Umweltmedizinische Begutachtung: Anamnese, Klinik ... - Mediwiki
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<strong>Umweltmedizinische</strong> <strong>Begutachtung</strong>:<br />
<strong>Anamnese</strong>, <strong>Klinik</strong>, Human-Biomonitoring, umweltmedizinischtoxikologische<br />
Gefährdungsabschätzung mit Fallbeispielen<br />
Problem gelöst bei<br />
ausreichender Information<br />
<strong>Umweltmedizinische</strong> <strong>Anamnese</strong><br />
<strong>Umweltmedizinische</strong> <strong>Begutachtung</strong>/Untersuchung<br />
Recherchen<br />
INFORMATIONSSYSTEME<br />
UMWELTMEDIZIN<br />
Kontaktaufnahme durch Arzt/Patient<br />
Auskunft schriftlich/telefonisch<br />
1. Aktuelle Gesundheitsbeschwerden<br />
2. Zusammenhang der Beschwerden mit der Wohnung (Karenz und Reexposition)<br />
3. Durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der Wohnung<br />
4. Beschwerden bei Mitbewohnern und Nachbarn<br />
5. Familienanamnese/Krankheitsvorgeschichte (Befundberichte)<br />
6. Ernährungsgewohnheiten (z.B. vegetarisch, Fisch- und Fleichverzehr):<br />
Nahrungsmittelunverträglichkeiten<br />
7. Lebensgewohnheiten (Tagesablauf, Nikotinkonsum)<br />
8. Derzeitige Medikation<br />
9. Zahnärztliche Behandlungen, z.B. eingesetzte Dentalwerkstoffe wie Amalgam u.a.<br />
10. ARBEITSPLATZ<br />
Berufliche Ausbildung / Tätigkeiten / Schadstoffexposition<br />
11. FREITZEITBEREICH (Heimwerkertätigkeiten u.ä.)<br />
1<br />
Problem ungelöst<br />
UNTERSUCHUNG<br />
• <strong>Umweltmedizinische</strong> <strong>Anamnese</strong><br />
(Fragebogen)<br />
• Körperliche Untersuchung<br />
• Diagnostik/Differentialdiagnostik<br />
• Ggf. Konsiliaruntersuchung<br />
• Ortsbegehung nach Indikation<br />
BERICHT AN DEN HAUSARZT
12. WOHNUNGSBESCHREIBUNG:<br />
Einzugsdatum / Baujahr des Hauses<br />
Geschosslage / Anzahl und Grüße der Räume<br />
Letzte Renovierung (Produkte, Menge bzw. Fläche, Herstellerinformation, geruchliche<br />
Belästigung)<br />
Raumausstattung inkl. Mobiliar (orientierende Beschreibung)<br />
Lüftungsmöglichkeiten, Lüftungsverhalten<br />
Heizungsform, Brennmaterial, offene Feurstellen<br />
Feuchtigkeits-/ Schimmelpilzprobleme<br />
Bleileitungen / eigene Wasserversorgung<br />
Haustierhaltung / Grünpflanzen<br />
Einsatz von Insektenvertilgungs- bzw. Pflanzenschutzmitteln (Anlass, Menge und<br />
Applikationsart)<br />
Reinigungsmittel, Haushaltschemikalien, Körperpflegemittel (Produkte)<br />
Durchgeführte Innenraummessungen / Analysenprotokolle ?<br />
13. Wohnumgebung (Gewerbegebiet, Verkehrsaufkommen, Lärmbelästigung, Altlasten<br />
etc.)<br />
Inhalt des umweltmedizinischen Arztbriefes<br />
1. Vorstellungsanlass<br />
2. Diagnosen<br />
3. Krankheitsvorgeschichte (Eigenanamnese, Sozialanamnese, aktuelles<br />
Beschwerdebild)<br />
4. Untersuchungsergebnisse (<strong>Klinik</strong>, Labor, Funktionsdiagnostik)<br />
5. Zusammenfassende Beurteilung der Krankheitsvorgeschichte und Exposition mit<br />
Beantwortung der umweltmedizinischen Fragestellung, Empfehlung weiterer<br />
diagnostischer und/oder therapeutischer Maßnahmen.<br />
2
Äußere Belastung<br />
Innere Belastung<br />
Biochemische, biologische,<br />
subklinische Effekte<br />
Gesundheitsstörung/<br />
Erkrankung<br />
Schadstoffbelastung und Erkrankung<br />
3<br />
Umwelt-Monitoring<br />
Belastungs-Monitoring<br />
Human-Biomonitoring<br />
Effekt-Monitoring<br />
Klinische umweltmedizinische Diagnostik<br />
