Abschlussbericht - AOK-Gesundheitspartner
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<strong>Abschlussbericht</strong><br />
Wissenschaftliche Begleitung<br />
des hausärztlichen Qualitäts-<br />
und Kooperationsmodell<br />
Südbaden (Hausarztmodell)<br />
Auftraggeber:<br />
<strong>AOK</strong> Baden-Württemberg<br />
<strong>AOK</strong>-Bundesverband<br />
Ansprechpartner:<br />
Michael Steiner<br />
Dr. Wolfgang Riedel<br />
Jakob Maetzel<br />
Düsseldorf, 07.01.2013<br />
051 – 26274
Das Unternehmen im Überblick<br />
Geschäftsführer<br />
Christian Böllhoff<br />
Präsident des Verwaltungsrates<br />
Gunter Blickle<br />
Berlin HRB 87447 B<br />
Rechtsform<br />
Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht<br />
Gründungsjahr<br />
1959<br />
Tätigkeit<br />
Prognos berät europaweit Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik. Auf Basis neutraler Analysen<br />
und fundierter Prognosen werden praxisnahe Entscheidungsgrundlagen und Zukunftsstrategien für<br />
Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und internationale Organisationen entwickelt.<br />
Arbeitssprachen<br />
Deutsch, Englisch, Französisch<br />
Hauptsitz<br />
Prognos AG<br />
Henric Petri-Str. 9<br />
CH - 4010 Basel<br />
Telefon +41 61 32 73-200<br />
Telefax +41 61 32 73-300<br />
info@prognos.com<br />
Weitere Standorte<br />
Prognos AG Prognos AG<br />
Goethestr. 85 Wilhelm-Herbst-Straße 5<br />
D - 10623 Berlin D - 28359 Bremen<br />
Telefon +49 30 520059-200 Telefon +49 421 2015-784<br />
Telefax +49 30 520059-201 Telefax +49 421 2015-789<br />
Prognos AG Prognos AG<br />
Schwanenmarkt 21 Avenue des Arts 39<br />
D - 40213 Düsseldorf B - 1040 Brüssel<br />
Telefon +49 211 91316-110 Telefon +32 2 51322-27<br />
Telefax +49 211 91316-141 Telefax +32 2 50277-03<br />
Prognos AG Prognos AG<br />
Sonnenstraße 14 Werastraße 21-23<br />
D - 80331 München D - 70182 Stuttgart<br />
Telefon +49 89 515146-170 Telefon +49 711 2194-245<br />
Telefax +49 89 515146-171 Telefax +49 711 2194-219<br />
Internet<br />
www.prognos.com
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung 1<br />
2 Strategische Ziele bei der Einführung des Hausarztmodells Südbaden 2<br />
3 Fragestellungen 5<br />
4 Methodik 6<br />
5 Ergebnisse 10<br />
5.1 Wie lassen sich die im Hausarztmodell eingeschriebenen Versicherten<br />
beschreiben? Handelt es sich um Personen mit einer bestimmten<br />
Risikostruktur? 10<br />
5.2 Wie lassen sich die am Hausarztmodell teilnehmenden Netzärzte<br />
beschreiben? 11<br />
5.3 Welche Strukturen wurden von den Projektpartnern für die gemeinsame<br />
Zusammenarbeit aufgebaut? Wie ist die Umsetzung zu beurteilen? 12<br />
5.4 Welche Angebote für die Versicherten und welche Maßnahmen zur Förde<br />
rung der Struktur- und Prozessqualität wurden im Hausarztmodell<br />
verwirklicht? Wie ist die Umsetzung zu beurteilen? 16<br />
5.5 Welche weiteren innovativen Elemente waren im Rahmen des<br />
Hausarztmodells geplant? Wie ist die Umsetzung zu beurteilen? 24<br />
5.6 Wie beurteilen die eingeschriebenen Versicherten das Hausarztmodell und<br />
seine Steuerungskomponenten insgesamt? 26<br />
5.7 Wie beurteilen die teilnehmenden Ärzte das Modellgeschehen insgesamt? 27<br />
5.8 Gibt es durch das Hausarztmodell Veränderungen bei Inanspruchnahme und<br />
Kosten? 29<br />
6 Bewertung der wichtigsten Ergebnisse 32<br />
7 Hausarztmodell als Lernprojekt 39<br />
7.1 Stellungnahme der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg 39<br />
7.2 Stellungnahme der QP GmbH 49<br />
8 Ausblick 51
1 Einleitung<br />
Das hausärztliche Qualitäts- und Kooperationsmodell Südbaden<br />
wurde von der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg und den Hausärzten der<br />
Qualitätspraxen (QP) GmbH im Juni 2004 auf der Grundlage des<br />
SGB V §§ 63 ff. als zweites Hausarztmodell der <strong>AOK</strong> Baden-<br />
Württemberg vertraglich vereinbart.<br />
Ziel des Pilotprojektes war, die hausärztliche Versorgung zu einem<br />
bisher in Deutschland einmaligen, ganzheitlichen Versorgungsmodell<br />
aufzubauen. Im Fokus steht der Hausarzt, dessen Rolle als<br />
erster Ansprechpartner, Lotse und Koordinator bei gesundheitlichen<br />
Problemen durch das Modell gefördert und gestärkt wird.<br />
Das Modell wurde von der Prognos AG wissenschaftlich begleitet.<br />
Der vorliegende <strong>Abschlussbericht</strong> fasst die Evaluationsergebnisse<br />
zusammen. Der Bericht beginnt mit einer Darstellung der strategischen<br />
Ziele, die mit der Einführung des Modells im Jahre 2004<br />
verknüpft waren (Kapitel 2). Die den Hauptteil des Berichtes ausmachende<br />
Dokumentation der Evaluationsergebnisse orientiert<br />
sich an acht Leitfragen, die im folgenden dritten Kapitel aufgeführt<br />
sind. Dem Untersuchungsdesign der wissenschaftlichen Begleitung<br />
mit seinen fünf methodischen Modulen ist das vierte Kapitel<br />
gewidmet. Es folgt die ausführliche Darstellung der Evaluationsergebnisse<br />
anhand der bereits erwähnten Leitfragen (Kapitel 5) und<br />
eine zusammenfassende Bewertung des Modells (Kapitel 6).<br />
Kapitel 7 enthält originäre Stellungnahmen der beiden Vertragspartner<br />
– <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg und Ärztenetz QP – als Fazit<br />
zum gemeinsamen Entwicklungs- und Lernprozess. Die Stellungnahmen<br />
sollen für sich selbst sprechen und werden daher von der<br />
wissenschaftlichen Begleitung nicht kommentiert.<br />
1
2 Strategische Ziele bei der Einführung des<br />
Hausarztmodells Südbaden<br />
Mit Beschluss vom 17.12.1999 hat der Verwaltungsrat der <strong>AOK</strong><br />
Baden-Württemberg mit seinem wegweisenden Strategiebeschluss,<br />
die hausärztliche Versorgung grundsätzlich zu stärken,<br />
eine weitreichende Linie vorgegeben, welche er ab dem 2. Halbjahr<br />
2000 durch die Entwicklung zweier Hausarztmodelle umgesetzt<br />
wissen wollte. Als erstes dieser beiden Modelle wurde im April<br />
2003 das Qualitäts- und Kooperationsmodell Rhein-Neckar vertraglich<br />
vereinbart, im Juni 2004 folgte dann das Hausarztmodell<br />
Südbaden, das den Gegenstand dieses Berichtes darstellt.<br />
Für die <strong>AOK</strong> war es eine große Herausforderung, den Modellansatz<br />
strategisch so zu positionieren, dass er tatsächlich zu der besagten<br />
Stärkung des Hausarztes in Baden-Württemberg führen<br />
konnte, dabei eine aktive Gestalterrolle einzunehmen und konzeptionell<br />
in Vorlage zu gehen sowie mit ausgewählten Playern gemeinsam<br />
abgestimmte Maßstäbe für neue Formen der hausärztlichen<br />
Versorgung zu setzen und fundierte Kenntnisse über deren<br />
Erfolgsfaktoren zu gewinnen.<br />
Hausarzt als Gesundheitsmanager mit dem Ziel, Gesundheitsnutzen<br />
zu steigern und nachhaltige Akzeptanz zu erreichen<br />
Nach einem Suchprozess bei bis dato Vorbildern war deutlich,<br />
dass ein solches Unterfangen sich keinesfalls in die Richtung der<br />
Schweiz bewegen sollte, bei der Versicherungen mit Hausärzteverbünden<br />
Modelle schufen, die insbesondere für gute Risiken<br />
durch reduzierte Versicherungsprämien interessant waren. Ärzte,<br />
welche für ihr Engagement eine sogenannte Capitation erhielten,<br />
konnten auf dieser Basis wegen der gewünschten Risikoselektion<br />
bei guter Organisation profitieren. Das Modell war weder qualitätsfördernd<br />
noch für eine umfassende Population zielführend. Genauso<br />
wenig umfassend war das erste Hausarztmodell in Hessen,<br />
da es eher als Vorläufer für lediglich einzelne DMPs anzusehen<br />
war.<br />
Für die Konzeptionisten des Hausarztmodells wurde klar, dass<br />
strategisch die Stärkung des Hausarztes ohne Risikoselektion erreicht<br />
werden musste und dass der Hausarzt als Gesundheitsmanager/-koordinator<br />
und Lotse sowohl für die relativ gesunden Versicherten<br />
als auch für eine älter werdende Gesellschaft mit einem<br />
hohen Anteil chronischer und multimorbider Patienten zu fördern<br />
ist. In qualitativer Hinsicht war demzufolge ein gesteigerter<br />
Gesundheitsnutzen für die Patienten im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprozesses<br />
aktiv anzugehen und dabei die Zeit für<br />
sprechende Medizin mit einzuplanen. Aufgrund der zu stärkenden<br />
Lotsenfunktion wurde zudem die Bindung des Arztes und des Ver-<br />
2
sicherten durch Einschreibung an das Modell obligatorisch. Von<br />
Wichtigkeit waren daneben Kooperationen an den Schnittstellen<br />
zu weiteren Sektoren und nicht zuletzt zentral die Förderung von<br />
Akzeptanz für den nachhaltigen Verbleib der Protagonisten im<br />
Modell durch entsprechende Anreize.<br />
Hausarzt als Gesundheitsmanager mit Verantwortung für<br />
ökonomische und medizinische Ergebnisziele<br />
Da Anreize auch immer mit ökonomischen Aspekten verbunden<br />
sind, musste das Hausarztmodell auf eine solide Finanzbasis gestellt<br />
werden. Im Jahr 2004 stand bei den Hausarztmodellen die<br />
Ausgliederung aus dem KV-System noch nicht zur Debatte, wohl<br />
aber darüber hinaus gehende Vergütungen. Strategisch wurde<br />
deshalb die Notwendigkeit gesehen, ökonomische Einsparziele mit<br />
zu installieren, um nicht einer dauerhaften Add-on-Finanzierung<br />
der Gesamtversorgung Auftrieb zu geben. Zusätzlich wurde der<br />
Dimension der Qualitätsentwicklung verbunden mit Messbarkeit<br />
und Zielsetzung als Balanceinstrument ein besonderes Gewicht<br />
gegeben – entsprechend dem Leitsatz: „Nur Qualität ist wirtschaftlich.“<br />
Hausarzt als Gesundheitsmanager mit optimiertem Prozessumfeld<br />
Strategieerfolge lassen sich nur durch ein entsprechendes Prozessumfeld<br />
mit geeigneten Instrumenten erreichen, weshalb die<br />
<strong>AOK</strong> Baden-Württemberg als sekundäres Strategieziel ins Auge<br />
fasste, diese Instrumente sowohl konzeptionell vorzuschlagen, mit<br />
den Ärzten im Hausarztmodell zu vereinbaren, zum Teil zu finanzieren<br />
und zum Teil selbst aufzubauen.<br />
Zentrale Einzelinstrumente im Prozessumfeld waren der Aufbau<br />
von Managementstrukturen, Qualitätszirkel und Netzkonferenzen<br />
zur Fortbildung und als Kommunikationsplattform der Ärzte, gezielte<br />
Schulungen des Praxispersonals, internes Qualitätsmanagement,<br />
Aufbau einer Hausarztmodelldatenbank bei der <strong>AOK</strong> Baden-<br />
Württemberg, Vergütungsstrukturen mit Pauschalen und Einzelleistungen,<br />
Projektteam und Projektbeirat für die operative und<br />
steuernde Umsetzung, Kooperation mit dem <strong>AOK</strong>-Bundesverband.<br />
Dazu kamen Einzelprozesse wie evidenzbasierte Leitlinienimplementierung<br />
sowie hoher DMP-Implementierungsgrad zur Behandlungsoptimierung,<br />
Patientenpass/-akte zum Befundaustausch,<br />
Qualitätsdokumentation und Implementierung von Qualitätsindikatoren,<br />
Eingangsuntersuchung, Präventionsplan und enge Verzahnung<br />
mit den Gesundheitsangeboten der <strong>AOK</strong>, ökonomische Ergebnisverantwortung<br />
sowie Sanktionen bei Nichteinhaltung der<br />
Vorgaben.<br />
3
Das Hausarztmodell als lernende Organisation<br />
Durch die vorgegebene rechtliche Verankerung des Hausarztmodells<br />
als Modellvorhaben nach § 63 SGB V war das Hausarztmodell<br />
als Lernfeld vorgezeichnet. Auch die Rechtsverpflichtung zur<br />
wissenschaftlichen Evaluation sah die Überprüfung der Zielerreichung<br />
und Herausfilterung von Erfolgsfaktoren vor – durch eine<br />
neutrale Stelle und ex post, d.h. aus nachträglicher Sicht.<br />
Strategisches Ziel der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg war zusätzlich die<br />
Schaffung von Erkenntnis- und Lernfaktoren innerhalb der Vertragspartner<br />
auf zwei Wegen:<br />
technisch durch Berichtswesen, insbesondere Qualitäts- und<br />
Controllingberichte, die auch ein frühzeitiges Erkennen von kritischen<br />
Entwicklungen möglich machen sollten,<br />
kommunikativ durch eine neue Kultur der Zusammenarbeit,<br />
welche das „Lagerdenken" überwinden hilft durch gemeinsames<br />
Arbeiten und gemeinsame Ziele und auch den Rollenwandel<br />
der <strong>AOK</strong> vom Payer zum Player aus dem Blickwinkel<br />
des gemeinsamen Nutzens betrachtet.<br />
In der Gesamtheit der Strategieausrichtung war somit das Hausarztmodell<br />
Südbaden – ebenso wie das Modell im Rhein-Neckar-<br />
Raum – in der damaligen Versorgungslandschaft ein über alle<br />
Maßen ehrgeiziges Projekt.<br />
4
3 Fragestellungen<br />
Die Evaluation des Hausarztmodells Südbaden berührt mehrere<br />
inhaltliche Schwerpunkte, die zusammengenommen eine differenzierte<br />
Beschreibung des Hausarztmodells und seines Verlaufs gestatten.<br />
Die inhaltlichen Schwerpunkte werden zusammenfassend<br />
durch die folgenden acht Fragestellungen angesprochen:<br />
1. Wie lassen sich die im Hausarztmodell eingeschriebenen<br />
Versicherten beschreiben? Handelt es sich um Personen mit<br />
einer bestimmten Risikostruktur?<br />
2. Wie lassen sich die am Hausarztmodell teilnehmenden Netzärzte<br />
beschreiben?<br />
3. Welche Strukturen wurden von den Projektpartnern für die<br />
gemeinsame Zusammenarbeit aufgebaut? Wie ist die Umsetzung<br />
zu beurteilen?<br />
4. Welche Angebote für die Versicherten und welche Maßnahmen<br />
zur Förderung der Struktur- und Prozessqualität wurden<br />
im Hausarztmodell verwirklicht? Wie ist die Umsetzung zu<br />
beurteilen?<br />
5. Welche weiteren innovativen Elemente waren im Rahmen<br />
des Hausarztmodells geplant? Wie ist die Umsetzung zu beurteilen?<br />
6. Wie beurteilen die eingeschriebenen Versicherten das Hausarztmodell<br />
und seine Steuerungskomponenten insgesamt?<br />
7. Wie beurteilen die teilnehmenden Ärzte das Modellgeschehen<br />
insgesamt?<br />
8. Gibt es durch das Hausarztmodell Veränderungen bei Inanspruchnahme<br />
und Kosten?<br />
5
4 Methodik<br />
Beschreibung der eingeschriebenen<br />
Versicherten? Bestimmte Risikostruktur?<br />
Beschreibung der teilnehmenden Netzärzte?<br />
Strukturen der Zusammenarbeit? Umsetzung?<br />
Angebote für die Versicherten? Struktur-<br />
und Prozessqualität? Umsetzung?<br />
Weitere innovative Elemente? Umsetzung?<br />
Beurteilung des Modells und seiner<br />
Komponenten durch die Versicherten?<br />
Beurteilung des Modellgeschehens durch<br />
die Netzärzte?<br />
Veränderungen bei Inanspruchnahme<br />
und Kosten?<br />
Das Untersuchungsdesign umfasste fünf methodische Module, die<br />
im vorliegenden Kapitel dargestellt werden. Aus Übersicht 1 geht<br />
hervor, wie die methodischen Module den Leitfragen zuzuordnen<br />
sind.<br />
Übersicht 1: Leitfragen und methodische Module<br />
Risikoanalyse Beschreibung<br />
und Analyse<br />
der Strukturen<br />
und Prozesse<br />
Versichertenbefragung<br />
X X X<br />
Netzarztbefragung<br />
X X<br />
X X X<br />
Kontrollgruppenvergleich<br />
X X X X<br />
X X X<br />
Risikoanalyse<br />
(zwei Analysen von Versicherten-, Kosten- und Leistungsdaten)<br />
Im Rahmen der sog. Risikoanalyse wird auf der Grundlage von<br />
allgemeinen Versichertendaten sowie von Daten zur Leistungsinanspruchnahme<br />
und zu Ausgaben untersucht, wie die Modellteilnehmer<br />
im Vergleich zu Nichtteilnehmern derselben Region zu<br />
charakterisieren sind. Damit soll die Frage beantwortet werden, ob<br />
und in welcher Weise bei der Einschreibung in das Hausarztmodell<br />
eine Risikoselektion stattgefunden hat bzw. ob und wie sich diese<br />
im Zeitverlauf ändert. Beim Lesen der Ergebnisse ist zu beachten,<br />
dass die Risikoanalyse keine Aussagen über die Wirksamkeit des<br />
Modellprogramms trifft. Verglichen werden die Modellversicherten<br />
mit all jenen <strong>AOK</strong>-Versicherten aus der Region Südbaden, die<br />
nicht am Hausarztmodell teilnehmen. Diese Nichtteilnehmer aus<br />
derselben Region werden als „Vergleichsgruppe“ bezeichnet.<br />
X<br />
X<br />
X<br />
6
Die Risikoanalyse wurde zweimal durchgeführt – ein erstes Mal zu<br />
Beginn des Modells unter Verwendung der Vor-Modelldaten aus<br />
2004 und ein zweites Mal im fortgeschrittenen Modellverlauf unter<br />
Nutzung von Daten aus 2008. Die Risikoanalyse gibt demnach<br />
Auskunft darüber, ob und in welcher Weise bei der Einschreibung<br />
