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Schwere Zeiten ... neue Wege ... - Kinder-Umwelt-Gesundheit

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<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ...<br />

Gemeinsam aktiv für die Prävention<br />

von Übergewicht und Adipositas in der Schule


<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ...<br />

Gemeinsam aktiv für die Prävention<br />

von Übergewicht und Adipositas in der Schule


VOR


WORT<br />

Aktuelle Studienergebnisse verdeutlichen eine Zunahme von vermeidbaren chronischen<br />

Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck und<br />

Fettstoffwechselstörungen waren noch vor wenigen Jahren überwiegend Erkrankungen des<br />

Erwachsenenalters. Durch die Zunahme von Übergewicht und Adipositas treten diese Erkrankungen<br />

mittlerweile bereits im Kindesalter auf. Spezialisten sprechen von „New Morbidities“<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />

Durch einen gesunden Lebensstil können diese Erkrankungen vermieden werden. Deshalb ist<br />

es wichtig, dass bereits in der Schule ein gesunder Lebensstil unterstützt wird. Die Erfahrung<br />

zeigt allerdings, dass eine reine Wissensvermittlung über Ernährung und Bewegung nicht ausreicht.<br />

Gefordert ist zusätzlich die Entwicklung von Strukturen, die <strong>Gesundheit</strong>sthemen in den<br />

Bildungskanon aufnehmen. Zudem müssen die Eltern in diesen Prozess integriert und unterstützt<br />

werden. Genauso wichtig wird langfristig die Einbindung der Wirtschaft sein, die durch<br />

Produktverkauf und Werbung das Verhalten der <strong>Kinder</strong> und Familien stark prägen.<br />

Das Handbuch <strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> … – Gemeinsam aktiv für die Prävention von<br />

Übergewicht und Adipositas in der Schule ist im Rahmen des Programms der guten gesunden<br />

Schule für Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen an Schulen entwickelt worden.<br />

Es werden sowohl Anregungen für die tägliche Arbeit mit betroffenen Schülern als auch viele<br />

Hinweise zur Prävention vermittelt. Den Ausgangspunkt für die Aufarbeitung des Themas bilden<br />

die pädagogischen Probleme, die im Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas in<br />

der Schule auftreten.<br />

Die AOK Berlin – Die <strong>Gesundheit</strong>skasse, die Bertelsmann Stiftung und die Senatsverwaltung<br />

für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Berlin unterstreichen mit diesem Handbuch die<br />

zentrale Stellung des gesamtgesellschaftlichen Ansatzes für eine bessere <strong>Gesundheit</strong> und Bildung<br />

unserer <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen in der Schule – einem wichtigen Ort ihrer Entwicklung.<br />

Dr. Brigitte Mohn<br />

Mitglied des Vorstandes der<br />

Bertelsmann Stiftung und Leiterin<br />

des Themenfeldes <strong>Gesundheit</strong><br />

Prof. Dr. Jürgen Zöllner<br />

Senator für Bildung,<br />

Wissenschaft und Forschung<br />

Berlin<br />

Rolf D. Müller<br />

Vorsitzender des Vorstandes<br />

der AOK Berlin<br />

– Die <strong>Gesundheit</strong>skasse


NHALT<br />

1. Einleitung<br />

2. Ursachen<br />

3. Psychosoziale Folgen<br />

4. Wahrnehmung<br />

5. Gesprächsleitfaden<br />

6. Literatur<br />

Diese Publikation verwendet vorwiegend die männliche Sprachform. Bei allen Personen<br />

und Funktionsbezeichnungen sind stets auch die weiblichen gemeint.<br />

| 08<br />

| 14<br />

| 44<br />

| 58<br />

| 68<br />

| 84


*Prävalenz:<br />

Epidemiologisches Maß zur Charakterisierung<br />

von Krankheitsgeschehen in<br />

einer Population: Bestand, Häufigkeit<br />

einer bestimmten Krankheit; Pschyrembel,<br />

Klinisches Wörterbuch, Walter de<br />

Gruyter.<br />

*Adipositas:<br />

Eine Adipositas liegt vor, wenn der Körperfettanteil<br />

an der Gesamtkörpermasse<br />

krankhaft erhöht ist. Der Körperfettanteil<br />

wird mit dem BMI = Body-Mass-<br />

Index (Körpergewicht in kg/Körpergröße<br />

in m 2 ) abgeschätzt; Definition der<br />

Arbeitsgemeinschaft Adipositas.<br />

8<br />

Übergewicht und Adipositas:<br />

Eine Herausforderung für die Schule<br />

EINLEITUNG<br />

Gegenwärtige Untersuchungen zeigen eine deutliche und stetige<br />

Zunahme der Prävalenz* von Übergewicht und Adipositas * in der<br />

Bevölkerung. Nach Angaben der WHO [4] sind über eine Milliarde<br />

Menschen weltweit übergewichtig und 300 Millionen Menschen<br />

adipös. Von dieser Zunahme sind sowohl Erwachsene als auch <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche betroffen.Adipositas und Übergewicht im Kindes-<br />

und Jugendalter sind eine erhebliche Belastung für die Betroffenen,<br />

die Familien und die Gesellschaft. In Anbetracht der<br />

begrenzten Wirksamkeit und der enormen Kosten der verschiedenen<br />

Therapieprogramme für die Betroffenen kommt der Prävention<br />

(Vorbeugung), gerichtet an alle <strong>Kinder</strong> und Jugendliche, eine hohe<br />

Bedeutung zu [1;2].


Nach einer aktuellen<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie<br />

sind 15% der<br />

<strong>Kinder</strong> zwischen<br />

drei und 17 Jahren<br />

übergewichtig,<br />

6% leiden sogar an<br />

Adipositas.<br />

Übergewicht und<br />

Adipositas führen<br />

zu erheblichen<br />

gesundheitlichen<br />

Belastungen und zu<br />

vielen psychischen<br />

und sozialen<br />

Schwierigkeiten.<br />

Die Zunahme der Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas und<br />

die damit verbundenen gesundheitlichen Schäden fordern nicht<br />

nur das <strong>Gesundheit</strong>ssystem, sondern stellen auch das Schulsystem<br />

vor bisher nicht gekannte Probleme. Nach aktuellen Ergebnissen ><br />

der <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie des Robert-Koch-Instituts<br />

sind 15% der <strong>Kinder</strong> zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig,<br />

6% leiden sogar an Adipositas.<br />

Die Anzahl der betroffenen Schüler nimmt in jeder Klasse zu und<br />

konfrontiert die Lehrerschaft mit schwierigen pädagogischen Problemen.<br />

Umgang mit Hänseleien und erschwerte Bedingungen im<br />

Sportunterricht sind nur zwei von vielen Beispielen.<br />

Folglich ist die Prävention von Übergewicht und Adipositas in der<br />

Schule sowohl im Sinne der Pädagogik als auch im Sinne der<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung dringend geboten. Nach dem Verständnis<br />

der guten gesunden Schule leistet die Lehrkraft auf diesem Weg><br />

einen Beitrag zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags,<br />

zu einem besseren Lern- und Lehrerfolg, zu einem besseren Schulklima<br />

und zu einer besseren Schulkultur. Das Handbuch <strong>Schwere</strong><br />

<strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... wird die Lehrerschaft bei dieser Aufgabe<br />

unterstützen.<br />

Was müssen Sie als Lehrer wissen?<br />

Wie kann Ihnen dieses Handbuch helfen?<br />

EINLEITUNG<br />

9<br />

<strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitsstudie<br />

www.kiggs.de<br />

die gute gesunde Schule<br />

www.anschub.de<br />

www.forumpraevention.de<br />

www.bertelsmannstiftung.de<br />

Übergewicht und Adipositas führen zu erheblichen gesundheitlichen<br />

Belastungen und zu vielen psychischen und sozialen<br />

Schwierigkeiten. Bereits bei Schulkindern können sich Folgeerkrankungen<br />

manifestieren, wie z.B. Diabetes mellitus (Typ II Diabetes),<br />

Bluthochdruck, Gelenkerkrankungen, Schlafapnoe* und psychi- *Schlafapnoe:<br />

sche Veränderungen. Die gesundheitlichen Einschränkungen der Atempausen im Schlaf, die zu einem<br />

Schüler führen zu Problemen im Schulalltag. Übergewichtige und<br />

adipöse Schüler sind schwieriger im Sportunterricht zu motivieren<br />

und zu integrieren. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit ist einge-<br />

chronischen Sauerstoffmangel führen.<br />

schränkt und durch Folgeerkrankungen treten tagsüber Müdigkeit, > mehr Information<br />

Gereiztheit und Konzentrationsmängel auf. Dies sind nur einige über Folgeerkrankungen unter:<br />

Beispiele. In dem Kapitel Ursachen werden Sie über die gesundheitlichen<br />

Belastungen und über die schulischen Konsequenzen<br />

informiert.<br />

www.a-g-a.de


EINLEITUNG<br />

Adipositas Akademie Freiburg<br />

Badischer Sportbund Freiburg e. V.<br />

E-Mail: j.scheuer@bsb-freiburg.de<br />

10<br />

><br />

Die psychosozialen Konsequenzen von Übergewicht und Adipositas<br />

werden in zahlreichen Studien gut belegt. Die Stigmatisierung<br />

von übergewichtigen Schülern ist lange bekannt. Der soziale und<br />

psychische Leidensdruck ist groß und kann eine Einschränkung der<br />

Lern- und Lehrergebnisse in der Schule hervorrufen. Adipöse Schüler<br />

haben größere Schwierigkeiten, einen Zugang zu einem höheren<br />

Bildungsabschluss zu bekommen – obwohl Übergewicht und<br />

Fettleibigkeit weder mit geringeren Lernfähigkeiten noch mit<br />

einem niedrigeren Wunsch, einen höheren Bildungsabschluss zu<br />

erreichen, korrelieren [3;4].<br />

Die Stereotypisierung und die Diskriminierung in der Schule sind<br />

mitverantwortlich für diesen Prozess. Diesen Teufelskreis können<br />

Sie in Ihrer Lehrerposition unterbrechen. In den Kapiteln Wahrnehmung<br />

und Psychosoziale Folgen finden Sie ausführliche Informationen<br />

über die Auswirkungen für Ihren Unterricht und entsprechende<br />

Handlungshilfen. In dem Gesprächsleitfaden finden Sie Anregungen<br />

für ein konstruktives Gespräch mit den Eltern der Betroffenen.<br />

Dieses Handbuch ist ein Baustein für ein umfangreicheres Konzept<br />

zur Adipositasprävention. Es besteht zusätzlich die Möglichkeit,<br />

sich in gezielten Fortbildungen im Bereich der Prävention<br />

und Therapie zu den Themen Übergewicht und Adipositas<br />

weiterzubilden.<br />

Eine interdisziplinäre Fortbildungs-Akademie für Lehrer, <strong>Kinder</strong>ärzte,<br />

Psychologen, Erzieher und Ernährungsfachleute<br />

ermöglicht erstmalig eine enge Kooperation zwischen der Prävention<br />

in der Schule und der Therapie im <strong>Gesundheit</strong>ssektor.<br />

Für eine nachhaltige und langfristige Bewältigung und Vorsorge<br />

der Adipositas ist diese Verknüpfung unerlässlich.<br />

Parallel zu der von der Schule ausgehenden Präventionsarbeit werden<br />

regionale Partner für Schulen in deren Nähe ermittelt. Diese<br />

Partner sind Anbieter oder Träger von <strong>Gesundheit</strong>sleistungen und<br />

werden die Schulen bei dieser Aufgabe langfristig unterstützen.


Prävention von<br />

Übergewicht und<br />

Adipositas brauchen<br />

Interventionen im<br />

vorschulischen,<br />

schulischen und<br />

außerschulischen<br />

Bereich, um langfristig<br />

erfolgreich<br />

zu sein.<br />

Das Potenzial des Lehrers<br />

Sie besitzen einen direkten Zugang zu der körperlichen und seelischen<br />

<strong>Gesundheit</strong> aller <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen in unserer Gesellschaft.<br />

In diesem Kontext sind Sie als Lehrer ein wichtiger Multiplikator<br />

von Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung. Ihre Schule ist<br />

somit ein Bestandteil des Präventionsmanagements. Das bedeutet,<br />

dass Prävention von Übergewicht und Adipositas Interventionen<br />

im vorschulischen, schulischen und außerschulischen Bereich brauchen,<br />

um langfristig erfolgreich zu sein.<br />

Nachhaltige Bemühungen dieser Art gibt es in unserer Gesellschaft<br />

bisher nicht. Viel mehr werden die Ressourcen für Therapie-Programme<br />

verwendet, von denen nach aktuellen Untersuchungen<br />

nur ein Bruchteil der Betroffenen profitiert und für die in wenigen<br />

Fällen eine langfristige Wirksamkeit nachgewiesen [4]. ist<br />

EINLEITUNG<br />

11


EINLEITUNG<br />

*Verhältnisprävention:<br />

Maßnahmen, die die Umgebung der<br />

Person mit einbeziehen. Umgebung ist<br />

dabei im weitesten Sinne zu verstehen.<br />

Darunter fällt die persönliche und<br />

berufliche <strong>Umwelt</strong>; Vorbeugung durch<br />

niedrigschwellige und flächendeckende<br />

Bereitstellung von Präventionsangeboten;<br />

Lehrbuch Sozialmedizin; Ralph<br />

Brennecke; 2004<br />

12<br />

Deswegen ist es umso wichtiger, in den Schulen, wo alle <strong>Kinder</strong><br />

erreicht werden, über die Krankheitsrelevanz von Übergewicht und<br />

Adipositas zu informieren, dort Handlungshilfen anzubieten und<br />

dort Unterstützungssysteme aufzubauen.<br />

Das Handbuch <strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> ... <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... versteht sich als Der Schulalltag ist<br />

Teilprogramm der pädagogischen Prävention und <strong>Gesundheit</strong>s- durch Adipositas<br />

förderung und ermöglicht die Integration gesundheitsbezogener deutlich schwieriger<br />

Inhalte zum Thema Übergewicht und Adipositas in den Schulalltag. geworden. Hier<br />

Dieser Schulalltag ist durch die Zunahme von Übergewicht und Adi- ist der Ansatzpunkt.<br />

positas deutlich schwieriger geworden. Hier ist der Ansatzpunkt fürHier<br />

setzen die<br />

Hilfestellungen und Maßnahmen für Verhältnisprävention *. Bisher Hilfestellungen an.<br />

wird in Deutschland Verhältnisprävention zur Vermeidung von<br />

Übergewicht und Adipositas nicht systematisch eingesetzt [5].


Der von der Schule ausgehende Präventionsansatz<br />

schließt eine Lücke:<br />

Schule und Lehrer werden zur Bewältigung des gesamtgesellschaftlichen<br />

Problems von Übergewicht in die Präventionsstrategie<br />

als unverzichtbare Partner gesehen und benötigt.<br />

Die Lehrer werden qualifiziert informiert und in professionellen<br />

Fortbildungen geschult.<br />

Die Schule wird zu einem Ort der Verhältnisprävention. Bei<br />

der Verhältnisprävention werden <strong>Gesundheit</strong>srisiken in der schulischen<br />

Welt thematisiert, vermindert oder im besten Fall beseitigt.<br />

Für den Lebensraum Schule bedeutet dieses für die Schüler:<br />

Die Entwicklung eines Bewusstseins für die eigene <strong>Gesundheit</strong><br />

und die Unterstützung bei der Befähigung zu einem gesunden<br />

Lebensstil.<br />

Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit Fachleuten aus Bildungswesen,<br />

Ernährungswissenschaft, Medizin, Pädagogik, Psychologie<br />

und Sportwissenschaft hat die Erstellung des Moduls mit seiner<br />

Expertise begleitet.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und viel Erfolg mit<br />

Ihrem Engagement:<br />

Mit <strong>Gesundheit</strong> gute Schule machen!<br />

EINLEITUNG<br />

13


Ursachen von Übergewicht und Adipositas<br />

URSACHEN<br />

*Ätiologie:<br />

Lehre von den Krankheitsursachen<br />

(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,<br />

Walter de Gruyter Verlag).<br />

*Epidemiologie:<br />

Ein Wissenschaftszweig, der sich mit<br />

der Verteilung von übertragbaren und<br />

nicht übertragbaren Krankheiten und<br />

deren Determinanten und Folgen in der<br />

Bevölkerung befasst.<br />

(Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch,<br />

Walter de Gruyter Verlag).<br />

14<br />

In diesem umfassenden Kapitel soll veranschaulicht werden,<br />

welche die zugrunde liegenden Ursachen für die Entstehung<br />

von Übergewicht und Adipositas sind.<br />

Dabei spielen die Ätiologie *, Epidemiologie*, Soziokultur, Ernährung,<br />

Bewegung sowie Besonderheiten bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

und Risikogruppen eine entscheidende Rolle. Sie fragen sich<br />

sicherlich, warum muss ich das wissen und was kann ich damit<br />

bewirken?<br />

Durch dieses Wissen werden Sie als Lehrer nicht nur fachkundig,<br />

sondern erhalten eine fundierte Grundlage für die Bewältigung des<br />

Problems in Ihrem Schulalltag. Sie können im Gespräch mit Ihren<br />

Schülern und deren Eltern dieses Wissen zum einen weitergeben<br />

und zum anderen ein Bewusstsein für die Brisanz der Erkrankung<br />

bei den Betroffenen bewirken. Dieses Hintergrundwissen ist die<br />

Basis in der Prävention von Übergewicht und Adipositas und somit<br />

ein entscheidender Schritt für einen besseren Unterricht mit gesunden<br />

<strong>Kinder</strong>n.


Eine Fehlbilanz von<br />

ca. 125 kJ/Tag<br />

(z.B. ein kleines<br />

Glas Coca-Cola, 0,2 l),<br />

oder 15 Minuten<br />

Fernsehen statt Bewegung<br />

führen zur<br />

Adipositas.<br />

Ätiologie der Adipositas<br />

Die Ursachen und die Krankheitsentstehung der Adipositas sind<br />

komplex und lassen sich nur durch das Zusammenwirken unterschiedlicher<br />

Ursachen erklären. Dies erfordert die Beleuchtung folgender<br />

Einflussfaktoren: erhöhte Energiezufuhr, genetische und<br />

daraus resultierende veränderte Stoffwechsellage (Metabolismus),<br />

Bewegungsmangel, soziale Herkunft mit prägendem Bewegungsund<br />

Ernährungsverhalten sowie andere <strong>Umwelt</strong>einflüsse.<br />

Grundsätzlich ist die Adipositas die Folge einer Energieimbalance.<br />

Das heißt, die Energieaufnahme übersteigt den Energieverbrauch<br />

über einen längeren Zeitraum hinweg, unabhängig welche Lebensmittel<br />

(Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß) zugeführt werden. So zeigen<br />