Äußere Belastung Umwelt-Monitoring<br />
Belastungsquellen sind:<br />
Lebens- und Genussmittel Gefahrenerkennung<br />
Innen- und Außenluft, Wasser, Boden Gefahrenlokalisation<br />
Bedarfsgegenstände, Verbraucherprodukte Umweltbeobachtung<br />
Textilien<br />
Einrichtungsgegenstände<br />
Baumaterialien<br />
Bestimmung durch:<br />
• Analyse von Stoffkonzentrationen in den jeweiligen Medien und Materialien<br />
• jedoch: Individuelle Belastung abhängig von verschiedenen Faktoren (Lebens- und<br />
Verhaltengewohnheiten, Resorption, Verteilung, Ausscheidung etc.)<br />
Human-Biomonitoring<br />
Messung der Konzentration von Fremdstoffen oder deren Metaboliten in biologischem<br />
Material = Belastungsmonitoring<br />
Messung von biologischen Parametern, die auf Belastung von Fremdstoffen „reagieren“<br />
oder deren Wirkung anzeigen. = Effektmonitoring<br />
Messung von modulierenden Eigenschaften bestimmter Gene bzw. Gengruppen auf den<br />
Metabolismus und die Toxizität von Fremdstoffen<br />
= Suszeptibilitätsmonitoring
Voraussetzung für Human-Biomonitoring<br />
Fremdstoff- bzw. Metabolitenkonzentration im biologischen Material sollte repräsentatives<br />
Maß für die Gesamtbelastung des Organismus sein.<br />
Bewährt für umweltmedizinische Untersuchungen: Vollblut, Serum, Urin. Analysen in<br />
Haaren, Nägel, Speichel, Alveolarluft, Fettgewebsproben o. ä. aus methodischen Gründen<br />
(fehlende Referenzwerte, unzureichende Standardisierung Probenahme/Messverfahren) zur<br />
quantitativen Expositionsabschätzung i. d. R. nicht geeignet.<br />
Auswahl des Biomonitoring-Parameters<br />
• sollte sich an spezifischer toxischer Wirkung des Fremdstoffes orientieren<br />
• muss unter Beachtung der Halbwertszeit Expositionsabschätzung ermöglichen<br />
Untersuchung zur Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung als Grundlage der<br />
umweltmedizinischen Beurteilung<br />
geeignetes, validiertes, geprüftes Analyseverfahren<br />
Zeitpunkt Probenahme: Wichtig Intervall letzte Exposition – Probenahme<br />
Eliminationsgeschwindigkeit<br />
Halbwertszeit<br />
Sehr schnell<br />
t1/2 : < 10 std.<br />
sehr langsam<br />
t1/2 : einige<br />
Monate oder<br />
Jahre<br />
Aussagefähigkeit der Schadstoff-konzentration (Blut,<br />
Urin)<br />
• Probenahme zeitnah zur Exposition<br />
• Schadstoffkonzentration stellt „Momentaufnahme“ d.<br />
aktuellen Exposition dar<br />
• Probenahme variabel<br />
• Bei kontinuierlicher Exposition Akkumulation der<br />
Schadstoffe im Organismus, altersabhängige<br />
Zunahme.<br />
• Guter Indikator für zurückliegende Schadstoffkonzentrationen<br />
Probengewinnung, Transport, Lagerung<br />
4<br />
Stoffbeispiele<br />
Organische<br />
Lösungsmittel.<br />
Kohlenmonoxid (COHb)<br />
Cadmium (U),<br />
PCB 138, 152, 180 (B),<br />
PCDD/PCDF (B)<br />
Sachgerechte Ausführung von entscheidender Bedeutung für Analytik und Aussagekraft.<br />
Eindeutige Kennzeichnung der Proben !<br />
Unerwünschte Störeinflüsse:<br />
• Kontamination Prob / Probenahmematerial<br />
• Undichte Transportgefäße (Gefahrgutrecht beachten !)<br />
• Falsche Lagerungstemperatur / -dauer<br />
Für Analysen im biologischen Material gilt:<br />
• Blut: Abnahmen in EDTA-/Serum-Monovetten. Koagulation u. Hämolyse vermeiden.<br />
Lagerung meist bei 4°C im Kühlschrank für mehrere Stunden möglich.<br />
• Urin: „Gold-Standard“: 24-h-Sammelurin. Bei Spontanurin-Proben: Kreatiningehalt<br />
mitbestimmen lassen.
