Phasengleichgewicht (Destillation) - Beuth Hochschule für Technik ...
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<strong>Phasengleichgewicht</strong> (<strong>Destillation</strong>)<br />
Labor <strong>für</strong> Verfahrens- und Umwelttechnik<br />
bearbeitet von Prof. Dr.-Ing. habil. R. Geike<br />
1. Grundlagen <strong>für</strong> das Dampf- Flüssigkeit- <strong>Phasengleichgewicht</strong><br />
Die unterschiedliche Zusammensetzung von Flüssigkeit und Dampf bei Gemischen aus zwei oder<br />
mehr mischbaren Stoffen – die alle unterschiedliche Siedetemperaturen haben - ist die<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> eine Trennung dieser Gemische in die reinen Stoffe. Das verwendete<br />
Trennverfahren ist die <strong>Destillation</strong> bzw. Rektifikation. Wichtigste Grundlage <strong>für</strong> eine Auslegung<br />
solcher Trennprozesse ist die Kenntnis dieser unterschiedlichen Zusammensetzungen – die<br />
Kenntnis des <strong>Phasengleichgewicht</strong>es.<br />
Stehen Flüssigkeit und Dampf eines solchen Gemisches miteinander in Berührung, dann findet<br />
zwischen ihnen ein Wärme- und Stoffaustausch statt, der schließlich zur Einstellung eines<br />
Gleichgewichtes führt. Im Gleichgewicht besitzt das System definierte Werte der Zustandsvariablen<br />
Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Gemischkomponenten in der Flüssigkeit und in der<br />
Dampfphase. Das Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn es keine Änderungen der genannten<br />
Zustandsvariablen mehr gibt.<br />
Für ideale binäre Gemische gelten das RAOULT´sche und das DALTON´sche Gesetz. Der<br />
Partialdruck der Komponenten in der Gasphase hängt von ihrem Molanteil in der Flüssigphase und<br />
ihrem Dampfdruck ab.<br />
p j xF<br />
, j ⋅ pD,<br />
j<br />
= (1)<br />
Die Summe aller Partialdrücke ist identisch mit dem Gesamtdruck bzw. der Partialdruck einer<br />
Komponente entspricht ihrem Molanteil.<br />
p j D j<br />
= x , ⋅ p<br />
(2)<br />
Für das binäre System gilt<br />
Hierbei sind:<br />
p = p + p<br />
(3)<br />
1<br />
2<br />
p j<br />
Partialdruck der Komponente j im Gemisch<br />
p D,<br />
j<br />
Dampfdruck der reinen Komponente<br />
p Gesamt- bzw. Systemdruck<br />
x F j bzw xD,<br />
j<br />
, . Molanteil der Komponente<br />
Der Index 1 steht stets <strong>für</strong> die leichtsiedende Komponente, der Index 2 stets <strong>für</strong> die schwersiedende<br />
Komponente. Die Größen in den Diagrammen beziehen sich in der Regel auf die leichtsiedende<br />
Komponente.<br />
Für die Umrechnung von Masse- oder Volumenanteilen in Molanteile werden die Dichten und<br />
Molmassen der Komponenten benötigt ( j y Massenanteil, ϕ j Volumenanteil).<br />
TFH Berlin, FB VIII, Labor Thermische VT, <strong>Phasengleichgewicht</strong>, September 2006 Seite 1
x<br />
j<br />
=<br />
y<br />
j<br />
/ M<br />
∑(<br />
y j / M j )<br />
j<br />
x<br />
j<br />
ϕ j ⋅ ρ j / M<br />
=<br />
∑ j ⋅ j<br />
( ϕ ρ / M )<br />
TFH Berlin, FB VIII, Labor Thermische VT, <strong>Phasengleichgewicht</strong>, September 2006 Seite 2<br />
j<br />
j<br />
(4, 5)<br />
Für ein ideales System lässt sich die Zusammensetzung beider Phasen bei Vorgabe von Temperatur<br />