Untersuchungen, dass eine Fehlbilanz von 2%, dies sind ca. 125<br />

kJ/Tag (z.B. ein kleines Glas Coca-Cola, 0,2 l) oder 15 Minuten<br />

Fernsehen statt Bewegung zur Adipositas führen [1-5].<br />

Die Energiebilanz beschreibt auf der einen Seite die Nahrungszufuhr,<br />

auf der anderen Seite den Energieverbrauch des Organismus.<br />

Der Gesamtenergieumsatz setzt sich aus Grundumsatz, Thermogenese<br />

und körperlicher Aktivität zusammen. Unter Grundumsatz<br />

versteht man die Summe der Stoffwechsel-Aktivitäten der Organe<br />

und Gewebe des Körpers in Ruhe, welcher individuell bis zu 60%<br />

des gesamten Stoffwechsels betragen kann. Die Thermogenese<br />

kennzeichnet den Energieverbrauch durch Aufnahme,Verarbeitung<br />

und Speicherung der Nährstoffe und macht ca. 10% des Gesamtenergieumsatzes<br />

aus. Damit verbleiben für körperlichen Aktivität<br />

noch ca. 30%.<br />

Wenn mehr Energie aufgenommen als verbraucht wird, spricht<br />

man von einer positiven Energiebilanz. Ursache einer positiven<br />

Energiebilanz kann aber auch eine veränderte Stoffwechselaktivität<br />

sein, beeinflusst durch das vegetative (unwillkürliche) Nervensystem<br />

und biochemische Faktoren (z.B. Einfluss von Hormonen).<br />

Der Begriff metabolische Veranlagung oder auch metabolische<br />

Disposition beschreibt den genetisch bedingten, unterschiedlichen<br />

Stoffwechsel von Individuen. Sie betrifft sowohl den Energieverbrauch<br />

als auch die Fettverbrennung und die Insulinsensitivität<br />

(Ansprechen der Körperzellen auf das Hormon Insulin). Die<br />

Beziehung zwischen der stoffwechselbedingten Disposition und<br />

einer Gewichtszunahme ist gut belegt und trägt ebenso wie die<br />

Energiezufuhr und der Energieverbrauch zur Entstehung der Adipositas<br />

bei [6;7].<br />

URSACHEN<br />

15


URSACHEN<br />

*Leptinspiegel:<br />

Konzentration des Hormons Leptin im<br />

Blut.<br />

16<br />

Die Regulation des Körpergewichts steht in wechselseitiger Beziehung<br />

von Hunger und Sättigung. Diese beiden Größen werden von<br />

biologischen und psychosozialen Faktoren sowie der <strong>Umwelt</strong><br />

beeinflusst.<br />

Genetische Faktoren<br />

Erbliche Faktoren beeinflussen aus heutiger Sicht zahlreiche Funktionen:<br />

den Grundumsatz, die Körperzusammensetzung (Muskulatur,<br />

Fettgewebe, Bindegewebe, Knochen), die Appetitregulation,<br />

die Insulinsensitivität, den Leptinspiegel * sowie die körperliche<br />

Aktivität. Des Weiteren wird das individuelle Gewicht des Menschen<br />

über einen genetisch festgelegten Setpoint (Sollwert) in<br />

einem Regulationssystem gesteuert. Dieses zentrale Regulationssystem<br />

steuert den Körperfettanteil u.a. über das Hormon Leptin.<br />

Leptin wird in der Fettzelle gebildet und setzt bei Werten über<br />

UNTERSCHIEDLICHE SIGNALE BEEINFLUSSEN DIE VERARBEITUNG VON HUNGER UND SÄTTIGUNG<br />

Blutkreislauf<br />

Externe Faktoren<br />

Tageszeit, Geruch, Geschmack, optische Eindrücke<br />

Interne Faktoren<br />

unwillkürliches<br />

Nervensystem<br />

Signale für Energiereserven Hungersignale Sättigungsfaktoren<br />

Leptin (Fettgewebe) Ghrelin* (Magen) Signale aus dem Magen-Darm-<br />

Insulin (Bauchspeicheldrüse) Trakt und der Leber<br />

*Ghrelin:<br />

Ghrelin ist ein appetitanregendes Hormon,<br />

welches in der Magenschleimhaut<br />

produziert wird.<br />

Gehirn<br />

Abbildung modifiziert nach: S. Klaus, Deutsches Institut für Ernährungsforschung


oder unter dem individuell bestehenden Setpoint stoffwechselbedingte<br />

(z.B. Hunger- bzw. Sättigungsgefühl) oder verhaltensgesteuerte<br />

Prozesse in Gang (z.B. Nahrungssuche in Kühlschrank<br />

oder Vorratskammer).<br />

Darüber hinaus sind an der Regulation von Hunger und Sättigung<br />

außer genetischen Faktoren hochkomplexe Regelnetzwerke beteiligt.<br />

Neben der individuellen Kontrolle der Energiebilanz spielen<br />

äußere Einflüsse eine entscheidende Rolle. Das Schaubild (Unterschiedliche<br />

Signale beeinflussen die Verarbeitung von Hunger und<br />

Sättigung) soll die Komplexität der Verarbeitung von Hunger und<br />

Sättigung darstellen. Es ist anzumerken, dass das komplexe<br />

System der Appetitregulation noch nicht vollständig aufgeklärt<br />

worden ist.<br />

Neueste Ergebnisse aus der Zwillings-, Adoptions- und Familienforschung<br />

deuten auf einen Anteil genetischer Faktoren an der Entstehung<br />

der Adipositas von 60 bis 80% [8;9]. hin Gestützt wird<br />

dieser Sachverhalt durch die Tatsache, dass bis zu 80% der Schulkinder<br />

im Alter von elf bis 14 Jahren, bei denen ein oder zwei<br />

Elternteile adipös sind, selbst übergewichtig werden [9]. Somit<br />

stellt das Gespräch mit den Eltern übergewichtiger und adipöser<br />

Schulkinder eine ernst zu nehmende pädagogische Aufgabe dar.<br />

Genetische Faktoren haben unbestritten einen Einfluss auf die<br />

Entstehung von Übergewicht und Adipositas, allerdings wird nicht<br />

das Krankheitsbild an sich vererbt, sondern nur die Veranlagung.<br />

Die heutige genetische Ausstattung des Menschen ist mit der<br />

Möglichkeit der Fettspeicherung für ein Leben in der Wildnis konzipiert.<br />

Im Sinne dieser thrifty genes (Sparsamkeits-Gene) sind wir<br />

nicht für die Überflussgesellschaft geeignet, die neben übermäßigem<br />

Nahrungsangebot zusätzlich durch Bewegungsmangel<br />

gekennzeichnet ist. Intensive körperliche Aktivität war für Jäger<br />

und Sammler aus evolutionsbiologischer Sicht bei der Nahrungssuche<br />

unerlässlich [10;11].<br />

Wer in guten <strong>Zeiten</strong> nicht genügend Fett speichern konnte, verhungerte<br />

in Notzeiten. In diesem Kontext wird außer thrifty genes<br />

auch der Begriff susceptibility genes (beeinflussbare Gene) verwendet.<br />

Körperlich inaktive Menschen verbrennen nicht genügend<br />

Nährstoffe und produzieren nicht ausreichend günstige Eiweiße.<br />

Zu diesen günstigen Eiweißen gehören z. B. Lipoproteine, die für<br />

den Fetttransport aus dem Blut in die Zellen verantwortlich sind.<br />

Die günstigen Eiweiße verhindern Herz-Kreislauf-Fehlfunktionen<br />

(z.B. Bluthochdruck und Gefäßerkrankungen, die zum Herzinfarkt<br />

und Schlaganfall führen). Die ausreichende Produktion dieser<br />

Eiweiße ist vom Ausmaß der täglichen Bewegung abhängig [10].<br />

URSACHEN<br />

17


URSACHEN<br />

Modul<br />

Die bewegungsfreudige Schule<br />

www.anschub.de<br />

18<br />

><br />

Was bedeuten diese Ursachen für Sie als Lehrer?<br />

Wie kann Schule die Ursachen beeinflussen?<br />

Etwa 30% der Einflussgrößen auf das Körpergewicht sind auf<br />

<strong>Umwelt</strong>faktoren zurückzuführen, wobei unsere adipogene <strong>Umwelt</strong><br />

– d. h. überall verfügbare Essensangebote, bewegungsarme Freizeitgestaltung,<br />

Transport mit Schulbus und Auto – zur weiteren<br />

Ausprägung der Adipositas führt. Hier liegen die Einflussmöglichkeiten<br />

der Lehrer und der Schule.<br />

Die Schule wird, gerade im Hinblick auf die Ganztagsschule,<br />

einen immer größeren Anteil an den Lebenswelten (<strong>Umwelt</strong>faktoren)<br />

von Schulkindern einnehmen. Somit wird sie im<br />

Bereich der Schülergesundheit eine zentrale Rolle erhalten<br />

bzw. sich mit gesundheitlichen Einschränkungen im Schulalltag<br />

beschäftigen müssen. Prävention und <strong>Gesundheit</strong>sförderung<br />

sollten daher durch das Programm der guten gesunden Schule<br />

etabliert werden.<br />

Dazu gehören z. B. das Konzept der bewegungsfreudigen Schule<br />

mit ausreichenden Bewegungsangeboten und Bewegungsmöglichkeiten<br />

innerhalb des Schulalltags und der Freizeit (AGs,<br />

offene Sportflächen, Kooperation Schule-Verein) und die theoretische,<br />

aber auch praktische (z. B. Schulkantine) Vermittlung<br />

einer gesunden Ernährungsweise an Schüler und Eltern.<br />

Mit dem Programm der guten gesunden Schule werden sowohl<br />

die Lernleistungen als auch die <strong>Gesundheit</strong> in der Schule positiv<br />

unterstützt.<br />

Die Schule kann im Bereich der Ernährung über Kiosk, Pausenverpflegung,<br />

Getränkeautomaten, Mittagsverpflegung oder<br />

auch gemeinsame Mahlzeiten von Lehrern und Schülern ihren<br />

positiven Einfluss geltend machen und im Bewegungsbereich<br />

Förderarbeit leisten. Lehrern kommt in diesem Prozess eine<br />

wichtige Modellfunktion zu.<br />

Etwa 30% der Einflussgrößen<br />

auf das<br />

Körpergewicht sind<br />

auf <strong>Umwelt</strong>faktoren<br />

zurückzuführen.<br />

Hier liegen die Einflussmöglichkeiten<br />

der<br />

Lehrer und der Schule.


Motivierte Lehrer, die über Basiswissen zu Übergewicht und<br />

Adipositas verfügen und mögliche Maßnahmen zu Veränderungen<br />

des Lebensstils kennen, können betroffenen Schulkindern und<br />

ihren Eltern entscheidende Hilfestellungen geben.<br />

Das Problem des Übergewichts sollte dabei direkt angesprochen<br />

und individuelle Lösungen gesucht werden. Der Gesprächsleitfaden<br />

in diesem Handbuch kann Ihnen diesbezüglich konkrete<br />

Vorschläge anbieten. Gegenseitige Achtung im Umgang miteinander<br />

steht im Mittelpunkt bei der Arbeit im Klassenverband. Es sollten<br />

Regeln zur Vermeidung von Mobbing, Hänseleien und Aggressivität<br />

aufgestellt werden. Das Modul Prima Klima kann Ihnen bei ><br />

dieser Umsetzung helfen.<br />

URSACHEN<br />

Modul Prima Klima<br />

www.anschub.de<br />

19


URSACHEN<br />

Body Mass Index,gemessen als Körpergewicht<br />

in kg dividiert durch die Körpergröße<br />

in m zum Quadrat<br />

BMI =<br />

kg<br />

m 2<br />

20<br />

><br />

Epidemiologie – Trends der Adipositas<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht bei der Adipositas<br />

von einer globalen Epidemie aus und erklärte diese, aufgrund der<br />

damit verbundenen <strong>Gesundheit</strong>srisiken, zu einer der bedeutendsten<br />

gesundheitspolitischen Herausforderungen im Rahmen der allgemeinen<br />

<strong>Gesundheit</strong>sförderung [12].<br />

In den USA existieren durch die wiederholt durchgeführten, lanÜbergewicht<br />

ist<br />

desweiten <strong>Gesundheit</strong>s- und Ernährungsstudien flächendeckende kein kosmetisches<br />

Daten zur körperlichen Entwicklung der Bevölkerung einschließlichProblem,<br />

sondern<br />

der Entwicklung von Schulkindern und Jugendlichen im Alter zwiein<br />

ernsthaftes<br />

schen sechs und 17 Jahren [13-15]. Die Untersuchungen zeigen, <strong>Gesundheit</strong>sproblem.<br />

dass es seit 1980 zu einer massiven Zunahme der Adipositas<br />

gekommen ist [16]. Mit Zunahme des Übergewichts können sich<br />

bereits bei <strong>Kinder</strong>n frühzeitig Krankheiten wie Bluthochdruck,<br />

Diabetes Typ II und Fettstoffwechselstörungen entwickeln [17].<br />

Übergewicht ist deshalb kein kosmetisches Problem, sondern ein<br />

ernsthaftes <strong>Gesundheit</strong>sproblem.<br />

In der Öffentlichkeit diskutierte Prävalenzzahlen (z.B. jedes vierte<br />

oder fünfte Kind ist übergewichtig …) müssen kritisch hinterfragt<br />

werden, da oftmals unklar ist, anhand welcher Definition diese<br />

Aussage getroffen bzw. welche Gruppe von <strong>Kinder</strong>n betrachtet<br />

wurde.<br />

Deshalb wurde im Jahre 2001 von der Arbeitsgemeinschaft<br />

Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) eine einheitliche<br />

Definition von Übergewicht und Adipositas im Kindes- und<br />

Jugendalter in Deutschland auf der Basis einer Referenzstichprobe<br />

erarbeitet [18].<br />

Die Referenzwerte werden in Form von Perzentilkurven auf der<br />

Basis des BMI dargestellt. Der Perzentilwert trifft eine Aussage<br />

über die relative Position einer Person innerhalb einer Gruppe.<br />

Befindet sich ein Kind mit seinem BMI auf der 97. Perzentile, so<br />

bedeutet dies, dass 97% der <strong>Kinder</strong> seines Geschlechtes und<br />

Alters leichter und nur 3% schwerer sind. Dieses Kind ist<br />

schwerer als die Mehrheit der <strong>Kinder</strong> in seinem Alter. Die BMI-<br />

Perzentilen erlauben einen geschlechts- und altersadaptierten<br />

Vergleich mit einer Referenzgruppe.


Die AGA empfiehlt in ihren Leitlinien die Verwendung des 90. bis><br />

97. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentils für die Definition<br />

von Übergewicht sowie die Verwendung des 97. Perzentils und<br />

darüber zur Definition von Adipositas.<br />

Ergebnisse des <strong>Kinder</strong>- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des ><br />

Robert-Koch-Instituts (RKI) von 2003-2006 zeigen, dass nach der<br />

oben genannten Definition 15% der drei bis 17-jährigen <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendlichen übergewichtig sind, von diesen Übergewichtigen<br />

sind 6,3% adipös.<br />

Darüber hinaus bieten schulärztliche Untersuchungen die Möglichkeit,<br />

langfristige Entwicklungen hinsichtlich Übergewicht und Adipositas<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aufzuzeigen. Die Häufigkeiten<br />

von Übergewicht und Adipositas, die (meistens) im Rahmen<br />

derartiger Untersuchungen in verschiedenen Regionen Deutschlands<br />

bestimmt wurden, sind in Tabelle 1 aufgeführt.<br />

1 Datenzusammenstellung durch das Bayerische Landesamt für <strong>Gesundheit</strong><br />

und Lebensmittelsicherheit, Kuhn J. (2005)<br />

2 BMI > P90<br />

3 BMI > P97 (Referenz: BMI-Perzentilen für deutsche <strong>Kinder</strong>, AGA)<br />

4 Niedersachsen: Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (Hrsg.):<br />

Übergewicht bei Schulanfängern, Hannover 2004<br />

5 Berlin: Senatsverwaltung für <strong>Gesundheit</strong>, Soziales und Verbraucherschutz (Hrsg.):<br />

Zur gesundheitlichen Lage von <strong>Kinder</strong>n in Berlin, Spezialbericht 2003<br />

www.a-g-a.de<br />

www.kiggs.de<br />

Tab. 1: Prävalenz von Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

aus verschiedenen Regionen Deutschlands 1<br />

Ort/Jahr Mädchen Mädchen Jungen Jungen<br />

Übergewicht2 (%) Adipositas3 (%) Übergewicht2 (%) Adipositas3 (%)<br />

Schulanfänger<br />

Bayern 2003/04 9,2 3,7 9,3 4,1<br />

Brandenburg 2003/04 11,4 4,9 12,2 5,8<br />

Hessen 2003/04<br />

Mecklenburg-<br />

11,0 4,6 11,5 4,8<br />

Vorpommern 2003/04 11,8 5,3 14,7 8,3<br />

Niedersachsen 20034 11,5 5,1 10,4 4,6<br />

NRW 2003<br />

Schleswig-<br />

10,9 4,4 11,0 4,9<br />

Holstein 2003/04 10,7 4,2 9,9 4,5<br />

Berlin 20015 Jungen + Mädchen: BMI > P90: 11,7 BMI > P97: 5,0<br />

URSACHEN<br />

21


Es zeigt sich, dass zwischen den Altersklassen und Regionen<br />

Deutschlands deutliche Unterschiede auftreten. In den meisten<br />

Untersuchungen liegt sowohl die Prävalenz des Übergewichtes als<br />

auch Adipositas über den Erwartungswerten, welche von der<br />

Referenzverteilung abgeleitet werden können (Übergewicht: 10%;<br />

Adipositas: 3%).<br />

Die Daten von KiGGS zeigen, dass in älteren Altersgruppen eine Dem Grundschulalter<br />

hohe Übergewichts- und Adipositasprävalenz feststellbar ist. Dar- kommt im Hinblick<br />

über hinaus findet man im Grundschulalter (7-10 Jahre) deutlich auf die Gewichtsent-<br />

höhere Prävalenzzahlen für Übergewicht und Adipositas als imwicklung<br />

eine beson-<br />

Vorschulalter (3-6 Jahre). Letzteres deutet darauf hin, dass demdere<br />

Bedeutung zu.<br />

Grundschulalter im Hinblick auf die Gewichtsentwicklung eine<br />

besondere Bedeutung zukommt. In allen Altersklassen weisen <strong>Kinder</strong><br />

und Jugendliche aus sozial niedrigen Schichten (sozioökonomischer<br />

Status) im Vergleich zu Mittel- und Oberschichten eine höhere<br />

Übergewichts- und Adipositasprävalenz auf, siehe Tabelle 2.<br />

Tab. 2: Prävalenz von Übergewicht* und Adipositas** bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen aus dem KiGGS<br />

Verteilung von Übergewicht Verteilung von Adipositas erteilung V von Adipositas bei Jungen und Mädchen<br />

Altersgruppe bezogen auf das Geschlecht bezogen auf das Geschlecht bezogen auf den Sozialstatus<br />

(Jahre) Jungen (%) Mädchen (%) Jungen (%) Mädchen (%) niedrig (%) mittel (%) hoch (%)<br />

3 bis 6 8,9 9,3 2,5 3,3 4,4 3,0 1,3<br />

7 bis 10 16,0 15,0 7,0 5,7 9,8 6,3 3,0<br />

11 bis 13 18,0 19,0 7,0 7,3 12,0 5,9 3,6<br />

14 bis 17 17,0 17,0 8,2 8,9 14,0 7,5 5,2<br />

* BMI > P90<br />

** BMI > P97<br />

(Referenz: BMI-Perzentilen für<br />

deutsche <strong>Kinder</strong>, AGA)<br />

URSACHEN<br />

<strong>Gesundheit</strong>sberichterstattung Berlin<br />

www.berlin.de/sen/gsv<br />

22<br />

><br />

Untersuchungen, welche wiederholt innerhalb einer Region durchgeführt<br />

wurden, bestätigen, dass ein Anstieg der Übergewichtsund<br />

Adipositashäufigkeit bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen in<br />

Deutschland zu beobachten ist.<br />

In Berlin-Mitte erhobene Werte gehen von 20-30% übergewichtigen<br />

und adipösen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen (Bericht zur gesundheitlichen<br />

und sozialen Lage von <strong>Kinder</strong>n in Berlin, 2006) aus.<br />

Dem hohen Anteil an niedrigen sozioökonomischen Schichten<br />

(38,9%), der erwarten ließ, dass die Anzahl an übergewichtigen<br />

Schüler/-innen höher sein könnte, wird mit einem hohen Betreu-


ungsumfang und einem dadurch resultierenden besseren Sozialklima<br />

begegnet. An diesen Schulen werden viele Maßnahmen zur<br />

Förderung der <strong>Gesundheit</strong> durchgeführt. Die langfristigen Auswirkungen<br />

bleiben abzuwarten.<br />

Was bedeutet die Erfassung von epidemiologischen<br />

Daten für die Schule?<br />

Festzuhalten bleibt, dass den schulärztlichen Untersuchungen<br />

weiterhin eine besondere Bedeutung zukommt, da über diese in<br />

Kooperation mit den Lehrern Befunde weitergegeben oder Risikokinder<br />

frühzeitig identifiziert werden können. Familiäre<br />

Ressourcen können auch von den betreuenden Lehrern beurteilt<br />

werden. Darüber hinaus kann sich der Lehrer aufgrund seiner<br />

Beziehung zum Schüler motivierend bezüglich der Teilnahme an<br />

Schuluntersuchungen einschalten.<br />

Soziokulturelle Faktoren<br />

Faktoren wie Einkommen, Erziehung, Bildung und soziale Herkunft<br />

spielen eine wichtige Rolle für die Entstehung von Übergewicht<br />

und Adipositas. Die soziale Schicht ist ein Prädiktor (Voraussagewert)<br />

für die Gewichtsentwicklung [19;20]. Ein niedriges Einkommen<br />

wird eher mit Übergewicht assoziiert als ein höheres Einkommen.<br />

Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung wird von<br />

einem segmentalen Problem gesprochen. Vor allem sozial Benachteiligte,<br />

Migranten und <strong>Kinder</strong> von alleinerziehenden Eltern<br />

oder von Eltern mit niedrigem Bildungsstand werden als Risikogruppen<br />

angesehen [21].<br />

Begründet wird der schichtbezogene Zusammenhang damit, dass ><br />

höhere Schichten eher durch das Wissen und ihre Umsetzungsmöglichkeiten<br />

zu einem kontrollierten Essverhalten in der Lage<br />

sind. Es wird ebenfalls angenommen, dass finanzielle Mittel<br />

sowohl bei der Ernährung als auch bei der Freizeitgestaltung eine<br />

entscheidende Rolle spielen. So könnten die höheren Kosten für<br />

eine frische, gesunde Ernährung, Sportausrüstung, Mitgliedsgebühren<br />

in Sportvereinen etc., aber auch der Zeitaufwand für<br />

Essenszubereitung ein Hindernis für niedrige Schichten darstellen.<br />

Die Erziehung übergewichtiger Schulkinder weist oftmals eine einseitige<br />

Grundhaltung auf, welche von einer übertriebenen Behütung<br />

oder Vernachlässigung geprägt ist [22].<br />

URSACHEN<br />

23<br />

www.health-inequalities.eu


URSACHEN<br />

24<br />

Kann die Schule zur Bewältigung dieser<br />

Probleme Weichen stellen?<br />

Ja, sie kann! Es ist nachgewiesen, dass sich das Adipositasrisiko<br />

um ein Mehrfaches erhöht, wenn die <strong>Kinder</strong> von ihren Eltern<br />

wenig unterstützt oder vernachlässigt werden [20]. Dies steht<br />

wiederum im Zusammenhang mit der steigenden Zahl Alleinerziehender<br />

oder Familien, in denen beide Elternteile berufstätig<br />

sind, und somit Zeitmangel oft zu einer Vernachlässigung<br />

der <strong>Kinder</strong> führt. Bisweilen sehen Lehrer die <strong>Kinder</strong> im Tagesverlauf<br />

länger als die eigenen Eltern.<br />

Damit erhalten Schule und Lehrer einen sich verändernden,<br />

<strong>neue</strong>n Erziehungsauftrag, besonders innerhalb der Ganztagsschule.<br />

Da sich die Schüler länger in der Schule als zu Hause<br />

bei ihren Eltern aufhalten, haben Lehrer hier eine Schlüsselfunktion.<br />

Ernährung<br />

Die Aufnahme von energiereichen Lebensmitteln, Fast-Food-Produkten<br />

sowie falsche und einseitige Ernährungsgewohnheiten<br />

kennzeichnen unsere heutige Gesellschaft. Bekannt ist, dass<br />

Süßes und Fett den Geschmack ausmachen und damit die Energieaufnahme<br />

erhöhen können.<br />

Zwar ist der Kaloriengehalt der durchschnittlich verbrauchten Nahrung<br />

in den letzten hundert Jahren um 1000 Kalorien gesunken,<br />

die Adipositashäufigkeit hat jedoch zugenommen [23]. Neben<br />

der verminderten körperlichen Aktivität liegt dies an der Verschiebung<br />

der Ernährungszusammensetzung. Studien bestätigen den<br />

Zusammenhang von Übergewicht und dem Verzehr von zu viel<br />

einfachen Kohlenhydraten (wie Zucker, Weißmehl etc.), Fetten und<br />

Proteinen [24-26].<br />

Der Anteil von mehrkettigen Kohlenhydraten/Polysacchariden (z. B.<br />

Getreideprodukte) sowie von Ballaststoffen (z.B. Gemüse und<br />

Obst) ist hingegen zu niedrig.


