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Gesamte Ausgabe als PDF (4,7 MB) - Wir Frauen

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Das Feministische Blatt<br />

GenDeRDisKURs eIne menge FUSSnoTen<br />

KRieG UnD FRieDen BerIchTe aUS TUneSIen, algerIen, Dakar<br />

Lesben keIn „chrISTIna-STreeT-Day“<br />

sexUaLisieRte GewaLt PrävenTIon Im SPorTUnTerrIchT<br />

30. Jahrgang | Sommer 2/2011<br />

ISSn 0178-6083 | 3,00 eUro<br />

Eure<br />

feministische<br />

Wahrheit<br />

hat Platz!<br />

www.meinefeministischewahrheit.de<br />

Queer und Gender<br />

(re-)politisieren!?<br />

www.wirfrauen.de


2<br />

KoRinthe<br />

an Bosch<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

liebe Bosch-entwickler, liebe Bosch-Werbeagentur,<br />

Ihre Werbung für Ihre hauseigenen Solarzellen fordert<br />

mich <strong>als</strong> Frau, und zwar auf, Solarzellen zu küssen. erstens<br />

küsse ich keine Solarzellen, auch wenn Sie diese vorstellung<br />

offensichtlich für sexy halten. Zweitens finde ich Ihre<br />

Zusammenführung von Solarzellen und einer küssenden<br />

Frau mit dem entsprechenden Text ein armutszeugnis<br />

für das, was sich jenseits von Technik in Ihren köpfen<br />

abspielt. Solange die Frau auf dem Bild nicht mit einem<br />

mann austauschbar ist und der Inhalt sich deshalb nicht<br />

ändert, solange ist diese Werbung frauenfeindlich. nun<br />

noch einmal in Ihrer Sprache:<br />

a + b = c muss entsprechen a + d = c<br />

Proof it.<br />

mechthilde vahsen


Liebe <strong>Frauen</strong>,<br />

inhaLt<br />

2 KoRinthe soLaReneRGie<br />

diesen Frühling werden wir sicher<br />

noch lange erinnern: Der atomare<br />

Wahnsinn muss endlich ein ende<br />

haben und treibt viele von uns auf die Straße – in nordafrika fegen<br />

menschen Diktaturen hinweg – noch und wieder einmal wird<br />

krieg geführt angeblich zum Schutz von „<strong>Frauen</strong>undkindern“. Uns<br />

allen bleibt dieser Tage kaum Zeit zum Innehalten. Und dennoch –<br />

auch daran möchten wir erinnern:<br />

vom 26. Juni bis 17. Juli wird die FIFa-<strong>Frauen</strong>-Wm in Deutschland<br />

ausgetragen. es ist ein offenes geheimnis: viele Profi-Fußballerinnen<br />

sind lesbisch. ein outing ist aber scheinbar immer noch<br />

ein Wagnis. „häufig vereinbaren die vereine Stillschweigen mit<br />

den Spielerinnen, um Imageschäden zu vermeiden. homosexuelle<br />

sollen bitte hinter geschlossener Schlafzimmertür lesbisch oder<br />

schwul sein“, so Tatjana eggeling, die über „homosexualität im<br />

Sport“ forscht und <strong>als</strong> Beraterin für homosexuelle Sportler_innen<br />

tätig ist. Die lag lesben in nrW und der lSvD landesverband<br />

nrW haben deshalb eine kampagne initiiert, die mit Bannern,<br />

Plakaten und klatschpappen lautstark gegen Diskriminierung mobilisiert:<br />

„<strong>Frauen</strong>fußball ist alles – auch lesbisch!“ <strong>Wir</strong> freuen uns<br />

auf spannende Spiele und gute Stimmung in den Fan-kurven!<br />

es gibt noch einen grund zum Feiern: Die Partei DIe lInke verlieh<br />

zum 100. Internationalen <strong>Frauen</strong>tag erstm<strong>als</strong> den clara-Zetkin-<br />

<strong>Frauen</strong>preis. Die auszeichnung für das lebenswerk ging an<br />

Florence hervé – ausschlaggebend waren ihre verdienste um eine<br />

fundierte Zetkin-rezeption jenseits von klischees, ihr internationalistisches<br />

engagement und ihr einsatz für feministische Projekte<br />

wie z. B. die „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“. <strong>Wir</strong> gratulieren! Ferner wurde das<br />

Projekt Discover Football des vereins Fußball und Begegnung e. v.<br />

ausgezeichnet. Die Initiator_innen veranstalten auch 2011 wieder<br />

die „kleine Wm in kreuzberg“, bei derinternationale <strong>Frauen</strong>fußballteams<br />

eine Woche lang um den Pokal kicken. Die Spielerinnen<br />

setzen sich in ihren heimatländern für soziale Fragen ein: Die<br />

Spielerinnen der afghanischen <strong>Frauen</strong>-nationalelf sehen sich <strong>als</strong><br />

vorreiterinnen für <strong>Frauen</strong>rechte, für Togo kicken ehrenamtliche<br />

Juristinnen, die für <strong>Frauen</strong>rechte kämpfen, ruandas Delegation<br />

betreibt in ihrem heimatland u. a. aufklärung zu hIv/aids und gender-Themen,<br />

die Spielerinnen von mifalot hinuch aus Israel sind<br />

christinnen, Jüdinnen, Drusinnen und muslimas – der club organisiert<br />

soziale Projekte für Jugendliche im nahen osten, die Slum<br />

Soccer aus Indien initiieren Fußballtrainings-camps, Bildungs- und<br />

gesundheitsworkshops und soziale entwicklungsprogramme<br />

(www.discoverfootball.de). ein Projekt zum nachmachen!<br />

Traurig stimmt uns, dass die feministische Zeitschrift aUF ihr<br />

erscheinen einstellt. Die älteren redakteurinnen sind müde, die<br />

prekären arbeitsverhältnisse lassen den jüngeren kaum mehr<br />

Zeit für ehrenamtliches engagement, es fehlt an rezeption und<br />

nachwuchs. mit einem Furioso soll die letzte aUF erscheinen und<br />

reflektieren: Feminismus, <strong>Frauen</strong>bewegung, <strong>Frauen</strong>rechte – wofür<br />

steht das im kontext der globalisierung, wie entwickeln sich<br />

die theoretischen Zugänge, was bedeuten diese für die kämpfe<br />

um autonomie und Selbstbestimmung aller Personen (welchen<br />

geschlechts und welcher herkunft auch immer), was gibt es an<br />

gesellschaftlichen Perspektiven in der linken, wieso springen zum<br />

Teil auch konservative kräfte auf feministische Forderungen auf,<br />

welcher Zusammenhang besteht zur arbeitsmarktpolitik. Wo<br />

stehen wir, was haben wir erreicht, was fehlt und wie weiter? Und<br />

wo wird versucht, die geschichte zurückzudrehen, wo geschieht<br />

das bereits, wie verhindern? Die ausgabe ist zu bestellen unter:<br />

auf@auf-einefrauenzeitschrift.at.<br />

Das multikulturelle <strong>Frauen</strong>magazin gazelle hofft auf ein kleines<br />

Wunder: Wenn 1.000 <strong>Frauen</strong> sich bereit erklären, ein abo zu erwerben,<br />

kann die Zeitschrift wieder erscheinen. alles andere wäre<br />

ein großer verlust: mit meinungsfreudigen artikeln schreiben<br />

die autorinnen der gazelle gegen „wohlmeinende“ klischees und<br />

vorurteile in Bezug auf musliminnen und migrantinnen an und<br />

fördert den „Dialog in augenhöhe“: www.gazelle-magazin.de.<br />

Wie steht es um „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“? Die zahlreichen aktivitäten rund<br />

um den 8. märz und euer engagement haben uns viele neue<br />

abos beschert – zugleich dürfen wir nicht nachlassen, weitere<br />

abonnentinnen und Förderinnen zu gewinnen. Das Fortbestehen<br />

der „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“ gilt es immer wieder neu zu sichern. an neuen<br />

redakteurinnen fehlt es nicht und derzeit freuen wir uns zudem<br />

über die tolle Unterstützung unserer Praktikantin anna Schiff.<br />

aber nach wie vor finanzieren wir die jeweils vierte ausgabe im<br />

Jahr allein über Spenden. Unser vertriebsweg nummer 1 sind<br />

immer noch eure herzliche empfehlung und das geschenkabo für<br />

eure Freundinnen!<br />

es grüßen euch herzlich<br />

Melanie, Mechthilde, Gabriele und Mareen<br />

redaktionsschluss dieser ausgabe: 10. mai 2011. Die herbstausgabe beschäftigt sich mit der Dominanz von mehrheiten. Titelbild: mediendepot ruhr. <strong>Wir</strong><br />

bitten um Beachtung der Beilagen von Schlangenbrut, lila Box und Sandra Wöhe<br />

schweRpUnKt<br />

6 QUeeR UnD GenDeR Re-poLitisieRen<br />

8 DeFinitionen UnD KRitiK<br />

von links und rechts<br />

10 eins, zwei … VieLe GeschLechteR<br />

Uschi Siemens liest heinz-Jürgen voß<br />

12 GenDeR-maniFest<br />

Plädoyer für eine kritisch reflektierende<br />

Praxis<br />

15 KoopeRation Von QUeeReR UnD<br />

FeministischeR KRitiK<br />

mareen heying sucht gemeinsamkeiten<br />

meIne FemInISTISche WahrheIT<br />

18 statements zUR FeiGheit DeR FRaUen<br />

krIeg UnD FrIeDen<br />

20 aUs DaKaR: so-, so-, soLiDaRité<br />

22 aUs tUnesien: FüR Die tRennUnG Von<br />

staat UnD ReLiGion<br />

24 aUs aLGeRien: Das netzweRK wassiLa<br />

ProJekTe<br />

26 saG´ miR wo Die Lesben sinD Von eLKe<br />

ambeRG<br />

28 aUGspURG-heymann-pReis an tanja<br />

waLtheR-ahRens<br />

kUlTUr<br />

29 biRGit paLzKiLL übeR pRäVention im<br />

spoRtUnteRRicht<br />

geSehen<br />

32 shoRtcUt to jUstice<br />

DaTen UnD TaTen<br />

35 Rosa manUs / LyDia Rabinowitsch-<br />

KempneR<br />

aUSSerDem<br />

4/5 hexenfunk<br />

33/34 gelesen<br />

34 Impressum<br />

eDitoRiaL / inhaLt 3<br />

wiR FRaUen 2.2011


4<br />

hexenFUnK<br />

Hollaback = Schrei zurück<br />

Die Idee kommt aus den USa – junge <strong>Frauen</strong> um die<br />

new yorkerin emily may lancierten vor sechs Jahren<br />

die Plattform «hollaback». Wer belästigt worden<br />

ist, kann dort den Übergriff und den Weg aus der<br />

bedrohlichen Situation schildern. <strong>als</strong> Belästigung definiert<br />

emily may jedes verhalten, das <strong>Frauen</strong> angst<br />

macht. Fast alle <strong>Frauen</strong> sind von dieser art der Belästigung<br />

betroffen. Das Ziel von «hollaback» (Schrei<br />

zurück) ist eine weltweite kampagne gegen sexuelle<br />

Belästigung im öffentlichen raum. mittlerweile gibt<br />

es auch außerhalb der USa «hollaback»-Seiten, vor<br />

kurzem schalteten aktivistinnen aus Berlin und aus<br />

Dortmund «hollaback»-Seiten online. Die Dortmunder<br />

Seite wird von <strong>Frauen</strong> betrieben, die ehrenamtlich<br />

zum Thema <strong>Frauen</strong>rechte arbeiten. Sie sind der<br />

Überzeugung, dass jeder mensch das recht hat, sich<br />

sicher zu fühlen. niemand darf zum objekt degradiert<br />

werden. „Sexuelle Belästigung ist ein Weg, der<br />

geschlechtsspezifische gewalt zu gesellschaftlicher<br />

akzeptanz verhilft. Für die ahndung von sexueller<br />

Belästigung und missbrauch im häuslichen sowie<br />

beruflichen Bereich existieren gesetze, doch wenn<br />

es um die Straße geht – gibt es eine lücke.“ mit den<br />

persönlichen Berichten auf «hollaback» wird nun<br />

Öffentlichkeit mit dem Ziel des gesellschaftlichen<br />

Wandels geschaffen. adressen Deutschland: http://<br />

berlin.ihollaback.org, http://dortmund.ihollaback.<br />

org. Wer eine «hollaback»-Seite anlegen will, erhält<br />

vom US-Team die nötigen Informationen: www.<br />

ihollaback.org/the-movement<br />

Ugandische Aktivistin ausgezeichnet<br />

Die ugandische homosexuellen-aktivistin kasha<br />

Jacqueline nabagesera wurde in genf für ihre<br />

couragierte arbeit mit dem jährlichen menschenrechtspreis<br />

der martin enn<strong>als</strong> Stiftung ausgezeichnet.<br />

In der laudatio für den mit 20.000 Schweizer<br />

Franken (etwa 15.600 euro) dotierten Preis hieß es,<br />

nabagesera sei eine außergewöhnliche Frau mit<br />

besonderem mut, die unter Bedrohung ihres lebens<br />

für menschliche Würde und die rechte von homosexuellen<br />

und benachteiligten menschen in afrika<br />

kämpfe. Sie ist die gründerin und vorsitzende der<br />

organisation „Freedom and roam Uganda“ und hat<br />

sich in verschiedenen radiosendungen schon oft<br />

gegen homophobie in ihrem heimatland geäußert.<br />

In der laudatio wurde auch auf die zahlreichen<br />

gewalttätigen Übergriffe auf sie hingewiesen. Ihr<br />

name erschien auf einer liste einer ugandischen<br />

Zeitschrift, die dazu aufrief, homosexuelle zu<br />

hängen, weshalb sie gezwungen ist, ihren Wohnsitz<br />

ständig zu ändern. Die auszeichnung kommt<br />

drei monate nach dem mord an dem international<br />

bekannten ugandischen homosexuellen-aktivisten<br />

David kato, der mit nabagesera auf verschiedene<br />

Weise zusammengearbeitet hatte. Die Polizei in<br />

kampalo ließ verlautbaren, dass kato von einem Sex-<br />

Partner ermordet worden sei. Ugandische homosexuellen-aktivistInnen<br />

behaupten, dass die regierung<br />

mit dieser erklärung lediglich internationaler kritik<br />

vorbeugen wolle. Der enn<strong>als</strong> Preis ist die größte auszeichnung<br />

der globalen menschenrechtsbewegung.<br />

Die auszeichnung ist nach dem ersten vorsitzenden<br />

von amnesty International, martin enn<strong>als</strong>, der 1991<br />

verstarb, benannt. Der Preis soll menschenrechtsarbeit<br />

befördern. (dieStandard)<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

Rosa Luxemburg zum 140. Geburtstag<br />

Zunächst politisch in der SPD beheimatet, provozierte<br />

sie 1914 mit ihrer bedingungslosen haltung<br />

zum krieg und zu den kriegskrediten zusammen<br />

mit liebknecht, mehring, Zetkin u. a. die Spaltung<br />

der SPD. <strong>als</strong> gründungsmitglied der kPD war sie<br />

maßgeblich am ersten Parteiprogramm beteiligt. am<br />

15. Januar 1919 wurde sie von mördern in Uniform<br />

erschlagen – leute, die zu jenen kreisen gehörten,<br />

die später offen die Übergabe der macht an die<br />

nation<strong>als</strong>ozialisten unterstützten. Sie sprach mehrere<br />

Sprachen, war hochgebildet, emanzipiert und<br />

lebte völlig selbstbestimmt. Bei aller kompromisslosigkeit<br />

in ihrer eigenen politischen haltung war<br />

ihr die Freiheit der andersdenkenden das höchste<br />

gut: „Freiheit nur für die anhänger der regierung,<br />

nur für mitglieder einer Partei – mögen sie noch so<br />

zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer<br />

Freiheit der andersdenkenden. nicht wegen des<br />

Fanatismus der »gerechtigkeit«, sondern weil all das<br />

Belebende, heilsame und reinigende der politischen<br />

Freiheit an diesem Wesen hängt und seine <strong>Wir</strong>kung<br />

versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird.“<br />

Der münchner Freidenker-verband hat in erinnerung<br />

an rosa luxemburg zu ihrem 140. geburtstag nun<br />

eine anregende Broschüre mit 17 kurztexten zu<br />

verschiedenen aspekten des lebens und Werks der<br />

Sozialistin herausgegeben. Bestellungen: Freidenkerverband,<br />

Fleischerstr. 3, 80337 münchen, e-mail:<br />

muenchen@freidenker.de. Schutzgebühr: 2 €<br />

Machen ModeherstellerInnen junge Mädchen<br />

zu Sexobjekten?<br />

laut einer neuen Studie aus den USa ist dies<br />

tatsächlich der Fall: Bis zu 30 Prozent der online<br />

erhältlichen kleidung für junge mädchen ist „sexy“<br />

oder sehr geschlechtsbetont. Die Studie wurde von<br />

Samantha goodin und einem wissenschaftlichen<br />

Team unter der leitung von Sarah murnen, Professorin<br />

für Psychologie am kenyon college, durchgeführt.<br />

nach ansicht der Wissenschaftlerinnen hat diese<br />

entwicklung ganz erhebliche auswirkungen auf die<br />

Selbstwahrnehmung der mädchen, die sich dadurch<br />

an femininen körperlichen reizen orientiert. Damit<br />

wird sexuelle Identität für sie schon in ganz jungen<br />

Jahren zu einem Thema. Sie sehen ihren körper <strong>als</strong><br />

„gegenstand“, der ausschließlich unter dem aspekt<br />

ihrer – oft sexuellen – attraktivität beurteilt wird.<br />

In anbetracht der negativen auswirkungen dieser<br />

Selbstwahrnehmung, wie zum Beispiel Unzufriedenheit<br />

mit dem äußeren, Depressionen, mangelndes<br />

Selbstbewusstsein und geringes Selbstwertgefühl,<br />

untersuchten goodin und ihr Team, inwieweit die<br />

kleidung von mädchen unter zwölf Jahren möglicherweise<br />

zu dieser Selbstwahrnehmung beiträgt.<br />

„Unsere Studie macht deutlich, dass mädchenkleidung<br />

oft in zweierlei hinsicht sexualisierend ist. Die<br />

kombination von stark geschlechtsbetonten und<br />

kindlichen merkmalen verdeckt häufig die Sexualisierung.<br />

Unsichere eltern lassen sich vielleicht<br />

überreden, den minirock im leopardendruck zu<br />

kaufen, wenn er grell pink ist. ein kleidungsstück<br />

wirkt allerdings oft trotz Schleifen und Batikdruck<br />

noch sexy. <strong>Wir</strong> glauben, dass diese art sich zu kleiden<br />

dazu beitragen könnte, dass sehr junge mädchen<br />

in die rolle eines Sexualobjekts gedrängt werden“,<br />

kommentieren die autorinnen. (red) Studie „Putting<br />

on“ sexiness: a content analysis<br />

of the presence of sexualizing<br />

characteristics in girls’ clothing<br />

(DoI 10.1007/s11199-011-9966-<br />

8), erschienen in der onlineausgabe<br />

des Springer-Journ<strong>als</strong><br />

„Sex roles“.<br />

Die Mädchen von<br />

Zimmer 28<br />

Zwölf bis vierzehn Jahre alt waren<br />

die mädchen, die von 1942 bis<br />

1944 im mädchenheim l 410 in<br />

Theresienstadt zusammenlebten;<br />

30 Quadratmeter für dreißig<br />

mädchen, das war Zimmer 28.<br />

Sie waren „ghetto-häftlinge“,<br />

einige der etwa 140.000 menschen,<br />

die durch das nS-regime<br />

ausgegrenzt, verfolgt, beraubt,<br />

entrechtet und schließlich in das<br />

konzentrationslager Theresienstadt<br />

deportiert wurden. Dort,<br />

im mädchenheim l 410, trafen<br />

ihre Wege aufeinander. <strong>als</strong> ab Juli<br />

1943 die kinderoper „Brundibár“<br />

geprobt wurde, waren auch mädchen<br />

von Zimmer 28 dabei – ela<br />

Stein <strong>als</strong> katze, maria mühlstein<br />

<strong>als</strong> Spatz, handa und Flaška<br />

(anna hanusová) sangen im<br />

chor der Schulkinder. Über Jahre<br />

hinweg haben zehn der <strong>Frauen</strong><br />

gemeinsam mit der kuratorin<br />

hannelore Brenner-Wonschick<br />

erinnerungen und Dokumente für<br />

eine ausstellung zusammengetragen:<br />

„Die mädchen von Zimmer<br />

28, l 410, Theresienstadt“. Sie<br />

wollen damit an die Freundinnen<br />

und an all jene erinnern, die im<br />

holocaust ermordet wurden<br />

sowie das engagement jener<br />

erwachsenen in Theresienstadt<br />

würdigen, die alles dafür taten,<br />

um die kinder vor der „entwertung<br />

des guten“ (Fredy hirsch) zu<br />

bewahren. Die ausstellung wurde<br />

bereits an über 60 ausstellungsorten<br />

in verschiedenen ländern<br />

gezeigt (2008 auch im Deutschen<br />

Bundestag), nun wird sie in Wien<br />

gezeigt. Weitere Infos zur ausstellung:<br />

www.room28projects.com.<br />

ausstellungsort bis 30.06.2011:<br />

Psychosoziales Zentrum eSra,<br />

Tempelgasse 5, 1020 Wien<br />

Datenbank über geschlechterbezogene<br />

Unterschiede<br />

in der Inneren Medizin<br />

Im märz 2011 trafen sich vertreterinnen<br />

und vertreter aus<br />

gesundheitswirtschaft, krankenkassen,<br />

Politik und medien<br />

aus Deutschland und Österreich<br />

im herzzentrum Berlin zu einem


Workshop „gendermedizin<br />

und Öffentlichkeit“, um zum<br />

Thema geschlechterbezogene<br />

Unterschiede in der Inneren<br />

medizin zu diskutieren und ein<br />

entsprechendes netzwerk zu<br />

gründen. erste erfahrungen,<br />

wie unterschiedlich <strong>Frauen</strong>- und<br />

männermedizin ist, liegen in<br />

der kardiologie, aber auch in<br />

Fachbereichen wie Zahnmedizin,<br />

Diabetologie, rheumatologie und<br />

der Intensivmedizin vor. auch in<br />

der arzneimittelforschung gibt es<br />

schon erste Studienergebnisse.<br />

Die krankenkassen stellen ebenfalls<br />

eine wachsende nachfrage<br />

nach geschlechterbezogenen<br />

gesundheitsangeboten und -informationen<br />

fest und wollen ihr<br />

angebot künftig stärker darauf<br />

ausrichten. ein Ziel des netzwerkes<br />

ist deshalb vor allem der<br />

Informationsaustausch innerhalb<br />

des gesundheitssystems. Im<br />

rahmen eines Pilotprojekts zur<br />

geschlechterforschung in der<br />

medizin entstand nun die erste<br />

umfassende Datenbank zu den<br />

Unterschieden zwischen männern<br />

und <strong>Frauen</strong> in der Inneren<br />

medizin. Die Datenbank enthält<br />

über 4.500 wissenschaftliche<br />

Publikationen und richtet sich an<br />

medizinerinnen und mediziner in<br />

Praxis und Forschung, aber auch<br />

an die interessierte Öffentlichkeit.<br />

Das Projekt unter der leitung von<br />

Dr. med. vera regitz-Zagrosek,<br />

Direktorin des Instituts für<br />

geschlechterforschung in der<br />

medizin an der charité Universitätsmedizin<br />

in Berlin, wurde vom<br />

Bundesministerium für Bildung<br />

und Forschung gefördert.<br />

(frauennrw.de) Weitere Infos:<br />

www.gendermed.info<br />

Erstm<strong>als</strong> Frau an Spitze<br />

weltgrößter Physik-Gesellschaft<br />

Die heidelberger Professorin<br />

Johanna Stachel wird ab april<br />

2012 Präsidentin der Deutschen<br />

Physikalischen gesellschaft<br />

(DPg). mit der 56-jährigen kern-<br />

und Teilchenphysikerin wird<br />

erstm<strong>als</strong> eine Frau die leitung<br />

der weltgrößten physikalischen<br />

Fachvereinigung übernehmen.<br />

Johanna Stachel ist Professorin<br />

für experimentalphysik an<br />

der Universität heidelberg. am<br />

internationalen Forschungszentrum<br />

cern in genf ist sie<br />

überdies an den experimenten<br />

mit dem Teilchenbeschleuniger<br />

lhc beteiligt. Im mittelpunkt<br />

ihrer Forschung steht das „Quark-gluon-Plasma“. aus<br />

diesem materiezustand, der unmittelbar nach dem<br />

Urknall den kosmos erfüllte, entwickelten sich einst<br />

grundbausteine der materie und schließlich alles,<br />

was wir heute im Universum vorfinden. Der lhc<br />

macht es möglich, diese kosmische „Ursuppe“ im labormaßstab<br />

nachzubilden und zu untersuchen. Die<br />

Präsidentschaft der DPg ist ein ehrenamt auf jeweils<br />

zwei Jahre. Die DPg, deren Tradition bis in das Jahr<br />

1845 zurückreicht, ist die älteste nationale und mit<br />

über 59.000 mitgliedern auch größte physikalische<br />

Fachgesellschaft der Welt. (red)<br />

Lise Meitners Töchter – Physikerinnen<br />

stellen sich vor<br />

eine gemeinsame ausstellung der Deutschen Physikalischen<br />

gesellschaft (DPg) und der Österreichischen<br />

Physikalischen gesellschaft (ÖPg) wird noch<br />

bis zum 24. Juli 2011 im <strong>Frauen</strong>museum Wiesbaden<br />

gezeigt. lise meitner (1878–1968), eine der bedeutendsten<br />

Physikerinnen ihrer Zeit, promovierte 1906<br />

<strong>als</strong> zweite Frau an der Universität Wien. Sie lieferte<br />

1939 die erste physikalisch-theoretische erklärung<br />

der kernspaltung. neben der kernphysikerin lise<br />

meitner präsentiert die ausstellung auf anschauliche<br />

und spannende Weise fünfzehn Wissenschaftlerinnen<br />

aus Deutschland und Österreich. „<strong>Wir</strong> stellen<br />

<strong>Frauen</strong> vor, die mit Begeisterung Physik studiert<br />

haben und dort eine karriere verfolgen oder verfolgt<br />

haben. Diese <strong>Frauen</strong> berichten sehr persönlich von<br />

ihrem Werdegang und ihrer motivation, in diese Wissenschaft<br />

zu gehen.“ (Barbara Sandow, Physikerin)<br />

www.frauenmuseum-wiesbaden.de<br />

Fußball wird weiblich<br />

Pünktlich zur <strong>Frauen</strong>fußball-Wm eröffnet das Bonner<br />

<strong>Frauen</strong>museum eine ausstellung zum Thema <strong>Frauen</strong>fußball:<br />

faszinierende Spielerinnen, eine turbulente<br />

geschichte, Schlammschlachten und Triumph,<br />

Spaß, Wettkampf, Fairplay. einst <strong>als</strong> moralisch verwerflich<br />

geächtet und verboten, wird der <strong>Frauen</strong>fußball<br />

heute bejubelt. Während in england schon ende<br />

des 19. Jahrhunderts die ersten Fußballerinnen um<br />

die Wette kickten, galt das Fußballspiel in Deutschland<br />

für <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> moralisch verwerflich. neben der<br />

