Michael Hausenblas - Verlag Hermann Schmidt
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ist interessant“<br />
Foto: Reuters/Ints Kalnins<br />
Der Grafikdesigner und Typograf Stefan<br />
Sagmeister wurde 1962 in Bregenz geboren.<br />
Er studierte an der Universität für angewandte<br />
Kunst in Wien und am Pratt Institute<br />
in New York. Nach seiner Zeit in<br />
Hongkong, wo er für die Werbeagentur<br />
Leo Burnett arbeitete, gründete er 1993 in<br />
New York die Sagmeister Inc. Zu seinem<br />
Kundenstock zählen unter anderem TimeWarner,<br />
das Guggenheim Museum,<br />
Lou Reed, die Rolling Stones oder die<br />
Zumtobel AG. Neben zahlreichen anderen<br />
Auszeichnungen kassierte er für das<br />
Albumdesign von „Once In A Lifetime“<br />
der Talking Heads einen Grammy. 20 Tagebucheinträge<br />
des Designers wurden<br />
nun mit Unterstützung von Auftraggebern<br />
aus der Wirtschaft weltweit im öffentlichen<br />
Raum installiert und unter<br />
dem Titel „Things I have learned in my<br />
life so far“ veröffentlicht. (<strong>Verlag</strong> <strong>Hermann</strong><br />
<strong>Schmidt</strong>, Mainz) Mehr Infos:<br />
www.sagmeister.com<br />
Vortrag Stefan Sagmeister:<br />
am 4. Juli 2008, 19.00 Uhr, Designforum<br />
im Museumsquartier.<br />
Anmeldung erforderlich:<br />
www.designaustria.at<br />
Sagmeister: Als Konsument zieh ich keine Grenzen. Da<br />
geht es mir nur darum zu fragen, „Ist es gut?“ oder „Ist<br />
es nicht gut?“ Als Designer bin ich gezwungen, mich zu<br />
äußern, weil ich solche Fragen oft gestellt bekomme. Da<br />
sehe ich das Ganze historisch. Es ist offensichtlich so,<br />
dass sich die Grenze zwischen Design und Kunst ab und<br />
zu auflöst, dann kommt sie wieder und löst sich wieder<br />
auf. Also wenn wir von Wien um 1900 oder vom Bauhaus<br />
sprechen, gab es keine Grenzen. Kokoschka hat am<br />
Morgen Poster entworfen und am Abend gemalt. In New<br />
York gab es lange Zeit eine praktische Grenze. Die Kunst<br />
hatte ihre eigenen Medien und Vertriebssysteme und<br />
das Design auch. Das löst sich derzeit ziemlich auf. Man<br />
sieht das in einigen Galerien oder auch in Form der Messe<br />
„Art Basel Miami“.<br />
Einer Ihrer Sätze lautet „Jeder, der ehrlich ist, ist interessant.“<br />
Wie steht’s mit Werbung und Ehrlichkeit?<br />
Sagmeister: Ich glaube, dass ehrliche Werbung am besten<br />
funktioniert. Die bekannteste unehrliche Werbung der<br />
letzten 50 Jahre war, als die US-Tabakindustrie behauptete,<br />
dass Rauchen gar nicht schädlich sei. Die<br />
Summe, die diese Unternehmen Strafe zahlen mussten,<br />
kann man sich gar nicht vorstellen. Seit ich die Werber<br />
selbst besser kenne, sehe ich, dass in dem Business eigentlich<br />
viel mehr Ehrlichkeit steckt, als ich zuvor geglaubt<br />
habe. Klar gibt’s in jeder Firma die good guys und<br />
die bad guys.<br />
Haben Sie ein Beispiel für good guys?<br />
Sagmeister: Mir fällt da die Eiscremefirma „Ben und Jerry’s“<br />
ein. Anfangs dachte ich, diese sozial- und ökologisch<br />
orientierte Hippie-Nummer namens „Caring Capitalism“<br />
sei einfach ein Marketing-Schmäh. Bis ich daraufkam,<br />
denen ging es wirklich um die Message.<br />
Die Werbung hat also einen schlechteren Ruf, als sie verdient?<br />
Sagmeister: Ich glaube, dass der Kunde es irgendwann<br />