Es könnte angenommen werden, dass Übergewichtige und Adipöse<br />

im Vergleich zu Normalgewichtigen mehr essen. Bis vor wenigen<br />

Jahren konnte dies nicht bestätigt werden. Ursächlich war<br />

jedoch die falsche Erfassung der Nahrungsmenge. Übergewichtige<br />

unterschätzen ihre Nahrungsmenge im Selbstbericht. Objektive<br />

Methoden* zeigen, dass ein Unterschied in der Energieaufnahme<br />

zwischen Übergewichtigen und Normalgewichtigen besteht [27].<br />

Darüber hinaus fehlen bei übergewichtigen <strong>Kinder</strong>n geregelte<br />

Mahlzeiten, die durch zu fettreiche Zwischenmahlzeiten und zuckerhaltige<br />

Getränke ersetzt werden (zwischendurch essen, überall<br />

essen, an keinem festen Platz essen) [21;28;29].<br />

Dies wird durch den massiven Anstieg von Werbung für Lebensmittel<br />

mit hoher Energiedichte (hoher Kaloriengehalt pro 100 g<br />

Lebensmittel) und die ständige Verfügbarkeit von Essen unterstützt.<br />

Nicht zuletzt haben die normalen Portionsgrößen in den<br />

letzten Jahren stark zugenommen. Extragroße Portionen zum<br />

gleichen Preis werden häufig in Fastfood Restaurants angeboten<br />

[30].<br />

Altersgemäße Lebensmittelverzehrmengen<br />

in der optimierten Mischkost<br />

*Methoden wie die Isotopenverdünnungsmethode<br />

gelten als beste, jedoch<br />

nur zu wissenschaftlichen Zwecken<br />

benutzte Methode zur Bestimmung der<br />

Körperzusammensetzung. Die Verdünnung<br />

von Deuterium (D 2O2 : stabiles,<br />

schweres Isotop des Wasserstoffs) oder<br />

stabiles Isotop von Sauerstoff oder<br />

Wasserstoff werden dazu oral verabreicht.<br />

Gemessen wird die Verdünnung<br />

des Isotops im Körperwasser. Da der<br />

Wassergehalt der fettfreien Masse relativ<br />

konstant ist, können daraus die fettfreie<br />

Masse und aus der Differenz zum<br />

Körpergewicht die Körperfettmasse<br />

bestimmt werden [33].<br />

Alter (Jahre) 1 2-3 4-6 7-9 10-12 13-14 15-18<br />

Energie kcal/Tag 950 1100 1450 1800 2150 2200 | 2700 2500 | 3100<br />

w | m w | m<br />

reichlich<br />

Getränke ml/Tag 600 700 800 900 1000 1200 | 1300 1400 | 1500<br />

Brot/Getreide g/Tag 80 120 170 200 250 250 | 300 280 | 350<br />

Kartoffeln* g/Tag 80 100 130 150 180 200 | 250 230 | 280<br />

Gemüse g/Tag 120 150 200 220 250 260 | 300 300 | 350<br />

Obst g/Tag 120 150 200 220 250 260 | 300 300 | 350<br />

mäßig<br />

Milch, -produkte ml (g)/Tag 300 330 350 400 420 425 | 450 450 | 500<br />

Fleisch, Wurst g/Tag 30 35 40 50 60 65 | 75 75 | 85<br />

Eier Stck/Wo 1-2 1-2 2 2 2-3 2-3 | 2-3 2-3 | 2-3<br />

Fisch g/Woche 50 70 100 150 180 200 | 200 200 | 200<br />

sparsam<br />

Öl, Margarine, Butter g/Tag 15 20 25 30 35 35 | 40 40 | 45<br />

geduldete Lebensmittel<br />

zuckerreich g/Tag 25 30 40 50 60 60 | 75 70 | 85<br />

fettreich g/Tag 5 5 10 10 15 15 | 20 15 | 20<br />

*oder Nudeln,<br />

Reis u.a. Getreide<br />

(Quelle: FKE: Optimix-Empfehlungen für die Ernährung von <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen, 2001, p. 7)<br />

URSACHEN<br />

25


URSACHEN<br />

26<br />

Eine amerikanische Studie zeigte hierzu, dass Kleinkinder, egal welche<br />

Portionsgröße sie angeboten bekommen, immer die gleiche<br />

Nahrungsmenge essen, während der Verzehr ab dem fünften<br />

Lebensjahr zunimmt, wenn die Portion sich vergrößert [31]. Dies<br />

bedeutet, dass das Essverhalten von <strong>Kinder</strong>n etwa mit Beginn des<br />

Schulalters von äußeren Bedingungen stärker beeinflusst wird als<br />

von ihrem inneren Hungergefühl [32]. Somit gewinnen z.B. das<br />

Modellvorleben der Lehrer, Angebote zum Essen und psychische<br />

Situationen wie Langeweile, Ärger oder Frust an Bedeutung.<br />

In diesem Zusammenhang sollten im Klassenverband Regeln für<br />

Essenszeiten und Essverhalten eingeführt werden.<br />

Fett als energiereichster Grundnährstoff führt nicht generell zum<br />

Übergewicht. Vielmehr hat die Art des Fettes eine größere Bedeutung<br />

für die Entstehung der Adipositas und ihre Folgeerkrankungen.<br />

Gesättigte Fette wie z. B. Butter und Transfette in Frittiertem<br />

oder industriell hergestellte Panade wie z. B. panierte Nuggets, die<br />

in Fast Food vorkommen, sind besonders auch im Hinblick auf Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen und Typ II Diabetes zu berücksichtigen.


Es ist beachtlich, dass<br />

sich zwar die Energiezufuhr<br />

in Form<br />

von Fett reduziert hat,<br />

die Adipositasprävalenz<br />

jedoch zugenommen<br />

hat.<br />

Abbildung modifiziert nach: aid, infodienst, Bonn<br />

In diesem Zusammenhang ist es beachtlich, dass sich zwar die<br />

Energiezufuhr in Form von Fett reduziert hat, die Adipositasprävalenz<br />

jedoch zugenommen hat [34;35]. Die beobachtete Fettreduktion<br />

wurde durch eine erhöhte Zuckerzufuhr (z.B. Einfachzucker in<br />

Softdrinks, Süßigkeiten und Fertigprodukten) kompensiert, während<br />

zu wenig komplexe Kohlenhydrate in Form von Getreideprodukten,<br />

Obst und Gemüse verzehrt werden.<br />

Die Ernährungspyramide ist die optimale Basis für den täglichen Speiseplan<br />

1 x SÜSSES, SNACKS<br />

2 x KOCH- UND STREICHFETT<br />

3 x MILCH, MILCHPRODUKTE<br />

+ 1 x FLEISCH, FISCH, EI, WURST<br />

4 x OBST, GEMÜSE<br />

5 x BROT,<br />

BEILAGEN,<br />

GETREIDE<br />

6 x GETRÄNKE<br />

URSACHEN<br />

1 Portion am Tag:<br />

Maximal eine Hand voll Süßigkeiten und Knabbereien am Tag.<br />

2 Portionen am Tag:<br />

Ein Esslöffel entspricht einer Portion. Bevorzugen Sie möglichst<br />

hochwertige Öle wie Rapsöl oder Olivenöl.<br />

„3 + 1“ Portionen am Tag:<br />

Drei Portionen Milchprodukte. Eine Portion ist z. B. eine Scheibe Käse<br />

so groß wie die Handfläche oder ein Glas Milch. + 1: Eine Portion<br />

Fleisch, Fleischprodukte, Ei oder Fisch. Die Handfläche ist das Maß für<br />

die Fischportion. Die Fleischportion darf kleiner sein, so groß wie der<br />

Handteller. Fisch ist wertvoll. Es sollte 1-2 Mal pro Woche eine Fischmahlzeit<br />

verzehrt werden. Drei Eier pro Woche genügen.<br />

4 Portionen am Tag:<br />

Zwei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst in Form von frischem<br />

Obst, Rohkost, Salat oder gegartem Gemüse. Eine Portion ist eine Hand<br />

voll Gemüse oder Obst, z. B. Paprika, Birne oder Nektarine. Zwei Hände<br />

(zur „Schale“ gehalten) sind das Maß für zerkleinertes Gemüse, Salat und<br />

kleine Früchte, z. B. Kopfsalat, Bohnen, Blumenkohl, Himbeeren oder Mirabellen.<br />

Eine Portion kann als Gemüse- oder Obstsaft getrunken werden.<br />

27<br />

5 Portionen am Tag:<br />

Zwei Hände voll ergeben eine Portion Beilagen wie Kartoffeln,<br />

Reis oder Müsli. Eine Portion Brot (eine Brotscheibe)<br />

entspricht der gesamten Handfläche mit ausgestreckten<br />

Fingern.<br />

6 Portionen am Tag:<br />

Eine Portion steht für ein großes Glas (300 ml),<br />

z.B. Wasser aus der Leitung, selbst gesprudelt<br />

oder als Mineralwasser. Ideal sind auch koffeinbzw.<br />

teeinfreie Getränke wie Früchte-, Roibusch-,<br />

Zitronengras- oder Kräutertees. Obst- und Gemüsesäfte<br />

sind verdünnt mit Wasser kalorienärmer.


URSACHEN<br />

*Glykämischer Index:<br />

Ein Maß zur Bestimmung der Wirkung<br />

eines kohlenhydrathaltigen Lebensmittels<br />

auf den Blutzuckerspiegel. Teilweise<br />

wird dafür auch die Bezeichnung<br />

Glyx verwendet oder die Abkürzung GI.<br />

Je höher der Wert ist, desto schneller<br />

steigt der Blutzuckerspiegel an.<br />

Lebensmittel, die den Blutzucker<br />

schnell in die Höhe treiben, haben<br />

einen hohen glykämischen Index.<br />

Die blutzuckersteigernde Wirkung von-<br />

Traubenzucker dient als Referenzwert<br />

(100).<br />

Im Allgemeinen wird folgende Einteilung<br />

verwendet:<br />

• Schlecht ist ein GI größer als 70<br />

• Mittel sind GI-Werte<br />

zwischen 50 und 70<br />

• Gut ist ein GI kleiner als 50<br />

Es sollten bevorzugt komplexe<br />

Kohlenhydrate aufgenommen<br />

werden, um Heißhunger zu<br />

vermeiden.<br />

28<br />

Der durch die einfachen Kohlenhydrate erzielte hohe glykämische<br />

Index wirkt über eine hormonelle Steuerung auf die Appetitregulation.<br />

Resultat: ein erhöhtes Hungergefühl [36;37]. Durch einen<br />

hohen Zuckeranteil in der Nahrung wird schnell ein hoher Blutzuckerspiegel<br />

erreicht, welcher die Insulinausschüttung bewirkt.<br />

Über Insulin wird Zucker aus dem Blut in die Zelle transportiert,<br />

sodass der Blutzucker wieder sinkt und sich erneut ein Hungergefühl<br />

einstellt – der Teufelskreis des Zuckers beginnt (siehe Abbildung<br />

Teufelskreis des Zuckers).<br />

Nicht zuletzt könnte ein hoher glykämischer Index zu einer Adipositas<br />

vor allem am Bauch führen (viszerale Adipositas) – mit den<br />

daraus resultierenden Risiken für die schon beschriebenen Folgeerkrankungen<br />

(z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen)<br />

[38;39]. Es konnte gezeigt werden, dass süße Getränke die<br />

Gesamtenergieaufnahme um 10% pro Tag erhöhen können. Wenn<br />

sie wiederholt am Tag getrunken wurden, resultierte daraus ein um<br />

60% erhöhtes Risiko für eine Gewichtszunahme [37;40]. Der hohe<br />

glykämische Index, aber auch die flüssige Form der Nahrung<br />

scheint dies zu begünstigen. Im Gegensatz dazu ist Milch ein Nahrungsmittel<br />

mit niedrigem glykämischem Index und kann vor Übergewicht<br />

schützen [41]. Die Energiedichte nimmt durch fettreiche<br />

TEUFELSKREIS DES ZUCKERS<br />

Heißhunger<br />

auf Süßes<br />

rasches Absinken<br />

des Blutzuckers<br />

hoher Zuckerkonsum<br />

[Süßwaren,<br />

zuckerreiche Getränke]<br />

Zuckertransport<br />

in die Körperzellen<br />

schneller Anstieg<br />

des Blutzuckers<br />

hohe Insulinausschüttung


Nahrungsmittel in Kombination mit Einfachzuckern extrem [31]. zu<br />

Um eine Sättigung bei der Essensauswahl zu erreichen, müssen<br />

somit bevorzugt komplexe Kohlenhydrate gegessen werden. Dazu<br />

zählen z. B. dunkles Brot mit Auflage von Salat oder Rohkost, ein<br />

dünner Belag mit Wurst oder Käse auf einer dicken Brotscheibe<br />

(gesundes Pausenbrot), oder es sollten regelmäßig z.B. Getreideprodukte<br />

in Form von Müsli mit Obst verzehrt werden.<br />

Der regelmäßige, oft tägliche Verzehr von Fast Food hat dramatisch<br />

zugenommen, wodurch teilweise die epidemische Ausbreitung der<br />

Adipositashäufigkeit erklärt wird [42;43]. Fast Food beinhaltet<br />

alles bereits negativ Beschriebene: gesättigte Fette und Transfette,<br />

einen hohen glykämischen Index, eine hohe Energiedichte und<br />

zunehmend größer werdende Portionsgrößen. Fast Food ist darüber<br />

hinaus arm an Ballaststoffen, Mineralien, Spurenelementen<br />

und Pflanzenstoffen, wie sie z.B. in Zitrusfrüchten oder Tomaten<br />

vorkommen (sekundäre Pflanzenstoffe*) und verstärkt somit das<br />

Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes [43]. Obwohl<br />

Daten zu Fast Food nur bei Jugendlichen und Erwachsenen,<br />

jedoch nicht bei <strong>Kinder</strong>n vorliegen, ist dies kalorisch auch für <strong>Kinder</strong><br />

gut zu berechnen [18;42;44].<br />

Zum Beispiel können ein doppelter Cheeseburger mit Ketchup,<br />

eine Limo und ein Dessert 2200 kcal beinhalten. Dies entspricht<br />

dem gesamten Tagesbedarf und kann nur über eine sehr intensive,<br />

mehr als zwei Stunden dauernde körperliche Aktivität wieder<br />

abgearbeitet werden [44].<br />

URSACHEN<br />

*Sekundäre Pflanzenstoffedienen der<br />

Pflanze u.a. als Abwehrstoffe gegen<br />

Pflanzenschädlinge, als Wachstumsregulatoren<br />

und als Farbstoffe. Sie sind<br />

chemisch sehr unterschiedlich aufgebaut<br />

und kommen nur in geringen<br />

Mengen in der zugeführten Nahrung<br />

vor. Die Bekanntesten sind die Polyphenole<br />

und Flavonoide in den Randschichten<br />

von Gemüse (z.B. Brokkoli,<br />

Grünkohl, Karotten und Tomaten) und<br />

Obst (Zitrusfrüchte) sowie in Vollkorn.<br />

Sie sind wahrscheinlich neben den<br />

Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen<br />

und Ballaststoffen mitverantwortlich<br />

für die Schutzfunktion<br />

gegen-über Krebs und Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen.<br />

29


URSACHEN<br />

www.fke-shop.de<br />

www.aid.de<br />

30<br />

><br />

Grundlage einer gesunden Ernährung ist die optimierte Mischkost.<br />

Diese wurde vom Forschungsinstitut für <strong>Kinder</strong>ernährung in Dortmund<br />

entwickelt und empfiehlt für <strong>Kinder</strong> je nach Alter als Basisplan<br />

folgende Tagesmengen:<br />

Kohlenhydrate: 55-60%<br />

Fette: 25-30%<br />

Proteine: 10-20%<br />

Getränke: reichlich, ca. 1,5-2 Liter<br />

Die drei Grundregeln der Lebensmittelauswahl sind:<br />

1. Reichlich Getränke und pflanzliche Lebensmittel<br />

2. Mäßig tierische Lebensmittel<br />

3. Sparsam fettreiche Lebensmittel und Süßwaren<br />

Ganz wichtig: Es gibt keine Verbote!<br />

Beispiel eines gesunden Tagesernährungsplans<br />

für ein Grundschulkind<br />

Der Tagesbedarf an Kohlenhydraten:<br />

50-60% des Energiebedarfs sollten durch Kohlenhydrate gedeckt<br />

werden. Bei einem Tagesbedarf von etwa 1600 kcal sind<br />

dies 220 g Kohlenhydrate.<br />

· 3-4 Scheiben Vollkornbrot (150 g): 65 g<br />

· 1 kleine Portion Müsli (ca. 30 g Getreideprodukte): 25 g<br />

· 1 Portion Kartoffeln (150 g): 35 g<br />

oder Vollkornnudeln (90 g Trockengewicht)<br />

oder Naturreis (50-60 g Trockengewicht)<br />

· 1 große Portion Salat und gekochtes Gemüse (ca. 200 10 g): g<br />

· 1-2 Stück Obst (ca. 200 g): 35 g<br />

· 1 Portion Süßigkeiten: 40 g<br />

und 1 Esslöffel Marmelade, Honig oder Zucker: 10 g<br />

Summe Kohlenhydrate 220 g


Tagesbedarf Protein von ca. 40-50 g<br />

· 1 große Tasse fettarme Milch (250 ml) 8,5 g<br />

· 1 kleines Stück Fleisch 60 g 12 g<br />

(gemittelt bei 2-3 Fleischmahlzeiten/Woche)<br />

(oder 1 Portion Fisch von 100 g oder 1 Ei)<br />

· 1 Scheibe gekochter Schinken (30 g) 6 g<br />

· 1 Scheibe fettarmer Käse (20 g) 5 g<br />

· 2 Scheiben Vollkornbrot (100 g) 12 g<br />

Tagesbedarf von 50-60 g Fett<br />

Summe Protein 43,5 g<br />

· 2 Esslöffel Butter oder Öl 20 g<br />

· 10 g Kochfett 10 g<br />

· 1 Stück mageres Fleisch (60 g) 5 g<br />

· 1 Becher fettarmer Fruchtjoghurt 150 g 2 g<br />

· 1 Scheibe gekochter Schinken (30 g) 4 g<br />

· 1 Scheibe fettarmer Käse (30 g) 5 g<br />

· 1 Portion Süßigkeit (z.B. 1 Riegel Schokolade à 20 g)6 g<br />

und höchstens<br />

Summe Fett 52 g<br />

· 1 Portion Süßigkeiten am Tag<br />

(Beispiel: 2 Riegel Schokolade oder 10 Gummibärchen)<br />

URSACHEN<br />

31


URSACHEN<br />

32<br />

Kann Schule auf das Ernährungsverhalten der Schüler<br />

Einfluss nehmen?<br />

Es zeigt sich, dass die Verpflegungssituation in der Schule das<br />

Ernährungsverhalten entscheidend beeinflussen kann. Sie wird<br />

zunehmend zur Modellerfahrung aufgrund der schon genannten<br />

immer größeren Verweildauer der Schüler in der Schule.<br />

Ernährungsverhalten und Ernährungsmuster werden aber von<br />

Anfang an entscheidend durch das Vorbild der Eltern und durch die<br />

familiären Gewohnheiten geprägt. Wenn es Eltern bewusst schaffen,<br />

zu Hause gemeinsam am Tisch und nicht vor dem Fernseher zu<br />

essen, dann führt dies im Mittel zu einer ausgewogeneren und<br />

gesünderen Mahlzeit (weniger gesättigte Fette und Transfette,<br />

mehr Obst und Gemüse, weniger süße Getränke) [45]. Außer Haus<br />

essen oder häufiges Essen in Fast-Food-Restaurants ist im Allgemeinen<br />

mit größeren Portionen und energiedichteren Nahrungsmittel<br />

verbunden, sodass damit bewusst umgegangen werden<br />

sollte.<br />

Deshalb sollte die Schule einerseits gesundes Essen anbieten<br />

(z.B. Vollkornburger, Obst und Rohkost), auf der anderen Seite<br />

aber auch den sinnvollen Umgang mit Fast Food schulen. Das gilt<br />

insbesondere in Bezug auf Häufigkeit und Auswahl, aber auch<br />

Mengen (supersized Portionen).<br />

Verbote sind unrealistisch, doch das Bewusstmachen des Ernährungsverhaltens<br />

kann im schulischen Alltag zum Trainingsprozess<br />

werden.


