Ökonomisierungstendenzen im Schulsystem? - Ruhr-Universität ...
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<strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> Bochum<br />
Fakultät für Sozialwissenschaft<br />
<strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong>?<br />
Differenzierungstheoretische Perspektiven auf<br />
vorgelegt von Björn Hermstein<br />
aktuelle Steuerungsinstrumente<br />
MA.-Arbeit<br />
betreut durch Prof. Dr. Rolf G. Heinze<br />
Bochum, September 2012<br />
Prof. Dr. Nils Berkemeyer
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung................................................................................................................... 4<br />
2 Theoretische Grundlagen ........................................................................................... 6<br />
2.1 Die Theorien gesellschaftliche Differenzierung als ein Programm der Soziologie ....... 7<br />
2.1.1 Ausgewählte Perspektiven auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft .... 10<br />
2.2 Einsichten der „Theorie des Sozialen“ nach Luhmann ............................................. 13<br />
2.3 Die funktional differenzierte Gesellschaft ................................................................ 16<br />
2.3.1 Differenzierung: Dekomposition versus Emergenz ............................................... 17<br />
2.3.2 Der Binäre Code als basales Differenzschema .................................................... 18<br />
2.3.3 Funktionssystem und Programmebene................................................................ 20<br />
2.3.4 Integration und strukturelle Kopplung .................................................................. 21<br />
2.3.5 Exkurs: Organisation und funktionale Differenzierung .......................................... 24<br />
2.3.6 Autonomie, legit<strong>im</strong>e Indifferenz, Desintegration ................................................... 27<br />
2.3.7 Politische Gesellschaftssteuerung, Autonomiegefährdung und fremdreferentielle<br />
Rahmung ............................................................................................................... 29<br />
2.4 „Re-entry“ akteurtheoretischer Perspektiven ........................................................... 33<br />
2.5 Zwischenbetrachtung ............................................................................................ 39<br />
3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und gesellschaftlicher Realität ............................ 41<br />
3.1 Beschreibungen <strong>im</strong> Überblick................................................................................. 43<br />
3.2 Ökonomisierung der Gesellschaft – Analyseansätze und Mehrd<strong>im</strong>ensionalität ......... 47<br />
3.2.1 Makro-Ebene ..................................................................................................... 49<br />
3.2.2 Meso-Ebene....................................................................................................... 54<br />
3.2.3 Mikro-Ebene....................................................................................................... 59<br />
3.3 Zwischenbetrachtung ............................................................................................ 60<br />
4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung ..................................................................................... 62<br />
4.1 Steuerungsinstrument I: Inputsteuerung durch das „Schulscharfe“ Lehrerbewerbungs-<br />
und Auswahlverfahren ............................................................................................ 63<br />
4.1.1 Implementation und Verbreitung des Verfahrens.................................................. 63<br />
4.1.2 Einordnung in den paradigmatischen Kontext ...................................................... 67
4.1.3 Funktion, Erwartungen und Effekte der Implementation........................................ 69<br />
4.1.4 Schulscharfes Auswahl- und Einstellungsverfahren und Ökonomisierung ............. 72<br />
4.2 Steuerungsinstrument II: Ganztagsschule und Prozesssteuerung ........................... 76<br />
4.2.1 Begründungszusammenhang des Reformprogramms Ganztagsschule................. 76<br />
4.2.2 Quantitativer Ausbau und Nutzung von Ganztagsangeboten in Deutschland......... 77<br />
4.2.3 Leitvorstellungen, Wirkungen und organisationale Konsequenzen des Ganztages 79<br />
4.2.4 Ganztagsschule und Ökonomisierung ................................................................. 82<br />
4.3 Steuerungsinstrument III: Outputsteuerung durch Bildungsstandards ...................... 87<br />
4.3.1 Historische Herkunft, ideelle Begründung und Implementation in Deutschland ...... 87<br />
4.3.2 Konzeption der Standards und zugedachte Funktionen für den Unterricht............. 89<br />
4.3.3 Bildungsstandards und Systemmonitoring ........................................................... 93<br />
4.3.4 Bildungsstandards und Ökonomisierung .............................................................. 95<br />
4.3.4.1 Ökonomische Vereinseitigung von schulischen Bildungsinhalten ....................... 96<br />
4.3.4.2 Verändertes Governancereg<strong>im</strong>e und Ökonomisierung .....................................100<br />
5 Zusammenfassung und Perspektiven ......................................................................107<br />
Verzeichnisse ............................................................................................................110<br />
Literatur .....................................................................................................................110<br />
Tabellenverzeichnis ...................................................................................................142<br />
Anhang ......................................................................................................................143
4 1 Einleitung<br />
1 Einleitung<br />
Nach Sichtung moderner soziologischer und sozialwissenschaftlicher Literatur ist<br />
anzunehmen, dass es <strong>im</strong> Trend liegt, die Gesellschaft unter einer Ökonomisie-<br />
rungsperspektive zu betrachten. Sowohl konzeptionelle und wie gegenwartsdiag-<br />
nostische wissenschaftliche Arbeiten liegen zu dem Thema vor. Dabei wird sowohl<br />
auf unterschiedliche theoretische Bezüge rekurriert als auch differente Gesell-<br />
schaftsbereiche werden unter diesem Zugriff in den Blick genommen. Im Mittelpunkt<br />
stehen hier etwa das Gesundheitswesen bzw. der Krankenhaussektor (Bode 2011)<br />
oder aber das Hochschulsystem (Kaube 2010; Sch<strong>im</strong>ank 2008). Häufig wird die<br />
systemübergreifende Diffusion wirtschaftlich-unternehmerischer Leitbilder festge-<br />
stellt. Es scheint, als adaptiere eine Vielzahl gesellschaftlicher Leistungsbereiche<br />
Strukturen und Orientierungen, die man gemeinhin mit der kapitalistischen Wirt-<br />
schaft verbindet.<br />
Für das <strong>Schulsystem</strong> liegt eine solche Betrachtung bislang nicht vor. 1 Dennoch sind<br />
einige Hinweise zu verzeichnen, die eine solche Entwicklung auch für das Schulsys-<br />
tem nahelegen, beispielsweise die <strong>im</strong>mer größere Bedeutung bildungsökonomi-<br />
scher Ansätze in der Diskussion zur Steuerung des <strong>Schulsystem</strong>s sowie die Entste-<br />
hung dezidiert bildungsökonomischer Gestaltungskonzepte (Böttcher 2002). Auch<br />
scheint sich auf der semantischen Ebene eine Angleichung zu vollziehen, erinnern<br />
Begriffe wie Standardisierung und Outputorientierung doch stark an den Sprachge-<br />
brauch des Wirtschaftssystems.<br />
Diese Arbeit soll als ein erster Aufschlag betrachtet werden, das schulische Gesell-<br />
schaftssystem unter einer Ökonomisierungsperspektive zu betrachten, die Anlage<br />
ist somit pr<strong>im</strong>är explorativ. Zu diesem Zwecke wird das Modell der funktional diffe-<br />
renzierten Gesellschaft zugrunde gelegt. Ausgehend von einer gesellschaftlichen<br />
Multiperspektivität können Ökonomisierungsprozesse als ein Übergreifen wirtschaft-<br />
licher Orientierungen auf andere Funktionsbereiche begreiflich gemacht werden. Die<br />
Kapitel zu den theoretischen Grundlegungen bieten einige Konzepte an, die Wand-<br />
lungsprozesse dieser Art theoretischer nachvollziehbar machen. Im anschließenden<br />
Kapitel werden zunächst einige begriffliche Klärungen vorgenommen. Dieser Teil<br />
der Arbeit mündet in der Vorstellung und Ergänzung eines differenzierungstheore-<br />
tisch fundierten Modells von Ökonomisierung. Der Betrachtungsgegenstand, das<br />
<strong>Schulsystem</strong>, wird anhand dreier ausgewählter Strukturelemente erschlossen und<br />
beschrieben. Das zuvor aufgenommene Ökonomisierungsmodell wird als allgemei-<br />
