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2<br />

Bildnis eines Mädchens im Lehnstuhl<br />

Schwarze Krei<strong>de</strong>. 1897/98.<br />

Rechts unten signiert: GUSTAV KLIMT, in <strong>de</strong>r<br />

rechten Ecke mit 206 bezeichnet.<br />

455 x 315 mm<br />

PROVENIENZ: Privatbesitz, Wien, Josefstadt (Musikinstrumentenhändler<br />

– nach <strong>de</strong>r Überlieferung<br />

soll dieser die Zeichnung direkt von Gustav<br />

Klimt bekommen haben). – Privatbesitz, Bregenz<br />

(Enkelin <strong>de</strong>s Musikinstrumentenhändlers).<br />

In dieser unmittelbar ansprechen<strong>de</strong>n Bildniszeichnung<br />

von Gustav Klimt wen<strong>de</strong>t eine junge,<br />

in einem Lehnstuhl ausgestreckte Frau ihr<br />

Gesicht <strong>de</strong>m Betrachter zu. Ihr Gesicht und ihre<br />

Schulterpartie bil<strong>de</strong>n eine Diagonale und füllen<br />

die ganze Breite <strong>de</strong>s vertikalen Blattformates aus.<br />

Im Focus <strong>de</strong>r Darstellung stehen die dunklen,<br />

melancholisch blicken<strong>de</strong>n Augen und die geschwungenen<br />

Brauen; <strong>de</strong>r leicht lächeln<strong>de</strong> Mund<br />

gibt die nur zart ange<strong>de</strong>uteten Zähne frei. Sehr<br />

souverän spielt Klimt die verschie<strong>de</strong>nen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r schwarzen Krei<strong>de</strong><br />

gegeneinan<strong>de</strong>r aus. Zu <strong>de</strong>n flüchtigen, gewellten<br />

Linien <strong>de</strong>r Bekleidung und <strong>de</strong>r Sessellehne<br />

stehen die subtil schattierten Züge <strong>de</strong>s weich<br />

konturierten Gesichtes und die malerisch gewischte<br />

Haarpartie in einem effektvollen Kontrast.<br />

Eine markante Note bil<strong>de</strong>t das Fragment <strong>de</strong>s<br />

hoch geschlossenen, durch scharfe Querstriche<br />

<strong>de</strong>finierten Kragens (o<strong>de</strong>r Halsschmucks). Innerhalb<br />

dieser ausgewogenen Flächenkonstellation<br />

erhält sogar das dunkle Niemandsland zwischen<br />

Hals und Lehne ein eigenes, <strong>de</strong>koratives Gewicht.<br />

Das Gesicht <strong>de</strong>r Frau ist von einer suggestiven,<br />

sinnlichen Nähe; zwischen ihr und <strong>de</strong>m Betrachter<br />

bil<strong>de</strong>t die Sessellehne aber eine schwungvoll<br />

stilisierte Barriere. In diesen so erzielten Leerraum<br />

– auch ein wesentliches Element <strong>de</strong>r Komposition<br />

– integriert Klimt wirkungsvoll seine in<br />

Blockbuchstaben gesetzte Signatur.<br />

Sowohl im Motiv <strong>de</strong>r vom Blattrand fragmentierten,<br />

im Lehnstuhl liegen<strong>de</strong>n Frau als auch in<br />

<strong>de</strong>n subtilen Abstufungen <strong>de</strong>r schwarzen Krei<strong>de</strong><br />

ist das Blatt mit einer Gruppe von weiblichen<br />

Bildniszeichnungen verbun<strong>de</strong>n, die um 1897/98 –<br />

in <strong>de</strong>r Gründungszeit <strong>de</strong>r Wiener Secession – entstan<strong>de</strong>n<br />

sind; einige dieser Blätter wur<strong>de</strong>n in<br />

Pastell ausgeführt 1 . Gleichzeitig schuf Klimt die<br />

Studien für das Bildnis von Sonja Knips (1898), das<br />

erste in <strong>de</strong>r Reihe eines mo<strong>de</strong>rnen, vom Symbolismus<br />

geprägten Porträttypus, bei <strong>de</strong>m vor<br />

allem <strong>de</strong>r Belgier Fernand Khnopff und <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r<br />

James McNeill Whistler eine wegweisen<strong>de</strong><br />

Rolle spielten. Auch unsere Zeichnung ist von <strong>de</strong>r<br />

subtil verschleiern<strong>de</strong>n Krei<strong>de</strong>technik wie von <strong>de</strong>r<br />

rätselhaften Nähe-Distanz-Dialektik <strong>de</strong>s belgischen<br />

Symbolisten geprägt; sogar in <strong>de</strong>n ebenmäßigen<br />

Zügen und <strong>de</strong>r Außenform erinnert das<br />

Gesicht an <strong>de</strong>n für Khnopff charakteristischen,<br />

rund stilisierten I<strong>de</strong>altypus.<br />

Im Ausdruck wirkt dieses Frauenantlitz etwas<br />

privater als die meisten an<strong>de</strong>ren Bildniszeichnungen<br />

dieser Phase. In Bezug auf die gelegentlich<br />

geäußerte Vermutung, dass hier Sonja Knips dargestellt<br />

sei, erscheint jedoch Vorsicht angebracht.<br />

Gewisse Ähnlichkeiten in <strong>de</strong>r Physiognomie, <strong>de</strong>r<br />

Frisur und <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgabe <strong>de</strong>r Bekleidung sind<br />

tatsächlich vorhan<strong>de</strong>n; auch <strong>de</strong>n Porträtphotos<br />

von Sonja Knips ist das von Klimt gezeichnete<br />

Mo<strong>de</strong>ll nicht unähnlich. Wesentlich an<strong>de</strong>rs ist in<br />

<strong>de</strong>r Zeichnung jedoch die gebogene, eher spitze<br />

Form <strong>de</strong>r Nase; auch die Mund- und Kinnpartie<br />

erscheint hier viel weniger ausgeprägt als in <strong>de</strong>n<br />

uns bekannten Photos und Darstellungen von<br />

Sonja Knips. Das vorliegen<strong>de</strong> Bildnis weist weich<br />

fließen<strong>de</strong> Formen und eher stereotype Gesichtszüge<br />

auf, die <strong>de</strong>m Zeitgeschmack weitgehend<br />

Rechnung tragen; in <strong>de</strong>r Frisur und Halsbe<strong>de</strong>ckung<br />

verbin<strong>de</strong>t es sich auch mit an<strong>de</strong>ren<br />

Bildniszeichnungen aus dieser Phase. Die Frage,<br />

wer hier dargestellt wur<strong>de</strong>, ist letztendlich weniger<br />

relevant als die Feststellung, dass hier ein für die<br />

Übergangszeit zur „Mo<strong>de</strong>rne“ sehr charakteristisches<br />

und faszinieren<strong>de</strong>s Beispiel von Klimts<br />

Porträt<strong>kunst</strong> vorliegt.<br />

1 Vergleiche insbeson<strong>de</strong>re: Alice Strobl, op. cit., Bd. 1, Salzburg 1980, Nrn. 388, 391 und 392 sowie Bd 4, Nr. 3323, und in<br />

Bezug auf die Augen: Ebenda, Bd. 1, Nrn. 385, 406-408 und für <strong>de</strong>n Gesichtstypus: Bd. 1, Nr. 28.

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