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Hamburger Briefkopf - in S/W mit Gesamtinhalt

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Freie und Hansestadt Hamburg<br />

Behörde für Wissenschaft und Forschung<br />

Behörde für Wissenschaft und Forschung, Postfach 76 01 07<br />

D - 22051 Hamburg<br />

An die öffentlichen Hochschulen<br />

der Freien und Hansestadt Hamburg<br />

U-Bahn U 2 – Haltestellen:<br />

Mundsburg oder <strong>Hamburger</strong> Straße<br />

Hochschulamt<br />

B<br />

B2<br />

Hausadresse:<br />

<strong>Hamburger</strong> Straße 37<br />

D – 22083 Hamburg<br />

Telefon 040 – 428 63 – 0/ - 2290<br />

Telefax 040 – 4 279 75 - 148<br />

Behördennetz 0 . 428 63<br />

Ansprechpartner: Herr Schaefer<br />

Zimmer 518<br />

Internet: www.bwf.hamburg.de<br />

E-Mail: peer.schaefer@bwf.hamburg.de<br />

Aktenzeichen (bei Antworten bitte angeben)<br />

Gz.: B2<br />

Hamburg, den 27. Dezember 2010<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den §§ 90, 91 des Hamburgischen<br />

Hochschulgesetzes vom 20. Juli 2010, bekannt gegeben am 7. Dezember 2010 (1 BvR<br />

748/06)<br />

Auf Grund der Verfassungsbeschwerde e<strong>in</strong>es <strong>Hamburger</strong> Hochschullehrers hat das Bundesverfassungsgericht<br />

durch Beschluss vom 20. Juli 2010, bekannt gegeben am 7. Dezember<br />

2010 (1 BvR 748/06), entschieden, dass § 90 Absatz 1 Satz 3, Absatz 4 Satz 2 und<br />

3 sowie Absatz 5 Nummer 1, Nummer 2, 1. Alternative und Nummer 7, § 91 Absatz 2 des<br />

Hamburgischen Hochschulgesetzes vom 18. Juli 2001 (HmbGVBl. S. 171, zuletzt geändert<br />

am 6. Juli 2010, HmbGVBl. S. 473) <strong>mit</strong> Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes unvere<strong>in</strong>bar<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Dieses Rundschreiben erläutert Inhalt, Gründe und Folgen der Entscheidung. Es wird gebeten,<br />

das Rundschreiben <strong>in</strong> geeigneter Form <strong>in</strong> den Hochschulen bekannt zu machen.<br />

Im E<strong>in</strong>zelnen weist die Behörde für Wissenschaft und Forschung klarstellend auf das Folgende<br />

h<strong>in</strong>:<br />

1. Bedeutung und Reichweite der Entscheidung<br />

Gegenstand der Entscheidung s<strong>in</strong>d die §§ 90, 91 des Hamburgischen Hochschulgesetzes<br />

(HmbHG), die das Verhältnis von Dekanat und Fakultätsrat zue<strong>in</strong>ander sowie die jeweiligen<br />

Zuständigkeiten regeln. Die Entscheidung ist daher für die Fakultäten der Universität Hamburg<br />

und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg bedeutsam. Das Verhältnis<br />

von Hochschulrat, Hochschulsenat und Präsidium zue<strong>in</strong>ander sowie die jeweiligen<br />

Zuständigkeiten dieser Organe s<strong>in</strong>d nicht Gegenstand der Entscheidung. Die Technische<br />

Universität Hamburg-Harburg, die HafenCity Universität Hamburg - Universität für Baukunst


und Metropolenentwicklung, die Hochschule für bildende Künste Hamburg sowie die Hochschule<br />

für Musik und Theater Hamburg s<strong>in</strong>d daher von der Entscheidung nicht betroffen.<br />

Der § 92 HmbHG war ebenfalls nicht Gegenstand der Entscheidung.<br />

2. Tragende Gründe der Entscheidung<br />

In der Begründung der Entscheidung geht das Bundesverfassungsgericht zunächst davon<br />

aus, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung der <strong>in</strong>neren Struktur der Hochschulen über<br />

e<strong>in</strong>en weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht an<br />

überkommene hochschulorganisatorische Strukturen gebunden und darf neue Modelle und<br />

Steuerungstechniken entwickeln und erproben. Zum Schutz der durch Artikel 5 Absatz 3<br />

Satz 1 des Grundgesetzes geschützten Wissenschaftsfreiheit muss jedoch durch organisatorische<br />

Regelungen sichergestellt se<strong>in</strong>, dass die Träger der Wissenschaftsfreiheit durch<br />

ihre Vertreter <strong>in</strong> Hochschulorganen Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit abwehren und<br />

ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der Wissenschaftsfreiheit <strong>in</strong> die Hochschule<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können.<br />

