Nachkriegs-Couturier Uli Richter Der Modedenker - Blockfrei
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sueddeutsche.de <strong>Nachkriegs</strong>-<strong>Couturier</strong> <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> <strong>Der</strong> <strong>Modedenker</strong> - Leben & Stil<br />
Ressort: Leben & Stil<br />
URL: /leben/artikel/382/148033/<br />
Datum und Zeit: 03.01.2008 - 12:17<br />
16.12.2007 9:53 Uhr<br />
<strong>Nachkriegs</strong>-<strong>Couturier</strong> <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong><br />
<strong>Der</strong> <strong>Modedenker</strong><br />
Ein "Modefatzke" wollte er nie sein. Doch zum großen <strong>Couturier</strong> der <strong>Nachkriegs</strong>zeit hat es <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong><br />
trotzdem gebracht. Von Gracia Patricia bis Rut Brand - er zog die Grandes Dames der Society an.<br />
Von Tina Hüttl<br />
<strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong>: Am Anfang seiner Karriere fühlte er sich wie die junge Assistentin Andy in "<strong>Der</strong><br />
Teufel trägt Prada".<br />
Foto: dpa<br />
Die Vase mit safrangelben Winterastern wird umgehend zurückgeschickt. ,"Wo sind<br />
die Rosen?", fragt Susanne Gorke. Wenige Minuten später stellt die Haushälterin<br />
den Strauß wieder auf den Tisch, der mit englischem Porzellan gedeckt ist. Nun<br />
leuchten gelbe Rosen inmitten der Astern, Ton in Ton. "Jetzt ist es ganz <strong>Richter</strong>",<br />
freut sich Susanne Gorke. 40 Jahre schon kennt sie <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> und seine Liebe<br />
zum Stilmix, seit sie als junges Mädchen eine Ausbildung bei der "<strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong><br />
Modelle GmbH" begann.<br />
Damals, auf dem Zenit seines Erfolgs, beschäftigte <strong>Richter</strong> 279 Angestellte. "Ewige<br />
Lampe", so hatten die Berliner seinen exklusiven Modesalon am Kurfürstendamm<br />
182/183 getauft. Ewige Lampe, weil das Licht im Atelier so gut wie nie erlosch.<br />
<strong>Richter</strong>, einer der bedeutendsten deutschen <strong>Couturier</strong>s der <strong>Nachkriegs</strong>zeit,<br />
arbeitete wie besessen: sechs Kollektionen produzierte er pro Jahr. Von seinen<br />
Angestellten erwartete er dieselbe Hingabe an die Mode. Ob Zeichner, Schneider,<br />
Sekretärin oder Bügler, jeder schätzte und fürchtete den strengen Blick des<br />
Perfektionisten.<br />
Heute hat der inzwischen 81-Jährige nur noch eine Handvoll Angestellter, die er in<br />
seiner imposanten Fachwerkvilla aus Backstein im Berliner Stadtteil Grunewald<br />
beschäftigt. Es geht ihm auch nicht mehr allein um die Mode, sondern um sein<br />
Lebenswerk - und gutes Wohlergehen. Deswegen hat er vor einigen Jahren<br />
Susanne Gorke zurückgeholt. Sie hilft ihm, seine Sammlung an Kollektionsstücken,<br />
Modefotografien, Katalogen und Zeitschriften zu ordnen - nebenbei ordnet sie auch<br />
sein tägliches Leben.<br />
Das Lieblingsmannequin: Eine Mischung aus Twiggy und Audrey Hepburn<br />
Allein das große Anwesen samt sorgfältig gepflegtem Garten erfordert viel<br />
Koordination. Doch <strong>Richter</strong> hat fürs Alter perfekt vorgesorgt: Das Souterrain der<br />
mehrstöckigen Villa ist zur Einliegerwohnung umgebaut, die das Haushälter-<br />
Ehepaar Abel bewohnt. In der Bel Étage schlägt Herr Abel gerade einen Nagel in<br />
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die Wand des Empfangssalons und bringt ein Bild an, das ans Museum verliehen<br />
war. Nun lächelt der junge, blonde <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> wieder neben der Fürstin von<br />
