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Eröffnungsrede zur Ausstellung von Fabian ... - Zeche Zollverein

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Gefäße – Keramische Arbeiten <strong>von</strong> Young Jae-Lee<br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

liebe Freunde <strong>Zollverein</strong>s,<br />

liebe Frau Nölle,<br />

Ich freue mich wirklich ganz besonders, diese <strong>Ausstellung</strong> heute eröffnen zu dürfen: Schon lange haben<br />

wir die Idee zusammen mit Young-Jae Lee und den Keramischen Werkstätten Margaretenhöhe eine<br />

größere <strong>Ausstellung</strong> ihrer Werke zu präsentieren in Halle 5 zu präsentieren, nun ist es endlich soweit! Nach<br />

25 Jahren auf <strong>Zollverein</strong> – lange bevor die Stiftung <strong>Zollverein</strong> hier ihre Arbeit aufnahm – wurde es dafür<br />

auch Zeit.<br />

Seit gut 25 Jahren hat die Keramische Werkstätte Margarethenhöhe ihre jetzigen Werkräume auf <strong>Zollverein</strong><br />

Schacht 1/2/8. Und genau seit dieser Zeit leitet Young-Jae Lee diese traditionsreiche keramische<br />

Manufaktur. Ihre unvergleichliche und reduzierte Art Keramiken <strong>von</strong> außergewöhnlicher gestalterischer<br />

Qualität zu erstellen und produzieren zu lassen, führt zu internationaler Anerkennung und Bekanntheit in<br />

den Bereichen Kunst und Design. Ihr Konzept und ihr natürlicher Ansatz ist es, Keramiken und<br />

insbesondere Gefäße einerseits als Skulpturen aber gleichsam auch als Gebrauchsgegenstände des Alltags<br />

zu entwerfen und zu fertigen, bildet keinen Widerspruch, genauso wie die Tatsache, dass die Arbeiten<br />

einerseits als Serie andererseits auch immer als Unikat erscheinen: Dies alles knüpft direkt an die fast<br />

vergessene Bauhaustradition der Keramischen Margaretenhöhe in den 20er Jahren an. Wenn oft eine<br />

Nähe <strong>Zollverein</strong>s zum Zeitgeist des Bauhaus vermutet und attestiert wird, so wird diese Verbindung<br />

zumindest hier direkt nachvollziehbar.<br />

Als Margarete Krupp 1924 die Siedlung Margaretenhöhe gründet, ist es ein Grundanliegen gemäß der<br />

Bauhaus Idee, Alltag und Kunst mittels Handwerk zusammenzuführen. So lässt sie auf Anraten ihres<br />

klugen künstlerischen BeratersHermann Kättelhöhns eine Keramische Werkstätte eröffnen um die Häuser<br />

und Bauten mit keramischem Schmuck auszustatten. Dafür wird ein Schüler Otto Lindigs, ein berühmter<br />

Bauhaus Keramiker aus Weimar engagiert und verschafft so der Bauhaus Idee eine gewisse<br />

Breitenwirkung im Ruhrgebiet. Johannes Leßmann lässt Serienkeramik erstellen und begründet innerhalb<br />

des strengen Formgebungskanons des Bauhaus, die Tradition einer Manufaktur für anspruchsvolle<br />

Gebrauchskeramik. In Kriegszeiten und danach ist das Programm der Werkstätten übrigens eher auf<br />

Baukeramik ausgerichtet.<br />

1987 lassen Young Jae Lee und Hildegard Eggemann als neue Leiterinnen, diese Bauhaustradition<br />

wiederaufleben und widmen sich einem Manufakturprogramm mit Serienproduktion innerhalb der<br />

formalen Grundprinzipien des Bauhaus. Dies wird auch durch den Blindstempel deutlich, den die<br />

Erzeugnisse seit 1930 mit sich führen. Darüber hinaus – und das macht die Arbeiten so einzigartig und<br />

wahrscheinlich auch erfolgreich- lässt Young-Jae Lee ostasiatische Einflüsse in ihre Entwürfe einfließen.<br />

Die Keramischen Werkstätten sind die ersten künstlerischen Nutzer <strong>Zollverein</strong>s, die parallel <strong>zur</strong> Stilllegung<br />

des <strong>Zeche</strong>nbetriebs einzogen, lange also bevor das große Potential der ehemaligen <strong>Zeche</strong> als Ort für Kunst<br />

und Kultur <strong>von</strong> der breiteren Öffentlichkeit erkannt wurde.<br />

Young –Jae Lee studierte in Seoul Kunsterziehung und später in Wiesbaden Keramik und Formgestaltung<br />

und leitete <strong>von</strong> 1978 bis 1987 ihre eigene Werkstatt bei Heidelberg.<br />

Ihre Arbeiten sind seriell produziert und erscheinen in warmen gedeckten Jadetönen und Natur bzw.<br />

Erdfarben, die hier und da an <strong>Zollverein</strong>s Außenfassaden erinnern. Erscheint <strong>Zollverein</strong>s architektonische<br />

Qualität oft kraftvoll, aber durch Reduktion und Schlichtheit geprägt, so verhält es sich bei den Arbeiten ein<br />

wenig ähnlich ohne den Vergleich überstrapazieren zu wollen. Dennoch scheint beides einem gewissen<br />

formal ähnlichen Zeitgeist zu entspringen, dies ist kein Wunder, stammt die Tradition der Keramischen<br />

Werkstätten genauso wie die Erschaffung <strong>Zollverein</strong> aus den 20er Jahren.<br />

Auch die Auseinandersetzung mit dem Thema der Serialität belegt dies. Die Erschaffung ihrer skulpturalen<br />

Dimensionen basiert auf seriellen quasi vorindustriellen Verfahrenstechniken, dennoch sind sie <strong>von</strong> hoher<br />

ästhetischer Qualität. Basiert jedoch das Formthema der Keramiken eher auf runden, organischen<br />

Formen, so bestimmt das Rechteckige und Symmetrische die industriellen Gebäude. Dennoch werden<br />

beide Formthemen konsequent verfolgt, was zu einer klaren und unverrückbaren gestalterischen Aussage<br />

führt.


