Schwere Zeiten ... neue Wege ... - Kinder-Umwelt-Gesundheit
Schwere Zeiten ... neue Wege ... - Kinder-Umwelt-Gesundheit
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<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ...<br />
Gemeinsam aktiv für die Prävention<br />
von Übergewicht und Adipositas in der Schule
<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ...<br />
Gemeinsam aktiv für die Prävention<br />
von Übergewicht und Adipositas in der Schule
VOR
WORT<br />
Aktuelle Studienergebnisse verdeutlichen eine Zunahme von vermeidbaren chronischen<br />
Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und<br />
Fettstoffwechselstörungen waren noch vor wenigen Jahren überwiegend Erkrankungen des<br />
Erwachsenenalters. Durch die Zunahme von Übergewicht und Adipositas treten diese Erkrankungen<br />
mittlerweile bereits im Kindesalter auf. Spezialisten sprechen von „New Morbidities“<br />
bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />
Durch einen gesunden Lebensstil können diese Erkrankungen vermieden werden. Deshalb ist<br />
es wichtig, dass bereits in der Schule ein gesunder Lebensstil unterstützt wird. Die Erfahrung<br />
zeigt allerdings, dass eine reine Wissensvermittlung über Ernährung und Bewegung nicht ausreicht.<br />
Gefordert ist zusätzlich die Entwicklung von Strukturen, die <strong>Gesundheit</strong>sthemen in den<br />
Bildungskanon aufnehmen. Zudem müssen die Eltern in diesen Prozess integriert und unterstützt<br />
werden. Genauso wichtig wird langfristig die Einbindung der Wirtschaft sein, die durch<br />
Produktverkauf und Werbung das Verhalten der <strong>Kinder</strong> und Familien stark prägen.<br />
Das Handbuch <strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> … – Gemeinsam aktiv für die Prävention von<br />
Übergewicht und Adipositas in der Schule ist im Rahmen des Programms der guten gesunden<br />
Schule für Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen an Schulen entwickelt worden.<br />
Es werden sowohl Anregungen für die tägliche Arbeit mit betroffenen Schülern als auch viele<br />
Hinweise zur Prävention vermittelt. Den Ausgangspunkt für die Aufarbeitung des Themas bilden<br />
die pädagogischen Probleme, die im Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas in<br />
der Schule auftreten.<br />
Die AOK Berlin – Die <strong>Gesundheit</strong>skasse, die Bertelsmann Stiftung und die Senatsverwaltung<br />
für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin unterstreichen mit diesem Handbuch die<br />
zentrale Stellung des gesamtgesellschaftlichen Ansatzes für eine bessere <strong>Gesundheit</strong> und Bildung<br />
unserer <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen in der Schule – einem wichtigen Ort ihrer Entwicklung.<br />
Dr. Brigitte Mohn<br />
Mitglied des Vorstandes der<br />
Bertelsmann Stiftung und Leiterin<br />
des Themenfeldes <strong>Gesundheit</strong><br />
Prof. Dr. Jürgen Zöllner<br />
Senator für Bildung,<br />
Wissenschaft und Forschung<br />
Berlin<br />
Rolf D. Müller<br />
Vorsitzender des Vorstandes<br />
der AOK Berlin<br />
– Die <strong>Gesundheit</strong>skasse
NHALT<br />
1. Einleitung<br />
2. Ursachen<br />
3. Psychosoziale Folgen<br />
4. Wahrnehmung<br />
5. Gesprächsleitfaden<br />
6. Literatur<br />
Diese Publikation verwendet vorwiegend die männliche Sprachform. Bei allen Personen<br />
und Funktionsbezeichnungen sind stets auch die weiblichen gemeint.<br />
| 08<br />
| 14<br />
| 44<br />
| 58<br />
| 68<br />
| 84
*Prävalenz:<br />
Epidemiologisches Maß zur Charakterisierung<br />
von Krankheitsgeschehen in<br />
einer Population: Bestand, Häufigkeit<br />
einer bestimmten Krankheit; Pschyrembel,<br />
Klinisches Wörterbuch, Walter de<br />
Gruyter.<br />
*Adipositas:<br />
Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil<br />
an der Gesamtkörpermasse<br />
krankhaft erhöht ist. Der Körperfettanteil<br />
wird mit dem BMI = Body-Mass-<br />
Index (Körpergewicht in kg/Körpergröße<br />
in m 2 ) abgeschätzt; Definition der<br />
Arbeitsgemeinschaft Adipositas.<br />
8<br />
Übergewicht und Adipositas:<br />
Eine Herausforderung für die Schule<br />
EINLEITUNG<br />
Gegenwärtige Untersuchungen zeigen eine deutliche und stetige<br />
Zunahme der Prävalenz* von Übergewicht und Adipositas * in der<br />
Bevölkerung. Nach Angaben der WHO [4] sind über eine Milliarde<br />
Menschen weltweit übergewichtig und 300 Millionen Menschen<br />
adipös. Von dieser Zunahme sind sowohl Erwachsene als auch <strong>Kinder</strong><br />
und Jugendliche betroffen.Adipositas und Übergewicht im Kindes-<br />
und Jugendalter sind eine erhebliche Belastung für die Betroffenen,<br />
die Familien und die Gesellschaft. In Anbetracht der<br />
begrenzten Wirksamkeit und der enormen Kosten der verschiedenen<br />
Therapieprogramme für die Betroffenen kommt der Prävention<br />
(Vorbeugung), gerichtet an alle <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, eine hohe<br />
Bedeutung zu [1;2].
Nach einer aktuellen<br />
<strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie<br />
sind 15% der<br />
<strong>Kinder</strong> zwischen<br />
drei und 17 Jahren<br />
übergewichtig,<br />
6% leiden sogar an<br />
Adipositas.<br />
Übergewicht und<br />
Adipositas führen<br />
zu erheblichen<br />
gesundheitlichen<br />
Belastungen und zu<br />
vielen psychischen<br />
und sozialen<br />
Schwierigkeiten.<br />
Die Zunahme der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas und<br />
die damit verbundenen gesundheitlichen Schäden fordern nicht<br />
nur das <strong>Gesundheit</strong>ssystem, sondern stellen auch das Schulsystem<br />
vor bisher nicht gekannte Probleme. Nach aktuellen Ergebnissen ><br />
der <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts<br />
sind 15% der <strong>Kinder</strong> zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig,<br />
6% leiden sogar an Adipositas.<br />
Die Anzahl der betroffenen Schüler nimmt in jeder Klasse zu und<br />
konfrontiert die Lehrerschaft mit schwierigen pädagogischen Problemen.<br />
Umgang mit Hänseleien und erschwerte Bedingungen im<br />
Sportunterricht sind nur zwei von vielen Beispielen.<br />
Folglich ist die Prävention von Übergewicht und Adipositas in der<br />
Schule sowohl im Sinne der Pädagogik als auch im Sinne der<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung dringend geboten. Nach dem Verständnis<br />
der guten gesunden Schule leistet die Lehrkraft auf diesem Weg><br />
einen Beitrag zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags,<br />
zu einem besseren Lern- und Lehrerfolg, zu einem besseren Schulklima<br />
und zu einer besseren Schulkultur. Das Handbuch <strong>Schwere</strong><br />
<strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... wird die Lehrerschaft bei dieser Aufgabe<br />
unterstützen.<br />
Was müssen Sie als Lehrer wissen?<br />
Wie kann Ihnen dieses Handbuch helfen?<br />
EINLEITUNG<br />
9<br />
<strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie<br />
www.kiggs.de<br />
die gute gesunde Schule<br />
www.anschub.de<br />
www.forumpraevention.de<br />
www.bertelsmannstiftung.de<br />
Übergewicht und Adipositas führen zu erheblichen gesundheitlichen<br />
Belastungen und zu vielen psychischen und sozialen<br />
Schwierigkeiten. Bereits bei Schulkindern können sich Folgeerkrankungen<br />
manifestieren, wie z.B. Diabetes mellitus (Typ II Diabetes),<br />
Bluthochdruck, Gelenkerkrankungen, Schlafapnoe* und psychi- *Schlafapnoe:<br />
sche Veränderungen. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Atempausen im Schlaf, die zu einem<br />
Schüler führen zu Problemen im Schulalltag. Übergewichtige und<br />
adipöse Schüler sind schwieriger im Sportunterricht zu motivieren<br />
und zu integrieren. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit ist einge-<br />
chronischen Sauerstoffmangel führen.<br />
schränkt und durch Folgeerkrankungen treten tagsüber Müdigkeit, > mehr Information<br />
Gereiztheit und Konzentrationsmängel auf. Dies sind nur einige über Folgeerkrankungen unter:<br />
Beispiele. In dem Kapitel Ursachen werden Sie über die gesundheitlichen<br />
Belastungen und über die schulischen Konsequenzen<br />
informiert.<br />
www.a-g-a.de
EINLEITUNG<br />
Adipositas Akademie Freiburg<br />
Badischer Sportbund Freiburg e. V.<br />
E-Mail: j.scheuer@bsb-freiburg.de<br />
10<br />
><br />
Die psychosozialen Konsequenzen von Übergewicht und Adipositas<br />
werden in zahlreichen Studien gut belegt. Die Stigmatisierung<br />
von übergewichtigen Schülern ist lange bekannt. Der soziale und<br />
psychische Leidensdruck ist groß und kann eine Einschränkung der<br />
Lern- und Lehrergebnisse in der Schule hervorrufen. Adipöse Schüler<br />
haben größere Schwierigkeiten, einen Zugang zu einem höheren<br />
Bildungsabschluss zu bekommen – obwohl Übergewicht und<br />
Fettleibigkeit weder mit geringeren Lernfähigkeiten noch mit<br />
einem niedrigeren Wunsch, einen höheren Bildungsabschluss zu<br />
erreichen, korrelieren [3;4].<br />
Die Stereotypisierung und die Diskriminierung in der Schule sind<br />
mitverantwortlich für diesen Prozess. Diesen Teufelskreis können<br />
Sie in Ihrer Lehrerposition unterbrechen. In den Kapiteln Wahrnehmung<br />
und Psychosoziale Folgen finden Sie ausführliche Informationen<br />
über die Auswirkungen für Ihren Unterricht und entsprechende<br />
Handlungshilfen. In dem Gesprächsleitfaden finden Sie Anregungen<br />
für ein konstruktives Gespräch mit den Eltern der Betroffenen.<br />
Dieses Handbuch ist ein Baustein für ein umfangreicheres Konzept<br />
zur Adipositasprävention. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit,<br />
sich in gezielten Fortbildungen im Bereich der Prävention<br />
und Therapie zu den Themen Übergewicht und Adipositas<br />
weiterzubilden.<br />
Eine interdisziplinäre Fortbildungs-Akademie für Lehrer, <strong>Kinder</strong>ärzte,<br />
Psychologen, Erzieher und Ernährungsfachleute<br />
ermöglicht erstmalig eine enge Kooperation zwischen der Prävention<br />
in der Schule und der Therapie im <strong>Gesundheit</strong>ssektor.<br />
Für eine nachhaltige und langfristige Bewältigung und Vorsorge<br />
der Adipositas ist diese Verknüpfung unerlässlich.<br />
Parallel zu der von der Schule ausgehenden Präventionsarbeit werden<br />
regionale Partner für Schulen in deren Nähe ermittelt. Diese<br />
Partner sind Anbieter oder Träger von <strong>Gesundheit</strong>sleistungen und<br />
werden die Schulen bei dieser Aufgabe langfristig unterstützen.
Prävention von<br />
Übergewicht und<br />
Adipositas brauchen<br />
Interventionen im<br />
vorschulischen,<br />
schulischen und<br />
außerschulischen<br />
Bereich, um langfristig<br />
erfolgreich<br />
zu sein.<br />
Das Potenzial des Lehrers<br />
Sie besitzen einen direkten Zugang zu der körperlichen und seelischen<br />
<strong>Gesundheit</strong> aller <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen in unserer Gesellschaft.<br />
In diesem Kontext sind Sie als Lehrer ein wichtiger Multiplikator<br />
von Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung. Ihre Schule ist<br />
somit ein Bestandteil des Präventionsmanagements. Das bedeutet,<br />
dass Prävention von Übergewicht und Adipositas Interventionen<br />
im vorschulischen, schulischen und außerschulischen Bereich brauchen,<br />
um langfristig erfolgreich zu sein.<br />
Nachhaltige Bemühungen dieser Art gibt es in unserer Gesellschaft<br />
bisher nicht. Viel mehr werden die Ressourcen für Therapie-Programme<br />
verwendet, von denen nach aktuellen Untersuchungen<br />
nur ein Bruchteil der Betroffenen profitiert und für die in wenigen<br />
Fällen eine langfristige Wirksamkeit nachgewiesen [4]. ist<br />
EINLEITUNG<br />
11
EINLEITUNG<br />
*Verhältnisprävention:<br />
Maßnahmen, die die Umgebung der<br />
Person mit einbeziehen. Umgebung ist<br />
dabei im weitesten Sinne zu verstehen.<br />
Darunter fällt die persönliche und<br />
berufliche <strong>Umwelt</strong>; Vorbeugung durch<br />
niedrigschwellige und flächendeckende<br />
Bereitstellung von Präventionsangeboten;<br />
Lehrbuch Sozialmedizin; Ralph<br />
Brennecke; 2004<br />
12<br />
Deswegen ist es umso wichtiger, in den Schulen, wo alle <strong>Kinder</strong><br />
erreicht werden, über die Krankheitsrelevanz von Übergewicht und<br />
Adipositas zu informieren, dort Handlungshilfen anzubieten und<br />
dort Unterstützungssysteme aufzubauen.<br />
Das Handbuch <strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... versteht sich als Der Schulalltag ist<br />
Teilprogramm der pädagogischen Prävention und <strong>Gesundheit</strong>s- durch Adipositas<br />
förderung und ermöglicht die Integration gesundheitsbezogener deutlich schwieriger<br />
Inhalte zum Thema Übergewicht und Adipositas in den Schulalltag. geworden. Hier<br />
Dieser Schulalltag ist durch die Zunahme von Übergewicht und Adi- ist der Ansatzpunkt.<br />
positas deutlich schwieriger geworden. Hier ist der Ansatzpunkt fürHier<br />
setzen die<br />
Hilfestellungen und Maßnahmen für Verhältnisprävention *. Bisher Hilfestellungen an.<br />
wird in Deutschland Verhältnisprävention zur Vermeidung von<br />
Übergewicht und Adipositas nicht systematisch eingesetzt [5].
Der von der Schule ausgehende Präventionsansatz<br />
schließt eine Lücke:<br />
Schule und Lehrer werden zur Bewältigung des gesamtgesellschaftlichen<br />
Problems von Übergewicht in die Präventionsstrategie<br />
als unverzichtbare Partner gesehen und benötigt.<br />
Die Lehrer werden qualifiziert informiert und in professionellen<br />
Fortbildungen geschult.<br />
Die Schule wird zu einem Ort der Verhältnisprävention. Bei<br />
der Verhältnisprävention werden <strong>Gesundheit</strong>srisiken in der schulischen<br />
Welt thematisiert, vermindert oder im besten Fall beseitigt.<br />
Für den Lebensraum Schule bedeutet dieses für die Schüler:<br />
Die Entwicklung eines Bewusstseins für die eigene <strong>Gesundheit</strong><br />
und die Unterstützung bei der Befähigung zu einem gesunden<br />
Lebensstil.<br />
Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus Bildungswesen,<br />
Ernährungswissenschaft, Medizin, Pädagogik, Psychologie<br />
und Sportwissenschaft hat die Erstellung des Moduls mit seiner<br />
Expertise begleitet.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg mit<br />
Ihrem Engagement:<br />
Mit <strong>Gesundheit</strong> gute Schule machen!<br />
EINLEITUNG<br />
13
Ursachen von Übergewicht und Adipositas<br />
URSACHEN<br />
*Ätiologie:<br />
Lehre von den Krankheitsursachen<br />
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,<br />
Walter de Gruyter Verlag).<br />
*Epidemiologie:<br />
Ein Wissenschaftszweig, der sich mit<br />
der Verteilung von übertragbaren und<br />
nicht übertragbaren Krankheiten und<br />
deren Determinanten und Folgen in der<br />
Bevölkerung befasst.<br />
(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,<br />
Walter de Gruyter Verlag).<br />
14<br />
In diesem umfassenden Kapitel soll veranschaulicht werden,<br />
welche die zugrunde liegenden Ursachen für die Entstehung<br />
von Übergewicht und Adipositas sind.<br />
Dabei spielen die Ätiologie *, Epidemiologie*, Soziokultur, Ernährung,<br />
Bewegung sowie Besonderheiten bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
und Risikogruppen eine entscheidende Rolle. Sie fragen sich<br />
sicherlich, warum muss ich das wissen und was kann ich damit<br />
bewirken?<br />
Durch dieses Wissen werden Sie als Lehrer nicht nur fachkundig,<br />
sondern erhalten eine fundierte Grundlage für die Bewältigung des<br />
Problems in Ihrem Schulalltag. Sie können im Gespräch mit Ihren<br />
Schülern und deren Eltern dieses Wissen zum einen weitergeben<br />
und zum anderen ein Bewusstsein für die Brisanz der Erkrankung<br />
bei den Betroffenen bewirken. Dieses Hintergrundwissen ist die<br />
Basis in der Prävention von Übergewicht und Adipositas und somit<br />
ein entscheidender Schritt für einen besseren Unterricht mit gesunden<br />
<strong>Kinder</strong>n.