Erfahrungen mit<br />

dem eigenen<br />

Körper sind die<br />

Grundlage der<br />

Kommunikation mit<br />

der eigenen<br />

Person und mit<br />

anderen.<br />

Körperliche Aktivität<br />

„Sieben oder acht Jahre des Sichbewegens und Spielens sind notwendig,<br />

um einem Kind die sensomotorische Fähigkeit zu vermitteln,<br />

die als Grundlage für seine intellektuelle, soziale und persönliche<br />

Entwicklung dienen kann”. Diese Aussage von Jean Piaget<br />

zeigt, dass sich die Motorik – als wichtige Grundlage der Handlungs-<br />

und Kommunikationsfähigkeit – in der aktiven Auseinandersetzung<br />

des Kindes mit der <strong>Umwelt</strong> entwickeln muss. Bewegung<br />

ist notwendig, um kognitive Fähigkeiten zu erwerben. So<br />

steht das Erlernen von Konkretem vor dem Erlernen von Abstraktem,<br />

das Greifen und Anfassen vor dem Begreifen.<br />

Erfahrungen mit dem eigenen Körper sind die Grundlage der Kommunikation<br />

mit der eigenen Person und mit anderen. Die Wahrnehmung<br />

von Raum und Zeit, die in unserer Computerwelt und durch<br />

das Fernsehen zunehmend verloren geht, kann nur über die Körpererfahrung<br />

erlernt und stabilisiert werden. Bewegung vermittelt<br />

elementar das Gefühl von Anstrengung, Stärken und Schwächen,<br />

lässt Erfolg und Niederlage zu und schafft Identität und Solidarität.<br />

Neben der Förderung der Konzentrationsfähigkeit, Teamfähigkeit,<br />

Leistungsbereitschaft, Lernbereitschaft und Problemlösungsfähigkeit<br />

können sich soziale Kompetenzen wie Hilfsbereitschaft und<br />

Rücksichtnahme sowie Handlungsspielräume entwickeln und der<br />

Transfer in weitere Bereiche der <strong>Gesundheit</strong>serziehung wie Ernährung<br />

und Verhalten erreicht werden [46-48].<br />

URSACHEN<br />

33


URSACHEN<br />

34<br />

Kleinkinder benutzen jede Aktivität als Bausteine ihrer Gesamtentwicklung.<br />

Mangelnde körperliche Aktivität wird mittlerweile als<br />

das zentrale <strong>Gesundheit</strong>sproblem des dritten Jahrtausends angesehen<br />

[49]. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Es lässt sich<br />

eine Veränderung des Freizeitverhaltens mit einem vermehrten<br />

Medienkonsum und damit einhergehender Verhäuslichung feststellen.<br />

Vor allem in Großstädten finden <strong>Kinder</strong> eine erlebnisarme<br />

<strong>Umwelt</strong> mit begrenzten Bewegungsräumen vor. Daraus entsteht<br />

ein Mangel an Bewegung und Bewegungserfahrungen.<br />

Es ist erwiesen, dass ein enger Zusammenhang zwischen körperlicher<br />

Inaktivität und der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas<br />

besteht [50;51]. Untersuchungen zeigen, dass übergewichtige<br />

<strong>Kinder</strong> weniger Zeit mit moderater (z.B. freies Spielen) bis<br />

anstrengender körperlicher Aktivität (z.B. Fangspiele) als normalgewichtige<br />

Gleichaltrige verbringen und die <strong>Kinder</strong> am dicksten<br />

sind, die den größten Medienkonsum, verbunden mit dem Konsum<br />

von energiedichten Snacks und der geringsten Bewegungszeit,<br />

aufweisen [50;52;53].<br />

Dass Bewegungsarmut und erhöhter Fernsehkonsum Ursachen<br />

einer Gewichtszunahme sind, ist wissenschaftlich belegt [54].<br />

Allerdings kann auch eine erhöhte Nahrungsaufnahme während<br />

des Fernsehens zur Gewichtszunahme führen. Adipöse <strong>Kinder</strong><br />

üben im Vergleich zu normalgewichtigen <strong>Kinder</strong>n mehr bewegungsarme<br />

Freizeitaktivitäten aus [55]. Körperliches Ausdauertraining<br />

und eine Lebensstiländerung können zu einer anhaltenden<br />

Gewichtsabnahme führen [56;57].<br />

Es lässt sich eine<br />

Veränderung des<br />

Freizeitverhaltens<br />

mit einem vermehrten<br />

Medienkonsum und<br />

damit einhergehender<br />

Verhäuslichung feststellen.


Wie kann Schule für mehr körperliche Aktivität sorgen?<br />

Gerade bei der Bewegungsförderung hat die Schule viele<br />

Spielräume.<br />

Hier kann die Schule die Eltern auffordern, dass ihre <strong>Kinder</strong> den<br />

Schulweg aktiv zurücklegen (z.B. mit dem Fahrrad, zu Fuß, witterungsunabhängig).<br />

Sie sollte den Eltern diese grundlegende Problematik<br />

als Grundlage der zunehmenden Übergewichtsproblematik<br />

darlegen [58]. Die Einrichtung von Bewegungs-AGs innerhalb<br />

der Schule ist dringend notwendig.<br />

Inaktivität ist als Prädiktor von Übergewicht und Adipositas zu<br />

sehen. Aber nicht nur das nicht organisierte Sporttreiben hat eine<br />

Bedeutung in der Vermeidung von Übergewicht. Der bewegungsreiche<br />

Alltag spielt eine noch größere Rolle bei der Prävention und<br />

Therapie von Übergewicht und Adipositas [59].<br />

Diesen bewegungsreichen Alltag herzustellen, ist eine Aufgabe<br />

der Schule. Das Konzept der bewegungsfreudigen Schule ist dringend<br />

erforderlich. Es muss fester Bestandteil der guten gesunden<br />

Schule* werden.<br />

URSACHEN<br />

*Für die gute gesunde Schule<br />

bedeutet dieses z.B.:<br />

• Freie Bewegungsangebote neben<br />

dem Sportunterricht<br />

• Beurteilung der Sportleistung hin zur<br />

Beurteilung der Anstrengung und<br />

nicht nur der messbaren Leistung<br />

• Bewegungskisten mit Materialien<br />

mit hohem Aufforderungscharakter<br />

zur Bewegung in den Pausen<br />

35


URSACHEN<br />

36<br />

Im Sinne einer gesunden körperlichen Entwicklung von <strong>Kinder</strong>n<br />

kommt dem Schulsport eine wichtige Bedeutung zu. Die Entwicklung<br />

eines <strong>Gesundheit</strong>sbewusstseins durch die Verbesserung<br />

der Fitness ist ein erklärtes Ziel des Sportunterrichts (entsprechend<br />

den Lehrplänen einzelner Bundesländer).<br />

In der Schule werden alle <strong>Kinder</strong> mit körperlicher Aktivität konfronDer<br />

Auftrag des<br />

tiert. Sie stellt für viele <strong>Kinder</strong> den ersten Kontakt mit Sport dar. Der Schulsports sollte<br />

Auftrag des Schulsports sollte darin bestehen, den natürlichendarin<br />

bestehen,<br />

Bewegungsdrang von <strong>Kinder</strong>n zu unterstützen. Innerhalb des den natürlichen<br />

Sportunterrichts werden die motorischen Fertigkeiten von <strong>Kinder</strong>nBewegungsdrang<br />

entwickelt und stabilisiert. Er stellt somit die Grundlage dar, <strong>Kinder</strong>von<br />

<strong>Kinder</strong>n zu<br />

zu einem lebenslangen, selbstständigen oder im Verein organisier- unterstützen.<br />

ten Sporttreiben zu motivieren. Mittels einer Erziehung durch<br />

Bewegung können innerhalb des Schulsports wichtige psychische<br />

und soziale Kompetenzen erworben werden. Der Schulsport dient<br />

somit der <strong>Gesundheit</strong>sförderung, der Entwicklung von motorischen<br />

Fertigkeiten und dem Erwerb von Handlungskompetenzen.<br />

Leider sieht die Wirklichkeit häufig konträr aus. Ausfall von Sportstunden<br />

oder die mangelnde Qualifikation der Sportlehrer sind nur<br />

einige Probleme der derzeitigen Schulsituation [60].<br />

In diesem Zusammenhang muss auf die Befreiung der Schüler vom<br />

Sportunterricht hingewiesen werden. Es gibt hierfür keine einheitliche<br />

Regelung für alle Bundesländer (Ständige Konferenz der Kultusminister).<br />

Grundsätzlich wäre es wünschenswert, bei jeder<br />

Erkrankung eine gründliche Diagnostik aus sportmedizinischer<br />

Sicht durchzuführen. Eine Befreiung sollte entsprechend den<br />

objektiven Befunden erfolgen und nicht Ängste oder Vorbehalte<br />

gegen Sportarten bestärken.<br />

In vielen Fällen wird dem Kind durch die Befreiung nicht geholfen.<br />

Häufig ist es so, dass es in seiner Schwäche (z.B. der Adipositas)<br />

bestärkt und damit zusätzlich stigmatisiert wird. Hierzu können Sie<br />

in dem Kapitel Psychosoziale Folgen mehr erfahren.


Eine Untersuchung,<br />

zeigte, dass bei<br />

adipösen <strong>Kinder</strong>n<br />

überdurchschnittlich<br />

oft beide Eltern<br />

berufstätig sind.<br />

Besonderheiten bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

Der Weg aus der Adipositas ist bei <strong>Kinder</strong>n einfacher als bei<br />

Erwachsenen. <strong>Kinder</strong> befinden sich noch im Wachstum und ihre<br />

Verhaltensmuster können noch einfacher verändert werden. Daher<br />

muss es gelingen, so früh wie möglich eine Adipositasprävention<br />

zu etablieren.<br />

Die gesundheitlichen Konsequenzen und die Tragweite der Folgeerkrankungen<br />

werden im Kindesalter häufig noch nicht bewusst<br />

wahrgenommen oder sind noch nicht zu erkennen.<br />

Es ist gut belegt, dass ein beträchtlicher Anteil der übergewichtigen<br />

<strong>Kinder</strong> im Erwachsenenalter übergewichtig bleiben wird [9].<br />

Die Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter wie Typ II Diabetes,<br />

Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und orthopädische<br />

Beschwerden sind nachgewiesen [61;62]. Auch die gesamtwirtschaftlichen<br />

Kosten könnten durch eine frühe Erkennung und<br />

Behandlung reduziert werden.<br />

Die Sozialisation vieler <strong>Kinder</strong> in der heutigen Zeit wird durch den<br />

Wandel von Erziehungsnormen und Zeitmangel der Eltern [20]<br />

geprägt. Dies steht im Zusammenhang mit der ansteigenden Zahl<br />

an Eltern, die beide berufstätig oder alleinerziehend sind. Dass<br />

Essen als Ersatz für die mangelnde Zuwendung der Eltern<br />

gebraucht wird, unterstrich eine Untersuchung, die zeigte, dass bei<br />

adipösen <strong>Kinder</strong>n überdurchschnittlich oft beide Eltern berufstätig<br />

sind [63]. Es ist nicht überraschend, dass vernachlässigte oder mit<br />

anderen Auffälligkeiten behaftete <strong>Kinder</strong> ein erhöhtes Adipositasrisiko<br />

bis ins Erwachsenenalter aufweisen [64].<br />

Welche Rolle bekommt die Schule?<br />

Die Schule ist in der besonderen Lage alle <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

anzusprechen. Darüber hinaus wird es immer mehr Aufgabe der<br />

Schule sein, die zuvor aufgeführten familiären Veränderungen aufzufangen.<br />

Angebote zur Bewegungsförderung und zur gesunden<br />

Ernährung müssen geschaffen und etabliert werden.<br />

><br />

URSACHEN<br />

Näheres darüber können Sie in dem<br />

Kapitel Wahrnehmung von Übergewicht<br />

und Adipositas erfahren.<br />

37


URSACHEN<br />

*Fetale Phase:<br />

Entwicklung des Kindes im Mutterleib<br />

bis zur Geburt.<br />

38<br />

Risikogruppen<br />

Risikofaktoren bei der Entstehung von Adipositas sind vielfältig.<br />

Eine besondere Bedeutung kommt dem Elternhaus zu. Niedriger<br />

sozioökonomischer Status, niedriger Bildungsstand und Übergewicht<br />

der Eltern sind familiäre Risikofaktoren für die Entstehung<br />

von Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen.<br />

Des Weiteren gibt es sensible Phasen in den einzelnen Entwicklungsphasen<br />

des Kindes. Neben der fetalen Phase * und dem<br />

ersten Lebensjahr sind das vierte bis siebte Lebensjahr und die<br />

Pubertät kritische Lebensabschnitte für die Ausprägung der Adipositas.<br />

In den vorgeburtlichem Altersabschnitt bis zum Ende des<br />

ersten Lebensjahres entwickeln sich Regelkreise, die im Zwischenhirn<br />

lokalisiert sind. Sie regeln den Appetit, die Ausprägung des<br />

Essverhaltens und die Regulation der Anzahl und Funktion der<br />

Fettzellen sowie der Fettverteilung.<br />

Die Entwicklung des Fettgewebes beginnt beim menschlichen<br />

Feten etwa mit der 14. Schwangerschaftswoche. Zum Zeitpunkt<br />

der Geburt beträgt der Anteil der Fettmasse an der Körpermasse


<strong>Kinder</strong> mit einem<br />

frühen Umkehrpunkt<br />

der Gewichtskurve<br />

haben ein<br />

größeres Risiko, im<br />

späteren Alter<br />

übergewichtig oder<br />

adipös zu werden.<br />

ca. 13%. In den nächsten zwölf Monaten verdoppelt sich dieser<br />

auf ca. 28%. Danach folgt eine Abnahme der Fettmasse bei gleichzeitigem<br />

Anstieg der fettfreien Masse. In dieser Zeit nimmt also der<br />

Körperfettanteil ab. Etwa ab dem fünften Lebensjahr steigt die<br />

Fettmasse und damit auch der prozentuale Fettanteil wieder an.<br />

Dieser Umkehrpunkt zwischen Fettabnahme und -zunahme wird<br />

adiposity rebound genannt und ist ein guter Prädiktor (Vorhersagewert)<br />

für Übergewicht und Adipositas. <strong>Kinder</strong> mit einem frühen<br />

Umkehrpunkt der Gewichtskurve (siehe Grafik) haben ein größeres<br />

Risiko, im späteren Alter übergewichtig oder adipös zu werden als<br />

<strong>Kinder</strong> mit einem späten Umkehrpunkt [65;66].<br />

PROGNOSEMÖGLICHKEIT<br />

Jungen<br />

BMI (kg/m 2 )<br />

30<br />

28<br />

26<br />

24<br />

22<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

Alter 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19<br />

Ab dem achten bis zehnten Lebensjahr (präpuberale Phase) weisen<br />

Mädchen einen Entwicklungsvorsprung auf, der mit einem<br />

früheren und stärkeren Anstieg der Fettmasse verbunden ist.<br />

Während die Fettmasse im weiblichen Geschlecht bis ins Erwachsenenalter<br />

zunimmt, stagniert die Fettgewebsentwicklung der Jungen<br />

vorübergehend während des puberalen Wachstumsschubes.<br />

Belegt ist auch, dass bereits das Geburtsgewicht für die weitere<br />

Entwicklung bedeutsam ist. So ist die Wahrscheinlichkeit, im späteren<br />

Alter übergewichtig zu werden sowohl bei einem geringen<br />

als auch bei hohem Geburtsgewicht erhöht [67].<br />

URSACHEN<br />

P97<br />

P90<br />

P75<br />

P50<br />

P25<br />

P10<br />

P3<br />

Adiposity Rebound<br />

[<br />

BMI-Perzentilkurven nach K. Kromeyer-Hauschild<br />

39<br />

]


URSACHEN<br />

www.dgsp.de<br />

(siehe unter Sport und Menstruation)<br />

40<br />

><br />

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass bereits im Mutterleib<br />

eine Prägung bezüglich der Adipositas vorliegt [68].<br />

Schwangere mit Diabetes oder Glukoseintoleranz (gestörte Verwertung<br />

von Zucker mit erhöhtem Blutzuckerspiegel, eine Vorstufe<br />

zu Diabetes) gebären schwerere Babys, die auch in der Folgezeit<br />

mehr Gewicht aufweisen [69]. Auch eine früh einsetzende erste<br />

Menstruation (= Menarche) vor dem zehnten Lebensjahr erhöht<br />

die Wahrscheinlichkeit für eine Adipositas im Erwachsenenalter um<br />

das Doppelte [70].<br />

Da <strong>Kinder</strong> mit Beginn der Pubertät eine unterschiedliche Körperkomposition<br />

aufweisen – Jungen entwickeln hormonell bedingt<br />

mehr Muskelmasse als Mädchen – gilt es, die kleinen stämmigen<br />

Mädchen besonders zu beraten. Das Einsetzen der ersten Regelblutung<br />

ist oftmals auch damit verbunden, dass sich Mädchen<br />

eher von sportlicher Betätigung abwenden. Gerade im Hinblick auf<br />

den Pubertätsbeginn sollte die geschlechtsspezifische Entwicklung<br />

besondere Beachtung finden.<br />

Die Prävention von<br />

Übergewicht und<br />

Adipositas beginnt<br />

bereits im Mutterleib.


