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Wie der Name des Berggeistes Rübezahl sprachlich zu erklären ist ...

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<strong>Wie</strong> <strong>der</strong> <strong>Name</strong> <strong>des</strong> <strong>Bergge<strong>ist</strong>es</strong><br />

<strong>Rübezahl</strong><br />

<strong>sprachlich</strong> <strong>zu</strong> <strong>erklären</strong> <strong>ist</strong>, steht durchaus noch nicht fest. Etliche unterschiedliche<br />

Interpretationen gibt es immerhin. Insbeson<strong>der</strong>e wäre <strong>zu</strong> fragen, ob – wovon man oft<br />

hören kann – die Sage, in <strong>der</strong> konkret vom Zählen <strong>der</strong> Rüben die Rede <strong>ist</strong>, bei <strong>der</strong><br />

<strong>sprachlich</strong>en Deutung dienen kann.<br />

Man darf sicher sein – um es so gewunden aus<strong>zu</strong>drücken –, daß es noch keine sichere<br />

Erklärung <strong>des</strong> <strong>Name</strong>ns jener volkstümlichen Sagengestalt gibt – so wie etwa das<br />

Etymologische Wörterbuch <strong>der</strong> deutschen Sprache (Kluge/Mitzka, 21. Auflage, 1975) festhielt:<br />

Mehrere Deutungsversuche liegen vor, doch keiner <strong>ist</strong> schlüssig, beson<strong>der</strong>s hinsichtlich<br />

<strong>des</strong> Erstglieds Rübe- (auch Ruprecht = Rüpel "bleibt unsicher"). Die Wortform <strong>ist</strong> im<br />

16. Jahrhun<strong>der</strong>t als Rubenczal, Rubezal, Rubenzagel belegt, bei M. Opitz 1630 als Rübezal.<br />

zagel = zahl kann als Schimpfwort, 'Rübenschwanz' wie 'Alraun' verstanden werden.<br />

Die Sage vom Rübenzählen findet sich in den Volksmärchen <strong>der</strong> Deutschen von J. K. A.<br />

Musäus (1782–1786), doch wird die <strong>Name</strong>ndeutung gleichsam augenzwinkernd vorgebracht<br />

und ein volkstümlicher Beiname ins Spiel gebracht:<br />

Und die Inwohner <strong>der</strong> umliegenden Gegenden, die den Nachbar Bergge<strong>ist</strong> bei seinem<br />

Ge<strong>ist</strong>ernamen nicht <strong>zu</strong> nennen wußten, legten ihm einen Spottnamen auf, riefen ihn Rübenzähler,<br />

o<strong>der</strong> kurzab <strong>Rübezahl</strong>.<br />

Ludwig Bechstein sagt in seinem Deutsches Sagenbuch ganz entsprechend:<br />

Dies mögen <strong>der</strong> umgehenden Sagen von <strong>Rübezahl</strong>, <strong>der</strong>en es all<strong>zu</strong> viele gibt, genug<br />

sein. Die allbekannte Sage vom Rübenzählen <strong>ist</strong> keine, sie <strong>ist</strong> ein Hervorbringnis <strong>der</strong><br />

neueren Zeit, das Volk kennt sie erst durch neuere Bücher und Reisende, und alte Schriften,<br />

die <strong>des</strong> <strong>Rübezahl</strong>s gedenken, erwähnen ihrer mit keinem einzigen Wort.<br />

Schon 1662, als Johannes Praetorius in einer gelehrten Abhandlung sich mit dem<br />

sagenumwobenen Bergge<strong>ist</strong> beschäftigte – Daemonologia Rubinzalii silesii –, in <strong>der</strong> er<br />

mehr als ein Dutzend Benennungen (so z. B. Rokezan, Ronsevall, U alle und Roy) wie<strong>der</strong>gibt<br />

und "allerhand Zunamen <strong>des</strong> <strong>Rübezahl</strong>s" analysiert * , lag <strong>der</strong> <strong>Name</strong> im Dunkeln.<br />

* "Woher <strong>der</strong> Nahme Rübezal entsprungen sey: Biß hieher haben wir etwa die vielfachen Nahmen und<br />

Titel angehöret: welche von unterschiedlichen Leuten und Scriptoribus dem <strong>Rübezahl</strong> gegeben werden.<br />

Jet<strong>zu</strong>nd wollen wir uns son<strong>der</strong>lich bekümmern umb den Ursprung / o<strong>der</strong> terivation <strong>des</strong> Wortes <strong>Rübezahl</strong>s.<br />

Hievon sind nun unterschiedliche / und wiedrige Meynungen […]." – Viele Hinweise <strong>zu</strong>r Überlieferung,<br />

auch <strong>zu</strong> <strong>Rübezahl</strong>s Rolle als Wetterge<strong>ist</strong>, finden sich im Handwörterbuch <strong>des</strong> deutschen Aberglaubens<br />

von Hanns Bächthold-Stäubli, 1927–1942.


