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ICF - Luzerner Kantonsspital

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Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178<br />

Umsetzung der »International Classification of<br />

Functioning, Disability and Health« (<strong>ICF</strong>) in die<br />

Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Ein interdisziplinäres Projekt am <strong>Kantonsspital</strong> Luzern<br />

H. P. Rentsch, P. Bucher, I. Dommen-Nyffeler, C. Wolf, H. Hefti, E. Fluri,<br />

M. L. Bucher Koller, A. Deerpaul Krummenacher, M. Lenherr, I. Zumsteg, M. Fischer<br />

Abt. für Rehabilitation, Medizinische Klinik, <strong>Kantonsspital</strong> Luzern<br />

Zusammenfassung<br />

Die WHO überarbeitete in den letzen Jahren die internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen<br />

und Beeinträchtigungen (ICIDH). Das neue Konzept wurde im Mai 2001 von der Generalversammlung<br />

der WHO verabschiedet. Neu heißt sie im Englischen »International Classification of Functioning, Disability and<br />

Health (<strong>ICF</strong>)«. Die <strong>ICF</strong> umfaßt die funktionalen Aspekte der Gesundheit (Funktionsfähigkeit) und Behinderung<br />

einer Person, die mit der körperlichen und geistig/seelischen Verfassung der Person in Zusammenhang stehen. Das<br />

aktualisierte Konzept sieht grundlegende Neuerungen vor. Die drei Dimensionen werden nun ressourcenorientiert,<br />

positiv definiert. Neu wird auch der Einfluß der Umgebung auf die Behinderung erfaßt (Kontextfaktoren).<br />

Die Rehabilitationsarbeit auf der REHAB in Luzern soll in Zukunft auf der Grundlage der <strong>ICF</strong> erfolgen. Bereits<br />

während der Entwicklungsphase hat sich die Rehab stark mit der praktischen Umsetzung des neuen Konzepts<br />

befaßt. Wir stellen das Projekt, die damit verbundenen Zielsetzungen sowie die praktischen Umsetzungsschritte<br />

auf unserer stationären Neurorehabilitationsabteilung am Akutspital vor. Das umfangreiche Dokument der <strong>ICF</strong><br />

wird auf ein vereinfachtes gemeinsames Raster für die drei Dimensionen und die Kontextfaktoren reduziert. Damit<br />

wird die systematische Anwendung durch das interdisziplinäre Rehabilitationsteam im Alltag möglich. Die in der<br />

Neurorehabilitation tätigen Fachbereiche bedienen sich für die Beschreibung der menschlichen Funktionen und<br />

Behinderungen einer standardisierten und einheitlichen Beurteilungsgrundlage und Sprache. Dies erleichtert die<br />

interdisziplinäre Kommunikation und die Dokumentation der Rehabilitationsverläufe. Wir sind deshalb überzeugt,<br />

daß die konsequente Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagsarbeit zu einer Verbesserung der Qualität der Rehabilitationstätigkeit<br />

führt.<br />

Schlüsselwörter: <strong>ICF</strong>, neurologische Rehabilitation, Behinderung, Körperstruktur, Körperfunktion, Aktivitäten,<br />

Partizipation, Kontextfaktoren<br />

The implementation of the <strong>ICF</strong> in daily practice of neurorehabilitation<br />

H. P. Rentsch, P. Bucher, I. Dommen-Nyffeler, C. Wolf, H. Hefti, E. Fluri, M. L. Bucher Koller,<br />

A. Deerpaul Krummenacher, M. Lenherr, I. Zumsteg, M. Fischer<br />

Abstract<br />

WHO worked on a revision of the International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps<br />

(ICIDH). In May 2001 the new version was officially implemented by the general assembly of the WHO in Geneva.<br />

The new term is »International Classification of Functioning, Disability and Health (<strong>ICF</strong>)«. The <strong>ICF</strong> system<br />

groups the functional states associated with health conditions and disability of a person. The actual concept of<br />

<strong>ICF</strong> provides several improvements. The three dimensions are defined in a positive manner. As a new aspect, the<br />

impact of the environment (contextual factors) on disability is recorded.<br />

<strong>ICF</strong> constitutes the theoretical framework for our future work in Lucerne. We present the project, the aims pursued,<br />

as well as the steps to implement the <strong>ICF</strong> in practical work at a unit for Neurorehabilitation in an acute care<br />

hospital. The extensive document of <strong>ICF</strong> was broken down to a simplified raster for the three dimensions and the<br />

contextual factors. This allows a common use in everyday work by the multiprofessional team and provides a unified<br />

and standard language and framework for description of human functioning and disability for communication<br />

and documentation. We are convinced that a consistent use of the <strong>ICF</strong> in everyday work improves the quality of<br />

the treatment in rehabilitation.<br />

Key words: <strong>ICF</strong>, neurological rehabilitation, disability, body functions, body structures, activities, participation,<br />

contextual factors<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178<br />

Originalarbeit


Originalarbeit Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Einleitung<br />

