T2: Relative Deprivation und sozialer Protest ... - Beabea-Blog
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Modul 4 / Kurs 3409 / Sozialpsychologische Vertiefung II: Intergruppenkonflikte <strong>und</strong> Intervention<br />
<strong>T2</strong>: <strong>Relative</strong> <strong>Deprivation</strong> <strong>und</strong> <strong>sozialer</strong> <strong>Protest</strong><br />
Unemployment, <strong>Relative</strong> <strong>Deprivation</strong>, and Social <strong>Protest</strong><br />
Lain Walker & Leon Mann<br />
Personality and Social Psychology Bulletin 1987; 13; 275-283<br />
Forschungsstand / Ausgangspunkt<br />
Theorien der relativen <strong>Deprivation</strong> zufolge, spielt die Wahrnehmung relativer <strong>Deprivation</strong> eine zentrale Bedeutung<br />
dafür, ob statusniedrige Gruppen ihren Status akzeptieren oder stattdessen den Status quo durch politische Mittel<br />
herausfordern.<br />
wichtige konzeptuelle Unterscheidung zwischen egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong>:<br />
• Egoistische relative <strong>Deprivation</strong> resultiert aus interpersonalen Vergleichen (eine Person nimmt wahr, dass sie -<br />
ungerechterweise - weniger besitzt als eine andere Person)<br />
• Fraternale relative <strong>Deprivation</strong> resultiert hingegen aus intergruppalen Vergleichen (d.h. dem Vergleich der<br />
Eigengruppe mit einer relevanten Fremdgruppe)<br />
keine einheitlichen Forschungsbef<strong>und</strong>e, dass die Wahrnehmung relativer <strong>Deprivation</strong> tatsächlich zu sozialem<br />
<strong>Protest</strong> führt<br />
die Autoren führen dies darauf zurück, dass bei vielen Untersuchungen nicht unterschieden wurde zwischen<br />
egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong><br />
Theoretische Überlegungen<br />
Unterscheidung zwischen egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong><br />
<strong>sozialer</strong> <strong>Protest</strong> setzt Gruppenidentifikation voraus daher sollte fraternale <strong>Deprivation</strong> ein besserer Prädiktor für<br />
die Einstellung zu sozialem <strong>Protest</strong> sein als die egoistische <strong>Deprivation</strong><br />
Überprüfung der differentiellen Rolle egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong> im Hinblick auf zwei unterschiedliche<br />
Kriterien: Stresssymptome <strong>und</strong> Haltung gegenüber sozialem <strong>Protest</strong><br />
Zentrale Hypothesen<br />
egoistische <strong>Deprivation</strong> sagt die Anzahl von Stresssymptomen (individuelle Folgen der <strong>Deprivation</strong>) besser vorher<br />
als fraternale <strong>Deprivation</strong><br />
fraternale <strong>Deprivation</strong> sagt die <strong>Protest</strong>orientierung (kollektives Handeln) besser vorher als egoistische <strong>Deprivation</strong><br />
Kurzbeschreibung des Experiments<br />
Befragung von jüngeren Arbeitslosen (Durchschnittsalter 23,5 Jahre) in Adelaide, Australien<br />
Durchführung<br />
Design: Korrelationsstudie (Achtung: ermöglicht keine Aussagen über Kausalzusammenhänge!!!)<br />
Stichprobe: 64 Arbeitslose<br />
Methode: Fragebogeninterview<br />
Prädiktorvariablen<br />
• jeweils 2 Maße für egoistische <strong>und</strong> fraternale <strong>Deprivation</strong><br />
• Operationalisierung durch zwei Formen der Self Anchoring Striving Scale (SASS, Cantril 1965)<br />
• daraus wurden die Maße ERD1 <strong>und</strong> ERD2 (für egoistische <strong>Deprivation</strong>) sowie FRD1 <strong>und</strong> FRD2 (für fraternale<br />
<strong>Deprivation</strong>) errechnet<br />
Kriteriumsvariablen<br />
• Haltung zu sozialem <strong>Protest</strong>, operationalisiert durch einen Summenwert (4 <strong>Protest</strong>formen mit 4 möglichen<br />
Bewertungen)<br />
• Stresssymptomatik, operationalisiert über einen Summenwert (Mehrfachauswahl aus 13 möglichen<br />
Copyright beabeablog 2009 1 / 3
Modul 4 / Kurs 3409 / Sozialpsychologische Vertiefung II: Intergruppenkonflikte <strong>und</strong> Intervention<br />
Stresssymptomen)<br />
Statistische Verfahren<br />
hierarchische multiple Regression<br />
Die differentielle Rolle von egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong> wurde mit Hilfe des sog. R² -Change überprüft.<br />
Damit lässt sich die prädiktorspezifische Varianzaufklärung im Kriterium statistisch absichern, d.h. die Varianzaufklärung, welche über die Effekte<br />
anderer Prädiktoren hinausgeht.<br />
Verbessert sich z.B. die aufgeklärte Varianz im Stresskriterium signifikant, wenn man Maße der egoistischen relativen <strong>Deprivation</strong> in die Gleichung<br />