Der Vergleich mit den polnischen und tschechischen Entsprechungen <strong>des</strong> Eigennamens<br />

bringt die Interpretation ebenfalls nicht weiter. Eine Herleitung von <strong>Rübezahl</strong><br />

aus slawischem Wortgut hat sich keineswegs erhärten lassen. Die polnische Variante<br />

liczyrzepa entspricht deutsch '<strong>Rübezahl</strong>' ('Zählen' + 'Rübe'), und die tschechische<br />

Krkonoš (gesprochen 'Krakonosch') – neben <strong>der</strong> direkten Übernahme Rybecal – läßt<br />

sich schlicht auf 'Riesengebirge' <strong>zu</strong>rückführen. Liczyrzepa und Rybecal sind Angleichungen<br />

an die deutsche Variante, und all diese Wortversionen sind Prägungen <strong>des</strong><br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, wie Maximilian Eiden vom Schlesischen Museum in Görlitz dankenswerterweise<br />

mitgeteilt hat. **<br />

Auch das Schlesische Wörterbuch, 1964, läßt die Frage offen; am Ende <strong>des</strong> Stichworts<br />

<strong>Rübezahl</strong> heißt es lapidar:<br />

in Hexenakten <strong>ist</strong> Rubel ein "junger kleiner Teufel"; "hauptsächlich Naturmythus".<br />

Kompliziert <strong>ist</strong> die Frage auch <strong>des</strong>halb, weil <strong>Rübezahl</strong> als Bergmann ursprünglich<br />

aus dem Harz stammt; schon dort trug er wohl seinen rätselhaften <strong>Name</strong>n.<br />

Immerhin kommt <strong>Rübezahl</strong> bzw. älter Rübezagl im Mittelalter als Familienname<br />

auf *** , und dieser <strong>ist</strong> als 'Rübenschwanz' <strong>zu</strong> deuten (Zagel = Zahl = 'Schwanz').<br />

So wäre jedenfalls erklärlich, daß, wie es die Sage bei Musäus ausdrückt, <strong>Rübezahl</strong><br />

nur als Bei- und Spottname gebraucht wird, denn <strong>der</strong> Bergge<strong>ist</strong> mag diese Bezeichnung<br />

ja gar nicht, sein eigentlicher <strong>Name</strong> bleibt unbekannt, und er möchte (nach verschiedenen<br />

Quellen) "Schatzhüter" o<strong>der</strong> "Herr <strong>des</strong> Gebirges" o<strong>der</strong> "Herr Johannes"<br />

gerufen werden.<br />

<strong>Rübezahl</strong> im Sinne von 'Rübenschwanz' sagt also nur am Rande bzw. in volksetymologischer<br />

Perspektive und im Nachhinein etwas aus.<br />

_____________<br />

© Gerhard Müller.<br />

Ursprünglich in <strong>der</strong> Zeitschrift Der Sprachdienst (<strong>Wie</strong>sbaden), Heft 6/2009. Hier beträchtlich<br />

erweitert und formal sowie orthographisch überarbeitet. – Stand: Juni 2010.<br />

** Eiden schrieb Ende 2009 u. a.: "Carl Hauptmanns Einschät<strong>zu</strong>ng scheint bis heute <strong>zu</strong>treffend: 'Warum<br />

<strong>der</strong> unheimliche Zauberunhold <strong>Rübezahl</strong> heißt, vermag niemand <strong>zu</strong> sagen.' Der Volkskundler Will-<br />

Erich Peuckert zitiert das 1966 <strong>zu</strong>stimmend und fügt hin<strong>zu</strong>: 'Es gibt so viele Erklärungen <strong>des</strong> <strong>Name</strong>ns<br />

wie Forscher, die sich mit ihm beschäftigt haben, und eine steht immer gegen die an<strong>der</strong>e. Was nützt<br />

selbst die Feststellung, daß 1427 ein Nickol Rubenczal von Barnsdorf gelebt und geächtet worden <strong>ist</strong>,<br />

was die Aufzählung <strong>der</strong> einst in Oberdeutschland, beson<strong>der</strong>s auch in Sachsen vorhandenen Menschen<br />

dieses <strong>Name</strong>ns!'" – Gleichfalls läßt sich J. Ch. Adelungs Vermutung, es liegt das slawische Wort Rob<br />

im Sinne von 'Knecht' <strong>zu</strong>grunde, nicht halten (s. sein Wörterbuch <strong>der</strong> Hochdeutschen Mundart, um 1800).<br />

*** Siehe Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch, Leipzig 1872–1878/Nachdruck: Stuttgart<br />

1992: "ruobe-zagel stm. Heinricus Ruobezagel […]".<br />

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