1 Zumindest nicht für den deutschsprachigen Wissenschaftsraum.
5 1 Einleitung<br />
ne Analysefolie für jedes einzelne Steuerungsmoment herangezogen. Die Arbeit<br />
schließt mit einer Zusammenfassung des Fortgangs dieser Analyse sowie der wich-<br />
tigsten Ergebnisse und hält schlussendlich noch einige perspektivische Ausblicke<br />
für die weitere Bearbeitung des Themas bereit.
6 2 Theoretische Grundlagen<br />
2 Theoretische Grundlagen<br />
Das soziologische Theorierepertoire ist auch aufgrund seiner nun annähernd zwei<br />
Jahrhunderte währenden Entwicklungsgeschichte in seinen Ausprägungen breit<br />
gefächert. 2 Einen Überblick über das Gesamtspektrum des fachlichen Kanons ver-<br />
suchen systematisierende Grundlagenwerke, wie sie etwa Esser (1999-2001) und<br />
Münch (2002-2004) vorgelegt haben, zu verschaffen. Einem spezifischen Theorie-<br />
strang wird von beiden Autoren mit je einem eigenen Band Aufmerksamkeit ge-<br />
schenkt: Esser (2000) in Band 2 sowie Münch (2004) in Band 3 widmen sich den<br />
gesellschaftstheoretischen Entwürfen soziologischer Theoriebildung. Darunter ver-<br />
ortet werden ganz allgemein „Theorieansätze, die ihren Fokus auf die Gesellschaft<br />
als eigenständige Ebene der sozialen Wirklichkeit oberhalb der Ebene der Organi-<br />
sation und der Interaktion richten.“ (Münch 2004, 9). Diese Unterscheidung Münchs<br />
weist eindeutig Bezüge zu Luhmanns (2005, 9 ff.) Typisierung von sozialen Syste-<br />
men in Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaftssysteme auf.<br />
Man darf diesen Dreiklang der Ebenendifferenzierung als disziplininternen Konsens<br />
annehmen, wenngleich sich nicht alle angebotenen Theorieansätze der Soziologie<br />
spurgetreu der Beleuchtung einer einzigen Systemebene verschreiben, sondern<br />
vielmehr zwischen und über diese begrifflichen Grenzziehungen intermediäre Bezü-<br />
ge und Interdependenzen ins Licht rücken. Beispiele dieser Art bieten etwa die so-<br />
ziologischen Theoriegebäude von Bourdieu (1997) und Giddens (1984).<br />
Nun gilt es gemäß dem interessierenden Betrachtungsgegenstand und dem gesetz-<br />
ten Erkenntnisinteresse eine Entscheidung darüber zu treffen, welchen theoreti-<br />
schen Zugängen das größte Maß an Erklärungskraft für die soziologische Analyse<br />
des betreffenden sozialen Phänomens innewohnt. Mit dieser Arbeit wird der Ver-<br />
such unternommen, soziale Strukturdynamiken, deren Ursprünge und Wechselwir-<br />
kungen <strong>im</strong> Kräftefeld der Kopplungspunkte und Schnittstellen von voneinander un-<br />
terscheidbaren Gesellschaftsbereichen vermutet werden, in einer ersten Annähe-<br />
rung mittels eines makrosoziologischen Zugriffs zu erfassen. Da es hierfür einer<br />
nachvollziehbaren und angemessen Vorstellung von Makroformationen, oder einfa-<br />
cher: eines adäquaten Gesellschaftsbildes, welches sich idealerweise auf allgemei-<br />
ne Theorien des Sozialen 3 stützt, bedarf, muss nach gewinnbringenden und diskus-<br />
sionsfähigen Angeboten Ausschau gehalten werden. Für die hier zu bearbeitenden<br />
Zwecke eignen sich insbesondere Theorien, die begriffliche Folien zu einer Be-<br />
2 Eine Darstellung der Historie und der Vielfalt soziologischer Paradigmen entlang ausgewählter „Klassiker<br />
der Soziologie“ bietet das zweibändige Sammelwerk von Kaesler (2006 & 2007).<br />
3 Siehe hierzu die zwanzig einführenden Vorlesungen zur „Sozialtheorie“ von Joas und Knöbl (2004).<br />
Zur differenzierten Betrachtung einer Theorie des Sozialen und einer Theorie des Gesellschaftssystems<br />
am Beispiel des Werks von Luhmann vgl. Kneer 1996, S. 299 ff.
