08.10.2012 Aufrufe

Bodensee - Teufelstisch - Ausnahmegenehmigung ... - Taucher.Net

Bodensee - Teufelstisch - Ausnahmegenehmigung ... - Taucher.Net

Bodensee - Teufelstisch - Ausnahmegenehmigung ... - Taucher.Net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Az.: 6 K 1756/94<br />

xxxx<br />

prozeßbevollmächtigt:<br />

Rechtsanwälte xxxx,<br />

Land Baden-Württemberg,<br />

vertreten durch das Landratsamt Konstanz,<br />

VERWALTUNGSGERICHT FREIBURG<br />

Im Namen des Volkes<br />

Urteil<br />

In der Verwaltungsrechtssache<br />

gegen<br />

Postfach 101238, Benediktinerplatz 1, 78467 Konstanz,<br />

Az: 2/210/692.100/94,<br />

Ausnahme vom Tauchverbot am "<strong>Teufelstisch</strong>"<br />

wegen <br />

-Kläger-<br />

-Beklagter-<br />

hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am<br />

Verwaltungsgericht Dr. von Burski, des Richters am Verwaltungsgericht Budzinski, der Richterin Kraft-<br />

Lange und der ehrenamtlichen Richter Renner und Figlesthaler auf die mündliche Verhandlung vom 02. Juli<br />

1996


f ü r R e c h t e r k a n n t:<br />

Die Klage wird abgewiesen.<br />

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.<br />

LRA..27Y<br />

T a t b e s t a n d<br />

Der Kläger ist Hobbytaucher und Tauchsportlehrer und hat bis heute nach seinen Angaben rund 3000<br />

Tauchgänge absolviert. Er übt seinen Sport u.a. im <strong>Bodensee</strong>, insbesondere im Überlinger-See, aus.<br />

Mit Allgemeinverfügung vom 14.07.1979 hat das Landratsamt Konstanz das Tauchen in einem auch vom<br />

Kläger dort bevorzugten Gebiet beim Seezeichen 22 ("<strong>Teufelstisch</strong>") in einem Umkreis von 300 m -<br />

vorbehaltlich von Ausnahmeerteilungen im Einzelfall - untersagt.<br />

Der "<strong>Teufelstisch</strong>" ist eine besondere, durch Erosion entstandene Felsformation in Gestalt einer neben der<br />

nahezu senkrechten Ufersteilwand aus etwa 85 m Wassertiefe anfragenden Säule, die dicht unter der<br />

Wasseroberfläche eine tischartig aufgesetzte Felsplatte trägt. Die bis zu einer Tiefe von rund 28 m frei<br />

stehende und sodann bis zum Seegrund landseitig mit dem Ufer verbundene, nur wenige Meter dicke Säule<br />

gilt seit vielen Jahren als besonders lohnender und einmaliger Anziehungspunkt, der zahlreiche Tauchsportler<br />

anlockt und bis zum Erlaß des Verbots zahlreiche Tauchunfälle mit bis dahin 10 Toten gefordert hatte.<br />

Insgesamt waren im Überlinger See seit 1974 26 <strong>Taucher</strong> ums Leben gekommen.<br />

Der Kläger hatte seinerzeit gegen den Erlaß des Tauchverbots nach erfolglosem Widerspruchsverfahren<br />

Klage erhoben, die in der mündlichen Verhandlung vom 12.05.1987 von dem Verwaltungsgericht Freiburg (-<br />

6 K 65/86 -) durch gerichtlichen Vergleich erledigt wurde. Hiernach nahm der Kläger die Klage auf<br />

Aufhebung der Allgemeinverfügung zurück, während das beklagte Land sich verpflichtete, ihm eine<br />

<strong>Ausnahmegenehmigung</strong> vom Tauchverbot zur Ausübung des Tauchsports zu erteilen.<br />

Das Landratsamt Konstanz erteilte daraufhin die <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> mit Bescheid vom 10.06.1987<br />

widerruflich und mit verschiedenen Auflagen zur "Mindestausrüstung" und zur Durchführung der<br />

"Tauchgänge". Mit weiterem Bescheid vom 14.12.1990 befristete es unter Ausnutzung des<br />