Präsentation der historischen entwicklung wirken<br />

auch künstlerinnen aus den teilnehmenden nationen<br />

mit. Ihre kunst rund um das Thema <strong>Frauen</strong>fußball<br />

gibt Denkanstöße, stellt in Frage, berauscht,<br />

entführt in fremde Fußball-Welten. Spektakulär wird<br />

es bei der eröffnungsveranstaltung am 22.5.: Sabine<br />

Jamme zeigt eine kunstperformance mit Fußballhigh-heels<br />

und marion Isbert, die ehemalige rekordnation<strong>als</strong>pielerin<br />

des DFB, schießt die Trophäe – das<br />

kaffeeservice – vom grünen museumsdach.<br />

www.frauenmuseum.de.<br />

25 Jahre Tschernobyl – Wege zu einer<br />

transnationalen Erinnerungskultur<br />

am 26. april 2011 jährte sich die reaktorexplosion<br />

im atomkraftwerk Tschernobyl zum 25. mal. Der im<br />

april 1986 freigesetzte radioaktive Fall-out betraf<br />

alle europäischen länder. Durch Tschernobyl wurde<br />

folglich die mit technologischen katastrophen ver-<br />

bundene grenzüberschreitende Bedrohung erstm<strong>als</strong><br />

realität. Die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen<br />

Folgen der Tschernobyl-katastrophe sind<br />

gravierend. In Belarus, der Ukraine und russland wurde<br />

eine Fläche von über 150.000 km 2 auf lange Zeit<br />

radioaktiv belastet. Zum Zeitpunkt der katastrophe<br />

lebten in diesen regionen etwa 7,2 millionen menschen,<br />

davon 2,2 millionen in Belarus und 2,4 millionen<br />

in der Ukraine. Für die katastrophenbekämpfung<br />

wurden zudem über 600.000 gemeinhin <strong>als</strong> „liquidatoren“<br />

bezeichnete menschen eingesetzt. all diese<br />

menschen sind langfristig erheblichen zusätzlichen<br />

gesundheitlichen risiken ausgesetzt, die durch die<br />

Strahlenbelastung und ihre Begleitprobleme bedingt<br />

sind. Das Internationale Bildungs- und Begegnungswerk<br />

erstellte eine Wanderausstellung „25 Jahre<br />

nach Tschernobyl – menschen – orte – Solidarität“,<br />

die zunächst in mehr <strong>als</strong> 30 Städten in Deutschland,<br />

Österreich und den niederlanden zu sehen ist. Bereits<br />

lange vor der neuen atomkatastrophe in Fukushima<br />

konzipiert, bekam diese ausstellung durch die reaktorkatastrophe<br />

in Fukushima nun weitere schreckliche<br />

aktualität. Die Wanderausstellung „25 Jahre<br />

nach Tschernobyl – menschen – orte – Solidarität“<br />

präsentiert viele neue erkenntnisse über das größte<br />

Unglück der atomenergie. Informationen über die<br />

ausstellungstermine, ZeitzeugInnengespräche und<br />

Begleitveranstaltungen in den Städten auf: www.ibbd.de/tschernobyl.html<br />

Deutsche Kommunalpolitikerinnen<br />

„engagiert vor ort – Wege und erfahrungen von<br />

kommunalpolitikerinnen“ ist die bisher umfangreichste<br />

Untersuchung über Deutschlands kommunalpolitikerinnen.<br />

Die Studie von Uta kletzing<br />

und Dr. helga lukoschat liefert zum einen aktuelle<br />

empirische Daten zur soziodemographischen<br />

Zusammensetzung und zu ein- und aufstiegswegen<br />

von kommunalpolitikerinnen. Zum anderen leitet sie<br />

handlungsempfehlungen für Parteien, zivilgesellschaftliche<br />

organisationen und kommunale akteur/<br />

innen ab, die die Debatte neu beleben und aufzeigen<br />

sollen, wie der <strong>Frauen</strong>anteil in der kommunalpolitik<br />

nachhaltig erhöht werden kann. Durchschnittlich<br />

ein viertel der kommunalen Parlamentssitze werden<br />

aktuell von <strong>Frauen</strong> besetzt. an den Spitzen von<br />

landkreisen, Städten und gemeinden finden sich<br />

etwa 10 Prozent landrätinnen und 5 Prozent (ober-)<br />

Bürgermeisterinnen. Zudem stagnieren die <strong>Frauen</strong>anteile<br />

in der kommunalpolitik seit den 1990er<br />

Jahren. Die Studie steht im pdf-Format und <strong>als</strong> kostenlose<br />

Broschüre auf den Webseiten der eaF, www.<br />

eaf-berlin.de, und des BmFSFJ, www.bmfsfj.bund.<br />

de, zur verfügung. nachwuchspolitikerinnen in der<br />

kommunalpolitik sollen mit dem helene Weber-Preis<br />

ausgezeichnet werden. erstmalig wurde der helene<br />

Weber-Preis im mai 2009 verliehen. Die hauptpreisträgerin<br />

und die 14 weiteren Preisträgerinnen bilden<br />

seitdem ein parteienübergreifendes netzwerk und<br />

sind gemeinsam aktiv in der gewinnung von <strong>Frauen</strong><br />

für die kommunalpolitik. Das diesjährige Bewerbungsverfahren<br />

läuft noch bis zum 20. Juni 2011.<br />

alle Infos zu Bewerbung, vorschlagsrecht etc.:<br />

www.helene-weber-preis.de. Büro des helene<br />

Weber-Preises, c/o eaF | europäische akademie<br />

für <strong>Frauen</strong> in Politik und <strong>Wir</strong>tschaft, e-mail: info@<br />

helene-weber-preis.de<br />

ZUSammengeSTellT von maRion GaiDUsch<br />

5<br />

wiR FRaUen 2.2011


6<br />

schweRpUnKt<br />

Queer und Gender<br />

re-politisieren?!<br />

TexT meLanie stitz<br />

1 www.vier-in-einem.de/index.<br />

php/2009/11/vortrag-feminismus-sozialismus-und-utopie.<br />

Dieser und weitere Texte von<br />

Frigga haug unter www.vier-ineinem.de.<br />

2 Tove Soiland: gender-konzept<br />

in der krise. Die reprivatisierung<br />

des geschlechts. Der Text<br />

ist in der Textsammlung zu<br />

den „kritischen Tagen zum geschlechterverhältnis“(hannover<br />

2010) zu finden. Ferner sind<br />

dort online Texte von roswitha<br />

Scholz, mascha madörin, heinz-<br />

Jürgen voss, melanie groß,<br />

gabriele Winker, eske Wollrad<br />

und Felicita reuschling.<br />

3 Queer, flexibel, erfolgreich.<br />

haben dekonstruktive ansätze<br />

den Feminismus entwaffnet?<br />

aus: ak – analyse und kritik –<br />

zeitung für linke Debatte und<br />

Praxis, nr. 558, 18.2.2011.<br />

4 Z. B. melanie groß, gabriele<br />

Winker (hrsg.): Queer-/Feministische<br />

kritiken neoliberaler<br />

verhältnisse. 2007.<br />

5 vgl. dazu auch Judith Butler,<br />

die keineswegs „nur“ einen<br />

akademisch relevanten Diskurs<br />

pflegt, sondern gleichwohl<br />

krieg, rassismus und Prekarisierung<br />

skandalisiert: gefährdetes<br />

leben – Politische essays,<br />

Frankfurt am main 2005.<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

π<br />

Queer und gender haben <strong>als</strong> kampfbegriffe<br />

gegen identitäre Zuschreibungen, Biologismen,<br />

geschlechterstereotype und heteronormativität<br />

karriere gemacht. Wer von gender spricht, meint<br />

geschlecht <strong>als</strong> soziale, historisch gewordene kategorie.<br />

Queer bezieht sich auf Identitäten, die in<br />

keine Schublade passen wollen, die sich nonkonform<br />

und schräg jeder eindeutigkeit verweigern.<br />

Das sind keine erfindungen der 1990er Jahre –<br />

hier geht es um einen alten Traum des Feminismus:<br />

Dass wir einander <strong>als</strong> menschen begegnen<br />

können, ohne hierarchisch zueinander gestellt zu<br />

sein, dass jede_r sich entwickeln und entfalten<br />

kann, frei von Zwang und Zuschreibungen. Frigga<br />

haug formuliert in ihrem vortrag „Feminismus,<br />

Sozialismus und Utopie“ (marburg 2009) dies <strong>als</strong><br />

feministische Perspektive:<br />

„In ihrer Fixierung auf je ein geschlecht sind beide<br />

menschen defizitär. eine sich <strong>als</strong> feministisch<br />

verstehende Utopie setzt daher auf die abschaffung<br />

der „geschlechter“ wie die sozialistische auf<br />

die abschaffung der klassen hoffte. Individuell<br />

bedeutet das, dass etwa die weiblichen menschen<br />

sich zunächst <strong>als</strong> menschen erfahren können,<br />

bevor sie sich <strong>als</strong> <strong>Frauen</strong> auf andere beziehen;<br />

kulturell geht es darum, das gesamte netz der<br />

vergeschlechtlichung, das unsere gesellschaften<br />

durchzieht, zu zerreißen; und strukturell wäre es<br />

an der Zeit, die unterschiedlichen menschlichen<br />

Belange, für welche jetzt die einzelnen geschlechter<br />

stehen und die <strong>als</strong> getrennte Bereiche<br />

gewöhnlich wahrgenommen werden, so zusammenzufügen,<br />

dass soziale, ökologische, kulturelle<br />

menschliche entwicklung Perspektive ist und<br />

nicht unwahrscheinliches Beiprodukt. Dies ist die<br />

einzig mögliche und zugleich überlebensnotwendige<br />

veränderungsarbeit, für die es utopischen<br />

Denkens bedarf. Daher bezieht Utopie realität.<br />

Sie kann nur aus einem Feminismus formuliert<br />

werden, der Widerstand und auf der Suche nach<br />

glück ist.“ 1<br />

Die herrschenden arbeitsteilungen, die Produktionsverhältnisse,<br />

werden ideologisch aufwendig<br />

abgesichert, z. B. mit der Idee der „zwei ge-<br />

schlechtscharaktere“ oder mit rassismen und<br />

anderen kolonialen Diskursen. So werden z. B.<br />

ganze gruppen „qua natur“ dazu ausersehen,<br />

jene Tätigkeiten zu verrichten, die zwar für unser<br />

aller Überleben wesentlich sind, zugleich aber<br />

gering geschätzt und wenig bis gar nicht entlohnt<br />

werden. Dies betrifft z. B. die Wiederherstellung<br />

von natur und arbeitskraft, Pflege und Sorge um<br />

menschen, die arbeit in der landwirtschaft …<br />

Die Trennungen verlaufen zwischen „mann“ und<br />

„Frau“, „Stadt“ und „land“ (bzw. „Zentrum“ und<br />

„Peripherie“) oder „kopf“ und „hand“.<br />

hier könnten wir dekonstruktive ansätze nutzen.<br />

<strong>Wir</strong> könnten analysieren und skandalisieren, auf<br />

welche Weise wir akteur_innen und Unterworfene<br />

dieser ordnungen sind, wie wir <strong>als</strong>o zu „Subjekten“<br />

werden und welche rolle „doing gender“<br />

dabei spielt. Dabei gilt es, auch die ökonomischen<br />

Bedingungen, die entwicklung der Produktionsverhältnisse<br />

mit zu reflektieren: Die Zukunft gehört<br />

dem „Top girl“ und nicht mehr der hausfrau<br />

mit gestärkter Schürze, wie wir sie aus den 1950er<br />

Jahren kennen.<br />

manche feministischen kritikerinnen bezweifeln<br />

das kritische Potenzial von gender und Queer in<br />

Theorie und Praxis. allzu lang habe sich queere<br />

kritik allein an kulturellen Fragen abgearbeitet<br />

und um repräsentation und Sichtbarkeit gerungen.<br />

In dieser hinsicht sind die neoliberalen<br />

verhältnisse aber erstaunlich flexibel. nichts<br />

entschärft konflikte besser <strong>als</strong> Integration. neben<br />

all den „Werde-ständig-besser/schneller/dünner-<br />

Formaten“ ist im Fernsehen ab und an durchaus<br />

noch Platz für eine queere Ikone wie Beth Ditto.<br />

Tove Soiland begreift gender selbst <strong>als</strong> mittlerweile<br />

hegemonial gewordene Subjektivierungstechnologie:<br />

„Indem es mich glauben macht, ich<br />

müsse mich gegen Festschreibungen wehren,<br />

lässt das konzept von gender mich genau jene<br />

Fähigkeiten erwerben, die ich brauche, um die<br />

widerstrebendsten, ja sich vielleicht gegenseitig<br />

ausschließenden anforderungen unter einen hut<br />

zu bringen. mein flexibilisiertes gender ist zur<br />

Schlüsselqualifikation meiner Ware arbeitskraft<br />

geworden. gender verhält sich zu den erfordernis


sen des neoliberalismus möglicherweise gerade<br />

dadurch funktional, weil es verkennt, dass der<br />

«Feind» sich längst verändert hat (…).“ 2<br />

Queer wurde und wird oft dezidiert in Stellung<br />

gebracht gegen die „großen erzählungen“ des<br />

marxismus und gegen die Idee von „<strong>Frauen</strong>“ <strong>als</strong><br />

kollektiv. Queer kritisiert die ausschlüsse in der<br />

sozialistischen und in der <strong>Frauen</strong>bewegung und<br />

die Ignoranz, alle menschen <strong>als</strong> männlich und alle<br />

<strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> weiß und heterosexuell zu denken –<br />

und diese Blindheit nicht mal zuzugeben. mit<br />

dieser kritik knüpfen queere konzepte an feministische<br />

(Selbst-)kritiken an, die schon lange vor<br />

den 1990er Jahren diskutiert wurden. Und sich<br />

alS Frau zu emanzipieren schließt durchaus ein,<br />

sich auch vom „Frau-Sein“ zu emanzipieren. Was<br />

<strong>als</strong>o ist neu?<br />

nicht auf einem auf Identität begründeten „<strong>Wir</strong>“<br />

basiert die queere Bewegung, sondern auf vielen<br />

einzelnen „atomen“, die sich punktuell und kurzfristig<br />

zu Bündnissen zusammenfinden, so die<br />

Idee. Wenn sich alle minderheiten zusammentun,<br />

gibt es keine „hegemoniale mehrheit“ mehr. auch<br />

große Teile der <strong>Frauen</strong>bewegung setzten in ihrer<br />

geschichte immer wieder auf Bündnisse mit anderen<br />

sozialen Bewegungen. Was <strong>als</strong>o bedeuten<br />

diese Differenzen für die konkrete Praxis?<br />

Tove Soiland kritisiert auch hier das völlige ausblenden<br />

der ökonomischen verhältnisse. Queerkonzepte<br />

beförderten in der konsequenz „eine<br />

etwas merkwürdig anmutende Feier sexueller<br />

Freiheiten, die sich auf das dem liberalen gedankengut<br />

eigentümliche recht auf andersheit zu<br />

berufen scheint, das sich – infolge der strikten<br />

abstinenz hinsichtlich kollektiver Forderungen –<br />

gleichwohl nicht um die materiellen Bedingungen<br />

kümmert, unter denen diese andersheit<br />

verwirklicht werden kann.“ 3<br />

Ist diese Kritik gerechtfertigt?<br />

Immer häufiger sind Queer-Feminismus und kapitalismuskritik<br />

Themen von kongressen und Publikationen.<br />

4 Die Initiator_innen der „kritischen<br />

Tage zum geschlechterverhältnis“ in hannover<br />

2010 schreiben in ihrem aufruf: „<strong>Wir</strong> sehen die<br />

unterschiedlichen Strömungen im Feminismus<br />

wie queere ansätze, feministisch-materialistische<br />

oder eher differenzfeministische nicht <strong>als</strong><br />

einander ausschließende konzepte. auf unserem<br />

kongress wollen wir versuchen, die verschiedenen<br />

ansätze über ihre entstehungsgeschichte<br />

zu verstehen, und ausprobieren, sie auf verschiedenen<br />

ebenen anzuwenden. Dabei entstehen im<br />

besten Fall Spannungen, die zu Bereicherungen<br />

in der analyse weiterentwickelt werden können.“<br />

lassen sich Queer-Feminismus und Sozialismus<br />

<strong>als</strong>o doch miteinander versöhnen?<br />

flickr/goodnight london<br />

Jeder ansatz, jede isolierte Forderung, die nicht<br />

auch einschließt, die verhältnisse zu ändern,<br />

läuft gefahr, sich gegen uns zu stellen. viele<br />

unserer konzepte und Forderungen sind deshalb<br />

nicht mehr das, was sie mal sein sollten: aus<br />

unserer Forderung nach „Selbstbestimmung“<br />

wurde „eigenverantwortung“, aus Freiheit volles<br />

risiko, aus dem kampf um „ein recht aufs ganze<br />

leben“ ein wenig „vereinbarkeit“ oder „Work-life-<br />

Balance“. mit der Quote wollten Feministinnen<br />

auch die Welt verändern und nicht nur die hälfte<br />

vom kuchen erstreiten. Und die Befreiung aus der<br />

„alleinverdiener-ehe“ mündete für viele in prekäre<br />

Beschäftigung zum mini-lohn. gender hat vielerorts<br />

feministische gesellschaftskritik abgelöst –<br />

an den Unis, in der Politik, in den medien.<br />

Wie lassen sich dekonstruktive ansätze re-politisieren?<br />

5 Wie machen sie uns handlungsfähig?<br />

mareen heying fragt, ob queere und feministische<br />

kritik gemeinsam mehr bewegen kann. Uschi<br />

Siemens setzt sich mit dem Buch „geschlecht –<br />

Wider die natürlichkeit“ von heinz-Jürgen voß<br />

auseinander, einem versuch, Queer-Theorie und<br />

marxismus zusammenzubringen. Isolde aigner<br />

und gabriele Bischoff haben kritiken an gender,<br />

Queer und gender mainstreaming von rechts bis<br />

links zusammengetragen. Die autor_innen des<br />

gender-manifests formulieren kriterien für eine<br />

emanzipatorische gender-Trainingspraxis und<br />

ein glossar erklärt zentrale Begriffe<br />

aus der Debatte.<br />

7<br />

wiR FRaUen 2.2011


π<br />

8<br />

schweRpUnKt DeFInITIonen<br />

Dr. Regina Frey, Dr. Jutta Hartmann,<br />

Andreas Heilmann,<br />

Thomas Kugler, Stephanie Nordt<br />

und Sandra Smykalla schreiben<br />

im Gender-Manifest (siehe S. 12<br />

dieser <strong>Ausgabe</strong>):<br />

<strong>Wir</strong> beobachten des Weiteren<br />

eine zunehmende Interpretationsweise<br />

von gender<br />

mainstreaming <strong>als</strong> neoliberaler<br />

reorganisationsstrategie zur<br />

optimierung „geschlechterspezifischer<br />

humanressourcen“.<br />

eine solche engführung des<br />

gleichstellungsbegriffs auf organisationsbezogeneeffizienzsteigerung<br />

verfehlt u. e. das ursprüngliche<br />

emanzipatorische<br />

Ziel gleicher rechte, chancen<br />

und gesellschaftlicher Teilhabe<br />

von männern und <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong><br />

umfassendes menschenrecht.<br />

Wo vermeintlich geschlechtsspezifische<br />

Fähigkeiten <strong>als</strong><br />

quasi natürliches vermögen<br />

„entdeckt“ werden, mutiert<br />

gleichstellung zum cleveren<br />

management angenommener<br />

Differenzen. In der konsequenz<br />

werden soziale Ungleichheiten<br />

und ausschlüsse durch eine<br />

bloße vielfaltsrhetorik verdeckt.<br />

Outside the box „Zeitschrift<br />

für feministische Gesellschaftskritik“:<br />

eine gesellschaftskritik,<br />

die emanzipatorisch sein<br />

will, muss die feministische<br />

Dimension mitdenken, sonst<br />

vernachlässigt und verkennt sie<br />

gesellschaftliche verhältnisse,<br />

die u. a. auch kapitalistische<br />

herrschaftsstrukturen etablieren.<br />

ganz klar ist es dabei<br />

notwendig den Begriff »Feminismus«<br />

auszudifferenzieren.<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

Genderkritik von links<br />

eine antiKapitaListische KRitiK an QUeeR, GenDeR UnD GenDeR mainstReaminG wiRD<br />

Von Feminist_innen UnD LinKen Geübt. hieR steht DeR maRKtKompatibLe GeDanKe DeR<br />

VeRweRtbaRKeit menschLichen VeRmöGens im mitteLpUnKt.<br />

Feminismus ist nicht automatisch<br />

links. Schließlich gibt es<br />

sogar nazis wie z. B. die gruppe<br />

Jeanne D., die sich feministisch<br />

nennen. es muss analysiert und<br />

kritisiert werden, wo Feminismus<br />

regressiv wird, d. h. nicht<br />

die auflösung von bestehenden<br />

herrschaftsverhältnissen<br />

meint, sondern sich mit rassistischen<br />

und antisemitischen<br />

ressentiments verbindet.<br />

Outside the box „Zeitschrift<br />

für feministische Gesellschaftskritik“<br />

zu Gender Mainstreaming:<br />

Die Idee und Umsetzung des<br />

gender-mainstreaming <strong>als</strong><br />

personale gleichstellung von<br />

männern und <strong>Frauen</strong> in Institutionen<br />

und organisationen<br />

macht dies deutlich. hier lässt<br />

sich erkennen, wie feministische<br />

Positionen für den<br />

kapitalismus logisch nutzbar<br />

gemacht werden. Schließlich<br />

ist es alles andere <strong>als</strong> rational,<br />

weite Teile des potenziellen<br />

humankapit<strong>als</strong> vom Produktionsprozess<br />

auszuschließen.<br />

Outside the box „Zeitschrift<br />

für feministische<br />

Gesellschaftskritik“:<br />

Uns erscheinen feministischeallgemeinstatemens<br />

oft <strong>als</strong> oberflächliches<br />

etikett,<br />

ohne beispielsweise<br />

konkret geklärt<br />

zu haben, wie<br />

Queer, Feminismus<br />

und<br />

antisexismus<br />

zusammenhängen.<br />

Daraus ergibt sich auch, dass<br />

Forderungen nach feministischer<br />

Politik z. B. in Bündnissen<br />

weniger stark vertreten werden.<br />

hier gilt es bei aktuellen<br />

politischen ereignissen und<br />

Diskussionen eine feministische<br />

Perspektive vehement einzufordern<br />

und sich nicht zu verstecken<br />

oder mit minimalzielen zufrieden<br />

zu geben. Dann müssen<br />

Tendenzen, wieder hinter bisher<br />

erkämpfte Standards zurückzufallen,<br />

stärker kritisiert werden –<br />

auch öffentlich.<br />

Tove Soiland, Lehrbeauftragte<br />

an verschiedenen Universitäten:<br />

Wie kam es dazu, dass sich Teile<br />

des Feminismus, etwa die gegen<br />

rigide geschlechternormen<br />

gerichteten Strömungen, in<br />

die nach der Fordismuskrise<br />

begonnene erneuerung des kapitalismus<br />

so problemlos<br />

eingliedern ließen?<br />

Die antwort ist:<br />

Subjektivierungsweisen explizit<br />

davon löste, diese auf die<br />

Produktionsverhältnisse – und<br />

damit auf mögliche historische<br />

veränderungen in ihnen – rückzubeziehen.<br />

Im rahmen dieser<br />

theoretischen Prämissen kann<br />

nämlich nicht mehr gefragt<br />

werden, ob das Instabilwerden<br />

von Identitäten, das in diesem<br />

kontext <strong>als</strong> errungenschaft<br />

der sexual politics und damit<br />

<strong>als</strong> effekt politischer kämpfe<br />

verstanden wird, nicht ganz<br />

einfach auf die veränderten<br />

Bedürfnisse des postfordistischen<br />

akkumulationsregimes<br />

zurückzuführen ist. (in: Queer,<br />

flexibel, erfolgreich – haben<br />

dekonstruktive ansätze den Feminismus<br />

entwaffnet? analyse<br />

& kritik)<br />

Weil sich die<br />

GenDeR bezeichnet das soziale oder<br />

analyse<br />

psychologische geschlecht einer Person im<br />

der<br />

Unterschied zu ihrem biologischen geschlecht<br />

(engl. sex). Der Begriff wurde aus dem englischen<br />

übernommen, um auch im Deutschen die Unterscheidung<br />

zwischen sozialem (gender) und biologischem (sex)<br />

geschlecht treffen zu können, da das deutsche Wort geschlecht<br />

in beiden Bedeutungen verwendet wird.<br />

GenDeR mainstReaminG, auch gleichstellungspolitik bzw. „geschlechtersensible<br />