Young Jae Lees Arbeiten beeindrucken mit ihrer Einfachheit, mit ihrer Schlichtheit. Sie zelebriert<br />

organische, ungekünstelte Formen und bringt sie mittels einer unvergleichlichen Farbgebung buchstäblich<br />

ans Licht. Allerdings „zelebriert“ sie nicht lautstark, sondern behutsam, sensibel, <strong>zur</strong>ückhaltend, man<br />

könnte fast sagen mit Demut. Gefäße sind für sie Gebrauchsgegenstände für basale und existentielle Dinge<br />

wie Essen und Trinken. Doch für sie sind Gefäße auch Sinnbild für unsere Körper, die auch immer Gefäße<br />

sind. So ist die Zerbrechlichkeit der Keramiken –wie auch deren Einmaligkeit trotz Serialität - auch immer<br />

ein Blick auf die Fragilität des menschlichen Körpers und dessen Vergänglichkeit.<br />

Der Prozeß des Töpferns selbst geschieht mit Einsatz des Körpers und das Arbeiten am Drehstuhl gleicht<br />

einem gewissen meditativen Prozess. Aus einem Klumpen Ton wird durch wiederholtes Drehen und leichte<br />

Veränderungen –aber vor allem durch ständige Hinwegnahme! - ein Gefäß, dessen Bestimmung es ist,<br />

Inhalt aufzunehmen. Es wird definiert, indem in seinem Inneren Raum erschlossen wird, welcher potentiell<br />

etwas aufnehmen, aber auch geben kann. Das definiert das Sein des Gefäßes. Es nimmt auf und gibt ab.<br />

Nicht mehr und nicht weniger. Darin offenbart sich die „innere“ Schönheit eines Gefäßes. Diese erkennbar<br />

zu machen, ist Leistung der Künstlerin.<br />

Die <strong>Ausstellung</strong> zeigt weniger die museale Präsentation <strong>von</strong> keramischen Objekten, sondern verweist auch<br />

auf den handwerklichen Schaffensprozess der Arbeiten. Werkstätten. Ab Dienstag wird hier an dieser Stelle<br />

ein Drehstuhl stehen, an dem Studenten der Werkstätten arbeiten und somit der <strong>Ausstellung</strong> den<br />

Charakter eines Atelierbetriebs geben. Auch werden Töpferkurse für Kinder in der <strong>Ausstellung</strong> angeboten,<br />

die mit den Studenten der Werkstatt arbeiten.<br />

Die im reinen Kunstkontext spätestens seit Duchamp traditionell gering geschätzte handwerkliche Fähigkeit<br />

ist bei Young Jae Lee genauso wichtig wie die Ergebnisse konzeptueller sozusagen abstrakter<br />

künstlerischer Arbeit. Für sie fallen die Qualitäten Handwerk und künstlerischer Konzeption zusammen.<br />

Dies macht ihre Arbeiten, besonders und auf einzigartige Art faszinierend, gerade wenn sie im musealen<br />

Kontext wie in Kunstmuseum Boston, in den Galerien und auf den Kunstmessen der ganzen Welt oder in<br />

der Pinakothek der Moderne in München, aber auch in Kirchen gezeigt wird. Die keramischen Gefäße<br />

faszinieren, weil sie sowohl auf einen Ort der ästhetischen Erfahrung, aber auch einen wirklichen und<br />

echten Ort der Funktionalität verweisen und damit den Bezug zum Menschen immer wahren. Dies ist das<br />

Faszinierende und auch Einfache an Young Jae Lees Kunst. Im Vergleich dazu scheint manchen anderen<br />

zeitgenössischen Skulpturen lediglich der künstliche Fetischcharakter einer scheinbar ausgereizten<br />

Kunstwelt innezuwohnen.<br />

Zum Anlass der <strong>Ausstellung</strong> hat die Young-Jae Lee zwei befreundete Künstler eingeladen, die neue bzw.<br />

auf <strong>Zollverein</strong> in den letzten Monaten entstandene Arbeiten zeigen. Die Koreanerin Sooyeon Hong und der<br />

Österreicher Georg Bernsteiner komplettieren die Präsentation und erweitern sie auf wunderbare<br />

unprätentiöse Art und Weise.<br />

Ich möchte mich bei ganz herzlich bei unserem Team Katrin Jubitz und Angelika Baege bedanken, aber<br />

vor allem auch bei dem Team der Keramischen Werkstätten mit Frau Eggemann und Shoko Ishioka<br />

bedanken. Mein ganz besonderer Dank geht aber an die großartige Künstlerin und den Menschen Young-<br />

Jae Lee, deren unkomplizierte, flexible und gastfreundliche Art ungewöhnlich und sehr inspirierend ist. Sie<br />

ist künstlerisch und menschlich und auch <strong>von</strong> ihrer Ausstrahlung her, ein wichtiger und ausgleichender<br />

fester Bestandteil des gewachsenen <strong>Zollverein</strong>s.<br />

Ich wünsche uns, dass dies auch in den nächsten 25 Jahren so bleibt.<br />

<strong>Fabian</strong> Lasarzik, Juni 2012

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