7 2 Theoretische Grundlagen<br />
schreibung übergeordneter sozialer Zusammenhänge bereithalten sowie das Poten-<br />
tial besitzen, <strong>im</strong> Sinne eines kategorialen Rasters Ausgangspunkt für<br />
hypothesengeleitete Analysen zu sein.<br />
Als ein Kernstrang innerhalb des umfänglichen Kontinuums soziologischer Gesell-<br />
schaftstheorien ist die differenzierungstheoretische Perspektive anzuführen: „Dieses<br />
Konzept ist ein klassisches Theoriestück von beträchtlicher Tradition und Kontinuität<br />
in der Geschichte der Soziologie“ (Tyrell 2008, 75). Aber auch wenn Tyrell in diesem<br />
Zitat die Differenzierungstheorie als Einheit kennzeichnet, ist in diesem Fall analog<br />
zu den beiden <strong>im</strong> vorherigen Absatz genannten Gesellschaftsd<strong>im</strong>ensionierungen<br />
weniger von einer einheitlichen Theorie, sondern vielmehr von einem einigermaßen<br />
heterogenen Theorieprogramm zu sprechen, welches zwar eindeutig einer system-<br />
theoretischen Dominanz unterliegt, andererseits aber auch zunehmend<br />
akteurstheoretische Herangehensweisen an gesellschaftliche Differenzierungsvor-<br />
gänge und -folgen erfahren hat (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 185) 4 .<br />
Gerade aufgrund des scheinbar paradoxen Umstandes, dass die differenzierungs-<br />
theoretische Perspektive ein in ihrer Terminologie klares Verständnis von der hoch-<br />
gradig komplexen Verfasstheit der Gesellschaft vermittelt, scheint sie prädestiniert<br />
für eine zunächst deskriptive Nachzeichnung gesellschaftlicher Selbstbeschreibun-<br />
gen und Strukturdynamiken, die den Eindruck fortschreitender Ökonomisierung pro-<br />
vozieren. Die besondere Stärke dieses Theorieprogramms liegt in dem ihm inhären-<br />
ten explorativen Potential und der dadurch erzeugten Anschlussfähigkeit für Frage-<br />
stellungen, die unter anderem auch anhand meso- und mikrosoziologischer Auf-<br />
schlüsse zu bearbeiten sind, z.B. über entscheidungstheoretische Modelle (allge-<br />
mein Sch<strong>im</strong>ank 2005a).<br />
2.1 Die Theorien gesellschaftliche Differenzierung als ein Programm der Sozi-<br />
ologie<br />
Die soziale Welt als eine in sich differenzierte zu begreifen ist keine Neuheit <strong>im</strong> Kon-<br />
text makrosoziologischer Theoriebildung und Gegenwartsdiagnosen. Der Begriff<br />
und das Konzept gesellschaftlicher Differenzierung mögen auf den ersten Blick den<br />
soziologisch-theoretisch geschulten Rezipienten keine weiteren Fragen aufzuwer-<br />
fen, eine gewisse Grundvorstellung erscheint gerade in Bezug auf ein solch promi-<br />
nentes Theorieprogramm mit einem nicht anzuzweifelnden Geltungsanspruch unter-<br />
legt zu sein. Dennoch muss mit Tyrell (2008) zu Recht angemerkt werden, dass<br />
dem soziologischen Schlüsselwort „Differenzierung“ doch mindestens zwei Bedeu-<br />
tungshorizonte innewohnen. So unterscheidet er zwischen „sozialer“ und „gesell-<br />
4 Für eine grundlegende Diskussion der modernen Gesellschaft siehe Nassehi (2001).
8 2 Theoretische Grundlagen<br />
schaftlicher“ Differenzierung. 5 Während Tyrell mit sozialer Differenzierung die<br />
Ebenendifferenzierung sozialer Systeme in Interkation, Organisation und Gesell-<br />
schaft (pr<strong>im</strong>är Luhmann 2005) bezeichnet, soll mit dem zweiten Terminus die ge-<br />
sellschaftstheoretische Best<strong>im</strong>mung der Form des Gesellschaftssystems, also der<br />
dritten Systemebene, angegeben werden. Auf den letztgenannten Fall von System-<br />
differenzierung beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen. Es geht also zu-<br />
nächst einzig und allein um die Darstellung eines Modus der Beobachtung von Ge-<br />
sellschaft als das alles umschließende Sozialsystem.<br />
Auch mit der Hinzunahme des bislang dargelegten theoretischen Instrumentariums<br />
ist noch nichts über die Qualität bzw. die Charakteristika einer gesellschaftlichen<br />
Differenzierungsform gesagt. Aus welchen einzelnen Teilsystemen sich ein Ge-<br />
samtsystem zusammensetzt, welche Grundmerkmale diese aufweisen sowie wie<br />
die Verhältnisse untereinander geordnet sind, ist weiterhin offen. An dieser Stelle<br />
extrahiert Luhmann vier Differenzierungsformen, wobei jeder Einzelnen für sich <strong>im</strong><br />
historischen Abriss eine Dominanz hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur zugespro-<br />
chen werden kann. Die theoretisch unbegründete Typologie bislang real nachvoll-<br />
ziehbarer Differenzierungsformen beinhaltet die segmentäre Differenzierung, die<br />
Differenzierung nach Zentrum und Peripherie, die stratifikatorische Differenzierung<br />
sowie die funktionale Differenzierung (vgl. Luhmann 1997, 609-618). Diese Formen<br />
sind je kennzeichnend für best<strong>im</strong>mte historische Epochen sowie für abgrenzbare<br />
räumliche Einheiten, stellt doch <strong>im</strong>mer eine Differenzierungsform den Pr<strong>im</strong>aten <strong>im</strong><br />
Verhältnis zu den Anderen. Das ist freilich nicht gleichbedeutend mit einer aus-<br />
schließlichen Existenz einer Form gesellschaftlicher Differenzierung. Eine Differen-<br />
zierungsform ersetzt nicht evolutionär eine andere, sondern ergeben sich lediglich<br />
aus wechselnden Vorherrschaften eigentümliche Mischungsverhältnisse. Denn<br />
schon „die archaische Gesellschaft kannte neben der pr<strong>im</strong>ären segmentären Diffe-<br />
renzierung auch die funktionale Differenzierung, etwa als geschlechtliche Arbeitstei-<br />
lung. Figuren wie Clanchefs und Stammeshäuptlinge könnte man als Vorformen<br />
stratifikatorischer Differenzierung auffassen; und manche Siedlungsstrukturen ar-<br />
chaischer Gesellschaften wiesen auch bereits eine dauerhafte Differenzierung von<br />
Zentrum und Peripherie auf.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 138)<br />
Sichtet man etwa ganz spontan und unsystematisch die überregionalen Tageszei-<br />
tungen der Bundesrepublik anhand dieses Katalogs an Gesellschaftsformen wird<br />
ohne großartige Anstrengungen augenscheinlich, dass für unsere heutige Gesell-<br />
5 Diese beiden Theoriekomplexe stellt Tyrell (2008) umfassend und analytisch trennend in den Aufsätzen<br />
„Zweierlei Differenzierung: Funktionale und Ebenendifferenzierung <strong>im</strong> Frühwerk Niklas Luhmanns“<br />
(55-72) sowie „Zur Diversität der Differenzierungstheorie. Soziologiehistorische Anmerkungen“ (107-<br />
140) in den Zusammenhang.
