SiG64 als pdf - Attac Berlin
SiG64 als pdf - Attac Berlin
SiG64 als pdf - Attac Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Werner Rügemer<br />
Managergehälter begrenzen?<br />
Über die Angst, dem gegenwärtigen Kapitalismus in die Augen zu sehen<br />
Nicht nur Oskar Lafontaine von der Linken<br />
und nun auch der DGB fordern eine Begrenzung<br />
der hohen Einkommen der Unternehmensvorstände.<br />
Selbst wirtschaftsfreundliche<br />
CDU-Ministerpräsidenten,<br />
Bundesinnenminister Schäuble und nun<br />
sogar Bundespräsident Köhler sehen sich zu<br />
der Forderung gezwungen: Im Interesse des<br />
sozialen Friedens muss notfalls der Staat<br />
eingreifen.<br />
Möglicherweise ist das, im besten Falle, gut<br />
gemeint. Doch es geht an der kapitalistischen<br />
Realität vorbei und gerät bei den<br />
Verteidigern der neoliberalen Praktiken zur<br />
Demagogie.<br />
Die Empörung, die Wut, die Kritik, der<br />
Zorn in großen Teilen der Bevölkerung, der<br />
eine rigide Spar- und Lohnsenkungspolitik<br />
auf genötigt wird, richtet sich nicht mehr<br />
nur gegen die selbst bestimmten Einkommen<br />
der Abgeordneten, sondern inzwischen<br />
verstärkt auch gegen die viel höheren Einkommen<br />
der Spitzenmanager von Banken<br />
und großen Aktiengesellschaften.<br />
Die 20 Millionen Euro Jahreseinkommen<br />
des Vorstandssprechers der Deutschen<br />
Bank, Josef Ackermann („mein Einkommen<br />
liegt so zwischen 15 und 20 Millionen Euro<br />
im Jahr“, sagte er beim Mannesmann-<br />
Prozess aus), sind ein häufig wiederholter<br />
Aufhänger öffentlicher Kritik. Das scheint<br />
nahe liegend, denn Ackermanns Einkommen<br />
beträgt mehr <strong>als</strong> das Hundertfache des<br />
Einkommens eines Bundestagsabgeordneten.<br />
Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich<br />
die Kritik <strong>als</strong> naiv, harmlos, ablenkend.<br />
Fangen wir bei den peanuts an. Die öffentlich<br />
ausgewiesenen Einkommen der Topmanager<br />
sind ein immer geringerer Teil<br />
ihrer tatsächlichen Einkommen. Aktienoptionen,<br />
<strong>als</strong>o vom Unternehmen subventionierte<br />
Aktienkäufe, vom Unternehmen<br />
bezahlte Wohnungen, Autos, Handys, Golfclubgebühren,<br />
Versicherungen, Pensionsansprüche,<br />
Abfindungen kommen hinzu.<br />
Das ist aber keineswegs alles. Im Geschäftsbericht<br />
der Deutschen Bank stehen<br />
neben dem Einkommen Ackermanns nicht<br />
die Tantiemen, die er aus seinen verschiedenen<br />
Aufsichtsratsposten bei VW, Siemens<br />
und so weiter bezieht. Von Karstadt/ Quelle-Vorstandschef<br />
Middelhoff etwa ist bekannt,<br />
dass er Miteigentümer diverser Immobilienfonds<br />
wie der Kölner Messehallen<br />
oder von Kaufhäusern des eigenen Konzerns<br />
ist: Diese Einkommen stehen auch<br />
nicht im Geschäftsbericht seines Unternehmens.<br />
Die Topmanager und ihre Anwälte<br />
und Steuerberater haben viel Mühe darauf<br />
verwendet, die Publizitätspflichten im anachronistisch<br />
gewordenen Aktiengesetz zu<br />
unterlaufen.<br />
Aber bekanntlich sind die Mitglieder eines<br />
Unternehmensvorstands ja nur die Angestellten<br />
der Eigentümer. Da müßte doch<br />
auch die Frage auftauchen: Wieviel verdienen<br />
eigentlich die Großaktionäre und<br />
warum?<br />
Nehmen wir einige Beispiele für das Jahr<br />
2005: Johanna Klatten erhielt aus ihrem<br />
Aktienpaket bei BMW und Altana 127<br />
Millionen Euro Dividende, Stefan Quandt<br />
70 Millionen, Johanna Quandt 67 Millionen,<br />
Otto Beisheim von Metro 62 Millionen,<br />
Familie Mohn 40 Millionen, Friede Springer<br />
30 Millionen und so weiter und so fort.<br />
Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass es<br />
sich bei den genannten Summen nur um die<br />
Dividenden-Ausschüttungen der großen<br />
Aktienpakete bei BMW, Metro, Bertelsmann<br />
und Springer-Verlag handelt, pro<br />
Jahr. Gleichzeitig haben die Genannten<br />
weitere Millionen-Einkommen aus den<br />
Geldanlagen, die sie aus den früheren Dividenden<br />
und anderem Vermögen gebildet<br />
haben.<br />
Die Kritik der kümmerlichen Großeinkommen<br />
der Ackermänner tut so, <strong>als</strong> lebten wir<br />
noch im shareholder value-Kapitalismus.<br />
Doch die große Zeit der bisherigen Aktiengesellschaften<br />
und ihrer Großaktionäre<br />
und Vorstände ist längst vorbei.<br />
Die hohen Gewinne werden heute von anderen<br />