Widerrufsvorbehalts die Genehmigung nachträglich bis zum 31.12.1992.<br />

Mit Bescheid vom 19.05.1993 erteilte das Landratsamt auf Antrag des Klägers "erneut" - bis 31.12.1994 -<br />

eine <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> und setzte dafür eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 70.- DM fest. Die<br />

wiederum beigefügten Auflagen wurden - nachdem sich im September 1993 ein tödlicher Unfall mit zwei<br />

<strong>Taucher</strong>n unweit vom "<strong>Teufelstisch</strong>" ereignet hatte - mit ergänzendem Bescheid vom 04.03.1994 nachträglich<br />

geändert, indem neu an die Stelle einer bloßen bisherigen "Empfehlung" nunmehr zwingend die Regelung<br />

trat, daß das Tauchen nur noch "mit Leine und Führung durch einen Signalmann erlaubt" sei.


Auf den hiergegen vom Kläger und zahlreichen anderen Genehmigungsinhabern eingelegten Widerspruch<br />

änderte das Landratsamt Konstanz diese Nebenbestimmung durch Abhilfebescheid vom 17.06.1994 mit<br />

folgender Maßgabe:<br />

"Das Tauchen ist nur zu zweit unter Verwendung einer buddy-Leine erlaubt (Modifizierende Auflage)".<br />

Der Kläger legte am 05.07.1994 auch gegen die geänderte Auflage in der Fassung des Abhilfebescheids<br />

Widerspruch ein, den er später damit begründete, daß die Anleinpflicht gegen das Übermaßverbot verstoße,<br />

da sich die bisherigen Auflagen bewährt und zu keinen Unfällen geführt hätten. Der Unfall im September<br />

1993 sei durch bewußtes Außerachtlassen jeglicher Sicherheitsbedenken entstanden und habe auch durch<br />

Führen einer "buddy-Leine" nicht verhindert werden können. Die verunglückten <strong>Taucher</strong> hätten außerdem<br />

keine <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> für den <strong>Teufelstisch</strong>" besessen und seien außerhalb der Verbotszone<br />

eingetaucht. Es entstehe der Eindruck, daß die Behörde bewußt den Tauchbetrieb als solchen am<br />

"<strong>Teufelstisch</strong>" erschweren und vermindern wolle. In keinem Sporttaucherverband der Welt werde mit einer<br />

solchen Leine getaucht oder auch damit ausgebildet. Die Leine führe außerdem zu einer erhöhten Gefährdung<br />

des Mittauchers, die diesem nicht zuzumuten sei.<br />

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.1994 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch als<br />

unbegründet zurück. Die angefochtene und der <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> neu beigefügte Auflage zum Führen<br />

einer "buddy-Leine" habe modifizierenden Charakter und verändere damit einschränkend den<br />

Genehmigungsinhalt. Diese Maßnahme sei erforderlich. und verhältnismäßig. Eine Untersuchung aller 17<br />

tödlichen Tauchunfälle seit 1977 durch die Wasserschutzpolizei Friedrichshafen habe ergeben, daß - mit einer<br />

Ausnahme - sämtliche Verunglückten hätten gerettet werden können, wenn sie mit einer Signalleine, d.h einer<br />

von einem Verbindungsmann über Wasser gehaltenen Leine, angeleint gewesen wären. Als mindere<br />

Maßnahme sei mithin jedenfalls das Führen einer "buddy-Leine", also eines Leine zwischen (mindestens)<br />

zwei <strong>Taucher</strong>n untereinander, geboten. Das gelte in besonderem Maße für die gefährlichen Licht- und<br />

Strömungsverhältnisse am "<strong>Teufelstisch</strong>". Die<br />

Selbstgefährdung werde bei richtigem Gebrauch der Leine nicht erhöht, zumal diese jederzeit "ausgeklinkt"<br />

werden könne.<br />

Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 14. September 1994 zugestellt.<br />

Am 04. Oktober 1994 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Ergänzend<br />

weist er darauf hin, daß am "<strong>Teufelstisch</strong>" keine besonderen Licht- oder Strömungsverhältnisse, die sich von<br />

anderen Tauchrevieren im <strong>Bodensee</strong> unterschieden, bekannt seien. Die Auflage sei auch nicht geeignet, der<br />