Eine Fehlbilanz von<br />
ca. 125 kJ/Tag<br />
(z.B. ein kleines<br />
Glas Coca-Cola, 0,2 l),<br />
oder 15 Minuten<br />
Fernsehen statt Bewegung<br />
führen zur<br />
Adipositas.<br />
Ätiologie der Adipositas<br />
Die Ursachen und die Krankheitsentstehung der Adipositas sind<br />
komplex und lassen sich nur durch das Zusammenwirken unterschiedlicher<br />
Ursachen erklären. Dies erfordert die Beleuchtung folgender<br />
Einflussfaktoren: erhöhte Energiezufuhr, genetische und<br />
daraus resultierende veränderte Stoffwechsellage (Metabolismus),<br />
Bewegungsmangel, soziale Herkunft mit prägendem Bewegungsund<br />
Ernährungsverhalten sowie andere <strong>Umwelt</strong>einflüsse.<br />
Grundsätzlich ist die Adipositas die Folge einer Energieimbalance.<br />
Das heißt, die Energieaufnahme übersteigt den Energieverbrauch<br />
über einen längeren Zeitraum hinweg, unabhängig welche Lebensmittel<br />
(Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß) zugeführt werden. So zeigen<br />
Untersuchungen, dass eine Fehlbilanz von 2%, dies sind ca. 125<br />
kJ/Tag (z.B. ein kleines Glas Coca-Cola, 0,2 l) oder 15 Minuten<br />
Fernsehen statt Bewegung zur Adipositas führen [1-5].<br />
Die Energiebilanz beschreibt auf der einen Seite die Nahrungszufuhr,<br />
auf der anderen Seite den Energieverbrauch des Organismus.<br />
Der Gesamtenergieumsatz setzt sich aus Grundumsatz, Thermogenese<br />
und körperlicher Aktivität zusammen. Unter Grundumsatz<br />
versteht man die Summe der Stoffwechsel-Aktivitäten der Organe<br />
und Gewebe des Körpers in Ruhe, welcher individuell bis zu 60%<br />
des gesamten Stoffwechsels betragen kann. Die Thermogenese<br />
kennzeichnet den Energieverbrauch durch Aufnahme,Verarbeitung<br />
und Speicherung der Nährstoffe und macht ca. 10% des Gesamtenergieumsatzes<br />
aus. Damit verbleiben für körperlichen Aktivität<br />
noch ca. 30%.<br />
Wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird, spricht<br />
man von einer positiven Energiebilanz. Ursache einer positiven<br />
Energiebilanz kann aber auch eine veränderte Stoffwechselaktivität<br />
sein, beeinflusst durch das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem<br />
und biochemische Faktoren (z.B. Einfluss von Hormonen).<br />
Der Begriff metabolische Veranlagung oder auch metabolische<br />
Disposition beschreibt den genetisch bedingten, unterschiedlichen<br />
Stoffwechsel von Individuen. Sie betrifft sowohl den Energieverbrauch<br />
als auch die Fettverbrennung und die Insulinsensitivität<br />
(Ansprechen der Körperzellen auf das Hormon Insulin). Die<br />
Beziehung zwischen der stoffwechselbedingten Disposition und<br />
einer Gewichtszunahme ist gut belegt und trägt ebenso wie die<br />
Energiezufuhr und der Energieverbrauch zur Entstehung der Adipositas<br />
bei [6;7].<br />
URSACHEN<br />
15
URSACHEN<br />
*Leptinspiegel:<br />
Konzentration des Hormons Leptin im<br />
Blut.<br />
16<br />
Die Regulation des Körpergewichts steht in wechselseitiger Beziehung<br />
von Hunger und Sättigung. Diese beiden Größen werden von<br />
biologischen und psychosozialen Faktoren sowie der <strong>Umwelt</strong><br />
beeinflusst.<br />
Genetische Faktoren<br />
Erbliche Faktoren beeinflussen aus heutiger Sicht zahlreiche Funktionen:<br />
den Grundumsatz, die Körperzusammensetzung (Muskulatur,<br />
Fettgewebe, Bindegewebe, Knochen), die Appetitregulation,<br />
die Insulinsensitivität, den Leptinspiegel * sowie die körperliche<br />
Aktivität. Des Weiteren wird das individuelle Gewicht des Menschen<br />
über einen genetisch festgelegten Setpoint (Sollwert) in<br />
einem Regulationssystem gesteuert. Dieses zentrale Regulationssystem<br />
steuert den Körperfettanteil u.a. über das Hormon Leptin.<br />
Leptin wird in der Fettzelle gebildet und setzt bei Werten über<br />
UNTERSCHIEDLICHE SIGNALE BEEINFLUSSEN DIE VERARBEITUNG VON HUNGER UND SÄTTIGUNG<br />
Blutkreislauf<br />
Externe Faktoren<br />
Tageszeit, Geruch, Geschmack, optische Eindrücke<br />
Interne Faktoren<br />
unwillkürliches<br />
Nervensystem<br />
Signale für Energiereserven Hungersignale Sättigungsfaktoren<br />
Leptin (Fettgewebe) Ghrelin* (Magen) Signale aus dem Magen-Darm-<br />
Insulin (Bauchspeicheldrüse) Trakt und der Leber<br />
*Ghrelin:<br />
Ghrelin ist ein appetitanregendes Hormon,<br />
welches in der Magenschleimhaut<br />
produziert wird.<br />
Gehirn<br />
Abbildung modifiziert nach: S. Klaus, Deutsches Institut für Ernährungsforschung
oder unter dem individuell bestehenden Setpoint stoffwechselbedingte<br />
(z.B. Hunger- bzw. Sättigungsgefühl) oder verhaltensgesteuerte<br />
Prozesse in Gang (z.B. Nahrungssuche in Kühlschrank<br />
oder Vorratskammer).<br />
Darüber hinaus sind an der Regulation von Hunger und Sättigung<br />
außer genetischen Faktoren hochkomplexe Regelnetzwerke beteiligt.<br />
Neben der individuellen Kontrolle der Energiebilanz spielen<br />
äußere Einflüsse eine entscheidende Rolle. Das Schaubild (Unterschiedliche<br />
Signale beeinflussen die Verarbeitung von Hunger und<br />
Sättigung) soll die Komplexität der Verarbeitung von Hunger und<br />
Sättigung darstellen. Es ist anzumerken, dass das komplexe<br />
System der Appetitregulation noch nicht vollständig aufgeklärt<br />
worden ist.<br />
Neueste Ergebnisse aus der Zwillings-, Adoptions- und Familienforschung<br />
deuten auf einen Anteil genetischer Faktoren an der Entstehung<br />
der Adipositas von 60 bis 80% [8;9]. hin Gestützt wird<br />
dieser Sachverhalt durch die Tatsache, dass bis zu 80% der Schulkinder<br />
im Alter von elf bis 14 Jahren, bei denen ein oder zwei<br />
Elternteile adipös sind, selbst übergewichtig werden [9]. Somit<br />
stellt das Gespräch mit den Eltern übergewichtiger und adipöser<br />
Schulkinder eine ernst zu nehmende pädagogische Aufgabe dar.<br />
Genetische Faktoren haben unbestritten einen Einfluss auf die<br />
Entstehung von Übergewicht und Adipositas, allerdings wird nicht<br />
das Krankheitsbild an sich vererbt, sondern nur die Veranlagung.<br />
Die heutige genetische Ausstattung des Menschen ist mit der<br />
Möglichkeit der Fettspeicherung für ein Leben in der Wildnis konzipiert.<br />
Im Sinne dieser thrifty genes (Sparsamkeits-Gene) sind wir<br />
nicht für die Überflussgesellschaft geeignet, die neben übermäßigem<br />
Nahrungsangebot zusätzlich durch Bewegungsmangel<br />
gekennzeichnet ist. Intensive körperliche Aktivität war für Jäger<br />
und Sammler aus evolutionsbiologischer Sicht bei der Nahrungssuche<br />
unerlässlich [10;11].<br />
Wer in guten <strong>Zeiten</strong> nicht genügend Fett speichern konnte, verhungerte<br />
in Notzeiten. In diesem Kontext wird außer thrifty genes<br />
auch der Begriff susceptibility genes (beeinflussbare Gene) verwendet.<br />
Körperlich inaktive Menschen verbrennen nicht genügend<br />
Nährstoffe und produzieren nicht ausreichend günstige Eiweiße.<br />
Zu diesen günstigen Eiweißen gehören z. B. Lipoproteine, die für<br />
den Fetttransport aus dem Blut in die Zellen verantwortlich sind.<br />
Die günstigen Eiweiße verhindern Herz-Kreislauf-Fehlfunktionen<br />
(z.B. Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen, die zum Herzinfarkt<br />
und Schlaganfall führen). Die ausreichende Produktion dieser<br />
Eiweiße ist vom Ausmaß der täglichen Bewegung abhängig [10].<br />
URSACHEN<br />
17
URSACHEN<br />
Modul<br />
Die bewegungsfreudige Schule<br />
www.anschub.de<br />
18<br />
><br />
Was bedeuten diese Ursachen für Sie als Lehrer?<br />
Wie kann Schule die Ursachen beeinflussen?<br />
Etwa 30% der Einflussgrößen auf das Körpergewicht sind auf<br />
<strong>Umwelt</strong>faktoren zurückzuführen, wobei unsere adipogene <strong>Umwelt</strong><br />
– d. h. überall verfügbare Essensangebote, bewegungsarme Freizeitgestaltung,<br />
Transport mit Schulbus und Auto – zur weiteren<br />
Ausprägung der Adipositas führt. Hier liegen die Einflussmöglichkeiten<br />
der Lehrer und der Schule.<br />
Die Schule wird, gerade im Hinblick auf die Ganztagsschule,<br />
einen immer größeren Anteil an den Lebenswelten (<strong>Umwelt</strong>faktoren)<br />
von Schulkindern einnehmen. Somit wird sie im<br />
Bereich der Schülergesundheit eine zentrale Rolle erhalten<br />
bzw. sich mit gesundheitlichen Einschränkungen im Schulalltag<br />
beschäftigen müssen. Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />
sollten daher durch das Programm der guten gesunden Schule<br />
etabliert werden.<br />
Dazu gehören z. B. das Konzept der bewegungsfreudigen Schule<br />
mit ausreichenden Bewegungsangeboten und Bewegungsmöglichkeiten<br />
innerhalb des Schulalltags und der Freizeit (AGs,<br />
offene Sportflächen, Kooperation Schule-Verein) und die theoretische,<br />
aber auch praktische (z. B. Schulkantine) Vermittlung<br />
einer gesunden Ernährungsweise an Schüler und Eltern.<br />
Mit dem Programm der guten gesunden Schule werden sowohl<br />
die Lernleistungen als auch die <strong>Gesundheit</strong> in der Schule positiv<br />
unterstützt.<br />
Die Schule kann im Bereich der Ernährung über Kiosk, Pausenverpflegung,<br />
Getränkeautomaten, Mittagsverpflegung oder<br />
auch gemeinsame Mahlzeiten von Lehrern und Schülern ihren<br />
positiven Einfluss geltend machen und im Bewegungsbereich<br />
Förderarbeit leisten. Lehrern kommt in diesem Prozess eine<br />
wichtige Modellfunktion zu.<br />
Etwa 30% der Einflussgrößen<br />
auf das<br />
Körpergewicht sind<br />
auf <strong>Umwelt</strong>faktoren<br />
zurückzuführen.<br />
Hier liegen die Einflussmöglichkeiten<br />
der<br />
Lehrer und der Schule.
Motivierte Lehrer, die über Basiswissen zu Übergewicht und<br />
Adipositas verfügen und mögliche Maßnahmen zu Veränderungen<br />
des Lebensstils kennen, können betroffenen Schulkindern und<br />
ihren Eltern entscheidende Hilfestellungen geben.<br />
Das Problem des Übergewichts sollte dabei direkt angesprochen<br />
und individuelle Lösungen gesucht werden. Der Gesprächsleitfaden<br />
in diesem Handbuch kann Ihnen diesbezüglich konkrete<br />
Vorschläge anbieten. Gegenseitige Achtung im Umgang miteinander<br />
steht im Mittelpunkt bei der Arbeit im Klassenverband. Es sollten<br />
Regeln zur Vermeidung von Mobbing, Hänseleien und Aggressivität<br />
aufgestellt werden. Das Modul Prima Klima kann Ihnen bei ><br />
dieser Umsetzung helfen.<br />
URSACHEN<br />
Modul Prima Klima<br />
www.anschub.de<br />
19
URSACHEN<br />
Body Mass Index,gemessen als Körpergewicht<br />
in kg dividiert durch die Körpergröße<br />
in m zum Quadrat<br />
BMI =<br />
kg<br />
m 2<br />
20<br />
><br />
Epidemiologie – Trends der Adipositas<br />
bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht bei der Adipositas<br />
von einer globalen Epidemie aus und erklärte diese, aufgrund der<br />
damit verbundenen <strong>Gesundheit</strong>srisiken, zu einer der bedeutendsten<br />
gesundheitspolitischen Herausforderungen im Rahmen der allgemeinen<br />
<strong>Gesundheit</strong>sförderung [12].<br />
In den USA existieren durch die wiederholt durchgeführten, lanÜbergewicht<br />
ist<br />
desweiten <strong>Gesundheit</strong>s- und Ernährungsstudien flächendeckende kein kosmetisches<br />
Daten zur körperlichen Entwicklung der Bevölkerung einschließlichProblem,<br />
sondern<br />
der Entwicklung von Schulkindern und Jugendlichen im Alter zwiein<br />
ernsthaftes<br />
schen sechs und 17 Jahren [13-15]. Die Untersuchungen zeigen, <strong>Gesundheit</strong>sproblem.<br />
dass es seit 1980 zu einer massiven Zunahme der Adipositas<br />
gekommen ist [16]. Mit Zunahme des Übergewichts können sich<br />
bereits bei <strong>Kinder</strong>n frühzeitig Krankheiten wie Bluthochdruck,<br />
Diabetes Typ II und Fettstoffwechselstörungen entwickeln [17].<br />
Übergewicht ist deshalb kein kosmetisches Problem, sondern ein<br />
ernsthaftes <strong>Gesundheit</strong>sproblem.<br />
In der Öffentlichkeit diskutierte Prävalenzzahlen (z.B. jedes vierte<br />
oder fünfte Kind ist übergewichtig …) müssen kritisch hinterfragt<br />
werden, da oftmals unklar ist, anhand welcher Definition diese<br />
Aussage getroffen bzw. welche Gruppe von <strong>Kinder</strong>n betrachtet<br />
wurde.<br />
Deshalb wurde im Jahre 2001 von der Arbeitsgemeinschaft<br />
Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) eine einheitliche<br />
Definition von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und<br />
Jugendalter in Deutschland auf der Basis einer Referenzstichprobe<br />
erarbeitet [18].<br />
Die Referenzwerte werden in Form von Perzentilkurven auf der<br />
Basis des BMI dargestellt. Der Perzentilwert trifft eine Aussage<br />
über die relative Position einer Person innerhalb einer Gruppe.<br />
Befindet sich ein Kind mit seinem BMI auf der 97. Perzentile, so<br />
bedeutet dies, dass 97% der <strong>Kinder</strong> seines Geschlechtes und<br />
Alters leichter und nur 3% schwerer sind. Dieses Kind ist<br />
schwerer als die Mehrheit der <strong>Kinder</strong> in seinem Alter. Die BMI-<br />
Perzentilen erlauben einen geschlechts- und altersadaptierten<br />
Vergleich mit einer Referenzgruppe.
Die AGA empfiehlt in ihren Leitlinien die Verwendung des 90. bis><br />
97. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils für die Definition<br />
von Übergewicht sowie die Verwendung des 97. Perzentils und<br />
darüber zur Definition von Adipositas.<br />
Ergebnisse des <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des ><br />
Robert-Koch-Instituts (RKI) von 2003-2006 zeigen, dass nach der<br />
oben genannten Definition 15% der drei bis 17-jährigen <strong>Kinder</strong><br />
und Jugendlichen übergewichtig sind, von diesen Übergewichtigen<br />
sind 6,3% adipös.<br />
Darüber hinaus bieten schulärztliche Untersuchungen die Möglichkeit,<br />
langfristige Entwicklungen hinsichtlich Übergewicht und Adipositas<br />
bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aufzuzeigen. Die Häufigkeiten<br />
von Übergewicht und Adipositas, die (meistens) im Rahmen<br />
derartiger Untersuchungen in verschiedenen Regionen Deutschlands<br />
bestimmt wurden, sind in Tabelle 1 aufgeführt.<br />
1 Datenzusammenstellung durch das Bayerische Landesamt für <strong>Gesundheit</strong><br />
und Lebensmittelsicherheit, Kuhn J. (2005)<br />
2 BMI > P90<br />
3 BMI > P97 (Referenz: BMI-Perzentilen für deutsche <strong>Kinder</strong>, AGA)<br />
4 Niedersachsen: Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (Hrsg.):<br />
Übergewicht bei Schulanfängern, Hannover 2004<br />
5 Berlin: Senatsverwaltung für <strong>Gesundheit</strong>, Soziales und Verbraucherschutz (Hrsg.):<br />
Zur gesundheitlichen Lage von <strong>Kinder</strong>n in Berlin, Spezialbericht 2003<br />
www.a-g-a.de<br />
www.kiggs.de<br />
Tab. 1: Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
aus verschiedenen Regionen Deutschlands 1<br />
Ort/Jahr Mädchen Mädchen Jungen Jungen<br />
Übergewicht2 (%) Adipositas3 (%) Übergewicht2 (%) Adipositas3 (%)<br />
Schulanfänger<br />
Bayern 2003/04 9,2 3,7 9,3 4,1<br />
Brandenburg 2003/04 11,4 4,9 12,2 5,8<br />
Hessen 2003/04<br />
Mecklenburg-<br />
11,0 4,6 11,5 4,8<br />
Vorpommern 2003/04 11,8 5,3 14,7 8,3<br />
Niedersachsen 20034 11,5 5,1 10,4 4,6<br />
NRW 2003<br />
Schleswig-<br />
10,9 4,4 11,0 4,9<br />
Holstein 2003/04 10,7 4,2 9,9 4,5<br />
Berlin 20015 Jungen + Mädchen: BMI > P90: 11,7 BMI > P97: 5,0<br />
URSACHEN<br />
21
Es zeigt sich, dass zwischen den Altersklassen und Regionen<br />
Deutschlands deutliche Unterschiede auftreten. In den meisten<br />
Untersuchungen liegt sowohl die Prävalenz des Übergewichtes als<br />
auch Adipositas über den Erwartungswerten, welche von der<br />
Referenzverteilung abgeleitet werden können (Übergewicht: 10%;<br />
Adipositas: 3%).<br />
Die Daten von KiGGS zeigen, dass in älteren Altersgruppen eine Dem Grundschulalter<br />
hohe Übergewichts- und Adipositasprävalenz feststellbar ist. Dar- kommt im Hinblick<br />
über hinaus findet man im Grundschulalter (7-10 Jahre) deutlich auf die Gewichtsent-<br />
höhere Prävalenzzahlen für Übergewicht und Adipositas als imwicklung<br />
eine beson-<br />
Vorschulalter (3-6 Jahre). Letzteres deutet darauf hin, dass demdere<br />
Bedeutung zu.<br />
Grundschulalter im Hinblick auf die Gewichtsentwicklung eine<br />
besondere Bedeutung zukommt. In allen Altersklassen weisen <strong>Kinder</strong><br />
und Jugendliche aus sozial niedrigen Schichten (sozioökonomischer<br />
Status) im Vergleich zu Mittel- und Oberschichten eine höhere<br />
Übergewichts- und Adipositasprävalenz auf, siehe Tabelle 2.<br />
Tab. 2: Prävalenz von Übergewicht* und Adipositas** bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aus dem KiGGS<br />
Verteilung von Übergewicht Verteilung von Adipositas erteilung V von Adipositas bei Jungen und Mädchen<br />
Altersgruppe bezogen auf das Geschlecht bezogen auf das Geschlecht bezogen auf den Sozialstatus<br />
(Jahre) Jungen (%) Mädchen (%) Jungen (%) Mädchen (%) niedrig (%) mittel (%) hoch (%)<br />
3 bis 6 8,9 9,3 2,5 3,3 4,4 3,0 1,3<br />
7 bis 10 16,0 15,0 7,0 5,7 9,8 6,3 3,0<br />
11 bis 13 18,0 19,0 7,0 7,3 12,0 5,9 3,6<br />
14 bis 17 17,0 17,0 8,2 8,9 14,0 7,5 5,2<br />
* BMI > P90<br />
** BMI > P97<br />
(Referenz: BMI-Perzentilen für<br />
deutsche <strong>Kinder</strong>, AGA)<br />
URSACHEN<br />
<strong>Gesundheit</strong>sberichterstattung Berlin<br />
www.berlin.de/sen/gsv<br />
22<br />
><br />
Untersuchungen, welche wiederholt innerhalb einer Region durchgeführt<br />
wurden, bestätigen, dass ein Anstieg der Übergewichtsund<br />
Adipositashäufigkeit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in<br />
Deutschland zu beobachten ist.<br />
In Berlin-Mitte erhobene Werte gehen von 20-30% übergewichtigen<br />
und adipösen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen (Bericht zur gesundheitlichen<br />
und sozialen Lage von <strong>Kinder</strong>n in Berlin, 2006) aus.<br />
Dem hohen Anteil an niedrigen sozioökonomischen Schichten<br />
(38,9%), der erwarten ließ, dass die Anzahl an übergewichtigen<br />
Schüler/-innen höher sein könnte, wird mit einem hohen Betreu-
ungsumfang und einem dadurch resultierenden besseren Sozialklima<br />
begegnet. An diesen Schulen werden viele Maßnahmen zur<br />
Förderung der <strong>Gesundheit</strong> durchgeführt. Die langfristigen Auswirkungen<br />
bleiben abzuwarten.<br />
Was bedeutet die Erfassung von epidemiologischen<br />
Daten für die Schule?<br />
Festzuhalten bleibt, dass den schulärztlichen Untersuchungen<br />
weiterhin eine besondere Bedeutung zukommt, da über diese in<br />
Kooperation mit den Lehrern Befunde weitergegeben oder Risikokinder<br />
frühzeitig identifiziert werden können. Familiäre<br />
Ressourcen können auch von den betreuenden Lehrern beurteilt<br />
werden. Darüber hinaus kann sich der Lehrer aufgrund seiner<br />
Beziehung zum Schüler motivierend bezüglich der Teilnahme an<br />
Schuluntersuchungen einschalten.<br />
Soziokulturelle Faktoren<br />
Faktoren wie Einkommen, Erziehung, Bildung und soziale Herkunft<br />
spielen eine wichtige Rolle für die Entstehung von Übergewicht<br />
und Adipositas. Die soziale Schicht ist ein Prädiktor (Voraussagewert)<br />
für die Gewichtsentwicklung [19;20]. Ein niedriges Einkommen<br />
wird eher mit Übergewicht assoziiert als ein höheres Einkommen.<br />
Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung wird von<br />
einem segmentalen Problem gesprochen. Vor allem sozial Benachteiligte,<br />
Migranten und <strong>Kinder</strong> von alleinerziehenden Eltern<br />
oder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand werden als Risikogruppen<br />
angesehen [21].<br />
Begründet wird der schichtbezogene Zusammenhang damit, dass ><br />
höhere Schichten eher durch das Wissen und ihre Umsetzungsmöglichkeiten<br />
zu einem kontrollierten Essverhalten in der Lage<br />
sind. Es wird ebenfalls angenommen, dass finanzielle Mittel<br />
sowohl bei der Ernährung als auch bei der Freizeitgestaltung eine<br />
entscheidende Rolle spielen. So könnten die höheren Kosten für<br />
eine frische, gesunde Ernährung, Sportausrüstung, Mitgliedsgebühren<br />
in Sportvereinen etc., aber auch der Zeitaufwand für<br />
Essenszubereitung ein Hindernis für niedrige Schichten darstellen.<br />
Die Erziehung übergewichtiger Schulkinder weist oftmals eine einseitige<br />
Grundhaltung auf, welche von einer übertriebenen Behütung<br />
oder Vernachlässigung geprägt ist [22].<br />
URSACHEN<br />
23<br />
www.health-inequalities.eu
URSACHEN<br />
24<br />
Kann die Schule zur Bewältigung dieser<br />
Probleme Weichen stellen?<br />
Ja, sie kann! Es ist nachgewiesen, dass sich das Adipositasrisiko<br />
um ein Mehrfaches erhöht, wenn die <strong>Kinder</strong> von ihren Eltern<br />
wenig unterstützt oder vernachlässigt werden [20]. Dies steht<br />
wiederum im Zusammenhang mit der steigenden Zahl Alleinerziehender<br />
oder Familien, in denen beide Elternteile berufstätig<br />
sind, und somit Zeitmangel oft zu einer Vernachlässigung<br />
der <strong>Kinder</strong> führt. Bisweilen sehen Lehrer die <strong>Kinder</strong> im Tagesverlauf<br />
länger als die eigenen Eltern.<br />
Damit erhalten Schule und Lehrer einen sich verändernden,<br />
<strong>neue</strong>n Erziehungsauftrag, besonders innerhalb der Ganztagsschule.<br />
Da sich die Schüler länger in der Schule als zu Hause<br />
bei ihren Eltern aufhalten, haben Lehrer hier eine Schlüsselfunktion.<br />
Ernährung<br />
Die Aufnahme von energiereichen Lebensmitteln, Fast-Food-Produkten<br />
sowie falsche und einseitige Ernährungsgewohnheiten<br />
kennzeichnen unsere heutige Gesellschaft. Bekannt ist, dass<br />
Süßes und Fett den Geschmack ausmachen und damit die Energieaufnahme<br />
erhöhen können.<br />
Zwar ist der Kaloriengehalt der durchschnittlich verbrauchten Nahrung<br />
in den letzten hundert Jahren um 1000 Kalorien gesunken,<br />
die Adipositashäufigkeit hat jedoch zugenommen [23]. Neben<br />
der verminderten körperlichen Aktivität liegt dies an der Verschiebung<br />
der Ernährungszusammensetzung. Studien bestätigen den<br />
Zusammenhang von Übergewicht und dem Verzehr von zu viel<br />
einfachen Kohlenhydraten (wie Zucker, Weißmehl etc.), Fetten und<br />
Proteinen [24-26].<br />
Der Anteil von mehrkettigen Kohlenhydraten/Polysacchariden (z. B.<br />
Getreideprodukte) sowie von Ballaststoffen (z.B. Gemüse und<br />
Obst) ist hingegen zu niedrig.