überreißt, wenn man ihn über den Tisch ziehen will. Vielleicht<br />
bin ich auch naiv, aber ich hab das Gefühl, dass<br />
ich selten erfolgreich angelogen werde.<br />
Sie sagten einmal, das CD-Cover sei am absteigenden Ast.<br />
Bedauern Sie das als Grafikdesigner?<br />
Sagmeister: An sich bin ich nicht sehr nostalgisch. Es<br />
gibt so viele andere Dinge, die mich anziehen, obwohl<br />
die Visualisierung von Musik schon ein sehr interessanter<br />
Prozess ist. Nun ist diese Zeit halt so gut wie<br />
vorbei.<br />
„Everything I do always comes back to me“, lautet eine Erkenntnis,<br />
die Stefan Sagmeister inszenierte. Der Satz erschien<br />
erstmals in Form von Doppelseiten in einem Magazin.<br />
Eine immer länger werdende Liste an Lebensweisheiten<br />
im Tagebuch des Grafikdesigners brachte ihn auf die Idee,<br />
dieses Projekt zu realisieren. Fotos: Sagmeister Inc.<br />
Welche Zukunft sagen Sie dem Buch und der Tageszeitung<br />
voraus?<br />
Sagmeister: Ich denke, diesen Bereichen wird es ähnlich<br />
gehen. Jetzt gibt es natürlich diese ganzen Geschichten,<br />
die schon so lange das Ende des Prints voraussagen und<br />
diese Prognose ist ja in dieser Form nicht eingetreten.<br />
Aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass die Generation,<br />
die heute keine CDs mehr kauft, also die 15- bis<br />
25-Jährigen, auch die erste Generation sein wird, die<br />
kein Bücherregal mehr kaufen wird, sondern auf eine<br />
gewisse Art online lesen wird.<br />
Und wie schaut diese Art aus?<br />
Sagmeister: Wenn ich mir den neuen Leseapparat „Kindle“<br />
von Amazon anschaue, ist der zwar noch nicht gut,<br />
aber schon fast gut. Ich bin mir sicher, dass in fünf Jahren<br />
ein Apparat auf dem Markt sein wird, der ausgezeichnet<br />
funktioniert. Ein Ding, das vom Lesegefühl so<br />
angenehm ist wie ein Taschenbuch, aber halt viel, viel<br />
mehr kann als das Taschenbuch.<br />
Aber alle Welt redet doch immer von der Haptik, vom Papier,<br />
seinem Rascheln etc.<br />
Sagmeister: Aber nicht die erwähnte Generation.<br />
Und die Tageszeitung?<br />
Sagmeister: Ich habe vor drei Wochen einen Vortrag bei der<br />
New York Times gehalten. Dort hat man mir gesagt, dass<br />
ihre Zeitung von einer Million Menschen in gedruckter<br />
Fassung gelesen wird, aber online von 25 Millionen. Die<br />
Zahlen sind natürlich allein schon betreffend des Leseverhaltens<br />
schwer einzuschätzen. Da werden noch immer<br />
ein wenig Äpfel mit Birnen verglichen. Man darf auch<br />
nicht vergessen, dass die Werber derzeit für Print-Werbung<br />
noch viel mehr zahlen als für Online-Werbung. Ich<br />
denke, es hängt alles am Generationenwechsel.<br />
Wie konsumieren Sie die Tageszeitung?<br />
Sagmeister: Am Wochenende lese ich die Zeitung im Bett<br />
und auf Papier, unter der Woche online. Der Computer<br />
ist im Bett irgendwie unangenehm.<br />
Sie sagten einmal, „Designbücher für Designer“ sind<br />
meist langweilig.<br />
Sagmeister: Ich wollte als Designer immer ein großes Publikum<br />
ansprechen. Mich haben auch immer Leute<br />
mehr beeindruckt, die etwas Gutes für ein Massenpublikum<br />
gemacht haben. Mir fallen da zum Beispiel die<br />
Simpsons ein, oder Olafur Eliasson mit seiner künstlichen<br />
Sonne in der Tate Modern. Q<br />
rondo/11/04/2008 7