9 2 Theoretische Grundlagen<br />
schaft sicherlich alle vier Differenzierungsformen ihre Bedeutung zu haben schei-<br />
nen. So findet man beispielsweise Berichte über die zunehmende Erosion der Mit-<br />
telklasse (Kontext stratifikatorische Differenzierung), über die existenziellen Finanz-<br />
nöte einzelner Kommunen (Kontext segmentäre Differenzierung), über auseinan-<br />
derdriftende Arbeitslosenquoten zwischen Stadt und Land (Differenzierung nach<br />
Zentrum und Peripherie) sowie über die <strong>im</strong>mer akuter werdenden Probleme der<br />
Wirtschaft und der Politik, in der aktuellen Finanzkrise ihre jeweiligen Handlungsfä-<br />
higkeiten aufrechtzuerhalten bzw. wiederzuerlangen (Kontext funktionale Differen-<br />
zierung). 6 Dieses s<strong>im</strong>ultane Auftreten gesellschaftlicher Differenzierungsformen<br />
spricht für die Luhmannsche These der nicht-linearen Sequenzierung in der Evoluti-<br />
on von Gesellschaft, da, wie mit dem Beispiel zuvor angedeutet, weltweit wie auch<br />
regional besehen <strong>im</strong>mer verschiedene Differenzierungsformen zeitgleich realisiert<br />
werden (Luhmann 1997, 615).<br />
Für die gegenwärtige moderne Gesellschaftsformation, so wird in der theorieange-<br />
bundenen soziologischen Diskussion und Forschung weitgehend übereinst<strong>im</strong>mend<br />
kolportiert, „liegt die pr<strong>im</strong>äre Differenzierungsform der funktionalen Differenzierung<br />
vor“ (Nassehi 1999, 14; auch Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999). 7 Die soziologische Erfas-<br />
sung dieser Differenzierungsform liefert für diese Arbeit das zugrunde gelegte Mo-<br />
dell von Gesellschaft. In den nachfolgenden Kapiteln wird das Theorieprogramm<br />
funktionaler Differenzierung ausgehend von der grundlegenden systemtheoreti-<br />
schen Anlage bis hin zu seinen neueren paradigmatischen Ausdifferenzierungen<br />
bzw. Erweiterungen in Bezug auf sein erklärendes und analytisches Potential vor-<br />
stellen. In Anbetracht der schon <strong>im</strong> Vorfeld vorgenommenen Selektion und der nun<br />
an dieser Stelle zur Sichtbarkeit gelangten Entscheidung für einen theoretischen<br />
Zugang zum aufgeworfenen Problem wird deutlich, dass der Theorie funktionaler<br />
Differenzierung gegenüber anderen Theorieangeboten ein größeres Maß an Deu-<br />
tungs- und Erklärungskraft zugesprochen wird. Diese Behauptung soll <strong>im</strong> weiteren<br />
Verlauf ebenfalls weiter mit Argumenten unterfüttert werden.<br />
6 Auffällig ist, dass mit den Formkategorien stratifikatorischer und funktionaler Differenzierung die Gegenstandsbereiche<br />
zweier traditioneller Gesellschaftstheorien benannt werden (Sch<strong>im</strong>ank 1998, auch<br />
Schwinn 1998), die beiden anderen Differenzierungsformen aber scheinbar nicht als Anlässe für die<br />
Konstruktion soziologischer Gesellschaftstheorien, nach der oben angelegten Definition, ausreichen.<br />
7 Dass die anderen Differenzierungsformen, insbesondere in ihren problematischen Ausuferungen,<br />
trotz dieses Postulats weiterhin wahrgenommen werden und der gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen<br />
Bearbeitung bedürfen, zeigt beispielsweise die Ausdifferenzierung des Faches Soziologie in<br />
spezielle Soziologien wie die Familiensoziologie (Huinink/Konietzka 2007) und die Stadtsoziologie<br />
(Löw 2010) für die Form segmentärer Differenzierung oder die Sozialstrukturanalyse (Geißler 2010) <strong>im</strong><br />
Bereich stratifikatorischer Differenzierung. Türk (1995, 166-170) behauptet <strong>im</strong> Übrigen explizit, dass<br />
„stratifizierende Differenzierung“ als gleich starkes Kennzeichen der moderne anzusehen ist.