Abwehr einer konkreten oder potentiellen Gefahr zu dienen, die über die üblichen, dem Sporttauchen<br />

innewohnenden Gefahren hinausgehe.<br />

Der Kläger beantragt,<br />

festzustellen, daß die Auflageverfügung des Landratsamts Konstanz vom 04.03.1994 in der Fassung seines<br />

Abhilfebescheids vom 17.06.1994 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom<br />

05.09.1994 rechtswidrig gewesen ist.<br />

Der Beklagte beantragt,<br />

die Klage abzuweisen.<br />

Zur Begründung nimmt er auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug.<br />

Das Gericht hat Beweis erhoben zur Frage der Notwendigkeit und Gefährlichkeit der Anleinung durch eine<br />

"buddy-Leine" durch Anhörung der Sachverständigen Stibbe und Kapitänleutnant Bessert und Einholung<br />

amtlicher Auskünfte der Wasserschutzpolizeibeamten Holzinger und Meyer. Wegen des Ergebnisses wird auf


den Inhalt der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.<br />

Dem Gericht liegen die einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten - 5 Bände - und des<br />

Regierungspräsidiums Freiburg - 1 Heft - vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.<br />

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e<br />

1. Die bislang als Anfechtungsklage erhobene Klage "gegen den (Auflagen-)Bescheid vom 04.03.1994" ist in<br />

der Form einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage, die ihr der Kläger durch Umstellung seines Klagantrags<br />

in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, zulässig.<br />

Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage war allerdings mit dem Ablauf der Geltungsdauer der<br />

<strong>Ausnahmegenehmigung</strong> am 31.12.1994, auf die sich der Bescheid ausschließlich bezog und beziehen sollte,<br />

unzulässig geworden. An einer Aufhebung der Auflage im Wege der Anfechtung konnte kein<br />

Rechtsschutzinteresse mehr bestehen, nachdem die damit ergänzte Grundverfügung erloschen war.<br />

Angesichts dieser Sachlage liegen hier andererseits die Voraussetzungen einen<br />

Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vor. Denn der Kläger hat im Hinblick auf<br />

zukünftig beantragte Genehmigungen gleicher Art ein berechtigtes Interesse daran, durch das mit der Sache<br />

bereits befaßte Verwaltungsgericht feststellen zu lassen, ob die genannte Auflage, mit deren jeweils neuer<br />

Beifügung durch den Beklagten zu rechnen ist, rechtmäßig gewesen ist.<br />

Dieses Interesse beschränkt sich allerdings nur auf solche Rechtsfragen, die heute noch im Falle des Antrags<br />

des Klägers auf Erteilung einer neuen <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> von rechtlicher Bedeutung sind. Ein Interesse<br />

daran, festgestellt zu wissen, daß die konkret seinerzeit erlassene Auflage aus Gründen, die heute entfallen<br />

sind oder die sich voraussichtlich nicht wiederholen werden, rechtswidrig gewesen war, besteht<br />

demgegenüber nicht. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger durch die Auflage bis heute fortwirkende<br />

oder entschädigungsfähige rechtserhebliche Nachteile erlitten hätte. Das läßt sich hier nicht feststellen, wurde<br />

auch vom Kläger nicht geltend gemacht.<br />

Es kann deshalb offen bleiben, ob die Auflage in der seinerzeit gewählten konkreten Form oder unter den<br />

seinerzeit bestehenden Umständen an formellen Rechtsfehlern litt, z.B. ohne Berücksichtigung ihres<br />

Charakters als (modifizierende) "Teilrücknahme" der bereits bestandskräftig ohne entsprechende<br />

Einschränkung erteilten <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> erlassen worden war (§ 48 LVwVfG).<br />

2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch im übrigen zulässig, aber - insbesondere auch nach dem<br />

Ergebnis der Beweisaufnahme - nicht begründet. Die Beifügung der genannten Auflage zur einschränkenden<br />

Modifizierung der <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> ist - in der Fassung des Abhilfebescheids - nicht rechtswidrig<br />

gewesen und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs 1 Satz 4 VwGO).<br />