Diesen Anforderungen genügen § 90 Absatz 1 Satz 3, Absatz 4 Satz 2 und 3 sowie Absatz<br />

5 Nummer 1, Nummer 2, 1. Alternative und Nummer 7, § 91 Absatz 2 HmbHG nicht. Dabei<br />

hat das Gericht jedoch ausgeführt, dass nicht bestimmte e<strong>in</strong>zelne Zuständigkeiten gegen<br />

Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes verstoßen, sondern das durch die verschiedenen<br />

Regelungen entstehende „Gesamtgefüge“. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht<br />

geh<strong>in</strong>dert, dem Leitungsorgan umfangreiche Kompetenzen auch <strong>in</strong> Bereichen <strong>mit</strong> Wissenschaftsbezug<br />

e<strong>in</strong>zuräumen. Das Gericht weist sogar darauf h<strong>in</strong>, dass von Kollegialorganen<br />

getroffene Allokationsentscheidungen wegen fehlender personaler Verantwortungszuweisung<br />

und mangelnder Distanz zum Entscheidungsgegenstand zu e<strong>in</strong>er Gefährdung der<br />

Wissenschaftsfreiheit führen können. Die Zuweisung entsprechender Kompetenzen an Leitungsorgane<br />

muss jedoch h<strong>in</strong>reichend kontrolliert und umgrenzt werden. Je stärker der Gesetzgeber<br />

das Leitungsorgan <strong>mit</strong> diesen Kompetenzen ausstattet, desto stärker muss er im<br />

Gegenzug die direkten oder <strong>in</strong>direkten Mitwirkungs-, E<strong>in</strong>fluss-, Informations- und Kontrollrechte<br />

der Kollegialorgane ausgestalten.<br />

E<strong>in</strong>e solche Stärkung der Mitwirkungs-, E<strong>in</strong>fluss-, Informations- und Kontrollrechte des Fakultätsrates<br />

sieht der seit dem 9. November 2010 im Beteiligungsverfahren bef<strong>in</strong>dliche Gesetzentwurf<br />

der Behörde bereits vor (siehe unten Abschnitt 4).<br />

3. Rechtsfolgen der Entscheidung<br />

Das Gericht hat die angegriffenen Regelungen nicht für nichtig erklärt. Die § 90 Absatz 1<br />

Satz 3, Absatz 4 Satz 2 und 3 sowie Absatz 5 Nummer 1, Nummer 2, 1. Alternative und<br />

Nummer 7, § 91 Absatz 2 HmbHG s<strong>in</strong>d daher bis auf Weiteres gültig und anwendbar. Die<br />

Zuständigkeiten der Dekanate und Fakultätsräte und ihr Verhältnis zue<strong>in</strong>ander bleiben bis<br />

zu e<strong>in</strong>er Neuregelung durch den Gesetzgeber unverändert bestehen.<br />

Das Gericht hat jedoch die Erwartung geäußert, dass die Leitungsorgane <strong>in</strong> der Übergangszeit<br />

bis zu e<strong>in</strong>er Neuregelung ihre Zuständigkeiten nur <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong> den<br />

verfassungsrechtlichen Anforderungen, wie sie das Gericht dargelegt hat, ausüben werden.<br />

Seite 2


Hieraus ergeben sich für die Übergangszeit bis zu e<strong>in</strong>er gesetzlichen Neuregelung <strong>in</strong>sbesondere<br />

diese Folgerungen:<br />

a) Vor Entscheidungen, die von erheblicher Bedeutung für Forschung und Lehre s<strong>in</strong>d<br />

– siehe nachfolgend b) –, gibt das Dekanat dem Fakultätsrat Gelegenheit zur Stellungnahme.<br />

Die Stellungnahme ist vom Dekanat bei se<strong>in</strong>er Entscheidung zu berücksichtigen.<br />

Abweichungen vom Votum des Fakultätsrates s<strong>in</strong>d sachlich zu begründen.<br />

b) Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für Forschung und Lehre im S<strong>in</strong>ne von a)<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere Grundsatzentscheidungen oder wichtige E<strong>in</strong>zelfälle <strong>in</strong> den folgenden<br />

Bereichen:<br />

− Bewirtschaftung der zugewiesenen Haushalts<strong>mit</strong>tel (§ 90 Abs. 5 Nr. 1, 1. Alt.<br />

HmbHG);<br />

− Zuordnung von Stellen <strong>in</strong>nerhalb der Fakultät (§ 90 Abs. 5 Nr. 1, 2. Alt HmbHG);<br />

− Überprüfung der zukünftigen Verwendung der Stelle bei freien oder frei werdenden<br />