Folgenabschätzung“, bezeichnet den versuch, die<br />

gleichstellung der geschlechter auf allen gesellschaftlichen ebenen<br />

durchzusetzen. Der Begriff wurde erstm<strong>als</strong> 1985 auf der 3. Un-Weltfrauenkonferenz<br />

in nairobi diskutiert und zehn Jahre später auf der 4. Weltfrauenkonferenz<br />

in Peking eingeführt. Bekannter wurde gender mainstreaming,<br />

<strong>als</strong> der amsterdamer vertrag 1997/1999 das konzept zum offiziellen Ziel der<br />

gleichstellungspolitik der europäischen Union machte. gender mainstreaming<br />

bezieht ausdrücklich beide geschlechter in die konzeptgestaltung mit ein.<br />

QUeeR bedeutet „seltsam, sonderbar“, aber auch „gefälscht, fragwürdig“. <strong>als</strong><br />

Schimpfwort für lesben, Schwule und Transgender legt der Begriff nahe, homo-<br />

Definit


Claudia von Werlhof, Professorin<br />

für <strong>Frauen</strong>forschung am<br />

Institut für Politikwissenschaft<br />

der Universität Innsbruck zu<br />

Gender:<br />

auch <strong>Frauen</strong> sind inzwischen<br />

weitgehend dem Patriarchat<br />

in ihrem Denken und Fühlen<br />

angepasst („gender“-ansatz),<br />

obwohl sie am meisten unter<br />

ihm gelitten haben. Damit<br />

sind sie in die „mimetische<br />

Sphäre“ des Patriarchats<br />

eingetaucht, die bewirkt, dass<br />

sie ihre mimetischen Fähigkeiten<br />

der kreativen „anverwandlung“<br />

an die Welt wie<br />

die meisten männer in eine<br />

richtung entwickeln, die eine<br />

tödliche Sackgasse und ohne<br />

Zukunft ist.<br />

ionen<br />

sexuelle seien „F<strong>als</strong>chgeld“, mit dem<br />

die straight world, die Welt der „richtigen“<br />

<strong>Frauen</strong> und männer, getäuscht werden soll.<br />

Queere kritik stellt heterosexuelle normen und<br />

hegemonie grundsätzlich in Frage.<br />

Michael Klonovsky,<br />

redaktioneller Leiter des<br />

Debattenressort der<br />

Zeitschrift FOCUS zu<br />

Gender Mainstreaming:<br />

„Daß sich aus den reihen<br />

steuerzahlender, familienernährender<br />

männer gegen<br />

diesen okkultismus kaum<br />

Widerstand regt, kann <strong>als</strong><br />

ein Propaganda-coup oder<br />

Dressurerfolg ersten ranges<br />

verbucht werden.“<br />

Eva Herman, Autorin und<br />

ehemalige Fernsehmoderatorin:<br />

„man habe sich gottes Plan<br />

entledigt, dessen Wissen<br />

abgeschüttelt und seiner<br />

Schöpfung den rücken<br />

gekehrt“.<br />

Arne Hoffmann, Zugpferd<br />

der maskulinistischen<br />

Bewegung:<br />

„Dabei soll<br />

durch<br />

staatli<br />

GenDeRKompetenz ist die Fähigkeit zu verstehen, wie die<br />

soziale kategorie geschlecht (gender) gesellschaftliche verhältnisse<br />

organisiert – körper, Subjektivität und Beziehungsformen,<br />

aber auch Wissen, Institutionen sowie organisationsweisen und<br />

Prozesse. genderkompetenz ist nicht nur eine Fähigkeit, sondern auch<br />

eine Strategie, um veränderungen zu bewirken, indem Ziele der gleichstellungs-,<br />

antidiskriminierungs- und Diversitätspolitiken umgesetzt<br />

werden.<br />

π<br />

QUeeRVeRsity ist eine Strategie, die darauf abzielt, der Unterschiedlichkeit<br />

von lebensweisen eine gleichberechtigte Teilnahme an der Öffentlichkeit zu<br />

ermöglichen. Identitäten sind weder eindimensional noch unveränderlich, sondern<br />

gehen aus komplexen machtverhältnissen hervor. Queerversity basiert auf<br />

der kritik an Identitätsvorstellungen und Politikformen, die hierarchien, abwertungen,<br />

ausschlüsse und Zurichtungen rechtfertigen.<br />

Genderkritik von rechts<br />

Die KRitiK an QUeeR, GenDeR UnD GenDeR mainstReaminG Reicht Vom<br />

RechtsKonseRVatiVen LaGeR bis in Die extReme Rechte. im FoKUs steht<br />

Die VoRsteLLUnG Von totaLitäRen iDeoLoGien, Die jeDe inDiViDUaLität<br />

abeRKennen, Die ziViLisatoRischen weRteGRUnDLaGen zeRsetzen UnD<br />

einen „neUen sexUaLisieRten einheitsmenschen“ schaFFen woLLen.<br />

chen Druck eine gigantische<br />

ideologische Umerziehung<br />

stattfinden. Das ist nichts<br />

weniger <strong>als</strong> totalitär.“<br />

Interessensgemeinschaft<br />

Antifeminismus Schweiz zu<br />

Gender Mainstreaming:<br />

„Frontalangriff aufs männliche<br />

geschlecht und seine<br />

endverantwortung über<br />

diese Welt bis hin zur Dämonisierung<br />

desselben.“<br />

Die Publizistin Gabriele Kuby<br />

zu Queer:<br />

„es geht um die auflösung<br />

jeder sexuellen norm. Der<br />

kampf um Pädophilie und<br />

Polygamie und die aufhebung<br />

des Inzestverbots ist<br />

bereits voll im gange.“<br />

Die neurechte Wochenzeitung<br />

Junge Freiheit zu Queer:<br />

„Die ausdifferenzierung der<br />

‚schwulen‘ in viele ‚queere‘<br />

Identitäten steht modellhaft<br />

für die vermeintlich emanzipatorische<br />

Dynamik, mit der<br />

das störrische Individuum<br />

unter sozialen Streß gesetzt,<br />

partikularisiert, gesteuert<br />

und nach ideologischen<br />

vorgaben neu strukturiert<br />

werden soll.“<br />

Die neurechte<br />

Wochenzeitung<br />

Junge Freiheit<br />

zu Gender:<br />

„gender Sekte“,<br />

„gender Totalitarismus“,„Diskriminie-<br />

rung des normalen“, „aufhebung<br />

des geschlechts“,<br />

„Sexualisierung der gesellschaft“,<br />

„ideologische<br />

kriegserklärung“, „schafft<br />

den durchsexualisierten<br />

einheitsmenschen“.<br />

Die österreichische Politikerin<br />

und Landesrätin der rechtspopulistischen<br />

Partei FPÖ<br />

Barbara Rosenkranz zu Queer:<br />

„Quasi-totalitäre Umstürzung<br />

unserer gesellschaftlichen<br />

verhältnisse, die auf<br />

die vernichtung von mann<br />

und Frau abzielt – sprich von<br />

adam und eva, denn für das<br />

christliche menschenbild ist<br />

die existenz von mann und<br />

Frau fundamental.“<br />

Die Neonazi-Organisation<br />

Free Gender zu Gender<br />

Mainstreaming:<br />

„Politisches Ungetüm“, das<br />

in Form von „Indokrination“<br />

darauf abzielt, „einen neuen<br />

geschlechtslosen menschentypus“<br />

zu schaffen.“<br />

Ring Nationaler <strong>Frauen</strong><br />

(<strong>Frauen</strong>organisation der NPD)<br />

zu Gender Mainstreaming:<br />

„Die alte feministische<br />

und auch kommunistische<br />

Doktrin vom ‚anerzogenen<br />

geschlecht‘ kann auch<br />

unter einer vermeintlich<br />

konservativen Familienministerin<br />

nicht fallen gelassen<br />

werden.“<br />

ZUSammengeSTellT<br />

von isoLDe aiGneR UnD<br />

GabRieLe bischoFF<br />

9<br />

wiR FRaUen 2.2011


10 schweRpUnKt geSchlechT<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

Eins, zwei ... viele Geschlechter?<br />

Die Berührung eines Tabus<br />

TexT Uschi siemens<br />

π<br />

Instanzen wie „gott“ oder die „natur“ scheinen<br />

die untergeordnete Stellung von <strong>Frauen</strong> in der<br />

gesellschaft und ihre Diskriminierung zu legitimieren.<br />

In seinem Buch „geschlecht – Wider<br />

die natürlichkeit“ wendet sich heinz-Jürgen voß<br />

gegen eine bestimmte art von „natürlichkeit“,<br />

die gerne herangezogen wurde und wird, um die<br />

unterschiedliche Stellung von menschen in der<br />

gesellschaft zu rechtfertigen. ebenso „natürlich“<br />

scheint es, dass es reiche und arme, Besitzer_innen<br />

von Produktionsmitteln gibt und menschen,<br />

die nur ihre arbeitskraft zu verkaufen haben.<br />

Wesentlicher aspekt dieser art von „natürlichkeit“<br />

ist es, dass eine macht angeführt wird, auf<br />

die scheinbar weder der einzelne mensch noch<br />

die gesellschaft einfluss nehmen können und die<br />

damit „natürlich“ im Sinne von vorgegeben und<br />

unabänderlich die möglichkeiten der menschen<br />

beschränkt. gegen diese art von Beschränkung<br />

auf der Basis von „natürlichkeit“ wendet sich voß<br />

besonders in Bezug auf das biologische geschlecht<br />

(sex). er stellt sich selbst in die Tradition<br />

von Simone de Beauvoir und besonders von Judith<br />

Butler.<br />

Marxismus und Natürlichkeit<br />

Das neue an seinem Buch ist der versuch, aspekte<br />

der Queer-Theorie mit der marxistischen Theorie<br />

zu ver- binden. voß interpretiert<br />

marx so, dass der<br />

mensch<br />

stets<br />

ein gesellschaftliches Wesen sei, er werde immer<br />

schon in eine gesellschaft hineingeboren und alle<br />

seine Wahrnehmungen seien von dieser gesellschaft<br />

geprägt. voß beruft sich auf den marxistischen<br />

Begriff der entfremdung des menschen<br />

im kapitalistischen Produktionsprozess, der sich<br />

aus dem Widerspruch der gesellschaftlichen<br />

Produktion einerseits und der privaten aneignung<br />

des gewinns andererseits ergibt. eine parallele<br />

art von entfremdung sieht voß im verhältnis<br />

des menschen zu seinem eigenen, biologischen<br />

geschlecht, das seiner meinung nach ebenfalls<br />

gesellschaftlich produziert und nicht natürlich ist.<br />

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. marx geht<br />

davon aus, dass die Produktion des lebens, und<br />

zwar sowohl des eigenen lebens in der arbeit wie<br />

des fremden lebens in der Zeugung, ein doppeltes<br />

verhältnis ist: einerseits ein natürliches, andererseits<br />

ein gesellschaftliches. Das gesellschaftliche<br />

verhältnis besteht in der gemeinsamen Produktion<br />

von lebensmitteln, das natürliche verhältnis<br />

in der Fortpflanzung. menschen, und zwar<br />

männliche und weibliche, vereinigen sich, um<br />

neues leben, kinder zu produzieren. marx geht<br />

es nicht um die abschaffung der natürlichkeit im<br />

verhältnis der beiden geschlechter, sondern um<br />

ihre aneignung. Die „natürlichkeit“, gegen die voß<br />

sich richtet, wäre <strong>als</strong> das zu entlarven, was sie ist:<br />

ein gesellschaftliches Instrument, ein mittel zur<br />

aufrechterhaltung von kapitalistischen herrschaftsverhältnissen.<br />

gerade diesen Punkt<br />

scheint voß völlig


zu unterschätzen. eines der größten Probleme<br />

unserer jetzigen gesellschaft ist die vereinbarkeit<br />

von Berufstätigkeit und kindern. hier stößt<br />

die erreichte gleichberechtigung an die grenzen<br />

kapitalistischer arbeitsteilung: egal ob heterosexuell,<br />

homosexuell, lesbisch, transgender oder<br />

bigender – jede/jeder, die/der kinder haben will,<br />

muss entweder selbst in ihrer/seiner entwicklung<br />

zurückstecken oder von der/dem Partner_in<br />

verlangen, sich unter das mutter- oder vatersein<br />

zu subsumieren.<br />

Berührung eines Tabus<br />

voß, der selber Biologe ist, widmet einen großen<br />

Teil seines Buches der entwicklungsgeschichte<br />

der medizin von ihren anfängen bis zum heutigen<br />

Forschungsstand der Systembiologie und epigenetik.<br />

er kann nicht nachweisen, dass es wirklich<br />

ein drittes geschlecht neben dem weiblichen und<br />

männlichen gibt oder gegeben hat. Was er belegt,<br />

sind abweichungen vom Idealbild des „weiblichen“<br />

und „männlichen“ geschlechts, die je nach<br />

ansatz der Wissenschaften nicht zugelassen und<br />

diskriminiert werden oder aber <strong>als</strong> Differenzen<br />

anerkannt werden.<br />

Welche Brisanz in der anerkennung der geschlechterdifferenzen<br />

steckt, kann man am<br />

Beispiel des Präsidenten der Bundeszentrale für<br />

politische Bildung, Thomas krüger, nachvollziehen.<br />

krüger hielt im oktober 2010 die eröffnungsrede<br />

auf einem gender-kongress. Darin forderte<br />

er nicht nur, „das Prinzip des gender<br />

mainstreaming <strong>als</strong> zentrale Dimension<br />

aller gesellschaftlichen<br />

und politischen<br />

Bereiche umzusetzen“, sondern auch die „anerkennung<br />

der geschlechterdifferenzen und<br />

politische Bündnisse quer und jenseits von<br />

heteronormativität, Zweigeschlechtlichkeit und<br />

kleinfamilie“. Die reaktion erfolgte umgehend.<br />

Das Forum Deutscher katholiken forderte unter<br />

dem Titel „von Deutschland darf nicht das Unheil<br />

ausgehen“ den sofortigen rücktritt krügers. Ihm<br />

wurde vorgeworfen, mit seiner Forderung nach<br />

auflösung und Überwindung der geschlechteridentität<br />

das Wesen des menschen zu zerstören,<br />

„der seiner natur gemäß unverwechselbar<br />

mann oder Frau ist“. konservative katholiken<br />

und „moderne“ maskulinisten outen sich hier <strong>als</strong><br />

beharrende elemente, die machterhaltende herrschaftsstrukturen<br />

aufrechterhalten möchten.<br />

Gesellschaftskritik und Geschlechterkritik<br />

voß konstatiert in seinem Buch, dass sozialer Fortschritt<br />

verbunden ist mit veränderungen im Produktionsprozess<br />

und mit sozialen und politischen<br />

kämpfen der arbeiter- und <strong>Frauen</strong>bewegung.<br />

leider lässt er die Frage unbeantwortet, wo er im<br />

heutigen Produktionsprozess die veränderungen<br />

sieht, die zu mehr Freiheit und zur anerkennung<br />

von geschlechterdifferenzen führen könnten.<br />

aber er zeigt immerhin, dass die Befreiung von<br />

patriarchaler Unterdrückung nur zusammengeht<br />

mit der Befreiung von kapitalistischer Unterdrückung.<br />

Und dass diese Befreiung ein akt der<br />

menschen selbst sein muss.<br />

heinz-Jürgen voß: geschlecht –<br />

Wider die natürlichkeit.<br />

Schmetterling-verlag, Stuttgart<br />

2011, 10 euro<br />

flickr/dalbera<br />

11<br />

wiR FRaUen 2.2011


12 schweRpUnKt genDermanIFeST<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

Gender-Manifest<br />

Plädoyer für eine kritisch reflektierende Praxis in<br />

der genderorientierten Bildung und Beratung<br />

TexT DR. ReGina FRey, DR. jUtta haRtmann, anDReas heiLmann, thomas KUGLeR, stephanie noRDt, sanDRa smyKaLLa<br />

π<br />

(…) <strong>Wir</strong> beobachten, dass im Bereich von gender<br />

Training und gender Beratung genderkonzepte<br />

dominieren, die die derzeitige ordnung der<br />

geschlechter eher reproduzieren <strong>als</strong> verändern.<br />

<strong>Wir</strong> plädieren demgegenüber für eine kritisch<br />

reflektierende arbeit in diesem Feld, die dualisierende<br />

konzepte von geschlecht hinterfragt<br />

statt sie zu verstärken, die Stereotype analysiert<br />

und <strong>als</strong> solche sichtbar macht statt sie zu<br />

reproduzieren und die, anstatt gender isoliert<br />

zu denken, geschlechterverhältnisse immer im<br />

Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen<br />

machtverhältnissen begreift. <strong>Wir</strong> halten eine<br />

selbstreflexive, theoretisch fundierte und identitätskritische<br />

Praxis in der genderorientierten<br />

Bildung und Beratung für geboten.<br />

<strong>Wir</strong> beobachten des Weiteren eine zunehmende<br />

Interpretationsweise von gender<br />

mainstreaming <strong>als</strong><br />

neoliberaler reorganisationsstrategie<br />

zur optimierung<br />

„geschlechterspezifischerhumanressourcen“.<br />

eine<br />

solche engfüh-<br />

rung des gleichstellungsbegriffs auf organisationsbezogene<br />

effizienzsteigerung verfehlt u. e.<br />

das ursprüngliche emanzipatorische Ziel gleicher<br />

rechte, chancen und gesellschaftlicher Teilhabe<br />

von männern und <strong>Frauen</strong> <strong>als</strong> umfassendes menschenrecht.<br />

Wo vermeintlich geschlechtsspezifische<br />

Fähigkeiten <strong>als</strong> quasi natürliches vermögen<br />

„entdeckt“ werden, mutiert gleichstellung<br />

zum cleveren management angenommener<br />

Differenzen. In der konsequenz werden soziale<br />

Ungleichheiten und ausschlüsse durch eine<br />

bloße vielfaltsrhetorik verdeckt. <strong>Wir</strong> plädieren<br />

deshalb für eine systematisch emanzipatorische<br />

Perspektive, die sich der historischen Wurzeln<br />

des gender mainstreaming in feministischen<br />

Bewegungen und internationalen kontexten<br />

bewusst ist. (…)


Theoretische Prämissen: Zu unserem<br />

Verständnis von Gender<br />

gender ist mittlerweile in vieler munde. Spätestens<br />

seit die internationale Strategie gender<br />

mainstreaming in deutschen Institutionen<br />

eingang fand, hat sich ein professionelles Feld<br />

der gender- arbeit etabliert, wie es mitte der<br />

1990er Jahre noch undenkbar war: BeraterInnen,<br />

TrainerInnen und coaches verdienen heute geld<br />

damit, Institutionen aller art in Sachen gender<br />

zu schulen und zu beraten. Das Ziel ist dabei<br />

häufig, die gesetzlich verankerte gleichstellung<br />

durch institutionelles handeln zu fördern, insbesondere<br />

in einrichtungen der öffentlichen hand.<br />

Im Zuge der einführung von gender mainstreaming<br />

ist gender <strong>als</strong>o – zumindest in Fach-<br />

kreisen – zu einem gängigen Begriff geworden.<br />

häufig werden die Bezeichnungen „<strong>Frauen</strong>“ oder<br />

„männer“ durch gender ersetzt oder gender<br />

synonym für „männer einerseits und <strong>Frauen</strong><br />

andererseits“ verwendet.<br />

Die rede von gender im aktuellen Wissenschaftsdiskurs<br />

markiert demgegenüber die haltung,<br />

die vorherrschende geschlechterdualität<br />

nicht<br />

zu affirmieren,<br />

sondern nach deren<br />

sozialen herstellungsprozessen<br />

und Funktionsweisen<br />

in geschlechtshierarchischen<br />

Strukturen zu fragen: Wie wird<br />

„geschlecht“ immer wieder neu <strong>als</strong> bipolares<br />

muster sozialer Zuschreibung in einer monotonen<br />

Weise reproduziert, die männer und<br />

<strong>Frauen</strong> komplementär aufeinander bezieht und<br />

in hierarchische verhältnisse bringt? (…)<br />

Unseres erachtens werden diese kritischen Potentiale<br />

des gender-Begriffs in der genderorientierten<br />

Bildungs- und Beratungsarbeit zu wenig<br />

aufgegriffen. vielmehr beobachten wir hier eine<br />

problematische Tendenz im Umgang mit dem<br />

gender-Begriff: gender dient <strong>als</strong> analytische kategorie,<br />

die geschlechterunterschiede diagnostiziert<br />

und dabei häufig auf Differenzen zwischen<br />

„den männern“ und „den <strong>Frauen</strong>“ abstellt.<br />

Instrumente der gender-analyse werden in der<br />

regel dazu verwandt, Unterschiede zwischen<br />

männern und <strong>Frauen</strong> in einem spezifischen Feld<br />

oder Thema aufzudecken und somit problematisierbar<br />

zu machen. Ziel der in verschiedensten<br />

Formen angewandten gender-analysen ist<br />

es, eine behauptete geschlechtsneutralität zu<br />

widerlegen. Diese zunächst wichtige Funktion<br />

muss jedoch <strong>als</strong> ambivalent bewertet werden:<br />

ein bedenklicher nebeneffekt der gender-analyse<br />

liegt in der homogenisierung von <strong>Frauen</strong> und<br />

männern und in der ausblendung von Unterschieden<br />

innerhalb der genusgruppen.<br />

Zum Zweck der<br />

operationalisierbarkeit <br />

geschieht<br />

eine komplexitätsreduktion<br />

auf eine duale geschlechterordnung.<br />

Damit laufen gender-analysen gefahr,<br />

sich unhinterfragt an einem Doing gender zu<br />

beteiligen, das diejenigen Differenzen dramatisiert,<br />

die vorgeblich nur analysiert werden. Damit<br />

wird freilich eben jene geschlechterordnung<br />

manifestiert, die es aus unserer Perspektive zu<br />

überwinden gilt.<br />

flickr/Tim Brown architects<br />

13<br />

wiR FRaUen 2.2011


14<br />

Das gender-manifest wurde<br />

2006 von einer gruppe gendertheoretisch<br />

und -politisch engagierter<br />

Wissenschaftler_innen<br />

und Praktiker_innen verfasst –<br />

in kooperation zwischen dem<br />

genderbüro Berlin (www.gender.<br />

de) und dem genderForum Berlin<br />

(www.genderforum-berlin.<br />

de). anlass waren bedenkliche<br />

Tendenzen in der Bildungs- und<br />

Beratungspraxis, besonders<br />

bei der Implementierung<br />

von gender mainstreaming:<br />

Sozialkonstruktivistische und<br />

dekonstruktive ansätze wurden<br />

bzw. werden vergleichsweise<br />

wenig rezipiert und sind in der<br />

Praxis kaum relevant. Durch die<br />

Form des manifestes soll ein<br />

politisches anliegen öffentlich<br />

formuliert werden, um eine<br />

Debatte im Spannungsverhältnis<br />

von Theorie und Praxis zu<br />

eröffnen.<br />

Das komplette manifest zum<br />

Download und Unterzeichnen:<br />

www.gender.de/mainstreaming<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