Die Wasserrechtsbehörde darf zur Gefahrenabwehr das Sporttauchen mit Atemgerät, welchem der Kläger hier<br />

nachgehen will und welches Ausfluß des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs ist, notfalls nach § 28 Abs. 2<br />

WG ganz verbieten. Das hat das Gericht bereits in dem weiteren, vom Kläger anhängig gemachten<br />

Parallelverfahren (- 6 K 1460/94 -) zum Tauchverbot als solchem ausgeführt; darauf kann hier verwiesen<br />

werden.<br />

Daraus folgt zugleich weiter, daß sie das Tauchen auch nur unter ganz engen und bestimmten<br />

Einschränkungen in modifizierter, d.h. genehmigungsinhaltsbestimmender, Form zulassen kann, sofern dies<br />

die Gefahrenlage erfordert. Bei der Entscheidung, ob und in welcher Weise die Ausübung des<br />

Gemeingebrauchs geregelt, beschränkt oder untersagt werden soll, räumt § 28 Abs. 2 WG der Behörde ein<br />

weites Ermessen ein. Beschränkt wird das behördliche Ermessen lediglich durch die Voraussetzungen, daß<br />

eine Regelung durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der<br />

Verhältnismäßigkeit entsprechen muß (VGH Baden-Württemberg, Urt.v.22.06.1987 - 1 S 1699/86 -, VBIBW<br />

1988, 255 = ZfW 1988, 283).


Das Verwaltungsgericht darf die Ausübung des behördlichen Ermessens in Entsprechung dazu gemäß § 114<br />

VwGO nur eingeschränkt auf sog. Ermessensfehler hin überprüfen, nicht aber daraufhin, ob etwaige andere<br />

Lösungen in der Sache selbst "besser", "zweckmäßiger" und "gerechter" oder zumindest ebenso vertretbar<br />

wären (Kopp, Kom. z. VwGO, 10.Aufl., § 114, Rn. la a.E.). Zu prüfen ist mithin lediglich, ob sich die<br />

Behörde des ihr eingeräumten Ermessens bewußt gewesen ist, dessen Grenzen erkannt und beachtet, den<br />

Sachverhalt zutreffend ermittelt und ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat und dabei weder willkürlich oder<br />

widersprüchlich noch unverhältnismäßig verfahren ist. Das ist hier der Fall.<br />

Sowohl das Landratsamt als auch das Regierungspräsidium haben im vorliegenden Falle als<br />

Wasserrechtsbehörden von dem ihnen eingeräumten weiten Ermessen einen rechtsfehlerfreien Gebrauch<br />

gemacht.<br />

Den angefochtenen Entscheidungen ist zu entnehmen, daß sie sich des eingeräumten Ermessens bewußt<br />

gewesen sind und unter Wahrung seines Zwecks und seiner Grenzen eine abgewogene Lösung zur Abwehr<br />

der am "<strong>Teufelstisch</strong>" Sporttauchern drohenden Gefahren gesucht und angeordnet haben. Die dort gegebene<br />

besondere Gefahrensituation und daß deren Abwehr dem Wohl der Allgemeinheit dient, hat das Gericht<br />

ebenfalls bereits in seiner Entscheidung zur Erweiterung der Tauchverbotszone dargelegt.<br />

Es liegt mithin auf der Hand, daß <strong>Ausnahmegenehmigung</strong>en, die Tauchgänge am "<strong>Teufelstisch</strong>" erlauben,<br />

nicht allein besondere Anforderungen an die Person, insbesondere hinsichtlich Erfahrung und<br />

Ausbildungsstand des <strong>Taucher</strong>s, sondern auch an seine Ausrüstung und die Ausgestaltung der Tauchgänge<br />

enthalten dürfen. So ist es offensichtlich u.a. zweckmäßig, was auch von den betroffenen Sporttauchern<br />

bisher nicht in Zweifel gezogen worden war, daß <strong>Taucher</strong> am "<strong>Teufelstisch</strong>" stets mindestens zu zweit<br />

tauchen müssen.<br />

Das Gericht kann es aus Rechtsgründen nicht beanstanden (§ 114 VwGO), wenn die Wasserrechtsbehörden<br />

eine weitere Erhöhung der Sicherheit darin sehen und damit erreichen wollen, daß die (beiden) <strong>Taucher</strong><br />

