Bitzan, Karin ; Gumpenberger, Christian ; Kromp, Brigitte
Bitzan, Karin ; Gumpenberger, Christian ; Kromp, Brigitte
Bitzan, Karin ; Gumpenberger, Christian ; Kromp, Brigitte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
THEMEN Ausland<br />
Leistungsmessung in Rot-Weiß-Rot<br />
Erfahrungen an wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich<br />
Robert Horvath, <strong>Karin</strong> <strong>Bitzan</strong>, <strong>Christian</strong> <strong>Gumpenberger</strong>,<br />
<strong>Brigitte</strong> <strong>Kromp</strong>, Maria Seissl<br />
Auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur<br />
(BMBWK) wurde im April 2000 die „ARGE Leistungsmessung an wissenschaftlichen<br />
Bibliotheken“ gegründet. Auslöser waren:<br />
Vollrechtsfähigkeit der Universitäten<br />
Sparmaßnahmen/Budgetkürzungen im Bibliotheksbereich<br />
Peer-Evaluationen an mehreren wissenschaftlichen Bibliotheken<br />
selbstkritische Reflexion der eigenen Leistungen<br />
Die ARGE bestand zunächst aus einer 5 Personen-Kerngruppe. Dieser gehörten<br />
ein Vertreter des BMBWK (Leitung) sowie je ein(e) VertreterIn der Universitätsbibliothek<br />
Wien (UBW), der Österreichischen Zentralbibliothek für Physik<br />
(ÖZBPH), der Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität<br />
Wien (UBVUW) sowie der Universitätsbibliothek der Wirtschaftuniversität<br />
Wien (UBWW) an. Damit bestand die ARGE aus VertreterInnen einer Universalbibliothek,<br />
einer Spezialbibliothek mit interuniversitären Aufgaben sowie<br />
zweier Spezialbibliotheken, die aus organisatorischen und zeitlichen Gründen<br />
aus der mittleren Führungsebene rekrutiert wurden.<br />
Nach Ausarbeitung eines einheitlichen Benutzerfragebogens hatte es sich die<br />
Kerngruppe zum Ziel gesetzt, Leistungsindikatoren der ISO Norm 11620 so<br />
auszuarbeiten, dass nachvollziehbare und standardisierte Erhebungen anhand<br />
dieser Indikatoren möglich waren.<br />
Zur Feststellung der Praxistauglichkeit der vorbereiteten Indikatoren konnten<br />
VertreterInnen sogenannter Testbibliotheken gewonnen werden. Diese bildeten<br />
gemeinsam mit den Mitgliedern der Kerngruppe die erweiterte „Großgruppe“,<br />
die zum ersten Mal im Februar 2001 tagte.<br />
Im Herbst 2001 wurde im Rahmen der 3. Sitzung der erweiterten Großgruppe<br />
aufgrund der Komplexität des Themas die Gründung des untergeordneten<br />
Arbeitskreises „Nutzung elektronischer Medien“ beschlossen.<br />
Die Mitglieder der Kerngruppe trafen sich in regelmäßigen Abständen und erarbeiteten<br />
gemeinsam einzelne Indikatoren der ISO Norm 11620. Diese wurden<br />
den VertreterInnen der Testbibliotheken im Rahmen der Sitzungen der<br />
Großgruppe in ca. zweimonatigen Intervallen präsentiert und anschließend zur<br />
Diskussion gestellt. Nach Einigung auf bestimmte Vorgehensweisen wurden<br />
180 BIBLIOTHEKSDIENST 37. Jg. (2003), H. 2
Ausland THEMEN<br />
die SitzungsteilnehmerInnen beauftragt, die Indikatoren in einem definierten<br />
Zeitraum in der eigenen Bibliothek zu testen, die Ergebnisse an den Leiter der<br />
ARGE weiterzuleiten und bei der nächsten Sitzung über ihre Erfahrungen zu<br />
berichten.<br />
Die Auswahl der zu erarbeitenden Indikatoren ergab sich aus einem Ranking,<br />
dem eine Umfrage unter den BibliotheksdirektorInnen vorangegangen war.<br />
Kerngruppe und erweiterte Großgruppe beschäftigten sich mit der Leistungsmessung<br />
im „konventionellen“ Bibliotheksbereich, während der Arbeitskreis<br />
„Nutzung elektronischer Medien“ – wie der Name bereits sagt – ausschließlich<br />
den elektronischen Bereich abdeckt und Indikatoren gemäß ISO Norm 2789<br />
TC 46 SC 8, WG 4 behandelt. Da konventionelle und elektronische Angebote<br />
oft eng miteinander verbunden sind (Bsp. Print- und Online-Journal), war jeweils<br />
ein Repräsentant der elektronischen Gruppe bei der Sitzung der erweiterten<br />
Großgruppe anwesend und umgekehrt.<br />
Gleiche Methoden, größere Akzeptanz durch Mitspracherecht und Synergieeffekte<br />
durch Austausch (z.B. SQL-Abfragen) – nach dem Motto: „Nicht jeder<br />
