ein Beitrag von Prof. Jourdan (FH Ludwigsburg) - Wurmberg
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Der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan<br />
- <strong>ein</strong> <strong>Beitrag</strong> <strong>von</strong> <strong>Prof</strong>. Rudolf <strong>Jourdan</strong> (<strong>FH</strong> <strong>Ludwigsburg</strong>)<br />
1. Zum Auftakt<br />
Zeiten rasanter wirtschaftlicher und struktureller Veränderungen gehen auch<br />
an den Städten und Gem<strong>ein</strong>den nicht spurlos vorüber. Die angespannte<br />
Finanzlage, komplizierter werdende gesellschaftliche und politische<br />
Problemlagen und nicht zuletzt auch der immer härter werdende<br />
Wettbewerb zwischen den Städten und Gem<strong>ein</strong>den um Einwohner, Besucher,<br />
Gäste, Industrie- und Gewerbebetriebe zwingen die Kommunen, ihren<br />
Standort neu zu bestimmen und Ziele für die zukünftige Entwicklung zu<br />
erarbeiten.<br />
2. Kurze „kommunale Bestandsaufnahme“<br />
Das „Sich-beschäftigen-mit-Zukunftsfragen“ ist in vielen Städten und<br />
Gem<strong>ein</strong>den unseres Bundeslandes k<strong>ein</strong> neues Thema. Denn es sind häufig<br />
Institutionen und Gruppierungen vorhanden, die sich Gedanken um jeweils<br />
„spezielle örtliche Zukunftsfragen“ machen.<br />
Sie leisten in ihren Bereichen wertvolle und wichtige Beiträge für Teilbereiche<br />
des „örtlichen Gem<strong>ein</strong>wohls“. Dafür gebührt ihnen Respekt, Lob und<br />
Anerkennung.<br />
Was aber zumeist fehlt, ist die<br />
Bündelung der verschiedenen Kräfte und Vorstellungen<br />
sowie<br />
die Verpflichtung im Sinne <strong>ein</strong>er Einigung auf <strong>ein</strong> gem<strong>ein</strong>sames Ziel.<br />
Denn:<br />
Für die Außenwirkung <strong>ein</strong>er Stadt oder Gem<strong>ein</strong>de ist entscheidend, dass sie<br />
sich in den Augen Dritter (externer und interner Betrachter) als „Einheit, als <strong>ein</strong><br />
Gebilde aus <strong>ein</strong>em Guss“ darstellt.<br />
Hier spielt der den Marketingexperten wohlvertraute Begriff „Unique Selling<br />
Proposition“ (= USP) <strong>ein</strong>e herausragende Rolle. Er bezeichnet die faktische<br />
(= tatsächliche) All<strong>ein</strong>stellung <strong>ein</strong>es Produktes am Markt - auch als „All<strong>ein</strong>-<br />
stellungsmerkmal“ bekannt. Gelegentlich wird auch <strong>von</strong> <strong>ein</strong>er Positionierung“<br />
gesprochen. Es geht darum, die Abgrenzung s<strong>ein</strong>es Angebots zu den<br />
Mitbewerbern und s<strong>ein</strong>e Hervorhebung gegenüber Abnehmern (Bürgern,<br />
Kunden, Gästen, Besuchern u.a.) darzustellen.