<strong>Wir</strong> sehen die herausforderung daher darin,<br />

einen paradoxen Umgang mit gender zum<br />

ausgangspunkt des professionellen handelns<br />

zu machen, d. h. gender <strong>als</strong> analysekategorie zu<br />

gebrauchen, um gender <strong>als</strong> ordnungskategorie<br />

zu überwinden. Dafür ist es notwendig, genderanalysen<br />

– dem Dreischritt von konstruktionrekonstruktion-Dekonstruktion<br />

folgend – auch<br />

in Bezug auf ihre eigene konstruktionsleistung<br />

zu betrachten und somit selbst zum gegenstand<br />

der analyse zu machen. (…)<br />

gender <strong>als</strong> Idee markiert ja gerade die ablösung<br />

eines Denkens in biologisierender Dualität und<br />

schematischer mann-Frau-Differenz. Die reduktion<br />

von gender auf biologisches mann- oder Frausein<br />

allerdings ist ein Beispiel für Doing gender,<br />

das geschlechterpolitik zu einem banalen abzählen<br />

von weiblichen und männlichen köpfen (<strong>als</strong>o<br />

bloßem sex counting) werden lässt – egal, was<br />

in diesen köpfen steckt, und egal, was diese<br />

menschen verkörpern. eine solche biologische<br />

Fundierung von gender läuft mithin der grundidee<br />

des gender-Begriffs zuwider. (…)<br />

Impulse – Aufbruch zu mehr<br />

Geschlechtervielfalt<br />

(…) Unseres erachtens geht es nicht darum, identifizierte<br />

geschlechtsunterschiede zu managen,<br />

sondern die unserer Wahrnehmung immanenten<br />

geschlechtsunterscheidungen zu identifizieren.<br />

Dies bedeutet, die herstellung dieser vermeintlichen<br />

Unterschiede <strong>als</strong> normalisierungsprozess<br />

zu erkennen, der gesellschaftlich hergestellte<br />

Ungleichheiten <strong>als</strong> „natürliche“ objektiviert und<br />

sie uns scheinbar plausibel <strong>als</strong> körperlich oder<br />

psychisch veranlagt präsentiert. Sie sind <strong>als</strong><br />

ausdruck von <strong>als</strong> „normal“ verstandener gesellschaftlicher<br />

Platzanweisung zu entlarven und<br />

zurückzuweisen.<br />

ein verantwortungsvoller Umgang mit der<br />

kategorie gender ist sich der „gender-Paradoxie“<br />

bewusst, nimmt <strong>als</strong>o die gleichzeitigkeit der herstellung<br />

und Überwindung von geschlecht zum<br />

produktiven ausgangspunkt des handelns.<br />

es geht daher um die Frage, wie gender in einer<br />

Weise gebraucht werden kann, die zur Überwindung<br />

einer ungerechten gesellschafts- und<br />

geschlechterordnung beiträgt. mit Judith lorber<br />

plädieren wir daher eindringlich für eine Praxis<br />

des „Using gender to undo gender“. Wie der<br />

nähere Blick auf die Bedeutungsebenen des<br />

englischen verbs to undo enthüllt, geht es beim<br />

undoing um Prozesse des lösens von gebundenem<br />

und der Öffnung von verschlossenem<br />

einerseits sowie um den aspekt der aufhebung<br />

bestehender <strong>Wir</strong>kungen andererseits. Undoing<br />

gender in diesem Sinne löst die knoten, Bin-<br />

dungen und verstrickungen der bipolaren hierarchischen<br />

geschlechterordnung, öffnet die straffe<br />

Schnürung des oben skizzierten genderkorsetts<br />

und hebt langfristig die noch fortbestehenden<br />

<strong>Wir</strong>kungen der geschlechterhierarchisierungen<br />

auf – dies alles zugunsten einer individuell<br />

gestaltbaren gleichwertigen und gleichberechtigten<br />

geschlechtervielfalt und einer partnerschaftlichen<br />

und solidarischen neuaushandlung<br />

der geschlechterverhältnisse.<br />

Methodische Prämissen für eine<br />

reflektierende Gender-Praxis<br />

Dreischritt Konstruktion-Rekonstruktion-Dekonstruktion<br />

systematisch anwenden<br />

» konstruktionen von Zweigeschlechtlichkeit<br />

<strong>als</strong> solche benennen. geschlechterunterscheidungen<br />

rekonstruieren statt geschlechtsunterschiede<br />

anzunehmen.<br />

» Das historische, kulturelle und politische<br />

geworden-Sein von gender nachzeichnen.<br />

» Zusammenhänge und Wechselwirkungen<br />

von gender mit anderen sozialen kategorien<br />

beleuchten.<br />

» Das genderkorsett aufbrechen.<br />

» gender dekonstruieren und damit Spielräume<br />

für vielfältige geschlechtliche existenz und<br />

lebensweisen eröffnen.<br />

Undoing Gender<br />

» verlernen von geschlechterstereotypen <strong>als</strong><br />

chance statt <strong>als</strong> Bedrohung wahrnehmen.<br />

» Die geschlechterordnung (dosiert) irritieren<br />

statt von „weiblichen“ und „männlichen“ bzw.<br />

„geschlechtsspezifischen“ verhaltensweisen<br />

sprechen.<br />

» Für offenheit und Unabgeschlossenheit des<br />

eigenen Identitätsverständnisses motivieren.<br />

Gender-paradoxie bewusst machen<br />

» Die Zweischneidigkeit von Doing gender reflektieren,<br />

wie sie sich z.B. in der anwendung von<br />

gender-analysen zeigt.<br />

Gender-Konzepte kontextualisieren<br />

» gender <strong>als</strong> voraussetzungsvolles konzept<br />

von feministischen Theorien und Praktiken<br />

thematisieren und historisch in bewegungspolitischen<br />

kontexten verorten.<br />

machtfragen stellen<br />

» Im Wissen um Dominanzen im geschlechterverhältnis<br />

Privilegstrukturen in den Blick nehmen<br />

und konkrete Schritte zur veränderung<br />

erarbeiten.<br />

(…)<br />

Wo geschlechterdualität war, soll geschlechtervielfalt<br />

werden.


π<br />

Eine Kooperation von<br />

queerer und feministischer<br />

Kritik – geht das?<br />

TexT maReen heyinG<br />

„man wird nicht <strong>als</strong> Frau geboren, man wird es“<br />

stellte Simone de Beauvoir bereits 1949 fest. Dazu<br />

sagt die queere Bewegung im 21. Jahrhundert:<br />

„Die kategorie Frau an sich ist willkürlich und<br />

sie existiert so nicht!“ – „Das sehe ich anders!“<br />

entgegnet der Feminismus. „<strong>als</strong> Frau werde ich gesellschaftlich<br />

diskriminiert, eben weil ich zur Frau<br />

gemacht wurde!“ Da stimmt die queere Bewegung<br />

zu: „Das ist zwar richtig, aber genau deshalb gilt<br />

die kategorie geschlecht nicht, eben weil sie so<br />

willkürlich ist!“ Der Feminismus bleibt kritisch:<br />

„aber weil ich dazu gemacht wurde, muss ich<br />

damit umgehen, <strong>als</strong> Frau!“ – „aber du reduzierst<br />

dich ja selbst – du bist nicht nur eine sozialisierte<br />

Frau, du bist vor allem ein mensch mit allen rechten<br />

und Pflichten.“ Dem stimmt der Feminismus<br />

zu: „Ja, aber dadurch, dass ich geschlecht leugne,<br />

mache ich es schwieriger, auf geschlechtsspezifische<br />

Diskriminierung aufmerksam zu machen!“<br />

Beide haben sie recht. Und so sitzen Queerness<br />

und Feminismus zusammen auf der lila Bank im<br />

allumfassenden kapitalismus und fragen sich, mit<br />

welcher Theorie sie weiterkommen, wie sie am<br />

besten heteronormative Strukturen durchbrechen<br />

und besiegen können.<br />

Geht das überhaupt zusammen? Oder sind<br />

die Differenzen zu groß?<br />

Beide sind sich darüber einig, dass ihre Identität<br />

nicht frei gewählt wurde, sondern aus sozialen<br />

und kulturellen Prozessen entstanden ist. So weit,<br />

so gut. Stefanie Soine, Soziologin der Universität<br />

Bielefeld, bringt die Probleme, die sich durch eine<br />

manifestation der Zweigeschlechtlichkeit ergeben,<br />

auf den Punkt: es entsteht ein klassensystem,<br />

menschen werden sozial differenziert, je nachdem,<br />

welcher gruppe sie zugehören. Die gesellschaftliche<br />

grundstruktur „geschlecht“ ist zugleich<br />

heteronormativ, das bedeutet, alle abweichungen<br />

von der zweigeschlechtlichen norm werden mit<br />

argwohn betrachtet und diffamiert. Durch diese<br />

schweRpUnKt kooPeraTIon 15<br />

Anzeige<br />

wiR FRaUen 2.2011


16<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

ausgrenzungsformen wiederum entstehen, so Soine,<br />

machtstrukturen zugunsten der herrschenden,<br />

den nutznießern des konzeptes. Bereits im 18.<br />

Jahrhundert, <strong>als</strong> die geschlechtsspezifischen charakterzuschreibungen<br />

erschaffen wurden, dienten<br />

sie dazu, machtverhältnisse zu manifestieren und<br />

herrschende Strukturen zu erhalten.<br />

Weiter stellt Soine dar, wie aus dieser offensichtlichen<br />

Willkür schließlich eine naturalisierung<br />

der geschlechtshierarchien hergeleitet wurde,<br />

die noch heute besteht. Das Problem daran: Die<br />

Binarität der geschlechter haben wir alle mittlerweile<br />

verinnerlicht, sie ist überall zu finden. Was<br />

die Soziologin rät, ist vor allem ein wachsames<br />

verhalten, eine Selbstreflexion, damit wir nicht in<br />

rollenmuster tappen, ein klares handeln und eine<br />

fundierte kritik an bestehenden<br />

machtstrukturen.<br />

Dem stimmen vertreter_innen von Queerness<br />

und Feminismus in weiten Teilen zu. aber treffen<br />

sie aufeinander, hören sie stets die gleichen<br />

bekannten und zugleich trivialen argumente: „Ihr<br />

müsst euch auch mal für neue Ideen öffnen und<br />

nicht immer nur am 1980er-Feminismus kleben<br />

bleiben! Wenn wir keine queere kritik einbringen<br />

können, ist eine kooperation mit euch uninteressant<br />

für uns!“ – „Ihr solltet unsere kämpfe respektieren<br />

und würdigen. Dem Feminismus verdanken<br />

wir das Infragestellen der rollenklischees, das rad<br />

muss nicht neu erfunden werden.“<br />

Warum diese Spaltung? Wollen sie doch<br />

nicht das Gleiche?<br />

mit den dekonstruktivistischen Ideen, die in den<br />

1980er und 1990er Jahren vor allem in den USa<br />

entstanden, erschienen zahlreiche Schriften,<br />

die sich mit der negation von geschlecht <strong>als</strong><br />

kategorie befassen. So vertritt die feministische<br />

Theoretikerin Donna haraway in ihrem 1995


publizierten Werk „Die neuerfindung der natur“<br />

die haltung, dass die von Feministinnen propagierte<br />

„erfahrung der <strong>Frauen</strong>“ zugleich Fiktion<br />

und Tatsache sei. Denn ein kollektives „wir“ könne<br />

nicht empfunden werden. oder anders gesagt:<br />

eine alleinerziehende mutter mit drei kindern,<br />

die halbtags arbeitet und keinen Unterhalt von<br />

ihrem ex-mann bekommt, ist anderen Strukturen<br />

ausgesetzt <strong>als</strong> eine migrantin, die auf eine aufenthaltserlaubnis<br />

hofft. Trotzdem leiden beide <strong>Frauen</strong><br />

an Unterdrückungsmechanismen, das vereint sie,<br />

wie auch der daraus entstehende Wunsch nach<br />

Befreiung. So fragt haraway zu recht, wer mit<br />

„uns“ gemeint ist, wenn von „den <strong>Frauen</strong>“ gesprochen<br />

wird. Ihren angaben nach stellt es sich so<br />

dar: „gender-, rassen- oder klassenbewusstsein<br />

sind errungenschaften, die uns aufgrund der<br />

schrecklichen historischen erfahrung der widersprüchlichen,<br />

gesellschaftlichen <strong>Wir</strong>klichkeiten<br />

von Patriarchat, kolonialismus und kapitalismus<br />

aufgezwungen wurden.“<br />

Das bedeutet, dass die Unterdrückung der (konstruierten)<br />

Frau nicht natürlich ist, sondern<br />

durch die ausgestaltung der genannten<br />

komplexe und deren<br />

Folgen entstanden ist.<br />

Ihr ansatz: <strong>Wir</strong><br />

sollten<br />

nicht nur nach den Unterschieden gucken, die<br />

zu Spaltungen führen, mehr nach dem gleichen<br />

nenner suchen, denn es gibt kein kollektives<br />

„Weiblich“-Sein.<br />

Die feministische und die queere Bewegung müssen<br />

<strong>als</strong>o mehr <strong>als</strong> nur ihren anteil des kuchens<br />

wollen. gemeinsam müssen sie die heteronormativität<br />

kritisieren und sich gegen kapitalistische<br />

ausbeutung positionieren. Und: geschlechtsspezifische<br />

Zuschreibungen sind zu überwinden.<br />

können queere Bewegung und Feminismus das<br />

zusammen schaffen?<br />

mein ansatz: Um nach gemeinsamkeiten zu<br />

suchen, wie es haraway formuliert, sollten die<br />

vertreter_innen beider Bewegungen von der lila<br />

Bank aufstehen, die noch häufig in einem akademischen<br />

elfenbeinturm steht. auf der Straße, in<br />

kunst und kultur, im gespräch müssen sie mitstreiter_innen<br />

gewinnen, die nach Befreiung aus<br />

subjektiver und objektiver Unterdrückung streben.<br />

Sie müssen mit ihren Ideen einer gleichberechtigten,<br />

nicht diskriminierenden gesellschaft überzeugen<br />

und nicht mit ihren – vermeintlichen? –<br />

Differenzen.<br />

Dies ist ein schwerfälliger Prozess, denn aufeinander<br />

zuzugehen ist noch immer schwieriger, <strong>als</strong><br />

kritik zu üben. Solange von der lila Bank niemand<br />

aufsteht, werden weiterhin aus<br />

allen biologischen <strong>Frauen</strong><br />

auch soziale gemacht.<br />

flickr/klara.kristina<br />

Illustrationen im<br />

Schwerpunkt<br />

Der Schwerpunkt wird mit<br />

Beispielen einer dekonstruktiven<br />

architektur bebildert. auch in der<br />

architektur sollen seit den 1980er<br />

Jahren Struktur und Form einer<br />

Destruktion und einer erneuten<br />

konstruktion unterzogen werden.<br />

In der architektur geht es darum,<br />

gebäude im rückgriff auf einfache<br />

geometrische körper wie Würfel,<br />

Zylinder, kugel, Pyramide, kegel<br />

usw. zu konstruieren. Dekonstruktive<br />

architektur möchte in die<br />

Struktur hineingehen und dort die<br />

Instabilität aufspüren und sichtbar<br />

machen.<br />

Beispielhaft zeigen wir hier Werke<br />

von architekt_innen wie Zaha<br />

hadid (Seite 12: Bergstation der<br />

hungerburgbahn in Innsbruck und<br />

Seiter 16: phæno in Wolfsburg),<br />

Frank gehry (Seite 10: guggenheim-museum<br />

in Bilbao) und<br />

Daniel libeskind (Seite 7: Jüdisches<br />

museum in Berlin).<br />

17<br />

wiR FRaUen 2.2011


18 meine Feministische wahRheit DIe FeIgheIT Der FraUen<br />

genug mit dem geschlechtertheater!<br />

<strong>Frauen</strong> betrügen<br />

sich selbst. geben wir es zu:<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> haben es vermasselt<br />

und pflegen unsere<br />

geiselmentalität. <strong>Wir</strong> fordern<br />

ein eigenes leben und<br />

stolpern doch in die selbstverschuldete<br />

Unmündigkeit.<br />

<strong>Wir</strong> reden von Selbstbestimmung<br />

und erliegen doch der<br />

Faszination traditioneller<br />

rollen. rhetorisch sind wir<br />

emanzipiert, doch in der Praxis<br />

versagen wir jämmerlich.<br />

<strong>Wir</strong> ordnen uns unter. Freiwillig.<br />

Weil es bequem ist,<br />

weil wir konflikte scheuen,<br />

weil wir davon profitieren.<br />

<strong>Frauen</strong> sind zu feige. Bascha<br />

mika streitet gegen den<br />

weiblichen Selbstbetrug.<br />

Die autorin fordert von sich<br />

und anderen <strong>Frauen</strong> den<br />

mut, dem selbstgewählten<br />

rückfall in alte rollenmuster<br />

zu widerstehen. ein kontroverses<br />

Debattenbuch, das<br />

markant Position bezieht.<br />

Unsere Statements<br />

zum Buch<br />

Bascha mikas ansicht ist nicht neu. Bereits 1981 erschien „Der cinderella<br />

complex. Die heimliche angst der <strong>Frauen</strong> vor der Unabhängigkeit“<br />

von colette Dowling. Sie macht eine Ursache für die mangelnde gleichberechtigung<br />

der Frau in ihr selbst fest, da sich <strong>Frauen</strong> – v. a. weiße<br />

mittelständische – (insgeheim) nach einem Prinzen sehnen, der sie<br />

rettet (sprich: heiratet) und sie dadurch vor einem eigenständigen und<br />

anstrengenden leben bewahrt. auch naomi Wolf schrieb 1993 in „Die<br />

Stärke der <strong>Frauen</strong>. gegen den f<strong>als</strong>ch verstandenen Feminismus“ gegen<br />

den „opfer-Feminismus“ an und stellte ihm einen „Power-Feminismus“<br />

gegenüber, der das „weibliche“ harmoniebedürfnis überwindet und<br />

die Stärke der <strong>Frauen</strong> zelebriert. „Die Feigheit der <strong>Frauen</strong>“ ist <strong>als</strong>o weder<br />

revolutionär noch nützlich.<br />

bascha miKa<br />

anna schiFF<br />

„Der Katzentisch So viele kluge <strong>Frauen</strong> beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit Strategien, um die<br />

männliche Dominanz auszuhebeln. Weibliche komplizenschaft, weibliche verstrickung ist dabei<br />

kein Thema. Warum wohl? Weil es einfacher ist, sich <strong>als</strong> opfer zu begreifen, statt <strong>als</strong> mittäterin –<br />

ein opfer darf auf seine ohnmacht pochen. Und weil zu viele <strong>Frauen</strong> fürchten, auf diesem Weg<br />

könnten männer aus der verantwortung entlassen werden.“ (S. 21)<br />

Ja ist denn schon wieder 20. Jahrhundert? eine ehemalige linke feministische chef-redakteurin<br />

lamentiert kapitelweise über <strong>Frauen</strong>, die keine lust haben auf karriere und sich lieber in die ehefrau-<br />

und mutterrolle begeben, dort versauern und unzufrieden mit ihrem leben sind. Das erzeugt bei mir<br />

langeweile und Überdruss. Ich erwarte von einer Journalistin mit diesem hintergrund visionen, Ideen,<br />

auch verrücktes und Wildes, aber nicht „alten Wein in neuen Schläuchen“. Was in diesem Buch steht,<br />

wissen wir, es wurde oft genug durchgekaut und wiederholt. eine Streitschrift? eine klageschrift. Da<br />

bleibt die Provokation im ansatz stecken. Denn die <strong>Frauen</strong>, die die autorin hier angreift und wachrütteln<br />

möchte, lesen sie das Buch? lassen sie sich provozieren? mich hat die lektüre ermüdet, weil es ständig<br />

um das gleiche geht: klischees (<strong>Frauen</strong> wollen den Womanizer), vorurteile, rollenfallen. So kommen wir<br />

nicht weiter. Und sind wir nicht längst weiter? mitten in der Diskussion über einen Feminismus des 21.<br />

Jahrhunderts? offensichtlich ist das bei Bascha mika aber noch nicht angekommen.<br />

bascha miKa<br />

mechthiLDe Vahsen<br />

„Wer die Paarbeziehung verklärt, wird alles dransetzen, sie zu erhalten. Zu vieles geht sonst zu Bruch. <strong>Frauen</strong> reden von hingabe<br />

und meinen eigentlich den Wunsch, sich in der Zweisamkeit aufzulösen, wie ein nasses Brötchen. Ihr nach außen getragenes<br />

Selbstbewusstsein ist häufig nur eine Farce: eine hübsche zeitgeistige Tünche auf einem zur ergebenheit bereiten klein-mädchen-gemüt.<br />

Diesen <strong>Frauen</strong> geht es nicht um die eigene Stärke, es geht ihnen um die starke Schulter. Zum anlehnen.“ (S. 42)<br />

wiR FRaUen 2.2011


Bascha mika will provozieren und das ist ihr geglückt. Dank<br />

ihr haben wir einen zusätzlichen Diskurs über die vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf, der die Quoten-Debatte weiter<br />

anheizt – wie immer ausgenommen der <strong>Frauen</strong>, die den luxus<br />

nicht haben zu wählen, ob sie arbeiten wollen oder nicht.<br />

mika macht klar: es ist nicht immer alles nur durch äußere<br />

Umstände versaut, wir müssen uns auch selbst reflektieren<br />

und zu dem stehen, was wir wollen und können. Das Buch ist<br />

ein appell, ein appell, wütend zu sein, sich zu regen und sich<br />

<strong>als</strong> Frau zu positionieren. Dass wir dies noch immer brauchen,<br />

ist schade, aber dass wir dank mika öffentlich darüber<br />

diskutieren, ist erfreulich.<br />

MeinefeministischeWahrheitbrauchtPlatz!<br />

och nö – das Buch will<br />

ich nicht lesen, da reichen<br />

mir die erstaunlich<br />

vielen Besprechungen in<br />

den üblichen Feuilletons.<br />

Übrigens: lesbische<br />

<strong>Frauen</strong> ticken da doch<br />

anders, sie treffen für<br />

ihre nicht mehr so seltenenregenbogenfamilien<br />

gemeinsam vereinbarungen.<br />

Das wünsche<br />

ich mir seit über 30<br />

Jahren in dieser konsequenz<br />

von so manchen<br />

heterosexuellen Paaren.<br />

bascha miKa<br />

GabRieLe bischoFF<br />

bascha miKa<br />

maReen heyinG<br />

„<strong>Wir</strong> nutzen das System <strong>als</strong> ausrede, um nicht auf uns selbst<br />

schauen zu müssen. auf unseren eigenen anteil an der<br />

geschichte. Und selbst wenn wir bestreiten, dass es heute<br />

noch eine grundsätzliche weibliche Benachteiligung gibt –<br />

wie viele junge <strong>Frauen</strong> es bedauerlicherweise tun – macht<br />

es das kein Stück besser. Im gegenteil. Diese <strong>Frauen</strong> leben<br />

in gefühlter Sicherheit und gleichberechtigung, und das oft<br />

auch nur in einer zeitlich begrenzten Phase. Je stärker sie<br />

die Strukturen leugnen, desto weniger sind sie gewappnet<br />

gegen deren paradoxe mechanismen.“ (S. 20)<br />

egal, ob <strong>Frauen</strong> ‚feige‘, mutig, bequem oder ambitioniert<br />

sind. letztendlich hängt ihr lebensentwurf auch immer von<br />

den sozialen, ökonomischen und politischen Bedingungen<br />

ab. Statt diese Dimensionen kritisch zu hinterfragen, bedienen<br />

sich Bascha mika (wie auch kristina Schröder) stumpfer<br />

klischees und zementieren das Bild der ‚schwachen und<br />

devoten Frau‘ und des ‚starken‘ und ‚überlegenen‘ mannes.<br />

„Der misthaufen … Das grundmuster<br />

ist erschreckend gleichgeblieben:<br />

Der mann <strong>als</strong> versorger draußen in<br />

der Welt, die Frau daheim bei haus<br />

und kindern, vielleicht mit einem<br />

halbtagsjob. er zahlt bar, sie mit<br />

lebenszeit und eigenständigkeit. ein<br />

schleichender Prozess der Selbstabwertung.“<br />

(S. 17)<br />

bascha miKa<br />

isoLDe aiGneR<br />

<strong>Wir</strong> alle sind von der Sehnsucht<br />

nach dem überlegenen<br />

mann infiziert. … Zu<br />

oft hoffen wir heimlich auf<br />

den, der für uns denkt und<br />

handelt. Der so stark ist, dass<br />

es uns leicht fällt, schwach<br />

zu werden. Der uns nicht<br />

so sehr braucht, wie wir ihn<br />

brauchen. Warum an sich<br />

selber festhalten, wenn man<br />

sich ergeben kann. Das ist ja<br />

so viel einfacher.“ (S. 43)<br />

19<br />

www.meinefeministischewahrheit.de<br />

wiR FRaUen 2.2011


π<br />

20 KRieG UnD FRieDen Dakar<br />

So-, so-, solidarité avec les<br />

femmes du monde entier!<br />

Dakar am 6.2.2011: Die Sonne steht hoch am strahlend blauen<br />

himmel, es ist heiß. mehrere 10.000 menschen, mehrheitlich afrikanerInnen,<br />

haben sich versammelt, um zu demonstrieren und das<br />

11. Weltsozialforum (WSF) zu eröffnen.<br />

Eine andere Welt ist nötig!<br />

mehr denn je in afrika und mehr denn je für <strong>Frauen</strong>, deren Präsenz<br />

in allen gruppen unübersehbar ist. Sie protestieren gemeinsam<br />

mit männern gegen ausbeutung des reichtums afrikas, landraub,<br />

Überfischung durch Fabrikschiffe aus europa und asien, Politik von<br />

Weltbank und IWF, die kriege in zahlreichen ländern des kontinents.<br />

Sie fordern Frieden, Bewegungsfreiheit für afrikanerInnen<br />

und alle Flüchtlinge, entschuldung, Demokratie, das Selbstbestimmungsrecht<br />

der völker und rechte für menschen mit Behinderungen.<br />

gruppen von <strong>Frauen</strong> und mädchen fordern selbstbewusst, kämpferisch<br />

und stolz das ende von gewalt an <strong>Frauen</strong> und mädchen in<br />

all ihren Formen. Ihre lautstärke und die Parole „Solidarität mit den<br />

<strong>Frauen</strong> der ganzen Welt“ sind unüberhörbar. Sie klagen z .B. den Femizid<br />

in kivu, einer Provinz der republik kongo, an. Dieser steht im<br />

Zusammenhang mit dem coltan-abbau. coltan ist ein begehrter<br />

rohstoff und wird vor allem von den ländern des nordens für die<br />

elektronikindustrie abgebaut.<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

aUS Dakar BerIchTen ZWeI<br />

verTreTerInnen von UtamaRa<br />

in Kabach (www.UtamaRa.oRG)<br />

UnD FRaU schmitzz in KöLn<br />

(www.FRaUschmitzz.De)<br />

Schon im vorbereitungsprozess zum WSF hatten <strong>Frauen</strong> ihre spezifischen<br />

anliegen und Forderungen eingebracht. In allen zwölf thematischen<br />

achsen des WSF meldeten sich <strong>Frauen</strong>organisationen zu<br />

Wort. Sie hoben die Bedeutung der <strong>Frauen</strong>sicht zu allen politischen,<br />