Risikofaktoren für<br />

die Ausprägung<br />

einer Adipositas<br />

sind das Gewicht<br />

der Eltern und deren<br />

soziale Schicht.<br />

Somit sollten sich Erzieher und Lehrer sowohl im Übergang vom<br />

<strong>Kinder</strong>garten zum ersten Grundschuljahr als auch mit Beginn der<br />

Pubertät darüber klar sein, dass hier entscheidende Entwicklungsphasen<br />

vorliegen. Dieses Wissen sollte an die Eltern weiter gegeben<br />

und dadurch deren Aufmerksamkeit zur Beobachtung der<br />

Gewichtsentwicklung ihrer <strong>Kinder</strong> geweckt werden. Der Gesprächsleitfaden<br />

in diesem Handbuch kann Lehrern bei diesen<br />

Gesprächen helfen.<br />

URSACHEN<br />

> www.stillen.de<br />

Weitere Risikofaktoren für die Ausprägung einer Adipositas sind,<br />

wie schon zuvor erwähnt, das Gewicht der Eltern und deren<br />

soziale Schicht. Bewegungs- und Ernährungsmuster werden<br />

grundlegend familiär angelegt. Das Stillen der Mütter stellt einen<br />

signifikant protektiven Faktor gegen späteres Übergewicht und<br />

Adipositas dar [63]. Es ergab sich eine Risikoverminderung für<br />

Übergewicht um 30% und für Adipositas um 40% bei einer Mindeststilldauer<br />

von sechs Monaten [63]. Ursächlich hierfür könnten<br />

bestimmte Wirkstoffe (bioaktive Faktoren, die an Regelkreisen<br />

beteiligt sind) und Hormone (z.B. Leptin) in der Muttermilch<br />

sein, die die Differenzierung von Fettzellen hemmen können. Auch<br />

die niedrigere nutzbare Energie- und Proteinzufuhr im Vergleich<br />

zur Flaschennahrung spielt eine wichtige Rolle. Diese Befunde<br />

könnten auch als Basiswissen in Sachkunde, Biologie, Sport oder in<br />

sonstigen Fächern vermittelt werden.<br />

41


siehe Kapitel Wahrnehmung<br />

ab Seite 58<br />

URSACHEN<br />

42<br />

><br />

Dem Sozialstatus kommt bei der Entstehung der kindlichen Adipositas<br />

eine entscheidende Bedeutung zu. Faktoren wie Einkommen<br />

und Bildungsstand der Eltern spielen eine ebenso wichtige Rolle<br />

bei der Entstehung und Therapie der Adipositas wie zu wenig<br />

Bewegung und falsche Ernährung [76].<br />

<strong>Kinder</strong> aus unteren sozialen Schichten, die als bildungsfern gelten,<br />

stellen eine Risikogruppe bei der Herausbildung der Adipositas dar.<br />

Der familiäre Risikofaktor ist beachtlich. Familienstudien zur familiären<br />

Häufung der Adipositas zeigten, dass bei einem adipösen<br />

Elternteil 25% der <strong>Kinder</strong> ebenfalls adipös waren. Dabei war<br />

der Einfluss der Mutter mit ca. 32% doppelt so hoch wie der des<br />

Vaters mit ca. 14%. Waren beide Eltern adipös, lag die Adipositasrate<br />

der <strong>Kinder</strong> sogar bei 71% [80;81].<br />

<strong>Kinder</strong> von übergewichtigen Müttern und aus Haushalten mit<br />

einem niedrigen Familieneinkommen haben ein signifikant höheres<br />

Risiko, eine Adipositas auszuprägen. Für diese sozioökonomisch<br />

schwachen Familien gibt es bisher keine wirksame Unterstützung<br />

[79]. Von den Maßnahmen zur Prävention und Therapie<br />

profitieren in der Regel Familien aus mittleren und höheren<br />

Schichten.<br />

Deshalb sollten diese Schüler besondere Aufmerksamkeit vonseiten<br />

der Lehrer erfahren. Diesen Schülern gerecht zu werden, stellt<br />

eine besondere Herausforderung in der Schule [20;64;77;78].<br />

dar<br />

Zusammenfassend weist dies darauf hin, dass Eltern auf die<br />

Gewichtsproblematik angesprochen werden müssen und der Einbezug<br />

der Eltern in alle Maßnahmen zwingend notwendig ist.<br />

Die mangelnde Wahrnehmung der Eltern bezüglich des eigenen<br />

Gewichts und der familiären Situation stellt ein besonderes Problem<br />

dar. Nur über eine ausreichende Wahrnehmung kann sich<br />

Einsicht und Bereitschaft zu Veränderungen entwickeln. Die individuellen<br />

Ressourcen der Familie müssen genutzt werden. Hierzu<br />

bieten sich der Leitfaden für das Elterngespräch und das Modul<br />

Prima Klima an.


Anhang zu Risikogruppen<br />

Eine epidemiologische Studie aus Holland aus dem Jahr 1976<br />

stützt die These der frühkindlichen metabolischen Prägung für Adipositas<br />

und Übergewicht: Es wurde die Prävalenz von Adipositas<br />

bei Männern, deren Mütter zur Zeit der Schwangerschaft einer<br />

Hungersnot ausgesetzt waren, untersucht. Im Vergleich zu einer<br />

Kontrollpopulation war die Adipositasprävalenz nahezu verdoppelt,<br />

wenn die Hungerperiode in die erste Schwangerschaftshälfte<br />

fiel, aber deutlich vermindert bei einer Hungerexposition im letzten<br />

Schwangerschaftsdrittel oder postnatal [82]. Neuere Studien<br />

belegen eine Zunahme der Fettmasse und eine daraus sich entwickelnde<br />

spätere Adipositas bei Neugeborenen, deren Mütter in<br />

der Schwangerschaft nicht körperlich aktiv waren und ein erhöhtes<br />

Körpergewicht aufwiesen [72;83]. Somit sollte die Adipositasprävention<br />

bereits vor der Konzeption beginnen.<br />

Anhang Genetik<br />

In Tierversuchen, aber auch beim Menschen konnten monogene<br />

sowie polygene Formen der Adipositas gefunden werden. Bei der<br />

monogenen Form führt die Veränderung nur einer einzigen Erbanlage<br />

bzw. beider Erbanlagen eines Paares zur extremen Adipositas.<br />

Es konnte belegt werden, dass die sehr seltene rezessive Veränderung<br />

des Leptingens schon bei <strong>Kinder</strong>n zu einer extremen Adipositas<br />

führt und durch eine Leptinsubstitution behandelt werden<br />

kann. Ebenso konnte auch beim Menschen eine Mutation des Leptinrezeptorgens<br />

identifiziert werden, die, rezessiv vererbt, ebenfalls<br />

zur extremen Adipositas führt [8]. Eine weitere rezessive Form der<br />

frühmanifesten Adipositas ist die Mutation im Pro-opiomelanocortingen<br />

(POMC-Gen). Mutationen im Melanocortin-4-Rezeptorgen<br />

werden dominant vererbt. Sie führen ebenso zu einer frühmanifesten<br />

Adipositas [8].<br />

Weitere molekularbiologische Ursachen der Adipositas liegen im<br />

Zusammenspiel mehrerer Erbanlagen (polygener Vererbungsmodus).<br />

Die Empfindlichkeit gegenüber exogenen Faktoren, welche<br />

zur Adipositas führen, werden durch diesen Vererbungsmodus bei<br />

verschiedenen Menschen unterschiedlich beeinflusst. Im Rahmen<br />

eines Genomscreenings wurde ein Gen auf Chromosom 10 lokalisiert,<br />

das bei bis zu 35% aller Erwachsenen mit extremer Adipositas<br />

vorliegen soll. Es dürfte auch für die frühmanifeste Form von<br />

Bedeutung sein [8].<br />

URSACHEN<br />

43


FOLGEN<br />

44<br />

Psychosoziale Folgen von Übergewicht<br />

und Adipositas<br />

Schule und Schulklima, die Interaktion der Schüler untereinander,<br />

aber auch die Interaktion der Schüler mit den Lehrern haben weitreichende<br />

Folgen nicht nur auf das Lern- und Leistungsverhalten<br />

der Schüler, sondern auch auf ihre psychosoziale Befindlichkeit.<br />

Aber diese Wirkung ist nicht einseitig:<br />

Sie als Lehrer werden durch die Probleme der Schüler beeinflusst.<br />

Ist ein Schüler psychosozial belastet, dann ist dieses eine Herausforderungen<br />

für Sie als Lehrer im Umgang mit dem Schüler. Übergewicht<br />

und Adipositas stellen ein gesondertes psychosoziales<br />

Belastungsrisiko dar.


An der folgenden Originalbeschreibung einer 14-jährigen Schülerin<br />

werden die psychosozialen Belastungen deutlich:<br />

„Übergewicht bedeutet für mich weite Hosen, Beschimpfungen<br />

und schlechtes Aussehen. Bei mir sieht ein ganz normaler Tag so<br />

aus, dass ich aufstehe und zur Schule gehe und mir die Beschimpfungen<br />

von Typen anhören muss, wie: ‚Na du fette Sau, heute<br />

schon zehn Hamburger gegessen?’, oder so.<br />

So was macht einen ganz schön fertig, wenn man sich so etwas<br />

anhören muss. Und an solchen Tagen, wo es mir schlecht geht,<br />

futtere ich alles in mich hinein, was ich nur finden kann.<br />

Wenn man Übergewicht hat, muss man beachten, dass man halt<br />

nicht alles in sich hinein futtert, sondern die Sprüche nicht beachtet<br />

– nur leider ist so etwas ganz schön schwer, denn es tut einem<br />

ganz schön weh, wenn man sich alles so was anhören muss.”<br />

Sichtbar und sozial unerwünscht stellt Adipositas ein Stigma dar.<br />

Menschen mit Adipositas sind in der westlichen Gesellschaft häufig<br />

sozialen Vorurteilen, Ablehnung und Ausgrenzungen ausgesetzt.<br />

Und diese Ablehnung scheint noch anzusteigen. Latner und<br />

Stunkard wiederholten 2001 eine Untersuchung aus den 60er-<br />

Jahren: <strong>Kinder</strong>n wurden sechs Silhouetten vorgelegt. Es handelte<br />

sich um die Darstellung eines gesunden Kindes, eines im Rollstuhl,<br />

eines Kindes mit einer Narbe im Gesicht, eines Kindes, dessen linke<br />

Hand fehlte, und eines adipösen Kindes. Die Aufgabe bestand<br />

darin, zu entscheiden, mit welchem der dargestellten <strong>Kinder</strong> man<br />

am liebsten spielen würde und die Silhouetten entsprechend zu<br />

ordnen.<br />

Sowohl in den 60er-Jahren als auch zu Beginn des <strong>neue</strong>n Jahrtausends<br />

nahm das gesunde Kind die erste Stelle ein, das adipöse<br />

Kind mit Abstand die letzte Stelle. Dabei stieg in den letzten 40<br />

Jahren die Ablehnung des adipösen Kindes an, obwohl zeitgleich<br />

die Verbreitung von Adipositas unter <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

enorm angestiegen ist. Dies deutet darauf hin, dass die Zunahme<br />

an adipösen <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen nicht dazu führt, dass diese<br />

<strong>Kinder</strong> besser akzeptiert werden. Im Gegenteil, sie werden noch<br />

stärker abgelehnt [9].<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

45


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

46<br />

Hinzu kommt, dass wir in einer Gesellschaft leben, die noch viel<br />

stärker als vor 40 Jahren betont, dass Menschen schlank sein sollten,<br />

um erfolgreich zu sein. Diese Botschaft ist in den Medien so<br />

allgegenwärtig, dass sich ihr weder Schüler noch Lehrer entziehen<br />

können.<br />

Die betroffenen Schüler werden jedoch nicht nur als Spielkamerad<br />

abgelehnt, sondern auch zugleich als hässlich, dumm, unbeherrscht<br />

oder faul beschrieben [12].<br />

Diese Einstellungen finden sich in allen Alters- und Bevölkerungsschichten<br />

und spiegeln die allgemeine Einstellung in unserer<br />

Bevölkerung wider.<br />

Damit einhergehend werden ökonomische Nachteile und Benachteiligungen<br />

in sozialen Kontexten festgestellt. So finden übergewichtige<br />

Erwachsene, unabhängig von der sozialen Schicht oder<br />

dem Intelligenzniveau, seltener hoch dotierte Jobs oder einen Partner.<br />

Zu den Nachteilen gehört auch, dass sie seltener Zugang zu<br />

einer höheren Schulausbildung haben oder einen Universitätsabschluss<br />

erlangen [10].<br />

Vieles davon ist vermeidbar. Mit den Erkenntnissen über die<br />

psychosozialen Probleme der Betroffenen können Sie als Lehrer<br />

der negativen Schullaufbahn entgegensteuern. Denn Sie als Lehrer<br />

besitzen das besondere Potenzial, diese Schüler rechtzeitig zu<br />

erkennen und zu unterstützen.<br />

Die Daten zeigen, welches Belastungspotenzial Übergewicht und<br />

Adipositas in sich birgt.Warum sind diese Informationen für Sie als<br />

Lehrer wichtig?<br />

Neben dem Bildungsauftrag ist die Unterstützung der sozialen und<br />

emotionalen Entwicklung der Schüler Kernaufgabe eines Lehrers.<br />

Viele Studien belegen, dass sich psychosoziale Belastungen der<br />

Schüler in vielfältiger Weise auf den Schulalltag auswirken.


So ist zum Beispiel die Aufmerksamkeit geringer, die ein Schüler<br />

dem Unterricht widmet, wenn er Probleme mit Mitschülern hat. Sie<br />

trauen sich nicht, sich im Unterricht zu melden, weil sie Angst vor<br />

Verspottungen haben.<br />

Ausgeprägte Ängste haben einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.<br />

Ständige Hänseleien gegenüber einem Mitschüler<br />

im Klassenzimmer stören den Unterricht. Damit gefährden psychosoziale<br />

Probleme auch, dass Sie Ihren Bildungsauftrag angemessen<br />

erfüllen können.<br />

Die Schüler geben ihre Probleme nicht am Schultor ab, sie tragen<br />

sie im wahrsten Sinne des Wortes „mit sich rum”. Viele psychosoziale<br />

Belastungssituationen entstehen direkt in der Schule in Interaktion<br />

mit Mitschülern und Lehrkräften.<br />

Sie als Lehrer profitieren davon, dass es Ihren Schülern gut geht<br />

und die Schüler sich am Unterrichtsgeschehen beteiligen, in<br />

Arbeitsgruppen produktiv zusammenarbeiten, Freude an der Schule<br />

und am Unterricht haben, Schule als einen angenehmen Ort<br />

erleben und sich entsprechend ihren kognitiven Fähigkeiten entwickeln.<br />

Die Schule ist eine Lern- und Lebenswelt. Der Lehrer besitzt das<br />

Potenzial, diese Welt seiner Schüler positiv zu beeinflussen.<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

47


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

*Beispiele für depressive Sypmtome<br />

sind:<br />

• morgens nicht aus dem Bett kommen,<br />

• keine Körperpflege durchführen,<br />

• unkonzentriert sein,<br />

• sich von sozialen Aktivitäten zurückziehen.<br />

48<br />

Stellenwert psychosozialer Belastungen für<br />

übergewichtige und adipöse Schüler<br />

Die psychosozialen Belastungen sind nicht die Ursache für das Entstehen<br />

von Übergewicht und Adipositas, sondern deren Folge.<br />

Dies schließt natürlich nicht aus, dass in Einzelfällen eine depressive<br />

Symptomatik* oder eine Kumulierung von kritischen Lebensereignissen<br />

dazu beigetragen haben, dass das Übergewicht entsteht<br />

[17].<br />

Die weitverbreitete These „Dicke sind gemütlich und frohgemut”<br />

lässt sich nicht halten – das gilt ebenso wenig für andere Stereotype<br />

wie faul oder mangelnde Selbstkontrolle.<br />

Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />

Übergewicht und Adipositas sind körperliche Erkrankungen.<br />

Die beobachteten psychosozialen Auffälligkeiten lassen sich<br />

als Folgeerscheinungen gut erklären.<br />

Das Erleben von sozialer Unterstützung durch Lehrer und die<br />

Mitschüler in der Klasse trägt wesentlich zum psychosozialen<br />

Wohlbefinden der betroffenen Schüler bei.<br />

Im Folgenden sollen detailliert vier Aspekte psychosozialer Belastungen<br />

herausgegriffen werden:<br />

1. Hänseleien, 2. Selbstkonzept, 3. gesundheitsbezogene Lebensqualität,<br />

4. psychische Störungen<br />

1. Hänseleien<br />

Die Erfahrung gehänselt zu werden, ist ein sehr belastendes Erlebnis.<br />

Begriffe wie Bullying oder Hänseln beschreiben Situationen, in<br />

denen eine Person von einer oder mehreren bloß gestellt, schikaniert,<br />

verbal oder gar körperlich angegriffen wird. Dies kann direkt<br />

oder indirekt erfolgen. Direkt durch relativ offensichtliche Angriffe<br />

auf das Opfer (z.B. Beschimpfungen auf dem Schulhof, aber auch<br />

Treten oder Verprügeln), indirekt durch sozialen Ausschluss<br />

oder Verbreitung von Gerüchten (z.B. hinter dem Rücken eines<br />

Schülers in der Klasse ständig tuscheln, wenn der Schüler sich meldet;<br />

im Rahmen von Arbeitsgruppen, den Schüler nicht beteiligen).


Übergewichtige<br />

Schüler erfahren bis<br />

zu drei Mal so<br />

häufig Hänseleien als<br />

normalgewichtige<br />

Mitschüler.<br />

5% berichteten, dass<br />

sie von Lehrern<br />

gehänselt werden.<br />

Schule ist ein Ort, an dem solche Erfahrungen gehäuft gemacht<br />

werden. Hänseleien sind unter <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen sehr<br />

weit verbreitet und die Anlässe breit gestreut – von der Haarfarbe<br />

über die Kleidung und Ausdrucksweise bis hin zur Figur oder zum<br />

sozialen Umfeld, aus dem man kommt. Schüler, die gehäuft gehänselt<br />

werden, berichten von psychosomatischen Beschwerden<br />

(wie Kopf- oder Bauchschmerzen), stärkerer sozialer Isolation und<br />

Ängsten.<br />

In der Schule werden Leistungsabfälle oder sogar Schulschwänzen<br />

beobachtet. Übergewichtige Schüler erfahren bis zu drei Mal so<br />

häufig Hänseleien als normalgewichtige Mitschüler [6;7].<br />

Damit berichten vier von fünf adipösen Schülern über häufige<br />

Hänseleien. Diese erfolgten größtenteils durch Mitschüler, aber<br />

auch Geschwister und Eltern. 5% berichteten, dass sie von Lehrern<br />

gehänselt werden. Hänseleien von Autoritätspersonen wie Lehrern<br />

sind vor allem relevant, da sie von den Schülern als besonders<br />

feindselig wahrgenommen werden [8]. Gewichtsbezogene Hänseleien<br />

gelten nicht nur als Risikofaktor für die Entwicklung<br />

von Esstörungen [17], sondern auch als Risikofaktor für Suizidversuche<br />

[3].<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

49


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

50<br />

Hänseleien stellen somit eine sehr ernst zu nehmende Belastung<br />

im Leben von übergewichtigen und adipösen Schülern dar. Die<br />

tagtäglichen Verspottungen können zu weitreichenden Folgen im<br />

psychosozialen Wohlbefinden führen. Leider werden die Folgen<br />

von Hänseleien oftmals im Alltag unterschätzt und Hänseleien<br />

fälschlicherweise als ein ganz normaler Entwicklungsschritt<br />

gesehen.<br />

So betonten 94% der Lehrer, dass Hänseleien auch gute Seiten<br />

hätten (z.B. jemanden spielerisch über etwas Unangemessenes zu<br />

informieren) [11].


Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />

Ständiges Erleben von Hänseleien kann zu einem deutlichen Leistungsabfall<br />

der betroffenen Schüler bis hin zu einer kompletten<br />

Schulvermeidung führen. Die betroffenen <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

trauen sich nicht mehr an den Ort, wo sie diese ständigen Peinigungen<br />

erfahren.<br />

Hänseleien beeinträchtigen das Klassenklima. Die Schule als Ganzes<br />

muss gegen Hänseleien vorgehen (z.B. Projektwoche zum<br />

Thema, Diskussionsrunde, Vereinbarungen über den Umgang miteinander<br />

etc.).<br />

Reflektieren Sie Ihre eigene Einstellung zum Thema Gewicht. Wie<br />

wichtig ist für Sie Ihr eigenes Körpergewicht? Welchen Stellenwert<br />

nimmt die körperliche Erscheinung für das eigene Wohlbefinden<br />

ein?<br />

Reflektieren Sie mit Ihren Schülern, wie innerhalb der Klasse mit<br />

dem Thema Körpergewicht umgegangen wird. Werden die übergewichtigen<br />

und adipösen Schüler von den Klassenkameraden oder<br />

auf dem Schulhof von anderen gehänselt?<br />

Wie reagieren Sie selbst oder andere Lehrer auf beobachtete Hänseleien?<br />

Das Ignorieren von wiederholten Hänseleien wird von den<br />

Schülern oftmals als Zustimmung empfunden.<br />

Im Sportunterricht sollte ein besonderes Augenmerk auf Hänseleien<br />

gerichtet werden, da diese hier gehäuft zu beobachten sind.<br />

Seien Sie ein Vorbild! Betonen Sie vor allem die Dinge, die der adipöse<br />

Schüler gut gemacht hat. Achten Sie darauf, dass nicht durch<br />

bestimmte sportliche Übungen der Schüler bloß gestellt wird.<br />

Bei der Wahl von Mannschaften sind die übergewichtigen und<br />

adipösen Schüler oft diejenigen, die als Letzte gewählt werden.<br />

Hier können Sie gegensteuern, indem Sie die betroffenen Schüler<br />

die Mannschaften auswählen lassen.<br />

Sportbefreiung eines übergewichtigen Schülers kann ein Zeichen<br />

für erlebte Hänseleien oder auch Schamgefühle beim Sport sein.<br />

Sprechen Sie mit dem Schüler in einer ruhigen Minute darüber. Das<br />

Meiden von sportlichen Aktivitäten, um Hänseleien zu entgehen,<br />

führt nur dazu, dass die Mitschüler unter Umständen noch mehr<br />

lästern und die adipösen Schüler keine Chance haben, sportliche<br />

Fertigkeiten zu erwerben.<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

51


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

52<br />

2. Selbstkonzept<br />

Das Selbstkonzept beschreibt die Theorie über die eigene Person<br />

(z. B. „Ich bin gut in Mathe“ oder „Ich sehe gut aus“). Im Selbstkonzept<br />

finden bereichsspezifische Beschreibungen und Bewertungen<br />

der eigenen Person statt.<br />

Diese verschiedenen Beschreibungen und Bereiche können<br />

folgendermaßen unterschieden werden:<br />

Die athletische Kompetenz:<br />

„Ich bin schlecht in Sport.”<br />

Die schulische Kompetenz:<br />

„Ich bin gut in Deutsch.”<br />

Die körperliche Attraktivität:<br />

„Ich sehe gut aus.”<br />

Das selbstsichere Verhalten:<br />

„Ich weiß, wie ich mich gegenüber meinen<br />

Lehrern benehmen soll.”<br />

Die soziale Akzeptanz:<br />

„Lehrer und Mitschüler mögen mich.”<br />

Das Konzept, das jemand von sich selbst hat, hat direkte Auswirkungen<br />

auf Wohlbefinden und Verhalten:<br />

Wenn ich glaube, gut in Mathe zu sein, dann werde ich mich mehr<br />

anstrengen. Ich werde angesichts schlechterer Noten nicht resignieren,<br />

sondern kontinuierlich mitarbeiten. Glaube ich dies nicht,<br />

werde ich mich auch weniger anstrengen. Meine schlechte Note<br />

bestätigt, was ich schon wusste.<br />

Das Selbstkonzept bildet sich in der sozialen Auseinandersetzung<br />

mit anderen Personen (z.B. verbale Rückmeldungen) und durch<br />

soziale Vergleiche (z.B. Wo stehe ich im Vergleich zu anderen?)<br />

aus. Negative Rückmeldungen und deren Verinnerlichung können<br />

zu einem negativen Selbstkonzept bei übergewichtigen und adipösen<br />

Schülern führen.