in das Hausarztmodell eine Risikoselektion stattgefunden bzw. ob<br />
und wie sich diese im Zeitverlauf geändert hat.<br />
Der Vergleich zwischen Modell- und Vergleichsgruppe beruht auf<br />
folgenden Fallzahlen: Für das Bezugsjahr 2004 wurden 10.531<br />
Versicherte, die sich im Laufe des Jahres 2005 in das Hausarztmodell<br />
einschrieben, jenen 78.977 Versicherten gegenübergestellt,<br />
die sich im Jahr 2005 nicht am Modell beteiligten. Im Bezugsjahr<br />
2008 umfasste die Modellgruppe 9.049 Versicherte und die Vergleichsgruppe<br />
37.109 Versicherte. Der Rückgang der Fallzahlen in<br />
der Vergleichsgruppe gegenüber der ersten Risikoanalyse hat<br />
überwiegend damit zu tun, dass bei der zweiten Risikoanalyse die<br />
Versicherten aus einer begrenzten Anzahl ausgewählter Postleitzahlbezirke<br />
gezogen wurden und nicht wie zuvor aus dem gesamten<br />
Gebiet der am Hausarztmodell partizipierenden <strong>AOK</strong>-<br />
Bezirksdirektionen.<br />
Der Vergleich zwischen der ersten und zweiten Risikoanalyse<br />
wurde deskriptiv vorgenommen.<br />
Beschreibung und Analyse der Strukturen und Prozesse<br />
(jährliche Interviews, Dokumentenanalysen)<br />
Auf der Grundlage von jährlichen leitfadengestützten Interviews<br />
mit den wichtigsten Protagonisten (<strong>AOK</strong> Baden-Württemberg<br />
Hauptverwaltung, <strong>AOK</strong>-Bundesverband, <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektionen,<br />
QP GmbH, Netzmanager/in) und unter zusätzlicher Analyse der<br />
zur Verfügung stehenden Dokumente wurden die Strukturen und<br />
Prozesse des Hausarztmodells Südbaden nachgezeichnet, analysiert<br />
und qualitativ bewertet.<br />
Versichertenbefragung<br />
(drei Primärerhebungen)<br />
Die in das Hausarztmodell Südbaden eingeschriebenen Versicherten<br />
wurden dreimal im Abstand von etwa zwei Jahren schriftlich<br />
befragt, nämlich in den Jahren 2005, 2007 und 2009. Dabei wurden<br />
vor allem folgende Themenbereiche berücksichtigt: Teilnahmegründe,<br />
das Modellgeschehen (z.B. Eingangsuntersuchung,<br />
Wartezeiten, Überweisungen, Gesundheitsangebote), das eigene<br />
Gesundheitsverhalten sowie die Bewertung verschiedener Modellelemente<br />
und der hausärztlichen Versorgung im Modell insgesamt.<br />
Der Rücklauf der dritten Befragung ist höher als in der vorhergehenden<br />
und in etwa so hoch wie bei der ersten Befragung (2005:<br />
25,6%, N = 2.034; 2007: 21,7%, N = 2.050; 2009: 24,6%,<br />
7
N = 2.173). Neben der separaten Betrachtung der drei Messzeitpunkte<br />
ist durch eine personenbezogene Verknüpfung der Fragebögen<br />
auch eine Verlaufsbetrachtung im engeren Sinne möglich.<br />
Der Verlaufsauswertung über alle drei Messzeitpunkte konnten die<br />
Daten von 488 Versicherten zugrunde gelegt werden.<br />
Im Jahr 2007 wurde für Vergleichszwecke zusätzlich einmalig eine<br />
Kontrollgruppe von Versicherten aus einer strukturell ähnlichen<br />
Region ohne Hausarztmodell zu ihrer hausärztlichen Versorgung<br />
befragt. Die Rücklaufquote betrug hier 19,2% (N = 3.541).<br />
Netzarztbefragung<br />
(zwei Primärerhebungen)<br />
Die am Hausarztmodell Südbaden beteiligten Ärzte wurden zweimal<br />
im Abstand von etwa zwei Jahren schriftlich befragt, nämlich<br />
in den Jahren 2006 und 2008. Thematisch ging es dabei vor allem<br />
um Motivation und Identifikation, um Einschätzungen von Abläufen<br />
und Bestandteilen des Modells, um Einschätzungen der internen<br />
und externen Zusammenarbeit sowie um zusammenfassende Bewertungen<br />
des Hausarztmodells. Zur Steigerung des Rücklaufs<br />
wurden vom Ärztenetz verschiedene Erinnerungsaktionen durchgeführt.<br />
Die Rücklaufquote der ersten Befragung ist dementsprechend<br />
befriedigend hoch (2006: 70,8 %, N = 75); der Rücklauf der<br />
zweiten Befragung fiel etwas geringer aus (2008: 66,4 %, N = 71).<br />
Eine personenbezogene Zuordnung der Fragebögen über die Zeit<br />
ist nicht möglich. Da jedoch angenommen werden kann, dass die<br />
Schnittmenge der Netzärzte, die sich an beiden Befragungen beteiligt<br />
haben, sehr hoch ist, können augenfällige Unterschiede zwischen<br />
den beiden Messzeitpunkten dennoch als Veränderungen<br />
interpretiert werden.<br />
Kontrollgruppenvergleich<br />
(Auswertung von Qualitätsindikatoren zur Arzneimitteltherapie,<br />
Analyse von Kosten- und Leistungsdaten)<br />
Der Kontrollgruppenvergleich basiert auf dem sogenannten<br />
Matched-Pair-Verfahren. Dabei wird jedem durchgängig teilnehmenden<br />
Modellversicherten ein aus einer strukturell vergleichbaren<br />
Kontrollregion stammender Nicht-Modellversicherter gegenüber<br />
gestellt, der bezogen auf wesentliche, zuvor definierte Merkmale<br />
eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit dem Modellversicherten<br />
aufweist. Diese Personen werden Zwillinge genannt.<br />
Die Gesamtheit der bei der Analyse berücksichtigten „Zwillinge“<br />
bildet im Rahmen des vorliegenden Ansatzes die Kontrollgruppe.<br />
Die Ziehung der Zwillinge erfolgte mit dem Verfahren des<br />
„Propensity Score Matching“, um den Einfluss definierter<br />
Matchingvariablen auf die Ergebnisse zu minimieren. Hochkostenfälle<br />
wurden ausgeschlossen, ebenso Patienten, die am Hausarztvertrag<br />
der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg teilnahmen.<br />
8
Das gewählte Verfahren zur Zwillingsziehung führte neben einer<br />
ähnlichen Altersverteilung auch zu vergleichbaren Verteilungen<br />
von weiteren Merkmalen in Modell- und Kontrollgruppe. Die hierarchisierten<br />
Morbiditätsgruppen (HMG) und die ICD-Obergruppen für<br />
Patienten ohne HMG-Zuordnung wurden als Merkmale für die<br />
Kontrollgruppenbildung herangezogen, weil über diese eine vergleichbare<br />
Krankheitslast der Versicherten in Modell- und Kontrollgruppe<br />
sichergestellt werden sollte. Insgesamt führte das gewählte<br />
Verfahren der Kontrollgruppenbildung dazu, dass hinsichtlich<br />
sämtlicher einbezogener Matching-Variablen keine signifikanten<br />
Unterschiede in beiden Gruppen festzustellen waren.<br />
Modell- und Kontrollgruppe setzten sich aus jeweils 6.542 Versicherten<br />
zusammen.<br />
9
5 Ergebnisse<br />
5.1 Wie lassen sich die im Hausarztmodell eingeschriebenen<br />
Versicherten beschreiben? Handelt es sich um Personen mit<br />
einer bestimmten Risikostruktur?<br />
Das Hausarztmodell ist auf eine Anzahl von rund 10.000 Versicherten<br />
angelegt. Bereits Anfang Oktober 2005 wurde dieses Limit<br />
überschritten. Der Zugang zum Modell wurde am 21.10.2005 mit<br />
einem Versichertenbestand von knapp über 10.000 Patienten und<br />
94 Praxen geschlossen. Seit 2005 ist ein leichter, aber stetiger<br />
Rückgang der Versichertenzahlen zu beobachten. Ende des 4.<br />
Quartals 2009 waren insgesamt 9.141 Versicherte in das Modell<br />
eingeschrieben.<br />
Die Risikoanalyse zeigt zu beiden Analysezeitpunkten, dass die<br />
Modellversicherten im Vergleich zu Nichtteilnehmern aus derselben<br />
Region („Vergleichsgruppe“) wesentlich älter sind: So betrug<br />
im Jahr 2008 das Durchschnittsalter in der Modellgruppe 56 Jahre,<br />
in der Vergleichsgruppe hingegen lediglich 41,5 Jahre. Der Anteil<br />
Versicherter 50 Jahre machte in der Modellgruppe mit 62,5%<br />
deutlich über die Hälfte der Versicherten aus, in der Vergleichsgruppe<br />
dagegen nur 38,3%. Dem höheren Altersdurchschnitt entsprechend<br />
waren in der Modellgruppe 42% der Versicherten Rentenbezieher,<br />
während dieser Anteil in der Vergleichsgruppe lediglich<br />
19% betrug.<br />
Die Risikoanalyse ergibt auch, dass die (berufstätigen) Versicherten<br />
des Hausarztmodells häufiger arbeitsunfähig sind als die Vergleichsgruppe<br />
und die Arbeitsunfähigkeit zudem länger dauert. Darüber<br />
hinaus beziehen die Hausarztmodellversicherten häufiger<br />
Krankengeld. Der Anteil erwerbs- oder berufsunfähiger Personen<br />
ist in der Modellgruppe ebenfalls höher als in der Vergleichsgruppe.<br />
In den drei Versichertenbefragungen, an denen sich ältere Modellversicherte<br />
überproportional beteiligten (Durchschnittsalter 2009:<br />
60 Jahre), gaben die jeweils Antwortenden ihren Gesundheitszustand<br />
auf einer Skala von „1: schlecht“ bis „5: sehr gut“ im Durchschnitt<br />
lediglich mit etwa „3: zufriedenstellend“ an. Zum Vergleich:<br />
Eine VdAK-Versichertenbefragung aus dem Jahr 2001 erbrachte<br />
auf derselben Skala einen Durchschnittswert von etwa „2: gut“. Die<br />
in den Versichertenbefragungen erreichten Modellteilnehmer erscheinen<br />
also auch nach ihrer Selbsteinschätzung spezifisch belastet.<br />
Zusammengenommen deuten all diese Befunde darauf hin, dass<br />
im Hausarztmodell überproportional viele Personen mit potenziell<br />
höherem Versorgungsbedarf und damit höheren Ausgaben zu fin-<br />
10
den sind. Tatsächlich wiesen gemäß der im Jahr 2008 durchgeführten<br />
Risikoanalyse die Modellversicherten im Durchschnitt einen<br />
1,3-mal höheren Hausarzt- und Facharztkontakt auf als die<br />
Versicherten der Vergleichsgruppe, darüber hinaus ergaben sich<br />
höhere Inanspruchnahmen und Ausgaben sowohl im stationären<br />
als auch im Arzneimittelbereich.<br />
Sog. risikoadjustierte Auswertungen zeigen, dass die höheren<br />
Ausgaben in der Modellgruppe (mit Ausnahme der Arzneimittelausgaben<br />
im ambulanten Bereich) nicht allein durch das höhere<br />
Alter der Modellversicherten, die damit einhergehenden Besonderheiten<br />
beim Versichertenstatus und den etwas höheren Anteil<br />
weiblicher Versicherter (60 vs. 54%) zu erklären sind. Vielmehr<br />
verweisen die Ergebnisse auf einen darüber hinausgehenden, als<br />
„Hausarztmodellfaktor“ beschreibbaren Einfluss. Dieser kann z.B.<br />
das Vorhandensein bestimmter Krankheitsbilder, spezifischer<br />
Morbidität oder andere gesundheitsbezogene Merkmale umfassen.<br />
Der Vergleich der Ergebnisse der zweiten Risikoanalyse für das<br />
Jahr 2008 mit den Befunden der ersten Risikoanalyse für das Vor-<br />
Modelljahr 2004 ergibt, dass sich die Risikoselektion im Verlauf<br />
des Hausarztmodells Südbaden nicht wesentlich geändert hat. Zu<br />
beiden Analysezeitpunkten überwiegen im Hausarztmodell Versicherte,<br />
die einen besonders hohen Versorgungsbedarf haben.<br />
Dieser äußert sich – im Vergleich zu nicht in das Modell eingeschriebenen<br />
Versicherten – in höheren Inanspruchnahmequoten<br />
und Ausgaben.<br />
Die Anzahl der Hausarztkontakte der Modellversicherten war bereits<br />
im Vor-Modelljahr mit 3,1 deutlich höher als in der Vergleichsgruppe<br />
(1,4). Auch die Angaben aus den Versichertenbefragungen<br />
bestätigen, dass die Befragten eine starke, meist langjährige<br />
Beziehung zu ihrem Hausarzt haben. Es haben sich also<br />
vor allem solche Versicherten für das Hausarztmodell entschieden,<br />
die bereits im Vorfeld eine hohe Anzahl an Hausarztkontakten hatten.<br />
5.2 Wie lassen sich die am Hausarztmodell teilnehmenden<br />
Netzärzte beschreiben?<br />
Bereits zu Beginn des Modellprojekts Anfang des Jahres 2005<br />
nahmen 70 Praxen an dem Hausarztmodell teil. Im November<br />
desselben Jahres war mit 94 Praxen, die teilweise auch Gemeinschaftspraxen<br />
waren, bereits die angestrebte Zielmarke von 100<br />
Ärzten erreicht. Seither bewegt sich die Anzahl der Praxen und<br />
Ärzte ungefähr auf diesem Niveau bei einer sehr geringen Fluktuation.<br />
Zum Ende des Jahres 2009 betrug die Gesamtzahl der Praxen<br />
89, die Gesamtzahl der Ärzte 104.<br />
11
In der zweiten Netzarztbefragung 2008 lag das Durchschnittsalter<br />
der an der Befragung teilnehmenden Netzärzte bei 54 Jahren; der<br />
Männeranteil betrug rund 61%. Zum Befragungszeitpunkt arbeiteten<br />
die Netzärzte im Durchschnitt seit rund 17 Jahren als niedergelassene<br />
Ärzte. Mit rund 86% nahm der überwiegende Teil der antwortenden<br />
Netzärzte seit Beginn am Hausarztmodell teil.<br />
Die Anzahl der behandelten <strong>AOK</strong>-Versicherten pro Quartal<br />
schwankt zwischen den einzelnen Praxen deutlich. In der zweiten<br />
Netzarztbefragung gaben die Antwortenden an, durchschnittlich<br />
312 <strong>AOK</strong>-Versicherte pro Quartal zu behandeln (zwischen 70 und<br />
1.500). Pro Praxis (bei Gemeinschaftspraxen pro Arzt) waren<br />
durchschnittlich 107 <strong>AOK</strong>-Versicherte in das Hausarztmodell eingeschrieben<br />
(max. 370).<br />
Ihre Rolle im Hausarztmodell schätzten die Ärzte in der zweiten<br />
Netzarztbefragung (2008) wie folgt ein: Sie stimmten vor allem der<br />
Aussage zu, dass sie eine große Verantwortung bei der Verbesserung<br />
der medizinischen Qualität haben, und sehen sich in der Rolle<br />
des Koordinators der Gesundheitsversorgung ihrer Patienten.<br />
Weniger Zustimmung erhielten die – allerdings ebenfalls positiv<br />
bewerteten – Aussagen, dass sich ihre Rolle als Hausarzt nicht<br />
verändert hat und dass ein Zugehörigkeitsgefühl zum Modell vorhanden<br />
ist. Einer Identifikation mit dem Modell stimmten die Ärzte<br />
nur in mittlerem Ausmaß zu. Bei einer vom Ärztenetz QP eigenständig<br />
durchgeführten Online-Befragung der Netzärzte im Jahr<br />
2009, an der sich ca. 50% der Ärzte beteiligten, gaben immerhin<br />
89% der Antwortenden an, dass sie sich mit dem Hausarztmodell<br />
identifizieren können.<br />
5.3 Welche Strukturen wurden von den Projektpartnern für die<br />
gemeinsame Zusammenarbeit aufgebaut? Wie ist die<br />
Umsetzung zu beurteilen?<br />
Übersicht 2 gibt einen Überblick über die organisatorische Struktur,<br />
die dem Hausarztmodell Südbaden zugrunde liegt. Die organisatorischen<br />
Strukturen lassen sich grob in die übergreifende<br />
Hausarztmodellorganisation und in die QP GmbH als Ärztenetz innerhalb<br />
des <strong>AOK</strong>-Hausarztmodells unterscheiden.<br />
12
Übersicht 2: Organisation des Hausarztmodells Südbaden<br />
Projektbeirat<br />
Projektteam<br />
Arbeitsgruppen<br />
Netzmanagement<br />
Qualitätszirkel Ärzte<br />
Geschäftsführung<br />
Fachseminare Medizinische Fachangestellte<br />
Netzkonferenz<br />
Qualitatspraxen<br />
GmbH<br />
Gesellschafterversammlung<br />
Der zu Beginn gewählte organisatorische Aufbau des Hausarztmodells<br />
wurde während der Projektlaufzeit unverändert beibehalten<br />
und hat sich gut bewährt.<br />
Die Arbeitsweise von Projektbeirat und Projektteam wird von<br />
den Beteiligten in allen Jahren als kooperativ und ergebnisorientiert<br />
angesehen. Die Sitzungskultur wird positiv bewertet.<br />
Die Netzkonferenzen waren ein zentraler Bestandteil für die<br />
Kommunikation innerhalb des Netzes und ein wichtiges Bindeglied<br />
zwischen Ärzteschaft und <strong>AOK</strong>. Durch die für Netzärzte<br />
verpflichtende Teilnahme waren die Netzkonferenzen in allen<br />
Jahren durchgehend gut besucht (jeweils deutlich über 80% aller<br />
Netzärzte).<br />
Das Netzmanagement hat nach dem Personalwechsel im<br />
Jahr 2007 mehr Vor-Ort-Präsenz gezeigt, wodurch sich auch<br />
die Zufriedenheit der Ärzte erhöhte. Als Bindeglied zwischen<br />
den <strong>AOK</strong> Bezirksdirektionen Südlicher Oberrhein und Hochrhein-Bodensee<br />
und dem HQM-Ärztenetz war die Netzmanagerin<br />
bei der Übermittlung von Informationen und der Pflege<br />
der Kommunikation aktiv. Sie hat die HQM-Praxen bei den Dokumentationen<br />
und beim Datenexport unterstützt und war an<br />
der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen auf allen Organisationsebenen<br />
beteiligt. Für den Projektbeirat und das Projektteam<br />
erstellte das Netzmanagement die viertel- bzw. halbjährlichen<br />
Controllingberichte, die der Projektsteuerung dienten.<br />
Auch der umfassende Jahresbericht war Aufgabe der Netzmanagerin.<br />
13
Arbeitsgruppen zu spezifischen Fragestellungen im HQM<br />
werden durch den Projektbeirat eingesetzt. In den Arbeitsgruppen<br />
erarbeiten Experten der Vertragspartner konsensfähige<br />
Grundlagen für die Gestaltung des Hausarztmodells in ihrem<br />
inhaltlichen Zuständigkeitsbereich. Über die erzielten Ergebnisse<br />
entscheidet abschließend der Projektbeirat.<br />
Pro Jahr sollen – laut Vertrag – alle Netzärzte insgesamt an<br />