ähnlich Bergsteigern durch ein Seil, eine sog. "buddy-Leine", miteinander verbunden sind. Die demgegenüber<br />

vom Kläger angeführten Einwände sind nicht geeignet, diese zusätzliche Auflage als ermessensfehlerhaft<br />

erscheinen zu lassen. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Nutzen der Maßnahme in grobem Maße außer<br />

Verhältnis zum Erfolg stünde oder sogar mit Gefahren für die <strong>Taucher</strong> verbunden wäre. Davon kann hier<br />

nicht ausgegangen werden.<br />

Der Kläger hat im wesentlichen gegen eine "buddy-Leine" eingewandt, daß in dem felsigen Gelände unter<br />

Wasser mit seinen Klüften und Vorsprüngen die Gefahr eines Einklemmens oder Verhedderns der Leine<br />

bestehe. Daraus ergibt sich nach dem Ergebnis der Anhörung der Sachverständigen in der mündlichen<br />

Verhandlung indessen keine Gefahr, die das Führen einer solchen Leine unzumutbar machen würde.<br />

Der vom Kläger vorgeschlagene Sachverständige S. konnte keine gegenteilige Fallkonstellation - auch nicht<br />

speziell für den "<strong>Teufelstisch</strong>" - aufzeigen. Der Sachverständige B. wies darauf hin, daß ihm derartige<br />

Probleme mit der Leine, die bei den Marinetauchern ausnahmslos zu benutzen sei, noch nie begegnet seien<br />

und daß eine sich verheddernde Leine nach seinen Erfahrungen jedenfalls durch entsprechende Bewegungen<br />

regelmäßig wieder frei zu bekommen (gewesen) sei. Er konnte insbesondere auch aus der eigenen<br />

Anschauung bei seinem Tauchgang am "<strong>Teufelstisch</strong>" nicht berichten, daß dort eine besondere Gefahr des<br />

Verklemmens von Leinen wegen der Zerklüftung des Geländes bestanden habe. Ganz im Gegenteil seien<br />

beim "<strong>Teufelstisch</strong>" - trotz bester Sicht - keine besonders ausgeprägten Vorsprünge, Klüfte oder Spalten zu<br />

erkennen gewesen, sondern habe er vielmehr den Eindruck gewonnen, daß es sich um ein ziemlich "glattes"<br />

Gelände handele.<br />

Des weiteren sah er auch keine erhöhte Gefährdung in einem "Mitreißen" eines <strong>Taucher</strong>s durch den -<br />

eventuell "abstürzenden" - anderen. In jedem Falle könne die Leine, was eine Frage der Befestigung sei, rasch<br />

und "unproblematisch" durch eine Handbewegung, im äußersten Notfall sogar mit dem Messer, gelöst<br />

werden.


Diese Ausführungen erscheinen auch dem Gericht überzeugend. Anders als beim Bergsteigen dürfte unter<br />

Wasser mit Rücksicht auf die - auch vom Sachverständigen S. hervorgehobene - Langsamkeit der Vorgänge<br />

regelmäßig ausreichend Zeit für Entwirr- oder Löseversuche von der Leine zur Verfügung stehen.<br />

Es kommt hinzu, daß eine bestimmte Länge der Leine im vorliegenden Falle nicht vorgeschrieben wird, die<br />

Sporttaucher sie folglich frei mit den Maßen wählen können, die ihnen auch unter dem Gesichtspunkt eines<br />

Verhedderns - am zweckmäßigsten erscheinen. Der Sachverständige B. berichtete dazu, daß die Länge von<br />

einem Meter bei den Marinetauchern üblich sei, ausreiche und eine gute Manövrierfähigkeit und<br />

wechselseitige Abstimmung erlaube. Tödliche Unfälle wegen einer verhedderten Leine seien ihm nicht<br />

bekannt.<br />

Soweit der Sachverständige S. demgegenüber auf Unfälle, die nur durch die Leine entstanden seien, hinwies,<br />

unterschied er nicht näher zwischen der "buddy-Leine" zwischen den <strong>Taucher</strong>n und der "Signal-Leine", die<br />

diese mit einem Boot oder dem Ufer verbindet. Daß in letzterem Falle eine erhöhte Gefahr des Verhedderns<br />

bestehen mag, ist nicht von der Hand zu weisen. In dem einen von ihm als Beleg geschilderten Falle der<br />

verunglückten Feuerwehrleute, die beide Leinenarten gleichzeitig benutzten, war indes außerdem die<br />