10 2 Theoretische Grundlagen<br />
2.1.1 Ausgewählte Perspektiven auf die funktionale Differenzierung der Ge-<br />
sellschaft<br />
Will man die best<strong>im</strong>mende sozialtheoretische Strömung innerhalb des Kontinuums<br />
soziologischer Differenzierungstheorie, also diejenige Theoriegrundlage mit der rela-<br />
tiv größten Prägekraft in der zugegebenermaßen noch recht jungen Geschichte ex-<br />
pliziter differenzierungstheoretischer Theoriebildung, best<strong>im</strong>men, so ist zweifellos<br />
der soziologischen Systemtheorie nach Luhmann der programm<strong>im</strong>manente Pr<strong>im</strong>at<br />
zuzusprechen. Dennoch markieren Luhmanns Überlegungen nicht den absoluten<br />
Ausgangspunkt differenzierungstheoretischer Ansätze: „Von Herbert Spencer<br />
(1882ff.) über Emile Durkhe<strong>im</strong> (1988), Georg S<strong>im</strong>mel (1992a), Max Weber (1972)<br />
bis hin zu Talcott Parsons (1997) wurde gesellschaftliche Modernisierung als Diffe-<br />
renzierungsprozess aufgefasst, ohne dass Einigkeit über den Begriffsgebrauch er-<br />
zielt worden wäre.“ (Nassehi 2004, 98) Schon bevor Luhmann seine theoretischen<br />
Arbeiten aufgenommen hat, herrschte innerhalb der soziologischen Wissenschaft<br />
die Ansicht, dass die Gesellschaft mitsamt ihrer evolutionären Prozesshaftigkeit<br />
nicht als eine homogene Einheit aufzufassen ist, sondern vielmehr vom Grund-<br />
merkmal der Verschiedenartigkeit her begriffen werden muss. Ein weiteres verbin-<br />
dendes Merkmal dieser klassischen Theoretiker ist die Tatsache, dass sowohl bei<br />
Durkhe<strong>im</strong>, bei S<strong>im</strong>mel als auch bei Spencer das Konzept der Differenzierung seinen<br />
eigenen Platz <strong>im</strong> soziologischen Vokabular innehat, während Weber für Differenzie-<br />
rungserscheinungen der modernen Gesellschaft den Begriff der „Wertsphären“ ge-<br />
braucht. (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 49, 53) Weber argumentiert hierzu entlang seines Kon-<br />
zepts der Rationalitätsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Entscheidungshandeln. Im Verlauf des Säku-<br />
larisierung wertrationaler Handlungsorientierungen aus traditionalen Dogmen sowie<br />
der voranschreitenden und sich rekursiv verstärkenden situationsbedingten Hin-<br />
wendung zu einem bereichsspezifischen Set an Maßstäben des Wollens und Han-<br />
delns steht am Ende die Ausbildung sich abgrenzender „Wertsphären“. Weber er-<br />
fährt die Gesellschaft als ein Nebeneinander von eigengesetzlichen Sphären „ohne<br />
ein alle überwölbendes sinnhaftes Dach“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 56), die allerdings nicht<br />
in friedlicher Koexistenz agieren, vielmehr in spannungsreichen Beziehungen zuei-<br />
nander stehen (Weber 1988, 541f.).<br />
Eine begrifflich und konzeptionell ungleich größere Nähe zu Luhmanns Theorie so-<br />
zialer Systeme wiesen die Arbeiten von Parsons auf, wobei seine theoretischen<br />
Überlegungen als bedeutende Bezugspunkte für Luhmanns Theoriebildung zu wer-<br />
ten ist. Parsons entwirft seine Auffassung vom Gesellschaftssystem auf der Basis
11 2 Theoretische Grundlagen<br />
seines universellen AGIL-Schemas 8 (Parsons 1971). Aufgrund des von Parsons<br />
behaupteten universellen Charakters seines strukturbasierten Modells sozialer Sys-<br />
teme ist dieses offen für eine Spezifizierung auf der Ebene des Gesellschaftssys-<br />
tems. Aus dieser Anwendung auf die oberste Ebene von Handlungssystemen her-<br />
aus extrahiert Parsons vier gesellschaftliche Subsysteme, die jeweils einer der<br />
grundständigen D<strong>im</strong>ensionen des AGIL-Schemas zugeordnet sind. Dabei fällt dem<br />
Wirtschaftssystem die Funktion materieller Bedürfnisbefriedigung <strong>im</strong> Kontext von<br />
bestandswahrender Umweltanpassung zu (adaption), dem politischen System wird<br />
die generelle Verfolgung übergeordneter Systemziele überantwortet, die gesell-<br />
schaftliche Gemeinschaft erfüllt das funktionale Erfordernis der überindividuellen<br />
Integration und das sogenannte Treuhandsystem symbolisiert systemweite kulturel-<br />
le und institutionelle Ordnungsmuster (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 89f.). Diese sehr modellhaft<br />
angelegte Fassung der modernen Gesellschaft 9 geht von einem normativ vorge-<br />
formten Verständnis von Sozialität aus. Damit wird behauptet, dass jedes Sozialsys-<br />
tem, also auch jedes ausdifferenzierte Subsystem, die genannten vier Strukturdi-<br />
mensionen aufweisen muss. 10 Diese Sichtweise unterliegt der Logik, dass die ein-<br />
zelnen Funktionen eines Systems durch seine strukturelle Verfassung determiniert<br />
sind.<br />
Hierin unterscheidet sich Luhmanns systemtheoretische Ausbuchstabierung funkti-<br />
onaler Differenzierung ganz entscheidend von Parsons Theoriegerüst. Er koppelt<br />
seine Vorstellungen von funktionaler Ausdifferenzierung und der Stabilisierung ge-<br />
sellschaftlicher Teilsysteme an seine allgemeine Theorie sozialer Systeme. Auf-<br />
grund seiner, bis in zeitgenössische Weiterentwicklungen ausstrahlende, dominan-<br />
ten Stellung <strong>im</strong> Gesamtprogramm der Differenzierungstheorie (Mayntz 1988, 11) ist<br />