muss das Rad neu erfinden!“ – sind die Vorteile einer österreichweiten Initiative.<br />
Nachteilhaft ist die eher langsame Entwicklung durch die oft schleppende<br />
Konsensfindung.<br />
Nichtsdestotrotz mündete die Arbeit in einen Leitfaden, der den Bibliotheken<br />
als Arbeitsbehelf zur Verfügung gestellt wurde.<br />
Intention der Arbeitsgruppe war, kurzfristig zu greifbaren Ergebnissen zu<br />
kommen und den Bibliotheken ein Managementinstrument in die Hand zu geben.<br />
Dieses soll primär wertvolle Informationen über die eigene Dienstleistungsqualität<br />
liefern und bei wiederholter Anwendung intrabibliothekarische<br />
Leistungsunterschiede offen legen. Weiter eignet sich Leistungsmessung hervorragend<br />
zur Dokumentation der eigenen Leistungen nach außen (Öffentlichkeitsarbeit)<br />
und Verteidigung der Ressourcen gegenüber dem Unterhaltsträger.<br />
Die von der Kerngruppe ausgearbeiteten Indikatoren nach ISO Norm<br />
11620 im Überblick:<br />
B.1.1.1 Benutzerzufriedenheit<br />
B.2.1.1 Prozentsatz der erreichten primären Nutzergruppe<br />
B.2.1.4 Kosten pro Bibliotheksbesuch<br />
B.2.2.2 Verfügbarkeit von nachgefragten Titeln<br />
B.2.2.3 Anteil der nachgefragten Titel im Bestand<br />
BIBLIOTHEKSDIENST 37. Jg. (2003), H. 2 181
THEMEN Ausland<br />
B.2.2.6 Dokumentnutzungsrate<br />
B.2.3.1 Mittlere Dauer der Dokumentbeschaffung<br />
aus geschlossenen Beständen<br />
B.2.4.1 Bestandsumsatz<br />
B.2.5.1 Geschwindigkeit des Leihverkehrs<br />
(Fernleihegeschwindigkeit)<br />
B.2.9.3 Besetzungsrate der Sitzplätze<br />
B.3.2.1 Durchschnittliche Dauer der Dokumentbearbeitung<br />
Verstellung in den Regalen (shelving accuracy B.2.2.8;<br />
scheint in der dt. Übersetzung von ISO 11620 nicht auf)<br />
Anzahl der Auskünfte (in Anlehnung an B.2.6.1)<br />
Grundsätzlich kamen die Indikatoren aus der Norm unverändert zur Anwendung.<br />
In folgenden Fällen allerdings wurde an österreichische Verhältnisse<br />
angepasst:<br />
Beim gemeinsam erarbeiteten Fragebogen zur Benutzerzufriedenheit wurde<br />
absichtlich eine Skala von 1-4 gewählt, um indifferente BenutzerInnen<br />
zu einer eher positiven oder eher negativen Beurteilung zu veranlassen.<br />
Beim Indikator „Prozentsatz der erreichten primären Nutzergruppe“ wurde<br />
der Beobachtungszeitraum aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen auf<br />
3 Semester ausgedehnt. Die primäre Benutzergruppe wurde bei Bibliotheken<br />
mit übergreifenden Aufgaben erweitert (z.B. niedergelassene Tierärzte<br />
oder Ärzte).<br />
Den Indikator „Durchschnittliche Dauer der Dokumentbearbeitung“<br />
bestimmen wir als durchschnittliche Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt,<br />
an dem ein Dokument nach dem Einlangen im System bearbeitet wird („arrival<br />
date“) und dem Zeitpunkt, an dem das Buch den Bearbeitungsstatus<br />
„entlehnbar/verfügbar“ erhält.<br />
Als Erhebungsmethode bevorzugte man prinzipiell den Datenexport aus dem<br />
Österreichischen Bibliothekenverbund ALEPH, für notwendige manuelle Datenerfassung<br />
entwickelte die ARGE elektronische Formulare (Fernleihegeschwindigkeit,<br />
Besetzungsrate der Sitzplätze, Anzahl der Auskünfte).<br />
182 BIBLIOTHEKSDIENST 37. Jg. (2003), H. 2
Ausland THEMEN<br />
Ausblick<br />
In Zukunft sollen die Ergebnisse der konventionellen Leistungsmessung mit<br />
den Erkenntnissen der elektronischen Leistungsmessung zusammen geführt<br />
werden. Weiter wird bei der Überarbeitung der Österreichischen Bibliotheksstatistik<br />
darauf geachtet, dass die erhobenen Statistikdaten direkt in die Leistungsmessung<br />
einfließen können.<br />
Erste Ergebnisse der Österreichischen Leistungsmessung wurden bereits am<br />
Deutschen Bibliothekartag 2002 in Augsburg präsentiert. Erhebungsformulare<br />
sowie anonymisierte Ergebnisse sollen in absehbarer Zeit auch elektronisch<br />
zugänglich gemacht werden (Die Webadresse wird in einem der folgenden<br />
Hefte bekannt gegeben.).<br />
BIBLIOTHEKSDIENST 37. Jg. (2003), H. 2 183