und Druck berechnen. Dazu werden das RAOULT´sche und das DALTON´sche Gesetz verknüpft.<br />
Für die leichtsiedende Komponente ergibt sich:<br />
x<br />
x<br />
F1<br />
D1<br />
p − pD,<br />
2<br />
= xF<br />
=<br />
(6)<br />
p − p<br />
D,<br />
1<br />
D,<br />
2<br />
xF<br />
⋅ pD<br />
, 1<br />
= xD<br />
=<br />
(7)<br />
p<br />
Die hier<strong>für</strong> benötigten Dampfdrücke (Siededrücke) <strong>für</strong> die reinen Komponenten lassen sich durch<br />
eine exponentielle Funktion (Dampfdruck-Kurve) beschreiben, s. Abb. 1. Bei einer Auftragung von<br />
⎛ 1 ⎞<br />
ln( pD ) = f ⎜ ⎟ (8)<br />
⎝ T ⎠<br />
ergeben sich Geraden. Die Geradengleichung kann zur Berechnung benötigter Zwischenwerte<br />
verwendet werden. Prüfen Sie aber die Genauigkeit der mit der Ausgleichskurve berechneten<br />
Werte. Alternativ können die aus Tabellen entnommenen Werte auch mit logarithmischen Formeln<br />
interpoliert werden.<br />
p<br />
2<br />
Dampfdruck der Komponenten<br />
⎡ p1<br />
⎤<br />
⎢ ln<br />
p ⎛ ⎞⎥<br />
o 1 1<br />
= p ⋅ ⎢ ⋅ ⎥<br />
⎢<br />
⎜ −<br />
⎟<br />
o exp<br />
1 1<br />
− ⎝ To<br />
T2<br />
⎠⎥<br />
⎢<br />
⎥<br />
⎣ To<br />
T1<br />
⎦<br />
Leichtsieder<br />
Temperatur<br />
Schwersieder<br />
T<br />
2<br />
To<br />
= (9,10)<br />
⎛ T ⎞ o ln( p2<br />
/ po)<br />
1−<br />
⎜<br />
⎜1−<br />
⋅<br />
T ⎟<br />
⎝ 1 ⎠ ln( p1<br />
/ po)<br />
Für ideale binäre Gemische ergibt sich das Siedediagramm (Abb. 2) bei konstantem Systemdruck p.<br />
Für eine vorgegebene Temperatur werden die Molenbrüche in Dampf- und Flüssigphase mit den Gl.<br />
6 und 7 berechnet.<br />
ln (p D)<br />
Leichtsieder<br />
Schwersieder<br />
Abbildung 1: Dampfdruck der reinen Komponenten in Abhängigkeit von der Temperatur<br />
1 / T
Das Gleichgewichtsdiagramm (Abb. 3) stellt den Zusammenhang zwischen den molaren Anteilen in<br />
der Flüssig- und Dampfphase bei konstantem Systemdruck p dar.<br />
T S2<br />
Temperatur<br />
Molanteil Komponente 1 Dampfphase<br />
0 1<br />
Molanteil Komponente 1<br />
1<br />
Bei Abweichungen vom idealen Verhalten in der Flüssigphase (unter der Annahme von idealem<br />
Verhalten in der Gasphase) ergibt sich <strong>für</strong> die Partialdrücke bzw. <strong>für</strong> die Gasphasenzusammensetzung<br />
p j j ⋅ xF<br />
, j ⋅ pD<br />
, j<br />
x<br />
p=const.<br />
D,<br />
j<br />
Siedetemperatur<br />
=f(x F)<br />
= γ (11)<br />
pD,<br />
j<br />
= γ j ⋅ xF<br />
, j ⋅<br />
(12)<br />
p<br />
Bei experimentell gemessenen <strong>Phasengleichgewicht</strong>sdaten können aus dem Vergleich von<br />
experimentellen und <strong>für</strong> das ideale System berechneten Daten die Aktivitätskoeffizienten berechnet<br />
werden, die einen wichtigen Bestandteil von Prozessberechnungen darstellen.<br />
xD,<br />
j p p j<br />
γ j = ⋅ =<br />
(13)<br />
x p p<br />
F , j<br />
D,<br />
j<br />
Kondensationstemperatur<br />
(Tautemperatur)<br />
=f(x D)<br />
0<br />
0<br />
Molanteil Komponente 1 Flüssigphase<br />
1<br />
j,<br />
ideal<br />
T S1<br />
Abbildung 2: Isobares Siedediagramm<br />
Abbildung 3: Gleichgewichtsdiagramm<br />
TFH Berlin, FB VIII, Labor Thermische VT, <strong>Phasengleichgewicht</strong>, September 2006 Seite 3
Zur Charakterisierung des Flüssig-Dampf-Gleichgewichtes in einem Zwei- oder Mehrkomponentensystem<br />