sechs Qualitätszirkeln teilnehmen. Durch die Verpflichtung<br />
und die hohe Akzeptanz der Qualitätszirkel war die Beteiligung<br />
an den Qualitätszirkeln sehr gut und nur eine verschwindend<br />
kleine Zahl von Netzarztpraxen nahm nicht an der vorgesehenen<br />
Anzahl Qualitätszirkel teil. Die fünf meistbesuchten Qualitätszirkel<br />
waren<br />
2006: Demenz, Schmerztherapie/Rückenschmerz, Diabetes,<br />
rationale Pharmakotherapie, Asthma bronchiale<br />
2007: Rückenschmerz, Asthma bronchiale, DMP-<br />
Anforderungen, Koronare Herzkrankheit, Organisation<br />
2008: Diabetes, rationelle Pharmakotherapie, Leitlinie „Koronare<br />
Herzkrankheit“, Impfen und Prävention, Palliativmedizin und<br />
Schmerztherapie<br />
2009: Leitlinie „KHK und Herzinsuffizienz“, Diabetes, Arbeitsunfähigkeit<br />
und Krankengeld-Fallmanagement, rationelle<br />
Pharmakotherapie, Asthma und COPD.<br />
Seit 2005 fanden zeitgleich mit den Netzkonferenzen Seminare<br />
für medizinische Fachangestellte statt, die von der QP<br />
GmbH organisiert, durch die <strong>AOK</strong> unterstützt und durchgeführt<br />
wurden. Die Seminare verbessern den Wissensstand dieser<br />
Berufsgruppe über das Hausarztmodell und sind daher ein<br />
wichtiger Beitrag für eine reibungslose Umsetzung. Obwohl die<br />
Seminare kein Vertragsbestandteil sind, zeigen die hohe Beteiligung<br />
sowie die positive Resonanz des Praxispersonals den<br />
Erfolg der Veranstaltungen. Parallel zu diesem Seminarangebot<br />
hat die <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein vielfältige<br />
Fachseminare für das Praxispersonal angeboten, die ebenfalls<br />
hohe Teilnahmezahlen erreichten und ein positives Feedback<br />
erhielten.<br />
Neben der Etablierung einer funktionsfähigen Gremienstruktur war<br />
der Aufbau von Strukturen für einen EDV-gestützten Datenaustausch<br />
von besonderer Bedeutung für die Zusammenarbeit der<br />
Projektpartner.<br />
Die Dokumentation im Hausarztmodell erfolgt seit 2006 über<br />
das IVM-Portal der Firma DOCexpert. Hierfür wurde das primär für<br />
die Disease-Management-Programme entwickelte Portal um<br />
14
HQM-spezifische Bögen ergänzt. Dies betrifft unter anderem den<br />
Erhebungsbogen Prävention und den Präventionsplan sowie die<br />
Ergänzungsbögen zu den DMP-Bögen. Bis März 2007 hatten alle<br />
Praxen das IVM-Portal für die elektronische Dokumentation eingerichtet;<br />
ab Juli 2008 konnte die Erfassung nur noch elektronisch<br />
vorgenommen werden. Bei der Lesbarkeit von DMP-Daten und<br />
beim Datenexport gab es immer wieder aufgrund der Neuentwicklung<br />
der genutzten Software Probleme, die zu Beratungsanfragen<br />
bei der Netzmanagerin und den HQM-Ansprechpartnern der <strong>AOK</strong>-<br />
Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein führten und einen fortbestehenden<br />
Rest von Datenlieferungen in Papierform zur Folge hatten.<br />
Insgesamt erfolgten die Datenlieferungen jedoch fristgerecht und<br />
nach den Ergebnissen der Plausibilitätsprüfungen – mit wenigen<br />
Ausnahmen – auch in guter Qualität. Seit Beginn der Dokumentation<br />
im Jahr 2006 wurden insgesamt 66.249 Dokumentationsbögen<br />
geliefert. Den größten Anteil an den Dokumentationsbögen<br />
stellen die Erhebungsbögen Prävention mit 28.425 und die Präventionspläne<br />
mit 8.521 eingegangenen und erfassten Bögen.<br />
Gemäß den Ergebnissen der zweiten Netzarztbefragung wird die<br />
(elektronische) Dokumentation von den Ärzten als eher mittelmäßig<br />
relevant und als sehr aufwändig beurteilt.<br />
Ein sehr bedeutendes Element für die betriebswirtschaftliche Führung<br />
des Modells war die IV-Datenbank der <strong>AOK</strong>, die 2008 endgültig<br />
fertiggestellt wurde. Das in 2001 gestartete Projekt stellt eines<br />
der großen Entwicklungsprojekte im <strong>AOK</strong>-System der letzten<br />
Jahre dar. Die IV-Datenbank stellt die Datenbasis für die Versicherten-,<br />
Arzneimittel-und Krankenhausdaten zur Verfügung. In<br />
regelmäßigen Abständen generierte die <strong>AOK</strong>-Hauptverwaltung<br />
strukturierte Controllingberichte auf Netz- und Arztebene und stellte<br />
diese dem HQM-Netzmanagement zur Analyse und zur Steuerung<br />
der ökonomischen Ergebnisverantwortung zur Verfügung.<br />
Parallel dazu erstellte die <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion netz- und arztbezogene<br />
Controlling-Berichte für die Leistungsbereiche Heil-, Hilfsmittel,<br />
Haushaltshilfe und Häusliche Krankenpflege. Eine speziell<br />
dafür entworfene Berichtsstruktur zeigt den HQM-Praxen die Entwicklung<br />
ihrer Ausgaben in den genannten Sektoren auf. Allerdings<br />
standen die Ergebnisse in größerem zeitlichem Abstand zur<br />
Auswertungsperiode zur Verfügung, was die Steuerungsrelevanz<br />
vor dem Hintergrund der Ergebnisverantwortung schmälerte. Der<br />
Grund ist, dass die Daten für die ambulante ärztliche Versorgung<br />
erst 6 bis 8 Wochen nach Ende eines Quartals zur Verfügung stehen.<br />
Im Jahr 2007 wurde ein Vertragscontrolling eingeführt, das den<br />
Projektbeirat anfänglich quartalsweise und ab 2009 halbjährlich<br />
über die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen informierte.<br />
Der Großteil der relevanten Daten wird durch die <strong>AOK</strong> Baden-<br />
Württemberg, insbesondere die <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion Südlicher<br />
Oberrhein erhoben.<br />
15
5.4 Welche Angebote für die Versicherten und welche<br />
Maßnahmen zur Förderung der Struktur- und Prozessqualität<br />
wurden im Hausarztmodell verwirklicht? Wie ist die<br />
Umsetzung zu beurteilen?<br />
Zu den wesentlichen Bestandteilen des Hausarztmodells zählen<br />
die Gesundheitsuntersuchung, das Präventionskonzept, die Patientenakte<br />
und der Patientenpass, die Behandlung nach Leitlinien,<br />
die Messung der Qualität der Arbeit im Netz auf Grundlage von<br />
Qualitätsindikatoren, die verstärkte Einschreibung von Modellpatienten<br />
in Disease-Management-Programme, die Einführung eines<br />
internen Qualitätsmanagements in den teilnehmenden Praxen und<br />
der jährliche, transparent auf der Homepage veröffentlichte Qualitätsbericht.<br />
Gesundheitsuntersuchung<br />
Eine regelmäßige Gesundheitsuntersuchung durch den Hausarzt<br />
wurde bei 83,3% der Versicherten durchgeführt, bei den 70-79-<br />
Jährigen waren es über 90% (Versichertenbefragung 2009). Dieser<br />
hohe Anteil spricht für eine sehr weitgehende Umsetzung bei<br />
den in Frage kommenden Versicherten.<br />
Präventionskonzept<br />
Vom Hausarzt soll in Kooperation mit dem Patienten nach Bedarf<br />
ein individueller „Präventionsplan“ erstellt werden, in dem gemeinsame<br />
Ziele definiert und der jeweilige Zielerreichungsgrad dokumentiert<br />
werden soll.<br />
Im Zeitverlauf von 2005 bis 2009 ist diesbezüglich eine positive<br />
Entwicklung zu beobachten: Von den insgesamt 257 Versicherten,<br />
die an allen drei Netz-Befragungen teilgenommen und die entsprechende<br />
Frage in allen drei Befragungen beantwortet haben,<br />
gaben im Jahr 2009 ca. 59% an, einen Präventionsplan in der Patientenakte<br />
zu besitzen – im Jahr 2005 waren es noch 30%. Dies<br />
bedeutet einen Anstieg um 29 Prozentpunkte.<br />
Ärzte und teilnehmende Versicherte wurden jedes Jahr über das<br />
Aktivprogramm der <strong>AOK</strong> informiert. Die Ärzte wiederum legten ihren<br />
Versicherten im Rahmen der Präventionsempfehlungen bestimmte<br />
Kursangebote nahe. Mit zunehmender Projektlaufzeit<br />
wurden die angebotenen Inhalte des Aktivprogramms vielfältiger<br />
und die Inanspruchnahmen häufiger. Während im ersten Jahr nur<br />
299 Versicherte im Hausarztmodell die Präventionsangebote nutzten,<br />
waren es im Jahr 2009 bereits 906. Dabei war die Quote der<br />
im Jahr 2009 an Gesundheitsangeboten teilnehmenden Versicherten<br />
im Hausarztmodell mit 10% wesentlich höher als außerhalb<br />
des Hausarztmodells, wo sie lediglich 3% betrug. Dies kann als<br />
16
Wirkung der besonderen Information durch die <strong>AOK</strong> und der gezielten<br />
Empfehlung seitens der Ärzte interpretiert werden.<br />
Im Jahre 2009 fanden mit fast zwei Dritteln aller Teilnehmer Kurse<br />
zum Thema Bewegung den größten Zuspruch bei den Modellversicherten.<br />
Am zweithäufigsten erhielten die Modellversicherten eine<br />
Einzelberatung (25%). Kurse zur Entspannung und<br />
Curaplankurse (DMP-Kurse) folgten an dritter und vierter Stelle.<br />
Patientenakte und Patientenpass<br />
Neben dem Präventionsplan und seiner Intention, gemeinsam mit<br />
dem Patienten zu einer partizipativen Entscheidungsfindung in<br />
Form einer „Zielvereinbarung“ zu gelangen, verfügt das Hausarztmodell<br />
mit dem Patientenpass und der Patientenakte über zwei<br />
weitere Instrumente, welche die Versicherten in den Kommunikationsprozess<br />
zwischen den Leistungserbringern mitverantwortlich<br />
einbinden sollen.<br />
Die Patientenakte ist eine Sammelmappe in Papierform und beinhaltet<br />
den Patientenbegleitbrief als Grundlage der krankheitsbezogenen<br />
Befundmitteilung an die Kooperationspartner, den Präventionsplan,<br />
die anderen Dokumentationsbögen, Arztbriefe, die Einverständniserklärung<br />
zur Teilnahme am Hausarztmodell, Überweisungen<br />
an die Fachärzte und Facharztberichte. Der Patientenpass<br />
ist die kleinere Ausführung der Patientenakte und dient zum Mitführen<br />
der aktuellen Befunde und Dokumente. Der Patientenpass<br />
enthält die wesentlichen Unterlagen, die bei einem Haus- oder<br />
Facharztbesuch mitgebracht werden sollen bzw. die der Patient<br />
bei seinem Arztbesuch erhält und später in der Patientenakte gesammelt<br />
abheftet.<br />
Beide Instrumente wurden von den Ärzten im Rahmen der zweiten<br />
Netzarztbefragung 2008 wie folgt beurteilt: Die Patientenakte<br />
wurde als bedingt wichtig angesehen; eine Verbesserung des Befundaustauschs<br />
wurde zum damaligen Zeitpunkt eher nicht erwartet.<br />
Noch zurückhaltender wurde die Praktikabilität des Instruments<br />
beurteilt. Der Patientenpass erhielt demgegenüber eine bessere<br />
Bewertung. Er wird von den Ärzten als wichtig eingeschätzt und<br />
dient ihrer Meinung nach auch der Verbesserung des Befundaustauschs.<br />
Die letzte Versichertenbefragung (2009) erbrachte zu Patientenpass<br />
und Patientenakte folgende Ergebnisse: Beide Instrumente<br />
werden von der Mehrheit der Befragten für wichtig empfunden.<br />
Auffallend hoch ist allerdings der Anteil jener Versicherten, die das<br />
jeweilige Instrument gar nicht kennen. Der Patientenpass ist 24%<br />
und die Patientenakte sogar knapp 27% der Befragten nicht bekannt.<br />
Der Bekanntheitsgrad nimmt – abgesehen von den Über-<br />
80-jährigen – mit dem Alter zu und erreicht seinen Höhepunkt bei<br />
17
den 70-79-jährigen. Diese Altersklasse misst beiden Instrumenten<br />
auch die größte Bedeutung zu.<br />
Die Mitnahme des Patientenpasses zum Facharzt wird von der<br />
Mehrheit der Befragten bestätigt. Mit steigendem Alter wird der Patientenpass<br />
signifikant häufiger von den Versicherten zu einem<br />
Facharztbesuch mitgenommen.<br />
Leitlinien<br />
Die vertragliche Vorgabe, jährlich eine Leitlinie für die<br />
evidenzbasierte medizinische Versorgung eines Krankheitsbildes<br />
einzuführen, wurde wie vorgesehen ab 2006 umgesetzt (s. Übersicht<br />
3). Die Leitlinien wurden jeweils auf den Netzkonferenzen<br />
vorgestellt und in Qualitätszirkeln vermittelt.<br />
Übersicht 3: Implementierte Leitlinien seit Beginn des Modells<br />
Jahr Leitlinie<br />
2006 Kreuzschmerz<br />
2007 Herzinsuffizienz<br />
2008 Schlaganfall<br />
2009 Demenz<br />
2010 Rhinosinusitis<br />
2011 Nackenschmerz<br />
Qualitätsindikatoren<br />
Die Netzärzte und die QP GmbH haben sich im Vertrag für das<br />
Hausarztmodell verpflichtet, die geleistete Versorgungsqualität im<br />
Rahmen von geeigneten, weitgehend evidenzbasierten Qualitätsindikatoren<br />
nachzuweisen. Im Jahr 2006 wurde ein Konzept zur<br />
Implementierung von Qualitätsindikatoren vom Projektbeirat genehmigt.<br />
In diesem Konzept ist sowohl die vertraglich vereinbarte<br />
Stufenfolge zur Implementierung der Qualitätsindikatoren im<br />
Hausarztmodell als auch die Vereinbarung zum prozessualen Vorgehen<br />
dargestellt. Im Jahr 2007 wurden vom AQUA-Institut entwickelte<br />
(allgemeine und präventionsbezogene) Qualitätsindikatoren<br />
an das Hausarztmodell angepasst und zwischen den Vertragspartnern<br />
vereinbart. Im Jahr 2009 kamen krankheitsbezogene<br />
Qualitätsindikatoren („QISA“) hinzu.<br />
In Übersicht 4 sind die Ergebnisse der Ziel- und Ist-Werte der allgemeinen<br />
Qualitätsindikatoren für das Jahr 2010 gelistet.<br />
18
Übersicht 4: Ziel- und Ist-Werte der allgemeinen Qualitätsindikatoren<br />
2010<br />
Allgemeine<br />
Qualitätsindikatoren<br />
Ziel-Wert<br />
2010<br />
Ist-Wert<br />
2010<br />
Versichertenfluktuation 1,00% 0,94%<br />
Ärztefluktuation 4% 0%<br />
Versichertenzufriedenheit mit HQM (Werte<br />
von 2009)<br />
Anteil der Versicheren die HQM weiterempfehlen<br />
würden (Werte von 2009)<br />
Netzarztzufriedenheit mit HQM (Werte von<br />
2009)<br />
98% 97%<br />
75% 69%<br />
50% 89%<br />
Netzkonferenz-Anwesenheit (3 Konferenzen) 95% 91%<br />
Qualitätszirkel-Anwesenheit je Arzt (5 Qualitätszirkel)<br />
Anteil der Ärzte, die an Arztbefragung teilgenommen<br />
haben (Werte von 2009)<br />
100% 94%<br />
80% 50%<br />
Netzkonferenz-Frequenz 3 3<br />
Qualitätszirkel-Frequenz 5 5<br />
Anzahl eingesetzter, netzadaptierter und<br />
evidenzbasierter Leitlinien<br />
1 1<br />
Zur Qualitätsentwicklung und -messung im Bereich der Prävention<br />
wurden zehn Indikatoren eingeführt. Die Ergebnisse für das<br />
Jahr 2010 sind der Übersicht 5 zu entnehmen.<br />
19
Übersicht 5: Ziel- und Ist-Werte der Qualitätsindikatoren zur Prävention<br />
2010<br />
Qualitätsindikatoren zur Prävention<br />
Versicherte mit dokumentiertem Status<br />
der körperlichen Aktivität<br />
Inaktive mit Beratungsempfehlung zur<br />
Ausübung körperlicher Aktivität<br />
Ziel-<br />
Wert<br />
2010<br />
Ist-<br />
Wert<br />
2010<br />
zum<br />
Vergleich:<br />
Ist-Wert<br />
2005<br />
99% 99% 98%<br />
25% 48% 34%<br />
Körperlich aktive Versicherte 41% 36% 37%<br />
Versicherte mit Body Mass Index-<br />
Messung<br />
Übergewichtige mit Beratung zum<br />
Thema Übergewicht<br />
Versicherte mit dokumentiertem Raucherstatus<br />
Raucher mit Beratungsempfehlung zur<br />
Raucherentwöhnung<br />
92% 94% 94%<br />
48% 66% 42%<br />
95% 89% 87%<br />
75% 40% 20%<br />
Anteil der Raucher 20% 22% 28%<br />
Influenza-Impfrate der Versicherten ab<br />
65 Jahren<br />
Ältere Versicherte mit Sturzrisiko-<br />
Assessment (2010 neu eingeführt)<br />
70% 66% 65%<br />
24%<br />
Für die Krankheiten Diabetes Mellitus Typ 2, Asthma, Koronare<br />
Herzkrankheit und Hypertonie wurden krankheitsbezogene Qualitätsindikatoren<br />
entwickelt. Auf die Darstellung von Ergebnissen<br />
der krankheitsbezogenen Qualitätsindikatoren wird an dieser Stelle<br />
verzichtet. Gründe hierfür sind Unklarheiten bei der Datenerhebung<br />
und -interpretation; im Falle von Asthma waren die Fallzahlen<br />
zu gering.<br />
Bezüglich der Pharmakotherapie wurde zwischen Mitte 2010 und<br />
Anfang 2011 zwischen der <strong>AOK</strong>-Baden-Württemberg und den Vertragspartnern<br />
der Hausarztmodelle Südbaden und Rhein-Neckar<br />
eine Wirkstoffliste ausgehandelt. Für elf wichtige Indikationsgruppen<br />
in der hausärztlichen Versorgung wurden 81 Wirkstoffe<br />
ausgewählt, wobei 55 Wirkstoffe als 1. Wahl angesehen werden<br />
und 26 Wirkstoffe für eingeschränkte Indikationsstellungen zur<br />
Verfügung stehen. Diese Wirkstoffliste wurde zum 01.05.2011 im<br />
HQM implementiert und ein Wirkstofflisten-Controlling gemeinsam<br />
mit dem AQUA-Institut entwickelt und umgesetzt. Jeder HQM-Arzt<br />
erhält Auswertungen zu seinem Verordnungsanteil der 1., 2. Wahl-<br />
und anderer Wirkstoffe für seine HQM-Versicherten vor Implementierung<br />
(3. und 4. Q. 2010) und nach Implementierung (3. und 4.<br />
20