ökonomischen und gesellschaftlichen Fragen hervor.<br />

auch in den gemischten sozialen Bewegungen setzen <strong>Frauen</strong><br />

immer deutlicher ihre Forderungen durch. So eröffnete via campesina,<br />

eine globale organisation für landreform und ernährungssicherheit<br />

in den ländern des Südens, ihre kampagne gegen gewalt<br />

an <strong>Frauen</strong> auf dem WSF.<br />

„Die Globalisierung unseres Kampfes ist die Globalisierung<br />

der Hoffnung.“<br />

mit diesem Satz leiteten die senegalesischen organisatorinnen<br />

die erste Sitzung der <strong>Frauen</strong>vollversammlungen in Dakar ein. etwa<br />

500 <strong>Frauen</strong> aus sechs kontinenten trugen ihre Standpunkte gegen<br />

das patriarchale kapitalistische System und ihre Forderungen für<br />

eine andere Welt zusammen. hieraus sollte eine gemeinsame<br />

abschlussresolution der <strong>Frauen</strong> entstehen.<br />

auf dem gelände des WSF war ein „<strong>Frauen</strong>dorf“ errichtet worden.<br />

Dort fand am ersten Tag das afrikanische <strong>Frauen</strong>forum statt. Themen<br />

waren:


Bildung für <strong>Frauen</strong> und mädchen, ökonomische autonomie <strong>als</strong><br />

voraussetzung für die Befreiung aus Unterdrückungsverhältnissen,<br />

alternative Produktionsformen, Zugang zu land und sauberem<br />

Wasser, gesundheitsversorgung, gewalt gegen <strong>Frauen</strong>, z. B.<br />

genitalverstümmelung.<br />

Die vielschichtige patriarchale gewalt, mit der <strong>Frauen</strong> in kriegsgebieten<br />

konfrontiert sind, wurde durch die Teilnehmerinnen scharf<br />

verurteilt.<br />

Für die Überwindung der persönlichen und gesellschaftlichen<br />

Traumata wurden <strong>als</strong> wichtige ansatzpunkte die selbstbestimmte<br />

Beteiligung von <strong>Frauen</strong> am demokratischen neuaufbau der politischen<br />

und gesellschaftlichen Strukturen sowie die internationale<br />

Solidarität unter <strong>Frauen</strong> hervorgehoben.<br />

Flüchtlingsfrauen, die vor den bewaffneten konflikten in mauretanien<br />

und Sierra leone in den 1990er Jahren nach Senegal geflohen<br />

waren, erzählten von den Schwierigkeiten dort <strong>als</strong> politische<br />

Flüchtlinge und nicht <strong>als</strong> konkurrentinnen im Überlebenskampf<br />

gesehen zu werden. manchmal bleibt ihnen und ihren Töchtern<br />

nur die Prostitution, um der armut zu entkommen.<br />

vertreterinnen kurdischer <strong>Frauen</strong>einrichtungen berichteten von<br />

der kampagne „Unser Freiheitskampf wird die vergewaltigungskultur<br />

überwinden“, mit der sie im vergangenen Jahr die strukturelle<br />

und die persönliche ebene sexistischer gewalt breit thematisierten.<br />

<strong>Frauen</strong> aus der West-Sahara prangerten die systematischen menschenrechtsverletzungen<br />

der marokkanischen Besatzungskräfte<br />

an und riefen zur Solidarität für ihr recht auf Selbstbestimmung<br />

auf.<br />

<strong>Frauen</strong> aus der casamance, Senegal erweiterten die Parole „So-,<br />

So-, Solidarität ...“, die auf allen versammlungen gemeinsam<br />

angestimmt wurde, mit dem Zusatz „… und für den Frieden in<br />

der casamance!“, um auf die zerstörerischen auswirkungen des<br />

von der internationalen Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen<br />

bewaffneten konflikts dort aufmerksam zu machen.<br />

Trotz der Unterschiede waren die Diskussionen und Begegnungen<br />

von der entschlossenheit und hoffnung auf veränderung gekennzeichnet.<br />

Der abschluss der <strong>Frauen</strong>vollversammlungen zeigte jedoch, dass<br />

ein globales Zusammenkommen gut vorbereitet sein muss. So<br />

verhinderten die Provokationen einiger marokkanischer <strong>Frauen</strong>,<br />

dass in der abschlussresolution zur Solidarität mit den <strong>Frauen</strong><br />

aus der West-Sahara aufgerufen wurde. Stattdessen einigten sich<br />

<strong>Frauen</strong>organisationen und -netzwerke darauf, den entwurf für<br />

die abschlussresolution <strong>als</strong> Solidaritätserklärung zu deklarieren<br />

und namentlich zu unterzeichnen. Dies hinterließ einen bitteren<br />

nachgeschmack und führte zu der ernüchternden erkenntnis,<br />

dass es dringend notwendig ist, chauvinismus auch innerhalb der<br />

globalen <strong>Frauen</strong>bewegung zu hinterfragen. nur dann kann der<br />

Parole von Solidarität eine entschlossene Praxis folgen, die eine<br />

globalisierung des kampfes und der hoffnung möglich macht.<br />

www.marchemondial.org<br />

www.viacampesina.org<br />

21<br />

wiR FRaUen 2.2011


22 KRieG UnD FRieDen TUneSIen<br />

inamo<br />

InFormaTIonSProJekT<br />

naher UnD mITTlerer<br />

oSTen<br />

erscheint vierteljährlich.<br />

Jedes heft hat einen<br />

Schwerpunkt, der entweder<br />

thematisch, z. B. globalisierung<br />

und Bildung,<br />

Wasser, medien, militär und<br />

gesellschaft, oder landerspezifisch<br />

angelegt ist. ergänzt<br />

wird der Schwerpunkt durch<br />

einen allgemeinen Teil und<br />

ab heft 26 auch durch einen<br />

nachrichtenblock in Form<br />

von kurzmeldungen.<br />

www.inamo.de<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

π<br />

„Die Trennung von Staat<br />

und Religion garantiert<br />

die Gleichberechtigung<br />

von <strong>Frauen</strong> und Männern“<br />

Martina Sabra im Interview mit Bochra Bel Haj Hamida,<br />

Rechtsanwältin, Menschenrechtsaktivistin, aktiv in der<br />

Tunesischen Assoziation Demokratischer <strong>Frauen</strong> (ATFD)<br />

© Inamo SPeZIal, game over, FeBrUar 2011 – WIr Danken FÜr DIe nachDrUckgenehmIgUng<br />

Bochra Bel Haj Hamida, Sie sind Rechtsanwältin<br />

und eine der wenigen tunesischen Dissidentinnen,<br />

die auch während der Diktatur Ben Alis Kritik<br />

wagten. Seit dem Sturz des Regimes sind Sie eine<br />

sehr gefragte Persönlichkeit, man setzt auf ihre<br />

politische Expertise. Hat man Ihnen einen Posten in<br />

der Übergangsregierung angeboten?<br />

Ja, und übrigens nicht nur mir. mehrere <strong>Frauen</strong><br />

aus der aTFD sind angesprochen worden, ob sie<br />

sich an der neuen regierung beteiligen wollten.<br />

flickr/Simon aughton<br />

<strong>Wir</strong> haben das sofort abgelehnt, denn wir finden,<br />

dass wir sehr viel in der Zivilgesellschaft tun<br />

müssen, und dass die arbeit an der Basis sehr<br />

wichtig ist. Denn diese gelegenheit haben wir<br />

jetzt zum ersten mal. <strong>Wir</strong> waren ja die ganzen<br />

Jahre über immer aktiv, aber wir hatten immer<br />

das gefühl, dass wir viel mehr hätten bewirken<br />

können, wenn wir mehr Freiheit gehabt hätten.<br />

Jetzt sind wir endlich frei, und wir betrachten das<br />

<strong>als</strong> DIe gelegenheit, um endlich mit den tunesischen<br />

<strong>Frauen</strong> kommunizieren zu können, um<br />

unseren Standpunkt zu erläutern und sie nicht<br />

einer ideologischen Strömung auszuliefern, die<br />

möglicherweise ihre rechte in Frage stellt und ihre<br />

menschlichkeit.<br />

Der tunesische Staatsgründer Habib Burgiba ließ<br />

nach der Unabhängigkeit 1956 die Polygamie<br />

und das frauenfeindliche islamische Scheidungsrecht<br />

verbieten. Tunesien ist bis heute das einzige<br />

arabische Land, das <strong>Frauen</strong> und Männer vor dem<br />

Gesetz radikal gleichgestellt hat. In den 1980er<br />

Jahren forderten Islamisten, die Familienrechtsreformen<br />

von Burgiba rückgängig zu machen. Nun<br />

ist der Islamistenführer Rachid Ghannouchi nach<br />

Tunesien zurückgekehrt. Glauben Sie, dass seine<br />

Anhänger oder andere islamistische Gruppen die<br />

Gleichberechtigung der tunesischen <strong>Frauen</strong> ernsthaft<br />

gefährden können?<br />

Ich bin nicht sicher, dass die Islamisten die Fortschritte<br />

in Bezug auf die gleichberechtigung der<br />

<strong>Frauen</strong> offen in Frage stellen werden. Sie waren<br />

diesbezüglich in den letzten Jahren ziemlich widersprüchlich<br />

– mal dafür, mal dagegen. Ich halte<br />

es auch für völlig f<strong>als</strong>ch, die Bedrohung nur bei<br />

den Islamisten zu sehen. Tatsache ist, dass auch<br />

viele junge leute, die nicht islamistisch denken,<br />

dazu neigen, die Bedeutung der <strong>Frauen</strong>emanzipation<br />

nicht wichtig genug zu nehmen. Sie sehen<br />

nicht, wie wichtig es ist, jetzt aktiv zu werden,


damit die <strong>Frauen</strong>rechte nicht bedroht werden.<br />

Das gilt auch für die politischen Parteien.<br />

Gender und Gleichberechtigung - welche Rolle<br />

werden diese Themen Ihrer Meinung nach in den<br />

kommenden Monaten im politischen Prozess<br />

spielen?<br />

<strong>Wir</strong> diskutieren sehr intensiv, sowohl innerhalb<br />

der aTFD <strong>als</strong> auch mit anderen aktiven <strong>Frauen</strong>.<br />

Das Spektrum umfasst die <strong>Frauen</strong>gruppen des<br />

gewerkschaftsverbandes UgTT, die tunesische<br />

menschenrechtsliga, die <strong>Frauen</strong>forschungsvereinigung<br />

aFTUrD bis hin zu unabhängigen <strong>Frauen</strong>.<br />

Zwischen uns ist konsens, dass die neue Situation<br />

nicht den <strong>Frauen</strong>rechten schaden darf, sondern<br />

dass es darum geht, die gleichberechtigung zu<br />

erhalten. <strong>Wir</strong> sind dabei, vorschläge für die neue<br />

verfassung und für die anstehenden politischen<br />

reformen zu erarbeiten und wir wollen möglichst<br />

viele <strong>Frauen</strong> im ganzen land für unsere Forderungen<br />

mobilisieren. Deshalb sind wir im augenblick<br />

sehr viel unterwegs, auch in den ländlichen<br />

gebieten. Das echo ist sehr ermutigend: zu<br />

uns kommen täglich <strong>Frauen</strong>, die sich vorher nie<br />

politisch engagiert haben, und die jetzt sagen:<br />

wir wollen was tun, wir wollen uns engagieren.<br />

Diesen <strong>Frauen</strong> geht es nicht nur darum, dass<br />

ihnen ihre rechte erhalten bleiben. Sie wollen<br />

eine noch weitergehende gleichberechtigung, z.B.<br />

was das erbrecht betrifft oder die freie Wahl des<br />

ehepartners. ein wichtiges Ziel ist auch, dass die<br />

vorbehalte Tunesiens gegen die antidiskriminierungs-konvention<br />

ceDaW aufgehoben werden.<br />

Daran haben wir seit Jahren gearbeitet, und daran<br />

arbeiten wir weiter.<br />

Die tunesische Verfassung wird reformiert werden.<br />

Bislang sind Staat und Religion in der tunesischen<br />

Verfassung nicht klar voneinander getrennt. Wie<br />

wichtig ist diese Trennung aus Ihrer Sicht?<br />

Die Trennung von religion und Staat ist eine<br />

garantie, dass die gleichstellung der <strong>Frauen</strong> nicht<br />

zurückgenommen wird. Die volle gleichstellung<br />

wurde bislang mit hinweis auf die religion nicht<br />

verwirklicht. Doch das ist nur ein vorwand. Das<br />

Patriarchat instrumentalisiert die religion, um<br />

die Diskussion über eine wirkliche gleichheit zu<br />

tabuisieren.<br />

Kommen wir noch einmal auf den bevorstehenden<br />

politischen Prozess. Westliche Beobachter haben<br />

sich skeptisch geäußert, weil die tunesische Opposition<br />

keine Führungsfiguren habe. Sehen Sie ein<br />

Problem darin, dass es offenbar keinen tunesischen<br />

Vaclav Havel gibt?<br />

Ich glaube, dass die Tunesier und Tunesierinnen<br />

heute vor allem antworten auf ihre drängenden<br />

Fragen und Bedürfnisse brauchen, und das betrifft<br />

flickr/anw.fr<br />

in erster linie die soziale Sicherung, die gesundheit<br />

und die Bildung. Davon abgesehen sind wir in<br />

ländern, wo sehr oft der Personenkult ein grund<br />

für die wirtschaftliche Unterentwicklung war.<br />

Deshalb denke ich, dass es viel wichtiger ist, den<br />

menschen konkrete angebote zu machen, die ihre<br />

konkrete lebenssituation betreffen, auch kulturelle<br />

angebote. Und wenn es dann charismatische<br />

Figuren geben sollte – gut, es gibt jetzt den raum,<br />

damit solche Figuren sich entfalten können, aber<br />

es ist Unsinn, sie künstlich schaffen zu wollen.<br />

Was sind ihre Befürchtungen, was sind Ihre Hoffnungen?<br />

Hat Tunesien die Chance, zu einer echten<br />

Demokratie zu werden?<br />

Was ich befürchte, ist dass die progressiven<br />

Demokraten nicht die richtige Form finden sich zu<br />

organisieren, um zumindest einen einfluss auf die<br />

politischen entscheidungen und die richtung zu<br />

gewinnen.<br />

meine hoffnung ist, dass die Jugend uns zur<br />

raison ruft, wenn wir den kompass verlieren.<br />

Und hier bin ich optimistisch. Seit ich vor zwei<br />

Jahren Facebook entdeckte, ist mir klar geworden,<br />

welches Potential in unserer Jugend steckt. Ich<br />

hatte seit Jahren alle politischen aktivitäten mit<br />

den leuten meiner generation eingestellt und<br />

nur noch zu <strong>Frauen</strong>rechten gearbeitet. Doch mit<br />

den Jugendlichen habe ich den geschmack an<br />

der Politik wiederentdeckt, zum Beispiel durch<br />

die kampagne „SayebSalih – nhar 3ala 3ammar“<br />

gegen die Internetzensur. Ich habe meinen<br />

altersgenossinnen, die nicht auf Facebook waren<br />

gesagt, dass es da eine neue generation gibt: eine<br />

generation, die man <strong>als</strong> unpolitisch abtut, die<br />

aber in <strong>Wir</strong>klichkeit nicht nur sehr politisiert ist,<br />

sondern auch mutig, und auch sehr kreativ, und<br />

die unseren Diskurs einfach archaisch findet. Diese<br />

Jugendlichen sind nicht apolitisch, sie engagieren<br />

sich anders. auf diese Jugend baue ich.<br />

23<br />

Anzeige<br />

wiR FRaUen 2.2011


24 KRieG UnD FRieDen neTZWerk WaSSIla<br />

Mit Wassila1 π Sind Sie durch die Soziologie zur Feministin gewor-<br />

ans Ziel den?<br />

Wer hätte gedacht, dass die seit Jahrzehnten<br />

obrigkeitshörigen menschen<br />

im lande karthagos oder an den<br />

Pyramiden zur revolte aufrufen, dass<br />

die <strong>Frauen</strong> und männer, die seit Jahrzehnten<br />

die autokratischen herrscher<br />

mit stoischem oder religiösem gleichmut<br />

ertrugen, alle ketten von sich<br />

werfen und demokratische verhältnisse<br />

für sich fordern: mitbestimmung,<br />

arbeit und Zukunftsperspektiven. Ben<br />

ali und mubarak wurden mittlerweile<br />

entthront, nun müssen mittel und<br />

Wege gefunden werden, um den gewünschten<br />

Demokratisierungsprozess<br />

auf einen sicheren Weg zu führen. In<br />

Tunesien werden <strong>Frauen</strong> auf den listen<br />

für die 2012 anstehenden Parlamentswahlen<br />

mit Unterstützung aller politischen<br />

kräfte paritätisch vertreten sein.<br />

Schon seit 1956 gab es in Tunesien eine<br />

in der arabischen Welt fast einzigartige<br />

gesetzgebung zugunsten der <strong>Frauen</strong>.<br />

Doch reicht das, um den Frühling zu<br />

bewahren?<br />

algerien hatte seine revolution bereits:<br />

Die 1988 in algerien ausgebrochenen<br />

Unruhen, bei denen über 600 men-<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

schen ihr leben ließen, führten zu<br />

einer demokratischen Öffnung, von<br />

der jedoch die Islamisten am meisten<br />

profitierten. Im Dezember 1991 hatte<br />

die Islamische heilsfront FIS 2 bei den ersten<br />

pluralistischen Parlamentswahlen<br />

den ersten Urnengang gewonnen. aus<br />

Furcht, algerien könnte gleich dem<br />

Iran zu einem fundamentalistisch-islamischen<br />

gottesstaat werden, brachen<br />

die seit der Unabhängigkeit im hintergrund<br />

waltenden generäle die Wahl<br />

ab. Darauf folgten zehn Jahre Terror:<br />

200.000 menschen starben, unzählige<br />

sind bis heute spurlos verschwunden.<br />

Die zunächst hoffnungsvolle Demokratisierung<br />

diente vor allem den gemäßigten<br />

und radikalen islamistischen<br />

kräften der gesellschaft, die in ihren<br />

Parteiprogrammen oder mittels ihrer<br />

<strong>Frauen</strong>organisationen offen die (rück-)<br />

verbannung der Frau ins haus forderten.<br />

Für die <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> sprach christine<br />

Belakhdar mit der <strong>Frauen</strong>rechtlerin und<br />

Soziologin DaLLiLa iamaRène über das<br />

netzwerk Wassila und die <strong>Frauen</strong> in<br />

algerien.<br />

flickr (2)/ adam Jones, Ph. D.<br />

Das ist eine Frage, die nur historisch zu beantworten<br />

ist. <strong>als</strong> Jugendliche habe ich die Befreiung<br />

algeriens, seine Unabhängigkeit und entkolonialisierung<br />

erlebt. <strong>Wir</strong> hatten seinerzeit hehre<br />

Ziele: Freiheit und gleichheit der geschlechter.<br />

alles war möglich zu jener Zeit. Die moudjahidates<br />

3 waren unser Ideal, jene <strong>Frauen</strong>, die mit<br />

allem gebrochen hatten, mit ihren Familien,<br />

mit ihren Traditionen. Dadurch hatte sich unser<br />

<strong>Frauen</strong>bild völlig gewandelt.<br />

Wie entstand das Netzwerk Wassila?<br />

<strong>Wir</strong> gründeten das netzwerk Wassila vor elf<br />

Jahren, <strong>als</strong> der islamistische Terror seinen<br />

höhepunkt erreicht hatte. es galt in dieser Zeit,<br />

Prioritäten zu setzen, lange Zeit hatten wir von<br />

den rechten der <strong>Frauen</strong> gesprochen, vom recht<br />

auf Bildung und arbeit zur Überwindung der<br />

Diskriminierung. Die Umstände zwangen uns<br />

allerdings, das hauptaugenmerk auf die gewalt<br />

gegen den weiblichen körper zu legen. eine<br />

omnipräsente gewalt, in der ehe, in der Familie,<br />

am arbeitsplatz, die offiziell mit Schweigen belegt<br />

wird. Wassila ist ein offenes netzwerk, das<br />

<strong>Frauen</strong> verschiedener alters- und Berufsgruppen<br />

sowie <strong>Frauen</strong>organisationen vereint, um gemeinsam<br />

handlungsstrategien für den kampf gegen<br />

gewalt an <strong>Frauen</strong> und kindern zu entwickeln.<br />

Inwiefern geht es dem Netzwerk Wassila vor allem<br />

um den Kampf gegen die Gewalt?<br />

Infolge der Unruhen von 1988 wurde 1989 ein<br />

gesetz erlassen, das die gründung von Parteien<br />

und organisationen zuließ. Ich erinnere<br />

mich noch an das erste koordinationstreffen<br />

der <strong>Frauen</strong>vereine: es war das erste mal, dass<br />

<strong>Frauen</strong> ihre eigenen Forderungen vorbrachten.<br />

es war eine völlig andere Sprache <strong>als</strong> die der<br />

Satellitenvereine. allerdings währte der enthusiasmus<br />

nur kurz, 1989/90 verblasste der algerische<br />

Frühling wieder. Die vorbereitung auf die<br />

Parlamentswahlen waren in vollem gang, viele<br />

<strong>Frauen</strong> hatten sich zur Wahl gestellt, doch dann<br />

eroberte die FIS die Straße, der Wahlprozess<br />

wurde abgebrochen, der Terrorismus begann,<br />

wenngleich die <strong>Frauen</strong> den Terror der Islamisten<br />

viel eher zu spüren bekamen. Die Islamisten<br />

diktierten seit langem vor allem gegen <strong>Frauen</strong><br />

gerichtete verbote und vorschriften, eine neue<br />

kleiderordnung, das verbot zu arbeiten, es kam<br />

massenhaft zu entführungen, ermordungen und<br />

vergewaltigungen. Was hier geschah, war ein<br />

verbrechen gegen die menschlichkeit, das jedoch<br />

mit dem amnestiegesetz von 2006 <strong>als</strong> ungeschehen<br />

erklärt werden sollte. Diese ereignisse<br />

haben extrem schlimme auswirkungen auf die


gesamte algerische gesellschaft. <strong>Wir</strong> stehen<br />

heute vor einer Banalisierung der gewalt, die<br />

sich zunehmend gegen <strong>Frauen</strong> richtet. Die Täter<br />

bleiben oft unbehelligt, die Straffreiheit ist beinahe<br />

garantiert.<br />

ein beredtes Beispiel sind auch die Schulen:<br />

lehrer schlagen Schüler und umgekehrt, lehrerinnen<br />

werden von ihren kollegen verprügelt,<br />

Schulleiter vergreifen sich am lehrpersonal usw.,<br />

d. h. wir haben es mit einer verallgemeinerten<br />

gewalt zu tun. Das amnestiegesetz hat uns eine<br />

verkehrung der moralischen ordnung gebracht,<br />

d. h. dass sämtliche ge- und verbote, die den<br />

gehalt einer gesellschaft ausmachen, praktisch<br />

außer kraft gesetzt sind. Unsere aufgabe im<br />

netzwerk Wassila sehen wir darin, die verbrechen<br />

anzuprangern, Workshops zu organisieren,<br />

um über diese ge- und verbote zu sprechen,<br />

ihnen einen namen zu geben, zumindest auf<br />

moralischer ebene. <strong>Wir</strong> müssen vor allem<br />

mediziner und vertreter des gesetzes systematisch<br />

für dieses Problem sensibilisieren, um die<br />

gewaltbereitschaft einzudämmen. allerdings<br />

ist uns der Zugang zu den medien versperrt,<br />

wir können weder im radio noch im Fernsehen<br />

Informationsarbeit leisten.<br />

Das réseau Wassila bekämpft alle arten und<br />

Sorten von gewalt, physische, wirtschaftliche,<br />

rechtliche.<br />

Integrieren die Menschenrechtsorganisationen die<br />

<strong>Frauen</strong>frage in ihren Kampf?<br />

Ja, allerdings sehr formal. Die Ungleichheit zwischen<br />

den Bürgern wird nicht <strong>als</strong> grundlegendes<br />

politisches Problem angesehen, sondern eher<br />

<strong>als</strong> ein Problem der Definition von Bürgerstatus,<br />

rechtsstaat und gesellschaftsprojekt, ihr Status<br />

wird eher <strong>als</strong> frauenintern abgetan, ihre Forderungen<br />

<strong>als</strong> nebengeordnet. Die Parteien selbst<br />

erheben die lage der Frau nicht zum Thema. Bei<br />

besonderen anlässen, wie etwa am 8. märz, gibt<br />

es versammlungen, Debatten, es erscheint der<br />

eine oder andere artikel in den Zeitungen, aber<br />

im Wesentlichen gehört die lage der Frau nicht<br />

zu den Prioritäten der Politiker.<br />

Was können die <strong>Frauen</strong> in einer „Männerrepublik“<br />

erhoffen, in der sie gerade einmal zu etwas<br />

mehr <strong>als</strong> sieben Prozent in staatlichen Organen<br />

vertreten sind, und wo die ehemalige <strong>Frauen</strong>rechtlerin<br />

Khalida Messaoudi 4 eine 180-Grad-<br />

Wende vollzogen hat und an der Absegnung<br />

frauenfeindlicher Gesetze mitbeteiligt ist?<br />

<strong>Wir</strong> können nur das erwarten, was wir selber<br />

bereit sind zu tun. Weder von der regierung<br />

noch vom Parlament haben wir etwas zu erhoffen,<br />

und schon gar nicht von einzelnen Personen,<br />

denn sobald diese mit dem politischen<br />

System verschmelzen, folgen sie dessen Spielregeln.<br />

Der kampf für die abschaffung von frauenfeindlichen<br />

gesetzen, für die Förderung von<br />

<strong>Frauen</strong> auf dem arbeitsmarkt, für die Würde<br />

der <strong>Frauen</strong> usw. kann nur von den <strong>Frauen</strong>bewegungen<br />