Es könnte angenommen werden, dass Übergewichtige und Adipöse<br />
im Vergleich zu Normalgewichtigen mehr essen. Bis vor wenigen<br />
Jahren konnte dies nicht bestätigt werden. Ursächlich war<br />
jedoch die falsche Erfassung der Nahrungsmenge. Übergewichtige<br />
unterschätzen ihre Nahrungsmenge im Selbstbericht. Objektive<br />
Methoden* zeigen, dass ein Unterschied in der Energieaufnahme<br />
zwischen Übergewichtigen und Normalgewichtigen besteht [27].<br />
Darüber hinaus fehlen bei übergewichtigen <strong>Kinder</strong>n geregelte<br />
Mahlzeiten, die durch zu fettreiche Zwischenmahlzeiten und zuckerhaltige<br />
Getränke ersetzt werden (zwischendurch essen, überall<br />
essen, an keinem festen Platz essen) [21;28;29].<br />
Dies wird durch den massiven Anstieg von Werbung für Lebensmittel<br />
mit hoher Energiedichte (hoher Kaloriengehalt pro 100 g<br />
Lebensmittel) und die ständige Verfügbarkeit von Essen unterstützt.<br />
Nicht zuletzt haben die normalen Portionsgrößen in den<br />
letzten Jahren stark zugenommen. Extragroße Portionen zum<br />
gleichen Preis werden häufig in Fastfood Restaurants angeboten<br />
[30].<br />
Altersgemäße Lebensmittelverzehrmengen<br />
in der optimierten Mischkost<br />
*Methoden wie die Isotopenverdünnungsmethode<br />
gelten als beste, jedoch<br />
nur zu wissenschaftlichen Zwecken<br />
benutzte Methode zur Bestimmung der<br />
Körperzusammensetzung. Die Verdünnung<br />
von Deuterium (D 2O2 : stabiles,<br />
schweres Isotop des Wasserstoffs) oder<br />
stabiles Isotop von Sauerstoff oder<br />
Wasserstoff werden dazu oral verabreicht.<br />
Gemessen wird die Verdünnung<br />
des Isotops im Körperwasser. Da der<br />
Wassergehalt der fettfreien Masse relativ<br />
konstant ist, können daraus die fettfreie<br />
Masse und aus der Differenz zum<br />
Körpergewicht die Körperfettmasse<br />
bestimmt werden [33].<br />
Alter (Jahre) 1 2-3 4-6 7-9 10-12 13-14 15-18<br />
Energie kcal/Tag 950 1100 1450 1800 2150 2200 | 2700 2500 | 3100<br />
w | m w | m<br />
reichlich<br />
Getränke ml/Tag 600 700 800 900 1000 1200 | 1300 1400 | 1500<br />
Brot/Getreide g/Tag 80 120 170 200 250 250 | 300 280 | 350<br />
Kartoffeln* g/Tag 80 100 130 150 180 200 | 250 230 | 280<br />
Gemüse g/Tag 120 150 200 220 250 260 | 300 300 | 350<br />
Obst g/Tag 120 150 200 220 250 260 | 300 300 | 350<br />
mäßig<br />
Milch, -produkte ml (g)/Tag 300 330 350 400 420 425 | 450 450 | 500<br />
Fleisch, Wurst g/Tag 30 35 40 50 60 65 | 75 75 | 85<br />
Eier Stck/Wo 1-2 1-2 2 2 2-3 2-3 | 2-3 2-3 | 2-3<br />
Fisch g/Woche 50 70 100 150 180 200 | 200 200 | 200<br />
sparsam<br />
Öl, Margarine, Butter g/Tag 15 20 25 30 35 35 | 40 40 | 45<br />
geduldete Lebensmittel<br />
zuckerreich g/Tag 25 30 40 50 60 60 | 75 70 | 85<br />
fettreich g/Tag 5 5 10 10 15 15 | 20 15 | 20<br />
*oder Nudeln,<br />
Reis u.a. Getreide<br />
(Quelle: FKE: Optimix-Empfehlungen für die Ernährung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen, 2001, p. 7)<br />
URSACHEN<br />
25
URSACHEN<br />
26<br />
Eine amerikanische Studie zeigte hierzu, dass Kleinkinder, egal welche<br />
Portionsgröße sie angeboten bekommen, immer die gleiche<br />
Nahrungsmenge essen, während der Verzehr ab dem fünften<br />
Lebensjahr zunimmt, wenn die Portion sich vergrößert [31]. Dies<br />
bedeutet, dass das Essverhalten von <strong>Kinder</strong>n etwa mit Beginn des<br />
Schulalters von äußeren Bedingungen stärker beeinflusst wird als<br />
von ihrem inneren Hungergefühl [32]. Somit gewinnen z.B. das<br />
Modellvorleben der Lehrer, Angebote zum Essen und psychische<br />
Situationen wie Langeweile, Ärger oder Frust an Bedeutung.<br />
In diesem Zusammenhang sollten im Klassenverband Regeln für<br />
Essenszeiten und Essverhalten eingeführt werden.<br />
Fett als energiereichster Grundnährstoff führt nicht generell zum<br />
Übergewicht. Vielmehr hat die Art des Fettes eine größere Bedeutung<br />
für die Entstehung der Adipositas und ihre Folgeerkrankungen.<br />
Gesättigte Fette wie z. B. Butter und Transfette in Frittiertem<br />
oder industriell hergestellte Panade wie z. B. panierte Nuggets, die<br />
in Fast Food vorkommen, sind besonders auch im Hinblick auf Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen und Typ II Diabetes zu berücksichtigen.
Es ist beachtlich, dass<br />
sich zwar die Energiezufuhr<br />
in Form<br />
von Fett reduziert hat,<br />
die Adipositasprävalenz<br />
jedoch zugenommen<br />
hat.<br />
Abbildung modifiziert nach: aid, infodienst, Bonn<br />
In diesem Zusammenhang ist es beachtlich, dass sich zwar die<br />
Energiezufuhr in Form von Fett reduziert hat, die Adipositasprävalenz<br />
jedoch zugenommen hat [34;35]. Die beobachtete Fettreduktion<br />
wurde durch eine erhöhte Zuckerzufuhr (z.B. Einfachzucker in<br />
Softdrinks, Süßigkeiten und Fertigprodukten) kompensiert, während<br />
zu wenig komplexe Kohlenhydrate in Form von Getreideprodukten,<br />
Obst und Gemüse verzehrt werden.<br />
Die Ernährungspyramide ist die optimale Basis für den täglichen Speiseplan<br />
1 x SÜSSES, SNACKS<br />
2 x KOCH- UND STREICHFETT<br />
3 x MILCH, MILCHPRODUKTE<br />
+ 1 x FLEISCH, FISCH, EI, WURST<br />
4 x OBST, GEMÜSE<br />
5 x BROT,<br />
BEILAGEN,<br />
GETREIDE<br />
6 x GETRÄNKE<br />
URSACHEN<br />
1 Portion am Tag:<br />
Maximal eine Hand voll Süßigkeiten und Knabbereien am Tag.<br />
2 Portionen am Tag:<br />
Ein Esslöffel entspricht einer Portion. Bevorzugen Sie möglichst<br />
hochwertige Öle wie Rapsöl oder Olivenöl.<br />
„3 + 1“ Portionen am Tag:<br />
Drei Portionen Milchprodukte. Eine Portion ist z. B. eine Scheibe Käse<br />
so groß wie die Handfläche oder ein Glas Milch. + 1: Eine Portion<br />
Fleisch, Fleischprodukte, Ei oder Fisch. Die Handfläche ist das Maß für<br />
die Fischportion. Die Fleischportion darf kleiner sein, so groß wie der<br />
Handteller. Fisch ist wertvoll. Es sollte 1-2 Mal pro Woche eine Fischmahlzeit<br />
verzehrt werden. Drei Eier pro Woche genügen.<br />
4 Portionen am Tag:<br />
Zwei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst in Form von frischem<br />
Obst, Rohkost, Salat oder gegartem Gemüse. Eine Portion ist eine Hand<br />
voll Gemüse oder Obst, z. B. Paprika, Birne oder Nektarine. Zwei Hände<br />
(zur „Schale“ gehalten) sind das Maß für zerkleinertes Gemüse, Salat und<br />
kleine Früchte, z. B. Kopfsalat, Bohnen, Blumenkohl, Himbeeren oder Mirabellen.<br />
Eine Portion kann als Gemüse- oder Obstsaft getrunken werden.<br />
27<br />
5 Portionen am Tag:<br />
Zwei Hände voll ergeben eine Portion Beilagen wie Kartoffeln,<br />
Reis oder Müsli. Eine Portion Brot (eine Brotscheibe)<br />
entspricht der gesamten Handfläche mit ausgestreckten<br />
Fingern.<br />
6 Portionen am Tag:<br />
Eine Portion steht für ein großes Glas (300 ml),<br />
z.B. Wasser aus der Leitung, selbst gesprudelt<br />
oder als Mineralwasser. Ideal sind auch koffeinbzw.<br />
teeinfreie Getränke wie Früchte-, Roibusch-,<br />
Zitronengras- oder Kräutertees. Obst- und Gemüsesäfte<br />
sind verdünnt mit Wasser kalorienärmer.
URSACHEN<br />
*Glykämischer Index:<br />
Ein Maß zur Bestimmung der Wirkung<br />
eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels<br />
auf den Blutzuckerspiegel. Teilweise<br />
wird dafür auch die Bezeichnung<br />
Glyx verwendet oder die Abkürzung GI.<br />
Je höher der Wert ist, desto schneller<br />
steigt der Blutzuckerspiegel an.<br />
Lebensmittel, die den Blutzucker<br />
schnell in die Höhe treiben, haben<br />
einen hohen glykämischen Index.<br />
Die blutzuckersteigernde Wirkung von-<br />
Traubenzucker dient als Referenzwert<br />
(100).<br />
Im Allgemeinen wird folgende Einteilung<br />
verwendet:<br />
• Schlecht ist ein GI größer als 70<br />
• Mittel sind GI-Werte<br />
zwischen 50 und 70<br />
• Gut ist ein GI kleiner als 50<br />
Es sollten bevorzugt komplexe<br />
Kohlenhydrate aufgenommen<br />
werden, um Heißhunger zu<br />
vermeiden.<br />
28<br />
Der durch die einfachen Kohlenhydrate erzielte hohe glykämische<br />
Index wirkt über eine hormonelle Steuerung auf die Appetitregulation.<br />
Resultat: ein erhöhtes Hungergefühl [36;37]. Durch einen<br />
hohen Zuckeranteil in der Nahrung wird schnell ein hoher Blutzuckerspiegel<br />
erreicht, welcher die Insulinausschüttung bewirkt.<br />
Über Insulin wird Zucker aus dem Blut in die Zelle transportiert,<br />
sodass der Blutzucker wieder sinkt und sich erneut ein Hungergefühl<br />
einstellt – der Teufelskreis des Zuckers beginnt (siehe Abbildung<br />
Teufelskreis des Zuckers).<br />
Nicht zuletzt könnte ein hoher glykämischer Index zu einer Adipositas<br />
vor allem am Bauch führen (viszerale Adipositas) – mit den<br />
daraus resultierenden Risiken für die schon beschriebenen Folgeerkrankungen<br />
(z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen)<br />
[38;39]. Es konnte gezeigt werden, dass süße Getränke die<br />
Gesamtenergieaufnahme um 10% pro Tag erhöhen können. Wenn<br />
sie wiederholt am Tag getrunken wurden, resultierte daraus ein um<br />
60% erhöhtes Risiko für eine Gewichtszunahme [37;40]. Der hohe<br />
glykämische Index, aber auch die flüssige Form der Nahrung<br />
scheint dies zu begünstigen. Im Gegensatz dazu ist Milch ein Nahrungsmittel<br />
mit niedrigem glykämischem Index und kann vor Übergewicht<br />
schützen [41]. Die Energiedichte nimmt durch fettreiche<br />
TEUFELSKREIS DES ZUCKERS<br />
Heißhunger<br />
auf Süßes<br />
rasches Absinken<br />
des Blutzuckers<br />
hoher Zuckerkonsum<br />
[Süßwaren,<br />
zuckerreiche Getränke]<br />
Zuckertransport<br />
in die Körperzellen<br />
schneller Anstieg<br />
des Blutzuckers<br />
hohe Insulinausschüttung
Nahrungsmittel in Kombination mit Einfachzuckern extrem [31]. zu<br />
Um eine Sättigung bei der Essensauswahl zu erreichen, müssen<br />
somit bevorzugt komplexe Kohlenhydrate gegessen werden. Dazu<br />
zählen z. B. dunkles Brot mit Auflage von Salat oder Rohkost, ein<br />
dünner Belag mit Wurst oder Käse auf einer dicken Brotscheibe<br />
(gesundes Pausenbrot), oder es sollten regelmäßig z.B. Getreideprodukte<br />
in Form von Müsli mit Obst verzehrt werden.<br />
Der regelmäßige, oft tägliche Verzehr von Fast Food hat dramatisch<br />
zugenommen, wodurch teilweise die epidemische Ausbreitung der<br />
Adipositashäufigkeit erklärt wird [42;43]. Fast Food beinhaltet<br />
alles bereits negativ Beschriebene: gesättigte Fette und Transfette,<br />
einen hohen glykämischen Index, eine hohe Energiedichte und<br />
zunehmend größer werdende Portionsgrößen. Fast Food ist darüber<br />
hinaus arm an Ballaststoffen, Mineralien, Spurenelementen<br />
und Pflanzenstoffen, wie sie z.B. in Zitrusfrüchten oder Tomaten<br />
vorkommen (sekundäre Pflanzenstoffe*) und verstärkt somit das<br />
Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes [43]. Obwohl<br />
Daten zu Fast Food nur bei Jugendlichen und Erwachsenen,<br />
jedoch nicht bei <strong>Kinder</strong>n vorliegen, ist dies kalorisch auch für <strong>Kinder</strong><br />
gut zu berechnen [18;42;44].<br />
Zum Beispiel können ein doppelter Cheeseburger mit Ketchup,<br />
eine Limo und ein Dessert 2200 kcal beinhalten. Dies entspricht<br />
dem gesamten Tagesbedarf und kann nur über eine sehr intensive,<br />
mehr als zwei Stunden dauernde körperliche Aktivität wieder<br />
abgearbeitet werden [44].<br />
URSACHEN<br />
*Sekundäre Pflanzenstoffedienen der<br />
Pflanze u.a. als Abwehrstoffe gegen<br />
Pflanzenschädlinge, als Wachstumsregulatoren<br />
und als Farbstoffe. Sie sind<br />
chemisch sehr unterschiedlich aufgebaut<br />
und kommen nur in geringen<br />
Mengen in der zugeführten Nahrung<br />
vor. Die Bekanntesten sind die Polyphenole<br />
und Flavonoide in den Randschichten<br />
von Gemüse (z.B. Brokkoli,<br />
Grünkohl, Karotten und Tomaten) und<br />
Obst (Zitrusfrüchte) sowie in Vollkorn.<br />
Sie sind wahrscheinlich neben den<br />
Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen<br />
und Ballaststoffen mitverantwortlich<br />
für die Schutzfunktion<br />
gegen-über Krebs und Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen.<br />
29
URSACHEN<br />
www.fke-shop.de<br />
www.aid.de<br />
30<br />
><br />
Grundlage einer gesunden Ernährung ist die optimierte Mischkost.<br />
Diese wurde vom Forschungsinstitut für <strong>Kinder</strong>ernährung in Dortmund<br />
entwickelt und empfiehlt für <strong>Kinder</strong> je nach Alter als Basisplan<br />
folgende Tagesmengen:<br />
Kohlenhydrate: 55-60%<br />
Fette: 25-30%<br />
Proteine: 10-20%<br />
Getränke: reichlich, ca. 1,5-2 Liter<br />
Die drei Grundregeln der Lebensmittelauswahl sind:<br />
1. Reichlich Getränke und pflanzliche Lebensmittel<br />
2. Mäßig tierische Lebensmittel<br />
3. Sparsam fettreiche Lebensmittel und Süßwaren<br />
Ganz wichtig: Es gibt keine Verbote!<br />
Beispiel eines gesunden Tagesernährungsplans<br />
für ein Grundschulkind<br />
Der Tagesbedarf an Kohlenhydraten:<br />
50-60% des Energiebedarfs sollten durch Kohlenhydrate gedeckt<br />
werden. Bei einem Tagesbedarf von etwa 1600 kcal sind<br />
dies 220 g Kohlenhydrate.<br />
· 3-4 Scheiben Vollkornbrot (150 g): 65 g<br />
· 1 kleine Portion Müsli (ca. 30 g Getreideprodukte): 25 g<br />
· 1 Portion Kartoffeln (150 g): 35 g<br />
oder Vollkornnudeln (90 g Trockengewicht)<br />
oder Naturreis (50-60 g Trockengewicht)<br />
· 1 große Portion Salat und gekochtes Gemüse (ca. 200 10 g): g<br />
· 1-2 Stück Obst (ca. 200 g): 35 g<br />
· 1 Portion Süßigkeiten: 40 g<br />
und 1 Esslöffel Marmelade, Honig oder Zucker: 10 g<br />
Summe Kohlenhydrate 220 g
Tagesbedarf Protein von ca. 40-50 g<br />
· 1 große Tasse fettarme Milch (250 ml) 8,5 g<br />
· 1 kleines Stück Fleisch 60 g 12 g<br />
(gemittelt bei 2-3 Fleischmahlzeiten/Woche)<br />
(oder 1 Portion Fisch von 100 g oder 1 Ei)<br />
· 1 Scheibe gekochter Schinken (30 g) 6 g<br />
· 1 Scheibe fettarmer Käse (20 g) 5 g<br />
· 2 Scheiben Vollkornbrot (100 g) 12 g<br />
Tagesbedarf von 50-60 g Fett<br />
Summe Protein 43,5 g<br />
· 2 Esslöffel Butter oder Öl 20 g<br />
· 10 g Kochfett 10 g<br />
· 1 Stück mageres Fleisch (60 g) 5 g<br />
· 1 Becher fettarmer Fruchtjoghurt 150 g 2 g<br />
· 1 Scheibe gekochter Schinken (30 g) 4 g<br />
· 1 Scheibe fettarmer Käse (30 g) 5 g<br />
· 1 Portion Süßigkeit (z.B. 1 Riegel Schokolade à 20 g)6 g<br />
und höchstens<br />
Summe Fett 52 g<br />
· 1 Portion Süßigkeiten am Tag<br />
(Beispiel: 2 Riegel Schokolade oder 10 Gummibärchen)<br />
URSACHEN<br />
31
URSACHEN<br />
32<br />
Kann Schule auf das Ernährungsverhalten der Schüler<br />
Einfluss nehmen?<br />
Es zeigt sich, dass die Verpflegungssituation in der Schule das<br />
Ernährungsverhalten entscheidend beeinflussen kann. Sie wird<br />
zunehmend zur Modellerfahrung aufgrund der schon genannten<br />
immer größeren Verweildauer der Schüler in der Schule.<br />
Ernährungsverhalten und Ernährungsmuster werden aber von<br />
Anfang an entscheidend durch das Vorbild der Eltern und durch die<br />
familiären Gewohnheiten geprägt. Wenn es Eltern bewusst schaffen,<br />
zu Hause gemeinsam am Tisch und nicht vor dem Fernseher zu<br />
essen, dann führt dies im Mittel zu einer ausgewogeneren und<br />
gesünderen Mahlzeit (weniger gesättigte Fette und Transfette,<br />
mehr Obst und Gemüse, weniger süße Getränke) [45]. Außer Haus<br />
essen oder häufiges Essen in Fast-Food-Restaurants ist im Allgemeinen<br />
mit größeren Portionen und energiedichteren Nahrungsmittel<br />
verbunden, sodass damit bewusst umgegangen werden<br />
sollte.<br />
Deshalb sollte die Schule einerseits gesundes Essen anbieten<br />
(z.B. Vollkornburger, Obst und Rohkost), auf der anderen Seite<br />
aber auch den sinnvollen Umgang mit Fast Food schulen. Das gilt<br />
insbesondere in Bezug auf Häufigkeit und Auswahl, aber auch<br />
Mengen (supersized Portionen).<br />
Verbote sind unrealistisch, doch das Bewusstmachen des Ernährungsverhaltens<br />
kann im schulischen Alltag zum Trainingsprozess<br />
werden.