Am <strong>Kantonsspital</strong> Luzern wird eine Neurorehabilitationsabteilung<br />

mit 36 stationären und seit 1994 mit 5 teilstationären<br />

Rehabilitationsplätzen betrieben. Die Abteilung ist das<br />

anerkannte zentralschweizerische Erstrehabilitationszentrum<br />

für hirnverletzte und hirnerkrankte Menschen. Ein Team<br />

von erfahrenen und kompetenten Fachspezialistinnen und<br />

Fachspezialisten, die wohnortnahe Lage und die Vernetzung<br />

der Rehabilitationseinrichtungen von der Intensivstation<br />

bis zur sozialen und beruflichen Wiedereingliederung<br />

in die Wohnregion ermöglichen den hier behandelten Patienten<br />

und Patientinnen eine lückenlose Versorgung [1]<br />

(Abb. 1).<br />

Familie, Angehörige und die Wohn- und Lebenssituation<br />

werden mit Beginn der stationären Rehabilitation fest ins<br />

Rehabilitationskonzept einbezogen. Der Übergang vom<br />

ge-schützten stationären Umfeld in ambulante Rehabilitationsmaßnahmen<br />

erfolgt kontinuierlich. Hausabklärungen<br />

und domizilorientierte therapeutische Interventionen werden<br />

bereits in die stationäre Behandlung integriert und die<br />

Zu-sammenarbeit mit nachbetreuenden Organisationen<br />

individuell aufgebaut. Berufliche Maßnahmen werden<br />

frühzeitig mit Berufsberatern der Invalidenversicherung<br />

abgesprochen. Damit wird ein nahtloser späterer Übergang<br />

zur beruflichen Rehabilitation gewährleistet.<br />

Der frühe Einbezug des persönlichen Lebensumfeldes des<br />

Patienten ins Rehabilitationsprogramm bedingt eine besonders<br />

enge, vernetzte Zusammenarbeit im interdisziplinären<br />

Rehabilitationsteam unter Beteiligung des Patienten<br />

und seiner Angehörigen. Partizipationsziele müssen schon<br />

in den ersten Rehabilitationsphasen unter Berücksichtigung<br />

des konkreten Kontextes erarbeitet werden und in die<br />

Rehabilitationsplanung einfließen. Planung und Durchführung<br />

einer derartig vernetzten Rehabilitation stellen<br />

hohe Anforderungen an die Interaktionsfähigkeiten des<br />

Rehabilitationsteams. Für den Aufbau einer gemeinsamen<br />

Kommunikationsbasis und eines systematisierten Pla-<br />

Soziale Eingliederung<br />

Akutspital<br />

nungsvorgehens erwies sich die <strong>ICF</strong> als sehr hilfreich. Die<br />

klare Trennung zwischen den ursprünglichen Ebenen des<br />

Schadens, der Fähigkeitsstörungen und der Be-einträchtigung<br />

bewog uns schon frühzeitig, unsere konzeptionelle<br />

Arbeit im klinischen Alltag danach auszurichten [2]. Als<br />

erstes wurde ein Sprachrehabilitationskonzept für Aphasiepatienten<br />

erarbeitet und in Assessment wie Therapie konsequent<br />

umgesetzt. Eine Publikation erfolgte 1997 [3]. Die<br />

Ideen des revidierten WHO-Konzeptes (<strong>ICF</strong>), welches nun<br />

neu auch die Kontextfaktoren miteinbezieht, wurden aufgenommen<br />

und der Beschluß gefaßt, in einer Projektarbeit<br />

den ganzen Rehabilitationsbetrieb in Luzern systematisch<br />

auf die <strong>ICF</strong> umzustellen [4].<br />

Ziele der WHO<br />

<strong>ICF</strong>-Nomenklatur<br />

1980 wurde von der WHO die ICIDH publiziert [2]. Sie<br />

befaßt sich mit der Problematik der gesundheitlichen<br />

Folgen bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder<br />

bleibenden Behinderungen. In dieser Situation hilft ein<br />

stark kurativ orientiertes Denken nicht weiter. Das neu<br />

überarbeitete Klassifikationskonzept umfaßt drei Dimensionen<br />

und zudem Kontextfaktoren [4]:<br />

Domiziltherapie Ambulante Rehabilitation<br />

Berufliche Rehabilitation<br />

Abb. 1: Zentralschweizerisches Rehabilitationskonzept für Menschen mit Hirnerkrankungen und Hirnverletzungen<br />

ICIDH (international Classification of impairment, Disability<br />

and Handicap): WHO-Klassifikation von 1980<br />

ICIDH-2: bezeichnung iCiDH während des Überarbeitungspro-jektes<br />

<strong>ICF</strong> (international Classification of Functioning, Disability and<br />

Health): neue namensgebung der von der WHO im Mai 2001<br />

in genf verabschiedeten neuen Fassung<br />

in diesem artikel wird der begriff iCiDH für die erste Klassifikation<br />

von 1980, der begriff iCF für die 2001 verabschiedete<br />

Fassung und die vorangehende Projektphase (damals iCiDH-2<br />

genannt) verwendet.<br />

Stationäre Rehabilitation Tagesrehabilitation<br />

Berufliche Eingliederung<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178


Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation Originalarbeit<br />

1. Körperfunktion und -struktur:<br />

Körperfunktion und- Struktur beschreiben die Dimension<br />

des Körpers. Ein Schaden ist ein Verlust oder eine<br />

Abnormität der Körperstruktur oder einer physischen<br />

oder psychischen Funktion.<br />

2. Aktivität:<br />

Eine Aktivität ist die Art und das Ausmaß der gesundheitlichen<br />

Integrität auf der Ebene der Person als handelndes<br />

Subjekt. Eine Aktivität kann in Art, Dauer und<br />

Qualität gestört sein. Beschrieben werden Aktivitäten<br />

des täglichen Lebens. Das Betrachtungsfeld ist der<br />

Funktionsverlust auf der Ebene der Person als Ganzes.<br />

3. Partizipation:<br />

Unter Partizipation versteht man die Art und das Ausmaß<br />

des Einbezogenseins einer Person in Lebensbereiche<br />

in bezug auf Körperfunktionen, Aktivitäten, gesundheitliche<br />

Situation und Kontextfaktoren. Die Partizipation<br />

kann in Art, Dauer und Qualität eingeschränkt sein.<br />

Sie ist charakterisiert durch das Einbezogensein in die<br />

Vielfalt der Lebensituationen. Das Betrachtungsfeld ist<br />

die soziale Ebene. Auf dieser Ebene geht es auch um<br />

Krankheitsbewältigung (Coping) und um die Reaktion<br />

der Gesellschaft auf Krankheit und Behinderung<br />

(gesellschaftliche Benachteiligung).<br />

4. Kontextfaktoren:<br />

Die Kontextfaktoren bilden den gesamten Hintergrund<br />

des Lebens und der Lebensweise einer Person, der durch<br />

äußere umweltbedingte Faktoren und innere persönliche<br />

Faktoren bestimmt wird. Die Umweltfaktoren sind<br />

charakterisiert durch Merkmale der physikalischen und<br />

so-zialen Umwelt sowie deren Einstellungen.<br />

Die <strong>ICF</strong> verfolgt die folgenden Hauptziele:<br />

1. Sie stellt eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung<br />

der Funktionsfähigkeit zur Verfügung, um die Kommunikation<br />

zwischen Fachleuten im Gesundheits- und<br />

Sozialwesen, insbesondere in der Rehabilitation, sowie<br />

den Menschen mit Behinderungen zu verbessern.<br />

2. Sie liefert eine wissenschaftliche Grundlage für das<br />

Verständnis und das Studium von Zuständen der Funktionsfähigkeit.<br />

3. Alle modernen Definitionen des Begriffs der Rehabilitation<br />

basieren auf der <strong>ICF</strong>. Die Wiederherstellung<br />

oder wesentliche Besserung der Funktionsfähigkeit<br />

insbesondere in den Dimensionen der Aktivitäten (Lei-<br />

stungsfähigkeit) und der Partizipation (Teilhabe in Lebensbereichen)<br />

einer Person ist die zentrale Aufgabe<br />

der Rehabilitation. Daher ist die <strong>ICF</strong> für die Rehabilitation<br />

bei der Feststellung des Bedarfs, der funktionalen<br />

Diagnostik, des Rehabilitations-Managements, der<br />

Interventionsplanung und der Evaluation rehabilitativer<br />

Maßnahmen unverzichtbar.<br />

4. Der Abbau von Hemmnissen in der Gesellschaft und<br />

physikalischen Umwelt, die die Partizipation erschweren<br />

oder unmöglich machen, und der Ausbau von Schutzfaktoren<br />

und Erleichterungen, die die Partizipation trotz<br />

erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen wie-<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178<br />

derherstellen oder unterstützen, sind wichtige Aufgaben<br />

der Gesundheits- und Sozialpolitik sowie der Behinderten-<br />

und Menschenrechtspolitik.<br />

Zielsetzungen der REHAB Luzern<br />

Die gedankliche Auseinandersetzung mit den Grundlagen<br />

der <strong>ICF</strong> und die positiven Erfahrungen beim Umsetzen<br />

des <strong>ICF</strong>-Konzeptes in Diagnostik und Therapie bei der<br />

Aphasierehabilitation ermunterte uns, mit solchen Ansätzen<br />

auch in den anderen Fachbereichen zu experimentieren. Als<br />

Resultat der gemeinsam geführten Diskussionen reifte der<br />

Beschluß, die <strong>ICF</strong> als Grundlage für Assessment, interdisziplinäre<br />

