
mÜnSTer: eDITIon ocToPUS<br />
Im verlagShaUS monSenSTeIn UnD<br />
vannerDaT 2011. 7,80 eUro<br />
es sind nicht nur gedichte, die hier unter<br />
verschiedenen Themen versammelt sind,<br />
sondern auch einige kurzprosastücke, alles<br />
begleitet von Illustrationen und einer leicht<br />
verspielten gestaltung. Die autorin wählt<br />
einfache lyrische Formen für ihre auseinandersetzung<br />
mit existentiellen emotionen<br />
wie liebe, angst oder Wut oder für die<br />
Beschreibung von natur. Berührend der<br />
Text „Wanderschaft nach Südost“, der das<br />
politische Thema der sexuellen gewalt und<br />
ausbeutung von <strong>Frauen</strong> aufgreift. ebenfalls<br />
enthalten sind einige aphorismen. mv<br />
Nachlese zum 8. März<br />
DaGmaR stUcKmann: „Gebt RaUm Den<br />
FRaUen“. 100 jahRe inteRnationaLeR<br />
FRaUentaG, WIeSBaDen: ThrUn-verlag<br />
2011. 21 eUro<br />
schwesteRn zUR sonne zUR GLeichheit –<br />
100 jahRe inteRnationaLeR FRaUentaG<br />
2011. DeUTScher FraUenraT 2011<br />
GiseLa notz: DeR inteRnationaLe<br />
FRaUentaG UnD Die GeweRKschaFten:<br />
Geschichte(n) – tRaDition UnD aKtUa-<br />
Lität. hrSg. von ver.DI, BereIch FraUen-<br />
UnD gleIchSTellUngSPolITIk. BerlIn<br />
2011. 5 eUro<br />
1911–2011. 100 jahRe inteRnationaLeR<br />
FRaUentaG. FRaUenansichten. DeUT-<br />
Scher FreIDenker-verBanD nrW. kÖln<br />
2011. 10 eUro<br />
aRab beRLin (hG.): 100 jahRe inteRnationaLeR<br />
FRaUenKampFtaG. zUsammen<br />
KämpFen GeGen patRiaRchat, aUsbeUtUnG<br />
UnD UnteRDRücKUnG. BerlIn<br />
2011. gegen SPenDe<br />
Zum Internationalen <strong>Frauen</strong>tag 2011<br />
erschienen in diesem Jahr erfreulicherweise<br />
gleich mehrere Publikationen. Denn bis vor<br />
wenigen Jahren war die materiallage eher<br />
mager – wenn man von den Standardwer-<br />
GeLesen 33<br />
ken von renate Wurms (1981) und Siegfried<br />
Scholze (2001) absieht. ein von der hans-<br />
Böckler-Stiftung gefördertes Standardwerk<br />
der Soziologin Dagmar Stuckmann über 100<br />
Jahre Internationaler <strong>Frauen</strong>tag in Bremen<br />
liegt nun vor, das über die lokale Bedeutung<br />
hinausgeht. In 11 kapiteln wird auf<br />
die vorgeschichte und die verschiedenen<br />
entwicklungsphasen des Internationalen<br />
<strong>Frauen</strong>tages eingegangen: der Beginn<br />
1910–1914, der erste Weltkrieg, dann die<br />
<strong>Frauen</strong>tage der USPD, der SPD und der kPD<br />
während der Weimarer republik und im<br />
Zeichen des Widerstands gegen Faschismus<br />
und krieg. es folgen drei abschnitte<br />
über den Internationalen <strong>Frauen</strong>tag in den<br />
Zeiten des kalten kriegs 1945–1966, der<br />
neuen <strong>Frauen</strong>bewegung (1967–1979),<br />
des aufschwungs der <strong>Frauen</strong>bewegung<br />
(1980–1989) und im vereinigten Deutschland<br />
(1990–2010). Die wechselreiche entwicklung<br />
des aktionstags der arbeiterbewegung<br />
– einer „erfindung“ sozialistischer<br />
<strong>Frauen</strong> – zu einem aktionstag der neuen<br />
<strong>Frauen</strong>bewegung – einem <strong>Frauen</strong>-Feier- und<br />
Protesttag – wird spannend im historischen<br />
und politischen kontext erzählt, und mit<br />
vielen abbildungen und Dokumenten<br />
versehen. Der Deutsche <strong>Frauen</strong>rat gibt in<br />
einer hübsch aufgemachten bebilderten<br />
Broschüre ebenfalls auskunft über die<br />
geschichte des Internationalen <strong>Frauen</strong>tags.<br />
Über die anfänge berichtet sachkundig<br />