dienen ebenfalls die Verteilungskoeffizienten j K bzw. die relative Flüchtigkeit α i, j , sie<br />
können zu Vergleichen mit anderen Quellen benutzt werden.<br />
K<br />
j<br />
xD,<br />
j<br />
= bzw.<br />
x<br />
F , j<br />
K1<br />
xD<br />
⋅ ( 1−<br />
xF<br />
)<br />
α 1,<br />
2 ≡ =<br />
bzw.<br />
K x ⋅ ( 1−<br />
x )<br />
2<br />
F<br />
D<br />
pD<br />
, j<br />
K j,<br />
ideal = (14a,b)<br />
p<br />
p<br />
ideal D,<br />
1<br />
α 1,<br />
2 =<br />
(15a,b)<br />
p<br />
2. Versuchsdurchführung - Messung der Gleichgewichtsdaten<br />
Das zu untersuchende Stoffsystem wird zu Beginn des Versuches bekannt gegeben.<br />
In der <strong>Phasengleichgewicht</strong>sapparatur werden Zweistoffgemische mit unterschiedlicher Zusammensetzung<br />
zum Sieden gebracht. Ein Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Dampf ist nur an der<br />
Flüssigkeitsoberfläche annähernd vorhanden. Dort müssen also Proben <strong>für</strong> die weitere<br />
Untersuchung entnommen werden. Mit einer „Cottrell“-Pumpe, deren Ansaugtrichter sich dicht<br />
über der Flüssigkeitsoberfläche befindet, wird mit dem Dampf Flüssigkeit aus der Flüssigkeitsoberfläche<br />
mitgerissen. Das Gemisch wird in die darüber befindliche Trennkammer befördert.<br />
In der Trennkammer und auf dem Wege dorthin können sich etwa noch vorhanden gewesene<br />
Ungleichgewichte zwischen Flüssigkeit und Dampf ausgleichen. Damit es in der Trennkammer<br />
nicht zu einer Teilkondensation kommt, besitzt sie einen bespiegelten und evakuierten<br />
Doppelmantel, der von außen beheizt wird. Die abgetrennte Flüssigkeit wird der beheizten Blase<br />
direkt wieder zugeführt, der Dampf erst nach erfolgter Kondensation. Der gesamte Prozess läuft<br />
kontinuierlich, d. h. Dampf und Flüssigkeit werden kontinuierlich abgezogen und im unteren Teil<br />
wieder zurückgeführt. Die Entnahme kleiner Probemengen aus diesen beiden Teilströmen erfolgt<br />
auf dem Wege dorthin durch Öffnen von Magnetventilen.<br />
Soll das Gleichgewicht bei dem Druck der Umgebung ermittelt werden, so ist das System hinter<br />
dem Kondensator zu öffnen. In der Trennkammer befindet sich ein Widerstandsthermometer, es<br />
misst die Gleichgewichtstemperatur. Weitere Thermometer befinden sich in der Blase und zwischen<br />
Heizmanschette und Trennkammeroberteil.<br />
Die entnommenen Proben werden mit Hilfe eines Refraktometers analysiert, aus den gemessenen<br />
Brechungsindices wird mit Hilfe einer Kalibrierkurve die Zusammensetzung ermittelt. Die<br />
erhaltenen Daten ergeben das gesuchte Gleichgewichtsdiagramm und das dazu gehörige<br />
Siedediagramm.<br />
Da die Ermittlung aller Versuchsdaten eines Zweistoffgemisches zeitaufwendig ist, wird der<br />
Versuch von zwei Gruppen (an getrennten Tagen) durchgeführt: Eine Gruppe verändert die<br />
Lösungskonzentrationen ausgehend von der reinen leichter siedenden Komponente in 8 Schritten,<br />
die andere ausgehend von der reinen schwerer siedenden Komponente ebenfalls in 8 Schritten. Die<br />
Messergebnisse werden ausgetauscht. Damit steht <strong>für</strong> die Auswertung ein kompletter Datensatz zur<br />
Verfügung, um vollständige Diagramme zu erstellen.<br />