Erfahrungen mit<br />
dem eigenen<br />
Körper sind die<br />
Grundlage der<br />
Kommunikation mit<br />
der eigenen<br />
Person und mit<br />
anderen.<br />
Körperliche Aktivität<br />
„Sieben oder acht Jahre des Sichbewegens und Spielens sind notwendig,<br />
um einem Kind die sensomotorische Fähigkeit zu vermitteln,<br />
die als Grundlage für seine intellektuelle, soziale und persönliche<br />
Entwicklung dienen kann”. Diese Aussage von Jean Piaget<br />
zeigt, dass sich die Motorik – als wichtige Grundlage der Handlungs-<br />
und Kommunikationsfähigkeit – in der aktiven Auseinandersetzung<br />
des Kindes mit der <strong>Umwelt</strong> entwickeln muss. Bewegung<br />
ist notwendig, um kognitive Fähigkeiten zu erwerben. So<br />
steht das Erlernen von Konkretem vor dem Erlernen von Abstraktem,<br />
das Greifen und Anfassen vor dem Begreifen.<br />
Erfahrungen mit dem eigenen Körper sind die Grundlage der Kommunikation<br />
mit der eigenen Person und mit anderen. Die Wahrnehmung<br />
von Raum und Zeit, die in unserer Computerwelt und durch<br />
das Fernsehen zunehmend verloren geht, kann nur über die Körpererfahrung<br />
erlernt und stabilisiert werden. Bewegung vermittelt<br />
elementar das Gefühl von Anstrengung, Stärken und Schwächen,<br />
lässt Erfolg und Niederlage zu und schafft Identität und Solidarität.<br />
Neben der Förderung der Konzentrationsfähigkeit, Teamfähigkeit,<br />
Leistungsbereitschaft, Lernbereitschaft und Problemlösungsfähigkeit<br />
können sich soziale Kompetenzen wie Hilfsbereitschaft und<br />
Rücksichtnahme sowie Handlungsspielräume entwickeln und der<br />
Transfer in weitere Bereiche der <strong>Gesundheit</strong>serziehung wie Ernährung<br />
und Verhalten erreicht werden [46-48].<br />
URSACHEN<br />
33
URSACHEN<br />
34<br />
Kleinkinder benutzen jede Aktivität als Bausteine ihrer Gesamtentwicklung.<br />
Mangelnde körperliche Aktivität wird mittlerweile als<br />
das zentrale <strong>Gesundheit</strong>sproblem des dritten Jahrtausends angesehen<br />
[49]. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Es lässt sich<br />
eine Veränderung des Freizeitverhaltens mit einem vermehrten<br />
Medienkonsum und damit einhergehender Verhäuslichung feststellen.<br />
Vor allem in Großstädten finden <strong>Kinder</strong> eine erlebnisarme<br />
<strong>Umwelt</strong> mit begrenzten Bewegungsräumen vor. Daraus entsteht<br />
ein Mangel an Bewegung und Bewegungserfahrungen.<br />
Es ist erwiesen, dass ein enger Zusammenhang zwischen körperlicher<br />
Inaktivität und der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas<br />
besteht [50;51]. Untersuchungen zeigen, dass übergewichtige<br />
<strong>Kinder</strong> weniger Zeit mit moderater (z.B. freies Spielen) bis<br />
anstrengender körperlicher Aktivität (z.B. Fangspiele) als normalgewichtige<br />
Gleichaltrige verbringen und die <strong>Kinder</strong> am dicksten<br />
sind, die den größten Medienkonsum, verbunden mit dem Konsum<br />
von energiedichten Snacks und der geringsten Bewegungszeit,<br />
aufweisen [50;52;53].<br />
Dass Bewegungsarmut und erhöhter Fernsehkonsum Ursachen<br />
einer Gewichtszunahme sind, ist wissenschaftlich belegt [54].<br />
Allerdings kann auch eine erhöhte Nahrungsaufnahme während<br />
des Fernsehens zur Gewichtszunahme führen. Adipöse <strong>Kinder</strong><br />
üben im Vergleich zu normalgewichtigen <strong>Kinder</strong>n mehr bewegungsarme<br />
Freizeitaktivitäten aus [55]. Körperliches Ausdauertraining<br />
und eine Lebensstiländerung können zu einer anhaltenden<br />
Gewichtsabnahme führen [56;57].<br />
Es lässt sich eine<br />
Veränderung des<br />
Freizeitverhaltens<br />
mit einem vermehrten<br />
Medienkonsum und<br />
damit einhergehender<br />
Verhäuslichung feststellen.
Wie kann Schule für mehr körperliche Aktivität sorgen?<br />
Gerade bei der Bewegungsförderung hat die Schule viele<br />
Spielräume.<br />
Hier kann die Schule die Eltern auffordern, dass ihre <strong>Kinder</strong> den<br />
Schulweg aktiv zurücklegen (z.B. mit dem Fahrrad, zu Fuß, witterungsunabhängig).<br />
Sie sollte den Eltern diese grundlegende Problematik<br />
als Grundlage der zunehmenden Übergewichtsproblematik<br />
darlegen [58]. Die Einrichtung von Bewegungs-AGs innerhalb<br />
der Schule ist dringend notwendig.<br />
Inaktivität ist als Prädiktor von Übergewicht und Adipositas zu<br />
sehen. Aber nicht nur das nicht organisierte Sporttreiben hat eine<br />
Bedeutung in der Vermeidung von Übergewicht. Der bewegungsreiche<br />
Alltag spielt eine noch größere Rolle bei der Prävention und<br />
Therapie von Übergewicht und Adipositas [59].<br />
Diesen bewegungsreichen Alltag herzustellen, ist eine Aufgabe<br />
der Schule. Das Konzept der bewegungsfreudigen Schule ist dringend<br />
erforderlich. Es muss fester Bestandteil der guten gesunden<br />
Schule* werden.<br />
URSACHEN<br />
*Für die gute gesunde Schule<br />
bedeutet dieses z.B.:<br />
• Freie Bewegungsangebote neben<br />
dem Sportunterricht<br />
• Beurteilung der Sportleistung hin zur<br />
Beurteilung der Anstrengung und<br />
nicht nur der messbaren Leistung<br />
• Bewegungskisten mit Materialien<br />
mit hohem Aufforderungscharakter<br />
zur Bewegung in den Pausen<br />
35
URSACHEN<br />
36<br />
Im Sinne einer gesunden körperlichen Entwicklung von <strong>Kinder</strong>n<br />
kommt dem Schulsport eine wichtige Bedeutung zu. Die Entwicklung<br />
eines <strong>Gesundheit</strong>sbewusstseins durch die Verbesserung<br />
der Fitness ist ein erklärtes Ziel des Sportunterrichts (entsprechend<br />
den Lehrplänen einzelner Bundesländer).<br />
In der Schule werden alle <strong>Kinder</strong> mit körperlicher Aktivität konfronDer<br />
Auftrag des<br />
tiert. Sie stellt für viele <strong>Kinder</strong> den ersten Kontakt mit Sport dar. Der Schulsports sollte<br />
Auftrag des Schulsports sollte darin bestehen, den natürlichendarin<br />
bestehen,<br />
Bewegungsdrang von <strong>Kinder</strong>n zu unterstützen. Innerhalb des den natürlichen<br />
Sportunterrichts werden die motorischen Fertigkeiten von <strong>Kinder</strong>nBewegungsdrang<br />
entwickelt und stabilisiert. Er stellt somit die Grundlage dar, <strong>Kinder</strong>von<br />
<strong>Kinder</strong>n zu<br />
zu einem lebenslangen, selbstständigen oder im Verein organisier- unterstützen.<br />
ten Sporttreiben zu motivieren. Mittels einer Erziehung durch<br />
Bewegung können innerhalb des Schulsports wichtige psychische<br />
und soziale Kompetenzen erworben werden. Der Schulsport dient<br />
somit der <strong>Gesundheit</strong>sförderung, der Entwicklung von motorischen<br />
Fertigkeiten und dem Erwerb von Handlungskompetenzen.<br />
Leider sieht die Wirklichkeit häufig konträr aus. Ausfall von Sportstunden<br />
oder die mangelnde Qualifikation der Sportlehrer sind nur<br />
einige Probleme der derzeitigen Schulsituation [60].<br />
In diesem Zusammenhang muss auf die Befreiung der Schüler vom<br />
Sportunterricht hingewiesen werden. Es gibt hierfür keine einheitliche<br />
Regelung für alle Bundesländer (Ständige Konferenz der Kultusminister).<br />
Grundsätzlich wäre es wünschenswert, bei jeder<br />
Erkrankung eine gründliche Diagnostik aus sportmedizinischer<br />
Sicht durchzuführen. Eine Befreiung sollte entsprechend den<br />
objektiven Befunden erfolgen und nicht Ängste oder Vorbehalte<br />
gegen Sportarten bestärken.<br />
In vielen Fällen wird dem Kind durch die Befreiung nicht geholfen.<br />
Häufig ist es so, dass es in seiner Schwäche (z.B. der Adipositas)<br />
bestärkt und damit zusätzlich stigmatisiert wird. Hierzu können Sie<br />
in dem Kapitel Psychosoziale Folgen mehr erfahren.
Eine Untersuchung,<br />
zeigte, dass bei<br />
adipösen <strong>Kinder</strong>n<br />
überdurchschnittlich<br />
oft beide Eltern<br />
berufstätig sind.<br />
Besonderheiten bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
Der Weg aus der Adipositas ist bei <strong>Kinder</strong>n einfacher als bei<br />
Erwachsenen. <strong>Kinder</strong> befinden sich noch im Wachstum und ihre<br />
Verhaltensmuster können noch einfacher verändert werden. Daher<br />
muss es gelingen, so früh wie möglich eine Adipositasprävention<br />
zu etablieren.<br />
Die gesundheitlichen Konsequenzen und die Tragweite der Folgeerkrankungen<br />
werden im Kindesalter häufig noch nicht bewusst<br />
wahrgenommen oder sind noch nicht zu erkennen.<br />
Es ist gut belegt, dass ein beträchtlicher Anteil der übergewichtigen<br />
<strong>Kinder</strong> im Erwachsenenalter übergewichtig bleiben wird [9].<br />
Die Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter wie Typ II Diabetes,<br />
Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und orthopädische<br />
Beschwerden sind nachgewiesen [61;62]. Auch die gesamtwirtschaftlichen<br />
Kosten könnten durch eine frühe Erkennung und<br />
Behandlung reduziert werden.<br />
Die Sozialisation vieler <strong>Kinder</strong> in der heutigen Zeit wird durch den<br />
Wandel von Erziehungsnormen und Zeitmangel der Eltern [20]<br />
geprägt. Dies steht im Zusammenhang mit der ansteigenden Zahl<br />
an Eltern, die beide berufstätig oder alleinerziehend sind. Dass<br />
Essen als Ersatz für die mangelnde Zuwendung der Eltern<br />
gebraucht wird, unterstrich eine Untersuchung, die zeigte, dass bei<br />
adipösen <strong>Kinder</strong>n überdurchschnittlich oft beide Eltern berufstätig<br />
sind [63]. Es ist nicht überraschend, dass vernachlässigte oder mit<br />
anderen Auffälligkeiten behaftete <strong>Kinder</strong> ein erhöhtes Adipositasrisiko<br />
bis ins Erwachsenenalter aufweisen [64].<br />
Welche Rolle bekommt die Schule?<br />
Die Schule ist in der besonderen Lage alle <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />
anzusprechen. Darüber hinaus wird es immer mehr Aufgabe der<br />
Schule sein, die zuvor aufgeführten familiären Veränderungen aufzufangen.<br />
Angebote zur Bewegungsförderung und zur gesunden<br />
Ernährung müssen geschaffen und etabliert werden.<br />
><br />
URSACHEN<br />
Näheres darüber können Sie in dem<br />
Kapitel Wahrnehmung von Übergewicht<br />
und Adipositas erfahren.<br />
37
URSACHEN<br />
*Fetale Phase:<br />
Entwicklung des Kindes im Mutterleib<br />
bis zur Geburt.<br />
38<br />
Risikogruppen<br />
Risikofaktoren bei der Entstehung von Adipositas sind vielfältig.<br />
Eine besondere Bedeutung kommt dem Elternhaus zu. Niedriger<br />
sozioökonomischer Status, niedriger Bildungsstand und Übergewicht<br />
der Eltern sind familiäre Risikofaktoren für die Entstehung<br />
von Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />
Des Weiteren gibt es sensible Phasen in den einzelnen Entwicklungsphasen<br />
des Kindes. Neben der fetalen Phase * und dem<br />
ersten Lebensjahr sind das vierte bis siebte Lebensjahr und die<br />
Pubertät kritische Lebensabschnitte für die Ausprägung der Adipositas.<br />
In den vorgeburtlichem Altersabschnitt bis zum Ende des<br />
ersten Lebensjahres entwickeln sich Regelkreise, die im Zwischenhirn<br />
lokalisiert sind. Sie regeln den Appetit, die Ausprägung des<br />
Essverhaltens und die Regulation der Anzahl und Funktion der<br />
Fettzellen sowie der Fettverteilung.<br />
Die Entwicklung des Fettgewebes beginnt beim menschlichen<br />
Feten etwa mit der 14. Schwangerschaftswoche. Zum Zeitpunkt<br />
der Geburt beträgt der Anteil der Fettmasse an der Körpermasse
<strong>Kinder</strong> mit einem<br />
frühen Umkehrpunkt<br />
der Gewichtskurve<br />
haben ein<br />
größeres Risiko, im<br />
späteren Alter<br />
übergewichtig oder<br />
adipös zu werden.<br />
ca. 13%. In den nächsten zwölf Monaten verdoppelt sich dieser<br />
auf ca. 28%. Danach folgt eine Abnahme der Fettmasse bei gleichzeitigem<br />
Anstieg der fettfreien Masse. In dieser Zeit nimmt also der<br />
Körperfettanteil ab. Etwa ab dem fünften Lebensjahr steigt die<br />
Fettmasse und damit auch der prozentuale Fettanteil wieder an.<br />
Dieser Umkehrpunkt zwischen Fettabnahme und -zunahme wird<br />
adiposity rebound genannt und ist ein guter Prädiktor (Vorhersagewert)<br />
für Übergewicht und Adipositas. <strong>Kinder</strong> mit einem frühen<br />
Umkehrpunkt der Gewichtskurve (siehe Grafik) haben ein größeres<br />
Risiko, im späteren Alter übergewichtig oder adipös zu werden als<br />
<strong>Kinder</strong> mit einem späten Umkehrpunkt [65;66].<br />
PROGNOSEMÖGLICHKEIT<br />
Jungen<br />
BMI (kg/m 2 )<br />
30<br />
28<br />
26<br />
24<br />
22<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
Alter 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19<br />
Ab dem achten bis zehnten Lebensjahr (präpuberale Phase) weisen<br />
Mädchen einen Entwicklungsvorsprung auf, der mit einem<br />
früheren und stärkeren Anstieg der Fettmasse verbunden ist.<br />
Während die Fettmasse im weiblichen Geschlecht bis ins Erwachsenenalter<br />
zunimmt, stagniert die Fettgewebsentwicklung der Jungen<br />
vorübergehend während des puberalen Wachstumsschubes.<br />
Belegt ist auch, dass bereits das Geburtsgewicht für die weitere<br />
Entwicklung bedeutsam ist. So ist die Wahrscheinlichkeit, im späteren<br />
Alter übergewichtig zu werden sowohl bei einem geringen<br />
als auch bei hohem Geburtsgewicht erhöht [67].<br />
URSACHEN<br />
P97<br />
P90<br />
P75<br />
P50<br />
P25<br />
P10<br />
P3<br />
Adiposity Rebound<br />
[<br />
BMI-Perzentilkurven nach K. Kromeyer-Hauschild<br />
39<br />
]
URSACHEN<br />
www.dgsp.de<br />
(siehe unter Sport und Menstruation)<br />
40<br />
><br />
Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass bereits im Mutterleib<br />
eine Prägung bezüglich der Adipositas vorliegt [68].<br />
Schwangere mit Diabetes oder Glukoseintoleranz (gestörte Verwertung<br />
von Zucker mit erhöhtem Blutzuckerspiegel, eine Vorstufe<br />
zu Diabetes) gebären schwerere Babys, die auch in der Folgezeit<br />
mehr Gewicht aufweisen [69]. Auch eine früh einsetzende erste<br />
Menstruation (= Menarche) vor dem zehnten Lebensjahr erhöht<br />
die Wahrscheinlichkeit für eine Adipositas im Erwachsenenalter um<br />
das Doppelte [70].<br />
Da <strong>Kinder</strong> mit Beginn der Pubertät eine unterschiedliche Körperkomposition<br />
aufweisen – Jungen entwickeln hormonell bedingt<br />
mehr Muskelmasse als Mädchen – gilt es, die kleinen stämmigen<br />
Mädchen besonders zu beraten. Das Einsetzen der ersten Regelblutung<br />
ist oftmals auch damit verbunden, dass sich Mädchen<br />
eher von sportlicher Betätigung abwenden. Gerade im Hinblick auf<br />
den Pubertätsbeginn sollte die geschlechtsspezifische Entwicklung<br />
besondere Beachtung finden.<br />
Die Prävention von<br />
Übergewicht und<br />
Adipositas beginnt<br />
bereits im Mutterleib.