Dies gilt jedoch nicht für alle Bereiche des Selbstkonzepts [14]. Am<br />

deutlichsten zeigen sich im Vergleich zu normalgewichtigen Schülern<br />

Einbußen in der athletischen Kompetenz und der körperlichen<br />

Attraktivität [5]. So gehören Einschränkungen im Sport und negative<br />

Erlebnisse im (Schul-) Sport zu den häufigsten Erfahrungen<br />

übergewichtiger und adipöser <strong>Kinder</strong> und Jugendlicher [15].<br />

Die Einschränkung der wahrgenommenen Attraktivität ist ebenfalls<br />

nachvollziehbar, da Übergewicht und Adipositas dem gängigen<br />

Schönheitsideal nicht entsprechen. Diesem Schönheitsideal<br />

wollen auch die adipösen Schüler in besonderem Maße nachkommen.<br />

In anderen Bereichen – wie der Einschätzung der sozialen<br />

Kompetenz, der sozialen Einbindung oder der schulischen Leistungsfähigkeit<br />

– finden sich nur selten Einbußen.<br />

Zusammenfassend kann man sagen: Bei übergewichtigen und adipösen<br />

Schülern ist in Teilbereichen durchaus mit Einschränkungen<br />

des Selbstkonzeptes zu rechnen, welche sich negativ auf die Schulleistung<br />

auswirken.<br />

Wichtig ist, dass man jeden Schüler individuell betrachtet – pauschal<br />

gibt es nicht den übergewichtigen oder adipösen Schüler.<br />

Der Lehrer hat die Möglichkeit, durch gezielte Rückmeldungen das<br />

Selbstkonzept der übergewichtigen und adipösen Schüler zu verbessern.<br />

So kann der Sportlehrer z. B. die Anstrengungsbereitschaft<br />

des Schülers mit in die Note einbeziehen. Generell sollte im Unterricht<br />

das bereits Erreichte, das Positive in den Vordergrund gestellt<br />

werden (z.B. Ich sehe, Du hast Dir damit Mühe gegeben und hast<br />

Dich um einiges verbessert).<br />

Der Vergleich mit dem individuellen Leistungsniveau des einzelnen<br />

Schülers, nicht mit dem Klassenstand, ist besonders motivierend.<br />

Die Schüler sollen auch erfahren, dass sie nicht insgesamt als Person<br />

abwertet werden. Auch Sie als Lehrer bewerten und beurteilen<br />

nur einen Teilbereich der Person, z.B. die Leistungsfähigkeit in<br />

Mathematik. Ein positives Selbstkonzept ist eine Ressource und<br />

hilft uns stressreiche Lebensereignisse zu meistern. Ein negatives<br />

Selbstkonzept kann zu psychischen Störungen (wie z.B. Angststörungen<br />

oder Depression, siehe Psychische Störungen, Seite 56)<br />

führen.<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

53


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

54<br />

Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />

Achten Sie auf Kompetenzen des Schülers.<br />

Stellen Sie Aufgaben, die übergewichtige und adipöse Schüler<br />

auch bewältigen können. Erfolgserlebnisse sind ganz wichtig,<br />

um ein positives Selbstkonzept aufzubauen.<br />

Geben Sie positive, individuelle Rückmeldungen. Ein positives<br />

Selbstkonzept trägt dazu bei, dass die Schüler sich verstärkt<br />

schulisch engagieren und eine höhere Leistungsfähigkeit erzielen.<br />

Achten Sie auf Anzeichen, die auf ein negatives Selbstwertgefühl<br />

hindeuten. Verallgemeinerungen oder absolute Aussagen<br />

(z.B. „Ich kann das nicht”) müssen als Warnsignale gelten.


3. Lebensqualität übergewichtiger und adipöser<br />

<strong>Kinder</strong> und Jugendlichen<br />

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität bezieht sich auf mögliche<br />

funktionale Einschränkungen im Alltag und berücksichtigt verschiedene<br />

Bereiche wie emotionales, soziales und körperliches<br />

Wohlbefinden. Studien zeigen, dass die Lebensqualität übergewichtiger<br />

und adipöser Schüler geringer ist als die ihrer normalgewichtigen<br />

Mitschüler. Bei adipösen <strong>Kinder</strong>n scheint diese sogar<br />

vergleichbar mit der Lebensqualität von krebskranken <strong>Kinder</strong>n und<br />

Jugendlichen [4;17;16].<br />

Auch hier gilt wieder: Übergewichtige und adipöse Schüler in<br />

Behandlung haben die geringste Lebensqualität. Je höher das<br />

Gewicht eines Schülers, desto geringer scheint auch seine Lebensqualität<br />

zu sein [13].<br />

Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />

Viele übergewichtige und adipöse Schüler sind in der gesundheitsbezogenen<br />

Lebensqualität eingeschränkt. Dies bedeutet,<br />

dass sich die Schüler in ihren schulischen, sozialen, emotionalen<br />

und körperlichen Funktionen eingeschränkt fühlen.<br />

Die größten Einschränkungen betreffen die körperliche Aktivität.<br />

Die <strong>Kinder</strong> und Jugendlichen meiden Sport oft generell.<br />

Es entsteht ein Teufelskreis aus mangelnder Übung – negativer<br />

Erfahrung – anschließender Meidung. Dieser ist dann nur noch<br />

sehr schwer zu durchbrechen.<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

55


PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

56<br />

4. Psychische Störungen<br />

Die genaue Grenze zwischen gesund und gestört ist oftmals<br />

schwer zu ziehen und kann auch nur von entsprechend ausgebildeten<br />

Personen (wie Psychiatern oder Psychologen) nach Diagnosekriterien<br />

getroffen werden.<br />

Unter einer psychischen Störung versteht man, dass das Verhalten<br />

und /oder Erleben einer Person abnorm ist und /oder zu einer<br />

Beeinträchtigung führt.<br />

Als abnorm werden u.a. Verhaltens- und Erlebnisweisen<br />

betrachtet, die z.B.<br />

• sehr selten auftreten,<br />

• stark persistieren,<br />

• nicht allein durch widrige Lebensumstände erklärbar sind,<br />

• in vielen verschiedenen Situationen beobachtbar sind und<br />

sehr häufig und intensiv auftreten.<br />

Es würde z.B. nicht ausreichen, wenn ein Schüler Anzeichen von<br />

Angst (wie Schwitzen, Erröten oder Stottern) gegenüber einem<br />

Lehrer zeigt, dieses Verhalten aber im Umgang mit anderen Lehrern<br />

nicht auftritt, um von einer Angststörung zu sprechen. Es müssen<br />

zudem viele weitere Anzeichen von Angst hinzutreten (wie<br />

z.B. angstbezogene Gedanken) und diese müssten häufiger und<br />

intensiver als bei anderen Schülern anzutreffen sein.<br />

Des Weiteren verursachen die abnormen Erlebens- und Verhaltensweisen<br />

persönliches Leiden und wirken sich negativ auf soziale<br />

Funktionen sowie auf die schulische Leistungsfähigkeit aus. Beispiele<br />

hierfür sind: erhöhte Schulfehltage, Probleme mit Mitschülern<br />

und/oder Lehrern etc.


Bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen mit Adipositas treten psychische<br />

Störungen gehäuft auf. Rund 30% der übergewichtigen und adipösen<br />

Schüler, die sich wegen ihres Gewichts in Behandlung<br />

befanden, weisen psychische Störungen auf. Diese Schüler haben<br />

vor allem Ängste und depressive Verstimmungen, aber auch starke<br />

Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen (siehe Hänseleien).<br />

Schaut man sich die unbehandelten übergewichtigen und adipösen<br />

Schüler an, unterscheiden sich diese Schüler allerdings nicht<br />

von einer normalgewichtigen Schülergruppe [1;2]. Das deutet darauf<br />

hin, dass nicht jedes übergewichtige oder adipöse Kind unter<br />

psychischen Störungen leidet.<br />

Generell gilt, dass Schüler mit einer psychischen Störung professionelle<br />

Hilfe brauchen. Sprechen Sie den Schulpsychologen oder<br />

Beratungsstellen vor Ort an, die den betroffenen Schülern und<br />

deren Eltern weitere Hilfestellung geben können.<br />

Was sollten Sie als Lehrer wissen und beachten?<br />

Psychische Störungen sind vor allem bei den Schülern zu<br />

beobachten, die sich wegen ihres Gewichts in Behandlung<br />

begeben. Die unbehandelten Schüler unterscheiden sich meist<br />

nicht von den normalgewichtigen Schülern.<br />

Am häufigsten beobachtet man bei übergewichtigen und adipösen<br />

<strong>Kinder</strong>n Ängste, sozialen Rückzug und depressive Reaktionen.<br />

<strong>Kinder</strong>, die gehäuft ausgeprägte Hänseleien im schulischen wie<br />

in anderen Lebenskontexten erfahren, weisen ein besonderes<br />

Risiko für psychische Störungen auf.<br />

PSYCHOSOZIALE FOLGEN<br />

57


Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />

bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

WAHRNEHMUNG<br />

58<br />

Die körperliche und seelische Verfassung eines Kindes beeinflussen<br />

dessen schulische Leistungsfähigkeit. Daher müssen Einschränkungen<br />

frühzeitig erkannt werden. Übergewicht und Adipositas<br />

können aufgrund der damit einhergehenden körperlichen und psychischen<br />

Belastungen die schulische Leistungsfähigkeit reduzieren.<br />

Bevor jedoch etwas gegen ein vorliegendes Gewichtsproblem<br />

unternommen werden kann, müssen die betroffenen Schüler, aber<br />

vor allem auch ihre Eltern erkennen, dass es sich um ein problematisches,<br />

gesundheitsgefährdendes Gewicht handelt (die sogenannte<br />

Risikowahrnehmung). Selbst für Lehrer ist es nicht ganz einfach<br />

einzuschätzen, ob ein problematisches Übergewicht oder gar Adipositas<br />

vorliegt.


Die Wahrnehmung von Übergewicht eines Schülers und die darauffolgenden<br />

Handlungsentscheidungen (z.B. die Eltern oder den<br />

Schüler darauf anzusprechen oder konkrete Hilfsangebote zu<br />

unterbreiten) sind ein mehrstufiger Prozess. Der erste Schritt ist die<br />

Einschätzung, ob Übergewicht oder gar Adipositas vorliegt. Allein<br />

schon bei dieser Einstufung unterliegt unsere Wahrnehmung<br />

Fehlern. In der folgenden Abbildung sehen Sie alters- und<br />

geschlechtsspezifische Körpersilhouetten, wie sie oftmals Eltern<br />

und <strong>Kinder</strong>n zur Beurteilung des Körpergewichts vorgelegt werden.<br />

Welche Figur ist in Ihren Augen normalgewichtig?<br />

Auf die Einschätzung des Gewichtsstatus folgt die Beurteilung, ob<br />

das Gewichtsproblem des Schülers Auswirkungen auf den schulischen<br />

Alltag oder das pädagogische Handeln des Lehrers hat.<br />

Diese Einschätzungen nehmen Einfluss darauf, ob und wie Sie als<br />

Lehrer, Eltern und Schüler auf diese Problematik ansprechen. Im<br />

Folgenden wird kurz dargestellt, wie Wahrnehmungsprozesse<br />

generell funktionieren und welche Fehler uns dabei unterlaufen.<br />

WAHRNEHMUNG<br />

Fig. 1 Fig. 2 Fig. 3 Fig. 4 Fig. 5 Fig. 6<br />

Vorschulkinder<br />

Schulkinder<br />

Jugendliche<br />

Abbildung modifiziert nach: Deutsche Gesellschaft für<br />

Ernährung e. V. (1984). Ernährungsbericht, S. 117,<br />

Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: Frankfurt a. M.<br />

Fig. 1 = untergewichtig<br />

Fig. 2 = sehr schlank<br />

Fig. 3 = schlank<br />

Fig. 4 = normalgewichtig<br />

Fig. 5 = übergewichtig<br />

Fig. 6 = adipös<br />

59


WAHRNEHMUNG<br />

60<br />

Wahrnehmung als aktiver Prozess und<br />

mögliche Fehlerquellen<br />

Wahrnehmung ist ein aktiver Prozess, d.h., unsere Sinneseindrücke<br />

werden im Gehirn weiter verarbeitet. Unsere Sinneseindrücke spiegeln<br />

somit keine objektive Welt wider, sondern sind das Ergebnis<br />

eines komplexen, subjektiven Verarbeitungsprozesses. Dies ist in<br />

vielen Bereichen unseres Lebens unproblematisch, da wir uns in<br />

aller Regel darauf einigen können, dass die Wiese grün und der<br />

Himmel blau ist.<br />

In einigen Lebensbereichen unterlaufen den meisten Menschen<br />

jedoch systematische Wahrnehmungsfehler. Dieser Wahrnehmungsfehler<br />

sollten sich Lehrer bei der Einschätzung ihrer Schüler<br />

und insbesondere der Bewertung, ob ein problematischer<br />

Gewichtsstatus vorliegt, bewusst sein.<br />

Was sind die wichtigsten Fehler, die man beobachten kann?<br />

Hierzu zählen:<br />

Erwartungseffekte:<br />

Unsere Erwartungen bestimmen zu einem Großteil unsere Wahrnehmung.<br />

Man nennt diesen Effekt auch self-fulfilling prophecy.<br />

Der Sportlehrer hat vielleicht die Erwartung, dass das übergewichtige<br />

und adipöse Kind nicht gerne Fußball spielt und stellt es daher<br />

ins Tor, wo es sich nicht so viel bewegen muss. Solche Erwartungen<br />

können z.B. dazu führen, dass übergewichtige und adipöse <strong>Kinder</strong><br />

nicht entsprechend gefördert und die Schüler demotiviert werden.<br />

Dabei muss es nicht unbedingt schlechter sein – unter Umständen<br />

werden die besseren Mitschüler nur besser motiviert. Mit der Zeit<br />

können sich dann aber durchaus Leistungsdefizite bei demotivierten<br />

Schülern aufbauen, weil sie sich nicht anstrengen, bessere<br />

Leistungen zu erbringen.


Kontrasteffekte:<br />

Auch direkte Vergleiche beeinflussen die Wahrnehmung. Unsere<br />

Einschätzungen sind häufig von unseren eigenen Erfahrungen<br />

abhängig. So bewerten Sie ein Kind mit einem höheren Gewicht<br />

womöglich dicker, wenn es direkt neben einem sehr schlanken<br />

Kind in der Klasse sitzt. Das gleiche Kind würde innerhalb einer<br />

Gruppe kräftiger <strong>Kinder</strong> vielleicht überhaupt nicht auffallen. (Hinweis:<br />

Denken Sie an Ihre Erfahrung mit der vorherigen Abbildung<br />

zu den Körpersilhouetten.) Diese Erfahrungen verändern sich mit<br />

der Zeit. Begegnen uns zunehmend mehr übergewichtige und adipöse<br />

Schüler, halten wir das für normal. So kann sich die Grenze<br />

der Einschätzung, ob jemand übergewichtig bzw. adipös oder normalgewichtig<br />

ist, langsam nach oben verschieben.<br />

Natürlich vergleichen wir andere Personen auch mit unserem eigenen<br />

Erscheinungsbild. Ist man selbst sehr schlank, fällt die<br />

Gewichtsbeurteilung anderer Menschen negativer aus (leicht moppelig,<br />

zu dick), als wenn man selber eher leicht übergewichtig<br />

ist [6]. Ist man selbst übergewichtig, will man vielleicht aus emotionalen<br />

Gründen (z.B. Ich möchte nicht auf mein eigenes Übergewicht<br />

angesprochen werden. Da sagen die Eltern vielleicht:<br />

„Gucken Sie sich doch mal selbst an.”) das Übergewicht des<br />

Schülers nicht ansprechen.<br />

Hofeffekte (Haloeffekte):<br />

Hier überstrahlt ein wichtiges, zentrales Merkmal (z.B. die körperliche<br />

Erscheinung) den Gesamteindruck einer Person. Die anderen<br />

Eindrücke treten in den Hintergrund. So zeigen Studien, dass adipöse<br />

Personen häufig spontan als dumm, hässlich und faul eingestuft<br />

werden [12]. Übergewicht und Adipositas strahlen negativ<br />

auf die Einschätzung der Leistungsbereitschaft und der Leistungsfähigkeit<br />

des Schülers aus.<br />

Dieser Hofeffekt hat natürlich auch Auswirkungen auf den Unterricht:<br />

Schüler, die als weniger leistungswillig angesehen werden,<br />

kommen unter Umständen seltener im Unterricht zu Wort und sind<br />

in Folge dessen demotiviert. Sie melden und beteiligen sich immer<br />

weniger. Ein Teufelskreis schließt sich (siehe self-fulfilling prophecy).<br />

WAHRNEHMUNG<br />

61


WAHRNEHMUNG<br />

62<br />

Mangelnde Kenntnis/Unwissenheit:<br />

Unser Wissen bzw. unsere Erfahrungen haben einen entscheidenden<br />

Einfluss auf unsere Wahrnehmung. So kann ein Eskimo ungefähr<br />

hundert verschiedene Arten von Schnee unterscheiden. Allein<br />

die Tatsache, dass heutzutage in den Medien darüber geredet wird,<br />

dass immer mehr Schüler bereits übergewichtig oder adipös sind,<br />

schärft unser Bewusstsein:<br />

Wir beobachten genauer und erkennen früher, dass ein Kind zu<br />

viele Pfunde hat. Gerade bei jungen <strong>Kinder</strong>n ist dies aber oftmals<br />

sehr schwierig. So werden übergewichtige Vorschulkinder oftmals<br />

als süß und knuddelig wahrgenommen. Das Kind müsse ja etwas<br />

zum Zusetzen haben und schließlich wachse sich das ja aus. Hier<br />

paart sich das mangelnde Wissen darüber, woran man ein übergewichtiges<br />

oder adipöses Kind erkennen kann mit falschen oder<br />

fehlenden Informationen über das Fortbestehen der Adipositas<br />

(vgl. Kapitel Ursachen von Übergewicht und Adipositas).<br />

Dies führt dazu, dass – selbst wenn das Kind als übergewichtig<br />

oder adipös erkannt wird – dies nicht als problematisch eingestuft<br />

wird. Es erfolgen keine weiteren Schritte vonseiten der Eltern oder<br />

der Lehrer [1].