selbst erwirkt werden. Die verteilung<br />

der Sitze im Parlament spiegelt das kräfteverhältnis<br />

in der gesellschaft wider. Der politischrechtliche<br />

Status der <strong>Frauen</strong> war immer schon<br />

eine art Pfand, das gegen die errichtung eines<br />

rechtsstaates eingesetzt werden kann. Deshalb<br />

kämpfen wir für einen rechtsstaat, für Demokratie,<br />

für einen transparenten Staat.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft der <strong>Frauen</strong>? Sicherlich<br />

gab es doch im Zuge des arabischen Frühlings<br />

große Enttäuschungen, wenn in Nachbarländern<br />

das demokratische Pflänzchen anfängt zu blühen,<br />

und in Algerien alles beim Alten bleibt.<br />

Ich glaube nicht, dass alles beim alten bleiben<br />

wird, doch zu solch großen Umwälzungen,<br />

wie wir sie 1988 erlebten, wird es wohl nicht<br />

kommen. aber mit kleinen Schritten werden<br />

wir erreichen, dass die machthaber begreifen,<br />

dass es so nicht weitergehen kann, die Bürgerinnen<br />

und Bürger werden schrittweise immer<br />

mehr rechte einfordern. Ich glaube im moment<br />

nicht an eine große Umwälzung in algerien.<br />

<strong>Wir</strong> leisten aufklärungs- und Informationsarbeit,<br />

auf diesem Wege werden wir die gesellschaft<br />

ändern. Die algerier haben während des<br />

schwarzen Jahrzehnts zu sehr gelitten, <strong>als</strong> dass<br />

sie sich erneut auf eine revolution einlassen<br />

würden.<br />

1 arabischer <strong>Frauen</strong>name mit<br />

der Bedeutung von „nähe“<br />

bzw. „mittel, um ans Ziel zu<br />

gelangen“<br />

2 FIS – Die Islamische heilsfront<br />

3 <strong>Frauen</strong>, die im Untergrund<br />

und an der Seite der männer<br />

für die Befreiung des landes<br />

gekämpft hatten<br />

4 khalida messaoudi: Worte<br />

sind meine einzige Waffe.<br />

verlag antje kunstmann<br />

25<br />

wiR FRaUen 2.2011


26 pRojeKte leSBen In Der PreSSe<br />

www.elke-amberg.de<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

π<br />

angela merkels mediale Präsenz verdeckt, dass in<br />

ihrer Partei nur 20 Prozent <strong>Frauen</strong> im Parlament<br />

vertreten sind. Und das scheinbar glatte comingout<br />

von anne Will täuscht darüber hinweg, dass<br />

lesben in der medienöffentlichkeit weithin nicht<br />

existieren – auch nach über drei Jahrzehnten<br />

<strong>Frauen</strong>- und lesbenbewegung nicht. allein <strong>als</strong><br />

mütter sind lesbische <strong>Frauen</strong> in der Presse gefragt.<br />

Zu diesem ergebnis kommt die Studie „Sag’ mir,<br />

wo die lesben sind?“ der Journalistin und kommunikationswissenschaftlerin<br />

elke amberg. Sie<br />

fand heraus: lesben werden oft nicht <strong>als</strong> lesbe<br />

benannt, der Begriff „lesbe“ taucht in keiner<br />

Überschrift auf, nur wenige lesben werden zitiert<br />

oder stehen gar im mittelpunkt eines artikels.<br />

meist verschwindet lesbisches leben in all seiner<br />

vielfalt hinter griffigen Formulierungen von<br />

„homo-ehe“ und „Schwulenparade“, angereichert<br />

mit Statements und Beispielen schwuler männer,<br />

illustriert mit Transvestiten im Diva-look. Zwar<br />

suggeriere der insbesondere in der seriösen Presse<br />

häufig verwendete und scheinbar neutrale Begriff<br />

„homosexuell“ Sachlichkeit und wirke auf den<br />

ersten Blick beide geschlechter umfassend, auf<br />

den zweiten Blick stelle sich dann jedoch oft heraus,<br />

dass nur schwule männer gemeint seien. ein<br />

Drittel aller analysierten artikel enthält diese art<br />

ausblendung von lesben. Der lesben ignorierende<br />

Sprachgebrauch geht so weit, dass einige artikel<br />

inhaltlich schlichtweg f<strong>als</strong>ch sind. Sie titeln beispielsweise<br />

mit „Steuersplitting für Schwule“ bei<br />

einem Thema, das lesben wie Schwule betrifft.<br />

flickr (2)/infomatique<br />

Sag’ mir,<br />

wo die<br />

Lesben sind?<br />

Studie zur (Nicht-)Sichtbarkeit<br />

von Lesben in der Presse<br />

TexT eLKe ambeRG<br />

Die Studie entstand im auftrag der münchner<br />

lesbenberatungsstelle leTra. elke amberg hat<br />

die Berichterstattung zu den lesbisch-schwulen<br />

Themen „rechtliche gleichstellung“ und „christopher-Street-Day“<br />

(cSD) ausgewertet. analysiert<br />

wurden insgesamt 81 artikel, die im zweiten<br />

halbjahr 2009 in der „Süddeutschen Zeitung“,<br />

dem „münchner merkur“ sowie den Boulevardzeitungen<br />

„abendzeitung“ und „tz“ veröffentlicht<br />

wurden. Die artikel setzen sich zusammen aus<br />

kurzen meldungen, Interviews und Berichten,<br />

bis hin zu langen, ausführlichen hintergrundberichten,<br />

reportagen und Features mit aussagen<br />

und konkreten Beispielen lesbisch-schwulen<br />

lebens. Sie befassten sich mit adoptionsrecht und<br />

regenbogenfamilien, mit Standesamtsöffnung,<br />

coming-out und Diskriminierung, mit Themen,<br />

reden, events und Betroffenen-geschichten rund<br />

um die cSD-Politparade. Die kommunikationswissenschaftliche<br />

analyse lehnte sich an methoden<br />

des weltweiten global-media-monitoring-Projekts<br />

zur Präsenz von <strong>Frauen</strong> in den nachrichten an.<br />

Die lesben-Studie weist auf eine Forschungslücke<br />

hin und belegt jedoch erstm<strong>als</strong> die bisher nur gefühlte<br />

„nicht-existenz“ von lesben in den medien.<br />

aber sie zeigt – dank ihres spezifischen Fokus und<br />

vor dem hintergrund bisheriger gendermedienforschung<br />

– auch auf, welche Qualitäten des<br />

<strong>Frauen</strong>bildes in den medien insgesamt zu kurz<br />

kommen: Weibliches Begehren aus der Sicht<br />

von <strong>Frauen</strong> wird nicht dargestellt und lesbisches<br />

Begehren bezogen auf andere lesben schon gar


nicht. es sei denn <strong>als</strong> männerphantasie, zur sexuellen<br />

Stimulation. Die Pionierarbeit und die mutigen<br />

lebensleistungen von lesben – gerade auch<br />

in der <strong>Frauen</strong>bewegung – werden nicht benannt.<br />

Zum Teil aus angst vor einem medienöffentlichen<br />

coming-out, zum Teil weil <strong>Frauen</strong>bewegung und<br />

feministische Themen insgesamt keinen Platz<br />

haben im „malestream“ der medien. Die lesbe<br />

<strong>als</strong> Straßenbahnfahrerin, <strong>als</strong> krankenschwester,<br />

<strong>als</strong> Ingenieurin oder rechtsanwältin kommt nicht<br />

vor. Dabei hat Berufstätigkeit für lesbische <strong>Frauen</strong><br />

oftm<strong>als</strong> noch größere Bedeutung, da es keine<br />

existenzsicherung über den männlichen Partner<br />

gibt. nur das traditionelle Stereotyp wird bedient<br />

(und damit zumindest auch gebrochen): lesbisch-<br />

Sein und mutterschaft.<br />

Das scheinbare Paradox macht neugierig. Betrachtet<br />

man/frau die wenigen artikel zu diesem<br />

Thema allerdings genauer, wird deutlich, dass<br />

hier vor allem nach dem Wohl der (männlichen!)<br />

kinder gefragt wird. ein Thema, das seine Berechtigung<br />

hat. aber der alltag, die Beziehungen, die<br />

kreativen lebensentwürfe lesbischer <strong>Frauen</strong> und<br />

lesbischer Paare jenseits von weiblichen rollenzuschreibungen<br />

bleiben ohne Öffentlichkeit und<br />

damit ohne gesellschaftliche anerkennung – wie<br />

im Übrigen auch lebensentwürfe von heterosexuell<br />

lebenden <strong>Frauen</strong> jenseits der norm nur selten<br />

in den medien vorkommen.<br />

Weitere Forschungen sind sicherlich notwendig<br />

um herauszufinden, welche auswirkungen diese<br />

flickr (2)/jerome_munich<br />

„leerstelle lesben“ für mädchen und jungen<br />

<strong>Frauen</strong> hat, die im coming-out auf der Suche<br />

nach ihrer Identität <strong>als</strong> Frau und lesbe sind und<br />

auf vorbilder verzichten müssen. Die Studie<br />

liegt zunächst <strong>als</strong> Powerpoint-Präsentation mit<br />

zahlreichen Pressebeispielen vor. eine schriftliche<br />

ausarbeitung soll folgen, kontakt und Informationen<br />

unter www.elke-amberg.de.<br />

Münchner CSD bleibt „Christopher<br />

Street Day“<br />

Der münchner cSD macht in diesem Jahr die Sichtbarkeit von lesbischen <strong>Frauen</strong><br />

zum Thema. Deshalb sollte der cSD einmalig einen weiblichen vornamen tragen.<br />

In der lesbisch-schwulen Szene hat diese aktion für hitzige, teilweise beleidigende<br />

Debatten gesorgt.<br />

Die veranstalter wollen die Polemik um den namen „christina Street Day“ jetzt<br />

entschärfen und kehren zu „christopher Street Day“ zurück. Der lesbische Schwerpunkt<br />

soll nun über das neue motto „Für ein solidarisches miteinander: lesben<br />

vor!“ und entsprechende veranstaltungen transportiert werden.<br />

Seit Jahrzehnten treten lesben und Schwule in münchen gemeinsam für ihre<br />

rechte ein. Seit 15 Jahren veranstalten sie gemeinsam den münchner christopher<br />

Street Day. Das wollten die organisatorinnen und organisatoren öffentlichkeitswirksam<br />

in Szene setzen; einmalig sollte der cSD „christina Street Day“<br />

heißen. Doch vor allem innerhalb der schwulen Szene traf die aktion auf großen<br />

Widerstand. Der „etikettenwechsel“ nur für dieses Jahr hat dann aber neben<br />

Zustimmung und sachlich konstruktiver kritik auch zu heftigen Diskussionen und<br />

offener ablehnung in der Szene geführt – auf unterschiedlichem niveau und bei<br />

bedenklicher aggressivität, vor allem auf Facebook und auf queer.de. gb<br />

27<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

flickr (2)/martin hey


28 pRojeKte aUgSPUrg-heymann-PreIS<br />

Fußballerin<br />

Tanja Walther-<br />

Ahrens mit<br />

dem Augspurg-<br />

Heymann-Preis<br />

2011 geehrt<br />

TexT GabRieLe bischoFF<br />

TanJa WalTher-ahrenS:<br />

„SeITenWechSel - comIng<br />

oUT Im FUSSBall“, 176 S.,<br />

gÜTerSloher verlagShaUS<br />

FeBrUar 2011, 14,99 €<br />

www.augspurg-heymann-preis.de<br />

* lSBTI = lesben, Schwule, Bisexuelle,<br />

Trans* und Intersexuelle<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

π<br />

Im Jahr der <strong>Frauen</strong>-Fußball-Weltmeisterschaft in<br />

Deutschland ehrt die landesarbeitsgemeinschaft<br />

lesben in nrW die ehemalige Bundesliga-Fußballspielerin<br />

Tanja Walther-ahrens aus Berlin für<br />

ihr engagiertes eintreten gegen homophobie im<br />

Fußballsport mit der verleihung des „augspurgheymann-Preises“.<br />

auch heute noch gibt es erst wenige lesbische<br />

<strong>Frauen</strong>, die sich öffentlich sichtbar und mit Stolz<br />

zu ihrem lesbischsein bekennen – sei es in ihrem<br />

Privatleben, in der Politik oder auch durch ihr<br />

<strong>Wir</strong>ken in kultur, musik, Fernsehen oder auf dem<br />

Sportplatz. Die lag lesben in nrW will diesen<br />

stolzen <strong>Frauen</strong> gegenüber ihre Wertschätzung<br />

ausdrücken und einen anstoß geben, damit sich<br />

weitere <strong>Frauen</strong> an ihnen ein vorbild nehmen. Die<br />

erste Preisträgerin war die Schriftstellerin mirjam<br />

müntefering, im vergangenen Jahr wurde die<br />

Schauspielerin und entertainerin maren kroymann<br />

geehrt.<br />

Tanja Walther-ahrens hat <strong>als</strong> Stürmerin bei<br />

Tennis Borussia Berlin und Turbine Potsdam in<br />

der Bundesliga gespielt. heute ist sie seit über 10<br />

Jahren aktiv im Sv Seitenwechsel, dem <strong>Frauen</strong>/<br />

lesben Sportverein Berlin e. v. mit gut 800 mitfrauen,<br />

wovon 100 Fußball spielen. Die Stürmerin<br />

hat erkannt, dass Fußball ein abbild der gesellschaft<br />

ist. „Wenn wir hier etwas ändern können,<br />

kann man vielleicht auch in der gesellschaft<br />

etwas ändern“, sagt sie. Weil mädchensport insgesamt<br />

zu kurz kommt, hat sie außerdem in den<br />

Berliner Bezirken kreuzberg und Friedrichshain<br />

fünf Fußball-ags ins leben gerufen. Denn: „Fußball<br />

spielen ist allemal spannender <strong>als</strong> Fußball<br />

gucken.“<br />

Die Sportwissenschaftlerin und lehrerin engagiert<br />

sich auch über den verein hinaus: Sie hält<br />

vorträge zum Thema homophobie im Sport,<br />

besucht konferenzen, ist abgesandte der euro-<br />

pean gay and lesbian Sport Federation (eglSF)<br />

beim europäischen netzwerk Football against<br />

racism in europe (Fare). <strong>als</strong> solche hält sie auch<br />

den kontakt zum Deutschen Fußballbund (DFB).<br />

Dessen Präsident Dr. Theo Zwanziger hat bei der<br />

verleihung der kompassnadel 2009 des Schwulen<br />

netzwerks nrW gesagt, dass er alles über homophobie<br />

im Fußballsport von Tanja Walther-ahrens<br />

weiß. Zusammen haben die beiden das Thema in<br />

den beliebtesten Sport der Deutschen getragen.<br />

Inzwischen wird über homosexualität im Fußball<br />

viel mehr gesprochen. „es darf dabei aber nicht<br />

vergessen werden, dass diese aktivitäten erst<br />

einen anfang darstellen können. homophobie<br />

ist über Jahrhunderte gewachsen. lesben und<br />

Schwule galten viel zu lange <strong>als</strong> krank, sündhaft,<br />

und so weiter“, so Tanja Walther-ahrens. „vorurteile<br />

oder klischees können nur über viele Jahre<br />

abgebaut werden. Das geht nicht mit einem Flyer<br />

oder einer Diskussion, in der gesagt wird: „Die<br />

lesben und Schwulen sind doch ganz nett.“ aber<br />

solche aktionen bringen vielleicht den einen oder<br />

die andere zum nachdenken. Dann ist schon viel<br />

erreicht.“<br />

Das, was Tanja Walther-ahrens über Fußballsport<br />

und homophobie weiß, hat sie kenntnisreich und<br />

doch kurzweilig in ihrem Buch „Seitenwechsel –<br />

coming out im Fußball“ zusammengetragen.<br />

Das Buch richtet sich an Fußballinteressierte, die<br />

homosexualität nur vom hörensagen kennen<br />

und an menschen, denen der Spaß am aktiven<br />

und passiven Sport vermiest wurde. mit viel vergnügen<br />

hat sie SportlerInnen und PolitikerInnen<br />

Fragen gestellt und mit knappen Worten erklärt<br />

sie Begriffe der lSBTI*-community.<br />

Im Jahr der <strong>Frauen</strong>fußball-Weltmeisterschaft ist<br />

sie eine gefragte referentin für das Themenfeld,<br />

auch, weil es kaum Fußballerinnen und Fußballer<br />

gibt, die sich zu diesem Thema öffentlich äußern<br />

wollen.


π<br />

Sexualisierte Gewalt<br />

Was macht<br />

Sportunterricht<br />

sicher?<br />

TexT biRGit paLzKiLL<br />

„Wenn ich laufe, dann rufen sie: ‚Guck mal wie deine Titten wackeln’...<br />

Manchmal sagen sie aber auch: ‚Ich find dich heiß‘. Wenn man beim<br />

Sport so dasteht oder man bückt sich, dann kommt ‚aahh‘“. Diese<br />

Schilderung einer Schülerin aus der 8. klasse ist kein einzelfall.<br />

Da der körper im mittelpunkt des Sportunterrichts steht, werden<br />

grenzverletzungen oftm<strong>als</strong> unmittelbarer erlebt und treten direkter<br />

und klarer zutage. Der weitaus größte Teil der gewalt in Form<br />

von sexistischen Sprüchen sowie entsprechende gesten spielt sich<br />

dabei auf der ebene der Schülerinnen und Schüler ab.<br />

Ungewollte Berührungen bis hin zu dem versuch, gezielt an die<br />

genitalien oder die Brüste zu greifen, können im Sportunterricht <strong>als</strong><br />

zufällig oder <strong>als</strong> notwendige hilfestellung kaschiert werden. ebenso<br />

kann gezielte körperliche gewalt <strong>als</strong> unbeabsichtigt dargestellt<br />

werden, z. B. wenn jemand mit dem Ball absichtlich hart auf den<br />

körper zielt. mädchen oder Jungen, die opfer solchen verhaltens<br />

werden und nicht mehr mitmachen wollen, werden dann häufig<br />

mit attributen wie schwächlich, empfindlich, „memme“ oder „typisch<br />

mädchen“ abgewertet und ausgegrenzt.<br />

vor und nach dem Sportunterricht kann es zu verletzungen der<br />

Intimsphäre führen, wenn Türen von Umkleiden und Duschen aufgerissen<br />

werden oder jemand in die Umkleide eindringt. klein/Palzkill<br />

(1998) berichten darüber hinaus von Fällen sexueller nötigung<br />

und gewalt, die in Umkleiden stattgefunden haben.<br />

Sexualisierte gewalt kann für mädchen wie für Jungen zu gravierenden<br />

einschränkungen ihrer entfaltungs- und entwicklungsmöglichkeiten<br />

führen – wenn auch in unterschiedlicher Form.<br />

mädchen neigen eher dazu, die Zuschreibung der Unterlegenen<br />

und „Unsportlichen“ für sich selbst anzunehmen. Sie gehen<br />

dann mit zunehmendem alter dazu über, sexistische angriffe <strong>als</strong><br />

„normal“ hinzunehmen, und sehen einen Schutz nur noch darin,<br />

die Übergriffe so weit wie möglich aus der eigenen Wahrnehmung<br />

auszublenden.<br />

„Bei uns war das schon in der 5. Klasse so und deshalb sind wir das<br />

gewöhnt. ... Dagegen kann man ja nichts machen. <strong>Wir</strong> hören einfach<br />

weg und dann ist es ja auch nicht mehr so schlimm.“ (Schülerin 7.<br />

klasse)<br />

oftm<strong>als</strong> ist dies zudem mit dem versuch verbunden, sich so weit<br />

wie möglich ganz aus dem Sportunterricht zurückzuziehen.<br />

Jungen dagegen suchen einen Schutz vor angriffen eher darin, sich<br />

in die muster „hegemonialer männlichkeit“ einzupassen, sich aus<br />

angst vor ausgrenzung auf die Seite der angreifer zu schlagen, um<br />

eigene Überlegenheit und Stärke zu demonstrieren.<br />

„Viele, die Mädchen anmachen oder solche Sprüche loslassen<br />

(sexistische Abwertungen von Jungen; B.P.) machen das nur, damit<br />

sie nicht selbst angemacht werden und damit keiner auf die Idee<br />

kommt, sie könnten selbst so einer sein.“ (Schüler 12. Jahrgang)<br />

Im ergebnis werden einengende, hierarchische geschlechterklischees<br />

verfestigt und damit genau die Strukturen des geschlechterverhältnisses,<br />

die andererseits der nährboden sind, auf dem<br />

diese gewalt sich entwickelt.<br />

Sexualisierter Gewalt unter Schülerinnen und Schülern<br />

Grenzen setzen<br />

Die möglichkeiten, gegen diese Formen der gewalt zu handeln,<br />

liegen auf allen ebenen: von der einzelnen lehrkraft über das lehrer_innenkollegium,<br />

die Schulleitung, die Schulaufsicht, die elternschaft<br />

bis hin zur Schulpolitik. voraussetzung hierfür ist es, dass die<br />

Bereitschaft besteht, sexualisierte gewalt überhaupt wahrzunehmen<br />

und die Thematik für wichtig zu erachten.<br />

aufgrund der weit verbreiteten normalisierung und Bagatellisierung<br />

sexualisierter gewalt ist auch bei Sportlehrerinnen und<br />

Sportlehrern von gewissen „gewöhnungseffekten“ auszugehen, die<br />

29<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

flickr/bfoese


30 Gesehen DIe TaUBe aUF Dem Dach<br />

dazu führen, dass sie sogar deutliche Übergriffe aus der eigenen<br />

Wahrnehmung ausblenden.<br />

Gewalt zum Thema machen und Handlungsbereitschaft<br />

zeigen<br />

Doch selbst dann, wenn eine lehrperson sensibel bezüglich<br />

der Thematik ist, erfährt sie oft gar nicht, was kinder von ihren<br />

mitschülern so alles zu ertragen haben. Schülerinnen und Schüler<br />

beschweren sich nur dann bei der lehrperson über Übergriffe und<br />

gewaltsames verhalten, wenn sie davon ausgehen können, dass<br />

ihre Beschwerde nicht bagatellisiert wird und dass die lehrperson<br />

etwas zur veränderung der Situation unternimmt. Dies gilt vor<br />

allem in höheren Jahrgängen, in denen sie schon gelernt haben,<br />

sexualisierte gewalt <strong>als</strong> selbstverständlichen Bestandteil ihres alltags<br />

hinzunehmen. eine aufgabe der lehrkraft ist es daher, diese<br />

gewalt <strong>als</strong> unrechtmäßig zu benennen und glaubhaft zu verdeutlichen,<br />

dass sie etwas dagegen unternimmt.<br />

Vorbild sein – Reflexion der eigenen Rolle<br />

Schülerinnen und Schüler registrieren dabei sehr genau, wie sich<br />

die lehrerin bzw. der lehrer selber in der eigenen rolle <strong>als</strong> Frau<br />

bzw. mann verhält und orientieren sich an deren vorbild.<br />

männer können <strong>als</strong> lehrer Schülern nur dann glaubhaft grenzen<br />