kerstin Wolff. Im Beitrag über Widerentdeckung<br />
und aneignung des 8. märz in der<br />
Bundesrepublik bleiben die <strong>Frauen</strong>tage der<br />
Westdeutschen <strong>Frauen</strong>friedensbewegung,<br />
der neuen <strong>Frauen</strong>gruppen ende der 1960er<br />
Jahre und der Demokratischen <strong>Frauen</strong>initiative<br />
leider unerwähnt. Über den DgB gibt<br />
claudia menne auskunft. erfreulich sind der<br />
informative Bericht über den 8. märz in der<br />
DDr (rita Pawlowski), die Übersichtstabellen<br />
über die DgB- und Un-mottos seit den<br />
1980er Jahren sowie der Überblick über den<br />
8. märz weltweit, ausgehend von der Unoerklärung<br />
1977 – schade, dass sich dieser<br />
nur auf die letzten Jahre bezieht. Über die<br />
Tradition und aktualität des Internationalen<br />
<strong>Frauen</strong>tags aus gewerkschaftlicher Sicht<br />
informiert auch ver.di in einer bebilderten<br />
Broschüre von Gisela Notz, mit Beispielen<br />
aus einzelgewerkschaften. Interessant ist es<br />
nachzulesen, wie der DgB unter dem Druck<br />
der Basis seinen Beschluss, „keine eigenen<br />
veranstaltungen zum <strong>Frauen</strong>tag durchzu-<br />
wiR FRaUen 2.2011
führen“, revidieren musste, wie der 8. märz<br />
in den 1980er Jahren von der kampagne<br />
„<strong>Frauen</strong> in die Bundeswehr? <strong>Wir</strong> sagen<br />
nein“ geprägt war und wie der Internationale<br />
<strong>Frauen</strong>tag in den DDr-Betrieben zum<br />
festen ritual und zum „kampf- und ehrentag<br />
der <strong>Frauen</strong>“ wurde. Schließlich gab der<br />
Freidenker-Verband NRW eine Broschüre mit<br />
fast 60 kurzen Statements von engagierten<br />
<strong>Frauen</strong> zur notwendigkeit des Internationalen<br />
<strong>Frauen</strong>tags heraus. Das Berliner Bündnis<br />
ARAB brachte eine Broschüre heraus, in der<br />
sowohl revolutionäre vorkämpferinnen<br />
vorgestellt werden, wie alexandra kollontai<br />
und harriet Tubman, <strong>als</strong> auch aktuelle<br />
kämpfe, im Besonderen die der kurdischen<br />
<strong>Frauen</strong>. Dabei stehen Bestrebungen gegen<br />
patriarchale Strukturen und die dadurch<br />
reproduzierte ausbeutung im Fokus. Der<br />
Sonder-newsletter des Budrich-verlags zum<br />
Thema 100 Jahre <strong>Frauen</strong>tag kann eingesehen<br />
werden unter: www.budrich.de/budrich-intern/budrich-intern-<strong>Frauen</strong>tag-2011.<br />
pdf fh<br />
inKota-bRieF nR. 135. zeitschRiFt zUm<br />
noRD-süD-KonFLiKt UnD zUR KonziLia-<br />
Ren beweGUnG: FeminismUs im pLURaL.<br />
FRaUen weLtweit in beweGUnG. ZU Be-<br />
STellen ÜBer WWW.InkoTa.De. 3,50 eUro<br />
aus anlass des 100. Internationalen<br />
<strong>Frauen</strong>tags gibt es spannende und interessante<br />
Berichte aus ägypten, marokko,<br />
Burkina Faso; dazu hintergrundartikel zu<br />
aktuellen feministischen Positionen und<br />
zum verhältnis zwischen <strong>Frauen</strong>politik und<br />
<strong>Frauen</strong>bewegung. außerdem erfahren wir<br />
etwas über die feministischen Debatten zur<br />
entwicklungspolitik, zu <strong>Frauen</strong>organisationen<br />
und zur Un-resolution 1325 sowie zur<br />
feministischen Theologie lateinamerikas.<br />
Anzeige 34<br />
eine rundum gelungene ausgabe und eine<br />
sehr informative Zeitschrift. mv<br />
Geschichte<br />
herausgeberin: WIr FraUen – verein zur Förderung von <strong>Frauen</strong>publizistik e. v.,<br />
rochusstr. 43, 40479 Düsseldorf, info@wirfrauen.de, www.wirfrauen.de<br />