Q. 2011) der Wirkstoffliste. Diese Ergebnisse werden den Ergebnissen<br />
des HQM und einer Vergleichsgruppe von Allgemeinpraxen<br />
aus Baden-Württemberg (ohne HQM-Praxen) gegenübergestellt.<br />
Für das Netzmanagement gibt es einen analogen Bericht mit den<br />
aggregierten Gesamtergebnissen des Arztnetzes. Die HQM-Ärzte<br />
können in den Qualitätszirkeln ihre individuellen Ergebnisse mit<br />
den Netzergebnissen vergleichen und diese gemeinsam diskutieren.<br />
Für die Evaluation durch Prognos wurden drei Qualitätsindikatoren<br />
zur Arzneimitteltherapie ausgewählt, um zu prüfen, ob Unterschiede<br />
in der Verordnungspraxis von Netzärzten und Nicht-Netzärzten<br />
gemessen werden können. Es handelte sich hierbei um die Generikaquote,<br />
die Verordnung potenziell problematischer Wirkstoffe<br />
an ältere Patienten und die gleichzeitige Verordnung vieler Wirkstoffe<br />
an ein und denselben Patienten (Polypharmazie).<br />
Die Analyse basiert auf dem Vergleich mit einer Kontrollgruppe<br />
von nicht in das Hausarztmodell eingeschriebenen Versicherten,<br />
die aus einer strukturähnlichen Region stammen und hinsichtlich<br />
der Merkmale Krankheitslast, Alter und Geschlecht vergleichbare<br />
Verteilungen aufweisen. Die Auswertung wurde vom Wissenschaftlichen<br />
Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) für die Jahre<br />
2005 bis 2011 durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:<br />
Modellgruppe (HQM) und Kontrollgruppe (Nicht-HQM) weisen<br />
in den Jahren 2005 bis 2011 durchgehend keine statistisch<br />
signifikanten Unterschiede bei den Anteilen der verordneten<br />
Generika auf.<br />
Der Anteil der 65-jährigen und älteren Arzneimittelpatienten mit<br />
mindestens einer Verordnung von für Ältere problematischen<br />
Medikamenten war im Netz und außerhalb des Netzes durchgehend<br />
in etwa gleich groß.<br />
Der Qualitätsindikator Polypharmazie – gemessen in Patiententagen<br />
mit sechs oder mehr gleichzeitig verordneten Arzneimittelwirkstoffen<br />
– liefert ebenfalls keine signifikanten Unterschiede<br />
zwischen Modell- und Kontrollgruppe. Wird der<br />
Qualitätsindikator Polypharmazie gemessen, indem die Anzahl<br />
der Arzneimittelpatienten gezählt wird, die an mindestens 15<br />
Tagen im Berichtsjahr mindestens sechs Wirkstoffe gleichzeitig<br />
erhielten, so sind Unterschiede festzustellen. In der Modellgruppe<br />
(HQM) sind solche Patienten etwas häufiger zu finden<br />
als in der Kontrollgruppe. In den Jahren 2009 bis 2011 sind<br />
diese Unterschiede statistisch hoch signifikant. Eine Ursache<br />
hierfür könnte in der etwas anderen Alterszusammensetzung<br />
der älteren Versicherten liegen, da in der Kontrollgruppe die<br />
„jungen Alten“ im Alter von 65 bis 69 Jahren stärker vertreten<br />
21
sind. Der Anteil der älteren Patienten mit mindestens 15 Tagen,<br />
an denen sie mindestens sechs Wirkstoffe gleichzeitig erhielten,<br />
stieg zwischen 2005 und 2011 innerhalb des Netzes<br />
von ca. 20 auf etwa 40% an.<br />
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass im Bereich der<br />
Pharmakotherapie noch Potenziale für Qualitätsverbesserungen<br />
vorhanden sind. Die diesbezüglich im Netz bereits auf den Weg<br />
gebrachte Entwicklung und Umsetzung von Qualitätsindikatoren<br />
und -zielen ist daher mit besonderer Priorität zu versehen.<br />
DMP-Einschreibungen<br />
Die Netzärzte sind vertraglich verpflichtet, die vom Bundesversicherungsamt<br />
akkreditierten Disease-Management-Programme der<br />
<strong>AOK</strong> Baden-Württemberg durchzuführen. Deshalb wurden sie regelmäßig<br />
angehalten, ihre Patienten in die DMPs einzuschreiben,<br />
und die Einschreibungspraxis wurde laufend beobachtet. Die Einschreibezahlen<br />
haben sich wie in Übersicht 6 dargestellt entwickelt.<br />
Übersicht 6: Anzahl der in die Disease-Management-Programme<br />
eingeschriebenen Patienten<br />
DMP<br />
(Zulassungsdatum)<br />
Diabetes mellitus<br />
Typ 2 (01.03.2003)<br />
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011<br />
1.087 1.511 1.942 2.823 2.445 2.464 2.647<br />
KHK (11.11.2005) k. A. 515 942 1.962 1.416 1.400 1.458<br />
Asthma/COPD<br />
(01.04.2007)<br />
k. A. k. A. k. A. k. A. 995 1.069 1.239<br />
Gesamt 1.087 2.026 2.884 4.785 4.856 4.933 5.344<br />
Nachdem sich die Einschreibungszahlen von 2005 bis 2008 kontinuierlich<br />
erhöhten, gingen sie in 2009 bei den bereits bestehenden<br />
DMPs zurück. Dieser Rückgang resultiert einerseits von HQM-<br />
Austritt einiger Arztpraxen – ein Teil davon waren Schwerpunktpraxen<br />
für Diabetes Mellitus mit vielen DMP-Patienten – und andererseits<br />
von Ausschreibungen der DMP-Patienten, für die zwei<br />
Folgedokumentationen fehlten bzw. die DMP-Schulungen nicht<br />
besuchten. Sobald diese Bedingungen erfüllt wurden, wurden viele<br />
dieser Patienten wieder in die betreffenden DMPs eingeschrieben.<br />
Entsprechend erhöhten sich die Einschreibungszahlen wieder,<br />
beim DMP zu Diabetes mellitus Typ 2 bereits im Jahr 2010, beim<br />
DMP Koronare Herzkrankheit (KHK) im Jahr 2011.<br />
Die Netzärzte waren während des gesamten Projektzeitraums bei<br />
der DMP-Einschreibung aktiver als ihre Kollegen in der Region.<br />
22
Dies dokumentieren die durchschnittlichen Einschreibungszahlen<br />
je Arzt für das Jahr 2009:<br />
Die durchschnittliche Einschreibezahl für das DMP Diabetes<br />
mellitus Typ 2 lag im Jahr 2009 bei ca. 26 Patienten pro Arzt.<br />
Dieser Durchschnittswert ist um knapp 4 Patienten höher als<br />
bei den übrigen Hausärzten in der Modellregion, die nicht dem<br />
Hausarztmodell angehören.<br />
In das DMP Koronare Herzkrankheit wurden 2009 im Durchschnitt<br />
ca. 14 Versicherte pro HQM-Arzt eingeschrieben. Auch<br />
dies liegt weit über dem Durchschnitt der Hausärzte außerhalb<br />
des HQM, welche durchschnittlich knapp 9 Versicherte eingeschrieben<br />
haben.<br />
In das DMP Asthma/COPD hat jeder der 103 Ärzte im Hausarztmodell<br />
durchschnittlich ca. 12 Patienten im Jahr 2009 eingeschrieben.<br />
Im Vergleich mit den übrigen Hausärzten der Region,<br />
die lediglich ca. 6 Patienten in das DMP eingeschrieben<br />
haben, liegt die Einschreibequote der HQM-Ärzte deutlich höher.<br />
Internes Qualitätsmanagement<br />
Ein internes Qualitätsmanagement, das vertraglich verpflichtend<br />
vorgesehen ist, hatten bis zum Jahr 2008 alle Praxen eingeführt.<br />
Der Qualitätsmanagement-Zyklus – 2009 begann der zweite Zyklus<br />
– umfasst eine Selbstbewertung, eine validierte Patienten- und<br />
Mitarbeiterbefragung sowie die Anlage und Führung eines Qualitätshandbuchs.<br />
Die Implementierung wurde entweder durch ein<br />
Audit von EFQM-Visitoren überprüft oder durch ein Zertifikat eines<br />
anerkannten Qualitätsmanagementsystems nachgewiesen. Im<br />
Jahr 2009 wurde der Selbstbewertungsbogen überarbeitet, ergänzt<br />
und mit der Gesellschaft für empirische Forschung abgestimmt.<br />
Auswertungen des Bogens erfolgten im Jahr 2009 sowohl<br />
für jede Praxis als auch im Vergleich zu den anderen Praxen. Die<br />
Ergebnisse werden den einzelnen Praxen mitgeteilt und – in einer<br />
allgemeinen Form – auf den Netzkonferenzen präsentiert.<br />
Qualitätsbericht<br />
Einmal pro Jahr (seit 2006) erscheint der Qualitätsbericht des<br />
HQM-Netzmanagements. Dieser gibt den Beteiligten, insbesondere<br />
den Vertragspartnern, Aufschluss darüber, wie sich das Hausarztmodell<br />
im vergangenen Jahr entwickelt hat. Darüber hinaus<br />
wird in ihm auch eine Einschätzung abgegeben, inwieweit die angestrebte<br />
Stärkung der Lotsenfunktion des Hausarztes seit Beginn<br />
des Modells erreicht wurde; des Weiteren soll in ihm auf Schwierigkeiten<br />
sowie Perspektiven hingewiesen werden. Nach Abnahme<br />
durch den Projektbeirat wird der Qualitätsbericht im jeweiligen Folgejahr<br />
auf der HQM-Homepage veröffentlicht.<br />
23
Laut Vertrag soll der Qualitätsbericht im Einzelnen über die folgenden<br />
Inhalte informieren: durchgeführte Maßnahmen im Bereich<br />
der Qualitätsverbesserung; Stand bei der Einführung des internen<br />
Qualitätsmanagements; Qualitätszirkel und Netzkonferenzen;<br />
Disease Management-Programme; evidenzbasierte Leitlinien; Kooperationen<br />
mit netzexternen Leistungserbringern und Institutionen;<br />
Qualitätsindikatoren; Gesamtrückblick und Stärken-/ Schwächen-Bewertung;<br />
Planungen und Perspektiven; Stand der Einführung<br />
elektronischer Lösungen für die Kommunikation; Ziele.<br />
In die Stärken-/Schwächen-Analyse flossen u. a. die folgenden<br />
Aspekte ein: die Entwicklung der am HQM teilnehmenden Arztpraxen,<br />
Ergebnisse von Netzarztbefragungen, die Teilnahme an<br />
Netzkonferenzen und Qualitätszirkeln sowie die Resonanz auf diese<br />
Veranstaltungen, die Teilnahme von Patienten an Gesundheitsangeboten,<br />
die Einschreibung chronisch kranker Menschen in<br />
DMPs, die Bewertung der Zusammenarbeit in Netzmanagement-<br />
und Projektteamsitzungen und die Zielerreichung bei den vereinbarten<br />
Qualitätsindikatoren.<br />
Bei den Planungen und Perspektiven wurde über die für das laufende<br />
Jahr vereinbarten Maßnahmen und Ziele berichtet. Diese<br />
betrafen u. a. die Weiterentwicklung des internen Qualitätsmanagements,<br />
die Umsetzung und Fortentwicklung der Qualitätsindikatoren,<br />
die Erhebung und den Austausch von Daten im Projekt, die<br />
Dokumentation, die Leitlinienentwicklung und die Entwicklung der<br />
Ergebnisverantwortung.<br />
Versichertenbefragung<br />
Im Jahr 2009 wurde die letzte von drei vorgesehenen Versichertenbefragungen<br />
durchgeführt. Da der verwendete Fragebogen<br />
gegenüber den Vorläuferbefragungen weitgehend unverändert<br />
geblieben ist, sind auch Entwicklungen des Antwortverhaltens seit<br />
den Befragungen in den Jahren 2005 und 2007 darstellbar. Die<br />
Ergebnisse der dritten Versichertenbefragung 2009 und der Vergleich<br />
mit den vorangegangenen Befragungen sind in Kapitel 3<br />
dieses Berichts dargestellt.<br />
5.5 Welche weiteren innovativen Elemente waren im Rahmen des<br />
Hausarztmodells geplant? Wie ist die Umsetzung zu<br />
beurteilen?<br />
Das <strong>AOK</strong>-Hausarztmodell sollte nicht-monetäre mit monetären Anreizen<br />
kombinieren. Die nicht-monetären Anreize beziehen sich<br />
vor allem auf die Stärkung der Position der Hausärzte im Gesundheitswesen,<br />
die Kompetenzaufwertung der Hausärzte durch die<br />
innovativen Elemente des Modells und die Mitwirkung im Qualitätsprozess.<br />
Die monetären Anreize im Hausarztmodell orientieren<br />
sich am Ansatz der ökonomischen Ergebnisverantwortung. Somit<br />
24
werden medizinische und ökonomische Ergebnisverantwortung<br />
zusammengeführt.<br />
Die Übernahme der Ergebnisverantwortung durch die Netzärzte<br />
sollte in zwei Stufen erfolgen:<br />
- Stufe 1: Zielvereinbarung für einen Leistungssektor<br />
- Stufe 2: Kontinuierliche Erweiterung der Zielvereinbarungen für<br />
das jeweils folgende Jahr mit einer Erweiterung um mindestens<br />
einen Leistungssektor.<br />
Die Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs<br />
(Morbi-RSA), der als Berechnungsbasis für Zielvereinbarungen<br />
und Ergebnisverantwortung vorgesehen ist, hat den Prozess<br />
in diesem Bereich verzögert: Da auswertbare Zahlen zum<br />
Morbi-RSA im Jahr 2009 noch nicht vorlagen, gab es in diesem<br />
Jahr auch keine Berechnungsbasis für eine Ergebnisverantwortung.<br />
Zugleich ist es mit der Berechnungsbasis Morbi-RSA nicht<br />
möglich, die Ergebnisverantwortung zunächst nur in einem Leistungssektor<br />
einzuführen.<br />
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Ergebnisverantwortung<br />
als eines der konstitutiven Elemente des Hausarztmodells<br />
angesehen werden kann, ist es bedauerlich, dass während der<br />
Evaluation diesbezüglich keine wirklichen Fortschritte erzielt wurden<br />
und die Wirkungen dieses Steuerungsinstruments daher nicht<br />
im Rahmen der Modellerprobungsphase nachgewiesen werden<br />
konnten. Ein Grund dafür liegt in dem hohen Entwicklungs- und<br />
Abstimmungsaufwand des Instruments der Ergebnisverantwortung,<br />
für den das zuständige Fachreferat der <strong>AOK</strong>-<br />
Hauptverwaltung nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung hatte.<br />
Denn parallel zu den beiden Hausarztmodellen war es mit dem<br />
Aufbau weiterer Versorgungsmodelle wie der Integrierten hausarztbasierten<br />
Versorgung als erstem Flächenprojekt bei der <strong>AOK</strong><br />
Baden-Württemberg und Vorläufer der hausarztzentrierten Versorgung<br />
sowie mit der Durchführung des Projekts „Integrierte Versorgung<br />
Gesundes Kinzigtal“ befasst.<br />
Ende 2009 konnte jedoch im Projektbeirat eine Grundlage zur<br />
Entwicklung von Zielvorgaben abgestimmt werden. Im Jahr 2010<br />
wurde das Thema ökonomische Ergebnisverantwortung dann weiter<br />
vorangetrieben und schließlich eine Zielvereinbarung für das<br />
Jahr 2011 zwischen den Vertragspartnern abgestimmt und verabschiedet.<br />
25
5.6 Wie beurteilen die eingeschriebenen Versicherten das<br />
Hausarztmodell und seine Steuerungskomponenten<br />
insgesamt?<br />
Welche Erwartungen haben die Versicherten mit dem Hausarztmodell<br />
verbunden? Die Versicherten entschieden sich für das<br />
Hausarztmodell, da sie sich von der Koordinationsfunktion des<br />
Hausarztes und der verstärkten Zusammenarbeit der Ärzte untereinander<br />
eine bessere medizinische Behandlung erhofften und<br />
dies auch noch mit dem Wegfall der Praxisgebühr verbunden war<br />
(Versichertenbefragung 2005).<br />
Und wie bewerteten sie ihre hausärztliche Versorgung zum Ende<br />
der Modelllaufzeit? In der dritten und letzten Versichertenbefragung,<br />
die im Jahr 2009 stattfand, äußerten sich die antwortenden<br />
Modellversicherten im Allgemeinen sehr positiv zu ihrer hausärztlichen<br />
Versorgung. Besonders zufrieden waren die Patienten mit<br />
der Intensität der Untersuchung und der Aufklärungsarbeit des<br />
Hausarztes in Bezug auf ihre Krankheit. Etwas zurückhaltender –<br />
aber mit ebenfalls noch positiven Bewertungen – sind die Patienten<br />
hinsichtlich der Beratung über die Möglichkeiten der Gesundheitsförderung<br />
und der rechtzeitigen Überweisung an einen Facharzt.<br />
Grundsätzlich halten über 90% der Befragten die Facharztregelung,<br />
zu der sie sich bei der Einschreibung in das Modell verpflichtet<br />
haben und die besagt, dass vor einem Facharztbesuch<br />
der Hausarzt aufgesucht werden muss, für sinnvoll.<br />
Insgesamt gaben 63% der im Jahr 2009 Befragten an, dass sie<br />
sich mehr um ihre Gesundheit kümmern als noch vor ihrer Einschreibung.<br />
Das individuelle Gesundheitsverhalten variiert leicht<br />
zwischen den Geschlechtern und besonders signifikant zwischen<br />
den Altersklassen: Männliche Modellversicherte geben häufiger an<br />
als Frauen, dass sie nun mehr für ihre Gesundheit tun als vorher;<br />
die positiven Entwicklungen sind in den höheren Altersklassen viel<br />
offensichtlicher als in den niedrigen.<br />
Des Weiteren berichteten die Modellversicherten in allen drei Befragungen<br />
über relativ kurze Wartezeiten sowohl in den Wartezimmern<br />
der Hausarztpraxen als auch zwischen Terminvereinbarung<br />
und Hausarztbesuch. Dies spricht für eine gute und patientenorientierte<br />
Praxisorganisation der Netzärzte im Hausarztmodell<br />
Südbaden. Die zusammenfassenden Zufriedenheitsurteile für das<br />
Hausarztmodell fielen stets sehr hoch aus; die Zufriedenheit mit<br />
der <strong>AOK</strong> war ebenfalls sehr hoch.<br />
Eine Verlaufsbetrachtung jener Modellversicherten, die an allen<br />
drei Befragungen teilgenommen haben, zeigt im Zeitraum von<br />
2005 bis 2009 positive Entwicklungen bezüglich der Kenntnis der<br />
Angebote zur Gesundheitsförderung als auch bezüglich der Teilnahme<br />
an solchen Angeboten.<br />
26
Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Versicherten aus einer<br />
strukturell ähnlichen Region ohne Hausarztmodell zeigte sich vor<br />
allem, dass die im Hausarztmodell eingeschriebenen Versicherten<br />
die hausärztliche Versorgung besser beurteilen, häufiger an<br />