setzen, wenn sie sich selber von verbaler und körperlicher gewalt<br />

und sexistischem verhalten innerlich und äußerlich distanzieren<br />

und sich nicht unbewusst mit übergriffigen Schülern solidarisieren.<br />

Denn Schüler spüren sehr genau, ob es der kollege ernst<br />

meint, wenn er sie wegen sexistischen verhaltens zur rede stellt<br />

oder nicht. Zitat einer kollegin:<br />

„Wenn ich zum Beispiel hinter einem Jungen hergehe, der so im<br />

Vorübergehen eben mal in die Umkleidekabine von den Mädchen<br />

stürmt. Da ist es ein Unterschied, ob ich sage: ‚So, jetzt kommst du<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

mal her. Bei mir machst du das nicht‘. Oder ob ich hinterhergehe und<br />

sage: Na, ttt, so im Sinne von: ‚Ich kann das zwar verstehen, aber das<br />

solltest du hier nicht machen‘, oder gar nach dem Motto: ‚Wenn ich<br />

es dürfte, würde ich es auch machen‘, das wäre dann die nächste<br />

Stufe.“ (lehrerin)<br />

verhalten sich lehrer selbst abwertend, verletzen sie durch sexistische<br />

Sprüche oder werten sie Jungen <strong>als</strong> „Schwächlinge“ ab, so<br />

wird dies von bestimmten Jungen <strong>als</strong> Bestätigung der rechtmäßigkeit<br />

ihres verhaltens aufgefasst. Selbst wenn ein solcher lehrer<br />

Schüler bezüglich ihres sexistischen verhaltens verbal zurechtweist,<br />

wird dies keinerlei <strong>Wir</strong>kung bei den Schülern zeigen.<br />

auch <strong>Frauen</strong> sind <strong>als</strong> lehrerinnen keineswegs qua geschlecht davor<br />

geschützt, sich mit der „männlichen“ macht kokettierend mit<br />

übergriffigen und dominanten Jungen zu solidarisieren. Ich verweise<br />

hier auf das von Scheffel/Palzkill (1994) dargelegte Phänomen<br />

des „sexualisierten Bündnisses“. Bei einem solchen Bündnis<br />

spiegeln lehrerinnen Jungen ihre „männlichkeit“. Jungen fügen<br />

sich im gegenzug in das Unterrichtsgeschehen ein und verstehen<br />

sich oft <strong>als</strong> ‚Beschützer‘ der lehrerin“.<br />

auf dieser grundlage sorgen sie dann für ruhe und tun der lehrerin<br />

– solange diese ihnen ihre Überlegenheit, Stärke und macht<br />

beständig spiegelt und nicht gegen ihre Interessen handelt –<br />

vielleicht den gefallen, auf offensichtliche verbale und körperliche<br />

gewalt sowie sexistische Übergriffe gegen mitschülerinnen und<br />

mitschüler sowie gegen die lehrerin selbst zu verzichten.<br />

auf der erscheinungsebene hat die lehrerin zwar der direkten<br />

gewalt mit dieser Strategie eine grenze gesetzt, doch ist diese<br />

Strategie erstens äußerst brüchig und zweitens dient das verhalten<br />

der lehrerin den mädchen <strong>als</strong> (negatives) vorbild. es bestätigt,<br />

dass nur die Unterwerfung unter männliche Dominanz und<br />

herrschaftsansprüche den ausbruch offener gewalt (vielleicht)<br />

verhindern kann.<br />

flickr/fototastisch


Grenzen setzen gegen Gewalt – Durchsetzungskompetenz<br />

ein wirksames handeln gegen gewalt ist nur dann möglich, wenn<br />

es gelingt, denen, die gewalt ausüben, immer wieder grenzen zu<br />

setzen. Dies erfordert ausdauer, kraft und Durchsetzungskompetenz.<br />

Das Training der hierbei notwendigen verbalen und nonverbalen<br />

Fähigkeiten findet in der bisherigen aus- und Fortbildung<br />

bislang zu wenig Beachtung und sollte unbedingt ausgebaut<br />

werden. Doch unabhängig von den individuellen Fähigkeiten hängt<br />

die Durchsetzungsfähigkeit der einzelnen lehrkraft in großem<br />

ausmaß davon ab, wie sicher sie sich der Unterstützung durch das<br />

kollegium sein kann und ob es abgesprochene maßnahmen und<br />

verfahren für den Fall gibt, dass Schülerinnen und Schüler regeln<br />

verletzen und gewalt ausüben. hierzu gehört einerseits die entwicklung<br />

pädagogischer maßnahmen und hilfsangebote . andererseits<br />

aber auf kollegialer ebene auch die auseinandersetzung<br />

darüber, wann dem pädagogischen handeln grenzen gesetzt sind<br />

und eine grenzsetzung mit anderen mitteln (z. B. über die verhängung<br />

von ordnungsmaßnahmen) angezeigt ist.<br />

Der Diskurs in der Schule<br />

So selbstverständlich dies erscheint, so schwierig kann sich dies<br />

in der Praxis erweisen. voraussetzung für gemeinsames handeln<br />

ist es nämlich, dass in der Schule überhaupt über sexualisierte<br />

gewalt gesprochen werden kann und der ernsthafte Wille besteht,<br />

dagegen zu handeln. Dies ist jedoch leider nicht <strong>als</strong> Selbstverständlichkeit<br />

anzusehen. alle aus der erforschung sozialer Probleme <strong>als</strong><br />

„neutralisierungsstrategien“ bekannten verhaltensweisen können<br />

jede Thematisierung sexistischer gewalt z. B. auf einer Fachkonferenz<br />

schon im keim ersticken:<br />

» negieren (Übergehen, Schweigen)<br />

» Bagatellisieren („Stellt euch doch nicht so an“, „Das ist doch nicht<br />

so schlimm“, „<strong>Wir</strong> haben wichtigere Probleme“)<br />

» vorwurf der Prüderie („Jetzt sind wir doch mal nicht so prüde<br />

hier“, „<strong>Wir</strong> wollen es doch wohl nicht haben wie früher“)<br />

» Schuldzuweisung an die opfer („Was bewegen die sich auch so<br />

tuntig“, „Die haben das selber gewollt“, „Die wehren sich ja auch<br />

nicht richtig“)<br />

» normalisieren („Das gehört zu diesem alter“, „Das war schon<br />

immer so.“, „Das ist doch normal“)<br />

» abwertung und Isolation derer, die gewalt benennen („Der/die<br />

regt sich aber auch schnell auf“)<br />

greifen diese Strategien, so wird es unmöglich, gemeinsam grenzen<br />

aufzuzeigen. hält z. B. ein großer Teil des kollegiums oder der<br />

elternschaft sexistisches verhalten für ein kavaliersdelikt oder für<br />

eine normale Phase der Identitätsentwicklung, die sich auswächst,<br />

so wird wegen solcher „Bagatellen“ keine ordnungsmaßnahme<br />

nach der allgemeinen Schulordnung verhängt werden. <strong>Wir</strong>d nicht<br />

das sexistische verhalten selbst <strong>als</strong> Problem angesehen, sondern<br />

die lehrkraft, die dieses benennt, so hat die hierdurch abgewertete<br />

und isolierte lehrkraft kaum chancen, sich durchzusetzen.<br />

Die Notwendigkeit institutioneller Stützung<br />

Wie hier deutlich wird, kann sexualisierter gewalt unter Schülerinnen<br />

und Schülern nur durch das gemeinsame handeln aller Beteiligten<br />

grenzen gesetzt werden. letztlich sind einzelne lehrkräfte<br />

dabei auf ihre kolleginnen und kollegen ebenso angewiesen wie<br />

auf institutionelle Stützung durch die Schulleitung, die elternschaft<br />

und die Schulpolitik. Je mehr denen, die sexualisierte gewalt<br />

benennen und dagegen intervenieren, der rücken gestärkt wird<br />

und je mehr Wertschätzung und Unterstützung maßnahmen und<br />

Projekte gegen sexualisierte gewalt erfahren, desto deutlicher kann<br />

diese gewalt eingegrenzt und stattdessen eine kultur der achtsamkeit<br />

aller akteurInnen im Sportunterricht entwickelt werden.<br />

LiteRatUR<br />

kleIn, mIchael/ PalZkIll, BIrgIT (1998). geWalT gegen mäDchen UnD<br />

FraUen Im SPorT. Pilotstudie im auftrag des ministeriums für <strong>Frauen</strong>,<br />

Jugend, Familie und gesundheit des landes nrW (mFJFg). In. mFJFg (hg.).<br />

Dokumente und Berichte 46 (S. 1–94). Düsseldorf. // PalZkIll, BIrgIT/<br />

heIDI ScheFFel (1997). SPorTlehrerInnen UnTerrIchTen JUngen.<br />

In: sportpädagogik, 21. Jahrgang, heft 6, 18–22. // PalZkIll, BIrgIT/ heIDI<br />

ScheFFel (2005): SPeZIFISche konFlIkTe In Der BeZIehUng ZWISchen<br />

lehrerInnen UnD SchÜlern – konSeQUenZen FÜr eIne geSchlech-<br />

TerSenSIBle SUPervISIon UnD ForTBIlDUng. In: ministerium für Schule<br />

nrW (hg.): Schule im gender mainstream. Soest, S. 233–238 onlinefassung<br />

unter: www.learnline.de/angebote/gendermainstreaming // ScheFFel,<br />

heIDI (1996). mäDchenSPorT UnD koeDUkaTIon. aspekte einer feministischen<br />

Sportpraxis. Butzbach. // ScheFFel, heIDI/ BIrgIT PalZkIll (1994).<br />

machT UnD ohnmachT von SPorTlehrerInnen Im koeDUkaTIven<br />

SPorTUnTerrIchT. In: sportunterricht 43, heft 4, 5. 159–168 // SoBIech,<br />

gaBrIele (1994): grenZÜBerSchreITUngen. körperstrategien von <strong>Frauen</strong><br />

in modernen gesellschaften. opladen.<br />

Alle kampfbereit –<br />

außer Deutschland<br />

Libyen:<br />

Freude über<br />

Luftangriff<br />

... oder gleich hier im Probeabo<br />

31<br />

www.jungewelt.de<br />

Bitte schicken Sie mir oder folgender Person die Tageszeitung junge Welt für drei Wochen<br />

kostenlos. Das Testabo endet automatisch.<br />

Ja, ich bin damit einverstanden, daß Sie mich zwecks einer Leserbefragung zur Qualität der Zeitung, der<br />

Zustellung und zur Fortführung des Abonnements telefonisch kontaktieren. (jW garantiert, daß die Daten<br />

ausschließlich zur Kundenbetreuung genutzt werden.)<br />

Frau Herr<br />

Name Vorname<br />

Straße/Nr. PLZ/Ort<br />

Telefon E-Mail<br />

Datum Unterschrift<br />

Die Belieferung soll ab Montag, den beginnen.<br />

Gaddafi : <strong>Wir</strong> schießen<br />

Urlaubsfl ieger ab<br />

Deutsche AKW:<br />

die sichersten<br />

Streit um<br />

»Stuttgart »Stuttgart 21« 21«<br />

gefährdet<br />

Zukunftsfähigkeit<br />

Zukunftsfähigkeit<br />

Deutschlands<br />

Deutschlands<br />

Coupon einsenden an: Verlag 8. Mai GmbH, Torstraße 6, 10119 Berlin, oder faxen an die 0 30/53 63 55-44<br />

www.jungewelt.de/abo/3wochenabo.php • Abotelefon: 0 30/53 63 55-50<br />

Betrugsrekord:<br />

SO WIRD<br />

BEI HARTZ IV<br />

ABGEZOCKT!<br />

auf der Welt Speerwerferin in Kuba:<br />

Nach Nach den den Landtagswahlen:<br />

Landtagswahlen:<br />

Deutschland strahlt grün<br />

Sarrazin-Debatte: Deutsche arbeiten<br />

demografi sch an ihrem Verschwinden<br />

Spitzelausleihe<br />

In Großbritannien ist erneut ein international<br />

tätiger verdeckter Ermittler<br />

aufgeflogen. Von Matthias Monroy<br />

Training Training mit mit der der Handgranate<br />

Handgranate<br />

Linke Gewalt schwer im Kommen<br />

Israel: Einzige Demokratie im Nahen Osten<br />

jungeWelt<br />

Ohrfeige<br />

Klatsche für Sarkozy bei Kantonalwahlen<br />

in Frankreich. Sozialisten regieren<br />

jedes dritte Departement<br />

4 7<br />

8<br />

Abschiebungen<br />

Hamburgs Ausländerbehörde will<br />

50 Roma nach Serbien und Mazedonien<br />

ausweisen. Ein Interview<br />

Uranwaffen gegen Libyen<br />

NATO-Staaten setzen DU-Munition im Krieg gegen Ghaddafi-Truppen ein. Rußland kritisiert<br />

Parteinahme im Bürgerkrieg. Türkei will vermitteln. Von Karin Leukefeld<br />

D<br />

Die Tageszeitung<br />

Gegründet 1947 · Dienstag, 29. März 2011 · Nr . 74 · 1,30 Euro · PVSt A11002 · Entgelt bezahlt<br />

Rußland kritisierte erneut die internationalen<br />

Luftangriffe <strong>als</strong> »unerlaubte<br />

Militärintervention«. Die Unterstützung<br />

der Rebellen sei ein Verstoß<br />

gegen die UN-Resolution, sagte<br />

Außenminister Sergej Lawrow am<br />

Montag laut Itar-Tass in Moskau. Es<br />

herrsche »praktisch Bürgerkrieg« in<br />

dem nordafrikanischen Land, der UN-<br />

Beschluß sage nicht, »daß eine ausländische<br />

Koalition hier Partei ergreifen<br />

soll«, so Lawrow. Ein ranghoher US-<br />

Beamter behauptete, die NATO stimme<br />

sich bei ihrem Militäreinsatz nicht<br />

mit den Aufständischen ab.<br />

Abstandsklausel<br />

ie »Internationale Kampagne<br />

zum Verbot von Uranwaffen«<br />

warnt vor dem Einsatz von<br />

Bomben und Munition mit abgereichertem<br />

Uran, den sogenannten DU-<br />

Waffen, in Libyen. Sowohl das von der<br />

US-Marine eingesetzte Kampfflugzeug<br />

AV 8B Harrier <strong>als</strong> auch die von<br />

der US-Luftwaffe eingesetzten Kampfjets<br />

A-10 Thunderbolt trügen Raketen<br />

mit DU-Sprengköpfen. In den ersten<br />

24 Stunden hätten allein US-amerikanische<br />

B-2-Maschinen 45 Bomben abgeworfen,<br />

von denen jede 2 000 Pfund<br />

schwer gewesen sei, heißt es in einem<br />

Beitrag der britischen Antikriegsgruppe<br />

»Stop the War Coalition«. Sowohl<br />

diese Bomben <strong>als</strong> auch die von Kriegsschiffen<br />

abgefeuerten Cruise-Missile-<br />

Raketen seien mit DU-ummantelten<br />

Sprengköpfen ausgerüstet.<br />

»Depleted Uranium« ist ein Abfallprodukt<br />

der Urananreicherung und<br />

wird von Militärs <strong>als</strong> panzer- und bunkerbrechende<br />

Waffe eingesetzt. Trifft<br />

die Rakete, zerstört sie das Ziel und<br />

setzt eine brennende Dunstwolke frei, Potentiell verseuchtes Gebiet: Aufständische auf einem zerstörten Panzer in Adschabija (26. März)<br />

die sowohl giftig <strong>als</strong> auch radioaktiv<br />

ist. Nicht nur Ziel und Umgebung der flog das westliche Militärbündnis, das kreten Zahlen nennen, das westliche<br />

Luftschläge werden verseucht – auch inzwischen unter NATO-Kommando Kriegsbündnis gibt an, Zivilisten zu Nach Frankreich hat nun auch das<br />

die Libyer, die jubelnd auf den zerstör- steht, auch am frühen Montag mor- schützen, nicht zu töten.<br />

Emirat Katar den selbsternannten Naten<br />

Panzern posieren, sind radioaktiver gen eine Serie von Angriffen auf Sirte.<br />

tionalen Übergangsrat der Opposition<br />

Verseuchung ausgesetzt.<br />

Auch die Hauptstadt Tripolis wurde<br />

aus Bengasi <strong>als</strong> einzigen legitimen Re-<br />

Ungeachtet dessen setzen die Auf- gestern nach Luftangriffen von hefpräsentanten<br />

Libyens anerkannt. Die<br />

ständischen dank anhaltender massiver tigen Detonationen erschüttert, wie<br />

Nachrichtenagentur Reuters berichte-<br />

Luftangriffe der westlichen Kriegsalli- dort stationierte Korrespondenten<br />

te, das Land habe den Oppositionellen<br />

anz ihren Siegeszug weiter fort. Nach berichteten. Die amtliche libysche<br />

zugesagt, Öllieferungen für sie abzu-<br />

der Wiedereinnahme der Küstensstäd- Nachrichtenagentur Jana berichtete<br />

wickeln. Eine Bestätigung der Katarite<br />

Adschabija und Brega zogen die von Luftangriffen auf Wohnviertel der<br />

schen Ölgesellschaft gibt es nicht.<br />

bewaffneten Gruppen am Montag Stadt Sebha, 750 Kilometer südlich<br />

Der türkische Regierungschef Re-<br />

ungehindert über den Ölhafen Ras von Tripolis. In Sebha befinden sich<br />

cep Tayyip Erdogan sagte gegenüber<br />

Lanuf und den Küstenort Bin Jawad zahlreiche Militäranlagen. Wieviele<br />

dem britischen Guardian, die Türkei<br />

weiter westlich nach Sirte, dem Ge- Menschen bisher bei den Luftangriffen<br />

sei bereit, zwischen den Parteien in<br />

burtsort von Staatschef Muammar Al- getötet wurden, ist unklar. Libysche<br />

Libyen zu vermitteln.<br />

Ghaddafi. Nach Angriffen am Sonntag Stellen können oder wollen keine kon-<br />

u Siehe auch Seite 8<br />

CDU und FDP vertagen Personalentscheidung<br />

Nach Landtagswahlen im Südwesten: Linke favorisiert Ruhe und solider Aufarbeitung<br />

S<br />

SUHAIB SALEM / REUTERS<br />

Jetzt am<br />

Kiosk.<br />

Nicht Nicht alles alles im im Blick Blick<br />

Regierung Regierung und und Opposition Opposition präsenpräsentierten im bayerischen Landtag unterschiedlicheUntersuchungsberichte<br />

zur BayernLB: 3,7 Milliarden Euro<br />

verspielt, aber manches interessiert<br />

nicht Seite 9<br />

Bundesarbeitsgericht verwirft automatische<br />

Besserstellung von Gewerkschaftern<br />

per Tarifklausel<br />

contraste<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

chwarz-Gelb hat personelle und die baden-württembergische FDP- kussionen. »Ich rate zur Ruhe und zu entschieden. Im Wahlkampf hatten sich<br />

Konsequenzen nach dem Wahl- Chefin Birgit Homburger schloß FDP- solider Aufarbeitung«, meinte auch Vi- die Grünen noch vehement für eine<br />

desaster vom Sonntag vertagt. Vorsitzender Westerwelle aus. zefraktionschef Dietmar Bartsch. Volksabstimmung eingesetzt.<br />

ngela Merkel will ihr Ka- In Baden-Württemberg will CDU- Angesichts der Erfolge betonen füh- Parteichef Cem Özdemir hat nun leidenLanrende<br />

Grünen-Politiker in Stuttgart und se Zweifel an der Abstimmung angeet.<br />

Nach dem Streßtest und seiner<br />

15<br />

www.jungewelt.de<br />

Harrisburg-Jahrestag:<br />

Für US-Atomausstieg<br />

Middletown. Atomkraftgegner haben<br />

am Montag in der Nähe des<br />

Reaktors Three Mile Island im US-<br />

Bundesstaat Pennsylvania an das<br />

Atomunglück von Harrisburg vor<br />

genau 32 Jahren erinnert. Vor dem<br />

Hintergrund der Katastrophe im<br />

japanischen Fukushima forderten<br />

sie einen Atomausstieg in den USA.<br />

Wie jedes Jahr am 28. März hielten<br />

die Aktivisten um 03.53 Uhr Ortszeit<br />

eine Schweigeminute ab. Um diese<br />

Uhrzeit begann 1979 der Unfall, der<br />

zu einer teilweisen Kernschmelze<br />

führte und große Mengen radioaktiver<br />

Strahlung austreten ließ. Gene<br />

Stilp von der »No nuke«-Bewegung<br />

kündigte Großdemonstrationen<br />

im Sommer in Washington an, um<br />

Obama dazu zu bringen, »seine Pläne<br />

fallen zu lassen«. (dpa/jW)<br />

u Siehe Seite 6<br />

Geißler fordert<br />

Volksentscheid zu AKW<br />

ALEx DOMANSKI / REUTERS<br />

Anzeige<br />

Baden-Baden. Der Streit um die<br />

Atompolitik in Deutschland läßt<br />

sich nach Ansicht des ehemaligen<br />

CDU-Gener<strong>als</strong>ekretärs Heiner<br />

Geißler (Foto) nur durch eine Volksabstimmung<br />

lösen. Dazu müsse<br />

man allerdings die Verfassung<br />

ändern, sagte Geißler dem SWR<br />

in Baden-Baden. Eine deutliche<br />

Mitschuld am CDU-Wahldebakel<br />

im Südwesten habe auch Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU),<br />

betonte Geißler. Der Verlust der<br />

Macht sei kein unabwendbarer<br />

»Schicks<strong>als</strong>schlag« gewesen, sondern<br />

das »Ergebnis einer f<strong>als</strong>chen<br />

Politik«. Zwar habe Merkel mit<br />

ihrer Entscheidung für ein Moratorium<br />

für die ältesten deutschen<br />

Atomkraftwerke nach Japan richtig<br />

gehandelt. Es sei aber f<strong>als</strong>ch gewesen,<br />

dabei die weitere Zukunft der<br />

Meiler offen zu lassen. (dpa/jW)<br />

junge Welt wird herausgegeben von 1 100<br />

1).