Risikofaktoren für<br />
die Ausprägung<br />
einer Adipositas<br />
sind das Gewicht<br />
der Eltern und deren<br />
soziale Schicht.<br />
Somit sollten sich Erzieher und Lehrer sowohl im Übergang vom<br />
<strong>Kinder</strong>garten zum ersten Grundschuljahr als auch mit Beginn der<br />
Pubertät darüber klar sein, dass hier entscheidende Entwicklungsphasen<br />
vorliegen. Dieses Wissen sollte an die Eltern weiter gegeben<br />
und dadurch deren Aufmerksamkeit zur Beobachtung der<br />
Gewichtsentwicklung ihrer <strong>Kinder</strong> geweckt werden. Der Gesprächsleitfaden<br />
in diesem Handbuch kann Lehrern bei diesen<br />
Gesprächen helfen.<br />
URSACHEN<br />
> www.stillen.de<br />
Weitere Risikofaktoren für die Ausprägung einer Adipositas sind,<br />
wie schon zuvor erwähnt, das Gewicht der Eltern und deren<br />
soziale Schicht. Bewegungs- und Ernährungsmuster werden<br />
grundlegend familiär angelegt. Das Stillen der Mütter stellt einen<br />
signifikant protektiven Faktor gegen späteres Übergewicht und<br />
Adipositas dar [63]. Es ergab sich eine Risikoverminderung für<br />
Übergewicht um 30% und für Adipositas um 40% bei einer Mindeststilldauer<br />
von sechs Monaten [63]. Ursächlich hierfür könnten<br />
bestimmte Wirkstoffe (bioaktive Faktoren, die an Regelkreisen<br />
beteiligt sind) und Hormone (z.B. Leptin) in der Muttermilch<br />
sein, die die Differenzierung von Fettzellen hemmen können. Auch<br />
die niedrigere nutzbare Energie- und Proteinzufuhr im Vergleich<br />
zur Flaschennahrung spielt eine wichtige Rolle. Diese Befunde<br />
könnten auch als Basiswissen in Sachkunde, Biologie, Sport oder in<br />
sonstigen Fächern vermittelt werden.<br />
41
siehe Kapitel Wahrnehmung<br />
ab Seite 58<br />
URSACHEN<br />
42<br />
><br />
Dem Sozialstatus kommt bei der Entstehung der kindlichen Adipositas<br />
eine entscheidende Bedeutung zu. Faktoren wie Einkommen<br />
und Bildungsstand der Eltern spielen eine ebenso wichtige Rolle<br />
bei der Entstehung und Therapie der Adipositas wie zu wenig<br />
Bewegung und falsche Ernährung [76].<br />
<strong>Kinder</strong> aus unteren sozialen Schichten, die als bildungsfern gelten,<br />
stellen eine Risikogruppe bei der Herausbildung der Adipositas dar.<br />
Der familiäre Risikofaktor ist beachtlich. Familienstudien zur familiären<br />
Häufung der Adipositas zeigten, dass bei einem adipösen<br />
Elternteil 25% der <strong>Kinder</strong> ebenfalls adipös waren. Dabei war<br />
der Einfluss der Mutter mit ca. 32% doppelt so hoch wie der des<br />
Vaters mit ca. 14%. Waren beide Eltern adipös, lag die Adipositasrate<br />
der <strong>Kinder</strong> sogar bei 71% [80;81].<br />
<strong>Kinder</strong> von übergewichtigen Müttern und aus Haushalten mit<br />
einem niedrigen Familieneinkommen haben ein signifikant höheres<br />
Risiko, eine Adipositas auszuprägen. Für diese sozioökonomisch<br />
schwachen Familien gibt es bisher keine wirksame Unterstützung<br />
[79]. Von den Maßnahmen zur Prävention und Therapie<br />
profitieren in der Regel Familien aus mittleren und höheren<br />
Schichten.<br />
Deshalb sollten diese Schüler besondere Aufmerksamkeit vonseiten<br />
der Lehrer erfahren. Diesen Schülern gerecht zu werden, stellt<br />
eine besondere Herausforderung in der Schule [20;64;77;78].<br />
dar<br />
Zusammenfassend weist dies darauf hin, dass Eltern auf die<br />
Gewichtsproblematik angesprochen werden müssen und der Einbezug<br />
der Eltern in alle Maßnahmen zwingend notwendig ist.<br />
Die mangelnde Wahrnehmung der Eltern bezüglich des eigenen<br />
Gewichts und der familiären Situation stellt ein besonderes Problem<br />
dar. Nur über eine ausreichende Wahrnehmung kann sich<br />
Einsicht und Bereitschaft zu Veränderungen entwickeln. Die individuellen<br />
Ressourcen der Familie müssen genutzt werden. Hierzu<br />
bieten sich der Leitfaden für das Elterngespräch und das Modul<br />
Prima Klima an.
Anhang zu Risikogruppen<br />
Eine epidemiologische Studie aus Holland aus dem Jahr 1976<br />
stützt die These der frühkindlichen metabolischen Prägung für Adipositas<br />
und Übergewicht: Es wurde die Prävalenz von Adipositas<br />
bei Männern, deren Mütter zur Zeit der Schwangerschaft einer<br />
Hungersnot ausgesetzt waren, untersucht. Im Vergleich zu einer<br />
Kontrollpopulation war die Adipositasprävalenz nahezu verdoppelt,<br />
wenn die Hungerperiode in die erste Schwangerschaftshälfte<br />
fiel, aber deutlich vermindert bei einer Hungerexposition im letzten<br />
Schwangerschaftsdrittel oder postnatal [82]. Neuere Studien<br />
belegen eine Zunahme der Fettmasse und eine daraus sich entwickelnde<br />
spätere Adipositas bei Neugeborenen, deren Mütter in<br />
der Schwangerschaft nicht körperlich aktiv waren und ein erhöhtes<br />
Körpergewicht aufwiesen [72;83]. Somit sollte die Adipositasprävention<br />
bereits vor der Konzeption beginnen.<br />
Anhang Genetik<br />
In Tierversuchen, aber auch beim Menschen konnten monogene<br />
sowie polygene Formen der Adipositas gefunden werden. Bei der<br />
monogenen Form führt die Veränderung nur einer einzigen Erbanlage<br />
bzw. beider Erbanlagen eines Paares zur extremen Adipositas.<br />
Es konnte belegt werden, dass die sehr seltene rezessive Veränderung<br />
des Leptingens schon bei <strong>Kinder</strong>n zu einer extremen Adipositas<br />
führt und durch eine Leptinsubstitution behandelt werden<br />
kann. Ebenso konnte auch beim Menschen eine Mutation des Leptinrezeptorgens<br />
identifiziert werden, die, rezessiv vererbt, ebenfalls<br />
zur extremen Adipositas führt [8]. Eine weitere rezessive Form der<br />
frühmanifesten Adipositas ist die Mutation im Pro-opiomelanocortingen<br />
(POMC-Gen). Mutationen im Melanocortin-4-Rezeptorgen<br />
werden dominant vererbt. Sie führen ebenso zu einer frühmanifesten<br />
Adipositas [8].<br />
Weitere molekularbiologische Ursachen der Adipositas liegen im<br />
Zusammenspiel mehrerer Erbanlagen (polygener Vererbungsmodus).<br />
Die Empfindlichkeit gegenüber exogenen Faktoren, welche<br />
zur Adipositas führen, werden durch diesen Vererbungsmodus bei<br />
verschiedenen Menschen unterschiedlich beeinflusst. Im Rahmen<br />
eines Genomscreenings wurde ein Gen auf Chromosom 10 lokalisiert,<br />
das bei bis zu 35% aller Erwachsenen mit extremer Adipositas<br />
vorliegen soll. Es dürfte auch für die frühmanifeste Form von<br />
Bedeutung sein [8].<br />
URSACHEN<br />
43
FOLGEN<br />
44<br />
Psychosoziale Folgen von Übergewicht<br />
und Adipositas<br />
Schule und Schulklima, die Interaktion der Schüler untereinander,<br />
aber auch die Interaktion der Schüler mit den Lehrern haben weitreichende<br />
Folgen nicht nur auf das Lern- und Leistungsverhalten<br />
der Schüler, sondern auch auf ihre psychosoziale Befindlichkeit.<br />
Aber diese Wirkung ist nicht einseitig:<br />
Sie als Lehrer werden durch die Probleme der Schüler beeinflusst.<br />
Ist ein Schüler psychosozial belastet, dann ist dieses eine Herausforderungen<br />
für Sie als Lehrer im Umgang mit dem Schüler. Übergewicht<br />
und Adipositas stellen ein gesondertes psychosoziales<br />
Belastungsrisiko dar.
An der folgenden Originalbeschreibung einer 14-jährigen Schülerin<br />
werden die psychosozialen Belastungen deutlich:<br />
„Übergewicht bedeutet für mich weite Hosen, Beschimpfungen<br />
und schlechtes Aussehen. Bei mir sieht ein ganz normaler Tag so<br />
aus, dass ich aufstehe und zur Schule gehe und mir die Beschimpfungen<br />
von Typen anhören muss, wie: ‚Na du fette Sau, heute<br />
schon zehn Hamburger gegessen?’, oder so.<br />
So was macht einen ganz schön fertig, wenn man sich so etwas<br />
anhören muss. Und an solchen Tagen, wo es mir schlecht geht,<br />
futtere ich alles in mich hinein, was ich nur finden kann.<br />
Wenn man Übergewicht hat, muss man beachten, dass man halt<br />
nicht alles in sich hinein futtert, sondern die Sprüche nicht beachtet<br />
– nur leider ist so etwas ganz schön schwer, denn es tut einem<br />
ganz schön weh, wenn man sich alles so was anhören muss.”<br />
Sichtbar und sozial unerwünscht stellt Adipositas ein Stigma dar.<br />
Menschen mit Adipositas sind in der westlichen Gesellschaft häufig<br />
sozialen Vorurteilen, Ablehnung und Ausgrenzungen ausgesetzt.<br />
Und diese Ablehnung scheint noch anzusteigen. Latner und<br />
Stunkard wiederholten 2001 eine Untersuchung aus den 60er-<br />
Jahren: <strong>Kinder</strong>n wurden sechs Silhouetten vorgelegt. Es handelte<br />
sich um die Darstellung eines gesunden Kindes, eines im Rollstuhl,<br />
eines Kindes mit einer Narbe im Gesicht, eines Kindes, dessen linke<br />
Hand fehlte, und eines adipösen Kindes. Die Aufgabe bestand<br />
darin, zu entscheiden, mit welchem der dargestellten <strong>Kinder</strong> man<br />
am liebsten spielen würde und die Silhouetten entsprechend zu<br />
ordnen.<br />
Sowohl in den 60er-Jahren als auch zu Beginn des <strong>neue</strong>n Jahrtausends<br />
nahm das gesunde Kind die erste Stelle ein, das adipöse<br />
Kind mit Abstand die letzte Stelle. Dabei stieg in den letzten 40<br />
Jahren die Ablehnung des adipösen Kindes an, obwohl zeitgleich<br />
die Verbreitung von Adipositas unter <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
enorm angestiegen ist. Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme<br />
an adipösen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen nicht dazu führt, dass diese<br />
<strong>Kinder</strong> besser akzeptiert werden. Im Gegenteil, sie werden noch<br />
stärker abgelehnt [9].<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
45
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
46<br />
Hinzu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die noch viel<br />
stärker als vor 40 Jahren betont, dass Menschen schlank sein sollten,<br />
um erfolgreich zu sein. Diese Botschaft ist in den Medien so<br />
allgegenwärtig, dass sich ihr weder Schüler noch Lehrer entziehen<br />
können.<br />
Die betroffenen Schüler werden jedoch nicht nur als Spielkamerad<br />
abgelehnt, sondern auch zugleich als hässlich, dumm, unbeherrscht<br />
oder faul beschrieben [12].<br />
Diese Einstellungen finden sich in allen Alters- und Bevölkerungsschichten<br />
und spiegeln die allgemeine Einstellung in unserer<br />
Bevölkerung wider.<br />
Damit einhergehend werden ökonomische Nachteile und Benachteiligungen<br />
in sozialen Kontexten festgestellt. So finden übergewichtige<br />
Erwachsene, unabhängig von der sozialen Schicht oder<br />
dem Intelligenzniveau, seltener hoch dotierte Jobs oder einen Partner.<br />
Zu den Nachteilen gehört auch, dass sie seltener Zugang zu<br />
einer höheren Schulausbildung haben oder einen Universitätsabschluss<br />
erlangen [10].<br />
Vieles davon ist vermeidbar. Mit den Erkenntnissen über die<br />
psychosozialen Probleme der Betroffenen können Sie als Lehrer<br />
der negativen Schullaufbahn entgegensteuern. Denn Sie als Lehrer<br />
besitzen das besondere Potenzial, diese Schüler rechtzeitig zu<br />
erkennen und zu unterstützen.<br />
Die Daten zeigen, welches Belastungspotenzial Übergewicht und<br />
Adipositas in sich birgt.Warum sind diese Informationen für Sie als<br />
Lehrer wichtig?<br />
Neben dem Bildungsauftrag ist die Unterstützung der sozialen und<br />
emotionalen Entwicklung der Schüler Kernaufgabe eines Lehrers.<br />
Viele Studien belegen, dass sich psychosoziale Belastungen der<br />
Schüler in vielfältiger Weise auf den Schulalltag auswirken.
So ist zum Beispiel die Aufmerksamkeit geringer, die ein Schüler<br />
dem Unterricht widmet, wenn er Probleme mit Mitschülern hat. Sie<br />
trauen sich nicht, sich im Unterricht zu melden, weil sie Angst vor<br />
Verspottungen haben.<br />
Ausgeprägte Ängste haben einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.<br />
Ständige Hänseleien gegenüber einem Mitschüler<br />
im Klassenzimmer stören den Unterricht. Damit gefährden psychosoziale<br />
Probleme auch, dass Sie Ihren Bildungsauftrag angemessen<br />
erfüllen können.<br />
Die Schüler geben ihre Probleme nicht am Schultor ab, sie tragen<br />
sie im wahrsten Sinne des Wortes „mit sich rum”. Viele psychosoziale<br />
Belastungssituationen entstehen direkt in der Schule in Interaktion<br />
mit Mitschülern und Lehrkräften.<br />
Sie als Lehrer profitieren davon, dass es Ihren Schülern gut geht<br />
und die Schüler sich am Unterrichtsgeschehen beteiligen, in<br />
Arbeitsgruppen produktiv zusammenarbeiten, Freude an der Schule<br />
und am Unterricht haben, Schule als einen angenehmen Ort<br />
erleben und sich entsprechend ihren kognitiven Fähigkeiten entwickeln.<br />
Die Schule ist eine Lern- und Lebenswelt. Der Lehrer besitzt das<br />
Potenzial, diese Welt seiner Schüler positiv zu beeinflussen.<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
47
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
*Beispiele für depressive Sypmtome<br />
sind:<br />
• morgens nicht aus dem Bett kommen,<br />
• keine Körperpflege durchführen,<br />
• unkonzentriert sein,<br />
• sich von sozialen Aktivitäten zurückziehen.<br />
48<br />
Stellenwert psychosozialer Belastungen für<br />
übergewichtige und adipöse Schüler<br />
Die psychosozialen Belastungen sind nicht die Ursache für das Entstehen<br />
von Übergewicht und Adipositas, sondern deren Folge.<br />
Dies schließt natürlich nicht aus, dass in Einzelfällen eine depressive<br />
Symptomatik* oder eine Kumulierung von kritischen Lebensereignissen<br />
dazu beigetragen haben, dass das Übergewicht entsteht<br />
[17].<br />
Die weitverbreitete These „Dicke sind gemütlich und frohgemut”<br />
lässt sich nicht halten – das gilt ebenso wenig für andere Stereotype<br />
wie faul oder mangelnde Selbstkontrolle.<br />
Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />
Übergewicht und Adipositas sind körperliche Erkrankungen.<br />
Die beobachteten psychosozialen Auffälligkeiten lassen sich<br />
als Folgeerscheinungen gut erklären.<br />
Das Erleben von sozialer Unterstützung durch Lehrer und die<br />
Mitschüler in der Klasse trägt wesentlich zum psychosozialen<br />
Wohlbefinden der betroffenen Schüler bei.<br />
Im Folgenden sollen detailliert vier Aspekte psychosozialer Belastungen<br />
herausgegriffen werden:<br />
1. Hänseleien, 2. Selbstkonzept, 3. gesundheitsbezogene Lebensqualität,<br />
4. psychische Störungen<br />
1. Hänseleien<br />
Die Erfahrung gehänselt zu werden, ist ein sehr belastendes Erlebnis.<br />
Begriffe wie Bullying oder Hänseln beschreiben Situationen, in<br />
denen eine Person von einer oder mehreren bloß gestellt, schikaniert,<br />
verbal oder gar körperlich angegriffen wird. Dies kann direkt<br />
oder indirekt erfolgen. Direkt durch relativ offensichtliche Angriffe<br />
auf das Opfer (z.B. Beschimpfungen auf dem Schulhof, aber auch<br />
Treten oder Verprügeln), indirekt durch sozialen Ausschluss<br />
oder Verbreitung von Gerüchten (z.B. hinter dem Rücken eines<br />
Schülers in der Klasse ständig tuscheln, wenn der Schüler sich meldet;<br />
im Rahmen von Arbeitsgruppen, den Schüler nicht beteiligen).
Übergewichtige<br />
Schüler erfahren bis<br />
zu drei Mal so<br />
häufig Hänseleien als<br />
normalgewichtige<br />
Mitschüler.<br />
5% berichteten, dass<br />
sie von Lehrern<br />
gehänselt werden.<br />
Schule ist ein Ort, an dem solche Erfahrungen gehäuft gemacht<br />
werden. Hänseleien sind unter <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen sehr<br />
weit verbreitet und die Anlässe breit gestreut – von der Haarfarbe<br />
über die Kleidung und Ausdrucksweise bis hin zur Figur oder zum<br />
sozialen Umfeld, aus dem man kommt. Schüler, die gehäuft gehänselt<br />
werden, berichten von psychosomatischen Beschwerden<br />
(wie Kopf- oder Bauchschmerzen), stärkerer sozialer Isolation und<br />
Ängsten.<br />
In der Schule werden Leistungsabfälle oder sogar Schulschwänzen<br />
beobachtet. Übergewichtige Schüler erfahren bis zu drei Mal so<br />
häufig Hänseleien als normalgewichtige Mitschüler [6;7].<br />
Damit berichten vier von fünf adipösen Schülern über häufige<br />
Hänseleien. Diese erfolgten größtenteils durch Mitschüler, aber<br />
auch Geschwister und Eltern. 5% berichteten, dass sie von Lehrern<br />
gehänselt werden. Hänseleien von Autoritätspersonen wie Lehrern<br />
sind vor allem relevant, da sie von den Schülern als besonders<br />
feindselig wahrgenommen werden [8]. Gewichtsbezogene Hänseleien<br />
gelten nicht nur als Risikofaktor für die Entwicklung<br />
von Esstörungen [17], sondern auch als Risikofaktor für Suizidversuche<br />
[3].<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
49
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
50<br />
Hänseleien stellen somit eine sehr ernst zu nehmende Belastung<br />
im Leben von übergewichtigen und adipösen Schülern dar. Die<br />
tagtäglichen Verspottungen können zu weitreichenden Folgen im<br />
psychosozialen Wohlbefinden führen. Leider werden die Folgen<br />
von Hänseleien oftmals im Alltag unterschätzt und Hänseleien<br />
fälschlicherweise als ein ganz normaler Entwicklungsschritt<br />
gesehen.<br />
So betonten 94% der Lehrer, dass Hänseleien auch gute Seiten<br />
hätten (z.B. jemanden spielerisch über etwas Unangemessenes zu<br />
informieren) [11].
Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />
Ständiges Erleben von Hänseleien kann zu einem deutlichen Leistungsabfall<br />
der betroffenen Schüler bis hin zu einer kompletten<br />
Schulvermeidung führen. Die betroffenen <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />
trauen sich nicht mehr an den Ort, wo sie diese ständigen Peinigungen<br />
erfahren.<br />
Hänseleien beeinträchtigen das Klassenklima. Die Schule als Ganzes<br />
muss gegen Hänseleien vorgehen (z.B. Projektwoche zum<br />
Thema, Diskussionsrunde, Vereinbarungen über den Umgang miteinander<br />
etc.).<br />
Reflektieren Sie Ihre eigene Einstellung zum Thema Gewicht. Wie<br />
wichtig ist für Sie Ihr eigenes Körpergewicht? Welchen Stellenwert<br />
nimmt die körperliche Erscheinung für das eigene Wohlbefinden<br />
ein?<br />
Reflektieren Sie mit Ihren Schülern, wie innerhalb der Klasse mit<br />
dem Thema Körpergewicht umgegangen wird. Werden die übergewichtigen<br />
und adipösen Schüler von den Klassenkameraden oder<br />
auf dem Schulhof von anderen gehänselt?<br />
Wie reagieren Sie selbst oder andere Lehrer auf beobachtete Hänseleien?<br />
Das Ignorieren von wiederholten Hänseleien wird von den<br />
Schülern oftmals als Zustimmung empfunden.<br />
Im Sportunterricht sollte ein besonderes Augenmerk auf Hänseleien<br />
gerichtet werden, da diese hier gehäuft zu beobachten sind.<br />
Seien Sie ein Vorbild! Betonen Sie vor allem die Dinge, die der adipöse<br />
Schüler gut gemacht hat. Achten Sie darauf, dass nicht durch<br />
bestimmte sportliche Übungen der Schüler bloß gestellt wird.<br />
Bei der Wahl von Mannschaften sind die übergewichtigen und<br />
adipösen Schüler oft diejenigen, die als Letzte gewählt werden.<br />
Hier können Sie gegensteuern, indem Sie die betroffenen Schüler<br />
die Mannschaften auswählen lassen.<br />
Sportbefreiung eines übergewichtigen Schülers kann ein Zeichen<br />
für erlebte Hänseleien oder auch Schamgefühle beim Sport sein.<br />
Sprechen Sie mit dem Schüler in einer ruhigen Minute darüber. Das<br />
Meiden von sportlichen Aktivitäten, um Hänseleien zu entgehen,<br />
führt nur dazu, dass die Mitschüler unter Umständen noch mehr<br />
lästern und die adipösen Schüler keine Chance haben, sportliche<br />
Fertigkeiten zu erwerben.<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
51
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
52<br />
2. Selbstkonzept<br />
Das Selbstkonzept beschreibt die Theorie über die eigene Person<br />
(z. B. „Ich bin gut in Mathe“ oder „Ich sehe gut aus“). Im Selbstkonzept<br />
finden bereichsspezifische Beschreibungen und Bewertungen<br />
der eigenen Person statt.<br />
Diese verschiedenen Beschreibungen und Bereiche können<br />
folgendermaßen unterschieden werden:<br />
Die athletische Kompetenz:<br />
„Ich bin schlecht in Sport.”<br />
Die schulische Kompetenz:<br />
„Ich bin gut in Deutsch.”<br />
Die körperliche Attraktivität:<br />
„Ich sehe gut aus.”<br />
Das selbstsichere Verhalten:<br />
„Ich weiß, wie ich mich gegenüber meinen<br />
Lehrern benehmen soll.”<br />
Die soziale Akzeptanz:<br />
„Lehrer und Mitschüler mögen mich.”<br />
Das Konzept, das jemand von sich selbst hat, hat direkte Auswirkungen<br />
auf Wohlbefinden und Verhalten:<br />
Wenn ich glaube, gut in Mathe zu sein, dann werde ich mich mehr<br />
anstrengen. Ich werde angesichts schlechterer Noten nicht resignieren,<br />
sondern kontinuierlich mitarbeiten. Glaube ich dies nicht,<br />
werde ich mich auch weniger anstrengen. Meine schlechte Note<br />
bestätigt, was ich schon wusste.<br />
Das Selbstkonzept bildet sich in der sozialen Auseinandersetzung<br />
mit anderen Personen (z.B. verbale Rückmeldungen) und durch<br />
soziale Vergleiche (z.B. Wo stehe ich im Vergleich zu anderen?)<br />
aus. Negative Rückmeldungen und deren Verinnerlichung können<br />
zu einem negativen Selbstkonzept bei übergewichtigen und adipösen<br />
Schülern führen.