Monaco. Frau Abel bringt Gebäck zum Tee. Jeder hat hier seine Aufgabe und weiß,<br />
was der Herr des Hauses will, auch ohne Anweisung.<br />
Als der Grandseigneur der deutschen Mode mit Verspätung eintritt, fällt sein Blick<br />
als erstes auf die Blumen. Er registriert die Rosen, ein kurzes Lächeln. Das weiße<br />
Haar hat er sorgfältig zurück gekämmt, zum braunen Fischgrat-Jackett trägt er<br />
eine graue Flanellhose und ein gepunktetes Einstecktuch. Sehr englisch, sehr<br />
schlicht. Später gesteht er, er habe lange über seiner Garderobe verbracht: Auf<br />
keinen Fall wollte er aussehen wie ein "Modefatzke".<br />
Karl Lagerfeld? <strong>Richter</strong> verzieht den Mund. Seine Mission war es immer gewesen,<br />
Frauen durch Haute Couture zu verwandeln. Extrem modische Männer blieben<br />
ihm dagegen ein Graus. Deshalb war sein Ausflug in die Herrenmode auch nur<br />
von kurzer Dauer. Mit Schwung setzt er sich an den Tisch, schiebt das<br />
mitgebrachte Buch vor mich. Titel: <strong>Der</strong> Teufel trägt Prada. Eine Erklärung folgt<br />
nicht. Stattdessen mustert er mich kurz und sagt: "Ich wusste, dass es dieser<br />
Mantel ist!" Mein tannengrüner, taillierter Kurzmantel hat Pelzbesatz an Ärmeln<br />
und Saum. Er ist meine Eintrittskarte für diesen Besuch: 1970 hatte <strong>Richter</strong> ihn<br />
entworfen, für Biggi Ebelin. "Sie war eins meiner Lieblingsmannequins", sagt er,<br />
"eine Mischung aus Twiggy und Audrey Hepburn. Sie war schmal und hatte<br />
riesige Augen."<br />
Ich würde nicht hier sitzen - hätte ich im letzten Winter nicht auf einem<br />
Kreuzberger Flohmarkt in einer Kiste gewühlt. Aus dieser hatte ich den weit<br />
schwingenden Mantel gefischt, ein Juwel inmitten von Plunder. Im silbrig<br />
schimmernden Innenfutter stand "<strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> Modelle". Also begann ich zu<br />
recherchieren, um mehr über diesen Mann zu erfahren, in dessen Mantel man<br />
sich ein bisschen wie eine Diva fühlt.<br />
Was ich fand, war eine Saga aus der Zeit des Wirtschaftswunders. Als <strong>Richter</strong><br />
1926 in Potsdam geboren wurde, war Berlin eine schillernde Modemetropole. Bald<br />
darauf hatte der Zweite Weltkrieg sie zu Trümmern zerbombt, die meist jüdischen<br />
Modehäuser waren verwaist. Eine Riege Berliner Modemacher, unter ihnen Heinz<br />
Oestergaard, Gerd Staebe und <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong>, machten sich an den Wiederaufbau.<br />
Als <strong>Richter</strong>, der jüngste, schließlich 1959 sein eigenes Modehaus eröffnet,<br />
existierten wieder über 400 Konfektionsbetriebe mit circa 60000 Beschäftigten in<br />
Berlin.<br />
Lesen Sie weiter: Ein <strong>Couturier</strong>, der nicht zeichnen konnte<br />
"Ich war meiner Zeit um 20 Jahre voraus"<br />
Doch Glanz und Glamour holte nicht zuletzt <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> zurück in die Stadt.<br />
Hildegard Knef, Lilli Palmer, die Verlegerinnen Aenne Burda und Ebelin Bucerius<br />
waren seine Stammkundinnen. Irgendwann wurde auch der Adel auf ihn<br />
aufmerksam: Gracia Patricia von Monaco orderte bei ihm Capes, für Marie Cecile<br />
von Preußen entwarf er 1965 das Brautkleid. Zum ,,Botschafter der deutschen<br />
Mode‘‘ machte ihn aber Rut Brandt: Die Kanzlergattin entzückte im türkisfarbenen<br />
Abendmantel sogar Paris. Als <strong>Richter</strong> 1982 seine Firma aufgab, lehrte als erster<br />
Professor für Modedesign an der Berliner Hochschule der Künste.<br />
Auch heute noch ist seine Energie erstaunlich. Aufmerksam schenkt er Tee nach,<br />