Verantwortliche Redaktion: gabriele Bischoff, melanie Stitz und mechthilde vahsen<br />
Redaktion: Isolde aigner, elena Bütow, marion gaidusch, Florence hervé, Sonja klümper,<br />
Ingeborg nödinger, mareen heying, Uschi Siemens. namentlich gezeichnete artikel<br />
stellen nicht unbedingt die meinung der redaktion dar.<br />
Layout: mediendepot ruhr, Duisburg<br />
Druck: TIamaTdruck gmbh, Düsseldorf<br />
wiR FRaUen 2.2011<br />
antonia meineRs: wiR haben wieDeR<br />
aUFGebaUt. FRaUen DeR stUnDe nULL<br />
eRzähLen. mÜnchen: elISaBeTh SanDmann<br />
verlag 2011. 24,95 eUro<br />
meiners lässt eine <strong>Frauen</strong>generation zu<br />
Wort kommen, die nach dem kriegsende<br />
1945 oft alleine dastand und mithalf, aus<br />
den Trümmern wieder Städte zu errichten –<br />
aktiv in der gesellschaft. viele Fotos machen<br />
das Buch zu einer anschaulichen Zeitreise:<br />
vom kriegsende über die Flucht vieler bis zu<br />
den neuen rollenmustern, die den <strong>Frauen</strong><br />
bereits in den 1950er Jahren aufgezwungen<br />
wurden. Die vielen Zitate aus den unterschiedlichsten<br />
Quellen sind zwar interessant,<br />
jedoch muss stets zur letzten Seite<br />
geblättert werden, um zu erfahren, was<br />
von wem stammt. neben einigen Quellen<br />
und Briefen sind persönliche Berichte der<br />
Zeitzeuginnen abgedruckt, wodurch meiners’<br />
Buch nicht nur optisch, sondern auch<br />
inhaltlich eindrucksvoll wird. mh<br />
coRinna Von List: FRaUen in DeR Résistance<br />
1940–1944. „DeR KampF GeGen<br />
Die ‚boches‘ hat beGonnen!“. PaDer-<br />
Born U. a.: SchÖnIngh 2010. 39,90 eUro<br />
Bisher wurde die résistance meist nur<br />
unter dem militärisch-bewaffneten aspekt<br />
betrachtet. mit ihrer Dissertation, die sich<br />
vor allem auf archive und akten der Justiz<br />
stützt, hat corinna von list die Bedeutung<br />
des <strong>Frauen</strong>widerstands ins rechte licht<br />
gerückt. Sie untersucht den einsatz von<br />
<strong>Frauen</strong> und stellt fest, dass „der militärisch-<br />
bewaffnete Widerstand ohne rückhalt<br />
in der Bevölkerung nicht hätte agieren<br />
können.“ analysiert werden die drei wichtigsten<br />
Tätigkeitsbereiche der résistance:<br />
der kurierdienst, die Untergrundpresse<br />
und die Fluchthilfe. Fazit der autorin: „Die<br />
résistance au féminin war ein unspektakulärer<br />
Widerstand, aber er war keinesfalls<br />
wirkungslos und noch weniger risikoarm.“<br />
Dabei bildeten die zivilen aufgabenbereiche<br />
von <strong>Frauen</strong> „zentrale Schaltstellen im räderwerk<br />
der résistance“. fh<br />
Gehört<br />
maRy ocheR: „waR sonGs“. laBel: haUTe<br />
areal 2011. 14,99 eUro<br />
es sind keine klassischen Protest-Songs und<br />
mary ocher ist keine klassische Singer-<br />
Songwriterin, doch in ihrem konzeptalbum<br />
„war songs“ gelingt es der in Tel aviv aufgewachsenen<br />
Sängerin, soziale und politische<br />
missstände pointiert zu präsentieren. In 14<br />
gitarrenlastigen liedern singt ocher über<br />
krieg, Frieden und sexuellen missbrauch.<br />
Ihr ausdrucksstarker und teilweise exzentrischer<br />
gesang und ihre bedeutungsvollen<br />
Texte bleiben stets im vordergrund und<br />
machen dieses album zu einem echten rohdiamanten.<br />
In jedem Song entdeckt mary<br />
ocher ihre Stimme neu; von kreischigen<br />
Tönen bis zu melodiösem Sprechgesang<br />
entwickelt sie eine mischung aus Funk und<br />
Punk. In Songs wie „The Sounds of war“ oder<br />
