Ein Doppelleben in der Schwebe - BauNetz

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Ilka Licht geboren 1973 in Köln lebt in Köln | Grenzgänger Stationen 1992-1994 Vordiplom Architektur, RWTH Aachen 1994-1995 Architektur an der University of Sheffi eld, England 1995-1997 BTEC National Diploma in Performing Arts (Circus), The Circus Space, London 1997 8-wöchiges Architektur- Studienstipendium bei Kajima (Japan) 1998 Intensivkurs für professionelle Zirkuskünstler am Centre National des Arts du Cirque, Châlons-en-Champagne, Frankreich 1999 Meisterklasse in Jonglagetechnik mit Sergei Ignatov sowie Anthony Gatto 2000 Diplom Architektur, RWTH Aachen seit 2001 Lehrtätigkeit am Lehrstuhl Technischer Ausbau + Entwerfen, RWTH Aachen © Melanie Pawlowski BauNetz PDF Journal | www.baunetz.de/grenzgaenger | 2 Während sich heutzutage auch die neuen Berufsfelder vieler Architekturabsolventen noch als Spezialisierung aus dem Studium herleiten lassen, führt Ilka Licht ein Doppelleben. Was bringt jemanden dazu, an einem Tag Keulen durch die Manege zu wirbeln und an einem anderen Architekturstudenten die Vorteile eines Blockheizkraftwerks zu erklären? Heinrich Wähning beschreibt den Werdegang einer Frau, die schon immer wusste, wohin sie wollte und den Traum ihrer Kindheit verwirklicht hat. Ein Donnerstagabend im Fool´s Garden. Das Hamburger Varieté-Theater ist ein Forum für Kleinkünstler der Region. Im Publikum sind es seltsamerweise gerade die älteren Damen, die für eine nur leicht verhaltene Jugendclubatmosphäre sorgen. Artisten, Komiker und Musiker in schnellem Wechsel; arglos sind die Darbietungen gemischt, zu einem Programm fügt sie einzig die selbstironische Integration des unvermeidlichen Bühnenunfalls zusammen. Nach einem runden Dutzend ist Ilka Lichts Auftritt der erste, der dem milden Lächeln der Zuschauer ehrfürchtiges Staunen folgen lässt. Sie beginnt ihre Jonglage mit zwei Keulen, bald hält sie drei, schließlich fünf davon in kreisender Bewegung; beständig erscheint allein der Fluss, mit der sie eine geometrische Figur unmerklich in eine andere übergehen lässt. Angesichts dieser Professionalität ahnt wohl keiner der Zuschauer, dass die Artistin zugleich noch ausgebildete Architektin ist. Wer es wüsste, hätte wohl allen Grund, einen von ungnädigen Sachbearbeitern erzwungenen Berufswechsel zu vermuten - und darf Andere Mädchen träumten von Pferden; träumte sie von Pferden, trabten die auf Sägemehl. sich hier einmal doch so gründlich wie angenehm enttäuschen lassen. Denn seit jeher hat Ilka Licht gemacht, was sie machen wollte; ihre Biographie erweist Jonglage als die Kunst, immer eine Sache in Bewegung zu halten, ohne die andere fallen zu lassen. Noch nicht neun Jahre alt, trat sie 1982 in ihrer Heimatstadt Köln einem Kinderzirkus bei. Dass daraus eine Passion erwachsen würde, hatten ihre Eltern - ihr Vater ist Pfarrer, ihre Mutter Supervisorin bei der Stadt Köln - wohl zuletzt erwartet. Dabei war Ilka schon vom Zirkus fasziniert, soweit sie sich überhaupt zurückerinnern kann. Andere Mädchen träumten von Pferden; träumte sie von Pferden, trabten die auf Sägemehl, wie sie mit einem kehligen Lachen erzählt. Im Gespräch wirkt sie schon nach wenigen Minuten wie jemand, mit dem man während geschwänzter Schulstunden leichthin ganze Gestüte hätte leer räumen mögen. Freilich hätte sie selbst dafür kaum Zeit gehabt; als Teenager begann sie, sich in den verschiedensten Disziplinen zu versuchen. Sie lernte Akrobatik, Einradfahren, übte sich in Tanz und Clownerie und turnte am Trapez. Der Schulalltag mochte da leichthin öde erscheinen. Mit 16 wollte Ilka weg vom Gymnasium, um zu einer Zirkusschule zu gehen. Die Reaktion ihrer Mutter weiß sie noch heute wortgetreu zu zitieren: „Hätte ich je geahnt,
| Grenzgänger Lukaluka im Krystallpalast Varieté, Leipzig © lukaluka BauNetz PDF Journal | www.baunetz.de/grenzgaenger | 3 was daraus wird, wenn ich Dich in diesem Projekt anmelde - ich hätte es nicht getan.“ Ohne ihre Leidenschaft ganz aus den Augen zu verlieren, fügte sich Ilka der elterlichen Besorgnis; das Beispiel ihrer Schulfreunde, die ein Studium anstrebten, machte ihr das auch leicht. Zudem hatte der Kunst-Leistungskurs ihr Interesse für Gestaltung geweckt. Ans Entwerfen im größeren Maßstab war dabei zunächst gar nicht gedacht. Ilka bewarb sich an der Essener Folkwang-Schule im Fach Produktdesign, scheute dann aber das einjährige Praktikum, das man dort verlangte. Wie sie heute lachend eingesteht, empfahl sich das daraufhin aufgenommene Architekturstudium vor allem durch das Fehlen einer Aufnahmeprüfung. Unter den neuen Freunden an der RWTH Aachen, zumeist Söhne und Töchter von Architekten, war sie eine der wenigen ohne fachliche Vorprägung. Auch dies kein Grund, sich bremsen zu lassen - schließlich waren ihre Eltern auch keine Artisten gewesen. Die Begeisterung ihrer Kommilitonen für die Architektur hatte sie bald angesteckt, ihre Liebe zur Artistik jedoch litt zusehends ...unablässiges Training und monatelange Aufenthalte in immergleichen Hotelzimmern unter der Ausschließlichkeit des intensiven Grundstudiums. Als sie nach vier Semestern das Vordiplom bestanden hatte, stellte sich erneut die Frage, wie das eine zu tun wäre, ohne das andere zu lassen. Da jetzt der Grundstein für einen vermeintlich sicheren Berufsweg gelegt war, bewarb sie sich an jener Artistenschule, die sie mit 16 schon hatte besuchen wollen. Doch da hieß es, nun, mit 21 Jahren, sei sie bereits zu alt dafür. Jetzt einfach in Aachen zu bleiben, wäre ihr als Stillstand erschienen. Sie ging nach England, um ihr Architekturstudium an der University of Sheffi eld fortzusetzen - für ein Jahr zunächst. Danach holte sie schnell das Verpasste nach. Am Londoner Circus Space, einer zur Staatsschule umgewandelten Trainingsstätte, gehörte sie zu den ersten Studenten, die den dort neu etablierten Ausbildungsgang nach zwei Jahren mit dem National Diploma in Performing Arts absolvieren konnten.
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