32 Gesehen IFFF<br />

orIgInalFaSSUng mIT<br />

DeUTSchen UnTerTITeln,<br />

41 mInUTen, 16:9 FaSSUng,<br />

D 2009<br />

ReGie DanIel BUrkholZ UnD<br />

SyBIlle FeZer<br />

ReGieassistenz rUnkI<br />

mUkherJee, mUBaSShera<br />

camPWala<br />

VeRLeih roaDSIDe<br />

DokUmenTarFIlm,<br />

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BochUm, Tel. 0234/3 24 15<br />

03, WWW.roaDSIDe-DokUmenTarFIlm.De<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

Shortcut to Justice<br />

<strong>Frauen</strong> in Indien schaffen einen neuen<br />

Weg zur Gerechtigkeit<br />

Die bewegende Dokumentation Shortcut to<br />

Justice erzählt die geschichte einer handvoll<br />

couragierter <strong>Frauen</strong> aus vadodara, einer millionenstadt<br />

im nordwesten Indiens nahe der<br />

pakistanischen grenze, die sich zur gruppe<br />

„<strong>Frauen</strong> für gerechtigkeit“ zusammengeschlossen<br />

haben.<br />

Die gruppe wehrt sich gegen Unrecht und gewalt,<br />

unter denen viele <strong>Frauen</strong> dort leiden. Weil<br />

Polizei und überforderte gerichte oft untätig<br />

bleiben und kaum Schutz und hilfe geben, haben<br />

sie selber ein gericht gegründet. auf einem<br />

staubigen Platz am rande des armen viertels<br />

kalyan nagar versammeln sie sich Woche für<br />

Woche unter einem schattigen Baum und<br />

sprechen in anwesenheit des angeklagten und<br />

seiner Familie das Urteil. Dabei stehen die betroffenen<br />

<strong>Frauen</strong> und ihre Sicherheit im Zentrum<br />

des Interesses.<br />

mit Schlagfertigkeit und kreativität weisen sie<br />

prügelnde ehemänner und zänkische Schwiegermütter<br />

in die Schranken. Und wenn es sein<br />

muss, ziehen sie auch schon mal <strong>als</strong> räumkommando<br />

los, um die mitgift einer armen Witwe,<br />

die mit ihrer Tochter einfach auf die Straße<br />

gesetzt wurde, zurückzuholen.<br />

gewalt gegen <strong>Frauen</strong> ist für die regisseurin Sybille<br />

Fezer kein unbekanntes gebiet. <strong>als</strong> mitglied<br />

der <strong>Frauen</strong>- und menschenrechtsorganisation<br />

medica mondiale befasste sie sich schon länger<br />

mit diesem Thema. auch die Idee zum Film<br />

spukte ihr schon einige Zeit im kopf herum.<br />

stimmen zUm FiLm<br />

eIn WUnDerBareS UnD mUT machenDeS<br />

BeISPIel FÜr FraUenInITIaTIven gegen ge-<br />

WalT. Yakin Ertürk, Sonderberichterstatterin der<br />

Vereinten Nationen für Gewalt gegen <strong>Frauen</strong><br />

enDlIch eInmal gUTe nachrIchTen ÜBer<br />

InDIen. Ujjwal Bhattacharya, Deutsche Welle<br />

eIn WUnDerBarer FIlm ÜBer DIe machT Der<br />

SolIDarITäT. Manfred F. Kubiak in Heidenheimer<br />

Zeitung<br />

aUsGewähLt FüR DiVeRse FiLmFestiVaLs<br />

» Film Festival for Women´s rights Fiwom 2010,<br />

Seoul<br />

» Festival cinéma du Sud 2010, luxembourg<br />

» International Women´s Film Festival ankara,<br />

2010<br />

» london International Documentary Festival,<br />

2010<br />

» menschenrechtsfilmfestival Document 7,<br />

glasgow<br />

» guangzhou International Documentary Film<br />

Festival 2009, china<br />

» menschenrechtsfilmfestival move It 2009,<br />

Dresden<br />

» 2. <strong>Frauen</strong>filmwoche kiel – fe:motion 2009<br />

» Bollywood and beyond 2009, Stuttgart<br />

» medimed 2009, Sitges<br />

» Wiener <strong>Frauen</strong>filmtage 2009<br />

» <strong>Frauen</strong>filmfestival leipzig 2009<br />

» Terre des Femmes Filmfestival Tübingen 2008


<strong>Frauen</strong><br />

inGe wettiG-DanieLmeieR, KathaRina<br />

oeRDeR: FeminismUs – UnD moRGen?<br />

GLeichsteLLUnG jetzt. BerlIn: vorWärTS<br />

BUch 2011. 10 eUro<br />

aus SPD-Perspektive werden hier die<br />

wichtigsten errungenschaften mit kurzen<br />

historischen rückblenden skizziert: gleiche<br />

staatsbürgerliche rechte, recht auf arbeit,<br />

chancengleichheit, Quote. Dem schließt<br />

sich ein längerer abriss über aktuelle Fragen<br />

an: Wo steht der Feminismus heute? Was<br />

ist mit <strong>Frauen</strong>solidarität? Und wie kann<br />

eine feministische Bewegung, die sich<br />

vielfältig präsentiert, heute aussehen?<br />

Die antwort: „Dreh- und angelpunkt für<br />

eine Umgestaltung der gesellschaft ist die<br />

arbeit, die erwerbsarbeit! Denn diese stellt<br />

die Unabhängigkeit des Individuums von<br />

anderen versorgern sicher. Sie macht <strong>Frauen</strong><br />

selbstständig und ermöglicht eine tatsächliche<br />

Partizipation an der gesellschaft.“<br />

ein radikaler Umbau des kapitalistischen<br />

Systems ist damit nicht gemeint, doch<br />

enthält das Buch konkrete Ideen, was sofort<br />

umgesetzt werden könnte, z. B. die abschaffung<br />

des ehegattensplittings und eine den<br />

bundesweiten Bedarf deckende kinderbetreuung.<br />

mv<br />

natasha waLteR: LiVinG DoLLs. waRUm<br />

jUnGe FRaUen heUte LiebeR schön aLs<br />

schLaU sein woLLen. FrankFUrT am<br />

maIn: krÜger verlag 2011. 19,95 eUro<br />

„rosa für mädchen, blau für Jungen“ – die<br />

britische Publizistin natasha Walter hatte<br />

eigentlich gedacht, dass diese Zeiten vorbei<br />

sind. In zahlreichen gesprächen mit <strong>Frauen</strong><br />

aus unterschiedlichen lebensbereichen<br />

spricht sie mit ihnen über ihr Selbstverständnis<br />

und diskutiert die rückkehr zum<br />

biologischen Determinismus. eine von<br />

Walters Thesen lautet, dass das Idealbild<br />

weiblicher Schönheit immer noch in hohem<br />

maße durch Sexualität und erotische<br />

ausstrahlung definiert wird. In zwei großen<br />

kapiteln schreibt sie über den neuen alten<br />

Sexismus und schildert eindrückliche<br />

erfahrungsberichte, z. B. von Prostituierten<br />

oder Stripperinnen. leider hat Walter dabei<br />

vergessen, dass der Sexismus nie weg war.<br />

Ihre Thesen sind nicht neu, sondern immer<br />

noch aktuell! eb<br />

Lyrik<br />

anna zURmühL: Rose mit KaFFee.<br />

GeDichte mit Rhythmischen atmosphäRen.<br />

mÜnSTer: eDITIon ocToPUS<br />

Im verlagShaUS monSenSTeIn UnD<br />

vannerDaT 2011. 7,80 eUro<br />

es sind nicht nur gedichte, die hier unter<br />

verschiedenen Themen versammelt sind,<br />

sondern auch einige kurzprosastücke, alles<br />

begleitet von Illustrationen und einer leicht<br />

verspielten gestaltung. Die autorin wählt<br />

einfache lyrische Formen für ihre auseinandersetzung<br />

mit existentiellen emotionen<br />

wie liebe, angst oder Wut oder für die<br />

Beschreibung von natur. Berührend der<br />

Text „Wanderschaft nach Südost“, der das<br />

politische Thema der sexuellen gewalt und<br />

ausbeutung von <strong>Frauen</strong> aufgreift. ebenfalls<br />

enthalten sind einige aphorismen. mv<br />

Nachlese zum 8. März<br />

DaGmaR stUcKmann: „Gebt RaUm Den<br />

FRaUen“. 100 jahRe inteRnationaLeR<br />

FRaUentaG, WIeSBaDen: ThrUn-verlag<br />

2011. 21 eUro<br />

schwesteRn zUR sonne zUR GLeichheit –<br />

100 jahRe inteRnationaLeR FRaUentaG<br />

2011. DeUTScher FraUenraT 2011<br />

GiseLa notz: DeR inteRnationaLe<br />

FRaUentaG UnD Die GeweRKschaFten:<br />

Geschichte(n) – tRaDition UnD aKtUa-<br />

Lität. hrSg. von ver.DI, BereIch FraUen-<br />

UnD gleIchSTellUngSPolITIk. BerlIn<br />

2011. 5 eUro<br />

1911–2011. 100 jahRe inteRnationaLeR<br />

FRaUentaG. FRaUenansichten. DeUT-<br />

Scher FreIDenker-verBanD nrW. kÖln<br />

2011. 10 eUro<br />

aRab beRLin (hG.): 100 jahRe inteRnationaLeR<br />

FRaUenKampFtaG. zUsammen<br />

KämpFen GeGen patRiaRchat, aUsbeUtUnG<br />

UnD UnteRDRücKUnG. BerlIn<br />

2011. gegen SPenDe<br />

Zum Internationalen <strong>Frauen</strong>tag 2011<br />

erschienen in diesem Jahr erfreulicherweise<br />

gleich mehrere Publikationen. Denn bis vor<br />

wenigen Jahren war die materiallage eher<br />

mager – wenn man von den Standardwer-<br />

GeLesen 33<br />

ken von renate Wurms (1981) und Siegfried<br />

Scholze (2001) absieht. ein von der hans-<br />

Böckler-Stiftung gefördertes Standardwerk<br />

der Soziologin Dagmar Stuckmann über 100<br />

Jahre Internationaler <strong>Frauen</strong>tag in Bremen<br />

liegt nun vor, das über die lokale Bedeutung<br />

hinausgeht. In 11 kapiteln wird auf<br />

die vorgeschichte und die verschiedenen<br />

entwicklungsphasen des Internationalen<br />

<strong>Frauen</strong>tages eingegangen: der Beginn<br />

1910–1914, der erste Weltkrieg, dann die<br />

<strong>Frauen</strong>tage der USPD, der SPD und der kPD<br />

während der Weimarer republik und im<br />

Zeichen des Widerstands gegen Faschismus<br />

und krieg. es folgen drei abschnitte<br />

über den Internationalen <strong>Frauen</strong>tag in den<br />

Zeiten des kalten kriegs 1945–1966, der<br />

neuen <strong>Frauen</strong>bewegung (1967–1979),<br />

des aufschwungs der <strong>Frauen</strong>bewegung<br />

(1980–1989) und im vereinigten Deutschland<br />

(1990–2010). Die wechselreiche entwicklung<br />

des aktionstags der arbeiterbewegung<br />

– einer „erfindung“ sozialistischer<br />

<strong>Frauen</strong> – zu einem aktionstag der neuen<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung – einem <strong>Frauen</strong>-Feier- und<br />

Protesttag – wird spannend im historischen<br />

und politischen kontext erzählt, und mit<br />

vielen abbildungen und Dokumenten<br />

versehen. Der Deutsche <strong>Frauen</strong>rat gibt in<br />

einer hübsch aufgemachten bebilderten<br />

Broschüre ebenfalls auskunft über die<br />

geschichte des Internationalen <strong>Frauen</strong>tags.<br />

Über die anfänge berichtet sachkundig<br />

kerstin Wolff. Im Beitrag über Widerentdeckung<br />

und aneignung des 8. märz in der<br />

Bundesrepublik bleiben die <strong>Frauen</strong>tage der<br />

Westdeutschen <strong>Frauen</strong>friedensbewegung,<br />

der neuen <strong>Frauen</strong>gruppen ende der 1960er<br />

Jahre und der Demokratischen <strong>Frauen</strong>initiative<br />

leider unerwähnt. Über den DgB gibt<br />

claudia menne auskunft. erfreulich sind der<br />

informative Bericht über den 8. märz in der<br />

DDr (rita Pawlowski), die Übersichtstabellen<br />

über die DgB- und Un-mottos seit den<br />

1980er Jahren sowie der Überblick über den<br />

8. märz weltweit, ausgehend von der Unoerklärung<br />

1977 – schade, dass sich dieser<br />

nur auf die letzten Jahre bezieht. Über die<br />

Tradition und aktualität des Internationalen<br />

<strong>Frauen</strong>tags aus gewerkschaftlicher Sicht<br />

informiert auch ver.di in einer bebilderten<br />

Broschüre von Gisela Notz, mit Beispielen<br />

aus einzelgewerkschaften. Interessant ist es<br />

nachzulesen, wie der DgB unter dem Druck<br />

der Basis seinen Beschluss, „keine eigenen<br />

veranstaltungen zum <strong>Frauen</strong>tag durchzu-<br />

wiR FRaUen 2.2011


führen“, revidieren musste, wie der 8. märz<br />

in den 1980er Jahren von der kampagne<br />

„<strong>Frauen</strong> in die Bundeswehr? <strong>Wir</strong> sagen<br />

nein“ geprägt war und wie der Internationale<br />

<strong>Frauen</strong>tag in den DDr-Betrieben zum<br />

festen ritual und zum „kampf- und ehrentag<br />

der <strong>Frauen</strong>“ wurde. Schließlich gab der<br />

Freidenker-Verband NRW eine Broschüre mit<br />

fast 60 kurzen Statements von engagierten<br />

<strong>Frauen</strong> zur notwendigkeit des Internationalen<br />

<strong>Frauen</strong>tags heraus. Das Berliner Bündnis<br />

ARAB brachte eine Broschüre heraus, in der<br />

sowohl revolutionäre vorkämpferinnen<br />

vorgestellt werden, wie alexandra kollontai<br />

und harriet Tubman, <strong>als</strong> auch aktuelle<br />

kämpfe, im Besonderen die der kurdischen<br />

<strong>Frauen</strong>. Dabei stehen Bestrebungen gegen<br />

patriarchale Strukturen und die dadurch<br />

reproduzierte ausbeutung im Fokus. Der<br />

Sonder-newsletter des Budrich-verlags zum<br />

Thema 100 Jahre <strong>Frauen</strong>tag kann eingesehen<br />

werden unter: www.budrich.de/budrich-intern/budrich-intern-<strong>Frauen</strong>tag-2011.<br />

pdf fh<br />

inKota-bRieF nR. 135. zeitschRiFt zUm<br />

noRD-süD-KonFLiKt UnD zUR KonziLia-<br />

Ren beweGUnG: FeminismUs im pLURaL.<br />

FRaUen weLtweit in beweGUnG. ZU Be-<br />

STellen ÜBer WWW.InkoTa.De. 3,50 eUro<br />

aus anlass des 100. Internationalen<br />

<strong>Frauen</strong>tags gibt es spannende und interessante<br />

Berichte aus ägypten, marokko,<br />

Burkina Faso; dazu hintergrundartikel zu<br />

aktuellen feministischen Positionen und<br />

zum verhältnis zwischen <strong>Frauen</strong>politik und<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung. außerdem erfahren wir<br />

etwas über die feministischen Debatten zur<br />

entwicklungspolitik, zu <strong>Frauen</strong>organisationen<br />

und zur Un-resolution 1325 sowie zur<br />

feministischen Theologie lateinamerikas.<br />

Anzeige 34<br />

eine rundum gelungene ausgabe und eine<br />

sehr informative Zeitschrift. mv<br />

Geschichte<br />

herausgeberin: WIr FraUen – verein zur Förderung von <strong>Frauen</strong>publizistik e. v.,<br />

rochusstr. 43, 40479 Düsseldorf, info@wirfrauen.de, www.wirfrauen.de<br />

Verantwortliche Redaktion: gabriele Bischoff, melanie Stitz und mechthilde vahsen<br />

Redaktion: Isolde aigner, elena Bütow, marion gaidusch, Florence hervé, Sonja klümper,<br />

Ingeborg nödinger, mareen heying, Uschi Siemens. namentlich gezeichnete artikel<br />

stellen nicht unbedingt die meinung der redaktion dar.<br />

Layout: mediendepot ruhr, Duisburg<br />

Druck: TIamaTdruck gmbh, Düsseldorf<br />

wiR FRaUen 2.2011<br />

antonia meineRs: wiR haben wieDeR<br />

aUFGebaUt. FRaUen DeR stUnDe nULL<br />

eRzähLen. mÜnchen: elISaBeTh SanDmann<br />

verlag 2011. 24,95 eUro<br />

meiners lässt eine <strong>Frauen</strong>generation zu<br />

Wort kommen, die nach dem kriegsende<br />

1945 oft alleine dastand und mithalf, aus<br />

den Trümmern wieder Städte zu errichten –<br />

aktiv in der gesellschaft. viele Fotos machen<br />

das Buch zu einer anschaulichen Zeitreise:<br />

vom kriegsende über die Flucht vieler bis zu<br />

den neuen rollenmustern, die den <strong>Frauen</strong><br />

bereits in den 1950er Jahren aufgezwungen<br />

wurden. Die vielen Zitate aus den unterschiedlichsten<br />

Quellen sind zwar interessant,<br />

jedoch muss stets zur letzten Seite<br />

geblättert werden, um zu erfahren, was<br />

von wem stammt. neben einigen Quellen<br />

und Briefen sind persönliche Berichte der<br />

Zeitzeuginnen abgedruckt, wodurch meiners’<br />

Buch nicht nur optisch, sondern auch<br />

inhaltlich eindrucksvoll wird. mh<br />

coRinna Von List: FRaUen in DeR Résistance<br />

1940–1944. „DeR KampF GeGen<br />

Die ‚boches‘ hat beGonnen!“. PaDer-<br />

Born U. a.: SchÖnIngh 2010. 39,90 eUro<br />

Bisher wurde die résistance meist nur<br />

unter dem militärisch-bewaffneten aspekt<br />

betrachtet. mit ihrer Dissertation, die sich<br />

vor allem auf archive und akten der Justiz<br />

stützt, hat corinna von list die Bedeutung<br />

des <strong>Frauen</strong>widerstands ins rechte licht<br />

gerückt. Sie untersucht den einsatz von<br />

<strong>Frauen</strong> und stellt fest, dass „der militärisch-<br />

bewaffnete Widerstand ohne rückhalt<br />

in der Bevölkerung nicht hätte agieren<br />

können.“ analysiert werden die drei wichtigsten<br />

Tätigkeitsbereiche der résistance:<br />

der kurierdienst, die Untergrundpresse<br />

und die Fluchthilfe. Fazit der autorin: „Die<br />

résistance au féminin war ein unspektakulärer<br />

Widerstand, aber er war keinesfalls<br />

wirkungslos und noch weniger risikoarm.“<br />

Dabei bildeten die zivilen aufgabenbereiche<br />

von <strong>Frauen</strong> „zentrale Schaltstellen im räderwerk<br />

der résistance“. fh<br />

Gehört<br />

maRy ocheR: „waR sonGs“. laBel: haUTe<br />

areal 2011. 14,99 eUro<br />

es sind keine klassischen Protest-Songs und<br />

mary ocher ist keine klassische Singer-<br />

Songwriterin, doch in ihrem konzeptalbum<br />

„war songs“ gelingt es der in Tel aviv aufgewachsenen<br />

Sängerin, soziale und politische<br />

missstände pointiert zu präsentieren. In 14<br />

gitarrenlastigen liedern singt ocher über<br />

krieg, Frieden und sexuellen missbrauch.<br />

Ihr ausdrucksstarker und teilweise exzentrischer<br />

gesang und ihre bedeutungsvollen<br />

Texte bleiben stets im vordergrund und<br />

machen dieses album zu einem echten rohdiamanten.<br />

In jedem Song entdeckt mary<br />

ocher ihre Stimme neu; von kreischigen<br />

Tönen bis zu melodiösem Sprechgesang<br />

entwickelt sie eine mischung aus Funk und<br />

Punk. In Songs wie „The Sounds of war“ oder<br />

„Don’t come running“ singt sie über krieg<br />

und die Schlachtrufe in einer männerdominierten<br />

Welt, über eifrige Soldaten und<br />

militaristische Propaganda. mary ocher<br />

wurde <strong>als</strong> mariya ocheretianskaya in moskau<br />

geboren (1986), seit fünf Jahren lebt sie<br />

in Berlin und macht sowohl solo <strong>als</strong> auch<br />

mit ihrer Band „mary and the Baby cheeses“<br />

musik. nach zahlreichen auftritten <strong>als</strong><br />

Straßenmusikerin ist die Freude über das<br />

erste Studioalbum groß und die Sängerin<br />

vielleicht bald schon kein geheimtipp mehr.<br />

www.maryocher.com. eb<br />

abo-Verwaltung: WIr FraUen e. v., anke Pfromm, Postfach 10 27 02, 44727 Bochum,<br />

Fax: 02 34 / 4 38 69 19, aB: 02 34 / 4 38 69 20. Bei Umzug bitte die neue adresse<br />

mitteilen.<br />

jahresbezugspreis: Postvertriebsstück, jährlich 15,- €, Förder-abo jährlich 26,- €,<br />

Stückpreis/einzelheft 3,- €<br />

Konto für abonnentinnen und spenden: Postbank essen, 451 369 430, BlZ: 360 100 43<br />

Kündigungen müssen 6 Wochen vor Jahresende schriftlich beim verein eingehen.<br />

issn 0178-6083


Rosa Manus<br />

geBoren 20.8.1881 in<br />

amsteRDam<br />

geSTorBen 28.4.1943 in<br />

RaVensbRücK<br />

geBoren 22.8.1871 in<br />

Kowno/LitaUen<br />

geSTorBen 3.8.1935 in<br />

beRLin<br />

Die Organisatorin<br />

Das Internet schweigt sich über die niederländische<br />

Feministin aus und auch die Fachliteratur<br />

erzählt wenig über die einstige vizepräsidentin<br />

des Weltbundes für das <strong>Frauen</strong>stimmrecht und<br />

gründerin des Internationalen archivs der <strong>Frauen</strong>bewegung.<br />

Dabei sah rosa manus genau darin<br />

ihre lebensaufgabe: <strong>Frauen</strong> Präsenz und eine<br />

Stimme zu verschaffen.<br />

am 20. august 1881 wird rosette Susanna<br />

manus in eine wohlhabende jüdisch-niederländische<br />

Familie hineingeboren. nach dem Besuch<br />

eines mädchenpensionats in der Schweiz will sie<br />

nur eins: unabhängig sein.<br />

heimlich plant sie die eröffnung eines modegeschäfts.<br />

Doch der Traum platzt. vater manus,<br />

ein erfolgreicher Tabakhändler, ist der meinung,<br />

dass großbürgerliche <strong>Frauen</strong> kein geld verdienen<br />

sollten.<br />

<strong>als</strong> Saalordnerin bei der dritten konferenz des<br />

„Weltbundes für <strong>Frauen</strong>stimmrecht“ in amsterdam<br />

lernt rosa manus 1908 den Feminismus<br />

und carrie chapman catt, die vorsitzende des<br />

Weltbundes, kennen. Beeindruckt von manus’ organisatorischen<br />

Fähigkeiten, holt catt die 27-Jährige<br />

nach london. Sprachbegabt und abenteuerlustig,<br />

so reist rosa manus für den <strong>Frauen</strong>bund<br />

durch Südamerika, den vorderen orient, nach<br />

Lydia Rabinowitsch-Kempner<br />

lydia rabinowitsch stammte aus einer liberalen<br />

jüdischen Brauerei-Familie, die wohlhabend war<br />

und alle kinder, mädchen wie Jungen, studieren<br />

ließ. Doch zu dieser Zeit war es <strong>Frauen</strong> verboten,<br />

zu studieren.<br />

<strong>als</strong>o ging die junge Frau zunächst nach Bern<br />

und dann nach Zürich. Dort gehörte sie zu den<br />

Pionierinnen des <strong>Frauen</strong>studiums und promovierte<br />

1894. Ihr Interesse galt dem neuen Feld der<br />

Bakteriologie, das sie auf einer – unbezahlten –<br />

assistenzstelle bei robert koch in Berlin ausbauen<br />

konnte.<br />

Für einige Jahre war sie an einem medizin-college<br />

in den USa tätig und erhielt 1897 den Titel<br />

<strong>als</strong> Professorin für Bakteriologie, der außerhalb<br />

der USa nicht anerkannt war. Schließlich lernte<br />

sie ihren mann Walter kemper kennen, die beiden<br />

heirateten, bekamen mehrere kinder und lebten<br />

in Berlin, sie trug bewusst den Doppelnamen.<br />

1912 wurde sie <strong>als</strong> erste Frau in Berlin zur Professorin<br />

ernannt, die habilitation blieb ihr weiterhin<br />

verwehrt. Zu dieser Zeit war sie bereits durch<br />

ihre Publikationen und Forschungen weltweit be-<br />

Führende Expertin für Tuberkulose<br />

Daten UnD taten 35<br />

Bulgarien, in die Türkei. Sie ermuntert <strong>Frauen</strong> auf<br />

der ganzen Welt, sich am kampf für ihre rechte<br />

zu beteiligen. rosa manus ist keine Frontfrau.<br />

Sie ist die Sekretärin, die assistentin, die vizepräsidentin.<br />

Sie agiert effektvoll im hintergrund,<br />

versteht schon anfang des 20. Jahrhunderts die<br />

hohe kunst des Fundraisings und weiß, wie wichtig<br />

gute Öffentlichkeitsarbeit ist.<br />

Sie ist nicht die Stimme der <strong>Frauen</strong>bewegung,<br />

sie organisiert sie. Für die große abrüstungskonferenz<br />

des völkerbundes 1932 sammelt die<br />

netzwerkerin über acht millionen Unterschriften.<br />

Sie gewinnt Präsidentengattin eleanor roosevelt<br />

für die kampagne gegen ein Berufsverbot verheirateter<br />

<strong>Frauen</strong>. Und realisiert eine ausstellung,<br />

die über 300.000 internationale BesucherInnen<br />

zählt.<br />

1935 gründet rosa manus das „Internationale<br />

archiv der <strong>Frauen</strong>bewegung“ (Iav) in amsterdam.<br />

Die nation<strong>als</strong>ozialisten verschleppen die<br />

Sammlung 1941 und verhaften die Jüdin. Sie<br />

stirbt im Frühjahr 1943 in ravensbrück. auf<br />

ihrem grabstein steht: „rosa manus (…) hat ihr<br />

organisationstalent und ihre menschenkenntnis,<br />

ihre energie und ihr vermögen darauf verwendet,<br />

<strong>Frauen</strong> voran zu bringen.“ Weiterführende Informationen:<br />

www.aletta.nu<br />

Anna Hoff<br />

kannt. auf sie geht die Pasteurisierung der milch<br />

zurück, denn sie wies nach, dass Tuberkulose<br />

durch infizierte milch übertragen wird. acht Jahre<br />

später, mit 49 Jahren, übernahm sie die Direktion<br />

des Bakteriologischen Instituts am krankenhaus<br />

moabit in Berlin und die herausgabe der Fachzeitschrift<br />

„Zeitschrift für Tuberkulose“.<br />

„meine mutter gehörte zu dem kleinen kreis von<br />

<strong>Frauen</strong>, die man heute emanzipiert nennt, die<br />

ersten Doktorinnen, die ersten Professorinnen<br />

und Schuldirektorinnen erschienen sonntags<br />

zum kaffee. (…) meine mutter wurde vorsitzende<br />

einer Stiftung zur Unterstützung weiblicher<br />

Studenten, die aus eignen mitteln nicht studieren<br />

konnten, denn Studieren kostete dam<strong>als</strong> viel<br />

geld …“.<br />

Zeit ihres lebens setzte sie sich für <strong>Frauen</strong>rechte<br />

und das Wahlrecht ein. Doch nach 1933 wurde<br />

sie zwangspensioniert, sorgte dafür, dass ihre<br />

noch lebenden kinder emigrieren konnten, und<br />

starb 1935. Das ehrengrab befindet sich auf dem<br />

Parkfriedhof in Berlin-lichterfelde. Zudem gibt<br />

es an der charité ein Stipendium, das nach ihr<br />

benannt wurde. mv<br />

wiR FRaUen 2.2011


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WIr FraUen e. v., anke Pfromm, Postfach 10 27 02, 44727 Bochum<br />

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vom Kuchen.<br />

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JeTZT aBonnIeren<br />

www.wirfrauen.de/abo

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