Für Sie als Lehrer ist Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unsere Beobachtun-<br />

dabei nicht nur relevant, gen einer Reihe von Fehlern unterliegen. Für Sie als Lehrer ist dabei<br />

dass bereits die Einstu- nicht nur relevant, dass bereits die Einstufung des Gewichtsstatus<br />

fung des Gewichtsstatus eines Schülers schwierig sein kann. Ebenso wichtig ist die Erkennt-<br />

eines Schülers schwierig nis, dass das Gewicht eines Schülers auch Auswirkungen auf die<br />

sein kann. Ebenso wich- Einschätzung seiner schulischen Leistungsfähigkeit hat. Ist man<br />

tig ist die Erkenntnis, sich solcher Einflüsse bewusst, dann wird man in der Lage sein,<br />

dass das Gewicht eines sein eigenes Urteil kritisch zu hinterfragen. Hilfreich ist der Aus-<br />

Schülers auch Auswirtausch mit den Kollegen in der Schule. Jeder kann sein spezielles<br />

kungen auf die Einschät- Wissen über Adipositas und seine Beobachtungen zu einem Schüzung<br />

seiner schulischen ler beitragen. Durch das Zusammentragen verschiedener Sichtwei-<br />

Leistungsfähigkeit hat.<br />

sen können einseitige Einschätzungen der Leistungsbereitschaft<br />

und des Leistungsvermögens eines Schülers verhindert werden.<br />

Einschätzung des Gewichtsstatus<br />

Bislang liegen keine Informationen darüber vor, wie gut Lehrer den<br />

Gewichtsstatus von Schülern einschätzen können. Es gilt, sich darauf<br />

zu konzentrieren, was über die Wahrnehmung von Eltern über<br />

den Gewichtsstatus ihres Kindes bekannt ist. Das Wissen um die<br />

Einschätzung von Eltern ist für einen adäquaten Umgang mit<br />

betroffenen Eltern in Elterngesprächen relevant.<br />

Vielen Eltern fällt es schwer, den Gewichtsstatus ihres Kindes richtig<br />

einzuschätzen (d.h., ob es über- oder normalgewichtig ist).<br />

Besonders ausgeprägt ist dies bei Eltern übergewichtiger und<br />

adipöser <strong>Kinder</strong> [4] – lediglich 10% schätzen den Gewichtsstatus<br />

ihres Kindes richtig ein. Im Vergleich dazu liegt der Anteil bei Eltern<br />

normalgewichtiger <strong>Kinder</strong> bei 60%.<br />

WAHRNEHMUNG<br />

63


WAHRNEHMUNG<br />

64<br />

Die Einschätzung fällt insbesondere bei Vorschulkindern und Jungen<br />

schwer. Hier zeigt sich unter Umständen eine Akzeptanz oder<br />

Gewöhnung der Eltern gegenüber dem Übergewicht ihrer <strong>Kinder</strong>.<br />

Außerdem zeigt sich, dass viele Eltern ein dickes Kind mit Attributen<br />

wie gesund etc. verbinden. Während ein schlankeres Kind<br />

Ausdruck dafür sei, dass man sich nicht richtig um das Kind gekümmert<br />

habe [2].<br />

Gerade Eltern mit einem niedrigen Bildungsstand und mit Übergewicht<br />

unterschätzen das Gewichtsproblem ihres Kindes [3;7].<br />

Sozial benachteiligte Eltern zeigen unter Umständen wenig Verständnis,<br />

wenn sie auf das Gewichtsproblem ihres Kindes angesprochen<br />

werden, möglicherweise weil sie viele andere Probleme<br />

haben. Hier ist es ganz wichtig, im Gespräch mit den Eltern die<br />

soziale Situation der Eltern (und damit auch ihres Schülers) zu<br />

berücksichtigen.<br />

Mit zunehmendem Alter der Schüler ist auch deren Selbstbeurteilung<br />

für ihre Handlungen relevant. Gewicht und körperliche<br />

Erscheinung spielen für Jugendliche eine sehr wichtige Rolle und<br />

sind ein sensibler Bereich. Viele Jugendliche empfinden sich als<br />

zu dick, ohne dass dies tatsächlich der Fall ist. Die Unzufriedenheit<br />

mit dem Gewicht und der Versuch abzunehmen ist vor allem unter<br />

übergewichtigen Mädchen sehr weit verbreitet [11].


Übergewichtige Jungen hingegen schätzen sich oftmals nicht als<br />

übergewichtig ein [5].<br />

Goodman et al.[5] fanden heraus, dass nur ein Drittel der übergewichtigen<br />

Jungen sich selbst so einstufen. Sowohl Mädchen als<br />

auch deren Mütter können den Gewichtsstatus besser einschätzen<br />

als Jungen und deren Mütter [8]. Dabei spielt das geschlechtsspezifische<br />

Schönheitsideal eine Rolle. Jungen dürfen durchaus kräftiger<br />

(und muskulöser) sein, während Mädchen sehr schlank sein<br />

müssen. Bei der Gewichtseinschätzung sollten Lehrer sich diesen<br />

geschlechtsspezifischen Schönheitsidealen und den damit verbundenen<br />

Verzerrungstendenzen – denen sie selber unterliegen –<br />

bewusst sein.<br />

Wahrnehmung der Risiken und gesundheitlichen<br />

Folgeschäden von Übergewicht und Adipositas<br />

Das Wissen um die <strong>Gesundheit</strong>sgefährdung durch ein erhöhtes<br />

Gewicht ist entscheidend für die Bereitschaft der Eltern und des<br />

Schülers, auf ein Gesprächsangebot von Ihnen als Lehrer einzugehen<br />

und auch weiterführende Schritte (z.B. die Teilnahme an einem<br />

Gewichtskontrollprogramm oder einer speziellen Sportgruppe in<br />

der Schule) zu unternehmen.<br />

Die psychosozialen Risiken und medizinischen Folgen des Übergewichts<br />

und der Adipositas werden von Eltern deutlich unterschätzt.<br />

So glauben nur wenige Eltern übergewichtiger und adipöser Schüler,<br />

dass ihre <strong>Kinder</strong> Probleme mit Gleichaltrigen haben oder sich<br />

das Gewicht negativ auf den Selbstwert auswirkt, obwohl dies die<br />

häufigsten psychosozialen Belastungen sind [9]. Ähnlich ist die<br />

Situation, wenn es um die medizinischen Konsequenzen des Übergewichts<br />

ging. So stellten Rich et [10] al. fest, dass nur ein Drittel<br />

der Eltern konkrete medizinische Folgen benennen konnten und<br />

meist davon ausgingen, dass sich das Problem schon auswachse.<br />

Heute weiß man, dass aus übergewichtigen <strong>Kinder</strong>n auch übergewichtige<br />

Erwachsene mit zahlreichen gesundheitlichen Schäden<br />

werden.<br />

Mit dem Wissen um diese fehlerhafte Wahrnehmung der Betroffenen<br />

und der Fachkunde aus den anderen Kapiteln dieses Moduls<br />

besteht die Möglichkeit die Wahrnehmung zu objektivieren.<br />

WAHRNEHMUNG<br />

65


WAHRNEHMUNG<br />

66<br />

Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />

in der Schule<br />

Übergewicht und Adipositas sind keine isolierten Gewichtsprobleme,<br />

sondern haben weit reichende Konsequenzen für den Schulalltag.<br />

Menschen, die übergewichtig oder adipös sind, werden in<br />

unserer Gesellschaft stigmatisiert – egal, ob sie Schüler oder Lehrer<br />

sind. In unserer Wahrnehmung sind Übergewicht und Adipositas<br />

fälschlicherweise – wie bereits erwähnt – mit vielen anderen<br />

negativen Attributen verbunden. Gerade diese Fehlschlüsse sind<br />

es, die besondere pädagogische Relevanz haben. Die Verknüpfung<br />

mit negativen (Leistungs-) Attributen findet man in allen Bevölkerungsschichten,<br />

d.h. auch bei den Schülern untereinander und<br />

natürlich auch unter Lehrern. Alles spricht dafür, dass Sie als Lehrer<br />

präventiv tätig werden, damit solche negativen Schulkarrieren<br />

erst gar nicht entstehen.<br />

Die Einschätzung des Gewichtsstatus ist schwierig und<br />

gelingt vielen Eltern nicht. Was unterscheidet ihre Risikoeinschätzung<br />

als Lehrer von der der Eltern?<br />

Zunächst sind Sie nicht so emotional involviert wie die Eltern.<br />

Während Eltern sich Gedanken darüber machen, wie es zu dem<br />

Übergewicht oder zur Adipositas ihres Kindes gekommen ist und<br />

welche Rolle sie selbst dabei spielen (eventuell Schuldgefühle oder<br />

bereits erlebte Schuldzuweisungen), können Sie als außen stehende<br />

Person mit entsprechenden Kenntnissen die Situation objektiver<br />

beurteilen.<br />

Im Gegensatz zu den Eltern sehen Sie viele verschiedene <strong>Kinder</strong><br />

gleichen Alters und gleichen Geschlechts – d.h., Sie verfügen über<br />

eine Vergleichsgruppe. Diese Möglichkeit haben nur wenige<br />

Berufsgruppen (z.B. <strong>Kinder</strong>ärzte).<br />

Als Lehrer beobachten Sie die Entwicklung eines Kindes: Sie sehen<br />

eine Veränderung des Gewichtsstatus, der anderen Menschen gar<br />

nicht auffällt. Diese Aspekte verdeutlichen, warum Ihnen als Lehrer<br />

oftmals als Erster auffällt, dass ein <strong>Gesundheit</strong>sproblem vorliegt.


Zusammenfassend sind folgende Aspekte der Wahrnehmung<br />

für Sie als Lehrer im Umgang mit dem Schüler und im<br />

Gespräch mit den Eltern wichtig:<br />

Beachten Sie, dass unsere Wahrnehmung und Beurteilung Fehlern<br />

und Verzerrungen unterliegen. Das Wissen um solche Fehler<br />

bedeutet nicht, dass Ihnen als Lehrer diese nicht unterlaufen!<br />

Hinterfragen Sie im Vorfeld Ihre eigenen Einstellungen zum Körpergewicht<br />

sowie Ihre Theorien zur Entstehung von Übergewicht<br />

und Adipositas.<br />

Viele Eltern nehmen die weitreichenden medizinischen, psychosozialen<br />

und schulischen Konsequenzen von Übergewicht und Adipositas<br />

nicht wahr.<br />

Das Gewicht des Kindes ist immer ein sehr sensibler Bereich für die<br />

Eltern. Wenn man Eltern auf das Gewicht ihres Kindes anspricht,<br />

trifft man nicht nur eine Aussage über das Gewicht des Kindes,<br />

sondern – vor allem in der Wahrnehmung der Eltern – über ihr<br />

Erziehungs- und Ernährungsverhalten. Das kann dazu führen, dass<br />

Eltern sich angegriffen fühlen. Daher sollten Sie diesen Bereich<br />

besonders sensibel und vorsichtig ansprechen.<br />

WAHRNEHMUNG<br />

67


Wie kann man Übergewicht und Adipositas<br />

ansprechen?<br />

Anregungen für einen Gesprächsleitfaden für<br />

Eltern-Gespräche<br />

GESPRÄCHS-<br />

LEITFADEN<br />

68<br />

In welcher Schule gibt es sie nicht? Den übergewichtigen Schüler,<br />

der dank seiner Körpermasse die Mitschüler dirigiert und Konflikte<br />

auf körperlicher Ebene austrägt. Sein Übergewicht garantiert ihm<br />

den Erfolg. Die übergewichtige Schülerin, die ständig versucht, in<br />

der Klasse nicht aufzufallen, obwohl ihre Körperfülle immer wieder<br />

Anlass dafür bietet. Der dicke Schüler im Sportunterricht, der beim<br />

Umziehen schon die ersten peinlichen Momente hinter sich bringen<br />

muss. Er kämpft sich schwitzend und mit hochrotem Kopf<br />

durch den Sportunterricht und muss sich bei allen Spielen und<br />

Übungen viel mehr anstrengen als seine normalgewichtigen<br />

Mitschüler. Doch alles Anstrengen nützt nichts, wenn es dann ans<br />

Klettern, Hangeln oder Überwinden von Hindernissen geht. Spätestens<br />

dann gerät der Schüler an seine übergewichtsbedingten<br />

Grenzen.


Dies sind nur drei Beispiele für die Auswirkungen, die Übergewicht<br />

im Schulunterricht haben kann. Die eine oder andere Facette<br />

kommt Ihnen aus Ihrem Schulalltag sicher bekannt vor.<br />

Wahrscheinlich haben Sie schon mehr als einmal überlegt, wie Sie<br />

einem solchen Schüler helfen können. Der erste Schritt ist ein<br />

Gespräch mit den Eltern. Grundlegende methodische Kompetenzen<br />

für Elterngespräche sind für Sie in dem Leitfaden Die Klima><br />

konferenz aus dem Handbuch Prima Klima zusammengefasst. Dieser<br />

Leitfaden soll Ihnen helfen, konkret zu dem Thema Adipositas<br />

die Eltern und Ihren Schüler anzusprechen.<br />

Die Vorbereitung für das Elterngespräch<br />

Inhaltliche Vorbereitung<br />

Insbesondere bei Elterngesprächen, in denen belastende Themen<br />

angesprochen werden, ist eine gründliche Vorbereitung nötig.<br />

Hierzu bietet sich die Lektüre der einzelnen Kapitel des Handbuches<br />

<strong>Schwere</strong> <strong>Zeiten</strong> … <strong>neue</strong> <strong>Wege</strong> ... an.<br />

Vor allem behalten Sie einen ressourcenorientierten Blick. Beach- ><br />

ten Sie, dass auch dicke <strong>Kinder</strong> in anderen Bereichen Stärken<br />

haben, die sie möglicherweise auch als Stärkung ihres Selbstbewusstseins<br />

zur Überwindung ihrer Adipositas nutzen können.<br />

Im Folgenden soll dargestellt werden, mit welchen Problemen Sie<br />

im Gespräch mit den Eltern konfrontiert sein könnten und wie Sie<br />

diese lösen können.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Die Klimakonferenz<br />

www.bertelsmann-stiftung.de/verlag<br />

www.anschub.de<br />

Modul Schatzsuche<br />

www.anschub.de<br />

69


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

70<br />

Die Wahrnehmung von Übergewicht und Adipositas<br />

Es kann sein, dass die Eltern das Problem noch gar nicht wahrgenommen<br />

haben und so die Notwendigkeit eines Gesprächstermins<br />

nicht verstehen. In dem vorangegangen Kapitel zur Wahrnehmung<br />

besteht für Sie die Möglichkeit, sich über diese Problematik zu<br />

informieren, damit Sie das Thema möglichst unverzerrt ansprechen<br />

können. Erklären Sie den Eltern, warum Sie dieses Thema mit ihnen<br />

besprechen. Was ist Ihre Motivation und welches sind Ihre Ziele?<br />

Was steckt dahinter? Geht es Ihnen um das Wohlbefinden des<br />

Schülers in der Klasse und die Steigerung der schulischen Motivation?<br />

Ihre Kompetenz als Lehrer<br />

Möglicherweise sehen die Eltern nicht den Lehrer, sondern den Sie sehen den Schüler<br />

Arzt als kompetenten Ansprechpartner für dieses Thema. und seine durch Übergewichthervorgerufe-<br />

Ihre Kompetenz für dieses gesundheitliche Thema wird angenenBeeinträchtigunzweifelt. Diesbezüglich können Sie sich in dem Kapitel Ursagen täglich. Darum ist<br />

chen von Übergewicht und Adipositas fachkundig machen. es wichtig, dass Sie<br />

Darüber hinaus sind Sie als Lehrer in einer besonderen Position.<br />

Sie sehen den Schüler und seine durch Übergewicht hervorgerufenen<br />

Beeinträchtigungen täglich.<br />

aktiv werden.<br />

Darum ist es wichtig, dass Sie aktiv werden. Viele Schulkinder<br />

nehmen die Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt nicht<br />

mehr wahr und viele Ärzte sprechen das Problem Übergewicht<br />

nicht an.


Die Position der Eltern<br />

Schuldgefühle:<br />

Es kann sein, dass die Eltern dem Gespräch negativ gegenüberstehen<br />

und sich mit Schuldzuweisungen konfrontiert oder in ihrer<br />

elterlichen Kompetenz angezweifelt sehen.<br />

„Ich fühle mich wie beim Beichten!“<br />

„Ist mein Kind nicht gut genug?“<br />

„Bin ich nicht gut genug?“<br />

Ablehnung:<br />

Eine grundsätzliche ablehnende Haltung der Eltern gegenüber der<br />

Schule als staatliche Behörde kann möglich sein. Das Gespräch<br />

wird als Bedrohung empfunden.<br />

Bildungsstand:<br />

Übergewicht und Adipositas liegen besonders häufig bei <strong>Kinder</strong>n<br />

aus bildungsfernen Schichten vor, sodass oft ein fehlendes Verständnis<br />

für diese Thematik vorliegt.<br />

Kultur:<br />

Ein kulturell bedingt anderes Verständnis von Übergewicht bzw.<br />

sprachliche Probleme können das Gespräch zusätzlich erschweren.<br />

Rat und Tat zu den oben genannten Problemen finden Sie vor<br />

allem in den Kapiteln Psychosoziale Folgen und Wahrnehmung von<br />

Übergewicht und Adipositas.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

71


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

72<br />

Allgemeine Beobachtungen zum Verhalten<br />

des Schülers im Vorfeld<br />

Eine gute Beobachtung im Vorfeld ist wichtig, sodass sich die<br />

Besprechung mit den Eltern nicht nur am Defizit oder Fehler orientiert,<br />

sondern ein umfassendes Gespräch zur aktuellen Situation<br />

des Kindes in der Schule möglich wird. Dazu können kleine Notizen<br />

über das Verhalten im Unterricht, in der Pause oder im Sportunterricht<br />

hilfreich sein. Schauen Sie gezielt auf die Stärken des<br />

Schülers und wie Sie diese zur Problemlösung nutzen können.<br />

Da viele Eindrücke nur subjektive Wahrnehmungen sind bzw. vielleicht<br />

auch nur in bestimmten Beziehungsgeflechten (Lehrer, Schüler,<br />

Klasse) auftreten, sollte auch eine Rücksprache mit anderen<br />

Kollegen erfolgen (siehe Kapitel Wahrnehmung). Es könnten ja<br />

wichtige Aspekte nicht wahrgenommen worden oder bei Ihnen<br />

noch nicht aufgetreten sein, die Kollegen beobachten konnten.<br />

Beobachtungsaspekte über den Betroffenen können sein:<br />

Positive Verhaltensweisen, z.B.: Er zeigt Mitgefühl, er ist hilfsbereit,<br />

hat eine freundliche Ausstrahlung, positive Aspekte zur schriftlichen<br />

Arbeit oder zur Beteiligung am Unterricht ...<br />

Negative Verhaltensweisen, z.B.: Stört im Unterricht, er ist häufig<br />

in Streit verwickelt, er ist träge, er macht im Sport nicht mit, er ist<br />

sehr zurückgezogen ...<br />

Warum ist dieses Verhalten aufgefallen?<br />

Wie oft ist dieses Verhalten aufgefallen?<br />

Was ist der Situation vorausgegangen?<br />

Welche Reaktionen erfolgten von der Umgebung?<br />

Wie war Ihre eigene Reaktion?<br />

Was sind die Motive für das Verhalten des Kindes?<br />

(Suche nach Aufmerksamkeit/Anerkennung)


Ansprechpartner und Hilfsangebote im Vorfeld suchen<br />

Ein Aspekt des Lehrer-Eltern-Gesprächs ist es, die Eltern auf ein<br />

bisher in seinem Ausmaß noch nicht wahrgenommenes Problem<br />

Übergewicht oder Adipositas bei ihrem Kind aufmerksam zu<br />

machen. Damit ist jedoch nur der erste Schritt getan.<br />

Ein aktiverer Lebensstil und eine Umstellung der Ernährung, beides<br />

ist in der Regel grundlegend nötig, sind schwer langfristig umzusetzen<br />

und benötigen eine nachhaltige Unterstützung. Nur mit der<br />

Unterstützung von Lehrern kann dieses geleistet werden.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Es ist notwendig, dass Sie sich über wohnortnahe Unterstützungs- > Checkliste für geeignete<br />

möglichkeiten informieren, auf die Sie verweisen können. Be- Therapieangebote:<br />

sonders günstig ist es, wenn Sie bereits auf ein funktionierendes<br />

Netzwerk (<strong>Kinder</strong>arzt, Krankenkassen, Beratungsstellen, Therapiemöglichkeiten)<br />

zurückgreifen können.<br />

www.bzga-kinderuebergewicht.de<br />

> Informationsbroschüren zur<br />

Zumindest sollten Sie aber ein paar konkrete Grundinformationen Ernährung:<br />

anbieten können, z.B. Ärzte, die von den Eltern nachfolgend auf- www.fke-shop.de<br />

gesucht werden können, Beratungsmöglichkeiten, z.B. schulärztlicher<br />

oder schulpsychologischer Dienst, Ernährungsberatung bei<br />

www.aid.de<br />

<strong>Gesundheit</strong>sämtern oder Krankenkassen, Informationsbroschüren > Elternbroschüre und allgemeine<br />

oder auch Sportangebote in Sportvereinen, Volkshochschulen oder Information:<br />

bei anderen Sportanbietern, die für das Kind in Frage kommen<br />

könnten.<br />

www.a-g-a.de<br />

73


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Modul Prima Klima:<br />

Begegnungen der anderen Art – Eltern<br />

und Lehrkräfte auf Entdeckungstour<br />

74<br />

><br />

Je genauer die Informationen sind, die Sie den Eltern mitgeben,<br />

desto wahrscheinlicher ist es, dass die Eltern auf das eine oder<br />

andere Beratungs- und Hilfsangebot zurückgreifen werden. Einige<br />

Kontaktadressen sind im Leitfaden am Rande aufgeführt. Diese<br />

ersetzen aber nicht die Auseinandersetzung mit Angeboten in Ihrer<br />

Umgebung.<br />

Organisation des Gesprächs<br />

Für ein gutes Gelingen sollten Sie sich vorher Gedanken zur Organisation<br />

und zum Rahmen des Gesprächs machen.<br />

Folgende Punkte können für Sie eine Hilfestellung sein:<br />

Vermeiden Sie „Tür-und-Angel-Gespräche“ kurz vor Unterrichtsbeginn<br />

oder direkt nach dem Schulunterricht. Vereinbaren Sie<br />

einen Termin mit den Eltern und bestimmen Sie dabei bereits einen<br />

gewissen Zeitrahmen.<br />

Schaffen Sie durch die Wahl eines geeigneten Raumes eine vertrauensvolle<br />

Atmosphäre. Das Gespräch sollte nicht im Lehrerzimmer<br />

stattfinden, in dem eventuell noch andere Lehrer im Raum<br />

sind, die zwangsläufig mithören.<br />

Auch die Sitzplatzsituation ist wesentlich. Ein gemeinsames Gespräch<br />

wird erschwert, wenn Sie als Lehrer hinter dem Schreibtisch<br />

sitzen und die Eltern auf der anderen Seite Platz nehmen müssen.<br />

Die Wahl eines geeigneten Raums, einer geeigneten Zeit und die<br />

Sitzplatzsituation während des Gesprächs beeinflussen den<br />

Gesprächsverlauf mehr, als man denkt.<br />

Überlegen Sie, ob das Gespräch nicht bei den Eltern zu Hause<br />

stattfinden kann.<br />

Klären Sie, ob der Schüler bei dem Gespräch anwesend sein sollte/möchte.