Kommunikation, Rapportwesen, Rehabilitationsplanung<br />

und Dokumentation in allen Fachbereichen einzuführen.<br />

Eine Projektplanung wurde in Angriff genommen.<br />

Dabei wurden folgende Ziele definiert:<br />

1. Die <strong>ICF</strong> soll konsequent angewendet werden zur Feststellung<br />

des Rehabilitationsindikation, der funktionellen<br />

Diagnostik, der Interventionsplanung und der Evaluation<br />

rehabilitativer Maßnahmen.<br />

2. Der Dimension der Partizipation soll eine zentralere<br />

Bedeutung zukommen, die Kontextfaktoren sollen schon<br />

frühzeitig stärker in die Rehabilitationsarbeit miteinbezogen<br />

werden.<br />

3. Es soll eine gemeinsame, <strong>ICF</strong>-konforme Sprache und<br />

Nomenklatur in den verschiedenen Fachbereichen entwickelt<br />

und in interdisziplinären Rehabilitationsrapporten<br />

und unseren Dokumentationen konsequent eingesetzt<br />

werden.<br />

4. Die Rehabilitationsplanung soll dementsprechend neu<br />

erarbeitet, strukturiert und dann umgesetzt werden.<br />

5. Die Dokumentation in allen Fachbereichen soll vereinheitlicht<br />

werden und konsequent auf den <strong>ICF</strong>-Dimensionen<br />

aufbauen.<br />

6. Die Gestaltung und Gewichtung der Inhalte der Rehabilitationsrapporte<br />

wird neu überdacht und neu konzipiert.<br />

7. Die verwendeten Assessments sollen <strong>ICF</strong>-konform<br />

sein.<br />

8. Die Berichterstattung soll vereinheitlicht werden.<br />

Projektbeschreibung und Projektablauf (Abb. 2)<br />

1. Projektphase 1998/1999<br />

In der ersten Phase werden die Erfahrungen mit der Aphasierehabilitation<br />

analysiert und die Zielsetzungen für das<br />

Gesamtkonzept formuliert. Parallel dazu geht es darum,<br />

das Kader mit der <strong>ICF</strong> vertraut zu machen. Dies geschieht<br />

in Form von Workshops, die interdisziplinär einmal monatlich<br />

stattfinden. Die Veranstaltungen sind patienten- und<br />

praxisorientiert. Es werden aktuelle Fallbeispiele vorgestellt<br />

und diskutiert. Das Thema wird zusätzlich an Rehabinternen<br />

Fortbildungen aufgegriffen. Eine Projektplanung<br />

mit zeitlichen Fixpunkten wird erarbeitet.


Originalarbeit Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

2. Projektphase 1999/2001<br />

Die zweite Phase enthält verschiedene Teilprojekte. Diese<br />

beinhalten die folgenden Aspekte: Erarbeitung eines Grundrasters<br />

im Sinne eines relevanten Auszugs aus der <strong>ICF</strong>-<br />

Klassifikation, MitarbeiterInnenschulung, freie Anwendungsversuche<br />

in den verschiedenen Fachbereichen, Konsequente<br />

Abfassung der ärztlichen Konsiliarberichte gemäß<br />

<strong>ICF</strong>-Kriterien und Ausarbeitung eines domzilorientierten<br />

interdisziplinären Rehabilitationskonzeptes mit Einbezug<br />

der Entlassungsplanung (DOR).<br />

<strong>ICF</strong>-Grundraster zum Gebrauch im interdisziplinären<br />

Team und in den Fachbereichen<br />

Das Kader der Rehab bearbeitete in 6 Workshops die<br />

Beta-2-Version der <strong>ICF</strong>. Es definierte ein auf die Neurorehabilitation<br />

bezogenes vereinfachtes Grundraster für die<br />

Dimensionen Körperfunktionen, Aktivitäten, Partizipation<br />

sowie für die Kontextfaktoren. Vorbereitet wurden diese<br />

Workshops durch eine aus dem Kader gebildete Kerngruppe.<br />

Die Workshopteilnehmer setzten sich zusammen aus<br />

Phase 1<br />

1997/1998<br />

Ärzten, Pflegepersonen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen,<br />

einem Neuropsychologen, einer Sprachtherapeutin<br />

und einem Sozialarbeiter. Aus dem umfangreichen<br />

WHO-Dokument wurde ein für die Neurorehabilitation<br />

vereinfachte Grundraster herausfiltriert, das folgende Voraussetzungen<br />

erfüllen mußte:<br />

– Verwendung der zentralen Begriffe, die in der stationären<br />

und poststationären Rehabilitation für alle Fachbereiche<br />

von Bedeutung sind,<br />

– Reduktion der im Originaldokument enthaltenen Item-<br />

Vielfalt auf eine vereinfachte, übersichtliche und für alle<br />

in der Rehabilitation Tätigen einfach anwendbare Nomenklatur,<br />

– klare Beziehung der Begriffe zum WHO-Originaldokument.<br />

Das Resultat wurde von allen gut akzeptiert und für sinnvoll<br />

erachtet als Grundlage für die interdisziplinäre Kommunikation.<br />

Dieses Grundraster deckt die gemäß unserer<br />

Erfahrung für den Alltag in der Neurorehabilitation wichtigsten<br />

Aspekte der Körperfunktionen, Aktivitäten, Partizipation<br />

und Kontextfaktoren ab. Insgesamt wurden für die<br />

Aphasierehabilitation Kaderschulung<br />

anwendung Workshops<br />

erfahrungen patientenorientiert<br />

Phase 2<br />

1999/2001<br />

DOR MitarbeiterInnenschulung <strong>ICF</strong> Grundraster Anwendungsversuche Ärztliche Konsiliarberichte<br />

Domizilorientiertes interdisziplinäre Workshops erarbeitung durch Fachbereiche abfassung nach<br />

reha-Konzept reHab-interne Fortbildungen rehabkader, auszug aus bei bestehenden iCF-Kriterien<br />

interdisziplinäre iCF-Klassifikation Strukturen<br />

entlassungsplanung<br />

Stand der<br />

Projektarbeiten<br />

Erfahrungsaustausch Rapporte/Dokumentation Fachraster<br />

Kommunikation iCF-konforme neugestaltung Fachbereiche<br />

intern inhalte, gewichtung vertiefen grundraster<br />

extern assessmentinstrumente gemäß eigenen bedürfnissen<br />

Vernehmlassung<br />

reHab-Kader<br />

beschlußfassung Pilotversuche<br />

Pilotversuche MitarbeiterInnenschulung<br />

Pilotrapporte rapportsystem<br />

erproben der Dokumentation Dokumentation<br />

berichte<br />

Phase 3<br />

2002<br />

einführung<br />

rapport-, Dokumentationssystem<br />

Phase 4<br />

2002<br />

evaluation und Verbesserungen<br />

assessmentinstrumente<br />

Abb. 2: <strong>ICF</strong> Umsetzung auf der REHAB des Kantonspitals Luzern. Projektablauf<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178


Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Dimension Körperfunktion 39, die Aktivitätendimension 28,<br />

die Partizipationsdimension 23, die umgebungsbedingten<br />

Kontextfaktoren 6 und die persönlichen Kontextfaktoren 15<br />

Hauptbegriffe übernommen. Zur genaueren Differenzierung<br />

sind diese Hauptbegriffe teilweise noch in Unterbegriffe<br />

aufgeteilt (Tab. 1).<br />

Tab. 1: Grundraster Neurorehabilitation: Dimension: Aktivitäten/Partizipation, Ebene: Mobilität<br />

lernen,<br />

Wissen<br />

anwenden<br />

aufgaben,<br />

ansprüche<br />

– bewußte – aufgabe<br />

sensorische lösen<br />

aktivitäten – mehrere<br />

– Problem- aufgaben<br />

lösung koordiniert<br />

– entschei- lösen<br />

dung – tägliche<br />

– aufmerksam routine<br />

sein<br />

durchführen<br />

– nachahmen – mit Streß/-<br />

– Üben<br />

psychischer<br />

– sich Fertigkeitenaneignen<br />

belastung<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178<br />

Kommunikation<br />

– Verstehen<br />

– Mitteilen<br />

– Kommunikation<br />

mit<br />

geräten<br />

– telekommunikation<br />

bewegung,<br />

Mobilität<br />

– Körperpositionbeibehalten/verändern<br />

– gehen<br />

– andere art<br />

der Fortbewegung<br />

– gegenstände<br />

tragen,<br />

bewegen,<br />

handhaben<br />

– Fortbewegung<br />

mit<br />

ausstattung<br />

(rollstuhl)<br />

– F. an versch.<br />

Orten<br />

Abb. 3: <strong>ICF</strong> Grundraster Neurorehabilitation: Aktivitäten/Partizipation<br />

Aktivitäten/Partizipation<br />

Selbstversorgung<br />

– Waschen,<br />

Duschen<br />

– essen, trinken<br />

– Körperteile<br />

pflegen<br />

– ankleiden,<br />

auskleiden<br />

– toilettenaktivitäten<br />

– auf gesundheit<br />

achten<br />

Originalarbeit<br />

Als Beispiel sei die Dimension der Aktivitäten kurz<br />

dargestellt und kommentiert (Abb. 3). Die neun in der<br />

<strong>ICF</strong> beschriebenen Ebenen wurden mit ihren offiziellen<br />

deutschsprachigen Bezeichnungen übernommen. Die<br />

ausführlichen Unterteilungen in verschiedenste Aktivitäten<br />

im Originaldokument wurden durch die Projektgruppe<br />

Hauptbegriffe Unterbegriffe Assessment (Beispiele) Code<br />

Körperposition beibehalten/- beibehalten der Körperhaltung WHODaS d415<br />

verändern (sitzen, liegen, stehen etc.)<br />

Körperposition ändern<br />

(aufstehen, abliegen, absitzen etc.)<br />

WHODaS stand up and go d410<br />

sich verlagern (transfer) FiM, Stand up and go, tinetti, WHODaS d420<br />

gegenstände tragen, bewegen, gegenstand anheben, tragen nottingham eatl d430<br />

handhaben grober Hand-/armgebrauch d445<br />

Feinmotorische aktivitäten der Hand nine Hole Peg test d440<br />

gehen kurze Distanzen FiM, WHODaS, timed Walking test<br />

lange Distanzen (> 1km) WHODaS, nottingham eatl d450<br />

verschiedene Oberflächen,gelände nottingham eatl<br />

andere Fortbewegungsart treppensteigen/Klettern FiM, nottingham eatl d455<br />

ausstattung rollstuhl FiM d465<br />

Hilfsmittel (Stock, rollator etc) FiM<br />

Fortbewegung an verschiedenen Orten<br />

ham eatl<br />

im eigenen Haus notting-<br />

in fremden Häusern d460<br />

außerhalb von Häusern nottingham eatl<br />

Fortbewegen mit transportmittel als Fahrgast privat nottingham eatl d470<br />

als Fahrgast öffentlich nottingham eatl<br />

häusliches<br />

leben<br />

– Wohnen,<br />

Unterkunft<br />

– erwerb,<br />

Zubereitung<br />

von gütern<br />

– Haushaltsaktivitäten<br />

– Sorgen für<br />

Haushaltsgegenstände<br />

– für andere<br />

sorgen<br />

interaktionen,<br />

beziehungen<br />

– allgemeine<br />

interpersonelleaktivitäten<br />

– besondere<br />

interpersonelle<br />

aktivi-<br />

bedeutende<br />

lebensberei-<br />

gemeinschaft,<br />

Soziales,<br />

staatsbürgerliches<br />

leben<br />

– bildung, aus- – gemeinbildungschaftliches<br />

– erwerbsar- leben<br />

beit,beschäf- – Freizeit<br />

tigung – Staatsbür-<br />

– wirtschaftli- gerschaft


Originalarbeit<br />

bearbeitet und auf das für die stationäre und unmittelbar<br />

poststationäre neurorehabilitative Behandlung notwendige<br />

Minimum reduziert. Im folgenden sei dies exemplarisch<br />

anhand der Beispiele »Lernen und Wissen anwenden«<br />

und »Kommunikation« etwas genauer aufgezeigt. Wir<br />

kamen im Projektteam zum Schluß, daß aufgrund der<br />

klinischen Alltagserfahrungen während der stationären<br />

Rehabilitation die Ebene »Lernen und Wissen anwenden«<br />

normalerweise mit den folgenden Unterbegriffen beschrieben<br />

werden kann: Zielgerichtete sensorische Aktivitäten,<br />

Problemlösung, Entscheidungen treffen und Wissen anwenden.<br />

»Kommunikation« kann im klinischen Alltag auf die<br />

Tätigkeiten Verstehen, Kundgabe, Gespräche führen (einzeln<br />

und in Gruppen) sowie für diesen Zweck notwendige<br />

Hilfsmittel reduziert werden. Im gleichem Sinne wurden<br />

die anderen Ebenen intensiv aufgearbeitet und ein <strong>ICF</strong>konformes,<br />

