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erzählen, wieviel Mühe es machte, diesen Hafer fortzuschaffen,<br />
Säcke und einen Wagen zu besorgen? Schon<br />
längst hatte sich das Familienidyll in ein Hauptquartier<br />
verwandelt. Ich war ungefähr bei der achten Tasse Tee<br />
angelangt, als der große Kastenwagen irgendeines Polen<br />
mit dem Hafer und den Broten beladen zu meiner Halbkolonne<br />
herausfuhr. Boten waren gekommen und gegangen.<br />
Die kleinen Bochers wußten sogar noch einige<br />
leere Ställe, in denen man wenigstens die Reitpferde unterstellen<br />
konnte. Die Buben rannten hin und zurück und<br />
erhielten für jeden Gang 10 Pfennig in barer Münze. Und<br />
während ich bei der neunten Tasse Tee saß, erhob sich<br />
draußen bei meinen Leuten ein Schmoren, Gottschalk hatte<br />
auch Fleisch aufgetrieben, und alles feierte Deinen Geburtstag<br />
mit Tee, Rinderbraten und Keks in gehobener<br />
Stimmung. Ich aber verzehrte bei meinen Freunden Klops,<br />
Schabbeibohnen und süße Matzen.<br />
Die Sorge für meine Leute, die seit dem frühen Morgen<br />
nichts gegessen hatten, war ja nun sicherlich das treibende<br />
Motiv bei meinem plötzlich erwachten Familiensinn, und<br />
der Feldzug ging ganz eigentlich um Brot und Hafer. Daneben<br />
spielten sich aber noch Kämpfe ganz anderer Art<br />
auf demselben Schauplatz ab: wenn jemand alle diese<br />
Bemühungen, die einzelnen Familienmitglieder mit möglichst<br />
schwierigen Aufträgen möglichst weit fortzuschicken,<br />
dahin gedeutet hätte, daß alles nur Manöver seien, die<br />
ungestörte, anmutig-zärtliche Plauderstunde zwischen Channa<br />
und mir zu verlängern, der hätte auch wieder nicht<br />
ganz Unrecht gehabt. So eine jüdische Familie, rings<br />
von polnischer Tücke und russischer Grausamkeit umgeben,<br />
ist aber schwer ganz auseinanderzureißen, Zwei<br />
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