Unterwasserlandschaft dafür besonders anfällig: sie wies nämlich untergegangene bzw. überflutete Bäume<br />

auf, eine Fallgestaltung, die der Sachverständige für den Bereich des "<strong>Teufelstisch</strong>s" ausdrücklich verneinte.<br />

Nach alldem gewann das Gericht in der mündlichen Verhandlung zunehmend den Eindruck, daß es den<br />

Sporttauchern offenbar weniger um angeblich durch die "buddy-Leine" erhöhte Gefahren, als vielmehr um<br />

das "Freiheitsgefühl" geht, welches durch ein nicht angeleintes Tauchen vermittelt wird und sich<br />

beispielsweise gerade am "<strong>Teufelstisch</strong>" durch ein freies "Drumherumtauchen bzw. -schweben" einstellen<br />

mag. Das wurde vor allem an der Äußerung des Sachverständigen S. deutlich, wonach es den Sporttauchern<br />

"lieber" sei, ohne "etwaige Behinderungen durch die Leine auszukommen" (Sitzungsprotokoll, S. 11). Daß er<br />

darüber hinaus dann - auf Vorhalt des Vertreters des Beklagten - auch eine erschwerte Bedienbarkeit der<br />

zahlreichen vom <strong>Taucher</strong> mitgeführten Unterwasser-Geräte und Instrumente gegen den Gebrauch der Leine<br />

anführte, vermochte das Gericht über eine hierin zugegebenermaßen liegende "Lästigkeit" hinaus nicht zu<br />

überzeugen, wie sich auch aus dem folgenden ergibt:<br />

Führt eine Leine somit nämlich schon zu keiner nennenswerten oder jedenfalls nicht mehr beherrschbaren<br />

Gefährdung, so überwiegt andererseits ihr Nutzen in solchem Maße, daß der Beklagte von seinem Ermessen<br />

keinen abwägungsfehlerhaften, unangemessenen Gebrauch macht, wenn er das "Freiheitsgefühl" der <strong>Taucher</strong><br />

oder auch eine etwa entgegenstehende Bequemlichkeit demgegenüber zurücksetzt. Die Sachlage stellt sich<br />

insoweit mindestens ebenso eindeutig zugunsten einer "Anleinpflicht" dar wie die Anschnallpflicht bei<br />

Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr oder das Führen eines Bergsteigerseils.<br />

So hielt der Sachverständige S. selbst eine "buddy-Leine" in "unsichtigem" Gewässer für "empfehlenswert",<br />

mag sie auch von seinem Sportverband weder vorgeschrieben noch ausdrücklich empfohlen werden.<br />

Unsichtige Wasserverhältnisse sind indessen in Binnengewässern und so auch am <strong>Bodensee</strong> häufiger<br />

anzutreffen. Der Kläger im Verfahren 6 K 2294/95 schilderte selbst einen Tauchgang im Überlinger See<br />

(<strong>Bodensee</strong>), bei welchem man "die Instrumente kaum noch habe ablesen können und die <strong>Taucher</strong> sich<br />

gegenseitig festhalten" mußten. Es liegt auf der Hand, daß Tauchgänge ohne Leine unter solchen Umständen<br />

erheblich gefährlicher sind. Das gilt erst recht in einem bis 85 Meter Tiefe reichenden Gewässer, in welchem<br />

man - wie der Sachverständige S. wiederholt bestätigte - im Falle des Absinkens "verloren" sei. Dabei kann -<br />

wie die den Beteiligten bekannte Fernsehsendung des SWF vom 06.09.1993 "Tiefenrausch" zeigte - am<br />

"<strong>Teufelstisch</strong>" bereits ab einer Tiefe von rund 40 m völlige Dunkelheit herrschen. Selbst bei derartigen relativ<br />

"normalen" Sichtverhältnissen könnte folglich schon bei einer kleinen Unachtsamkeit eines Tauchpartners,<br />

beispielsweise weil er gerade mit seinen (evtl. schwer ablesbaren) Instrumenten oder - selbst bei besserer<br />