• Lösemittel-Screening im Blut mittels“Headspace-Analytik“:<br />
Spezielle Probenahmegefäße. Desinfektion der Einstichstelle mit Wasserstoffperoxid-<br />
Lösung.<br />
Für Biomonitoring-Analysen in der Umweltmedizin sollten nur Laboratorien beauftragt<br />
werden, die<br />
geprüfte und anerkannte Analyseverfahren einsetzen (z.B. Methodensammlung „Analysen<br />
im biologischem Material“ der DFG)<br />
ein laborinternes Qualitätssicherungssystem nach anerkannten Vorgaben dokumentieren<br />
(z.B. Richtlinien der BÄK, TRGS 710)<br />
regelmäßig an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen teilnehmen (z.B. Ringversuche<br />
der DGAUM)<br />
BEISPIEL Haaranalysen:<br />
Vorteile:<br />
• leichte Zugänglichkeit. Problemlose Lagerung/Transport<br />
• Dauerhafte Speicherung der aufgenommenen Stoffe<br />
• Möglichkeit retrospektiver Untersuchungen durch Haarsegmentanalysen (Wachtum<br />
Kopfhaar ca. 1 cm/Monat) – vorwiegend für forensische Fragestellungen<br />
Nachteile:<br />
• Eingeschränkte Aussagekraft auf individueller Basis durch schwierige Differenzierung<br />
endogene/exogene Anteile eines Stoffes im Haar<br />
• Einflüsse u. a. durch kosmetische Behandlung, Staubanlagerung<br />
• Große interindividuelle Variationsbreite<br />
• Noch keine externe Qualitätskontrollen durch Ringversuche<br />
Kasuistik Haaranalyse:<br />
69jährige Patientin mit unklarer peripherer Neuropathie.<br />
DD: Bleiintoxikation<br />
Untersuchungsmaterial<br />
Kopfhaar<br />
Vollblut<br />
BEURTEILUNG:<br />
Pb-Gehalt Referenzwert HBM I/II<br />
2732 µg/g<br />
84 µg/l<br />
5<br />
3,0 µg/g<br />
90,0 µg/l<br />
(70,0 µg/l)<br />
150/250 µg/l<br />
• Regelmäßige, mehrmonatige Verwendung eines Haarfärbemittels auf Bleiacetat-Basis<br />
(0,6%) führte zu exogener Kontamination der Haare.<br />
• Blutbleigehalt als wichtigster Parameter zur Ermittlung der individuellen Bleibelastung<br />
noch im oberen Bereich der Hintergrundbelastung, somit keine gesundheitsrelevante<br />
dermale Absorption von Blei anzunehmen.