Gesundheitsangeboten teilnehmen, kürzer in der Haus- und Facharztpraxis<br />
warten und zufriedener mit der <strong>AOK</strong> sind.<br />
5.7 Wie beurteilen die teilnehmenden Ärzte das Modellgeschehen<br />
insgesamt?<br />
Veränderung der Behandlung<br />
Die Frage, ob sich die Behandlung der Patienten durch die verpflichtenden<br />
Elemente des Hausarztmodells verändert hat, beantworteten<br />
die Ärzte in den Befragungen 2006 und 2008 stark unterschiedlich:<br />
Während im Jahr 2006 noch 74% keine Veränderungen<br />
feststellen, sind es im Jahr 2008 nur noch 42%.<br />
Bei der Frage, ob die Lotsenfunktion und somit die Stärkung der<br />
hausärztlichen Rolle das Verhältnis der teilnehmenden Ärzte zu ihren<br />
Patienten verändert hat, ändert sich das Antwortverhalten im<br />
Zeitverlauf auffällig. Die jeweils antwortenden Ärzte geben zum<br />
zweiten Befragungszeitpunkt doppelt so häufig an, dass sich die<br />
Arzt-Patienten-Beziehung durch das Hausarztmodell verändert<br />
hat. Intensivere Patientengespräche werden in diesem Zusammenhang<br />
besonders hervorgehoben.<br />
Kooperation mit Fachärzten und Krankenhäusern<br />
Die Kooperationen mit Fachärzten und Krankenhäusern sind ein<br />
wesentliches Charakteristikum des Hausarztmodells, bei denen<br />
der Hausarzt die Steuerungsfunktionen über die Überweisungen<br />
zum Facharzt oder in stationäre Einrichtungen übernimmt. Die Zusammenarbeit<br />
mit niedergelassenen Fachärzten und Krankenhäusern<br />
wurde zu beiden Befragungszeitpunkten vom größten Teil der<br />
Netzärzte positiv bewertet, allerdings mit im Zeitverlauf abnehmender<br />
Tendenz.<br />
Bewertung Netzmanagement<br />
Für die Netzärzte ist das Netzmanagement ein entscheidender<br />
Ansprechpartner, mit dem sie in kontinuierlichem Kontakt stehen.<br />
In den Befragungen der Jahre 2006 und 2008 sollten die Netzärzte<br />
den Grad ihrer Zustimmung zu vier Statements angeben<br />
(s. Übersicht 7).<br />
27
Übersicht 7: Antworten auf Statements zum Netzmanagement<br />
Statement 2006* 2008*<br />
Das Netzmanagement ist unverzichtbar. 3,8 4,1<br />
Das Netzmanagement trägt zur einheitlichen<br />
Verständigung bei.<br />
3,6 3,9<br />
Das Netzmanagement ist die Kontrollinstanz. 3,3 3,9<br />
Das Netzmanagement leistet Unterstützung. 3,2 3,5<br />
* Mittelwerte auf einer Skala von 1 „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 „stimme voll<br />
und ganz zu“<br />
Die Zustimmung zu allen Items hat sich also zwischen 2006 und<br />
2008 erhöht, was Hinweise für eine im Projektverlauf gewachsene<br />
Präsenz und Akzeptanz des Netzmanagements ist. In der 2009<br />
vom Ärztenetz QP eigenständig durchgeführten Online-Befragung<br />
äußerten sich 89% der antwortenden Ärzte zufrieden mit dem<br />
Netzmanagement.<br />
Erwartungen an das Hausarztmodell<br />
Um eine Gesamteinschätzung des Hausarztmodells durch die<br />
Netzärzte zu erhalten, wurden Sie danach gefragt, inwieweit sich<br />
ihre persönlichen Erwartungen an das Hausarztmodell erfüllt haben<br />
(s. Übersicht 8).<br />
Übersicht 8: Erfüllung von persönlichen Erwartungen an das<br />
Hausarztmodell<br />
Persönliche Erwartungen erfüllt hinsichtlich… 2006* 2008*<br />
…finanzieller Vorteile 3,7 3,8<br />
…Qualitätsstandards 3,1 3,7<br />
… Stärkung der hausärztlichen Versorgung 3,4 3,5<br />
… Patientenbindung 3,3 3,3<br />
… Austausch von Fachwissen 2,8 3,2<br />
… fachlicher Kooperationen 2,7 3,1<br />
… Wettbewerbsvorteile 2,6 2,8<br />
* Mittelwert des angegebenen Grades der Erfüllung auf einer Skala von 1 „nein,<br />
überhaupt nicht“ bis 5 „ja, vollkommen“<br />
Will man die Entwicklungen zwischen 2006 und 2008 zusammenfassend<br />
beschreiben, so kann man festhalten, dass die meisten<br />
Erwartungen im Jahr 2008 durchschnittlich in etwas höherem Maße<br />
als erfüllt eingeschätzt werden. Dies gilt insbesondere für Erwartungen<br />
bezüglich der Qualitätsstandards, des Austauschs von<br />
Fachwissen und der fachlichen Kooperation.<br />
28
5.8 Gibt es durch das Hausarztmodell Veränderungen bei<br />
Inanspruchnahme und Kosten?<br />
Durch die im Modell gestärkte Lotsenfunktion des Hausarztes, der<br />
eine zielgerichtete, bedarfsgerechte und ressourcenorientierte<br />
Versorgung seiner Patienten vornimmt, soll das Leistungsgeschehen<br />
neben der medizinischen Qualität auch den Kriterien der Wirtschaftlichkeit<br />
entsprechen. Zur Evaluation der ökonomischen Ergebnisqualität<br />
wurden die Kosten- und Leistungsdaten von 6.542<br />
Versicherten des Hausarztmodells analysiert und mit analogen Daten<br />
von Versicherten außerhalb des Netzes („Kontrollgruppe“) verglichen.<br />
Die Auswertungen beziehen sich auf das Jahr 2009 und führten zu<br />
folgenden Ergebnissen:<br />
Die durchschnittliche Anzahl ambulanter Arztkontakte je Versichertem<br />
betrug in Modell- und Kontrollgruppe jeweils 9,6. Die<br />
Versicherten der Modellgruppe suchten im Durchschnitt etwas<br />
häufiger die Hausarztpraxis auf (4,2 zu 4,0 Besuche je Versichertem),<br />
die Kontrollgruppenversicherten etwas häufiger die<br />
Facharztpraxen (5,4 zu 5,6 Besuche je Versichertem).<br />
Die ambulanten Pro-Kopf-„Ausgaben“ (ermittelt durch die<br />
Umrechnung von Punkten in „Euro“-Beträge) lagen in der Modellgruppe<br />
um 6 „Euro“ geringfügig niedriger als in der Kontrollgruppe.<br />
1 Die Pro-Kopf-„Ausgaben“ für hausärztliche Leistungen<br />
betrugen in der Modellgruppe 63 „Euro“ und damit 5<br />
„Euro“ weniger als in der Kontrollgruppe. Die Pro-Kopf-<br />
„Ausgaben“ für fachärztliche Leistungen waren in etwa gleich<br />
hoch (98 bzw. 99 „Euro“).<br />
Der Anteil der Patienten mit einem stationären Krankenhausaufenthalt<br />
war in der Modellgruppe mit 22,9 Prozent um 3,6<br />
Prozentpunkte kleiner als in der Kontrollgruppe. Die durchschnittliche<br />
Anzahl an Krankenhausaufenthalten war in der<br />
Modellgruppe niedriger als in der Kontrollgruppe (0,44 bzw.<br />
0,52 Aufenthalte je Versichertem). Zugleich war auch die<br />
durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus niedriger. Diese<br />
war in der Modellgruppe um einen knappen Tag kürzer (7,6<br />
bzw. 8,5 Tage).<br />
1 Bei den dargestellten ambulanten ärztlichen „Ausgaben“ handelt es sich um rechnerische Werte, die nicht den realen<br />
Zahlungen entsprechen. Vielmehr wurden Punktwerte in Euro-Beträge umgerechnet mit dem Ziel, eine einheitliche Verrechnungsbasis<br />
mit den anderen Ausgaben zu gewinnen. Die Euro-Beträge bei den ambulanten ärztlichen Ausgaben<br />
sind also lediglich als rechnerische Vergleichsgröße zu interpretieren. Unterschiede der errechneten Euro-Beträge zwischen<br />
Modell- und Kontrollgruppe implizieren nicht Unterschiede der realen Zahlungen, sondern spiegeln eine unterschiedliche<br />
Leistungsinanspruchnahme wider. Für den ambulanten ärztlichen Bereich werden deshalb die Begriffe „Ausgaben“<br />
und „Euro“ in Anführungszeichen gesetzt.<br />
29
Die stationären Pro-Kopf-Ausgaben waren in der Modellgruppe<br />
mit 1.200 Euro um 279 Euro niedriger als in der Kontrollgruppe.<br />
Auch die durchschnittlichen Ausgaben von 2.727<br />
Euro pro Krankenhausaufenthalt waren in der Modellgruppe<br />
niedriger als in der Kontrollgruppe (2.820 Euro)<br />
Der Anteil der Versicherten, denen kein Arzneimittel verordnet<br />
wurde, war in der Modellgruppe mit 8,4 Prozent um 1,2<br />
Prozentpunkte deutlich größer als in der Kontrollgruppe. Je<br />
Versichertem wurden in der Modellgruppe 4,8 Arzneimittel weniger<br />
abgerechnet als in der Kontrollgruppe (16,6 bzw. 21,4<br />
Arzneimittel).<br />
Die geringeren Verordnungszahlen spiegeln sich auch in niedrigeren<br />
Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel in der Modellgruppe<br />
wider. Mit 795 Euro liegen sie um 168 Euro niedriger<br />
als in der Kontrollgruppe. Die niedrigeren Pro-Kopf-Ausgaben<br />
in der Modellgruppe sind nicht durch niedrigere Ausgaben je<br />
Arzneimittel zustande gekommen. Diese lagen in der Modellgruppe<br />
mit 47,90 Euro sogar um 2,90 Euro über den Ausgaben<br />
der Kontrollgruppe. Ausschlaggebend für die geringeren Ausgaben<br />
sind demnach allein die geringeren Verordnungszahlen.<br />
Die Pro-Kopf-Gesamtausgaben für die drei betrachteten Leistungsbereiche<br />
betrugen in der Modellgruppe 2.157 Euro. Die<br />
Minderausgaben gegenüber der Kontrollgruppe summierten<br />
sich auf 452 Euro pro Kopf. Betrachtet man die Mehr- oder<br />
Minderausgaben je Leistungsbereich in Prozent, so zeigt sich,<br />
dass die Minderausgaben je Versichertem in der Modellgruppe<br />
prozentual am stärksten bei den stationären Ausgaben sind,<br />
die relativen Minderausgaben betragen dort 26,9 Prozent.<br />
Ebenfalls groß ist der relative Unterschied zur Kontrollgruppe<br />
mit 19,6 Prozent bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel.<br />
Im Vergleich hierzu sind die relativen Unterschiede bei den<br />
ambulanten ärztlichen Leistungen klein. Die prozentualen Minderausgaben<br />
insgesamt belaufen sich auf gut 20 Prozent.<br />
Insgesamt zeigt sich für die 6.542 Versicherten der Modell- und<br />
Kontrollgruppe die in Übersicht 9 dargestellte Gesamtbilanz. Demnach<br />
liegen die für die Modellgruppenversicherten aufgewendeten<br />
Ausgaben um rund 3 Millionen Euro niedriger als in der strukturähnlichen<br />
Kontrollgruppe.<br />
30
Übersicht 9: Ausgaben des Jahres 2009 für alle Versicherten von<br />
Modell- und Kontrollgruppe in Euro<br />
Modellgruppe Kontrollgruppe Differenz<br />
Ambulante ärztliche<br />
Behandlung<br />
1.052.345 1.092.685 -40.340<br />
Arzneimittel 5.203.458 6.300.516 -1.097.058<br />
Krankenhaus 7.851.869 9.672.569 -1.820.700<br />
Gesamt 14.107.672 17.065.771 -2.958.098<br />
31
6 Bewertung der wichtigsten Ergebnisse<br />
Die Organisation: Stabilität und Kooperationskultur<br />
Die Aufbauorganisation des Hausarztmodells Südbaden hat sich<br />
im Grundsatz bewährt und daher über die Jahre auch nicht verändert.<br />
Die Zusammenarbeit der Beteiligten erfolgte partnerschaftlich<br />
und ergebnisorientiert, die Gremienstruktur wirkt gefestigt. Nichtsdestotrotz<br />
hat es Zeit gebraucht, bis Vertrauen und eine neue Kultur<br />
der Zusammenarbeit die auf dem Papier vorgezeichneten<br />
Strukturen mit Leben gefüllt haben.<br />
Dass es bei den in hohem Maße auf Konsens angewiesenen<br />
Strukturen nicht zu einem Stillstand kam, ist auf die entwickelte<br />
Kooperationskultur, die gemeinsame Zielsetzung und nicht zuletzt<br />
auf das (unerlässliche) persönliche Engagement einzelner Akteure<br />
zurückzuführen. In diesem Kontext hat sich die enge, vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen der Ärzteschaft<br />
und der <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion in Freiburg als wichtiger Erfolgsfaktor<br />
für das Modell erwiesen. Aber auch das Nachvollziehen unterschiedlicher<br />
Auffassungen, Vorstellungen und Wahrnehmungen<br />
haben zum Fortschreiten des Modells beigetragen. Im Rückblick<br />
wird die Zusammenarbeit von allen Vertragspartnern insgesamt<br />
positiv bewertet: Sie verlief konstruktiv, sachlich und kontinuierlich.<br />
Zur Entwicklung und erfolgreichen Umsetzung verschiedenster<br />
HQM-Instrumente trug auch die <strong>AOK</strong>-Hauptverwaltung in hohem<br />
Maße bei. So entwickelte sie gemeinsam mit der Uni Nürnberg-<br />
Erlangen die Capitation-Kalkulation und transferierte diese mit<br />
Controlling-Experten des Hauses in eine MRSA-konforme Rechenmethode.<br />
Mit dem <strong>AOK</strong>-Bundesverband, der <strong>AOK</strong>-Systems<br />
und der ITSCare entwickelte sie ein integriertes Datenmanagement<br />
zur HQM-Versichertenverwaltung, zur Kalkulation der<br />
Capitation und zur Generierung von netz- und arztbezogenen Controlling-Berichten<br />
für die Ergebnisverantwortung. Die <strong>AOK</strong>-<br />
Hauptverwaltung setzte entscheidende Impulse bei der Gestaltung<br />
des Vertragscontrollings, bei der Implementierung und Messung<br />
der Qualitätsindikatoren und organisierte Datenauswertungen für<br />
z. B. Doppelabrechnungen von Check-up-Untersuchungen. Des<br />
Weiteren organisierte und koordinierte sie federführend die Evaluationsaufgaben<br />
zwischen HQM, Fachexperten der <strong>AOK</strong>, Werbeagenturen<br />
und dem Evaluator. Sie plante und verwaltete das Projektbudget,<br />
wirkte an der Pressearbeit mit und garantierte ein professionelles<br />
Projektmanagement.<br />
Gelungen ist auch der Aufbau von Strukturen für einen EDVgestützten<br />
Datenaustausch (elektronische Patientendokumentation,<br />
IV-Datenbank der <strong>AOK</strong>, Controlling-Berichte der <strong>AOK</strong>-<br />
Bezirksdirektion). Die geschaffenen Strukturen können in ihrer Bedeutung<br />
für die Zusammenarbeit der Projektpartner, für die Steuerung<br />
des komplexen Modells sowie unter Transfergesichtspunkten<br />
32
über die Modellgrenzen hinaus nicht hoch genug bewertet werden.<br />
Allerdings war der Weg dahin nicht einfach: Auf Seiten der Hausärzte<br />
wurde der Dokumentationsaufwand kritisch gesehen, Bewusstsein<br />
und Motivation musste geschaffen werden; die <strong>AOK</strong><br />
stand vor der Aufgabe, nicht unerhebliche Personalressourcen für<br />
diese Sonderaufgabe außerhalb der Regelversorgung freizustellen.<br />
Schwierigkeiten bereitete die Umsetzung und Einführung einiger<br />
instrumenteller Hilfen, die die Kommunikation und Koordination im<br />
Versorgungsprozess verbessern sollten. Es handelt sich hierbei<br />
insbesondere um den Präventionsplan sowie um die Patientenakte<br />
(nicht um den Patientenpass!). Kritische Rückmeldungen in den<br />
Befragungen (seitens der Netzärzte) und unzureichende Kenntnis<br />
der genannten Instrumente (seitens der Patienten) waren die Folge.<br />
U. a. wurde die Praktikabilität bemängelt.<br />
Die Patienten: Bedürfnis nach einer Stärkung der hausärztlichen<br />
Versorgung<br />
Aus den Daten zur Risikoanalyse kann geschlussfolgert werden,<br />
dass mit dem Hausarztmodell Südbaden – wie intendiert – das<br />
Stammklientel der Hausärzte erreicht worden ist: Die eingeschriebenen<br />
Versicherten weisen einen erhöhten Versorgungsbedarf auf<br />
und können von Verbesserungen der Versorgung direkt profitieren.<br />
Eine Selektion günstiger Risiken, wie sie oft für Modelle mit Budgetverantwortung<br />
befürchtet wird, ist nicht eingetreten.<br />
Das Bedürfnis dieser Patienten nach einer Stärkung der hausärztlichen<br />
Versorgung ist groß: Die Koordination der medizinischen<br />
Versorgung durch den Hausarzt und eine bessere Zusammenarbeit<br />
der Ärzte untereinander werden von ihnen als wichtiger Grund<br />
für die Teilnahme am Hausarztmodell genannt. Damit korrespondiert,<br />
dass die modellinterne Zielgröße von 10.000 eingeschriebenen<br />
Versicherten sehr schnell – bereits im Oktober 2005 – erreicht<br />
wurde.<br />
Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass das Modell<br />
die Erwartungen der Versicherten erfüllt hat:<br />
Die Gesamtfluktuation und insbesondere die Kündigungsquote<br />
lagen über alle Jahre hinweg sehr niedrig.<br />
Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Versicherten aus einer<br />
strukturell ähnlichen Region ohne Hausarztmodell zeigte<br />
sich, dass die im Hausarztmodell eingeschriebenen Versicherten<br />
die hausärztliche Versorgung besser beurteilen und zufriedener<br />
mit der <strong>AOK</strong> sind. Der letzte Punkt weist darauf hin,<br />
dass regionale, qualitätsgesicherte Hausarztverbünde ein nicht<br />
zu unterschätzendes Kundenbindungsinstrument für die <strong>AOK</strong><br />
darstellen können.<br />
33
Auch die mit dem Hausarztmodell verbundene Facharztregelung<br />
(Verpflichtung auf die Lotsenfunktion des Hausarztes) wurde von<br />
fast allen Teilnehmern als sinnvoll angesehen.<br />
Die Netzärzte: Bedürfnis nach Qualität in der Hausarztpraxis<br />
Auch bei den teilnehmenden Hausärzten war die Fluktuation sehr<br />
gering. Diese hohe Kontinuität spricht für verantwortliche Teilnahme<br />
und hohe Zufriedenheit; die Netzärzte fühlen sich dem Hausarztmodell<br />
zugehörig. Das zeigt sich auch daran, dass die Netzärzte<br />