vereinfachtes Raster zur Schulung und Anwendung<br />

für die Rehab-MitarbeiterInnen festgelegt. Mit den<br />

Dimensionen Körperfunktionen, Partizipation und mit den<br />

Kontextfaktoren wurde genauso verfahren.<br />

Tabelle 1 zeigt die von uns gewählte Unterteilung der<br />

beiden Ebenen »Elementare Bewegungsaktivitäten« und<br />

»Fortbewegung« in Hauptbegriffe und dazugehörige Unterbegriffe.<br />

Damit soll eine Hilfe zur präziseren Beschreibung<br />

der Aktivitätsebenen geleistet werden. Wir sind der<br />

Meinung, daß die gewählten Begriffe ausreichen, um dem<br />

Rehab-Gesamtteam eine qualitativ gute Beobachtung und<br />

Beschreibung der Aktivitäten des Patienten zu ermöglichen.<br />

Das Raster gibt uns auch eine Übersicht über die<br />

Zuordnung der Meßgrößen der eingesetzten Assessmentinstrumente<br />

und der <strong>ICF</strong>-Codenummern.<br />

Es war dem Projektteam aber auch klar, daß die Spezialdisziplinen<br />

zur Beschreibung ihrer Befunde fachbezogene<br />

ergänzende Erweiterungen benötigten. Im Auftrag der Projektleitung<br />

erhielt jeder Fachbereich die Aufgabe, anhand<br />

der <strong>ICF</strong>-Vorgaben das Grundraster für den eigenen Bereich<br />

fachspezifisch zu ergänzen.<br />

Grundraster<br />

interdisziplinär<br />

Gehen<br />

– kurze Distanzen<br />

– lange Distanzen<br />

– verschiedene Oberflächen<br />

– mit Hilfsmitteln<br />

– ausrüstung (rollstuhl)<br />

– treppensteigen<br />

Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Fachraster<br />

Physiotherapie<br />

Ergotherapie<br />

ergänzend<br />

Fortbewegung<br />

interdisziplinär<br />

Hindernisse andere Fortbewegungsarten<br />

Abb. 4: <strong>ICF</strong>: Ausschnitt Mobilität: Aufbau des Grund- und Fachrasters<br />

– Kriechen<br />

– Klettern<br />

– rennen<br />

– Springen<br />

– Schwimmen<br />

Erweiterung des Grundrasters durch Fachraster:<br />

Nach Abschluß der Arbeiten am Grundraster erhielten die<br />

Fachbereichsleitungen den Auftrag, mit ihren Teams notwendige<br />

ergänzende Erweiterungen des allgemeingültigen<br />

Grundrasters für den eigenen Fachbereich zu erarbeiten.<br />

Diese Fachraster vertiefen die <strong>ICF</strong>-konforme Anwendung<br />

im Spezialbereich. Dies soll am praktischen Beispiel<br />

anhand der Aktivitätenebene »Fortbewegung« erläutert werden<br />

(Abb. 4). Für die Tätigkeit »Gehen« erachten wir die<br />

folgenden Beobachtungsebenen für alle Teammitglieder als<br />

relevant: Gehen über kurze Distanzen, über lange Distanzen,<br />

auf verschiedenen Oberflächen, Treppensteigen und<br />

Gehen mit Hilfsmitteln (Rollstuhl, Gehhilfen etc). Für die<br />

Physiotherapie muß dieses Grundraster erweitert werden.<br />

Es müssen auch das Gehen über Hindernisse und weitere<br />

Fortbewegungsarten wie Kriechen, Klettern, Rennen,<br />

Springen und Schwimmen mitbeurteilt werden. Die physiotherapeutischen<br />

Fachraster müssen um diese Begriffe<br />

erweitert werden. Eine ähnliche Erweiterung erfährt das<br />

Grundraster für Fortbewegung mit Transportmitteln, das<br />

zwischen den Möglichkeiten der Benutzung eines Transportmittels<br />

als Passagier und als Fahrer unterscheidet.<br />

Ergänzende Fachraster für Physio- und Ergotherapie sind<br />

bei Benutzung als Passagier: menschenbetriebene, private<br />

und Massentransportmittel. Die Erweiterungen bei Benutzung<br />

als Fahrer sind: menschenbetrieben, motorisiert und<br />

das Reiten.<br />

MitarbeiterInnenschulung und Anwendungsversuche:<br />

Parallel zur Grundrasterentwicklung erfolgt eine systematische<br />

Grundinformation der MitarbeiterInnen des Rehabteams<br />

über die <strong>ICF</strong> und ihre Ziele. Diese Information<br />

erfolgt anhand von interdisziplinären Workshops und über<br />

Mitarbeiterorientierung und Schulung durch die Teamleitungen.<br />

Dabei werden alle Teammitglieder ermuntert, die<br />

Grundraster<br />

interdisziplinär<br />

als Passagier<br />

benutzen<br />

Fachraster<br />

Physiotherapie<br />

Ergotherapie<br />

ergänzend<br />

Transportmittel<br />

– menschenbetrieben<br />

– privates transportmittel<br />

Grundraster<br />

interdisziplinär<br />

als Fahrer<br />

benutzen<br />

Fachraster<br />

Physiotherapie<br />

Ergotherapie<br />

ergänzend<br />

– menschenbetrieben<br />

– motorisiert<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178


Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation Originalarbeit<br />

Begriffe der <strong>ICF</strong> bei aktuellen Rehabilitationsbesprechungen<br />