Bewertung der Analyseergebnisse<br />
1. Fragestellung:<br />
Besteht bei der untersuchten Person bzgl. des zu bewertenden Stoffes eine erhöhte<br />
Belastung?<br />
Orientierung an Referenzwerten (Hintergrundbelastung):<br />
Als Referenzwert wird nach allgemein verwendeter Definition das 95. Perzentil aller<br />
aus einer repräsentativen Stichprobe der Allgemeinbevölkerung oder einer<br />
Bevölkerungsgruppe ermittelten Konzentrationen eines Fremdstoffes bzw.<br />
Fremdstoffmetaboliten bezeichnet.<br />
Zu beachten:<br />
Überschreiten der Referenzwerte nicht gleichbedeutend mit Erhöhung der<br />
gesundheitlichen Gefährdung.<br />
Aktualisierte Referenzwerte für Blei, Cadmium, Quecksilber im Blut<br />
(Bevölkerungsrepräsentative Daten des Umweltsurveys 1998)<br />
Parameter und Matrix Personengruppen Referenzwerte<br />
Blei im Vollblut Kinder (6-12 Jahre)<br />
Frauen (18-69 Jahre)<br />
Männer (18-69 Jahre)<br />
Quecksilber im Blut Kinder (6-12 Jahre)<br />
Fischkonsum bis dreimal im Monat<br />
Erwachsene (18-69 Jahre)<br />
Fischkonsum bis dreimal im Monat<br />
Cadmium im Vollblut Kinder (6-12 Jahre)<br />
Nicht rauchende Erwachsene<br />
(18-69 Jahre)<br />
6<br />
60µg/l<br />
70µg/l<br />
90µg/l<br />
1,5 µg/l<br />
2,0 µg/l<br />
0,5 µg/l<br />
0,8 µg/l<br />
2. Fragestellung<br />
Indiziert die gemessene Konzentration eines Stoffes (Blut, Plasma/Serum, Urin) eine<br />
Belastung, bei der adverse (=gesundheitlich nachteilige) Effekte oder ein erhöhtes<br />
Erkrankungsrisiko auftreten können bzw. zu erwarten ist?<br />
Orientierung an Human-Biomonitoring-Werten (= HBM-Werte), erarbeitet von der<br />
Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes.<br />
HBM-Werte<br />
HBM-Werte sind im Gegensatz zu Referenzwerten toxikologisch begründet, d.h. es liegen<br />
gesicherte Kenntnisse über Dosis-Wirkungs-Beziehungen einer Substanz im Bereich<br />
umweltmedizinisch relevanter Konzentration vor.<br />
HBM-Werte gibt es derzeit für Blei, Cadmium, Pentachlorphenol und Quecksilber:<br />
aktualisierte Übersichten siehe<br />
www.umweltbundesamt.de<br />
Stoffmonographien werden im Bundesgesundheitsblatt (- Gesundheitsforschung –<br />
Gesundheitsschutz) veröffentlicht.
HBM-I-Wert = Konzentrationen eines Fremdstoffes bzw. seines Metaboliten in einem<br />
Körpermedium, bei dessen Unterschreitung nach dem aktuellen Stand<br />
der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht mit einer gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigung zu rechnen ist.<br />
• Bei Unterschreitung i. d. R. kein weiterer Handlungsbedarf<br />
• Bei Überschreitung: Befundkontrolle, Ursachenforschung und Ausschaltung der<br />
verantwortlichen Belastungsquellen<br />
HBM-II-Wert = Konzentration eines Fremdstoffes bzw. seines Metaboliten in einem<br />
Körpermedium, bei deren Überschreitung eine gesundheitliche<br />
Beeinträchtigung möglich ist.<br />
Daher: gezielte umweltmedizinische Beratung und Betreuung, Beseitigung der auslösenden<br />
Expositionsquellen.<br />