Dies gilt jedoch nicht für alle Bereiche des Selbstkonzepts [14]. Am<br />
deutlichsten zeigen sich im Vergleich zu normalgewichtigen Schülern<br />
Einbußen in der athletischen Kompetenz und der körperlichen<br />
Attraktivität [5]. So gehören Einschränkungen im Sport und negative<br />
Erlebnisse im (Schul-) Sport zu den häufigsten Erfahrungen<br />
übergewichtiger und adipöser <strong>Kinder</strong> und Jugendlicher [15].<br />
Die Einschränkung der wahrgenommenen Attraktivität ist ebenfalls<br />
nachvollziehbar, da Übergewicht und Adipositas dem gängigen<br />
Schönheitsideal nicht entsprechen. Diesem Schönheitsideal<br />
wollen auch die adipösen Schüler in besonderem Maße nachkommen.<br />
In anderen Bereichen – wie der Einschätzung der sozialen<br />
Kompetenz, der sozialen Einbindung oder der schulischen Leistungsfähigkeit<br />
– finden sich nur selten Einbußen.<br />
Zusammenfassend kann man sagen: Bei übergewichtigen und adipösen<br />
Schülern ist in Teilbereichen durchaus mit Einschränkungen<br />
des Selbstkonzeptes zu rechnen, welche sich negativ auf die Schulleistung<br />
auswirken.<br />
Wichtig ist, dass man jeden Schüler individuell betrachtet – pauschal<br />
gibt es nicht den übergewichtigen oder adipösen Schüler.<br />
Der Lehrer hat die Möglichkeit, durch gezielte Rückmeldungen das<br />
Selbstkonzept der übergewichtigen und adipösen Schüler zu verbessern.<br />
So kann der Sportlehrer z. B. die Anstrengungsbereitschaft<br />
des Schülers mit in die Note einbeziehen. Generell sollte im Unterricht<br />
das bereits Erreichte, das Positive in den Vordergrund gestellt<br />
werden (z.B. Ich sehe, Du hast Dir damit Mühe gegeben und hast<br />
Dich um einiges verbessert).<br />
Der Vergleich mit dem individuellen Leistungsniveau des einzelnen<br />
Schülers, nicht mit dem Klassenstand, ist besonders motivierend.<br />
Die Schüler sollen auch erfahren, dass sie nicht insgesamt als Person<br />
abwertet werden. Auch Sie als Lehrer bewerten und beurteilen<br />
nur einen Teilbereich der Person, z.B. die Leistungsfähigkeit in<br />
Mathematik. Ein positives Selbstkonzept ist eine Ressource und<br />
hilft uns stressreiche Lebensereignisse zu meistern. Ein negatives<br />
Selbstkonzept kann zu psychischen Störungen (wie z.B. Angststörungen<br />
oder Depression, siehe Psychische Störungen, Seite 56)<br />
führen.<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
53
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
54<br />
Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />
Achten Sie auf Kompetenzen des Schülers.<br />
Stellen Sie Aufgaben, die übergewichtige und adipöse Schüler<br />
auch bewältigen können. Erfolgserlebnisse sind ganz wichtig,<br />
um ein positives Selbstkonzept aufzubauen.<br />
Geben Sie positive, individuelle Rückmeldungen. Ein positives<br />
Selbstkonzept trägt dazu bei, dass die Schüler sich verstärkt<br />
schulisch engagieren und eine höhere Leistungsfähigkeit erzielen.<br />
Achten Sie auf Anzeichen, die auf ein negatives Selbstwertgefühl<br />
hindeuten. Verallgemeinerungen oder absolute Aussagen<br />
(z.B. „Ich kann das nicht”) müssen als Warnsignale gelten.
3. Lebensqualität übergewichtiger und adipöser<br />
<strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität bezieht sich auf mögliche<br />
funktionale Einschränkungen im Alltag und berücksichtigt verschiedene<br />
Bereiche wie emotionales, soziales und körperliches<br />
Wohlbefinden. Studien zeigen, dass die Lebensqualität übergewichtiger<br />
und adipöser Schüler geringer ist als die ihrer normalgewichtigen<br />
Mitschüler. Bei adipösen <strong>Kinder</strong>n scheint diese sogar<br />
vergleichbar mit der Lebensqualität von krebskranken <strong>Kinder</strong>n und<br />
Jugendlichen [4;17;16].<br />
Auch hier gilt wieder: Übergewichtige und adipöse Schüler in<br />
Behandlung haben die geringste Lebensqualität. Je höher das<br />
Gewicht eines Schülers, desto geringer scheint auch seine Lebensqualität<br />
zu sein [13].<br />
Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />
Viele übergewichtige und adipöse Schüler sind in der gesundheitsbezogenen<br />
Lebensqualität eingeschränkt. Dies bedeutet,<br />
dass sich die Schüler in ihren schulischen, sozialen, emotionalen<br />
und körperlichen Funktionen eingeschränkt fühlen.<br />
Die größten Einschränkungen betreffen die körperliche Aktivität.<br />
Die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen meiden Sport oft generell.<br />
Es entsteht ein Teufelskreis aus mangelnder Übung – negativer<br />
Erfahrung – anschließender Meidung. Dieser ist dann nur noch<br />
sehr schwer zu durchbrechen.<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
55
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
56<br />
4. Psychische Störungen<br />
Die genaue Grenze zwischen gesund und gestört ist oftmals<br />
schwer zu ziehen und kann auch nur von entsprechend ausgebildeten<br />
Personen (wie Psychiatern oder Psychologen) nach Diagnosekriterien<br />
getroffen werden.<br />
Unter einer psychischen Störung versteht man, dass das Verhalten<br />
und /oder Erleben einer Person abnorm ist und /oder zu einer<br />
Beeinträchtigung führt.<br />
Als abnorm werden u.a. Verhaltens- und Erlebnisweisen<br />
betrachtet, die z.B.<br />
• sehr selten auftreten,<br />
• stark persistieren,<br />
• nicht allein durch widrige Lebensumstände erklärbar sind,<br />
• in vielen verschiedenen Situationen beobachtbar sind und<br />
sehr häufig und intensiv auftreten.<br />
Es würde z.B. nicht ausreichen, wenn ein Schüler Anzeichen von<br />
Angst (wie Schwitzen, Erröten oder Stottern) gegenüber einem<br />
Lehrer zeigt, dieses Verhalten aber im Umgang mit anderen Lehrern<br />
nicht auftritt, um von einer Angststörung zu sprechen. Es müssen<br />
zudem viele weitere Anzeichen von Angst hinzutreten (wie<br />
z.B. angstbezogene Gedanken) und diese müssten häufiger und<br />
intensiver als bei anderen Schülern anzutreffen sein.<br />
Des Weiteren verursachen die abnormen Erlebens- und Verhaltensweisen<br />
persönliches Leiden und wirken sich negativ auf soziale<br />
Funktionen sowie auf die schulische Leistungsfähigkeit aus. Beispiele<br />
hierfür sind: erhöhte Schulfehltage, Probleme mit Mitschülern<br />
und/oder Lehrern etc.
Bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen mit Adipositas treten psychische<br />
Störungen gehäuft auf. Rund 30% der übergewichtigen und adipösen<br />
Schüler, die sich wegen ihres Gewichts in Behandlung<br />
befanden, weisen psychische Störungen auf. Diese Schüler haben<br />
vor allem Ängste und depressive Verstimmungen, aber auch starke<br />
Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen (siehe Hänseleien).<br />
Schaut man sich die unbehandelten übergewichtigen und adipösen<br />
Schüler an, unterscheiden sich diese Schüler allerdings nicht<br />
von einer normalgewichtigen Schülergruppe [1;2]. Das deutet darauf<br />
hin, dass nicht jedes übergewichtige oder adipöse Kind unter<br />
psychischen Störungen leidet.<br />
Generell gilt, dass Schüler mit einer psychischen Störung professionelle<br />
Hilfe brauchen. Sprechen Sie den Schulpsychologen oder<br />
Beratungsstellen vor Ort an, die den betroffenen Schülern und<br />
deren Eltern weitere Hilfestellung geben können.<br />
Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />
Psychische Störungen sind vor allem bei den Schülern zu<br />
beobachten, die sich wegen ihres Gewichts in Behandlung<br />
begeben. Die unbehandelten Schüler unterscheiden sich meist<br />
nicht von den normalgewichtigen Schülern.<br />
Am häufigsten beobachtet man bei übergewichtigen und adipösen<br />
<strong>Kinder</strong>n Ängste, sozialen Rückzug und depressive Reaktionen.<br />
<strong>Kinder</strong>, die gehäuft ausgeprägte Hänseleien im schulischen wie<br />
in anderen Lebenskontexten erfahren, weisen ein besonderes<br />
Risiko für psychische Störungen auf.<br />
PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />
57
Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />
bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
WAHRNEHMUNG<br />
58<br />
Die körperliche und seelische Verfassung eines Kindes beeinflussen<br />
dessen schulische Leistungsfähigkeit. Daher müssen Einschränkungen<br />
frühzeitig erkannt werden. Übergewicht und Adipositas<br />
können aufgrund der damit einhergehenden körperlichen und psychischen<br />
Belastungen die schulische Leistungsfähigkeit reduzieren.<br />
Bevor jedoch etwas gegen ein vorliegendes Gewichtsproblem<br />
unternommen werden kann, müssen die betroffenen Schüler, aber<br />
vor allem auch ihre Eltern erkennen, dass es sich um ein problematisches,<br />
gesundheitsgefährdendes Gewicht handelt (die sogenannte<br />
Risikowahrnehmung). Selbst für Lehrer ist es nicht ganz einfach<br />
einzuschätzen, ob ein problematisches Übergewicht oder gar Adipositas<br />
vorliegt.
Die Wahrnehmung von Übergewicht eines Schülers und die darauffolgenden<br />
Handlungsentscheidungen (z.B. die Eltern oder den<br />
Schüler darauf anzusprechen oder konkrete Hilfsangebote zu<br />
unterbreiten) sind ein mehrstufiger Prozess. Der erste Schritt ist die<br />
Einschätzung, ob Übergewicht oder gar Adipositas vorliegt. Allein<br />
schon bei dieser Einstufung unterliegt unsere Wahrnehmung<br />
Fehlern. In der folgenden Abbildung sehen Sie alters- und<br />
geschlechtsspezifische Körpersilhouetten, wie sie oftmals Eltern<br />
und <strong>Kinder</strong>n zur Beurteilung des Körpergewichts vorgelegt werden.<br />
Welche Figur ist in Ihren Augen normalgewichtig?<br />
Auf die Einschätzung des Gewichtsstatus folgt die Beurteilung, ob<br />
das Gewichtsproblem des Schülers Auswirkungen auf den schulischen<br />
Alltag oder das pädagogische Handeln des Lehrers hat.<br />
Diese Einschätzungen nehmen Einfluss darauf, ob und wie Sie als<br />
Lehrer, Eltern und Schüler auf diese Problematik ansprechen. Im<br />
Folgenden wird kurz dargestellt, wie Wahrnehmungsprozesse<br />
generell funktionieren und welche Fehler uns dabei unterlaufen.<br />
WAHRNEHMUNG<br />
Fig. 1 Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6<br />
Vorschulkinder<br />
Schulkinder<br />
Jugendliche<br />
Abbildung modifiziert nach: Deutsche Gesellschaft für<br />
Ernährung e. V. (1984). Ernährungsbericht, S. 117,<br />
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Frankfurt a. M.<br />
Fig. 1 = untergewichtig<br />
Fig. 2 = sehr schlank<br />
Fig. 3 = schlank<br />
Fig. 4 = normalgewichtig<br />
Fig. 5 = übergewichtig<br />
Fig. 6 = adipös<br />
59
WAHRNEHMUNG<br />
60<br />
Wahrnehmung als aktiver Prozess und<br />
mögliche Fehlerquellen<br />
Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, d.h., unsere Sinneseindrücke<br />
werden im Gehirn weiter verarbeitet. Unsere Sinneseindrücke spiegeln<br />
somit keine objektive Welt wider, sondern sind das Ergebnis<br />
eines komplexen, subjektiven Verarbeitungsprozesses. Dies ist in<br />
vielen Bereichen unseres Lebens unproblematisch, da wir uns in<br />
aller Regel darauf einigen können, dass die Wiese grün und der<br />
Himmel blau ist.<br />
In einigen Lebensbereichen unterlaufen den meisten Menschen<br />
jedoch systematische Wahrnehmungsfehler. Dieser Wahrnehmungsfehler<br />
sollten sich Lehrer bei der Einschätzung ihrer Schüler<br />
und insbesondere der Bewertung, ob ein problematischer<br />
Gewichtsstatus vorliegt, bewusst sein.<br />
Was sind die wichtigsten Fehler, die man beobachten kann?<br />
Hierzu zählen:<br />
Erwartungseffekte:<br />
Unsere Erwartungen bestimmen zu einem Großteil unsere Wahrnehmung.<br />
Man nennt diesen Effekt auch self-fulfilling prophecy.<br />
Der Sportlehrer hat vielleicht die Erwartung, dass das übergewichtige<br />
und adipöse Kind nicht gerne Fußball spielt und stellt es daher<br />
ins Tor, wo es sich nicht so viel bewegen muss. Solche Erwartungen<br />
können z.B. dazu führen, dass übergewichtige und adipöse <strong>Kinder</strong><br />
nicht entsprechend gefördert und die Schüler demotiviert werden.<br />
Dabei muss es nicht unbedingt schlechter sein – unter Umständen<br />
werden die besseren Mitschüler nur besser motiviert. Mit der Zeit<br />
können sich dann aber durchaus Leistungsdefizite bei demotivierten<br />
Schülern aufbauen, weil sie sich nicht anstrengen, bessere<br />
Leistungen zu erbringen.
Kontrasteffekte:<br />
Auch direkte Vergleiche beeinflussen die Wahrnehmung. Unsere<br />
Einschätzungen sind häufig von unseren eigenen Erfahrungen<br />
abhängig. So bewerten Sie ein Kind mit einem höheren Gewicht<br />
womöglich dicker, wenn es direkt neben einem sehr schlanken<br />
Kind in der Klasse sitzt. Das gleiche Kind würde innerhalb einer<br />
Gruppe kräftiger <strong>Kinder</strong> vielleicht überhaupt nicht auffallen. (Hinweis:<br />
Denken Sie an Ihre Erfahrung mit der vorherigen Abbildung<br />
zu den Körpersilhouetten.) Diese Erfahrungen verändern sich mit<br />
der Zeit. Begegnen uns zunehmend mehr übergewichtige und adipöse<br />
Schüler, halten wir das für normal. So kann sich die Grenze<br />
der Einschätzung, ob jemand übergewichtig bzw. adipös oder normalgewichtig<br />
ist, langsam nach oben verschieben.<br />
Natürlich vergleichen wir andere Personen auch mit unserem eigenen<br />
Erscheinungsbild. Ist man selbst sehr schlank, fällt die<br />
Gewichtsbeurteilung anderer Menschen negativer aus (leicht moppelig,<br />
zu dick), als wenn man selber eher leicht übergewichtig<br />
ist [6]. Ist man selbst übergewichtig, will man vielleicht aus emotionalen<br />
Gründen (z.B. Ich möchte nicht auf mein eigenes Übergewicht<br />
angesprochen werden. Da sagen die Eltern vielleicht:<br />
„Gucken Sie sich doch mal selbst an.”) das Übergewicht des<br />
Schülers nicht ansprechen.<br />
Hofeffekte (Haloeffekte):<br />
Hier überstrahlt ein wichtiges, zentrales Merkmal (z.B. die körperliche<br />
Erscheinung) den Gesamteindruck einer Person. Die anderen<br />
Eindrücke treten in den Hintergrund. So zeigen Studien, dass adipöse<br />
Personen häufig spontan als dumm, hässlich und faul eingestuft<br />
werden [12]. Übergewicht und Adipositas strahlen negativ<br />
auf die Einschätzung der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit<br />
des Schülers aus.<br />
Dieser Hofeffekt hat natürlich auch Auswirkungen auf den Unterricht:<br />
Schüler, die als weniger leistungswillig angesehen werden,<br />
kommen unter Umständen seltener im Unterricht zu Wort und sind<br />
in Folge dessen demotiviert. Sie melden und beteiligen sich immer<br />
weniger. Ein Teufelskreis schließt sich (siehe self-fulfilling prophecy).<br />
WAHRNEHMUNG<br />
61
WAHRNEHMUNG<br />
62<br />
Mangelnde Kenntnis/Unwissenheit:<br />
Unser Wissen bzw. unsere Erfahrungen haben einen entscheidenden<br />
Einfluss auf unsere Wahrnehmung. So kann ein Eskimo ungefähr<br />
hundert verschiedene Arten von Schnee unterscheiden. Allein<br />
die Tatsache, dass heutzutage in den Medien darüber geredet wird,<br />
dass immer mehr Schüler bereits übergewichtig oder adipös sind,<br />
schärft unser Bewusstsein:<br />
Wir beobachten genauer und erkennen früher, dass ein Kind zu<br />
viele Pfunde hat. Gerade bei jungen <strong>Kinder</strong>n ist dies aber oftmals<br />
sehr schwierig. So werden übergewichtige Vorschulkinder oftmals<br />
als süß und knuddelig wahrgenommen. Das Kind müsse ja etwas<br />
zum Zusetzen haben und schließlich wachse sich das ja aus. Hier<br />
paart sich das mangelnde Wissen darüber, woran man ein übergewichtiges<br />
oder adipöses Kind erkennen kann mit falschen oder<br />
fehlenden Informationen über das Fortbestehen der Adipositas<br />
(vgl. Kapitel Ursachen von Übergewicht und Adipositas).<br />
Dies führt dazu, dass – selbst wenn das Kind als übergewichtig<br />
oder adipös erkannt wird – dies nicht als problematisch eingestuft<br />
wird. Es erfolgen keine weiteren Schritte vonseiten der Eltern oder<br />
der Lehrer [1].