verteilt Nürnberger Lebkuchen. Wir sitzen in dem Raum, in den Rut Brandt weiter<br />
zur Anprobe kam, als sie schon längst nicht mehr die Frau an Brandts Seite war.<br />
Jedes Bild, jeder Stuhl, selbst die Gardinen haben hier ihre Geschichten. <strong>Richter</strong><br />
will sie alle loswerden, springt zwischen Daten, Ereignissen und Orten hin und her.<br />
Die samtene Sitzbank neben dem Schreibtisch stammt aus seinem Münchner<br />
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Salon.<br />
"München hat mehr Schick als Berlin, aber die Stadt hat es mir schwer gemacht."<br />
Als er 1973 sein Modehaus in der Briennerstraße einweihte, gab sich die<br />
Schickeria arrogant: "Ich wusste gar nicht, wie viel Prominenz Sie kennen", sagte<br />
jemand auf der Eröffnungsparty zu ihm - dabei hatte er es mit seiner Mode doch<br />
als erster Deutscher in die französische Vogue geschafft. <strong>Richter</strong> antwortete<br />
damals: "Ja, denken Sie, wir Berliner kommen aus dem Urwald?" Vielleicht hat er<br />
das aber nur gedacht.<br />
Auch wenn Westberlin nach dem Mauerbau weit weg schien, für <strong>Richter</strong>s<br />
Modenschauen reiste die Prominenz an. In den ersten Reihen saßen Film,<br />
Industrie und Bonner Gesellschaft, allen voran Rut Brandt, die deutsche Jackie<br />
Kennedy. "Understatement, understatement hat sie immer zu mir gesagt", so<br />
<strong>Richter</strong>. Dabei war seine Mode tragbar, und nicht "l’art pour l’art", wie er es nennt.<br />
Er ist ein wenig verärgert. "Mit Gattinnen ist Mode nicht zu machen", hatte eine<br />
taz-Journalistin kurz vor diesem Besuch über <strong>Richter</strong> geschrieben. Er habe stets<br />
Rücksicht genommen auf Kundinnen, denen der Sinn für Extravaganz abging.<br />
<strong>Der</strong> alte <strong>Couturier</strong> kann diese Kritik nicht auf sich sitzen lassen, besonders jetzt,<br />
da er sich um sein Bild in der Nachwelt sorgt. "Das Laute, das Wilde, der<br />
kurzlebige Trend, das alles war nicht meins, das stimmt", sagt er trotzig, fast wie<br />
ein Kind. "Dafür war ich meiner Zeit oft 20 Jahre voraus."<br />
Ein Schneider, der nicht zeichnen kann<br />
<strong>Richter</strong> suchte die Schönheit, nicht die Provokation. Manch einem mag dabei die<br />
Exzentrik fehlen, dafür müssen selbst seine Kritiker anerkennen, dass seine Mode<br />
eines nie war: konservativ. Als einer der Ersten mischte er grobe Stoffe wie Wolle<br />
mit Leder, Cashmere mit Pelz, kombinierte Farben wie Smaragdgrün mit Shocking<br />
Pink, erklärte seine Initialen UR zum Stoffmuster und entwarf noch vor Paris als<br />
erster eine Prêt-à-Porter-Kollektion. Wie zum Beweis führt er durch die<br />
Stockwerke seiner Villa, in den Treppenaufgängen hängen Entwurfsskizzen, er will<br />
sie alle zeigen. "Ich konnte nicht zeichnen", entfährt es <strong>Richter</strong>, es klingt wie ein<br />
Geständnis, für das er sich schämt. Mitten auf der Treppe bleibt er stehen: Hände,<br />
in Großaufnahme. Sie gehören Gerd Hartung, seinem Zeichner, der <strong>Richter</strong>s<br />
Mode aus dem Kopf aufs Papier gebracht. Marietta Riederer, die große Dame des<br />
Modejournalismus, hat <strong>Richter</strong> einmal einen "<strong>Modedenker</strong>" genannt - ihm gefällt<br />
diese Bezeichnung mehr als der Begriff Modedesigner.<br />
"Eigentlich wollte ich nie Mode machen", sagt der <strong>Modedenker</strong>, nicht ohne<br />
Koketterie. Er, der seinen Vater früh verlor und die Mutter in die eleganten<br />
Potsdamer Modesalons begleitete, sollte Pharmazie und Chemie studieren, um in<br />