im Vergleich zu den übrigen Hausärzten der Region bei allen<br />
Disease-Management-Programmen durchschnittlich mehr Patienten<br />
eingeschrieben haben. Generell darf den teilnehmenden<br />
Hausärzten daher eine große Aufgeschlossenheit gegenüber Innovationen<br />
in der Gesundheitsversorgung unterstellt werden.<br />
Entscheidend vorangebracht wurde das Hausarztmodell allerdings<br />
von einigen wenigen „Innovationstreibern“. Die weniger ausgeprägte<br />
Mitarbeit eines Teils der Netzärzte ist zu thematisieren.<br />
Kontinuierliche Bemühungen zur Stärkung der aktiven Mitarbeit aller<br />
Netzärzte müssen fortgesetzt werden, um das Modell an seiner<br />
Basis zu festigen.<br />
Das Bedürfnis nach fachlichem Austausch und fachlicher Unterstützung<br />
ist bei den teilnehmenden Hausärzten besonders ausgeprägt:<br />
Die Kooperation mit den Fachkollegen und die vertraglich<br />
vereinbarten Qualitätszirkel genossen im Modell von Beginn an einen<br />
hohen Stellenwert. Auch die vertraglich vereinbarte Implementierung<br />
von Leitlinien (bislang Kreuzschmerz, Herzinsuffizienz,<br />
Schlaganfall und Demenz) wurde mit Engagement vorangetrieben.<br />
Verbessert wurde die Dienstleistungsqualität der Praxen durch die<br />
Einführung patientenorientierter Behandlungsabläufe. Bis 2008<br />
wurde die flächendeckende Einführung eines Qualitätsmanagement-Systems<br />
in den am Modell teilnehmenden Hausarztpraxen<br />
abgeschlossen.<br />
Die Kooperation und Kommunikation mit den Krankenhäusern<br />
wurde im Rahmen der zweiten Netzarztbefragung von 83 Prozent<br />
der Ärzte positiv beurteilt, doch wurden auch einige Probleme benannt.<br />
Diejenigen Ärzte, die diesbezügliche Mängel angaben,<br />
nannten in erster Linie unbefriedigende oder schwierige Kommunikation<br />
sowie mangelnde Qualität und Organisation der Entlassungsberichte.<br />
Um an dieser Schnittstelle der Versorgung Verbesserungen<br />
zu erzielen, wird ein standardisierter Einweisungs- und<br />
Entlassungsbrief angestrebt.<br />
34
Prävention und Compliance: Veränderungen in der Arzt-<br />
Patient-Beziehung<br />
Zu den Kernelementen des Qualitäts- und Kooperationsmodells<br />
Südbaden zählen der Ausbau und die Stärkung der Prävention.<br />
Als Erfolg ist zu werten, dass die Netzärzte ihren Patienten zunehmend<br />
empfahlen, an Gesundheitsangeboten teilzunehmen –<br />
ein wichtiger Schritt, Präventionsberatung als etwas Selbstverständliches<br />
in den therapeutisch geprägten Arbeitsalltag der<br />
Hausärzte zu integrieren. Dies kam dann offensichtlich auch bei<br />
den Patienten an: Flankiert durch zusätzliche, neue Angebote der<br />
<strong>AOK</strong> hat sich die Zahl der an Präventionskursen teilnehmenden<br />
Modellversicherten – auch im Vergleich zu Versicherten außerhalb<br />
des Hausarztmodells – deutlich erhöht. Diese Verkettung von Intervention<br />
und Ergebnis ist auch im Hinblick auf die Motivation von<br />
Projektverantwortlichen und Hausärzten nicht zu unterschätzen.<br />
Damit korrespondiert, dass die Versicherten mehrheitlich angaben,<br />
sich seit der Einschreibung in das Hausarztmodell mehr um ihre<br />
Gesundheit zu kümmern. Zusammengenommen kann also geschlussfolgert<br />
werden, dass die Präventionsarbeit im Modell Erfolge<br />
zeitigte.<br />
In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass in der<br />
Wahrnehmung der Netzärzte mit dem Modell eine Veränderung<br />
der Arzt-Patient-Beziehung einhergegangen ist. Das Führen intensiverer<br />
Gespräche wurde dabei besonders hervorgehoben.<br />
Die ökonomische Zielvereinbarung: Alleinstellungsmerkmal<br />
mit Zukunftspotential<br />
Ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal des Hausarztmodells<br />
Südbaden sollte die Kombination von monetären und nichtmonetären<br />
Anreizen bzw. ökonomischen und medizinischen Ergebniszielen<br />
sein. Vor allem die geplante Übernahme von Budgetverantwortung<br />
durch die beteiligten Ärzte erwies sich hierbei als<br />
besondere Herausforderung, die mit aufwendigen Vorarbeiten und<br />
Abstimmungsprozessen verbunden war. Die Einführung des morbiditätsorientierten<br />
Risikostrukturausgleichs, der schlussendlich als<br />
Berechnungsbasis für Zielvereinbarungen und Ergebnisverantwortung<br />
vorgesehen wurde, hat den Prozess zusätzlich verzögert.<br />
Die Verabschiedung einer Zielvereinbarung zur ökonomischen Ergebnisverantwortung<br />
im Jahr 2011 stellt einen wichtigen Meilenstein<br />
für das Projekt dar. Dass es sich lohnt, die Ergebnisverantwortung<br />
als zentrales betriebswirtschaftliches Steuerungsinstrument<br />
in die Zukunft mitzunehmen, verdeutlichen die Ergebnisse<br />
der Kosten- und Leistungsdatenanalyse für das Jahr 2009. Dass<br />
die Pro-Kopf-Ausgaben der Modellgruppenversicherten um 452<br />
Euro niedriger liegen als in der Kontrollgruppe, dass das Netz in<br />
jedem der drei betrachteten Leistungsbereiche (ambulante ärztli-<br />
35
che Versorgung, Krankenhaus und Arzneimittel) bessere ökonomische<br />
Ergebnisse erzielte und dass für die einbezogenen 6.542<br />
Modellgruppenversicherten die Gesamtbilanz um rund 3 Millionen<br />
Euro günstiger ausfällt als für die strukturähnliche Kontrollgruppe,<br />
ist ein Indiz für den ökonomischen Erfolg des Modellprojektes und<br />
sollte die Motivation zur Übernahme von Budgetverantwortung<br />
durch die beteiligten Ärzte erhöhen.<br />
Die strategischen Perspektiven<br />
In der Gesamtschau lässt sich unter strategischen Gesichtspunkten<br />
resümieren, dass das Hausärztenetz Südbaden im Speziellen,<br />
aber auch vernetzte Strukturen in der ambulanten Versorgung generell<br />
eine Zukunft haben.<br />
Das Netz selbst hat seine organisatorische Handlungsfähigkeit unter<br />
Beweis gestellt, es hat einen qualitativen Sprung in der Patientenversorgung<br />
erzielt und es hat ökonomische Erfolge realisiert.<br />
Das bedeutet: Hausarztnetze sind funktionsfähig – und hinzu<br />
kommt: Sie werden gebraucht, um einerseits die integrationsbehindernden<br />
Bedingungen der traditionellen Einzelpraxis zu überwinden<br />
und um andererseits qualitativ hochwertige, ortsnahe<br />
hausärztliche Versorgung nicht in krankenhausähnlichen Strukturen<br />
aufgehen zu lassen. Eine weitgehende Verdrängung von Praxisnetzen<br />
durch stationäre Netze oder Medizinische Versorgungszentren<br />
kann nicht im Sinne der Patienten sein; das Hausärztenetz<br />
Südbaden hat – ebenso wie das Schwestermodell Rhein-Neckar –<br />
gezeigt, dass „seine“ Organisation von ambulanter hausärztlicher<br />
Versorgung durchaus ihren Platz hat im Spektrum der unterschiedlichen<br />
Modelle von integrierter Versorgung – insbesondere vor<br />
dem Hintergrund, dass die regionalen Ausgangsbedingungen stets<br />
von sehr unterschiedlicher Couleur sind.<br />
Für weitergehende strategische Überlegungen ist es von zentraler<br />
Bedeutung, welche Erfolgsfaktoren dazu beigetragen haben, dass<br />
das Netz den jetzigen Stand erreicht hat, an welchen (Bau-)Stellen<br />
noch Nachholbedarf besteht oder nachgebessert werden muss<br />
und wo die Losung „Weiter so!“ lautet:<br />
Einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren war die gemeinsame<br />
Wertebasis, unter der das Netz angetreten ist und vor deren<br />
Hintergrund Netzziele formuliert und in konkrete Maßnahmen<br />
übersetzt wurden.<br />
Das hohe Engagement einzelner Personen auf Seiten der Vertragspartner<br />
ist schon erwähnt worden, und es war für die Initial-,<br />
Gründungs- und Erprobungsphase, in der es darum ging,<br />
partnerschaftliche Kommunikation und Kooperation aufzubauen<br />
bzw. einzuüben, unerlässlich – es kann sich aber auch als<br />
Engpassfaktor für das Multiplizieren der Netzidee erweisen.<br />
36
Unabhängig davon kann eine zu starke Bindung an einzelne<br />
Persönlichkeiten in der Reifephase eines Netzes bzw. im „Regelbetrieb“<br />
auch zum Hindernis werden. Eine stärkere Verteilung<br />
von Arbeit und Verantwortung auf mehrere Schultern und<br />
ein stärkeres In-die-Pflicht-nehmen aller teilnehmenden Hausärzte<br />
sichert aus strategischer Sicht die langfristige Stabilität<br />
der geschaffenen Strukturen und sorgt dafür, dass die gemeinsame<br />
Wertebasis auch in die Zukunft mitgenommen werden<br />
kann.<br />
Vernetzung stellt sich nicht von alleine ein und kommt nicht nur<br />
mit gutem Willen aus. Ohne Managementkompetenzen und -<br />
kapazitäten und ohne eine funktionierende Kommunikations-<br />
und Controlling-Infrastruktur, d. h. ohne betriebswirtschaftliche<br />
Steuerungsinstrumente ist jeglicher Vernetzung innerhalb unseres<br />
hochkomplexen Gesundheitssystems der professionelle<br />
Boden entzogen.<br />
Das Hausärztenetz Südbaden wurde durch ein selbstbewusstes<br />
operatives Management und unter Einsatz von Controlling-<br />
Instrumenten geführt. Auch dies erwies sich als ein entscheidender<br />
Erfolgsfaktor, der allerdings grundsätzlich betrachtet<br />
nur dann zum Tragen kommen kann, wenn Kompetenzen,<br />
Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen allen Beteiligten<br />
eindeutig und verbindlich geregelt sind.<br />
Im Zuge des Modellverlaufs wurde auch dem strategischen<br />
Management zunehmende Bedeutung beigemessen. Durch<br />
die angestrebte Stärkung dieser Managementkomponente, u.<br />
a. mittels Einführung der Balanced Scorecard lassen sich gesetzte<br />
Ziele zukünftig leichter in operatives Handeln umsetzen<br />
und an die Modellbeteiligten kommunizieren.<br />
Die infrastrukturelle und logistische Herausforderung, die mit<br />
der Gründung und dem Anschub des Netzes einherging, war<br />
nur mit dem außerordentlichen Engagement, dem Know-how<br />
und einem intensiven Personaleinsatz seitens der <strong>AOK</strong> Baden-<br />
Württemberg zu bewältigen. Für die <strong>AOK</strong> kann sich daraus<br />
aber auch ein entscheidender Wettbewerbsvorteil ergeben:<br />
Von dieser Warte aus betrachtet sind die mit dem Netzaufbau<br />
verbundenen Aktivitäten eine Investition in die Zukunft, die<br />
dann zum Tragen kommt und sich auszahlt, wenn die beiden<br />
Hausarztmodelle der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg bzw. einzelne<br />
erfolgreiche Strukturelemente von ihnen multipliziert werden<br />
sollen.<br />
Im Hinblick auf Transferüberlegungen sind diejenigen Erfahrungen<br />
besonders hervorzuheben, die im Rahmen des Modells<br />
mit der Implementierung von Leitlinien und der Patientensteuerung<br />
gesammelt wurden bzw. noch gesammelt werden. Diese<br />
sind unter kassenstrategischen Gesichtspunkten zweifelsohne<br />
37
von herausragender Bedeutung. Hier stellt sich die Frage, ob<br />
es möglich ist, ein strukturiertes, effizientes und praktikables<br />
Verfahren (inkl. Controlling-Elemente) zu entwickeln, das auch<br />
auf andere regionale Kontexte übertragen werden kann. Gleiches<br />
gilt für die Ergebnisverantwortung als zentrales betriebswirtschaftliches<br />
Steuerungsinstrument.<br />
Weiterentwicklungsmöglichkeiten bestehen hinsichtlich der<br />
Schaffung sektorübergreifender Kooperationsstrukturen. Patienten-<br />
bzw. problemorientierte Lösungen müssen letztendlich<br />
die gesamte Versorgungskette im Blick haben und können<br />
nicht an „Netzgrenzen“ Halt machen. Prozessual und im Zeitverlauf<br />
betrachtet kann es dennoch sinnvoll sein, mit einem<br />
Baustein (hier: der ambulanten ärztlichen Versorgung) zu beginnen,<br />
d. h. nicht zu viel auf einmal in Angriff zu nehmen, und<br />
in weiteren Projekten die Schnittstellen zu angrenzenden Sektoren<br />
oder auch Berufsgruppen zu bearbeiten. Unabdingbar ist<br />
dies in jedem Fall, zumal hier Optimierungspotentiale zu heben<br />
sind.<br />
Ein umfassendes Qualitätsmanagement durch Erhebung von<br />
Prozess- und Qualitätskennzahlen sowie der Patientenzufriedenheit<br />
muss die Grundlage zur Optimierung eines jeden Ärztenetzes<br />
bilden. Das Hausarztmodell Südbaden – ebenso wie<br />
das Schwestermodell Rhein-Neckar – kann hier schon heute<br />
Vorbildcharakter für Nachahmer-Modelle besitzen. Die umgesetzten<br />
Qualitätsinstrumente (z. B. Qualitätsindikatoren für<br />
Prävention und Pharmakotherapie sowie die HQM-Arzneimittel-Wirkstoffliste)<br />
bewegen sich strategisch gesehen in die<br />
richtige Richtung.<br />
Bei allem, was darauf hindeutet, dass die Präventionsarbeit im<br />
Hausärztenetz Südbaden Erfolge zeitigt, bleibt dieses Kapitel<br />
schwierig und muss vor dem Hintergrund eines längerfristigen<br />
Prozesses beobachtet werden. Viele Patienten benötigen eine<br />
langwierige Anlaufphase, lassen sich also nicht ad hoc motivieren,<br />
so dass sich Effekte erst nach Jahren abzeichnen. Hinzu<br />
kommt die generelle Schwierigkeit, Veränderungen in Lebensgewohnheiten<br />
anzustoßen, die auch dem Hausarzt eine mühevolle,<br />
kontinuierliche und langfristige Motivationsarbeit abverlangt.<br />
In der Arzt-Patient-Beziehung gewinnen damit Aspekte<br />
von Patienten-Empowerment an Gewicht.<br />
38
7 Hausarztmodell als Lernprojekt<br />
Das vorliegende Kapitel enthält originäre Stellungnahmen der beiden<br />
Vertragspartner – <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg und Ärztenetz QP<br />
– als Fazit zum gemeinsamen Entwicklungs- und Lernprozess.<br />
Dabei werden die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der gemeinsamen<br />
Arbeit herausgearbeitet. Die Stellungnahmen sollen<br />
für sich selbst sprechen und werden deshalb von Prognos nicht<br />
kommentiert.<br />
7.1 Stellungnahme der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg<br />
Ziele des Hausarztmodells Südbaden<br />
Die <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg und die QP GmbH haben das<br />
Hausarztmodell Südbaden (HQM) von 2004 bis 2012 als Modellvorhaben<br />
(§§ 63 ff SGB V) angelegt, um mit engagierten und innovativen<br />
Hausärzten eine qualitativ hochwertige ambulante<br />
Gesundheitsversorgung der Patienten unter Einbeziehung wirtschaftlicher<br />
Aspekte zu fördern.<br />
Neben Wirtschaftlichkeits- haben die Vertragspartner eine Vielzahl<br />
neuer Qualitäts- und Controllinginstrumente entwickelt und installiert,<br />
die im weiteren Verlauf näher beschrieben werden. Gleichzeitig<br />
wurden die eingeschriebenen Versicherten über diese Instrumente<br />
informiert und regelmäßig, im Rahmen der externen Evaluation,<br />
schriftlich nach ihrer Meinung zur gelebten Praxis im HQM<br />
befragt, um die Auswirkungen der Anreiz- und Qualitätssysteme<br />
wissenschaftlich zu untersuchen.<br />
Die Vertragspartner verstanden die Vertragsumsetzung als einen<br />
gemeinsam gesteuerten qualitativen Verbesserungsprozess auf<br />
Basis von adäquaten Anreizen sowie ausgewogenen Mitwirkungsrechten<br />
und -pflichten. Ob und inwieweit dies aus Sicht der <strong>AOK</strong><br />
Baden-Württemberg erreicht wurde, wird nachfolgend diskutiert<br />
und bewertet.<br />
Medizinische Steuerungsinstrumente<br />
Dreh- und Angelpunkt des Hausarztmodells war der Hausarzt als<br />
Lotse des Patienten. Schneller als erwartet schrieben die knapp<br />
100 teilnehmenden Hausärzte (HQM-Ärzte) vom 20.01.2005 bis<br />
21.10.2005 mehr als die 10.000 geplanten <strong>AOK</strong>-Versicherten ein.<br />
Der medizinische Fokus des HQM lag auf der Primärprävention,<br />
wofür ein ausgefeiltes Präventionskonzept entwickelt wurde. Jeder<br />
Patient erhielt bei HQM-Beitritt eine spezielle Eingangsuntersuchung,<br />
bei der medizinische Parameter, chronische Erkrankungen<br />
und der Lebensstil erhoben und dokumentiert wurden. Je nach Ergebnis,<br />
beriet der HQM-Arzt die Patienten regelmäßig zu Lebens-<br />
39
stiländerungen mit dem Ziel der Ergreifung von Präventionsmaßnahmen<br />
inklusive deren Kontrolle und Bewertung (Präventionsplan)<br />
oder er schrieb den Patienten, mit dessen Einwilligung, in ein<br />
<strong>AOK</strong>-Disease-Management-Programm (DMP) ein und behandelte<br />
ihn gemäß dieser Standards. Dies wurde bei allen über 35jährigen<br />
Teilnehmern jährlich wiederholt und elektronisch in Präventions-und<br />
DMP-Bögen dokumentiert.<br />