Die Gesprächsführung<br />

Für einen Gesprächserfolg sollten Sie sich im Vorfeld mit dem<br />

Thema Gesprächsführung auseinandersetzen. Nachfolgend sind<br />

die wichtigsten Kriterien auf Grundlage der professionellen<br />

Gesprächsführung zusammengefasst und bieten Ihnen eine Hilfestellung.<br />

Formulieren Sie klare Ziele für sich, die Sie im Gespräch erreichen<br />

wollen.<br />

Keinen zu hohen Druck aufbauen. Keine Anforderungen wie „Ich<br />

muss die Eltern perfekt beraten” an sich selbst stellen. Das<br />

Gespräch ist als Besprechung bzw. als „miteinander reden” zu<br />

sehen.<br />

Wichtig: Zuhören können, offen sein für das Gespräch. Die Eltern<br />

möchten keinen perfekten Rat und brauchen kein schlagfertiges<br />

„Bescheid wissen” seitens des Lehrers. Das Problem Übergewicht<br />

und Adipositas ist viel zu komplex, als dass es in einem Gespräch<br />

gelöst werden kann.<br />

Für ein gutes Gesprächsklima sorgen: Ich-Mitteilungen statt Sie-<br />

Verurteilungen, Gefühle mitteilen. Wichtig ist es, sich darüber im<br />

Klaren zu sein, dass das Gesagte die eigene subjektive Wahrnehmung<br />

ist, die ganz wesentlich von den eigenen Einstellungen<br />

abhängt. Sprechen Sie deshalb bewusst über die eigenen Eindrücke,<br />

pauschalieren Sie nicht und vermeiden Sie Aussagen, die<br />

als Schuldzuweisungen empfunden werden könnten.<br />

Versuchen Sie aktiv zuzuhören (reflektierendes Zuhören, einfühlendes<br />

Verstehen). Geben Sie regelmäßig ein Feedback, was Sie<br />

verstanden haben. Vermeiden Sie es, das Gefühl entstehen zu<br />

lassen, dass Sie die Eltern ausfragen.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

75


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

76<br />

Führen Sie das Gespräch dahin, dass miteinander Ziele und Maßnahmen<br />

festgelegt werden. Definieren Sie gemeinsam Standpunkte,<br />

setzen Sie Teil-Informationen zusammen. Achten Sie darauf,<br />

dass auch Lösungswege festgehalten werden. Es wird als erster<br />

Schritt ein Termin bei einem <strong>Kinder</strong>arzt vereinbart, in einem zweiten<br />

Schritt wird gemeinsam nach einem zusätzlichen Sportangebot<br />

für den Schüler gesucht ...<br />

Setzen Sie sich dafür ein, dass die gefundenen Lösungen auch<br />

umgesetzt werden können. Fragen Sie nach, welche Schritte die<br />

Eltern alleine bewältigen können. Bieten Sie Hilfe an, soweit Ihnen<br />

das möglich und nötig erscheint.<br />

Holen Sie sich kurz- und mittelfristig ein Feedback, inwieweit die<br />

einzelnen Teilschritte auch umgesetzt wurden. Vereinbaren Sie ein<br />

Folgegespräch. Nur wenn Veränderungen erreicht werden können,<br />

ist das Gespräch erfolgreich und profitiert der Schüler.


Der Leitfaden für das Elterngespräch<br />

Einleitung und Hinführung im Elterngespräch<br />

Beschreibung der aktuellen Situation und des aktuellen Verhaltens<br />

des Schülers in der Schule (unter Berücksichtigung der allgemeinen<br />

Beobachtungen des Kindes im Vorfeld):<br />

Was kann er gut?<br />

Wie geht es dem Schüler in der Klasse?<br />

Wo gibt es tendenziell Probleme?<br />

Beschreibung des gesundheitlichen Problems:<br />

Das Kind erscheint übergewichtig!<br />

Aufzählung der beobachtbaren Auswirkungen und wahrgenommenen<br />

Probleme, die für den Schüler durch das Übergewicht im<br />

Rahmen der Schule entstehen:<br />

Einschränkungen im Schulalltag und Sportunterricht<br />

Störungen im Unterricht<br />

Hänseleien<br />

Haben die Eltern ähnliche Beobachtungen zu Hause gemacht?<br />

Welche Hypothesen haben die Eltern in Bezug auf die Entstehung<br />

des Übergewichts?<br />

Wurde das Problem Übergewicht gegenüber den Eltern bereits von<br />

anderen Stellen angesprochen (z.B. <strong>Kinder</strong>arzt)?<br />

Kennen die Eltern die Größe und das Gewicht ihres Kindes?<br />

Kennen die Eltern die Normalwerte, die ein Kind haben sollte?<br />

Berechnungshilfen und Gewichtskurven mit Angaben für Jungen<br />

und Mädchen finden Sie unter: www.was-wir-essen.de<br />

><br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

www.was-wir-essen.de<br />

77


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

78<br />

Auswirkungen von Übergewicht und Adipositas<br />

auf das Kind<br />

Kurzinformation über das Gesamtproblem<br />

Ein kurzer Überblick über die Gesamtproblematik und die Häufigkeit,<br />

mit der Übergewicht und Adipositas bei <strong>Kinder</strong>n und Jugendlichen<br />

auftritt, kann den Eltern zeigen, dass sie mit diesem Problem<br />

nicht alleine sind. In den Kapiteln Ursachen sowie Wahrnehmung<br />

bekommen Sie als Lehrer schnell und fundiert Hintergrundwissen<br />

zu der Erkrankung. Dieses Wissen können Sie im Gespräch an die<br />

Eltern weitergeben.<br />

Die sachliche Darstellung der möglichen Ursachen für Übergewicht<br />

kann die Eltern entlasten. Das Körpergewicht wird zu 50-70% von<br />

genetischen Faktoren bestimmt. Allerdings können 30-50% des<br />

Körpergewichts (Übergewichts) über das Verhalten beeinflusst<br />

werden. Dies ist als Chance für das Kind und die Eltern zu sehen.<br />

Die Chancen bestehen darin:<br />

Durch ein mehr an Bewegung und angemessenem/reduziertem<br />

Umgang mit Computer und Fernsehen das Problem Übergewicht<br />

deutlich reduzieren zu können.<br />

Durch ein gesundes und ausgewogenes Essen Hunger vermeiden<br />

zu können, ohne dabei an Gewicht zuzunehmen. Alternativen in<br />

der Ernährung sind möglich. Beratungsangebote und Hilfen hierzu<br />

gibt es und sind wichtig.<br />

Übergewicht und Adipositas sind ein großes Problem<br />

Stellen Sie in dem Gespräch die Wichtigkeit des Problems heraus.<br />

Übergewicht und Adipositas haben Auswirkungen auf viele Bereiche<br />

des Schülers. Auch hierzu finden Sie Argumente für ein<br />

sachliches Gespräch im Kapitel Ursachen und im Kapitel Psychosoziale<br />

Folgen.


Übergewicht kann zu verschiedenen Erkrankungen führen.<br />

Übergewicht hat häufig psychosoziale Auswirkungen und Ursachen.<br />

Übergewicht erschwert die Zukunftsperspektiven: Übergewichtige<br />

<strong>Kinder</strong> finden beispielsweise schwieriger eine Lehrstelle und einen<br />

Lebenspartner.<br />

Übergewichtige <strong>Kinder</strong> schätzen ihre Lebensqualität oft sehr<br />

schlecht ein.<br />

Ein Handeln ist dringend nötig. Versuchen Sie, die Eltern zum aktiven<br />

Handeln anzuregen. Das Kind benötigt die Unterstützung von<br />

allen Bezugspersonen, vor allem von den Eltern.<br />

Wie kann es weitergehen? Wie können Lösungswege<br />

entwickelt werden?<br />

Nachdem die grundlegenden Aspekte, die mit Übergewicht und<br />

Adipositas zusammenhängen, erläutert worden sind, sollen gemeinsam<br />

konkrete erste Lösungsschritte gesucht werden, die in<br />

der Zukunft helfen könnten.<br />

Versuchen Sie nicht, zu sehr eigene Vorstellungen und Vorschläge<br />

vorzubringen, sondern wirken Sie vor allem unterstützend. Die<br />

Eltern sollen soweit möglich eigene Handlungsschritte entwickeln.<br />

Die Ziele sollen realistisch und in kleine Teilschritte unterteilt sein,<br />

sodass sich Misserfolge nach Möglichkeit ausschließen lassen.<br />

Nachfolgend wollen wir Ihnen einige Vorschläge zur Änderung des<br />

Bewegungs- und Ernährungsverhaltens geben. Diese sollen Ihnen<br />

als Anregung dienen und können schrittweise im ersten Gespräch<br />

und in Folgegesprächen vereinbart werden. Der Umfang ist Ihnen<br />

selbstverständlich frei überlassen und muss situativ im Gespräch<br />

angepasst werden.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

79


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

80<br />

Erste Schritte zu mehr Bewegung<br />

Bewegung und Sport haben die entscheidende Bedeutung bei der<br />

Gewichtsstabilisierung oder Gewichtsabnahme. Die Bewegung soll<br />

aber auch als wohltuende, sinnvolle Schul- und Freizeitbeschäftigung<br />

erlebt werden und nicht nur zur Gewichtsabnahme dienen.<br />

Versuchen Sie, den Eltern klarzumachen, dass eine Teilnahme an<br />

Sportangeboten <strong>neue</strong> Möglichkeiten zur Freude, Selbstbestätigung<br />

und zum Erleben positiver Körpererfahrungen gibt.<br />

Besonders in der heutigen Zeit benötigen die Schüler ausreichend<br />

Bewegung. Körperliche Bewegung und schulische Erfolge sind<br />

unabdingbar miteinander verknüpft. Auch deswegen sollten die<br />

Eltern darauf achten, dass sich ihr Kind zu Hause regelmäßig<br />

bewegt.<br />

Der Sport bietet außerdem einen wichtigen Ausgleich zur<br />

Schule.<br />

Erkundigen Sie sich, welche Bewegungsangebote Ihre Schule<br />

anbietet und stellen Sie diese vor.<br />

Nutzen Sie die Erkenntnisse aus dem Handbuch die Bewegungsfreudige<br />

Schule aus dem Programm der guten gesunden Schule.<br />

Folgende Beispiele könnten im Gespräch mit den Eltern<br />

angesprochen werden:<br />

Welche Familienaktivitäten können die Eltern für die Familie auswählen,<br />

die von allen als gut und wohltuend (nicht nur sinnvoll,<br />

nötig) erlebt werden können (gemeinsame Radtouren, regelmäßige<br />

Ausflüge in das Schwimmbad)?<br />

Besteht die Möglichkeit, dass der Schüler zu Fuß zur Schule geht?<br />

Welchen Sport können sich die Eltern als regelmäßige körperliche<br />

Betätigung für ihr Kind vorstellen? Wie ist dieses Vorhaben<br />

umsetzbar? Wo gibt es einen passenden Verein oder Sportmöglichkeiten?<br />

Haben die Eltern Kontakte (über Freunde, Adressen)?<br />

Benötigen Sie Unterstützung?<br />

Wo könnten Probleme bei der Umsetzung auftreten?<br />

Fixieren Sie mögliche Schritte schriftlich gemeinsam mit den<br />

Eltern.


Erste Schritte zur Veränderung des Ernährungsverhaltens<br />

Gesundes Pausenbrot<br />

Ein Frühstück mit Weißbrot, Marmelade, Honig oder Nutella führt<br />

nur zur kurzzeitigen Sättigung. Danach wird der Schüler müde und<br />

hungrig und erleidet einen Leistungsabfall in der Schule. Folge: Der<br />

schulische Erfolg wird erschwert. Sprechen Sie das Thema gesundes<br />

Pausenbrot an und nennen Sie ein paar Beispiele für gesunde<br />

Pausenmahlzeiten (Apfelstücke, Gurkenscheiben, Vollkornbrot mit ><br />

Käse ...).<br />

Gesunde Ernährung kann gelernt werden<br />

An Obst und Gemüse kann man sich gewöhnen, wenn die Eltern<br />

dies auch vorleben. Ermuntern Sie die Eltern dazu, ihren <strong>Kinder</strong>n<br />

immer wieder Obst oder Gemüse anzubieten oder mit ihnen<br />

gemeinsam leckere Rezepte auszuprobieren.<br />

Genuss braucht Zeit<br />

Gemeinsame Essenszeiten in der Familie sind wichtig und sollten<br />

nicht vor dem Fernseher stattfinden. Vielleicht können die Eltern<br />

gemeinsame fernsehfreie Essenszeiten einplanen. Finden Sie<br />

gemeinsam mit dem Schüler und seinen Eltern die vorhandenen<br />

Ressourcen in der Familie. Werden Sie zum Schatzsucher und zeigen<br />

Sie auf, welche Möglichkeit in dem Elternhaus vorhanden ist.<br />

Methodische Unterstützung als Schatzsucher finden Sie in dem ><br />

Handbuch Die Schatzsuche.<br />

><br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Was tut Ihre Schule bereits dafür?<br />

Die Schule als Institution, in der sich<br />

das Kind mindestens genauso lange<br />

aufhält wie zu Hause, trägt Verantwortung<br />

für die Prävention von Adipositas.<br />

Schauen Sie in das Modul Prima Klima:<br />

Mit Freunden essen, mit Freude<br />

Empfehlungen zum gesunden<br />

Pausenbrot finden Sie unter:<br />

www.fke-shop.de<br />

www.aid.de<br />

Modul Die Schatzsuche:<br />

www.anschub.de<br />

81


GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Informationsmaterialien:<br />

www.a-g-a.de<br />

www.fke-shop.de<br />

www.aid.de<br />

82<br />

><br />

Werbung beeinflusst das Essverhalten<br />

Werbung im Fernsehen beeinflusst deutlich das Ernährungsverhalten.<br />

Dadurch wird häufig zu viel und ungesund gegessen. Ein kritischer/sparsamer<br />

Umgang mit dem Fernsehen ist nicht nur für<br />

gute schulische Leistungen des Kindes, sondern auch zur Vermeidung<br />

von Übergewicht und Adipositas wichtig. Vielleicht können<br />

Veränderungen in diesem Bereich eingeplant werden?<br />

Halten Sie gemeinsam Änderungsansätze zu mehr Bewegung und<br />

zur Änderung des Ernährungsverhaltens schriftlich fest.<br />

Unterstützung von außen ist möglich<br />

Die Veränderungen in der Familie sollen in kleinen Schritten erfolgen.<br />

Sie müssen aber meist grundlegend sein und langfristig beibehalten<br />

werden. Dazu sind einzelne Gespräche mit dem Lehrer<br />

nicht ausreichend, sondern es bedarf zusätzlichen Informationsmaterials<br />

und Unterstützung von außen:<br />

Informationsmaterial zum Thema Übergewicht, Adipositas und<br />

gesunde Ernährung.<br />

Konkrete Adressen und Ansprechpartner: <strong>Kinder</strong>ärzte, Krankenkassen.<br />

Allgemeine Ansätze: Vereine, Freizeitsportangebote. Wann finden<br />

die Angebote statt? Wer ist Ansprechpartner?<br />

Gezielte Ansätze: Gibt es spezielle Ernährungsberatungsangebote<br />

am Ort oder besondere Sportangebote für übergewichtige <strong>Kinder</strong>,<br />

eventuell auch Kontaktadressen für spezielle Programme für übergewichtige<br />

<strong>Kinder</strong>?


Ziele vereinbaren – Festhalten konkreter<br />

Handlungsschritte<br />

Fassen Sie abschließend die Inhalte des Gesprächs gemeinsam mit<br />

den Eltern zusammen. Notieren Sie stichpunktartig die verschiedenen<br />

Teilschritte, sodass die Eltern und Sie einen Leitfaden über das<br />

weitere Vorgehen haben.<br />

Welche Schritte können die Eltern verändern?<br />

Welche Beratungsangebote werden in Erwägung gezogen?<br />

Welche zusätzlichen Maßnahmen werden innerhalb der Familie als<br />

realistisch angesehen?<br />

Wann sollte ein erneuter kurzer Austausch stattfinden?<br />

Versuchen Sie, einen runden Abschluss des Gespräches zu finden<br />

und bestärken Sie die Eltern positiv im geplanten gesundheitsförderlichen<br />

Verhalten.<br />

Möchten Sie sich diesem Thema intensiver widmen? Suchen Sie ><br />

einen fachlichen Austausch mit anderen Kollegen? Fehlt Ihnen der<br />

Dialog mit den <strong>Gesundheit</strong>sfachberufen? Über die Adresse der<br />

Adipositas Akademie können Sie sich weiterführend informieren.<br />

GESPRÄCHSLEITFADEN<br />

Adipositas Akademie Freiburg<br />

Badischer Sportbund Freiburg e. V.<br />

Herr Jens Scheuer<br />

Wirthstraße 7, 79110 Freiburg<br />

Telefon 0761 15246-18<br />

Telefax 0761 15246-31<br />

E-Mail: j.scheuer@bsb-freiburg.de<br />

83


LITERATUR<br />

84<br />

EINLEITUNG<br />

[1] Rose G: The strategy of preventive medicine. Oxford: Oxford Medical<br />

Publications, Oxford University Press, 1993.<br />

[2] WHO: Obesity. Preventing and managing a global epidemic. Report<br />

of a WHO Consultation. WHO Technical Report Series 2000; 894,<br />

WHO, Geneva.<br />

[3] Canning H, Mayer J. Obesity: Its possible effect on college acceptance;<br />

NEJM 1966; 275: 1172-1174<br />

[4] Canning H, Mayer J. Obesity:An influence on high school performance?<br />

Am J Clin Nutr 1967, 20: 352-354<br />

[5] Blättner B.: Unter welchen Bedingungen haben Adipositasprogramme<br />

für <strong>Kinder</strong> und Jugendliche Chancen auf Erfolg? Kongress Wolfsburg<br />

09.12.2005<br />

[6] Müller M.: Prävention und Therapie von Übergewicht in Kindes- und<br />

Jugendalter. Dt. Ärzteblatt; 10.02.2006; Jg. 103; Heft 6: C277-C282


URSACHEN<br />

LITERATUR<br />

[1] Bravata DM, Sanders L, Huang J, Krumholz HM, Olkin I, Gardner CD [11] Neel JV, Weder AB, Julius S. Type II diabetes, essential hypertension,<br />

et al. Efficacy and safety of low-carbohydrate diets: a systematic and obesity as "syndromes of impaired genetic homeostasis": the<br />

review. JAMA 2003; 289(14):1837-1850.<br />

"thrifty genotype" hypothesis enters the 21st century. Perspect Biol<br />

Med 1998; 42(1):44-74.<br />

[2] Goran MI, Carpenter WH, McGloin A, Johnson R, Hardin JM, Weinsier<br />

RL. Energy expenditure in children of lean and obese parents. [12] World Health Organisation. WHO Technical Report. Obesity: preven-<br />

Am J Physiol 1995; 268(5 Pt 1):E917-E924.<br />

ting and managing the global epidemic. 894. 2000. WHO Report of<br />

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