„Don’t come running“ singt sie über krieg<br />
und die Schlachtrufe in einer männerdominierten<br />
Welt, über eifrige Soldaten und<br />
militaristische Propaganda. mary ocher<br />
wurde <strong>als</strong> mariya ocheretianskaya in moskau<br />
geboren (1986), seit fünf Jahren lebt sie<br />
in Berlin und macht sowohl solo <strong>als</strong> auch<br />
mit ihrer Band „mary and the Baby cheeses“<br />
musik. nach zahlreichen auftritten <strong>als</strong><br />
Straßenmusikerin ist die Freude über das<br />
erste Studioalbum groß und die Sängerin<br />
vielleicht bald schon kein geheimtipp mehr.<br />
www.maryocher.com. eb<br />
abo-Verwaltung: WIr FraUen e. v., anke Pfromm, Postfach 10 27 02, 44727 Bochum,<br />
Fax: 02 34 / 4 38 69 19, aB: 02 34 / 4 38 69 20. Bei Umzug bitte die neue adresse<br />
mitteilen.<br />
jahresbezugspreis: Postvertriebsstück, jährlich 15,- €, Förder-abo jährlich 26,- €,<br />
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Kündigungen müssen 6 Wochen vor Jahresende schriftlich beim verein eingehen.<br />
issn 0178-6083
Rosa Manus<br />
geBoren 20.8.1881 in<br />
amsteRDam<br />
geSTorBen 28.4.1943 in<br />
RaVensbRücK<br />
geBoren 22.8.1871 in<br />
Kowno/LitaUen<br />
geSTorBen 3.8.1935 in<br />
beRLin<br />
Die Organisatorin<br />
Das Internet schweigt sich über die niederländische<br />
Feministin aus und auch die Fachliteratur<br />
erzählt wenig über die einstige vizepräsidentin<br />
des Weltbundes für das <strong>Frauen</strong>stimmrecht und<br />
gründerin des Internationalen archivs der <strong>Frauen</strong>bewegung.<br />
Dabei sah rosa manus genau darin<br />
ihre lebensaufgabe: <strong>Frauen</strong> Präsenz und eine<br />
Stimme zu verschaffen.<br />
am 20. august 1881 wird rosette Susanna<br />
manus in eine wohlhabende jüdisch-niederländische<br />
Familie hineingeboren. nach dem Besuch<br />
eines mädchenpensionats in der Schweiz will sie<br />
nur eins: unabhängig sein.<br />
heimlich plant sie die eröffnung eines modegeschäfts.<br />
Doch der Traum platzt. vater manus,<br />
ein erfolgreicher Tabakhändler, ist der meinung,<br />
dass großbürgerliche <strong>Frauen</strong> kein geld verdienen<br />
sollten.<br />
<strong>als</strong> Saalordnerin bei der dritten konferenz des<br />
„Weltbundes für <strong>Frauen</strong>stimmrecht“ in amsterdam<br />
lernt rosa manus 1908 den Feminismus<br />
und carrie chapman catt, die vorsitzende des<br />
Weltbundes, kennen. Beeindruckt von manus’ organisatorischen<br />
Fähigkeiten, holt catt die 27-Jährige<br />
nach london. Sprachbegabt und abenteuerlustig,<br />
so reist rosa manus für den <strong>Frauen</strong>bund<br />
durch Südamerika, den vorderen orient, nach<br />
Lydia Rabinowitsch-Kempner<br />
lydia rabinowitsch stammte aus einer liberalen<br />
jüdischen Brauerei-Familie, die wohlhabend war<br />
und alle kinder, mädchen wie Jungen, studieren<br />
ließ. Doch zu dieser Zeit war es <strong>Frauen</strong> verboten,<br />
zu studieren.<br />
<strong>als</strong>o ging die junge Frau zunächst nach Bern<br />
und dann nach Zürich. Dort gehörte sie zu den<br />
Pionierinnen des <strong>Frauen</strong>studiums und promovierte<br />
1894. Ihr Interesse galt dem neuen Feld der<br />
Bakteriologie, das sie auf einer – unbezahlten –<br />
assistenzstelle bei robert koch in Berlin ausbauen<br />
konnte.<br />
Für einige Jahre war sie an einem medizin-college<br />
in den USa tätig und erhielt 1897 den Titel<br />
<strong>als</strong> Professorin für Bakteriologie, der außerhalb<br />