Die anfänglich als effizient angedachte Doppelnutzung der DMP-<br />
Daten erwies sich im Nachhinein als sehr arbeitsaufwändig, da deren<br />
Extraktion und Export an die Datensammelstelle große Probleme<br />
verursachte, so dass das Netzmanagement hier massiv Hilfestellung<br />
geleistet hat, bis dies bei allen Praxen problemlos gelang.<br />
Anfangs nicht absehbar war die Einführung der elektronischen<br />
DMP-Bögen Mitte 2008 inklusive inhaltlicher Änderungen,<br />
mit dem Ergebnis, dass Daten wegfielen und somit einige krankheitsbezogene<br />
Qualitätsindikatoren nicht mehr erhoben werden<br />
konnten. Die Lehren daraus sind, künftig elektronische Dokumentationen<br />
ohne manuelle Datenexporte zu konzipieren, Anwender<br />
umfassend zu schulen, professionellen IT-Support anzubieten und<br />
elektronische Dokumentationen unabhängig zu entwickeln, um<br />
Fremdeinflüsse auszuschalten.<br />
Die Daten wurden bei einer externen, von der QP GmbH beauftragten<br />
Datenstelle einmal jährlich via verschlüsselten Datenträger<br />
eingesammelt, aufbereitet und konsolidiert. Mit den aggregierten<br />
Daten kalkulierte das HQM-Projektteam auf Netzebene regelmäßig<br />
Präventions- und krankheitsbezogene Qualitätsindikatoren<br />
(QISA-Indikatoren), um die Umsetzung und Wirkung des Präventionskonzepts<br />
bewerten zu können.<br />
Mit diesem Präventionsansatz erhielt neben der kurativen die präventive<br />
Arbeit deutlich mehr Gewicht in der täglichen Arbeit der<br />
HQM-Ärzte. Die intensiven Präventionsberatungen waren mitunter<br />
zwar mühsam und vereinzelt auch fruchtlos, zeigten aber aufs<br />
Ganze gesehen beachtliche Erfolge; z. B. reduzierte sich der Anteil<br />
der Raucher im HQM innerhalb von fünf Jahren von 28 % auf<br />
22 %.<br />
Die HQM-Ärzte profilierten sich schon sehr früh im Modell durch<br />
überdurchschnittliche Einschreibequoten in die DMPs Diabetes<br />
Mellitus und Koronare Herzkrankheit (KHK) im Vergleich zu den<br />
übrigen Ärzten in Südbaden. Ein Grund dafür war die von Anfang<br />
an sehr intensive Beratung des Arzt-Partner-Service der <strong>AOK</strong>-<br />
Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein und der ausgeprägte Innovationsgeist<br />
der Ärzte. Die langjährigen DMP-Erfolge nutzten den<br />
DMP-Patienten gesundheitlich, wie DMP-Evaluationen zwischenzeitlich<br />
nachwiesen, und trugen zur Refinanzierung des HQM bei.<br />
40
Die Einführung von insgesamt sechs DEGAM-Leitlinien für häufige<br />
Erkrankungen setzten weitere Standards in puncto<br />
evidenzbasierte Medizin zum Nutzen der betroffenen Patienten.<br />
Bei der Arzneimitteltherapie wurde Mitte 2010 von der Erhebung<br />
von Pharmako-Qualitätsindikatoren, die einzelne Arzneimittelgruppen<br />
fokussierten, mangels Messbarkeit auf ein „Komplett-Paket“ in<br />
Form einer HQM-Wirkstoffliste umgeschwenkt. Sie enthält 81<br />
Wirkstoffe für die elf wichtigsten Indikationsgruppen im hausärztlichen<br />
Bereich, die als Mittel der ersten und zweiten Wahl (= eingeschränkte<br />
Indikationsstellung) verordnet werden sollen. Dabei<br />
wurden qualitative und monetäre Aspekte sowie Arzneimittelbewertungen<br />
verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen berücksichtigt,<br />
wobei der Patientensicherheit absoluter Vorrang eingeräumt<br />
wurde. Im Ergebnis einigten sich die HQM-Vertragspartner<br />
auf eine Liste, für die die höchste Evidenz für den Nutzen der<br />
Wirkstoffe vorlag.<br />
Die HQM-Wirkstoffliste wurde mit einem Wirkstofflisten-Controlling<br />
eingeführt, das den Verordnungsanteil der jeweiligen Wirkstoffgruppe<br />
eines Quartals getrennt nach Erst- und Zweitwahlmittel an<br />
allen Verordnungen sowie gesplittet nach HQM-Arzt, dem HQM<br />
insgesamt und einer Vergleichsgruppe anderer Ärzte aus Baden-<br />
Württemberg darstellt. Durch die zeitliche Nähe zwischen Einführung<br />
der Liste im Mai 2011 und der Auswertung der Arzneimitteldaten<br />
des 3./4. Quartals 2011 hatten die HQM-Ärzte kaum Zeit, ihre<br />
Verordnungen mit der HQM-Wirkstoffliste abzugleichen, so dass<br />
sich zwischen den zwei Controlling-Berichten kaum Veränderungen<br />
ergaben. Spätere Auswertungen waren nicht mehr möglich,<br />
da das HQM am 31. Mai 2012 endete.<br />
Die HQM-Wirkstoffliste mitsamt Controlling ist eine Erfolgsgeschichte,<br />
weil vor acht Jahren eine zwischen einer Krankenkasse<br />
und Ärzten vereinbarte „Positivliste“ gesundheitspolitisch ein „heißes<br />
Eisen“ und deshalb kaum denkbar war. Ihr Transfer in andere<br />
Versorgungsformen der <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg ist denkbar und<br />
möglich.<br />
Zu einer qualitativ hochwertigen hausärztlichen Versorgung zählen<br />
die Vertragspartner auch die regelmäßige Fortbildung der Ärzte<br />
und ihrer Praxisteams. Deshalb sollten die HQM-Ärzte jährlich an<br />
sechs Qualitätszirkeln nach KBV-Standard teilnehmen. Die Teilnahmequoten<br />
waren immer erfreulich hoch, nur sehr wenige HQM-<br />
Ärzte erfüllten in einzelnen Jahren diese Bedingungen nicht vollständig.<br />
Medizinische Themen standen in den Qualitätszirkeln eindeutig<br />
im Vordergrund. Spitzenreiter waren KHK, Diabetes mellitus,<br />
Asthma, Pharmakotherapie und die eingeführten DEGAM-<br />
Leitlinien.<br />
Administrative Themen wie Patientenführung, Praxismanagement,<br />
Praxishygiene, DMP-Organisation, Datenerhebung, Datenschutz<br />
41
und Konflikt-/ Stressmanagement wurden vorrangig in den Fortbildungsveranstaltungen<br />
der Praxisteams behandelt. Diese fanden<br />
immer zeitgleich mit den obligatorischen Netzkonferenzen der<br />
HQM-Ärzte statt. Dort unterrichtete das Netzmanagement die<br />
HQM-Ärzte zum Status quo der Modellumsetzung, beantwortete<br />
Fragen und diskutierte überwiegend HQM-bezogene, aber auch<br />
aktuelle gesundheitspolitische Themen wie Morbi-RSA,<br />
Kodierrichtlinien sowie hausarztzentrierte Versorgung mit der Ärzteschaft<br />
und <strong>AOK</strong>-Vertretern. Die HQM-Ärzte konnten hier ihre<br />
Mitstreiter kennenlernen, sich weiter vernetzen und ihre Kritik am<br />
HQM äußern, um dieses gemeinsam konstruktiv weiterzuentwickeln.<br />
Ein weiteres Element der HQM-Qualitätsstrategie war die vorzeitige<br />
Einführung eines internen Qualitätsmanagementsystems<br />
(QMS), z. B. EFQM, QEP in den HQM-Praxen. Praktisch umgesetzt<br />
wurde dies durch schriftliche Selbstbewertungen, Patienten-<br />
und Mitarbeiterbefragungen und Audits im 3-Jahres-Rhythmus, ergänzt<br />
durch ein Handbuch und regelmäßige Teambesprechungen.<br />
Als Anreiz wurde die beschleunigte QMS-Einführung finanziell honoriert.<br />
Da viele Praxen über ein QMS verfügten, wurde die Weiterentwicklung<br />
vom Netzmanagement parallelisiert, d.h. alle Praxen<br />
führten im gleichen Zeitraum die gleichen QMS-Bausteine<br />
durch. Dies hatte den Vorteil, dass die zentrale Datensammelstelle<br />
die Fragebögen für alle HQM-Praxen en bloc auswerten und die<br />
Netzergebnisse in den Netzkonferenzen rückkoppeln konnte. Die<br />
HQM-Praxen hatten weniger Arbeit und einen gewissen Zeitdruck<br />
für notwendige administrative Aufgaben. Gleichzeitig erfüllten sie<br />
problemlos die vom Gesetzgeber gesetzten Zeitvorgaben und sie<br />
profitierten früher von den daraufhin eingeführten Verbesserungen<br />
in ihrer täglichen Arbeit.<br />
Die Netzmanager erläuterten und bewerteten im Qualitätsbericht<br />
den Status quo der Qualitäts-, Controlling- und Kommunikationsmaßnahmen<br />
des Vorjahres, benannten die Stärken und Schwächen<br />
im HQM und skizzierten die Aktivitäten des Folgejahres. Der<br />
Bericht gibt Vertragspartnern, HQM-Ärzten, HQM-Versicherten,<br />
aber auch der interessierten Fachöffentlichkeit Rechenschaft über<br />
die erreichte Versorgungsqualität und verschafft den Beteiligten<br />
sowie Interessierten eine neuartige Transparenz über das hausärztliche<br />
Versorgungsgeschehen im Modell.<br />
Dieser Palette an HQM-Qualitätsinstrumenten stehen elaborierte<br />
Anreiz- und Wirtschaftlichkeitskomponenten gegenüber, die im<br />
nächsten Punkt beschrieben und beurteilt werden.<br />
Betriebswirtschaftliche Steuerungsinstrumente<br />
Die Entwicklung und Implementierung der vielen komplexen Qualitäts-<br />
und Controllinginstrumente machte die Einführung eines professionellen<br />
Projektsteuerungstools erforderlich. Mit der Balanced<br />
42
Scorecard (BSC) fand die <strong>AOK</strong>-Hauptverwaltung ein geeignetes<br />
Werkzeug, das die wichtigsten strategischen Zielsetzungen des<br />
HQM aufnimmt und über Kennzahlen operationalisiert, um damit<br />
die HQM-Vertragsumsetzung zu messen. Die Festlegung von Ziel-<br />
Werten und deren Abgleich mit den erreichten Ergebnissen ermöglichte<br />
die Berechnung von Zielerreichungsgraden, die zu einem<br />
Gesamt-Zielerreichungsgrad subsumiert den Status quo des<br />
HQM auf einen Blick anzeigte.<br />
Die Entwicklung der HQM-BSC mit der Definition der richtigen Ziele<br />
und der Suche nach passenden, messbaren Kennzahlen erforderte<br />
anfangs sehr viel Diskussion, Aufwand und Mühe. Der Anfangsfehler,<br />
zu viele Kennzahlen festzulegen, deren Messung viele<br />
Ressourcen kostete oder die nicht so aussagekräftig waren wie<br />
erhofft, wurde durch die sukzessive Streichung von Kennzahlen<br />
revidiert. Dies zahlte sich im Laufe von fünf Jahren aus, da die<br />
BSC handlicher wurde, besser den Bedürfnissen des HQM entsprach<br />
und dadurch als pragmatisches, nützliches Steuerungswerkzeug<br />
bis Modellende in Gebrauch war. Nicht zuletzt förderte<br />
dies die BSC-Akzeptanz und die weitere Verwendung dieses<br />
Werkzeugs auch in anderen Führungsbereichen bei der <strong>AOK</strong>.<br />
Der HQM-Vertrag schafft zusätzliche, eigenständige und wichtige<br />
Management- und Organisationsaufgaben auf der Netzebene, ohne<br />
deren Bewältigung die ambitionierten HQM-Ziele nicht erreichbar<br />
sind. So wurden als Managementmessgrößen Allgemeine<br />
Qualitätsindikatoren installiert, die vom <strong>AOK</strong>-Bundesverband und<br />
dem AQUA-Institut entwickelt und neben dem Hausarztmodell<br />
Rhein-Neckar auch im HQM getestet wurden. Die gewonnenen<br />
Erkenntnisse flossen in das QISA-Qualitätsindikatorensystem ein,<br />
das im Juni 2009 veröffentlicht wurde.<br />
Die über sieben Jahre damit gemessenen Ergebnisse sind ausgesprochen<br />
zufriedenstellend. Die Versicherten- und Ärztefluktuation<br />
bewegte sich immer auf niedrigem Niveau, wobei die Erhebung<br />
der Versichertenfluktuation immer sehr ressourcenintensiv war, da<br />
die automatische Eröffnung und Beendigung der <strong>AOK</strong>-Mitgliedschaft<br />
z. B. bei Arbeitslosengeldbeziehern überwacht und die<br />
HQM-Teilnahme entsprechend manuell angepasst werden musste.<br />
Bei schriftlicher Kündigung der HQM-Teilnahme wurden die<br />
Gründe telefonisch erfragt, um Hinweise auf Schwachpunkte im<br />
HQM zu erhalten. Die Versicherten- und Arztzufriedenheit wurde in<br />
drei bzw. zwei Befragungen durch die Evaluatoren umfassend<br />
schriftlich erhoben und ausgewertet, was das Netzmanagement<br />
hier sehr entlastete. Fast alle Versicherten waren mit dem HQM<br />
sehr zufrieden; dies war bei den Ärzten nicht so ausgeprägt. 2<br />
2 Zweiter Zwischenbericht der Wissenschaftlichen Begleitung, S. 61 und Vierter Zwischenbericht, S. 69: Auf<br />
einer positiv gepolten Skala von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut) bewerteten die Ärzte das HQM 2006 mit<br />
3,5 und 2008 mit 3,7 Punkten, also eher positiv.<br />
43
Dennoch waren die QZ- und Netzkonferenz-Teilnahmequoten mit<br />
durchweg über 90 bzw. über 82 Prozent hoch, was eventuell auch<br />
an der finanziellen Sanktionierung bei unentschuldigtem Fernbleiben<br />
lag.<br />
Diese Ergebnisse, die Zahl der DMP-/ Präventionskurs-<br />
Teilnahmen, die Teilnahmequoten der HQM-Ärzte an anderen<br />
Versorgungsverträgen der <strong>AOK</strong> (z. B. HZV) und die Entwicklung<br />
der HQM-Zusatzvergütungen wurden kontinuierlich und umfassend<br />
in den halbjährlichen HQM-Vertragscontrolling-Berichten<br />
festgehalten. So waren die Projektgremien und das Netzmanagement<br />
zeitnah imstande, Fehlentwicklungen im HQM aufzudecken<br />
und Gegenmaßnahmen zu ergreifen.<br />
Wie aus den bisherigen Ausführungen hervorgeht, verlangte der<br />
HQM-Vertrag den Teilnehmenden zusätzliche Aufgaben ab, was<br />
sich in vertraglich vereinbarten finanziellen Anreizen niederschlug:<br />
Bei HQM-Versicherten entfiel die Praxisgebühr, die HQM-Ärzte erhielten<br />
für die Einschreibung inklusive Untersuchung, die Betreuung<br />
der Versicherten sowie für die Umsetzung der Qualitätsinstrumente<br />
pauschale Zusatzvergütungen. Auch die Netzmanagement-Aufgaben<br />
wurden finanziell honoriert. Dass die monetären<br />
Anreize wichtig waren, bestätigten die schriftlichen Befragungen.<br />
Über 70 Prozent der befragten HQM-Versicherten gaben an, dass<br />
die Einsparung der Praxisgebühr ein wichtiges Teilnahmemotiv<br />
war. Auch die antwortenden HQM-Ärzte sahen ihre HQM-<br />
Erwartungen vielfach hinsichtlich der finanziellen Vorteile aber<br />
auch der Qualitätsstandards erfüllt. Das HQM-Vergütungssystem<br />
ermöglichte gerade noch so eine zeitnahe, manuelle und praktikable<br />
Quartalsabrechnung. Die „Leistung-folgt-der-Vergütung“-<br />
Strategie zog allerdings einen insgesamt sehr hohen<br />
Controllingaufwand (z. B. Vollständigkeits-/ Plausibilitätsprüfung<br />
für Präventionsdaten) nach sich.<br />
Wurden Vertragsaufgaben nicht ganz bzw. nicht erfüllt, behielt das<br />
Netzmanagement die Zusatzvergütung teilweise oder komplett ein.<br />
Die Sanktionsmaßnahmen wurden im HQM-Projektbeirat beraten<br />
und beschlossen. Diese stießen anfangs zwar vereinzelt auf Kritik,<br />
wurden im Laufe der Zeit aber akzeptiert, denn sie „belohnte“ die<br />
engagierten und „motivierte“ die weniger aktiven Ärzte. Modellausschlüsse<br />
bei HQM-Ärzten und HQM-Versicherten waren vertraglich<br />
vorgesehen, wurden aber nicht praktiziert. Durch die komplette<br />
Umverteilung der Zusatzvergütungen an die HQM-Ärzte fehlte<br />
dem Netzmanagement ein eigenes Budget für Netzinvestitionen<br />
(z. B. IT). Mit Einführung eines Innovationsfonds, der sich aus den<br />
einbehaltenen Zusatzvergütungen speiste, wurde dieses Manko in<br />
der zweiten Modellhälfte behoben.<br />
Das bedeutendste betriebswirtschaftliche Instrument war die Erprobung<br />
der Übernahme der ökonomischen Ergebnisverantwortung<br />
durch die HQM-Ärzte. Zu diesem Zweck investierten die <strong>AOK</strong><br />
44
Baden-Württemberg und der <strong>AOK</strong>-Bundesverband erhebliche Finanzmittel<br />
und Ressourcen in Informationstechnologie und den<br />
Aufbau von Know-how. Die Ergebnisverantwortung besteht aus<br />
zwei Elementen: das virtuelle Netzbudget (Soll-Größe), das die<br />
Ausgaben eines Teils bzw. aller Sektoren (Gesamtbudget) deckt<br />
und das Netzbudget-Controlling (Ist-Ausgaben) zum laufenden<br />
Monitoring und zur Spitzabrechnung. Sind die Ausgaben niedriger<br />
als das Netzbudget, resultiert ein Gewinn, der zwischen den Vertragspartnern<br />
geteilt wird.<br />
Für die Bestimmung des Netzbudgets musste zuvor eine praktikable<br />
Berechnungsmethode gefunden werden. Die Universität Erlangen-Nürnberg<br />
erhielt deshalb den Auftrag, eine Capitation-<br />
Kalkulationsmethode - auf Basis von <strong>AOK</strong>-Routinedaten - zu entwickeln<br />
und Capitation-Beträge für die HQM-Versicherten zu berechnen,<br />
aus denen die <strong>AOK</strong> das HQM-Netzbudget kalkulieren<br />
konnte. Die <strong>AOK</strong> entschied, die Ergebnisverantwortung 2007 zuerst<br />
im Modell Rhein-Neckar einzuführen. Als der Gesetzgeber<br />
Ende 2008 den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich einführte,<br />
der die GKV-Finanzierung auf völlig neue Grundlagen stellte,<br />
entfielen die Grundlagen für das Capitation-Modell, so dass die<br />
<strong>AOK</strong> gezwungen war, eine neue Rechenmethodik für dieses Instrument<br />
zu entwickeln. Auch deshalb stockte die Umsetzung der<br />
Ergebnisverantwortung im HQM. Erst Anfang 2011 schlossen die<br />