Sicht - auch der Video-Kamera beschäftigt ist, ein <strong>Taucher</strong> ohne Sicherung durch eine Leine absinken und<br />

"verschwinden". Ein rasches "Nachtauchen" vermöchte hiergegen offensichtlich keinen sicheren Erfolg zu<br />

versprechen.<br />

Der Sachverständige S. sah sich deshalb offenbar auch veranlaßt, ein Tauchen der Partner in "Griffweite"


vorauszusetzen, damit jederzeit "zugegriffen" werden könne. Ein "guter" Partner verliere seiner Meinung<br />

nach den anderen nie aus den Augen. Das Gericht gelangt insoweit jedoch zur Überzeugung, daß gerade<br />

<strong>Taucher</strong>, die aus Lust am "freien Herumschweben" oder am sportlichen Durchmessen eines Gewässers<br />

tauchen, durch derart hohe Erwartungen und mit Rücksicht darauf, daß sie jederzeit mit sich selbst und Ihrer<br />

eigenen Sicherheit beschäftigt sein könnten, überfordert werden.<br />

Der Beklagte handelt mithin sachgerecht und verantwortungsvoll, wenn er sich auf das optimale Verhalten<br />

der jeweiligen Tauchpartner nicht verlassen will, sondern eine feste Verbindung zwischen ihnen - wie unter<br />

angeseilten Bergsteigern - fordert. Damit stimmt überein, daß der Sachverständige B. ganz unabhängig von<br />

den Sichtverhältnissen und selbst unter jenen ungewöhnlich optimalen Verhältnissen, die er bei seinem<br />

Tauchgang mit 10 m Sichtweite am "<strong>Teufelstisch</strong>" angetroffen hatte, insbesondere auch dort eine "Buddy-<br />

Leine" für zweckmäßig hielt. All dies gilt um so mehr, als die unliebsam Beschränkung der "Freiheit" der<br />

Sporttaucher sogar eher noch geringer erscheint, wenn sie dank einer Leine nicht mehr in ständiger<br />

"Griffweite" und pausenlos auf den Partner konzentrierter Aufmerksamkeit tauchen können. Dafür spricht<br />

auch die generell geltende Anleinpflicht für die <strong>Taucher</strong> öffentlicher Organisationen, deren Aufgabenstellung<br />

- wie der Sachverständige S dazu erklärte - "nicht darauf gerichtet ist, auf den Partner zu achten". Das Gericht<br />

vermag nicht zu erkennen, daß das Sporttauchen in völligem Gegensatz dazu stehen soll.<br />

Es kann schließlich rechtlich auch nicht beanstandet werden, daß der Beklagte das Führen einer "buddy-<br />

Leine" in Gestalt einer den Inhalt der <strong>Ausnahmegenehmigung</strong> bestimmenden (modifizierenden) Auflage<br />

angeordnet hat, da sie für die Ausnahmeerteilung als solche wesentlich erscheint.<br />

Der Kläger hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen. Für eine vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung<br />

der Kostenentscheidung nach § 167 Abs. 2 VwGO sieht das Gericht keine<br />

Veranlassung.<br />

Rechtsmittelbelehrung<br />

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg<br />

zu. Die Berufung ist beim Verwaltungsgericht Freiburg, Dreisamstraße 9a, 79098 Freiburg, innerhalb eines<br />

Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle<br />

einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim<br />

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, eingeht.<br />

Die Berufungsschrift muß das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten. Die<br />

zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben werden.<br />

gez. Dr.v.Burski gez. Budzinski gez. Kraft-Lange<br />

B e s c h l u ß:<br />

Der Streitwert wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf<br />

festgesetzt.<br />

8.000,-- DM<br />

Der Streitwert ist mangels anderer Anhaltspunkte auf den Auffangwert von 8.000,-- DM festzusetzen.<br />

Rechtsmittel gegen die Streitwertfestsetzung richten sich nach § 25 Abs. 3 GKG.<br />

gez. Dr.v.Burski gez. Budzinski gez. Kraft-Lange


Ausgefertigt:<br />

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle<br />

Brauss<br />

Ger.Angestellte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!