Professuren und Juniorprofessuren (§ 90 Abs. 5 Nr. 2, 1. Alt. HmbHG), sofern<br />

darüber nicht das Präsidium entscheidet (vgl. § 79 Abs. 2 Satz 8 HmbHG).<br />

Der Wirtschaftsplan, der Struktur- und Entwicklungsplan, die Grundsätze für die Ausstattung<br />

und Mittelverteilung sowie andere zentrale Vorgaben s<strong>in</strong>d auch weiterh<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlich<br />

und zu beachten.<br />

c) Das Dekanat beschließt den Berufungsvorschlag (§ 90 Abs. 5 Nr. 2, 2. Alt. HmbHG).<br />

Dies hat das Gericht ausdrücklich gebilligt, zugleich jedoch festgestellt, dass das Dekanat<br />

hierbei weitgehend an die Vorlage des Berufungsausschusses gebunden ist. Nur <strong>in</strong><br />

Ausnahmefällen darf das Dekanat hiervon abweichen. E<strong>in</strong>e solche Abweichung muss<br />

sachlich begründet werden.<br />

d) Das Dekanat hat den Mitgliedern des Fakultätsrates auf deren Ersuchen h<strong>in</strong> grundsätzlich<br />

Auskünfte über die Angelegenheiten der Fakultät zu geben. Dies gilt auch für<br />

Fakultätsangelegenheiten, die <strong>in</strong> die Zuständigkeit des Dekanats fallen. E<strong>in</strong>e Verweigerung<br />

der Auskunft ist jedoch <strong>in</strong>sbesondere dann zulässig bzw. erforderlich, wenn<br />

− gesetzliche Vorschriften oder vertragliche B<strong>in</strong>dungen entgegenstehen (z.B. Schutz<br />

personenbezogener Daten, Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) oder<br />

− anderenfalls e<strong>in</strong> Schaden droht, der es auch unter Berücksichtigung des Auskunftsrechts<br />

rechtfertigt, die Auskunft zu verweigern (z.B. Schutz von Interna zur Vermeidung<br />

taktischer Nachteile bei wichtigen Vertragsverhandlungen).<br />

e) Das Verfahren der Struktur- und Entwicklungsplanung der Hochschule war nicht<br />

Gegenstand der Entscheidung. Jedoch hat das Gericht erörtert, ob gewisse Steuerungsmöglichkeiten<br />

des Dekanats durch <strong>in</strong>direkte Beteiligungsmöglichkeiten des Fakultätsrates<br />

kompensiert werden. Dies hat das Gericht h<strong>in</strong>sichtlich der E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung gewisser<br />

Entscheidungen des Dekanats <strong>in</strong> die Struktur- und Entwicklungsplanung verne<strong>in</strong>t, da<br />

die Fakultätsräte an der Struktur- und Entwicklungsplanung nicht beteiligt s<strong>in</strong>d (vgl. § 79<br />

Abs. 2 Satz 5, § 84 Abs. 1 Nr. 4, § 85 Abs. 1 Nr. 5 HmbHG). Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />

sollte das Präsidium bei der Erarbeitung des Struktur- und Entwicklungsplans künftig<br />

über die Dekanate die Fakultätsräte beteiligen. Sofern das Präsidium vom Votum e<strong>in</strong>es<br />

Fakultätsrates abweicht, ist dies sachlich zu begründen.<br />

Seite 3


4. Weiteres Verfahren<br />

Das Gericht hat betont, dass der Gesetzgeber nun verschiedene Möglichkeiten hat, die<br />

festgestellten Mängel zu beheben. Der Gesetzgeber kann im Rahmen se<strong>in</strong>es weiten Gestaltungsspielraums<br />

sowohl bei den Kompetenzen der Leitungsorgane wie auch bei den<br />

Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten des Fakultätsrates ansetzen. E<strong>in</strong>e bestimmte Frist<br />

hat das Gericht hierfür nicht festgesetzt, so dass die 20. Hamburgische Bürgerschaft hierüber<br />

nach sorgfältiger Prüfung entscheiden kann.<br />

Der seit dem 9. November 2010 im Beteiligungsverfahren bef<strong>in</strong>dliche Gesetzentwurf der<br />

Behörde für Wissenschaft und Forschung verändert das Wahlverfahren für die Dekane und<br />

stärkt die Mitwirkungs-, E<strong>in</strong>fluss-, Informations- und Kontrollrechte der Fakultätsräte <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Bereichen. Die Behörde geht daher davon aus, dass der Gesetzentwurf grundsätzlich<br />

geeignet ist, die festgestellten Verstöße gegen Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des<br />

Grundgesetzes zu beheben und e<strong>in</strong>e adäquate Beteiligung der Träger der Wissenschaftsfreiheit<br />

<strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung <strong>mit</strong> den Anforderungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />

sicherzustellen. Das gegenwärtig laufende Beteiligungsverfahren wird daher<br />

fortgesetzt.<br />

Schaefer<br />

Seite 4

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