19.06.2013 Aufrufe

Download - wortundtat

Download - wortundtat

Download - wortundtat

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

INDIEN<br />

Griechenland<br />

TANSANIA<br />

MOLDAU<br />

GRIECHENLAND<br />

18 | <strong>wortundtat</strong> 2/2012<br />

Schwarz und weiß<br />

Diese Kurzgeschichte schickte uns<br />

eine junge ehrenamtliche Helferin<br />

aus Griechenland.<br />

Sein Haar hatte seit Ewigkeiten keinen Frisör mehr gesehen.<br />

Die gestohlenen Schuhe waren zu klein, hielten aber immerhin<br />

den Frost davon ab, sich an den Zehen gütlich zu tun ...<br />

Hose und Shirt starrten vor Dreck und stanken. Sie hatten schon<br />

bessere Zeiten gesehen. Hände und Lippen waren vom ungewohnt<br />

heftigen Wind aufgerissen. Nur die abgewetzte Lederjacke war<br />

‚Eigentum’, mitgebracht vom fernen Zuhause.<br />

Er war früh gekommen, angelockt von der kostenlosen Mahlzeit,<br />

eine himmlische Abwechslung in der Hölle der fremden Stadt ...<br />

‚nur ein bisschen aufwärmen, mehr will ich nicht‘! Am Fahrstuhl stellte<br />

er sich hinter eine Gruppe ungehobelter Männer. Sie rissen grobe Witze,<br />

tief unter der Gürtellinie ... ‚warum nur macht Armut Tiere aus uns?<br />

Keiner würde solche Wörter zuhause in den Mund nehmen, wo Mütter,<br />

Schwestern, Brüder und Väter sind’ ... Er verschloss seine Ohren vor<br />

dem schmutzigen Wortschwall. Ans Ohrenverschließen hatte er sich<br />

gewöhnt, trotz der Sorge, er könne jene außergewöhnliche Musik verpassen,<br />

die er oft an den gewöhnlichsten Orten fand.<br />

Im achten Stock. Eine überfüllte Halle. Andere Flüchtlinge scharten<br />

sich, misstrauisch wartend, um eng gestellte Tische. Ihre vom Kummer<br />

verhärteten Seelen schreckten ab, ließen die Luft um sie herum fast<br />

gefrieren. Er sank auf einen Stuhl, schloss die Augenlider – Wärme,<br />

Essensdüfte rollten über ihn hinweg, hüllten ihn ein ... ‚eine frisch<br />

zubereitete Mahlzeit. Sie muss nicht mal warm sein’ ... vorn sah er<br />

eine Bühne. Seine Lebensgeister erwachten, obwohl der Text auf<br />

der Leinwand dem Gott der Andersgläubigen gewidmet war ... ‚dem<br />

Gott derer, die uns zu Essen geben, uns Wärme schenken, wenn auch<br />

nur für einen Augenblick’ ... aber das steht auf einem anderen Blatt.<br />

Die Leinwand war schäbig und alt. Der Vorhang dahinter abgewetzt.<br />

‚Verbraucht und müde – wie ich’ ... ein Vorhang? Wofür? Ist er nicht<br />

verknüpft mit offener Freude an allem, was schön ist? Ein ermutigender<br />

Gedanke. ‚Jetzt nicht aufgeben! Was, wenn sich ein Klavier<br />

dahinter versteckt?’ Nicht, dass man ihn auch nur in die Nähe ließe ...

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!