der USa nicht anerkannt war. Schließlich lernte<br />
sie ihren mann Walter kemper kennen, die beiden<br />
heirateten, bekamen mehrere kinder und lebten<br />
in Berlin, sie trug bewusst den Doppelnamen.<br />
1912 wurde sie <strong>als</strong> erste Frau in Berlin zur Professorin<br />
ernannt, die habilitation blieb ihr weiterhin<br />
verwehrt. Zu dieser Zeit war sie bereits durch<br />
ihre Publikationen und Forschungen weltweit be-<br />
Führende Expertin für Tuberkulose<br />
Daten UnD taten 35<br />
Bulgarien, in die Türkei. Sie ermuntert <strong>Frauen</strong> auf<br />
der ganzen Welt, sich am kampf für ihre rechte<br />
zu beteiligen. rosa manus ist keine Frontfrau.<br />
Sie ist die Sekretärin, die assistentin, die vizepräsidentin.<br />
Sie agiert effektvoll im hintergrund,<br />
versteht schon anfang des 20. Jahrhunderts die<br />
hohe kunst des Fundraisings und weiß, wie wichtig<br />
gute Öffentlichkeitsarbeit ist.<br />
Sie ist nicht die Stimme der <strong>Frauen</strong>bewegung,<br />
sie organisiert sie. Für die große abrüstungskonferenz<br />
des völkerbundes 1932 sammelt die<br />
netzwerkerin über acht millionen Unterschriften.<br />
Sie gewinnt Präsidentengattin eleanor roosevelt<br />
für die kampagne gegen ein Berufsverbot verheirateter<br />
<strong>Frauen</strong>. Und realisiert eine ausstellung,<br />
die über 300.000 internationale BesucherInnen<br />
zählt.<br />
1935 gründet rosa manus das „Internationale<br />
archiv der <strong>Frauen</strong>bewegung“ (Iav) in amsterdam.<br />
Die nation<strong>als</strong>ozialisten verschleppen die<br />
Sammlung 1941 und verhaften die Jüdin. Sie<br />
stirbt im Frühjahr 1943 in ravensbrück. auf<br />
ihrem grabstein steht: „rosa manus (…) hat ihr<br />
organisationstalent und ihre menschenkenntnis,<br />
ihre energie und ihr vermögen darauf verwendet,<br />
<strong>Frauen</strong> voran zu bringen.“ Weiterführende Informationen:<br />
www.aletta.nu<br />
Anna Hoff<br />
kannt. auf sie geht die Pasteurisierung der milch<br />
zurück, denn sie wies nach, dass Tuberkulose<br />
durch infizierte milch übertragen wird. acht Jahre<br />
später, mit 49 Jahren, übernahm sie die Direktion<br />
des Bakteriologischen Instituts am krankenhaus<br />
moabit in Berlin und die herausgabe der Fachzeitschrift<br />
„Zeitschrift für Tuberkulose“.<br />
„meine mutter gehörte zu dem kleinen kreis von<br />
<strong>Frauen</strong>, die man heute emanzipiert nennt, die<br />
ersten Doktorinnen, die ersten Professorinnen<br />
und Schuldirektorinnen erschienen sonntags<br />
zum kaffee. (…) meine mutter wurde vorsitzende<br />
einer Stiftung zur Unterstützung weiblicher<br />
Studenten, die aus eignen mitteln nicht studieren<br />
konnten, denn Studieren kostete dam<strong>als</strong> viel<br />
geld …“.<br />
Zeit ihres lebens setzte sie sich für <strong>Frauen</strong>rechte<br />
und das Wahlrecht ein. Doch nach 1933 wurde<br />
sie zwangspensioniert, sorgte dafür, dass ihre<br />
noch lebenden kinder emigrieren konnten, und<br />
starb 1935. Das ehrengrab befindet sich auf dem<br />
Parkfriedhof in Berlin-lichterfelde. Zudem gibt<br />
es an der charité ein Stipendium, das nach ihr<br />
benannt wurde. mv<br />
wiR FRaUen 2.2011
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WIr FraUen e. v., anke Pfromm, Postfach 10 27 02, 44727 Bochum<br />
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vom Kuchen.<br />
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