es unumgänglich, sich mit einigen grundlegenden Konzepten der Systemtheorie<br />
Luhmanns zu befassen. 11<br />
AEine Grundprämisse Luhmanns in Bezug auf diesen Entwicklungsschritt hin zur<br />
Entstehung einzelner Funktionssysteme ist, dass dies ein „extrem unwahrscheinli-<br />
cher Vorgang“ (Luhmann 1997, 707) ist. 12 Damit soll gesagt sein, dass ein solcher<br />
8<br />
AGIL= adaption, goal attainment, integration, latent pattern maintenance (als funktionale Erfordernisse<br />
aller Arten von sozialen Systemen).<br />
9<br />
Laut Parsons weisen auch vormoderne bzw. traditionale Gesellschaftssysteme dieses Funktionsmuster<br />
auf, nur sind diese Gesellschaften eben weniger spezifisch funktional Ausdifferenziert als die hochgradig<br />
spezialisierte moderne Gesellschaft.<br />
10<br />
Auch Tyrell (2008, 98) geht von der Annahme aus, dass sich Teilsysteme typisch um die zentralen<br />
gesellschaftlichen Funktionen ausdifferenzieren.<br />
11<br />
Siehe das nachfolgende Unterkapitel.<br />
12<br />
Hier verarbeitet Luhmann hier in seiner Gesellschaftstheorie ein Teilkonzept seiner allgemeinen<br />
Theorie sozialer Systeme. Er definiert den Begriff der Kontingenz wie folgt: „Kontingent ist etwas, was<br />
weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch<br />
anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrenes, Erwartetes, Gedachtes,<br />
Phantasiertes) <strong>im</strong> Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände <strong>im</strong> Horizont mögli-
12 2 Theoretische Grundlagen<br />
Übergang weder folgerichtig noch in genau dieser Art und Weise unabwendbar ge-<br />
schehen muss. Der historische Anfangspunkt der Ausdifferenzierung funktional mo-<br />
nopolisierter Teilsysteme ist nicht exakt zu datieren, dennoch ist vor dem Hinter-<br />
grund geschichtlicher Daten zu vermuten, dass in Mitteleuropa dieser Prozess mit<br />
der Übergangsperiode vom Mittelalter zur Neuzeit/ Moderne zusammenfällt (Willke<br />
2000, 18). Eine modernisierungstheoretische Lesart 13 ist etwa, dass die Moderne<br />
insbesondere durch die fortschreitende funktionale Differenzierung als dem prägen-<br />
den Merkmal dieser Zeit zu markieren ist (Nassehi 1999, 12). In dieser Perspektive<br />
erscheint Modernisierung „als <strong>im</strong>mer weiter fortlaufender Prozeß der Ausdifferenzie-<br />
rung eigenlogischer spezialisierter Systeme.“ (Brock/Junge 1995, 166) Das Auf-<br />
kommen einer solchen modernen gesellschaftlichen Ordnung geschieht nicht aus<br />
einem Akt planvollen Eingreifens in die Welt des Sozialen heraus, sondern bedarf<br />
einer unwahrscheinlichen Gemengelage ermöglichender und begünstigender Vari-<br />
ablen. Ausdifferenzierungsprozesse basieren auf Einzelentwicklungen, die in Raum<br />
und Zeit und über diese hinweg quasi inkrementell zusammenlaufen. Als Prozess-<br />
kategorie ist Ausdifferenzierung <strong>im</strong>mer auf episodische Mikroereignisse angewie-<br />
sen, die dann wiederum weitere Ereignisse provozieren, wobei diese möglicherwei-<br />
se zu einer größeren Dynamik kulminieren. Derartige Umformungsprozesse, deren<br />
Versuche historische Rekonstruierung aufgrund einer nicht zu überwindenden Auf-<br />
merksamkeitslücke 14 zwangsläufig spekulativ bleiben, können hier nur andeutungs-<br />
weise nachvollzogen werden. Als Triebkräfte funktionaler Differenzierung werden <strong>im</strong><br />
allgemeinen Vorzüge bis dato nicht zu realisierender Leistungssteigerungen, evolu-<br />
tionäre Mechanismen der Variation und Selektion, reflexive Interessen von Akteuren<br />
sowie die <strong>im</strong>mer konsequentere Aktivierung von Wertorientierungen angesehen<br />
(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999, 15-20). Um mit Luhmann in abstrakter Form zu spre-<br />
chen ist für die Ausdifferenzierung von Funktionssystemen entscheidend, „daß ir-<br />
gendwann die Rekursivität der autopoietischen Reproduktion sich selbst zu fassen<br />
beginnt und eine Schließung erreicht, von der ab für Politik nur noch Politik, für<br />
Kunst nur noch Kunst, für Erziehung nur noch Anlagen und Lernbereitschaft, für die<br />
Wirtschaft nur noch Kapital und Ertrag zählen und die entsprechenden gesell-<br />
schaftsinternen Umwelten (…) nur noch als irritierendes Rauschen, als Störungen<br />
cher Abwandlungen.“ (Luhmann 1984, 152). Zu einer disziplinen- und paradigmenübergreifenden<br />
Auseinandersetzung mit dem Kontingenzbegriff siehe Holzinger (2007).<br />
13 Als weitere Phänomene gesellschaftlicher Modernisierung werden etwa Individualisierung, Rationalisierung<br />
oder Zivilisierung identifiziert (siehe zur Übersicht Degele/Dries 2005). Theoretische Zugänge<br />
aus der klassischen erklärenden Soziologie sind Webers Rationalisierungstheorie (1988) und Elias‘<br />
Zivilisationstheorie (1976).<br />
14 Damit möchte ich auf die Einsichten der Verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie<br />
(Kieser/Ebers 2006, 169-214) verweisen. Übertragen auf die an dieser Stelle angesprochene Thematik<br />
möchte ich den Hinweis liefern, dass Theoriebildung und Rekonstruierungen sozialer Prozesse hochgradig<br />
selektiv sind und sein müssen.