aufnimmt <strong>und</strong> verbessert sie sich nicht, wenn man Maße der fraternalen egoistischen <strong>Deprivation</strong> berücksichtigt, spricht dies für den differentiellen<br />
Prognosewert von egoistischer relativer <strong>Deprivation</strong> gegenüber fraternaler relativer <strong>Deprivation</strong> für Stress (Musterlösung Übungsaufgabe 3)<br />
Ergebnisse<br />
<strong>Protest</strong>orientierung korreliert signifikant mit<br />
beiden fraternalen RD-Maßen, aber mit<br />
keinem der egoistischen RD-Maße<br />
Stress korreliert signifikant nur mit ERD2<br />
zwischen den vier RD-Maßen gibt es nur<br />
eine signifikante Korrelation, nämlich<br />
zwischen den beiden egoistischen Maßen<br />
das Fehlen dieser Korrelationen weist<br />
darauf hin, dass egoistische <strong>und</strong> fraternale<br />
RD zwei getrennt zu sehende<br />
psychologische Bedingungen sind<br />
Diskussion<br />
Ergebnisse bestätigen die differentielle Rolle egoistischer <strong>und</strong> fraternaler <strong>Deprivation</strong><br />
Soziale <strong>Protest</strong> ist eine soziale Einstellung gegenüber kollektivem Handeln, weshalb fraternale <strong>Deprivation</strong> hierfür<br />
von größerer Bedeutung ist als egoistische <strong>Deprivation</strong><br />
Stress ist ein individuelles Phänomen. Daher ist egoistische <strong>Deprivation</strong> hierfür von größerer Bedeutung als<br />
fraternale <strong>Deprivation</strong><br />
allerdings kann aufgr<strong>und</strong> des korrelationsstatistischen Designs die kausale Richtung der Ergebnisse nur theoretisch<br />
begründet werden, d.h. Bef<strong>und</strong>e über Ursache-Wirkungszusammenhänge sind statistisch nicht abgesichert, zudem<br />
kann der Einfluss möglicher Drittvariablen nicht ausgeschlossen werden<br />
Schluss-Satz<br />
The differential power of fraternalistic an egoistic RD as predictors of protest orientation and of stress symptoms is<br />
compelling evidence for <strong>und</strong>erlining the f<strong>und</strong>amental distinction between these two forms of RD in analyzing and<br />
explaining the beliefs and actions of the deprived.<br />
Copyright beabeablog 2009 2 / 3
Modul 4 / Kurs 3409 / Sozialpsychologische Vertiefung II: Intergruppenkonflikte <strong>und</strong> Intervention<br />
Anhang 1: Wie wurden die zentralen Prädiktorvariablen <strong>und</strong> die zentralen Kriteriumsvariablen<br />
operationalisiert? (Musterlösung Übungsaufgabe 2)<br />
jeweils zwei Variablen, mit denen fraternale <strong>und</strong> egoistische <strong>Deprivation</strong> gemessen wurden<br />
die 4 Prädiktoren wurden durch zwei Formen der 10stufigen Self Anchoring Striving Scale (SASS) von Cantril<br />
(1965) operationalisiert<br />
1. Form: Einschätzung des individuellen Status-Quo auf der Skala von 10 = the best possible life you could possibly<br />
achieve <strong>und</strong> 1 = the worst possible live you could possibly achieve.<br />
2. Form: Einschätzung des eigenen Status-Quo bzw. des Status-Quo der jeweiligen Gruppe auf der Skala von 10 = the<br />
best possible rank in Australian society <strong>und</strong> 1 = the worst possible rank in Australian society verankern.<br />
FRD 1: Differenz zwischen dem Status-Quo von Arbeitslosen <strong>und</strong> dem Status-Quo von der eigenen Peer Gruppe.<br />
FRD 2: Differenz zwischen dem Status-Quo der Beschäftigten <strong>und</strong> dem Status-Quo von Arbeitslosen.<br />
ERD 1: Differenz zwischen dem höchsten Rang in der ersten Form der SASS <strong>und</strong> dem individuellen Status-Quo.<br />
ERD 2: Differenz zwischen dem höchsten Rang in der zweiten Form der SASS <strong>und</strong> dem individuellen Status-Quo.<br />
1. Kriteriumsvariable: Sozialer <strong>Protest</strong> wurde durch einen Summenwert über vier <strong>Protest</strong>formen (durch Autoritäten<br />
erlaubte <strong>Protest</strong>zusammenkünfte, Verweigern von Gesetzestreue, Teilnahme an unerlaubten<br />
Massendemonstration, Teilnahme an gewalttätigen Aktionen) in Bezug auf vier Einstellungen/Meinungen gebildet<br />
(Zustimmung, Teilnahmebereitschaft, frühere Teilnahme, Wirksamkeitseinschätzung). Die Werte konnten zwischen<br />
0 <strong>und</strong> 16 variieren.<br />
2. Kriteriumsvariable: Stresssymptomatik wurde durch einen Summenwert aus 13 Stresssymptomen gebildet. Die<br />
Werte konnten zwischen 0 <strong>und</strong> 13 variieren.<br />
Die einzelnen Antwortmöglichkeiten zu der der 1. <strong>und</strong> 2. Kriteriumsvariable wurden auf dichotomen 0 -1 Skalen<br />
kodiert.<br />
Copyright beabeablog 2009 3 / 3