Für Sie als Lehrer ist Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unsere Beobachtun-<br />
dabei nicht nur relevant, gen einer Reihe von Fehlern unterliegen. Für Sie als Lehrer ist dabei<br />
dass bereits die Einstu- nicht nur relevant, dass bereits die Einstufung des Gewichtsstatus<br />
fung des Gewichtsstatus eines Schülers schwierig sein kann. Ebenso wichtig ist die Erkennt-<br />
eines Schülers schwierig nis, dass das Gewicht eines Schülers auch Auswirkungen auf die<br />
sein kann. Ebenso wich- Einschätzung seiner schulischen Leistungsfähigkeit hat. Ist man<br />
tig ist die Erkenntnis, sich solcher Einflüsse bewusst, dann wird man in der Lage sein,<br />
dass das Gewicht eines sein eigenes Urteil kritisch zu hinterfragen. Hilfreich ist der Aus-<br />
Schülers auch Auswirtausch mit den Kollegen in der Schule. Jeder kann sein spezielles<br />
kungen auf die Einschät- Wissen über Adipositas und seine Beobachtungen zu einem Schüzung<br />
seiner schulischen ler beitragen. Durch das Zusammentragen verschiedener Sichtwei-<br />
Leistungsfähigkeit hat.<br />
sen können einseitige Einschätzungen der Leistungsbereitschaft<br />
und des Leistungsvermögens eines Schülers verhindert werden.<br />
Einschätzung des Gewichtsstatus<br />
Bislang liegen keine Informationen darüber vor, wie gut Lehrer den<br />
Gewichtsstatus von Schülern einschätzen können. Es gilt, sich darauf<br />
zu konzentrieren, was über die Wahrnehmung von Eltern über<br />
den Gewichtsstatus ihres Kindes bekannt ist. Das Wissen um die<br />
Einschätzung von Eltern ist für einen adäquaten Umgang mit<br />
betroffenen Eltern in Elterngesprächen relevant.<br />
Vielen Eltern fällt es schwer, den Gewichtsstatus ihres Kindes richtig<br />
einzuschätzen (d.h., ob es über- oder normalgewichtig ist).<br />
Besonders ausgeprägt ist dies bei Eltern übergewichtiger und<br />
adipöser <strong>Kinder</strong> [4] – lediglich 10% schätzen den Gewichtsstatus<br />
ihres Kindes richtig ein. Im Vergleich dazu liegt der Anteil bei Eltern<br />
normalgewichtiger <strong>Kinder</strong> bei 60%.<br />
WAHRNEHMUNG<br />
63
WAHRNEHMUNG<br />
64<br />
Die Einschätzung fällt insbesondere bei Vorschulkindern und Jungen<br />
schwer. Hier zeigt sich unter Umständen eine Akzeptanz oder<br />
Gewöhnung der Eltern gegenüber dem Übergewicht ihrer <strong>Kinder</strong>.<br />
Außerdem zeigt sich, dass viele Eltern ein dickes Kind mit Attributen<br />
wie gesund etc. verbinden. Während ein schlankeres Kind<br />
Ausdruck dafür sei, dass man sich nicht richtig um das Kind gekümmert<br />
habe [2].<br />
Gerade Eltern mit einem niedrigen Bildungsstand und mit Übergewicht<br />
unterschätzen das Gewichtsproblem ihres Kindes [3;7].<br />
Sozial benachteiligte Eltern zeigen unter Umständen wenig Verständnis,<br />
wenn sie auf das Gewichtsproblem ihres Kindes angesprochen<br />
werden, möglicherweise weil sie viele andere Probleme<br />
haben. Hier ist es ganz wichtig, im Gespräch mit den Eltern die<br />
soziale Situation der Eltern (und damit auch ihres Schülers) zu<br />
berücksichtigen.<br />
Mit zunehmendem Alter der Schüler ist auch deren Selbstbeurteilung<br />
für ihre Handlungen relevant. Gewicht und körperliche<br />
Erscheinung spielen für Jugendliche eine sehr wichtige Rolle und<br />
sind ein sensibler Bereich. Viele Jugendliche empfinden sich als<br />
zu dick, ohne dass dies tatsächlich der Fall ist. Die Unzufriedenheit<br />
mit dem Gewicht und der Versuch abzunehmen ist vor allem unter<br />
übergewichtigen Mädchen sehr weit verbreitet [11].
Übergewichtige Jungen hingegen schätzen sich oftmals nicht als<br />
übergewichtig ein [5].<br />
Goodman et al.[5] fanden heraus, dass nur ein Drittel der übergewichtigen<br />
Jungen sich selbst so einstufen. Sowohl Mädchen als<br />
auch deren Mütter können den Gewichtsstatus besser einschätzen<br />
als Jungen und deren Mütter [8]. Dabei spielt das geschlechtsspezifische<br />
Schönheitsideal eine Rolle. Jungen dürfen durchaus kräftiger<br />
(und muskulöser) sein, während Mädchen sehr schlank sein<br />
müssen. Bei der Gewichtseinschätzung sollten Lehrer sich diesen<br />
geschlechtsspezifischen Schönheitsidealen und den damit verbundenen<br />
Verzerrungstendenzen – denen sie selber unterliegen –<br />
bewusst sein.<br />
Wahrnehmung der Risiken und gesundheitlichen<br />
Folgeschäden von Übergewicht und Adipositas<br />
Das Wissen um die <strong>Gesundheit</strong>sgefährdung durch ein erhöhtes<br />
Gewicht ist entscheidend für die Bereitschaft der Eltern und des<br />
Schülers, auf ein Gesprächsangebot von Ihnen als Lehrer einzugehen<br />
und auch weiterführende Schritte (z.B. die Teilnahme an einem<br />
Gewichtskontrollprogramm oder einer speziellen Sportgruppe in<br />
der Schule) zu unternehmen.<br />
Die psychosozialen Risiken und medizinischen Folgen des Übergewichts<br />
und der Adipositas werden von Eltern deutlich unterschätzt.<br />
So glauben nur wenige Eltern übergewichtiger und adipöser Schüler,<br />
dass ihre <strong>Kinder</strong> Probleme mit Gleichaltrigen haben oder sich<br />
das Gewicht negativ auf den Selbstwert auswirkt, obwohl dies die<br />
häufigsten psychosozialen Belastungen sind [9]. Ähnlich ist die<br />
Situation, wenn es um die medizinischen Konsequenzen des Übergewichts<br />
ging. So stellten Rich et [10] al. fest, dass nur ein Drittel<br />
der Eltern konkrete medizinische Folgen benennen konnten und<br />
meist davon ausgingen, dass sich das Problem schon auswachse.<br />
Heute weiß man, dass aus übergewichtigen <strong>Kinder</strong>n auch übergewichtige<br />
Erwachsene mit zahlreichen gesundheitlichen Schäden<br />
werden.<br />
Mit dem Wissen um diese fehlerhafte Wahrnehmung der Betroffenen<br />
und der Fachkunde aus den anderen Kapiteln dieses Moduls<br />
besteht die Möglichkeit die Wahrnehmung zu objektivieren.<br />
WAHRNEHMUNG<br />
65
WAHRNEHMUNG<br />
66<br />
Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />
in der Schule<br />
Übergewicht und Adipositas sind keine isolierten Gewichtsprobleme,<br />
sondern haben weit reichende Konsequenzen für den Schulalltag.<br />
Menschen, die übergewichtig oder adipös sind, werden in<br />
unserer Gesellschaft stigmatisiert – egal, ob sie Schüler oder Lehrer<br />
sind. In unserer Wahrnehmung sind Übergewicht und Adipositas<br />
fälschlicherweise – wie bereits erwähnt – mit vielen anderen<br />
negativen Attributen verbunden. Gerade diese Fehlschlüsse sind<br />
es, die besondere pädagogische Relevanz haben. Die Verknüpfung<br />
mit negativen (Leistungs-) Attributen findet man in allen Bevölkerungsschichten,<br />
d.h. auch bei den Schülern untereinander und<br />
natürlich auch unter Lehrern. Alles spricht dafür, dass Sie als Lehrer<br />
präventiv tätig werden, damit solche negativen Schulkarrieren<br />
erst gar nicht entstehen.<br />
Die Einschätzung des Gewichtsstatus ist schwierig und<br />
gelingt vielen Eltern nicht. Was unterscheidet ihre Risikoeinschätzung<br />
als Lehrer von der der Eltern?<br />
Zunächst sind Sie nicht so emotional involviert wie die Eltern.<br />
Während Eltern sich Gedanken darüber machen, wie es zu dem<br />
Übergewicht oder zur Adipositas ihres Kindes gekommen ist und<br />
welche Rolle sie selbst dabei spielen (eventuell Schuldgefühle oder<br />
bereits erlebte Schuldzuweisungen), können Sie als außen stehende<br />
Person mit entsprechenden Kenntnissen die Situation objektiver<br />
beurteilen.<br />
Im Gegensatz zu den Eltern sehen Sie viele verschiedene <strong>Kinder</strong><br />
gleichen Alters und gleichen Geschlechts – d.h., Sie verfügen über<br />
eine Vergleichsgruppe. Diese Möglichkeit haben nur wenige<br />
Berufsgruppen (z.B. <strong>Kinder</strong>ärzte).<br />
Als Lehrer beobachten Sie die Entwicklung eines Kindes: Sie sehen<br />
eine Veränderung des Gewichtsstatus, der anderen Menschen gar<br />
nicht auffällt. Diese Aspekte verdeutlichen, warum Ihnen als Lehrer<br />
oftmals als Erster auffällt, dass ein <strong>Gesundheit</strong>sproblem vorliegt.
Zusammenfassend sind folgende Aspekte der Wahrnehmung<br />
für Sie als Lehrer im Umgang mit dem Schüler und im<br />
Gespräch mit den Eltern wichtig:<br />
Beachten Sie, dass unsere Wahrnehmung und Beurteilung Fehlern<br />
und Verzerrungen unterliegen. Das Wissen um solche Fehler<br />
bedeutet nicht, dass Ihnen als Lehrer diese nicht unterlaufen!<br />
Hinterfragen Sie im Vorfeld Ihre eigenen Einstellungen zum Körpergewicht<br />
sowie Ihre Theorien zur Entstehung von Übergewicht<br />
und Adipositas.<br />
Viele Eltern nehmen die weitreichenden medizinischen, psychosozialen<br />
und schulischen Konsequenzen von Übergewicht und Adipositas<br />
nicht wahr.<br />
Das Gewicht des Kindes ist immer ein sehr sensibler Bereich für die<br />
Eltern. Wenn man Eltern auf das Gewicht ihres Kindes anspricht,<br />
trifft man nicht nur eine Aussage über das Gewicht des Kindes,<br />
sondern – vor allem in der Wahrnehmung der Eltern – über ihr<br />
Erziehungs- und Ernährungsverhalten. Das kann dazu führen, dass<br />
Eltern sich angegriffen fühlen. Daher sollten Sie diesen Bereich<br />
besonders sensibel und vorsichtig ansprechen.<br />
WAHRNEHMUNG<br />
67
Wie kann man Übergewicht und Adipositas<br />
ansprechen?<br />
Anregungen für einen Gesprächsleitfaden für<br />
Eltern-Gespräche<br />
GESPRÄCHS-<br />
LEITFADEN<br />
68<br />
In welcher Schule gibt es sie nicht? Den übergewichtigen Schüler,<br />
der dank seiner Körpermasse die Mitschüler dirigiert und Konflikte<br />
auf körperlicher Ebene austrägt. Sein Übergewicht garantiert ihm<br />
den Erfolg. Die übergewichtige Schülerin, die ständig versucht, in<br />
der Klasse nicht aufzufallen, obwohl ihre Körperfülle immer wieder<br />
Anlass dafür bietet. Der dicke Schüler im Sportunterricht, der beim<br />
Umziehen schon die ersten peinlichen Momente hinter sich bringen<br />
muss. Er kämpft sich schwitzend und mit hochrotem Kopf<br />
durch den Sportunterricht und muss sich bei allen Spielen und<br />
Übungen viel mehr anstrengen als seine normalgewichtigen<br />
Mitschüler. Doch alles Anstrengen nützt nichts, wenn es dann ans<br />
Klettern, Hangeln oder Überwinden von Hindernissen geht. Spätestens<br />
dann gerät der Schüler an seine übergewichtsbedingten<br />
Grenzen.
Dies sind nur drei Beispiele für die Auswirkungen, die Übergewicht<br />
im Schulunterricht haben kann. Die eine oder andere Facette<br />
kommt Ihnen aus Ihrem Schulalltag sicher bekannt vor.<br />
Wahrscheinlich haben Sie schon mehr als einmal überlegt, wie Sie<br />
einem solchen Schüler helfen können. Der erste Schritt ist ein<br />
Gespräch mit den Eltern. Grundlegende methodische Kompetenzen<br />
für Elterngespräche sind für Sie in dem Leitfaden Die Klima><br />
konferenz aus dem Handbuch Prima Klima zusammengefasst. Dieser<br />
Leitfaden soll Ihnen helfen, konkret zu dem Thema Adipositas<br />
die Eltern und Ihren Schüler anzusprechen.<br />
Die Vorbereitung für das Elterngespräch<br />
Inhaltliche Vorbereitung<br />
Insbesondere bei Elterngesprächen, in denen belastende Themen<br />
angesprochen werden, ist eine gründliche Vorbereitung nötig.<br />
Hierzu bietet sich die Lektüre der einzelnen Kapitel des Handbuches<br />
<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... an.<br />
Vor allem behalten Sie einen ressourcenorientierten Blick. Beach- ><br />
ten Sie, dass auch dicke <strong>Kinder</strong> in anderen Bereichen Stärken<br />
haben, die sie möglicherweise auch als Stärkung ihres Selbstbewusstseins<br />
zur Überwindung ihrer Adipositas nutzen können.<br />
Im Folgenden soll dargestellt werden, mit welchen Problemen Sie<br />
im Gespräch mit den Eltern konfrontiert sein könnten und wie Sie<br />
diese lösen können.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Die Klimakonferenz<br />
www.bertelsmann-stiftung.de/verlag<br />
www.anschub.de<br />
Modul Schatzsuche<br />
www.anschub.de<br />
69
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
70<br />
Die Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />
Es kann sein, dass die Eltern das Problem noch gar nicht wahrgenommen<br />
haben und so die Notwendigkeit eines Gesprächstermins<br />
nicht verstehen. In dem vorangegangen Kapitel zur Wahrnehmung<br />
besteht für Sie die Möglichkeit, sich über diese Problematik zu<br />
informieren, damit Sie das Thema möglichst unverzerrt ansprechen<br />
können. Erklären Sie den Eltern, warum Sie dieses Thema mit ihnen<br />
besprechen. Was ist Ihre Motivation und welches sind Ihre Ziele?<br />
Was steckt dahinter? Geht es Ihnen um das Wohlbefinden des<br />
Schülers in der Klasse und die Steigerung der schulischen Motivation?<br />
Ihre Kompetenz als Lehrer<br />
Möglicherweise sehen die Eltern nicht den Lehrer, sondern den Sie sehen den Schüler<br />
Arzt als kompetenten Ansprechpartner für dieses Thema. und seine durch Übergewichthervorgerufe-<br />
Ihre Kompetenz für dieses gesundheitliche Thema wird angenenBeeinträchtigunzweifelt. Diesbezüglich können Sie sich in dem Kapitel Ursagen täglich. Darum ist<br />
chen von Übergewicht und Adipositas fachkundig machen. es wichtig, dass Sie<br />
Darüber hinaus sind Sie als Lehrer in einer besonderen Position.<br />
Sie sehen den Schüler und seine durch Übergewicht hervorgerufenen<br />
Beeinträchtigungen täglich.<br />
aktiv werden.<br />
Darum ist es wichtig, dass Sie aktiv werden. Viele Schulkinder<br />
nehmen die Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt nicht<br />
mehr wahr und viele Ärzte sprechen das Problem Übergewicht<br />
nicht an.
Die Position der Eltern<br />
Schuldgefühle:<br />
Es kann sein, dass die Eltern dem Gespräch negativ gegenüberstehen<br />
und sich mit Schuldzuweisungen konfrontiert oder in ihrer<br />
elterlichen Kompetenz angezweifelt sehen.<br />
„Ich fühle mich wie beim Beichten!“<br />
„Ist mein Kind nicht gut genug?“<br />
„Bin ich nicht gut genug?“<br />
Ablehnung:<br />
Eine grundsätzliche ablehnende Haltung der Eltern gegenüber der<br />
Schule als staatliche Behörde kann möglich sein. Das Gespräch<br />
wird als Bedrohung empfunden.<br />
Bildungsstand:<br />
Übergewicht und Adipositas liegen besonders häufig bei <strong>Kinder</strong>n<br />
aus bildungsfernen Schichten vor, sodass oft ein fehlendes Verständnis<br />
für diese Thematik vorliegt.<br />
Kultur:<br />
Ein kulturell bedingt anderes Verständnis von Übergewicht bzw.<br />
sprachliche Probleme können das Gespräch zusätzlich erschweren.<br />
Rat und Tat zu den oben genannten Problemen finden Sie vor<br />
allem in den Kapiteln Psychosoziale Folgen und Wahrnehmung von<br />
Übergewicht und Adipositas.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
71
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
72<br />
Allgemeine Beobachtungen zum Verhalten<br />
des Schülers im Vorfeld<br />
Eine gute Beobachtung im Vorfeld ist wichtig, sodass sich die<br />
Besprechung mit den Eltern nicht nur am Defizit oder Fehler orientiert,<br />
sondern ein umfassendes Gespräch zur aktuellen Situation<br />
des Kindes in der Schule möglich wird. Dazu können kleine Notizen<br />
über das Verhalten im Unterricht, in der Pause oder im Sportunterricht<br />
hilfreich sein. Schauen Sie gezielt auf die Stärken des<br />
Schülers und wie Sie diese zur Problemlösung nutzen können.<br />
Da viele Eindrücke nur subjektive Wahrnehmungen sind bzw. vielleicht<br />
auch nur in bestimmten Beziehungsgeflechten (Lehrer, Schüler,<br />
Klasse) auftreten, sollte auch eine Rücksprache mit anderen<br />
Kollegen erfolgen (siehe Kapitel Wahrnehmung). Es könnten ja<br />
wichtige Aspekte nicht wahrgenommen worden oder bei Ihnen<br />
noch nicht aufgetreten sein, die Kollegen beobachten konnten.<br />
Beobachtungsaspekte über den Betroffenen können sein:<br />
Positive Verhaltensweisen, z.B.: Er zeigt Mitgefühl, er ist hilfsbereit,<br />
hat eine freundliche Ausstrahlung, positive Aspekte zur schriftlichen<br />
Arbeit oder zur Beteiligung am Unterricht ...<br />
Negative Verhaltensweisen, z.B.: Stört im Unterricht, er ist häufig<br />
in Streit verwickelt, er ist träge, er macht im Sport nicht mit, er ist<br />
sehr zurückgezogen ...<br />
Warum ist dieses Verhalten aufgefallen?<br />
Wie oft ist dieses Verhalten aufgefallen?<br />
Was ist der Situation vorausgegangen?<br />
Welche Reaktionen erfolgten von der Umgebung?<br />
Wie war Ihre eigene Reaktion?<br />
Was sind die Motive für das Verhalten des Kindes?<br />
(Suche nach Aufmerksamkeit/Anerkennung)
Ansprechpartner und Hilfsangebote im Vorfeld suchen<br />
Ein Aspekt des Lehrer-Eltern-Gesprächs ist es, die Eltern auf ein<br />
bisher in seinem Ausmaß noch nicht wahrgenommenes Problem<br />
Übergewicht oder Adipositas bei ihrem Kind aufmerksam zu<br />
machen. Damit ist jedoch nur der erste Schritt getan.<br />
Ein aktiverer Lebensstil und eine Umstellung der Ernährung, beides<br />
ist in der Regel grundlegend nötig, sind schwer langfristig umzusetzen<br />
und benötigen eine nachhaltige Unterstützung. Nur mit der<br />
Unterstützung von Lehrern kann dieses geleistet werden.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Es ist notwendig, dass Sie sich über wohnortnahe Unterstützungs- > Checkliste für geeignete<br />
möglichkeiten informieren, auf die Sie verweisen können. Be- Therapieangebote:<br />
sonders günstig ist es, wenn Sie bereits auf ein funktionierendes<br />
Netzwerk (<strong>Kinder</strong>arzt, Krankenkassen, Beratungsstellen, Therapiemöglichkeiten)<br />
zurückgreifen können.<br />
www.bzga-kinderuebergewicht.de<br />
> Informationsbroschüren zur<br />
Zumindest sollten Sie aber ein paar konkrete Grundinformationen Ernährung:<br />
anbieten können, z.B. Ärzte, die von den Eltern nachfolgend auf- www.fke-shop.de<br />
gesucht werden können, Beratungsmöglichkeiten, z.B. schulärztlicher<br />
oder schulpsychologischer Dienst, Ernährungsberatung bei<br />
www.aid.de<br />
<strong>Gesundheit</strong>sämtern oder Krankenkassen, Informationsbroschüren > Elternbroschüre und allgemeine<br />
oder auch Sportangebote in Sportvereinen, Volkshochschulen oder Information:<br />
bei anderen Sportanbietern, die für das Kind in Frage kommen<br />
könnten.<br />
www.a-g-a.de<br />
73
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Modul Prima Klima:<br />
Begegnungen der anderen Art – Eltern<br />
und Lehrkräfte auf Entdeckungstour<br />
74<br />
><br />
Je genauer die Informationen sind, die Sie den Eltern mitgeben,<br />
desto wahrscheinlicher ist es, dass die Eltern auf das eine oder<br />
andere Beratungs- und Hilfsangebot zurückgreifen werden. Einige<br />
Kontaktadressen sind im Leitfaden am Rande aufgeführt. Diese<br />
ersetzen aber nicht die Auseinandersetzung mit Angeboten in Ihrer<br />
Umgebung.<br />
Organisation des Gesprächs<br />
Für ein gutes Gelingen sollten Sie sich vorher Gedanken zur Organisation<br />
und zum Rahmen des Gesprächs machen.<br />
Folgende Punkte können für Sie eine Hilfestellung sein:<br />
Vermeiden Sie „Tür-und-Angel-Gespräche“ kurz vor Unterrichtsbeginn<br />
oder direkt nach dem Schulunterricht. Vereinbaren Sie<br />
einen Termin mit den Eltern und bestimmen Sie dabei bereits einen<br />
gewissen Zeitrahmen.<br />
Schaffen Sie durch die Wahl eines geeigneten Raumes eine vertrauensvolle<br />
Atmosphäre. Das Gespräch sollte nicht im Lehrerzimmer<br />
stattfinden, in dem eventuell noch andere Lehrer im Raum<br />
sind, die zwangsläufig mithören.<br />
Auch die Sitzplatzsituation ist wesentlich. Ein gemeinsames Gespräch<br />
wird erschwert, wenn Sie als Lehrer hinter dem Schreibtisch<br />
sitzen und die Eltern auf der anderen Seite Platz nehmen müssen.<br />
Die Wahl eines geeigneten Raums, einer geeigneten Zeit und die<br />
Sitzplatzsituation während des Gesprächs beeinflussen den<br />
Gesprächsverlauf mehr, als man denkt.<br />
Überlegen Sie, ob das Gespräch nicht bei den Eltern zu Hause<br />
stattfinden kann.<br />
Klären Sie, ob der Schüler bei dem Gespräch anwesend sein sollte/möchte.