den Drogerie-Familienbetrieb einzusteigen. Ein im Krieg geschädigter<br />
Lungenflügel bewahrte ihn davor. Er ließ sich zum Textilkaufmann ausbilden und<br />
volontierte als Buchhalter bei Rolf Horn, dem exquisitesten Modehaus der Stadt.<br />
Heimlich entwarf er sein erstes Modell: ein dunkelblaues Sommerkleid mit<br />
abgestepptem Plisséerock. "Marcelle" wurde ein Verkaufsschlager. "<strong>Uli</strong> - wer?",<br />
fragte plötzlich der Chef. "Horn war ein Halbgott für mich", sagt <strong>Richter</strong><br />
rückblickend, aber einer, der ihm bisweilen so zusetzte, dass er sich fühlte wie die<br />
junge Assistentin Andy in "<strong>Der</strong> Teufel trägt Prada".<br />
1952 wechselte <strong>Richter</strong> als Chefstilist zur Konkurrenz. Für<br />
Schröder&Eggeringhaus-Modelle entwarf er 1957 eine Serie von Abendkleidern<br />
mit stilisierten, himbeerfarbenen Rosen, derselbe Stoff, der jetzt als Gardine die<br />
Fenster seiner Villa schmückt. "Das war eigentlich unerhört, aus bedruckter<br />
Baumwolle Abendkleider zu machen", sagt er. Sein berühmtestes Kleid, ein mit<br />
weißen Rocailleperlen besticktes Etuikleid mit Rosenblüten, stammt aus der<br />
gleichen Serie. Damit gewann er das "International Cotton Festival" in Venedig.<br />
Zwei Jahre später gründete er mit Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin<br />
Dorothea Köhlich die "<strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> Modelle GmbH".<br />
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"Susanne, holen Sie doch bitte das Foto", sagt <strong>Richter</strong>, "das mit der falschen<br />
Unterschrift!" Frau Gorkes Gedächtnis funktioniert wie ein Karteikasten - die<br />
beiden sprechen in Schlagwörtern und Querverweisen und verstehen sich. Gorke<br />
geht nach unten ins Archiv, in dem sich ein Bruchteil von <strong>Richter</strong>s einst riesiger<br />
Modesammlung befindet. Den größten Teil, darunter mehr als 600 Haute-Couture-<br />
Modelle, 3000 Fotografien und 11 000 Skizzen, hat er 2005 der Stiftung<br />
Preußischer Kulturbesitz übergeben.<br />
<strong>Richter</strong> hat über Jahrzehnte wie besessen gesammelt, sein Schaffen penibelst<br />
dokumentiert, fast so, als wolle er selbst vorsorgen, dass am Ende nichts<br />
vergessen wird. Vier Jahre hat er die große Retrospektive mitgeplant, die gerade<br />
im Kunstgewerbemuseum in Berlin zu sehen ist. Die Ausstellung, die im nächsten<br />
Jahr nach München, Hamburg und Köln weiterziehen soll, kann nur einen<br />
Ausschnitt seines Schaffens zeigen: 130 Modellkleider, 150 Skizzen, etliche<br />
Modefotos. Auf hellbeigen Laufstegen zeigen Modepuppen Entwürfe, nicht<br />
chronologisch geordnet, sondern - wie bei seinen Schauen einst - nach Farb- und<br />
Mustergruppen. Unten ist die Garderobe seiner berühmten Kundinnen ausgestellt.<br />
Ist er zufrieden? <strong>Richter</strong> braucht lange für eine Antwort. Dann sagt er: "Man kann<br />
nicht alles haben im Leben." Es ist die Antwort eines großen alten Mannes, der<br />
hofft, dass am Ende das Richtige über ihn in Erinnerung bleibt.<br />
Beim Abschied hält er mich zurück. "Ihnen fehlt noch die Dachsmütze, die ich zu<br />
diesem Mantel entworfen habe!", sagt der Perfektionist. Leider ist sie in der<br />
Ausstellung, mit einem Mantel aus Blaufuchs, zu dem sie nicht passt.<br />
Die Ausstellung über <strong>Uli</strong> <strong>Richter</strong> im Kunstgewerbemuseum Berlin dauert noch bis<br />
6. Januar 2008. <strong>Der</strong> Katalog ist erschienen im DuMont Verlag, Köln.<br />
(SZ vom 15./16.12.2007)<br />
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