Zur Messung wird die Apparatur mit 85 ml der entsprechenden reinen Komponente gefüllt und auf<br />
Siedetemperatur gebracht. Nach Erreichen konstanter Temperaturen werden auf der Flüssigkeits-<br />
und auf der Dampf/Kondensatseite Proben genommen (pro Probe ca. 1 ml). Mit einem kleinen<br />
zeitlichen Abstand wird diese Probenahme wiederholt. Sind die Brechungsindices der beiden<br />
Zweitproben identisch mit denen der zuerst genommenen Proben (eine kleine Differenz in der 4.<br />
Stelle nach dem Komma ist zulässig), so ist der Gleichgewichtszustand erreicht. Das Volumen der<br />
TFH Berlin, FB VIII, Labor Thermische VT, <strong>Phasengleichgewicht</strong>, September 2006 Seite 4<br />
D,<br />
2
vier Proben wird summiert. Außer nach dem ersten Versuchspunkt wird nun die Differenz zu 9 ml<br />
der Blase entzogen (dabei Heizung aus!).<br />
Zur Konzentrationsänderung wird nun nach dem ersten Versuchspunkt die als Probe entnommene<br />
Menge der zweiten Komponente zugegeben. Nach allen weiteren Versuchspunkten werden jeweils<br />
die insgesamt entnommenen 9 ml zugegeben. Diese Maßnahme dient zur schrittweisen Konzentrationsänderung<br />
bei gleichzeitiger Positionierung der Phasengrenzfläche (Beibehalten des<br />
Füllstandes).<br />
Parallel zur Ermittlung der <strong>Phasengleichgewicht</strong>sdaten wird eine Eichkurve <strong>für</strong> die Konzentrationsmessungen<br />
mit dem Refraktometer<br />
ermittelt. Dazu wird die Zusammensetzung des<br />
Gemisches in Schritten von 3 - 15 % (nach<br />
Absprache) variiert, wahlweise in Volumenanteilen<br />
(Büretten) oder in Massenanteilen.<br />
3. Auswertung / Versuchsbericht<br />
1. Beschreibung von Versuchsanlage und<br />
Versuchsdurchführung - als Ergänzung der<br />
Versuchsanleitung.<br />
2. Eichkurve: Der Brechungsindex ist als<br />
Funktion der Konzentration in Volumen-,<br />
Mol- und Massenprozent darzustellen.<br />
Welche dieser Kurven ist <strong>für</strong> die weitere<br />
Verwendung am besten geeignet?<br />
3. Mit Literaturwerten aus dem VDI-<br />
Wärmeatlas vom Dampfdruck der reinen<br />
Komponenten sollen ggf. unter Inter- oder<br />
Extrapolation erstellt werden:<br />
- Dampfdruck- Kurven nach Abb. 1,<br />
- Siede- und Gleichgewichtsdiagramm<br />
nach Abb. 2 und Abb. 3 bei Annahme<br />
eines idealen binären Gemisches.<br />
4. Eintragen der Messergebnisse in das<br />
Siede- und Gleichgewichtsdiagramm.<br />
5. Erstellen eines Diagrammes, in dem die<br />
K -Werte und der α -Wert über der<br />
j<br />
Zusammensetzung der Flüssigphase<br />
aufgetragen werden.<br />
Abbildung 2: Aufbau der <strong>Phasengleichgewicht</strong>s-<br />
Apparatur <strong>für</strong> den Betrieb unter Normaldruck<br />
6. Darstellung der Aktivitätskoeffizienten über dem Molanteil des Leichtsieders in der<br />
Flüssigphase.<br />
7. Diskussion der Ergebnisse (Genauigkeit der ermittelten Konzentrationen, Genauigkeit der<br />
berechneten Dampfdrücke, Abweichungen vom idealen Verhalten, …).<br />
Beachten Sie beim Umgang mit den Flüssigkeiten, insbesondere beim Arbeiten am Refraktometer,<br />
mögliche Gesundheits-, Brand- und Umweltgefahren!<br />
TFH Berlin, FB VIII, Labor Thermische VT, <strong>Phasengleichgewicht</strong>, September 2006 Seite 5