13 2 Theoretische Grundlagen<br />
oder Gelegenheiten wahrgenommen werden.“ Luhmann 1997, 708). Zur theoreti-<br />
schen Explikation dieser Phänomene rekurriert Luhmann auf die von ihm selbst ge-<br />
legten sozialtheoretischen Entwürfe.<br />
2.2 Einsichten der „Theorie des Sozialen“ nach Luhmann<br />
Die Absolutheit Luhmanns <strong>im</strong> Gebrauch theoretischer Kategorien ist <strong>im</strong> Wesentli-<br />
chen darin begründet, dass er, anders als es Weber und Parsons in ihren gesell-<br />
schaftstheoretischen Ausarbeitungen tun, in seiner Theoriebildung vollständig auf<br />
die soziologische Urkategorie der sozialen Handlung verzichtet. Gesellschaftliche<br />
Funktionssysteme sind, ebenso wie Interaktions- oder Organisationssysteme, in<br />
Luhmanns Interpretation keine Handlungssysteme, sondern auf spezifischen Kom-<br />
munikationen basierende Gebilde. Kommunikation ist die genuin soziale Operation<br />
und die kleinstmögliche Einheit eines sozialen Systems (Luhmann 1997, 81). Jedes<br />
soziale System basiert auf Kommunikationen. Wenn hier schon der Plural verwen-<br />
det wird, deutet das auf die Verknüpfungsmuster von Kommunikationen hin. Eine<br />
eingrenzbare Kommunikationseinheit provoziert die Produktion weiterer Kommuni-<br />
kationseinheiten, die in einem „Prozessieren von Selektion“ (Luhmann 1984, 194)<br />
für die Reproduktion des Systems entweder als systemrelevant eingestuft werden<br />
oder aber in Nichtbeachtung bzw. Ablehnung versiegen. Geschieht der letztgenann-<br />
te Fall, ist die Kommunikation nicht Teil des Systems und wird der Umwelt zuge-<br />
rechnet, womit in ihr kein Faktor für die Fortexistenz des Systems zu sehen ist.<br />
Man kann auch sagen: „Die Einheit der Einzelkommunikation ist, in dynamischer<br />
Hinsicht gesehen, nichts weiter als Anschlußfähigkeit.“ (Luhmann 1984, 204). Dass<br />
allerdings Sequenzen des Kommunizierens nicht als automatisch ablaufende Ge-<br />
schehnisse für selbstverständlich gehalten werden dürfen, betont Luhmann, wenn er<br />
von der Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation spricht. Eine Kommunikationsein-<br />
heit wird deshalb nicht als ein voraussetzungsloses Phänomen gesehen, weil sie<br />
eine „Mehrzahl von Problemen, eine Mehrzahl von Hindernissen“ (Luhmann 2005,<br />
30) überwinden muss. Die Anschlussfähigkeit einer Kommunikation ist erst gewähr-<br />
leistet, insofern die potentiellen Empfänger fähig sind die kontextuell vorgeprägte<br />
Kommunikation zu verstehen. Darüber hinaus müssen Kommunikationen die<br />
verstehensfähigen Empfänger überhaupt erreichen, damit diese Selektionen über<br />
die An- und Aufnahme der Kommunikation anstellen können.<br />
Zur Abmilderung der so analytisch hergeleiteten Behauptung der Unwahrscheinlich-<br />
keit von Kommunikation haben sich evolutionär best<strong>im</strong>mte soziale Konstruktionen<br />
etabliert, die <strong>im</strong> Sinne einer Wahrscheinlichkeitsbegünstigung als Stützeinrichtungen<br />
für Kommunikationsanschlüsse einzustufen sind. Hiermit sind in der Terminologie
14 2 Theoretische Grundlagen<br />
Luhmanns Medien bezeichnet, die die Funktion haben, Abbrüche von Kommunikati-<br />
onen zu vermeiden (Luhmann 2005, 32f.). Neben gesellschaftssystemübergreifen-<br />
den Medien wie der Sprache oder der Schrift sind die sogenannten symbolisch ge-<br />
neralisierten Kommunikationsmedien entscheidend für die Konstitution von Funkti-<br />
onssystemen: „Sie setzen (…) die Ja/Nein-Codierung der Sprache voraus und<br />
übernehmen die Funktion, die Annahme einer Kommunikation erwartbar zu machen<br />
in Fällen, in denen die Ablehnung wahrscheinlich ist.“ (Luhmann 1997, 316)<br />
In der metaphorischen Thematisierung der Aneinanderkettung von Systemelemen-<br />
ten, also von Kommunikationen als Systemoperationen, zur Konstitution des Ge-<br />
samtsystems wird schon angedeutet, dass nicht jede Operation die irgendwo in der<br />
Welt des Sozialen passiert, gleichfalls verarbeitungswürdig für ein System ist. Wie<br />
<strong>im</strong> vorherigen Absatz angesprochen, signalisiert ein System über die An- oder Ab-<br />
nahme von Kommunikationseinheiten seine eigenen Grenzen. Ein hinreichend<br />
komplexes soziales System bildet diese Grenzen zur Umwelt über die Unterschei-<br />
dung von Selbstreferenz und Fremdreferenz aus, wobei diese Unterscheidung aus-<br />
schließlich <strong>im</strong> betreffenden System selbst praktiziert werden kann (vgl. Luhmann<br />
1997, 87). 15 Da soziale Systeme <strong>im</strong>mer auf der Grundlage ihrer eigenen Vergan-<br />
genheit, welche sich in den kommunikativ vermittelten Unterscheidungsstrukturen<br />
manifestiert, prozessieren, also alleinig auf bereits existente systemeigene Kommu-<br />
nikationseinheiten zurückgreifen können, sind sie in der Sprache Luhmanns als<br />
autopoietische Systeme zu verstehen. Dazu Luhmann: „Als autopoietisch wollen wir<br />
Systeme bezeichnen, die die Elemente, aus denen sie bestehen, selbstproduzieren<br />
und selbstreproduzieren. Alles, was solche Systeme als Einheit verwenden, ihre<br />
Elemente, ihre Prozesse, ihre Strukturen und sich selbst, wird durch eben solche<br />
Einheiten <strong>im</strong> System erst best<strong>im</strong>mt.“ (Luhmann 1984, 403) 16 . In ihrer operativen<br />
Geschlossenheit sind Systeme also in der Lage, sich mittels ihrer eigenen Elemente<br />
<strong>im</strong>mer wieder selbst zu generieren. Dabei muss Reproduktion nicht bedeuten, dass<br />
die Ereignisse fortlaufender Systembildung <strong>im</strong>mer unverändert evolvieren, sich also<br />
evolutionärer Stillstand einstellt. Zwar sind soziale Systeme kommunikativ geschlos-<br />
sen, doch bestehen ihre dynamisierenden Quellen „<strong>im</strong> Einwirken von Kommunikati-<br />
on auf Kommunikation und in diesem Sinne: in der Transformation jeweils aktueller<br />
Unterscheidungen und Bezeichnungen, nie aber in er Umgestaltung der äußeren<br />
Umwelt.“ (Luhmann 1997, 95). Der generelle Modus der Selbstproduktion läuft be-<br />