Vertragspartner eine Zielvereinbarung zur Übernahme der ökonomischen<br />
Ergebnisverantwortung.<br />
Diese war nur mit Hilfe geeigneter Hard- und Software umsetzbar.<br />
Die <strong>AOK</strong> beauftragte deshalb den Aufbau einer gesonderten Datenbank,<br />
in der die Routinedaten der HQM-Versicherten in<br />
pseudonymisierter Form vorgehalten wurden. Zusätzlich wurden<br />
für die Versichertenverwaltung, die Netzbudgetberechnung und -<br />
kontrolle Programme entwickelt. Die Investitionskosten übernahm<br />
der <strong>AOK</strong>-Bundesverband, um die Software allen <strong>AOK</strong>s zugänglich<br />
zu machen. Dies erforderte eine umfangreiche Qualitätssicherung<br />
der Anwendungen und Testung der Programme. Dabei war die<br />
<strong>AOK</strong> Baden-Württemberg stark involviert und investierte sehr viel<br />
Zeit in die Prüfungen.<br />
Der Aufwand lohnte sich jedoch, da damit erst die aggregierten<br />
netz- und praxisbezogenen Controllingberichte generiert und die<br />
notwendigen pseudonymisierten Daten für die Evaluation selektiert<br />
werden konnten.<br />
Mit diesen Quartals-Berichten erhielten das Netzmanagement auf<br />
Netz- und die HQM-Ärzte auf Praxisebene einen tieferen Einblick<br />
in die wirtschaftlichen Folgen der HQM-Leistungsverordnungen;<br />
dies ist für eine Kostensteuerung ohne Qualitätseinbußen elementar.<br />
Dass diese gelingen kann zeigt der sechste HQM-Evaluationsbericht<br />
(S. 34). In der Kosten- und Leistungsdatenanalyse 2009,<br />
die die Gesamtausgaben der HQM-Versicherten mit den Gesamt-<br />
45
ausgaben einer strukturähnlichen Kontrollgruppe verglich, hatte<br />
die Kontrollgruppe fast 3 Millionen Euro Mehrausgaben als die<br />
HQM-Modellgruppe. Dies zeigt, dass die im HQM praktizierte umfassende,<br />
nachhaltige Kostensensibilisierung von Erfolg gekrönt<br />
war und die HQM-Ärzte in 2009 erhebliche Einsparungen erwirtschaftet<br />
haben. Die parallel dazu durchgeführte Qualitätsorientierung<br />
erreichte eine hohe Behandlungsqualität, die mit Qualitätsindikatoren<br />
gemessen und somit gesichert wurde.<br />
Diese Strategie erzielt nur dann langfristig breite Akzeptanz, wenn<br />
die maßgeblichen Datenschutzgrundsätze penibel eingehalten<br />
werden. Wegweisend war die Entwicklung eines neuen IT-<br />
Verfahrens, das Versichertendaten diverser Datenbanken über ein<br />
Merkmal verknüpft und diese in pseudonymisierter Form speichert.<br />
Der Zugang zu den Daten wird über spezielle datenschutzkonforme<br />
Zugriffsrechte geregelt. Das im HQM praktizierte Datenmanagement<br />
und Controlling wurde im Datenschutz- und Controlling-<br />
Konzept schriftlich fixiert.<br />
Die umfangreichen Controlling- und Evaluationsergebnisse geben<br />
einen tiefen Einblick in das qualitative und quantitative Versorgungsgeschehen<br />
im HQM. Diese Transparenz wird nur von ganz<br />
wenigen Versorgungsprojekten im deutschen Gesundheitswesen<br />
erreicht bzw. übertroffen.<br />
Kommunikation und Kooperation<br />
Die Bewältigung der vielen HQM-Aufgaben erfordert eine strukturierte<br />
Information, Kommunikation und Kooperation aller Beteiligten.<br />
Die HQM-Versicherten erhielten eine Patientenakte für HQM-<br />
Unterlagen, Arzt- und Krankenhausberichte. Zur Information von<br />
Fachärzten wurden im Patientenpass Anamnese, Allergien, Impfungen,<br />
Präventionsplan, Dauerdiagnosen und Medikation festgehalten.<br />
Die letzte Versichertenbefragung offenbarte, dass 53 % der<br />
HQM-Versicherten die Patientenakte und knapp 60 % den Patientenpass<br />
für wichtig erachteten und 30 % letzteren zu Arztbesuchen<br />
mitnahmen. Das Ziel, einen umfassenden akteursübergreifenden<br />
Informationsaustausch innerhalb des HQM zu etablieren, wurde<br />
nicht ganz erreicht. Vielleicht hätte eine intensivere Werbung durch<br />
die <strong>AOK</strong> und regelmäßige Nachfrage der HQM-Ärzte den Bekanntheits-<br />
und Nutzungsgrad des Passes steigern können.<br />
Das Netzmanagement richtete für teilnehmende Versicherte und<br />
Ärzte eine HQM-Homepage ein. Sie erläuterte das HQM, listete<br />
die teil-nehmenden HQM-Ärzte und aktuellen Präventionskurse<br />
auf und stellte die jährlichen Qualitätsberichte zum Download bereit.<br />
In einem internen Bereich konnten die Ärzte weitere Konzepte,<br />
Protokolle, Evaluations- und sonstige Ergebnisse einsehen und<br />
ihre besuchten Qualitätszirkel online dokumentieren. Der Internet-<br />
Auftritt erreichte über die Jahre gute Zugriffszahlen, insbesondere<br />
die Ärzteliste und die Kurstermine stießen auf breites Interesse.<br />
46
Die Netzmanager erstellten monatlich einen kurzen HQM-<br />
Rundbrief, der per E-Mail an die Ärzte versandt wurde. Er informierte<br />
zeitnah über IVM-Portal-Updates, Projektbeiratsbeschlüsse,<br />
Vergütungsaspekte und erinnerte häufig auch an<br />
Termine, z. B. für QZ-Meldungen, Datenlieferungen, Netzkonferenzen<br />
oder die Rückgabe von Fragebögen. Da der Rundbrief<br />
nicht immer gleich gelesen und die Praxisteams darüber informiert<br />
wurden, kam es teilweise zu vermehrten Nachfragen beim Netzmanagement.<br />
Dennoch förderte der Rundbrief den regelmäßigen<br />
Kontakt zwischen HQM-Praxen und Netzmanagerin und vereinfachte<br />
die kollektive Aufgabendurchführung.<br />
Die Vertragspartner betrieben die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />
zurückhaltend, da die Presse dem HQM anfangs kritisch gegenüberstand<br />
und die Ressourcen knapp waren. Deshalb sind das<br />
HQM und seine unbestritten sehr guten Ergebnisse in der Fachöffentlichkeit<br />
nicht so bekannt wie sein Schwestermodell Rhein-<br />
Neckar oder andere Versorgungsprojekte der <strong>AOK</strong> Baden-<br />
Württemberg.<br />
Das professionelle Projektmanagement der <strong>AOK</strong>-Hauptverwaltung<br />
und die gut funktionierende Projektorganisation mit paritätisch besetzten<br />
Gremien waren entscheidende Erfolgsfaktoren des HQM.<br />
Die Aufgaben, die Arbeitsweise und die Beschlussfassung des<br />
Projektbeirats und -teams regelten Geschäftsordnungen und bildeten<br />
so die Grundlage für eine systematische und strukturierte Arbeitsweise.<br />
Eine Besonderheit der Modellorganisation war die Position der<br />
hauptberuflichen Netzmanagerin, die ein Scharnier zwischen den<br />
Kooperationspartnern bildete und ihr Ohr nah bei den HQM-Ärzten<br />
und Praxisteams hatte. Die Rolle der HQM-Netzmanagerin war beratend,<br />
unterstützend, motivierend, koordinierend, aber - wo zur<br />
Zielerreichung nötig - auch kontrollierend und verbindlich. Durch<br />
ihre langjährige Tätigkeit in einer Hausarztpraxis verschaffte sich<br />
die Netzmanagerin sehr schnell eine hohe Akzeptanz bei den Ärzten<br />
und Teams. Bald war sie eine unverzichtbare Ansprechpartnerin<br />
bei organisatorischen und IT-bezogenen Fragen.<br />
Die Netzmanagerin sowie je ein Vertreter der QP GmbH und der<br />
<strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion Südlicher Oberrhein bildeten das Netzmanagement,<br />
das die HQM-Praxen bei der Datenerhebung und anderen<br />
HQM-Themen intensiv unterstützte und beriet. Wurden Aufgaben<br />
nicht wie erwartet erledigt, setzte das Netzmanagement die<br />
vom Projektbeirat beschlossenen Sanktionen konsequent um. Die<br />
Erfahrung zeigte, dass Verbindlichkeit stringent gelebt werden<br />
muss, vorausgesetzt die Konsequenz ist im Vorhinein klar und bekannt.<br />
Der kooperativ-verbindliche Führungsstil und die hohe Serviceorientierung<br />
trugen dem HQM-Netzmanagement Respekt und<br />
viel Sympathie von Seiten der HQM-Ärzte und ihrer Praxisteams<br />
ein.<br />
47
Der HQM-Vertrag sollte auch eine neue Kultur der Zusammenarbeit<br />
entwickeln. Dies war nicht so einfach, da zwei unterschiedliche<br />
Unternehmenskulturen aufeinander prallten. Eine stark arbeitsteilige<br />
und hierarchiegeprägte Administrationskultur eines<br />
Großunternehmens stieß auf ein Kleinunternehmen mit flachen<br />
Hierarchien und kurzen Kommunikations- und Entscheidungswegen.<br />
Erschwerend kam hinzu, dass die Projektteammitglieder an<br />
unterschiedlichen Orten arbeiteten und sich maximal einmal im<br />
Monat persönlich trafen, was die Teambildung hinauszögerte.<br />
Doch durch den HQM-Vertrag saßen die Vertragspartner im selben<br />
Boot und mussten bzw. wollten kooperieren. Nach einer längeren<br />
Kennerlernphase mit konstruktiven, aber auch kritischen<br />
Diskussionen sowie ersten Fortschritten wuchsen die Projektbeteiligten<br />
zu einem produktiven Team zusammen. Die Zusammenarbeit<br />
im HQM war geprägt durch eine offene Auseinandersetzung<br />
um Inhalte im Sinne der besten Lösung, transparente Prozesse<br />
und Entscheidungen, eine pragmatische Handlungsweise, Verlässlichkeit<br />
und gewachsenes Vertrauen zwischen den Vertragspartnern,<br />
flankiert von einem beidseitig praktizierten respektvollen,<br />
ergebnisorientierten Kommunikationsstil. Von Vorteil war sicherlich<br />
auch die hohe personelle Kontinuität im Projektteam, so dass das<br />
ganze Wissen und die Erfahrung bis zum Schluss im HQM verblieben,<br />
was eine gemeinsame und kontinuierliche Vertragsumsetzung<br />
sehr begünstigte.<br />
Schlussfolgerungen<br />
Die HQM-Vertragspartner haben bei der Weiterentwicklung der<br />
hausärztlichen Versorgung sehr viel erreicht. Dennoch haben sie<br />
sich z. B. auch die Verbesserung der geriatrischen Versorgung,<br />
die Förderung der Patienten-Compliance, die Schnittstellenoptimierung<br />
bei Anschlussrehabilitation und Pflege auf die Fahnen geschrieben.<br />
Weshalb wurde dies nicht erreicht? Das HQM und sein<br />
zeitgleich laufendes Schwestermodell waren Pionierprojekte, für<br />
die bei den Beteiligten kaum Erfahrung bezüglich des Managements,<br />
der Entwicklung der Instrumente, der dafür notwendigen<br />
Prozesse und der IT-Infrastruktur vorlag. Dies führte dazu, dass<br />
die Aufwände deutlich unterschätzt wurden. Zusätzlich startete die<br />
<strong>AOK</strong> parallel weitere innovative Versorgungsansätze (z. B. HZV),<br />
die ebenfalls Produktentwicklungskapazitäten banden. Deshalb<br />
steckte das HQM bis zuletzt im Dilemma einer äußerst ehrgeizigen<br />
Zielsetzung bei permanenter Ressourcenknappheit.<br />
Trotz dieses Zielkonflikts hat das HQM die Erwartungen der <strong>AOK</strong><br />
vollauf erfüllt. Die zwei Hausarztmodelle setzten Standards für alle<br />
nachfolgenden <strong>AOK</strong>-Versorgungsprojekte. Angefangen von der<br />
Lotsenfunktion des Hausarztes, einer apparativen und IT-Mindestausstattung<br />
der Arztpraxis, der DMP-Umsetzung, der obligatorischen<br />
Qualitätszirkel und Fortbildungen über die Einführung von<br />
Leitlinien, Patientenpässen, monatlichen Newslettern, der Nutzung<br />
der IT-Verfahren für Datenselektionen bis hin zur Evaluation der<br />
48
Projekte und der neuen Kultur der Zusammenarbeit sind dies alles<br />
Kernelemente, die zum Ende des HQM in regionalen IV-Projekten<br />
und überregionalen Selektivverträgen fest etabliert sind.<br />
Zu verdanken ist dies auch den vielen engagierten HQM-Ärzten<br />
und deren Praxisteams, die jahrelang aktiv und intensiv mitgearbeitet<br />
haben und vor allem bei der Präventionsdokumentation und<br />
dem Datenexport viel Geduld und Frustrationstoleranz zeigten. Sie<br />
setzten sowohl die Präventionsarbeit als auch die anderen medizinischen<br />
Instrumente tagtäglich um und wurden darin vom Netzmanagement<br />
tatkräftig unterstützt. Ohne das Herzblut aller Mitwirkenden<br />
hätte das HQM unter den gegebenen Bedingungen nicht<br />
so reüssiert.<br />
Ein Teil der HQM-Instrumente findet sich im Zukunftskonzept<br />
Primärversorgerpraxen (PVP). Dazu zählen partnerschaftliche<br />
Entscheidungsfindung (HQM: Präventionsberatung), Einbeziehung<br />
des Patienten in die Versorgung (HQM: Patientenbefragungen),<br />
Qualitätsförderung (HQM: Qualitätsbericht), Vergütungsreformen<br />
(HQM: Budgetverantwortung) und die Versorgungsforschungsförderung<br />
(HQM: Evaluationserfordernis). Die vollständige Umsetzung<br />
der PVP braucht noch Zeit, dennoch war das HQM ein wichtiges<br />
Forschungsfeld für die <strong>AOK</strong> Baden-Württemberg zur Förderung<br />
einer zukunftsorientierten medizinischen Versorgung im<br />
Südwesten.<br />
7.2 Stellungnahme der QP GmbH<br />
Es begann im Jahr 2000 in einer kleinen Runde. Damals wurde die<br />
Idee geboren, in der Kooperation mit qualitätsgesicherten Hausarztpraxen<br />
und der <strong>AOK</strong> und weiteren Anbietern im Gesundheitswesen,<br />
eine Verbesserung der Versorgung der Patienten zu erzielen<br />
unter Einhaltung von wirtschaftlichen Vorgaben ohne Qualitätsverlust.<br />
So wurde eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen <strong>AOK</strong><br />
und niedergelassenen Hausärzten entwickelt. Nach fast 4jähriger<br />
Entwicklungsphase und unzähligen Sitzungen, Workshops, Arbeitskreisen<br />
und auch heftigen Diskussionen u.a. mit der KV Südbaden,<br />
ist es uns gelungen, ein innovatives Modell zu erstellen.<br />
Lerneffekte während der Modellphase schlugen sich auch inhaltlich<br />
in der Ausgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung in<br />
Baden-Württemberg nieder.<br />
Dabei sind die Förderung der Prävention, die Implementierung von<br />
Leitlinien und Qualitätsindikatoren, sowie Bürokratieabbau und<br />
Zielvereinbarungen von besonderer Bedeutung.<br />
Ebenfalls wurden die Medizinischen Fachangestellten durch regelmäßige<br />
Fortbildungen mit eingebunden in den Qualitätsprozess.<br />
49
Während die Hausärzte durch dieses Modell eine Stärkung ihrer<br />
Position erreichten, erzielte die <strong>AOK</strong> durch dieses innovative Modell<br />
einen erheblichen Imagegewinn.<br />
Einsparungen gelangen nicht durch „Billigmedizin“, sondern durch<br />
eine Optimierung der Verordnungen und des Überweisungsverhaltens<br />
durch Vermeidung von unsinnigen Doppeluntersuchungen<br />
und Mehrfachverordnungen.<br />
Langfristig ist auch eine Vermeidung von überflüssigen Krankenhausaufenthalten<br />
sowie Einsparungen bei Heil- und Hilfsmitteln<br />
und der häuslichen Krankenpflege zu erwarten.<br />
Durch die konsequente Einschreibung in die Chronikerprogramme<br />
(DMP) wurde die Grundlage gelegt, Begleit- und Folgeerkrankungen<br />
im weiteren Verlauf zu vermindern und so auf lange Sicht mit<br />
dem vermiedenen Leiden der Patienten auch die Kosten zu vermeiden.<br />
Die Einführung eines individuellen Datenerfassungsmoduls in der<br />
Praxis - EDV (IVM Portal), sowie die Begleitung des Modells durch<br />
einen Netzmanager/eine Netzmanagerin waren neue Erfahrungen<br />
im hausärztlichen Arbeitsprozess.<br />
Das Netzmanagement, sowie die regelmäßigen individuellen Qualitätszirkel<br />
und Netzkonferenzen führten zu einer besseren Kooperation<br />
unter den beteiligten Ärzten/innen und einem neuen „Wir-<br />
Gefühl“.<br />
Zusammenfassend können wir feststellen, dass alle Beteiligten viel<br />
Zeit und „Herzblut“ in das HQM Südbaden investiert haben.<br />
Wir sind sicher, dass wir durch dieses Modell einen entscheidenden<br />
Beitrag leisten konnten zur Stärkung und Finanzierung der<br />
Hausarztmedizin, zur Verbesserung der Kooperation mit unserem<br />
Vertragspartner und zur Sicherung einer qualitativen Patientenbetreuung.<br />
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8 Ausblick<br />
Das Hausarztmodell Südbaden weist, ebenso wie sein Schwestermodell<br />
Rhein-Neckar, mit seiner regional ausgeprägten Struktur<br />
ein starkes und spezifisches Profil auf. Es gewährleistet nicht nur<br />
eine funktionierende Kooperation zwischen <strong>AOK</strong>-Bezirksdirektion<br />
und Netzpraxen, sondern erlaubt auch, innovative Aspekte der<br />
hausarztzentrierten Versorgung in ihrer Tiefe zu erproben. Das<br />
Modell stellt deshalb ein qualifiziertes Forschungs- und Entwicklungsfeld<br />
für die flächendeckende hausarztzentrierte Versorgung<br />
dar. Umso mehr sollte seine Innovationskraft und der von ihm<br />
ausgehende Erfahrungstransfer nach außen getragen werden.<br />
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