HBM-I-Wert = Prüf-/Kontrollwert<br />
HBM-II-Wert = Interventions-/Maßnahmewert<br />
Biochemische, biologische,<br />
subklinische Effekte<br />
Laborchemische Parameter<br />
- Nachweis niedermolekularer Proteine wie α1/β2-Mikroglobuline und N-Acetyl-β-<br />
D-Glukosaminidase (NAG) im Urin bei Expositionen gegenüber Cadmium und<br />
Quecksilber –<br />
Tubuläre Nierefunktionsstörungen.<br />
- Bestimmung der Delta-Aminolävulinsäure-Dehydratase (ALA-D) in Erythrozyten<br />
und der Delta-Aminolävulinsäure im Urin bei Exposition gegenüber Blei –<br />
Inhibition von Schlüsselenzyme der Hämsynthese<br />
- Bestimmung der Aktivität der Acetylcholinesterase in Erythrozyten bei Exposition<br />
gegenüber organischen Phosphorsäureestern –<br />
Inhibition von Esterasen<br />
- Enzymdiagnostik der Leber bei Exposition bei organischen Lösungsmitteln und<br />
polychlorierten Biphenylen.<br />
7<br />
Effekt-Monitoring
Biochemische Effektmarker zur Beurteilung der Belastung durch<br />
krebserzeugende Stoffe<br />
DNA-Addukte werde<br />
• durch kovalente Bindungen von chemisch reaktiven Substanzen bzw. deren Metaboliten<br />
an nukleophile Gruppen von DNA-Basen gebildet<br />
• als Vorläufer von Mutationen, d.h. als Äquivalent bzw. Indikatoren für gentoxische<br />
Schädigungen angesehen,<br />
• vor allem in peripheren Lymphozyten bestimmt, Nachweis mit 32P-Postlabeling-Technik.<br />
Immunologische Methoden<br />
DNA-Adduktanalytik noch keine Routinemethode in arbeits- und umweltmedizinischer<br />
Diagnostik<br />
Ursprung von exogenen DNA-Schäden<br />
Typ Prozess Beispiel<br />
Kaum vermeidbar Strahlung<br />
UV, kosmische/terrestrische<br />
ionisierende Strahlung<br />
z. T. vermeidbar<br />
vermeidbar<br />
(im Prinzip)<br />
Natürliche radioaktive Isotopen<br />
Schadstoffe in der Luft<br />
Pyrolyseprodukte<br />
Exposition am Arbeitsplatz<br />
Schadstoffe in der Luft<br />
Freiwillige Exposition<br />
Arzneimittel<br />
Protein-Addukte beim Menschen<br />
8<br />
222 Rn, 40 K<br />
Aromat. Kohlenwassertoffe (PAK)<br />
PAK, Heterozykl. Amine, Nitrosoverbdg.<br />
Vinylchlorid<br />
Passivrauchen<br />
Rauchen<br />
Zytostatika<br />
Alkylierende Substanzen Addukt/Spaltprodukt<br />
Ethylenoxid<br />
Hydroxyethylvalin<br />
Butadien<br />
Acrylnitril<br />
Acrylamid<br />
Aromatische Amine<br />
Aromatische Nitroverbindungen<br />
PAH<br />
Sonstige, z.B. Dimethylformamid, Benzochinon<br />
N-(2-Hydroxy-3-butenyl)valin<br />
Cyanoethylvalin<br />
N-2-Carbamoylethylvalin
Falldarstellung<br />
BLEI<br />
QUECKSILBER<br />
PENTOCHLORPHENOL<br />
POLYCHLORIERTEN BIOPHENYLE<br />
BLEI<br />
Gehört zu den wichtigsten toxischen Schwermetallen<br />
Krebserzeugende Wirkung Kategorie 3 B (im Tierversuch)<br />
Keimzellmutagene Wirkung Kategorie 3 A<br />
BLEI<br />
Berufliche Gefährdung durch inhalative Aufnahme im Staub-, Rauch-, Dampfform<br />
(metallisches Blei), bei der Herstellung von Bleiakkumulatoren (Starterbatterien in Kfz),<br />