Die Gesprächsführung<br />
Für einen Gesprächserfolg sollten Sie sich im Vorfeld mit dem<br />
Thema Gesprächsführung auseinandersetzen. Nachfolgend sind<br />
die wichtigsten Kriterien auf Grundlage der professionellen<br />
Gesprächsführung zusammengefasst und bieten Ihnen eine Hilfestellung.<br />
Formulieren Sie klare Ziele für sich, die Sie im Gespräch erreichen<br />
wollen.<br />
Keinen zu hohen Druck aufbauen. Keine Anforderungen wie „Ich<br />
muss die Eltern perfekt beraten” an sich selbst stellen. Das<br />
Gespräch ist als Besprechung bzw. als „miteinander reden” zu<br />
sehen.<br />
Wichtig: Zuhören können, offen sein für das Gespräch. Die Eltern<br />
möchten keinen perfekten Rat und brauchen kein schlagfertiges<br />
„Bescheid wissen” seitens des Lehrers. Das Problem Übergewicht<br />
und Adipositas ist viel zu komplex, als dass es in einem Gespräch<br />
gelöst werden kann.<br />
Für ein gutes Gesprächsklima sorgen: Ich-Mitteilungen statt Sie-<br />
Verurteilungen, Gefühle mitteilen. Wichtig ist es, sich darüber im<br />
Klaren zu sein, dass das Gesagte die eigene subjektive Wahrnehmung<br />
ist, die ganz wesentlich von den eigenen Einstellungen<br />
abhängt. Sprechen Sie deshalb bewusst über die eigenen Eindrücke,<br />
pauschalieren Sie nicht und vermeiden Sie Aussagen, die<br />
als Schuldzuweisungen empfunden werden könnten.<br />
Versuchen Sie aktiv zuzuhören (reflektierendes Zuhören, einfühlendes<br />
Verstehen). Geben Sie regelmäßig ein Feedback, was Sie<br />
verstanden haben. Vermeiden Sie es, das Gefühl entstehen zu<br />
lassen, dass Sie die Eltern ausfragen.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
75
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
76<br />
Führen Sie das Gespräch dahin, dass miteinander Ziele und Maßnahmen<br />
festgelegt werden. Definieren Sie gemeinsam Standpunkte,<br />
setzen Sie Teil-Informationen zusammen. Achten Sie darauf,<br />
dass auch Lösungswege festgehalten werden. Es wird als erster<br />
Schritt ein Termin bei einem <strong>Kinder</strong>arzt vereinbart, in einem zweiten<br />
Schritt wird gemeinsam nach einem zusätzlichen Sportangebot<br />
für den Schüler gesucht ...<br />
Setzen Sie sich dafür ein, dass die gefundenen Lösungen auch<br />
umgesetzt werden können. Fragen Sie nach, welche Schritte die<br />
Eltern alleine bewältigen können. Bieten Sie Hilfe an, soweit Ihnen<br />
das möglich und nötig erscheint.<br />
Holen Sie sich kurz- und mittelfristig ein Feedback, inwieweit die<br />
einzelnen Teilschritte auch umgesetzt wurden. Vereinbaren Sie ein<br />
Folgegespräch. Nur wenn Veränderungen erreicht werden können,<br />
ist das Gespräch erfolgreich und profitiert der Schüler.
Der Leitfaden für das Elterngespräch<br />
Einleitung und Hinführung im Elterngespräch<br />
Beschreibung der aktuellen Situation und des aktuellen Verhaltens<br />
des Schülers in der Schule (unter Berücksichtigung der allgemeinen<br />
Beobachtungen des Kindes im Vorfeld):<br />
Was kann er gut?<br />
Wie geht es dem Schüler in der Klasse?<br />
Wo gibt es tendenziell Probleme?<br />
Beschreibung des gesundheitlichen Problems:<br />
Das Kind erscheint übergewichtig!<br />
Aufzählung der beobachtbaren Auswirkungen und wahrgenommenen<br />
Probleme, die für den Schüler durch das Übergewicht im<br />
Rahmen der Schule entstehen:<br />
Einschränkungen im Schulalltag und Sportunterricht<br />
Störungen im Unterricht<br />
Hänseleien<br />
Haben die Eltern ähnliche Beobachtungen zu Hause gemacht?<br />
Welche Hypothesen haben die Eltern in Bezug auf die Entstehung<br />
des Übergewichts?<br />
Wurde das Problem Übergewicht gegenüber den Eltern bereits von<br />
anderen Stellen angesprochen (z.B. <strong>Kinder</strong>arzt)?<br />
Kennen die Eltern die Größe und das Gewicht ihres Kindes?<br />
Kennen die Eltern die Normalwerte, die ein Kind haben sollte?<br />
Berechnungshilfen und Gewichtskurven mit Angaben für Jungen<br />
und Mädchen finden Sie unter: www.was-wir-essen.de<br />
><br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
www.was-wir-essen.de<br />
77
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
78<br />
Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas<br />
auf das Kind<br />
Kurzinformation über das Gesamtproblem<br />
Ein kurzer Überblick über die Gesamtproblematik und die Häufigkeit,<br />
mit der Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />
auftritt, kann den Eltern zeigen, dass sie mit diesem Problem<br />
nicht alleine sind. In den Kapiteln Ursachen sowie Wahrnehmung<br />
bekommen Sie als Lehrer schnell und fundiert Hintergrundwissen<br />
zu der Erkrankung. Dieses Wissen können Sie im Gespräch an die<br />
Eltern weitergeben.<br />
Die sachliche Darstellung der möglichen Ursachen für Übergewicht<br />
kann die Eltern entlasten. Das Körpergewicht wird zu 50-70% von<br />
genetischen Faktoren bestimmt. Allerdings können 30-50% des<br />
Körpergewichts (Übergewichts) über das Verhalten beeinflusst<br />
werden. Dies ist als Chance für das Kind und die Eltern zu sehen.<br />
Die Chancen bestehen darin:<br />
Durch ein mehr an Bewegung und angemessenem/reduziertem<br />
Umgang mit Computer und Fernsehen das Problem Übergewicht<br />
deutlich reduzieren zu können.<br />
Durch ein gesundes und ausgewogenes Essen Hunger vermeiden<br />
zu können, ohne dabei an Gewicht zuzunehmen. Alternativen in<br />
der Ernährung sind möglich. Beratungsangebote und Hilfen hierzu<br />
gibt es und sind wichtig.<br />
Übergewicht und Adipositas sind ein großes Problem<br />
Stellen Sie in dem Gespräch die Wichtigkeit des Problems heraus.<br />
Übergewicht und Adipositas haben Auswirkungen auf viele Bereiche<br />
des Schülers. Auch hierzu finden Sie Argumente für ein<br />
sachliches Gespräch im Kapitel Ursachen und im Kapitel Psychosoziale<br />
Folgen.
Übergewicht kann zu verschiedenen Erkrankungen führen.<br />
Übergewicht hat häufig psychosoziale Auswirkungen und Ursachen.<br />
Übergewicht erschwert die Zukunftsperspektiven: Übergewichtige<br />
<strong>Kinder</strong> finden beispielsweise schwieriger eine Lehrstelle und einen<br />
Lebenspartner.<br />
Übergewichtige <strong>Kinder</strong> schätzen ihre Lebensqualität oft sehr<br />
schlecht ein.<br />
Ein Handeln ist dringend nötig. Versuchen Sie, die Eltern zum aktiven<br />
Handeln anzuregen. Das Kind benötigt die Unterstützung von<br />
allen Bezugspersonen, vor allem von den Eltern.<br />
Wie kann es weitergehen? Wie können Lösungswege<br />
entwickelt werden?<br />
Nachdem die grundlegenden Aspekte, die mit Übergewicht und<br />
Adipositas zusammenhängen, erläutert worden sind, sollen gemeinsam<br />
konkrete erste Lösungsschritte gesucht werden, die in<br />
der Zukunft helfen könnten.<br />
Versuchen Sie nicht, zu sehr eigene Vorstellungen und Vorschläge<br />
vorzubringen, sondern wirken Sie vor allem unterstützend. Die<br />
Eltern sollen soweit möglich eigene Handlungsschritte entwickeln.<br />
Die Ziele sollen realistisch und in kleine Teilschritte unterteilt sein,<br />
sodass sich Misserfolge nach Möglichkeit ausschließen lassen.<br />
Nachfolgend wollen wir Ihnen einige Vorschläge zur Änderung des<br />
Bewegungs- und Ernährungsverhaltens geben. Diese sollen Ihnen<br />
als Anregung dienen und können schrittweise im ersten Gespräch<br />
und in Folgegesprächen vereinbart werden. Der Umfang ist Ihnen<br />
selbstverständlich frei überlassen und muss situativ im Gespräch<br />
angepasst werden.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
79
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
80<br />
Erste Schritte zu mehr Bewegung<br />
Bewegung und Sport haben die entscheidende Bedeutung bei der<br />
Gewichtsstabilisierung oder Gewichtsabnahme. Die Bewegung soll<br />
aber auch als wohltuende, sinnvolle Schul- und Freizeitbeschäftigung<br />
erlebt werden und nicht nur zur Gewichtsabnahme dienen.<br />
Versuchen Sie, den Eltern klarzumachen, dass eine Teilnahme an<br />
Sportangeboten <strong>neue</strong> Möglichkeiten zur Freude, Selbstbestätigung<br />
und zum Erleben positiver Körpererfahrungen gibt.<br />
Besonders in der heutigen Zeit benötigen die Schüler ausreichend<br />
Bewegung. Körperliche Bewegung und schulische Erfolge sind<br />
unabdingbar miteinander verknüpft. Auch deswegen sollten die<br />
Eltern darauf achten, dass sich ihr Kind zu Hause regelmäßig<br />
bewegt.<br />
Der Sport bietet außerdem einen wichtigen Ausgleich zur<br />
Schule.<br />
Erkundigen Sie sich, welche Bewegungsangebote Ihre Schule<br />
anbietet und stellen Sie diese vor.<br />
Nutzen Sie die Erkenntnisse aus dem Handbuch die Bewegungsfreudige<br />
Schule aus dem Programm der guten gesunden Schule.<br />
Folgende Beispiele könnten im Gespräch mit den Eltern<br />
angesprochen werden:<br />
Welche Familienaktivitäten können die Eltern für die Familie auswählen,<br />
die von allen als gut und wohltuend (nicht nur sinnvoll,<br />
nötig) erlebt werden können (gemeinsame Radtouren, regelmäßige<br />
Ausflüge in das Schwimmbad)?<br />
Besteht die Möglichkeit, dass der Schüler zu Fuß zur Schule geht?<br />
Welchen Sport können sich die Eltern als regelmäßige körperliche<br />
Betätigung für ihr Kind vorstellen? Wie ist dieses Vorhaben<br />
umsetzbar? Wo gibt es einen passenden Verein oder Sportmöglichkeiten?<br />
Haben die Eltern Kontakte (über Freunde, Adressen)?<br />
Benötigen Sie Unterstützung?<br />
Wo könnten Probleme bei der Umsetzung auftreten?<br />
Fixieren Sie mögliche Schritte schriftlich gemeinsam mit den<br />
Eltern.
Erste Schritte zur Veränderung des Ernährungsverhaltens<br />
Gesundes Pausenbrot<br />
Ein Frühstück mit Weißbrot, Marmelade, Honig oder Nutella führt<br />
nur zur kurzzeitigen Sättigung. Danach wird der Schüler müde und<br />
hungrig und erleidet einen Leistungsabfall in der Schule. Folge: Der<br />
schulische Erfolg wird erschwert. Sprechen Sie das Thema gesundes<br />
Pausenbrot an und nennen Sie ein paar Beispiele für gesunde<br />
Pausenmahlzeiten (Apfelstücke, Gurkenscheiben, Vollkornbrot mit ><br />
Käse ...).<br />
Gesunde Ernährung kann gelernt werden<br />
An Obst und Gemüse kann man sich gewöhnen, wenn die Eltern<br />
dies auch vorleben. Ermuntern Sie die Eltern dazu, ihren <strong>Kinder</strong>n<br />
immer wieder Obst oder Gemüse anzubieten oder mit ihnen<br />
gemeinsam leckere Rezepte auszuprobieren.<br />
Genuss braucht Zeit<br />
Gemeinsame Essenszeiten in der Familie sind wichtig und sollten<br />
nicht vor dem Fernseher stattfinden. Vielleicht können die Eltern<br />
gemeinsame fernsehfreie Essenszeiten einplanen. Finden Sie<br />
gemeinsam mit dem Schüler und seinen Eltern die vorhandenen<br />
Ressourcen in der Familie. Werden Sie zum Schatzsucher und zeigen<br />
Sie auf, welche Möglichkeit in dem Elternhaus vorhanden ist.<br />
Methodische Unterstützung als Schatzsucher finden Sie in dem ><br />
Handbuch Die Schatzsuche.<br />
><br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Was tut Ihre Schule bereits dafür?<br />
Die Schule als Institution, in der sich<br />
das Kind mindestens genauso lange<br />
aufhält wie zu Hause, trägt Verantwortung<br />
für die Prävention von Adipositas.<br />
Schauen Sie in das Modul Prima Klima:<br />
Mit Freunden essen, mit Freude<br />
Empfehlungen zum gesunden<br />
Pausenbrot finden Sie unter:<br />
www.fke-shop.de<br />
www.aid.de<br />
Modul Die Schatzsuche:<br />
www.anschub.de<br />
81
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Informationsmaterialien:<br />
www.a-g-a.de<br />
www.fke-shop.de<br />
www.aid.de<br />
82<br />
><br />
Werbung beeinflusst das Essverhalten<br />
Werbung im Fernsehen beeinflusst deutlich das Ernährungsverhalten.<br />
Dadurch wird häufig zu viel und ungesund gegessen. Ein kritischer/sparsamer<br />
Umgang mit dem Fernsehen ist nicht nur für<br />
gute schulische Leistungen des Kindes, sondern auch zur Vermeidung<br />
von Übergewicht und Adipositas wichtig. Vielleicht können<br />
Veränderungen in diesem Bereich eingeplant werden?<br />
Halten Sie gemeinsam Änderungsansätze zu mehr Bewegung und<br />
zur Änderung des Ernährungsverhaltens schriftlich fest.<br />
Unterstützung von außen ist möglich<br />
Die Veränderungen in der Familie sollen in kleinen Schritten erfolgen.<br />
Sie müssen aber meist grundlegend sein und langfristig beibehalten<br />
werden. Dazu sind einzelne Gespräche mit dem Lehrer<br />
nicht ausreichend, sondern es bedarf zusätzlichen Informationsmaterials<br />
und Unterstützung von außen:<br />
Informationsmaterial zum Thema Übergewicht, Adipositas und<br />
gesunde Ernährung.<br />
Konkrete Adressen und Ansprechpartner: <strong>Kinder</strong>ärzte, Krankenkassen.<br />
Allgemeine Ansätze: Vereine, Freizeitsportangebote. Wann finden<br />
die Angebote statt? Wer ist Ansprechpartner?<br />
Gezielte Ansätze: Gibt es spezielle Ernährungsberatungsangebote<br />
am Ort oder besondere Sportangebote für übergewichtige <strong>Kinder</strong>,<br />
eventuell auch Kontaktadressen für spezielle Programme für übergewichtige<br />
<strong>Kinder</strong>?
Ziele vereinbaren – Festhalten konkreter<br />
Handlungsschritte<br />
Fassen Sie abschließend die Inhalte des Gesprächs gemeinsam mit<br />
den Eltern zusammen. Notieren Sie stichpunktartig die verschiedenen<br />
Teilschritte, sodass die Eltern und Sie einen Leitfaden über das<br />
weitere Vorgehen haben.<br />
Welche Schritte können die Eltern verändern?<br />
Welche Beratungsangebote werden in Erwägung gezogen?<br />
Welche zusätzlichen Maßnahmen werden innerhalb der Familie als<br />
realistisch angesehen?<br />
Wann sollte ein erneuter kurzer Austausch stattfinden?<br />
Versuchen Sie, einen runden Abschluss des Gespräches zu finden<br />
und bestärken Sie die Eltern positiv im geplanten gesundheitsförderlichen<br />
Verhalten.<br />
Möchten Sie sich diesem Thema intensiver widmen? Suchen Sie ><br />
einen fachlichen Austausch mit anderen Kollegen? Fehlt Ihnen der<br />
Dialog mit den <strong>Gesundheit</strong>sfachberufen? Über die Adresse der<br />
Adipositas Akademie können Sie sich weiterführend informieren.<br />
GESPRÄCHSLEITFADEN<br />
Adipositas Akademie Freiburg<br />
Badischer Sportbund Freiburg e. V.<br />
Herr Jens Scheuer<br />
Wirthstraße 7, 79110 Freiburg<br />
Telefon 0761 15246-18<br />
Telefax 0761 15246-31<br />
E-Mail: j.scheuer@bsb-freiburg.de<br />
83
LITERATUR<br />
84<br />
EINLEITUNG<br />
[1] Rose G: The strategy of preventive medicine. Oxford: Oxford Medical<br />
Publications, Oxford University Press, 1993.<br />
[2] WHO: Obesity. Preventing and managing a global epidemic. Report<br />
of a WHO Consultation. WHO Technical Report Series 2000; 894,<br />
WHO, Geneva.<br />
[3] Canning H, Mayer J. Obesity: Its possible effect on college acceptance;<br />
NEJM 1966; 275: 1172-1174<br />
[4] Canning H, Mayer J. Obesity:An influence on high school performance?<br />
Am J Clin Nutr 1967, 20: 352-354<br />
[5] Blättner B.: Unter welchen Bedingungen haben Adipositasprogramme<br />
für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche Chancen auf Erfolg? Kongress Wolfsburg<br />
09.12.2005<br />
[6] Müller M.: Prävention und Therapie von Übergewicht in Kindes- und<br />
Jugendalter. Dt. Ärzteblatt; 10.02.2006; Jg. 103; Heft 6: C277-C282
URSACHEN<br />
LITERATUR<br />
[1] Bravata DM, Sanders L, Huang J, Krumholz HM, Olkin I, Gardner CD [11] Neel JV, Weder AB, Julius S. Type II diabetes, essential hypertension,<br />
et al. Efficacy and safety of low-carbohydrate diets: a systematic and obesity as "syndromes of impaired genetic homeostasis": the<br />
review. JAMA 2003; 289(14):1837-1850.<br />
"thrifty genotype" hypothesis enters the 21st century. Perspect Biol<br />
Med 1998; 42(1):44-74.<br />
[2] Goran MI, Carpenter WH, McGloin A, Johnson R, Hardin JM, Weinsier<br />
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Am J Physiol 1995; 268(5 Pt 1):E917-E924.<br />
ting and managing the global epidemic. 894. 2000. WHO Report of<br />
a WHO Consulting.<br />
[3] Hauner H, Berg A. Körperliche Bewegung zur Prävention und<br />
Behandlung der Adipositas. Deutsches Ärzteblatt 2000;(12):602- [13] Dietz WH. Overweight in childhood and adolescence. N Engl J Med<br />
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