Der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan, auf den im Folgenden näher <strong>ein</strong>gegangen<br />
werden soll, ist <strong>ein</strong> solches Instrument, um <strong>ein</strong> „kommunales<br />
All<strong>ein</strong>stellungsmerkmal“ zu entwickeln. Dies haben inzwischen viele<br />
bundesdeutsche Kommunen erkannt und sich <strong>ein</strong>en entsprechenden Stadt-<br />
bzw. Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan „zugelegt“. Oft werden dafür auch Begriffe<br />
wie Stadt- bzw. Gem<strong>ein</strong>deleitbild, Kommunalmarketing-Konzept oder<br />
Masterplan verwendet.<br />
3. Begriff und Funktionen des „Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplans“<br />
Der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan ist<br />
<strong>ein</strong> Zukunftsbild im Sinne <strong>ein</strong>er Wunschvorstellung,<br />
mit dem <strong>ein</strong>e Stadt oder Gem<strong>ein</strong>de gegenüber ihrer Klientel<br />
(insbesondere den Einwohnern, Gästen, Besuchern und auswärtigen<br />
Nutzern sowie Investoren)<br />
ihren angestrebten zukünftigen Zustand (= Ziele) aufzeigt.<br />
Von <strong>ein</strong>er „Vision“ unterscheidet sich der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan<br />
dadurch, dass er neben dem „Blick in die Zukunft“ zugleich auch Wege und<br />
Maßnahmen beschreibt, wie <strong>ein</strong>e Gem<strong>ein</strong>de die Ziele ihrer künftigen<br />
Entwicklung auch tatsächlich erreichen kann.<br />
Der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan hat vor allem fünf grundlegende Funktionen:<br />
Identifikations-Funktion<br />
Er erhöht und verbessert die Identifikation der Einwohner und der örtlichen<br />
gesellschaftlichen Gruppen (z.B. Ver<strong>ein</strong>e) mit „ihrer“ Stadt oder Gem<strong>ein</strong>de.<br />
Oder um es anders auszudrücken: Es entsteht <strong>ein</strong> „Wir-Gefühl“.<br />
Motivations-Funktion<br />
Die mit dem Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan vermittelte Zukunftsvision („Was<br />
wollen wir?“) hat <strong>ein</strong>e sehr stark anregende und aufregend interessante<br />
Wirkung, die zum „Mitmachen“ und „Mitgestalten“ animiert.<br />
Legitimations-Funktion<br />
Ein solcher Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan trägt dazu bei, das Handeln der<br />
Kommune nach innen(gegenüber den Bewohnern) und nach außen<br />
(gegenüber Besuchern, Gästen, Nutzern, Investoren) zu begründen und zu<br />
rechtfertigen. Er ist also <strong>ein</strong>e Art „Sinngebung künftigen öffentlichen<br />
Handelns“.<br />
Orientierungs-Funktion<br />
Der Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan ist zugleich <strong>ein</strong>e wichtige, unverzichtbare<br />
„Zielvorgabe“ im Sinne <strong>ein</strong>er Orientierung, das unser Handeln zielbestimmt<br />
leitet.
Transparenz-Funktion<br />
Mit dem Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan zeigt die Kommune in der Öffentlichkeit<br />
ihre Ziele auf, sie wird also <strong>ein</strong> Stück durchschaubarer und berechenbarer und<br />
damit letztendlich auch glaubwürdiger. Vor allem in Zeiten allgem<strong>ein</strong>en<br />
Misstrauens gegenüber der „Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik“ kommt<br />
dieser Funktion <strong>ein</strong> besonders Gewicht zu !<br />
4. Die vier Baust<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>es Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplanes<br />
Ein Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan besteht aus den folgenden v i e r<br />
Baust<strong>ein</strong>en:<br />
Präambel<br />
In dem Vorwort werden Anlass, aktuelle Situation, Ziele, methodische<br />
Vorgehensweise und die an der Erstellung Beteiligten genannt.<br />
Kernleitbild<br />
Es enthält <strong>ein</strong>e knapp gefasste Aussage in der Form <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>prägsamen<br />
Slogans. Möglichst in <strong>ein</strong>em Satz soll zum Ausdruck kommen, wie sich die<br />
Stadt oder Gem<strong>ein</strong>de in Zukunft sehen will. Nachstehend werden <strong>ein</strong>ige<br />