bei Spritzen, Schleifen und Verschrotten, beim Löten und bei der Herstellung bleihaltiger<br />
Glasuren.<br />
Hauptbelastungsquellen Umwelt<br />
Pflanzliche Lebensmittel (Ablagerung über Staubsedimentation und Niederschläge),<br />
Innereien von Schlachttieren<br />
„Bleilässige“ Materialien z.B. Importkeramik: Gefahr der Sekundärkontamination von<br />
Lebensmitteln,<br />
Trinkwasser (Bleirohre), Grenzwert lt. Trinkwasserverordnung z. Zt. 25 µg/l, bis 2013<br />
Absenkung auf 10µg/l<br />
Boden (oberflächennahe Schicht): In belasteten Gebieten 500 - > 2000 mg/kg.<br />
Kleinkinder durch Verschlucken bleihaltiger Bodenpartikel besonders gefährdet.<br />
Wirkungsweise Blei<br />
Blei wirkt vor allem auf<br />
• die Hämoglobin-Synthese und Erythropoese : Inaktivierung bestimmter Enzyme, dadurch<br />
erhöhte Ausscheidung Delta-Aminolävulinsäure/Koproporphyrin III im Urin, Hemmung<br />
des Eisen II-Einbaus in das Protoporphyrin IX Vorstufe Hb)<br />
• die glatte Muskulatur<br />
• das periphere und zentrale Nervensystem<br />
• das Gefäßsystem<br />
Ablagerung als relativ stabiles Bleiphosphat in Knochen (sog. Depot-Blei)<br />
9
BLEI<br />
Krankheitsbild<br />
Akute Intoxikationen sehr selten, meist chronische bzw. subchronische Erkrankungen.<br />
Es werden folgende Entwicklungsstadien unterschieden:<br />
klinisch stummes Vorstadium (Bleiträger)<br />
kritisches Anfangsstadium („Präsaturnismus“)<br />
Bleierkrankung („Saturnismus“)<br />
Spätkrankheiten<br />
Leitsymptome der chronischen Bleivergiftung<br />
Magen-Darm-Kolik (DD: Appendizitis), Obstipation, allgemeine Abgeschlagenheit, Anämie<br />
(hypo- bzw. normochrom).<br />
Selten Bleisaum am Zahnfleisch (abhängig von Mundhygiene).<br />
In schweren Fällen auch sensomotorische Polyneuropathie („Fallhand“ wie bei<br />
Radialisparese), Nierenschaden und Enzephalopathie.<br />
Stärkere neurotoxische Effekte nach chronischer Bleibelastung betreffen vor allem Lernen<br />
und Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit und Psychomotorik.<br />
<strong>Umweltmedizinische</strong> <strong>Anamnese</strong><br />
Frage nach der Exposition (Wohnung: Anstriche abschleifen, Wasserleitungen, Keramik),<br />
Hobby, Beruf<br />
Symptomatik (Beginn, Art du zeitlicher Verlauf der Beschwerden)<br />
Bei hinreichender beruflicher Bleiexposition ggf. Berufskrankheitenmeldung<br />
Körperliche und aparative Untersuchung<br />
• Ganzkörperstatus (Aussehen, Gesamtzustand)<br />
• Inspektion der Mundschleimhaut und der Gingiva<br />
• Hämatologische Parameter/Biomonitoring<br />
• Ggf. neurophysiologische Untersuchungen (ENG,EMG)<br />
Biomonitoring<br />
Parameter: Blei im Vollblut – höchster diagnostischer Aussagewert<br />
Blei-Konzentration im Urin (24-Std.-Sammelurin)<br />
Beanspruchungsmonitoring<br />
• Blutbild, diff. Blutbild<br />
• Delta-Animolävulinsäureausscheidung (ALA) im Urin<br />
• Koproporphyin-(III)-Ausscheidung im Urin<br />
10
Referenzwerte [95. Perzentil-µg/l Blut]<br />
Kinder (6-14 Jahre) 60µg/l<br />
Frauen (18-69 Jahre) 70µg/l<br />