gemacht. Schon in den Banken selbst<br />
sind die Vorstände nicht mehr die Großverdiener.<br />
Ein Mehrfaches des Ackermann-<br />
Einkommens verdienen die Mitglieder der<br />
Spezialteams „Mergers & Acquisitions“,<br />
auch bei der Deutschen Bank, die die großen<br />
Unternehmensfusionen arrangieren.<br />
Doch diese Einkommen werden in den<br />
Geschäftsberichten nicht veröffentlicht,<br />
denn das Aktiengesetz schreibt eben nur die<br />
Veröffentlichung der Gehälter der Vorstandsmitglieder<br />
vor.<br />
Den Ton in Finanz- und Wirtschaftswelt<br />
geben heute Unternehmen an, die keine<br />
Aktiengesellschaften sind, zum Beispiel<br />
Hedgefonds und Private Equity-Fonds.<br />
Sie haben nur ein paar Dutzend Manager,<br />
die gleichzeitig Eigentümer sind. Ihre Einkommen<br />
unterliegen keiner Publizitätspflicht,<br />
ihre juristischen Sitze sind auf die<br />
Finanzoasen dieser Welt zwischen den<br />
Cayman Islands und der englischen Kanalinsel<br />
Guernsey verkauft. Gleichzeitig ist<br />
bekannt, dass hier ein Mehrfaches dessen<br />
verdient wird, was die kritisierten Ackermänner<br />
und die nicht kritisierten Quandts<br />
nach Hause tragen. 500 Millionen Euro im<br />
Jahr sind keine Seltenheit.<br />
Und die Folgen der Spekulationen dieser<br />
Eigentümer-Manager und der von ihnen<br />
organisierten Ausschlachtung von aufgekauften<br />
Unternehmen bedrohen die Si-<br />
Sand im Getriebe Nr.64 Seite 27<br />
cherheit und die Arbeitsplätze von Millionen<br />
Menschen. Der Private Equity-<br />
Investor Blackstone hat bekanntlich schon<br />
mit seinem 5-Prozent-Anteil bei der Telekom<br />
bewirkt, dass 50.000 Beschäftigte<br />
ausgelagert und schlechter bezahlt werden<br />
und demnächst sowieso an die Luft gesetzt<br />
werden sollen.<br />
Und Blackstone-Chef Schwartzmann gab<br />
der New Yorker Börsenaufsicht für 2006<br />
ein Gehalt von 398 Millionen US-Dollar<br />
an: Das ist mehr <strong>als</strong> alle Vorstandschefs<br />
der 30 deutschen DAX-Unternehmen<br />
zusammen, Josef Ackermann eingeschlossen.<br />
Übrigens: Wer sich prinzipiell gegen<br />
Höchstlöhne wehrt, wehrt sich auch gegen<br />
Mindestlöhne. Professor Wolfgang Wiegard,<br />
ein sog. „Wirtschaftsweiser“, der<br />
von der Bundesregierung berufen wurde,<br />
erklärt uns: „Der Staat soll sich aus der<br />
Preisbildung auf funktionierenden Märkten<br />
heraushalten!“ Mindestlöhne würden<br />
das Funktionieren von Märkten stören,<br />
Höchstlöhne ebenfalls. Nach dieser menschenverachtenden<br />
Lehre funktionieren<br />
Märkte <strong>als</strong>o dann, wenn die einen ein<br />
Milliardeneinkommen haben und andere<br />
<strong>als</strong> Tagelöhner verhungern.<br />
Wer aber die Einkommen der Manager<br />
begrenzen will, die Einkommen ihrer<br />
Herren und der neuen Großspekulanten<br />
jedoch nicht einmal erwähnt, der mogelt<br />
sich und uns an der Wirklichkeit vorbei.<br />
Angst, Unkenntnis und Demagogie sind<br />
keine Ratgeber, auf die wir hören sollten.<br />
http://www.wirtschaftsverbrechen.de/BCC-<br />
Magazin/BC_aktuell/bc_aktuell.html<br />
„Heuschrecken" im öffentlichen<br />
Raum (Erscheint im März 2008)<br />
Das Prinzip des in England entwickelten Public<br />
Private Partnership (PPP) gilt in der EU und auch<br />
in Deutschland <strong>als</strong> neues Heilmittel gegen Staatsverschuldung<br />
und Investitionsstau. Dabei übernimmt<br />
der Investor nicht nur den Bau etwa einer<br />
Schule, einer Straße oder einer Entsorgungsanlage,<br />
sondern auch Planung, Finanzierung und langfristigen<br />
Betrieb, während die öffentliche Hand im<br />
Gegenzug 20 bis 30 Jahre lang eine Miete zahlt.<br />
Neben den Merkmalen und bisherigen Ergebnissen<br />
in England bietet dieses Buch Falldarstellungen<br />
über Akteure, Lobbyisten-Netzwerke und Gesetze<br />
in Deutschland. Charakteristika von PPP, die den<br />
Medien, Abgeordneten und Stadträten üblicherweise<br />
vorenthalten bleiben, werden offengelegt:<br />
Geheimhaltungspflichten, Wirtschaftlichkeitsvergleich,<br />
Auch die betriebs- und volkswirtschaftlichen<br />
Folgen auf nationaler sowie auf EU-Ebene<br />
werden erstm<strong>als</strong> zusammenfassend dargelegt.<br />
Werner Rügemer (Dr. phil.), Philosoph und Publizist,<br />
ist Lehrbeauftragter an der Universität Köln<br />
und Vorsitzender von Business Crime Control.<br />
www.werner-ruegemer.de