Beispiele <strong>von</strong> anderen Städten und Gem<strong>ein</strong>den genannt:<br />
• In Schramberg Schwarzwald-Qualität erleben<br />
• Mundelsheim - Wir packen gem<strong>ein</strong>sam unsere Zukunft an<br />
• Aalen - Eine Stadt so frisch wie das Leben: Römisch-schwäbisch-guad<br />
• Friedrichshafen - Dynamisch-lebenswert-zukunftsorientiert: Visionen für das<br />
Friedrichshafen <strong>von</strong> morgen<br />
• Gera - Die Stadt zum Leben<br />
• Öhringen - d a s Schlüsselerlebnis im Hohenloher Land<br />
• Koblenz - Magnet am Deutschen Eck: Die Stadt zum Bleiben<br />
• Rechberghausen - lebenswert, naturnah und bürgerfreundlich<br />
• Gut - besser –Gaildorf<br />
• Güglingen - <strong>ein</strong> starkes Stück Zabergäu<br />
Handlungsfelder<br />
Sie - auch Oberziele genannt - beschäftigen sich mit den<br />
Aufgabenschwerpunkten der Kommune. Hier werden - je nach Stadt bzw.<br />
Gem<strong>ein</strong>de - Aussagen gemacht beispielsweise zu den Themen
Stadt- bzw. Gem<strong>ein</strong>deentwicklung <strong>ein</strong>schließlich Stadt- bzw. Ortsmitte,<br />
Verkehr, Wohnen und Umwelt sowie Konsequenzen des<br />
demografischen Wandels<br />
Einkaufen, Dienstleistungen, Gewerbe, Handel, Handwerk und Industrie<br />
Landwirtschaft, W<strong>ein</strong>bau, Tourismus<br />
Kultur, Bildung, Freizeit, Sport<br />
Soziales (Kinder, Jugend, Familie, Senioren, Behinderte, Migranten)<br />
Jedes Handlungsfeld besteht aus<br />
<strong>ein</strong>em Leitsatz - mehreren Strategischen Zielen und <strong>ein</strong>em<br />
Maßnahmenkatalog.<br />
Nachwort<br />
In ihm soll deutlich gemacht werden, dass <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>mal erarbeiteter<br />
Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplan nicht statisch s<strong>ein</strong> darf, sondern immer wieder<br />
aktualisiert und fortgeschrieben werden muss.<br />
5. Entstehungsprozess <strong>ein</strong>es Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplanes<br />
Ziel des Entstehungsprozesses muss es s<strong>ein</strong>,<br />
aus Betroffenen Beteiligte zu machen!<br />
Arbeitsteilung<br />
In der Praxis hat sich bei der Erstellung <strong>ein</strong>es Gem<strong>ein</strong>deentwicklungsplanes<br />
die folgende<br />
A r b e i t s t e i l u n g<br />
zwischen dem Gem<strong>ein</strong>derat und der Bürgerschaft bewährt:<br />
<br />
Die Bürgerschaft Der Gem<strong>ein</strong>derat<br />
erarbeitet Vorschläge und berät - im Beis<strong>ein</strong> der an<br />
Ideen zur künftigen Entwick- dem Projekt beteiligten<br />
lung der Gem<strong>ein</strong>de Bürgerinnen und Bürger -<br />
über den Schlussbericht<br />
und<br />
fasst diese in <strong>ein</strong>em entscheidet über das<br />
Schlussbericht zusam- weitere Vorgehen<br />
men und legt ihn dem<br />
Gem<strong>ein</strong>derat vor.
Organisation der Bürgerbeteiligung<br />
Auftaktsitzung<br />
Hier werden<br />
- die zu behandelnden Handlungsfelder (Aufgabenschwerpunkte)<br />
grundsätzlich und <strong>ein</strong>vernehmlich festgelegt und danach<br />
- mehrere themenbezogene Projektgruppen <strong>ein</strong>gerichtet.<br />
Projektarbeit<br />
Die eigentliche Projektarbeit umfasst - erfahrungsgemäß - fünf bis sechs<br />
Sitzungen. Sie erfolgt in den nachstehend erläuterten<br />
v i e r S c h r i t t e n:<br />
Schritt Bestandsaufnahme<br />
mit <strong>ein</strong>er Auflistung der beobachteten Stärken und<br />
Schwächen<br />
Schritt Endgültige Bestimmung wichtiger Handlungsfelder<br />
im Sinne <strong>von</strong> Aufgabenschwerpunkten<br />
Schritt Je Handlungsfeld<br />
- Definieren <strong>von</strong> strategischen Zielen<br />
- Erarbeiten <strong>von</strong> Maßnahmen zur Zielerreichung<br />
- Inhaltliches und zeitliches Priorisieren<br />
Schritt Entwicklung <strong>ein</strong>er (realistischen) Vision<br />
in der Form <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>prägsamen Slogans<br />
Unterstützt werden die Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Projektarbeit<br />
durch <strong>ein</strong>en Moderator. Er wird sie in methodischen Fragen beraten<br />
und dafür sorgen, dass der Zeitplan <strong>ein</strong>gehalten wird.