Männer (18-69 Jahre) 90µg/l<br />
11<br />
HBM I<br />
HBM II<br />
100 (Risikogruppen) / 150 µg/l<br />
150 (Risikogruppen) / 250 µg/l<br />
Fragestellung einer exogen-toxisch bedingten Polyneuropathie (Blei?)<br />
74 jähriger Patient, konsiliarische Mitbeurteilung<br />
Hauptdiagnosen unter Einbeziehung der Vorbefunde:<br />
1. Axonale sensomotorische Polyneuropathie<br />
2. Koronare Herzerkrankung mit Z. n. Hinterwandinfarkt<br />
3. Arthritis urica<br />
4. Lumboischialgien bds., (kernspintomographisch Spinalkanalstenose (LWK 3/4) und<br />
Bandscheibenprolaps (L5/S1)<br />
5. Cervikobrachiales Syndrom<br />
Z. n. Dekompression und Neurolyse des N. cutaneus femoris lat. bds. Bei Melagia<br />
paraesthetica<br />
Fortsetzung PNP-Fall:<br />
Aktuelles Beschwerdebild:<br />
Taubheitsgefühl in beiden Oberschenkeln nach längerem Stehen und Gehen, vorwiegend<br />
nächtliche Schmerzen und Krämpfe im Bereich der Waden und Oberschenkel, nach<br />
Dekompression und Neurolyse des N. cutaneus femoralis lat. bds. abklingende nächtliche<br />
Schmerzsymptomatik.<br />
Im weiteren Verlauf zunehmendes Schwächegefühl mit Druckschmerzhaftigkeit in beiden<br />
Beinen, intermittierend bestehendes Taubheitsgefühl im Zehen- und Vorfußbereich.<br />
Im Gefolge einer Chiropraktischen Behandlung Taubheitsgefühl im Bereich der linken<br />
ulnaren Finger mit belastungsabhängigen Krämpfen.<br />
Berufsanamnese:<br />
Kaufmännische Ausbildung nachfolgend selbständiger Großhändler und<br />
Immobilienkaufmann<br />
Wohnbereich:<br />
Privathaus mit Grundstück auf dem Abraum eines 1930 stillgelegten Bleibergwerkes in der<br />
Eifel. Erdprobenanalyse erbrachte 1983 einen Bleigehalt von 1.230 mg/kg Trockensubstanz<br />
Nutzung des Grundstücks für Blumenbepflanzung und Nadelbäume (wurde gefällt), später<br />
Rasenfläche und Steilhang mit Wildbewuchs. Kein Gemüse- oder Obstanbau.
Keine bleihaltigen Altanstriche in den Innenräumen des Hauses. Keine Verwendung von<br />
Bleirohren. Strukturtapeten (60m 2 ), Belastung durch Phthalate ?<br />
Keine handwerklichen Hobbytätigkeiten mit Schadstoffbelastungen.<br />
Biomonitoring<br />
Parameter Messwert Referenzbereich<br />
Blei im Blut 0,06 mg/l ≤ 0,2 mg/l<br />
Zinkprotoporphyrin im<br />
Erythrozyten<br />
58 µmol/mol Haem < 40 µmol/mol Haem<br />
Delta-Aminolaevulinsäure im Urin 0,8 mg/l<br />
< 4,5 mg/l<br />
1,6 mg/24 Std. < 6,5 mg/24 Std.<br />
Porphobilinogen im Urin 0,5 mg/l<br />
0,4 – 1,2 mg/l<br />
1,0 mg/24 Std. 0,1 – 1,7 mg/24 Std.<br />
Gesamt-Porphyrine im Urin Unter der<br />
Nachweisgrenze<br />
< 0,16 mg/l<br />
FAZIT:<br />
Es konnten keine Schadstoffquellen im Wohnbereich des Patienten ermittelt werden, die mit<br />
einem relevanten neurotoxischen Gefährdungspotenzial in Zusammenhang gebracht werden<br />
konnten.<br />
Arbeitsanamnestisch keine Gefahrstoffbelastung<br />
Rezidivierende Bauchkoliken durch eine chronische Bleiintoxikation<br />
<strong>Klinik</strong>:<br />
