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Glückserfahrung am Sterbebett Glückserfahrung am Sterbebett

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<strong>Glückserfahrung</strong> <strong>am</strong><br />

<strong>Sterbebett</strong><br />

Eine geistige, mitfühlende Sterbekultur erleichtert allen Beteiligten den Abschied.<br />

Der Tod ist kein Schreckgespenst. Im Gegenteil, die Begleitung eines Sterbenden<br />

über den Tod hinaus erlebt sich wie eine Reise zu Licht und Freude. Ein Erfahrungsbericht.<br />

Es schien mir schon immer<br />

abrupt, dass ein kaum<br />

Gestorbener in Windeseile<br />

aus der Lebewelt fortgeschafft<br />

und im Kühlraum zwischengelagert<br />

wird. So, wie es in unserer<br />

Gesellschaft üblich ist. In diesem<br />

Vorgehen drückt sich der extreme<br />

Hang zum Handeln und zur<br />

Verdrängung des Todes aus. Dabei<br />

verpassen wir die angebotene<br />

Gelegenheit, dem Wunder des<br />

Lichts im Menschen zu begegnen<br />

und uns daran erinnern zu<br />

lassen, wer wir wirklich sind.<br />

Diese wertvolle Erfahrung war<br />

mir (53) kurz vor Weihnachten<br />

beschieden, als sich mein Partner<br />

Hans (80) aufmachte, die Welt<br />

zu verlassen.<br />

Engel blies mit Trompete<br />

zum Sterben<br />

Es begann mit einem prägenden<br />

Auftakt. Als ich das Geschenkpäckchen<br />

öffnete, das mir ein älterer<br />

Mann aus dem Dorf auf der<br />

Strasse spontan überreicht hatte,<br />

wurde ich hellwach. In meiner<br />

Hand stand ein weisser Laubsägeli-Engel<br />

mit einer Trompete.<br />

«Der Todesengel», durchfuhr<br />

mich ein Gedanke.<br />

Und tatsächlich, <strong>am</strong> Tag darauf<br />

verabschiedete sich Hans aus seinem<br />

Leben. Ein für mich tief gehendes<br />

Ereignis. Eben war ich<br />

vom erhols<strong>am</strong>en Spaziergang zurückgekehrt.<br />

Hans, seit drei Mo-<br />

vita sana sonnseitig leben 3/2009<br />

naten bettlägrig wegen einer<br />

Lungenentzündung und den Folgen<br />

der Antibiotika, befand sich<br />

in einem ruhigen Zustand. Im<br />

kurzen Gespräch merkte ich,<br />

dass er in einem andern Erlebensraum<br />

weilte als sonst. Er, der<br />

viel auf sein Äusseres gegeben<br />

hatte, braungebrannt gewesen<br />

war und sich lautstark bemerkbar<br />

gemacht hatte, wirkte nach Innen<br />

gekehrt und zerbrechlich. Seine<br />

würdige Haltung war geblieben.<br />

Als ich ihm die Beine einölte,<br />

was ihn jeweilen erleichterte,<br />

richteten sich seine Augen plötzlich<br />

und bestimmt nach oben.<br />

Wie er es während seiner Meditationen<br />

tausendfach erlebt hatte.<br />

Ein Gefühl von Ehrfurcht und<br />

Stolz befiel mich, dass Hans, der<br />

sich im Leben mit dem Loslassen<br />

schwer getan hatte – er erzählte<br />

etwa davon, dass seine innere<br />

Stimme: «lass los!» ihn vor dem<br />

Absturz gerettet hatte, als er vor<br />

Jahren mit dem Kleinflugzeug<br />

ins Trudeln geraten war, – sich<br />

jetzt ohne Wenn und Aber davontragen<br />

liess. Ich empfand höchste<br />

Freude. «Die Geburt beginnt»,<br />

sagte mir ein Gedanke um vier<br />

Uhr nachmittags. Genau so<br />

hörte sich das kurze, schnelle<br />

Atmen an, das später von immer<br />

länger werdenden Atempausen<br />

unterbrochen wurde.

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