und in ihrer Dokumentation anzuwenden, auch wenn<br />

noch keine Perfektion gewährleistet ist.<br />

Ärztliche Konsiliarberichte:<br />

Seit Anfang 1999 werden sämtliche ärztlichen Konsiliarberichte<br />

konsequent nach der <strong>ICF</strong>-Klassifikation abgefaßt.<br />

Dies führt zu Vertrautheit mit den Grundbegriffen im<br />

Rehabilitationsteam.<br />

Domizilorientiertes Rehabilitationskonzept (DOR):<br />

Die intensive Beschäftigung mit den Grundlagen der <strong>ICF</strong><br />

hat bewirkt, daß eine Neuerarbeitung der Entlassungsplanung<br />

und der therapeutischen Gestaltung der sozialen<br />

Reintegrationsphase in Angriff genommen wurde. Eine<br />

interdisziplinäre Arbeitsgruppe war verantwortlich für die<br />

Konzeptarbeit und die spätere Umsetzung in den Alltag.<br />

Ziele der DOR sind: 1. Erreichen der Selbständigkeit in<br />

bezug auf Alltagsaktivitäten im gewohnten oder neuen<br />

sozialen Umfeld mit dem Ziel einer guten Lebensqualität.<br />

2. Ermöglichen einer Auseinandersetzung mit der Realität<br />

zu Hause für die Betroffenen und deren Bezugspersonen.<br />

In der Domizilorientierten Rehabilitation (DOR) während<br />

der stationären Phase stehen nicht die Funktions-/Strukturdimension<br />

der betroffenen Person, sondern die Dimension<br />

der Aktivitäten, die Kontextfaktoren sowie die Partizipationsdimension<br />

im Vordergrund. Die betroffenen Personen<br />

können die im Verlaufe der Rehabilitation wiedererworbenen<br />

Aktivitäten unter Anleitung im persönlichen Umfeld<br />

ausprobieren und anpassen. Die Kontextfaktoren (z. B.<br />

Familienmitglieder, räumliche Bedingungen) werden in<br />

die Therapie miteinbezogen. Dies erhöht die Chancen einer<br />

möglichst guten Partizipation in den verschiedenen Lebensbereichen.<br />

Das Konzept »Domizilorientierte Rehabilitation während<br />

der stationären Phase« (DOR) befaßt sich mit der Patientengruppe,<br />

deren Reintegration Interventionen von TherapeutInnen<br />

und/oder Pflegepersonen im persönlichen Umfeld<br />

des Betroffenen erfordert, unter Einbezug von weiterbetreuenden<br />

Personen oder Institutionen. Diese Domiziltherapie<br />

kann je nach Problemstellung durch eine Berufsgruppe<br />

oder interdisziplinär erfolgen und unterliegt einer klaren<br />

Indikationsstellung. Bei einer als realistisch eingeschätzten<br />

Reintegration wird die DOR ins stationäre Rehabilitationsprogramm<br />

als Vorbereitung des Übergangs in den Alltag<br />

integriert. Die Indikation ist gegeben:<br />

■ bei PatientInnen mit starken Einschränkungen auf der<br />

Aktivitätenebene und/oder erschwerenden Kontextfaktoren<br />

■ bei fehlender Möglichkeit, die Reintegration über eine<br />

ambulante Nachbetreuung oder mit Hilfe von Angehörigen<br />

durchzuführen.<br />

Bei einer fraglichen Reintegrierbarkeit ist eine sehr limitierte<br />

DOR im Sinne eines Assessments angezeigt, um die<br />

notwendigen Entscheidungsgrundlagen zu liefern.<br />

Neurol Rehabil 2001; 7 (4): 171-178<br />

Rehabilitationsbesprechungen und Dokumentation:<br />

Seit April 2000 arbeitet eine Projektgruppe an diesem<br />

Thema. Ihr Ziel ist es, den Inhalt und dessen Gewichtung,<br />

die Organisation, die Strukturierung, den Ablauf sowie die<br />

Dokumentation der Rehabilitationsbesprechungen festzulegen.<br />

Im Sommer 2001 lagen folgende Ergebnisse vor:<br />

■ Inhalt und Gewichtung: Informationen über den Rehabilitanden,<br />

ausgerichtet an den verschiedenen <strong>ICF</strong>-Dimensionen,<br />

die zur Definierung des Rehabilitationsziels<br />

notwendig sind. Besonderes Gewicht wird auf eine<br />

frühzeitige und gründliche Erfassung der Kontextfaktoren<br />

gelegt. Das Rehabilitationsziel auf der Partizipationsebene<br />

wird gemeinsam mit dem Patienten und seinen<br />

Angehörigen erarbeitet. Es werden klar definierte Zwischenziele<br />

festgelegt. Die notwendigen Maßnahmen, die<br />

Kriterien zur Evaluation und das Datum der nächsten<br />

Folgebesprechung werden abgesprochen.<br />

■ Organisation, Strukturierung und Ablauf: Die Aufgaben<br />

der Gesprächsleitung und der einzelnen Fachbereiche<br />

am Rapport, der Ablauf und die Zeitdauer der Besprechungen<br />

sind festgelegt.<br />

■ Dokumentation: Die neu strukturierte Protokollierung<br />

ist aufgebaut. Sie enthält den aktuellen Funktionszustand,<br />