68-jährige Pat. mit wiederholt auftretenden Bauchkoliken, begleitet von Übelkeit, Erbrechen,<br />
Obstipation, Inappetenz. Mehrfach stationär. Erhöhte Bilirubin- und Leberwerte, unklare<br />
Leukozytose.<br />
Zunächst Verdachtsdiagnose einer akuten intermittierende hepatischen Porphyrie.<br />
Zwischenzeitlich auch Grand-Mal-Anfälle mit Somnolenz sowie zeitlicher und örtlicher<br />
Desorientierung, kombiniert mit Hyponatriämie und Hypomagnesiämie.<br />
Nach Normalisierung des Elektrolythaushaltes Abklingen der Symptomatik und<br />
neurologischen Auffälligkeiten.<br />
12
Untersuchungen und Befunde bei einer Patientin mit rezidivierenden Bauchkoliken<br />
Untersuchung Befund<br />
Oberbauchsonographie Lebercyste linker Leberlappen, sonst<br />
unauffällig<br />
Magen-Darm-Passage Axiale Hiatushernie, keine<br />
Refluxoesophagitis, kein Anhalt für ulzeröse<br />
oder tumoröse Läsionen, keine Konkremente<br />
Röntgen Galle Keine Konkremente<br />
MRT des Oberbauches Lebercyste, kein Anhalt für eine maligne<br />
Entartung<br />
Leberpunktion Unauffällig<br />
Stuhluntersuchung Keine pathogenen Keime<br />
Nach beschwerdefreiem Intervall von 6 Monaten erneut Bauchkoliken<br />
Im Rahmen der Porphyriesuchdiagnostik wurden u. a. nachfolgende Laborwerte erhoben:<br />
Urin: Gesamt-Porphyrine 3411,0 µg/24 h RB < 170,0<br />
Delta-Aminolaevulinsäure 26,7 mg/24 h RB 0,4 – 5,0 mg/24 h<br />
Koproporphyrin 3280,0 µg/24 h RB < 120,0<br />
Blei: 550 µg/l<br />
Außerdem Anämie, Tüpfelzellen im Blutausstrich und arterielle Hypertonie<br />
Expositionserhebung<br />
1952 – 1962 Hohe berufliche Bleiexposition durch Arbeit an einem „Bleiofen“,<br />
damals keine Beschwerden, keine arbeitsmedizinische<br />
Vorsorgeuntersuchungen (Ehemann und Arbeitskollege durchgängig<br />
ohne Beschwerden)<br />
1960 – 1988 Haus mit Trinkwasserleitungen aus Blei bewohnt<br />
Jetziges Einfamilienhaus ohne Bleileitungen. Auch weitere Bleiquellen<br />
wurden bei der Hausbegehung ausgeschlossen.<br />
13
<strong>Umweltmedizinische</strong> Untersuchung<br />
Untersuchungen Bleikonzentration<br />
Haar (Patientin) 3,3 µg/g<br />
(Referenzwert: 3,1 – 3,4 µg/g)<br />
Vollblut (Ehemann) 245 µg/l<br />
(HBM-I-Wert: 150 µg/l)<br />
Vollblut (ehemaliger<br />
80 µg/l<br />
Arbeitskollege)<br />
Hausbegehung Kein Hinweis auf eine Bleiquelle wie z. B. Geschirr,<br />
Lebensmittel, Garten, Wohnungsumfeld, Hobby<br />
Trinkwasser (Haus) < 0,5 µg/l<br />
FAZIT:<br />
Aktuelle Belastungsquelle war nicht zu eruieren.<br />
Vormalige hohe berufliche Bleibelastung mit möglicherweise Bleibablagerung in den<br />
Knochen (schwerlösliches tertiäres Bleiphosphat, HWZ 10-20 Jahre),<br />
daher Verdachtsdiagnose einer Bleimobilisation bei altersbedingter Osteoporose.<br />
Auffällig:<br />
Bei letzter stationärer Aufnahme metalldichte Konkremente auf der Abdomen-<br />
Übersichtsaufnahme, die bei der Entlassung nicht mehr nachweisbar waren.<br />
Radiologischerseits wurde eine chronisch-rezidivierende alimentäre Zufuhr von<br />
Metallpartikeln angenommen.<br />
14