die Überprüfung der Zielerreichung, die Rehabilitationsplanung<br />

mit Ziel- und Maßnahmenformulierung<br />

und die Festhaltung abgesprochener Termine.<br />

Erfahrungsaustausch:<br />

Wir suchen den Erfahrungsaustausch mit anderen Institutionen,<br />

welche <strong>ICF</strong>-Projekte verfolgen. Dabei erhoffen wir<br />

uns weitere Ideen und Inputs für unser laufendes Projekt.<br />

Vernehmlassung/Pilotversuche/MitarbeiterInnenschulung:<br />

Die Resultate der Arbeitsgruppe werden in die einzelnen<br />

Fachteams zur Vernehmlassung gegeben. Daraus soll das<br />

definitive Rapport- und Dokumentationskonzept erarbeitet<br />

und an Musterrapporten im Sinne von Pilotversuchen<br />

evaluiert werden. Aufgrund der gemachten Erfahrungen<br />

erfolgen noch letzte Anpassungen, bevor die Anwendungsschulung<br />

der MitarbeiterInnen durchgeführt wird.<br />

3. Projektphase 2001<br />

Nach Erscheinen der offiziellen Deutschübersetzung der<br />

<strong>ICF</strong> wird ab dem 1.1.2001 das Rapport-, Dokumentations-<br />

und Berichtsystems in die klinische Alltagsarbeit<br />

eingeführt.<br />

4. Projektphase:<br />

Parallel zu der Einführung läuft eine Evaluation des Rapport-<br />

und Dokumentationswesens. Notwendige Anpassungen<br />

sind aufgrund der gemachten Erfahrungen im zweiten<br />

Halbjahr des Jahres 2002 geplant.


Originalarbeit Rentsch et al.: Umsetzung der <strong>ICF</strong> in die Alltagspraxis der Neurorehabilitation<br />

Konklusion<br />

Das <strong>Luzerner</strong> Rehabilitationsteam steht am Ende der<br />

Projektarbeit. Nach dem Abschluß der Arbeiten am Grundraster<br />

sind wir alle überzeugt, daß die Einführung der<br />

<strong>ICF</strong>-Sprachregelung als Basis für die Kommunikation,<br />

Dokumentation und Berichterstattung in allen Fachbereichen<br />

die Qualität der Fach- und Teamarbeit verbessern und<br />

das gegenseitige Verständnis im interdisziplinären Arbeitsprozeß<br />

fördern wird. Die Rehabilitationsrapporte können<br />

in Zukunft strukturierter und interaktiver gestaltet werden.<br />

Es werden Grundlagen vorliegen, um Aussagen, Planungen<br />

und Zielsetzungen kürzer, aber klarer und verständlicher zu<br />

kommunzieren. Die Rehabilitation mit ihren Interventionsebenen<br />

und die durch den Rehabilitationsprozeß bewirkten<br />

Gewinne können besser sichtbar gemacht werden. Die<br />

Kommunikation und Berichterstattung wird strukturierter<br />

und für den Informationsempfänger verständlicher.<br />

Die Aufarbeitung der <strong>ICF</strong>-Grundlagen hat in unserem<br />

inter-disziplinären Team bereits in der Projektphase zu<br />

einer Vertiefung der Basiserkenntnisse und des Verständnisses<br />

des Rehabilitationsprozesses geführt. Die Rehabilitationszielsetzungen<br />

und Rehabilitationsplanungen werden<br />

be-reits heute wesentlich systematischer und zielorientierter<br />

vorgenommen. Die Partizipationsdimension und<br />

das Um-feld, d. h. die Kontextfaktoren, werden frühzeitig<br />

wahrgenommen und in die Rehabilitationszielsetzung und<br />

das Be-handlungskonzept eingebaut.<br />

Literatur<br />

1. Rentsch H: Rehabilitation des hirnverletzten Menschen: Das <strong>Luzerner</strong><br />

Rehabilitationskonzept. Rehabilitation (SAR) 1993; 1: 11<br />

2. Matthesius RG, Jochheim KA, Barolin S, Heinz C: In: ICIDH, International<br />

Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps,<br />

Teil 1: Bedeutung und Perspektiven, Teil 2: Internationale Klassifikation<br />

der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen.<br />

Ein Handbuch zu Klassifikation der Folgeerscheinungen der Erkrankung,<br />

übersetzt von R.G. Matthesius. Ullstein Mosby, Berlin/Wiesbaden<br />

1995<br />

3. Bucher PO, Zumsteg I, Rentsch HP: Sprachrehabilitation bei Aphasie<br />

im Konzept der Internationalen Klassifikation der Schädigungen,<br />

Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen (ICIDH). Rehabilitation<br />

1997; 36: 238-243<br />

4. ICIDH-2: International Classification of Functioning, Disability and<br />

Health, prefinal draft, full version, World Health Organisation, Geneva<br />

December 2000<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. med. H. P. Rentsch<br />

Abt. f. Rehabilitation<br />

<strong>Kantonsspital</strong> Luzern<br />

CH-6000 Luzern 16<br />

e-mail: Hanspeter.Rentsch@KSL.ch<br />

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