ständig fort, während die leitenden Beobachtungs- und Bewertungskategorien, die<br />
15 Dazu Luhmann (1997, 92) an anderer Stelle: „wo denn sonst?“<br />
16 Nach Münch (2004, 207) beschreibt Autopoiesis „die Fähigkeit der Systeme, die Umweltkomplexität<br />
in ihren eigenen Begriffen zu erfassen und zu verarbeiten und so ihr bedrohliches Wesen in systemischen<br />
Ressourcen zur Selbstreproduktion und Reproduktion zu verwandeln.“
15 2 Theoretische Grundlagen<br />
dem System für die Selbst- und Fremdbeobachtung zu Verfügung stehen, nicht irre-<br />
versibel festgelegt sind. Nur bezieht sich das modifizierende Moment ausschließlich<br />
auf das kommunikative Subjekt selbst, nicht jedoch auf Objekte außerhalb des sin-<br />
gulären Kommunikationsraumes.<br />
Genauso wenig wie ein System einen an systemeigenen Referenzen orientierten<br />
transformierenden Durchgriff auf die Umwelt haben kann, ist es Umweltsystemen<br />
möglich „an den autopoietischen Prozessen eines operativ geschlossenen Systems<br />
mitzuwirken.“ (Luhmann 1997, 92) Da dieser Sachverhalt aber nur auf Ebene der<br />
Operationen besteht, ist die generelle kognitive Offenheit eines Systems nicht zu<br />
negieren. Umweltsysteme wirken <strong>im</strong>mer ursächlich an der Selbstproduktion und<br />
Reproduktion einer einzelnen Systemeinheit mit. Denn der Autopoiesis liegt <strong>im</strong>mer<br />
die Unterscheidung von System und Umwelt in den Beobachtungen zugrunde: „Und<br />
so entsteht ein System, das auf Grund seiner Geschlossenheit umweltoffen operiert,<br />
weil seine basale Operation auf Beobachtung eingestellt ist.“ (Luhmann 1997, 97)<br />
Die Umwelt kann, oder eben nicht, nur in Form von Referenzpunkten Bedeutung für<br />
das System erlangen, und das nur, insofern diese als Referenzen wahrgenomme-<br />
nen Umwelteinheiten Kommunikationen <strong>im</strong> System und über die Umwelt nach sich<br />
ziehen.<br />
Dieses selektive Vorgehen hat den großen Vorteil, dass Außenliegendes nur fokus-<br />
siert in das Blickfeld des Systems gerät und damit potentielle Kommunikationsan-<br />
schlüsse auf ein zu verarbeitendes Maß reduziert werden, also die unüberschauba-<br />
re Komplexität der Umwelt operabel verklammert wird (Luhmann 1984, 49). Einen<br />
Beitrag zur Komplexitätsreduktion leisten ebenso die auf Zeit gestellten erwartbaren<br />
strukturellen Kopplungen. 17 Wie der Begriff schon anzeigt sind hiermit allein Kopp-<br />
lungen auf Ebene der Strukturen bezeichnet, die den Zweck der Bündelung und<br />
Steigerung best<strong>im</strong>mter Kausalitäten haben, „die auf das gekoppelte System einwir-<br />
ken, es irritieren und dadurch zur Selbstdetermination anregen können.“ (Luhmann<br />
1997, 103) Funktional sind strukturelle Kopplungen in Hinblick auf die Existenzsi-<br />
cherung des Systems, wird es doch so mit höherer Wahrscheinlichkeit beständig mit<br />
Kommunikationsanlässen versorgt, womit die Autopoieses sichergestellt werden<br />
kann und ein stetiger Zufluss an materiellen wie ideellen Ressourcen mit relativ hö-<br />
herer Wahrscheinlichkeit gewährleistet wird. Anderseits können diese <strong>im</strong>mer wieder<br />
beanspruchten Bahnen uni- und bilateraler Adressierung auch bewirken, dass ein<br />
17 Im Zusammenhang mit der systemtheoretisch begründeten Gesellschaftsform der Differenzierung<br />
wird das Konzept der strukturellen Kopplungen weiter unten noch einmal aufgegriffen.
16 2 Theoretische Grundlagen<br />
System sich zu einem gewissen Grad mit Ambivalenzen befassen und auch kom-<br />
munikativ und strukturell verarbeiten muss. 18<br />
Dieses Konzept weist auf das Verhältnis von Operation und Struktur hin, sowohl <strong>im</strong><br />
Außen- wie auch <strong>im</strong> Innenverhältnis eines Systems. Die operative Geschlossenheit<br />
ermöglicht es einem System, sich kraft seiner Selbstreferenz infolge interner Selbst-<br />
organisation zu stabilisieren. Luhmann schreibt den basalen Systemaktivitäten der<br />
Operationen damit eine Doppelfunktion zu: „Sie legen (I) den historischen Zustand<br />
des Systems fest, von dem dieses System bei den nächsten Operationen auszuge-<br />
hen hat. Und sie bilden (2) Strukturen als Selektionsschemata, die ein Wiederer-<br />
kennen und Wiederholen ermöglichen, also Identitäten (…) kondensieren und in<br />
<strong>im</strong>mer neue Situationen konfirmieren, also generalisieren.“ (Luhmann 1997, 94) Zu<br />
diesen systemeigenen oder auch systemtypischen Strukturen, auf die sich ein Sys-<br />
tem in seiner weiteren Biographie <strong>im</strong>mer wieder bezieht, gehören neben den schon<br />
erwähnten symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien und strukturellen<br />
Kopplungen in erster Linie systemspezifische Codes sowie absichernde Program-<br />
me, die eine Systemordnung charakterisieren (z.B. Luhmann 1986, 89-100). Diese<br />
Sammlung von jedem komplexeren System inhärenten Strukturelementen erlaubt<br />
es auf der Ebene der Funktionssysteme, analytisch trennende Spezifizierungen vor-<br />
zunehmen. Diesem Themenbereich widmen sich die nachfolgenden Absätze. 19<br />
2.3 Die funktional differenzierte Gesellschaft<br />
Eindringlicher als bisher geschehen müssen für ein adäquates Verständnis des<br />
durch funktionale Differenzierung gekennzeichneten Gesellschaftsbildes Definiti-<br />
onsangebote hinzugezogen werden. Für Willke (2001, 18) etwa heißt funktionale<br />
Differenzierung, „dass das Ganze nicht mehr aus einer Vielzahl gleicher oder ähnli-<br />
cher Einheiten wie Familien, Clans oder Gruppen (segmentäre Differenzierung) be-<br />
steht, sondern aus einer Vielzahl unterschiedlicher, spezialisierter Teile, die vonei-<br />
nander abhängen (biologisches Beispiel: der menschliche Organismus).“ Diese Be-<br />
griffsbest<strong>im</strong>mung weist schon auf einige zentrale Merkmale einer so verstandenen<br />
Gesellschaftsformation hin, bleibt aber für eine universelle Verständnisgrundlage auf<br />
einem zu geringen Abstraktionsniveau verhaftet, oder anders: in dieser Definition<br />
schwingen bereits Implikationen mit, die weiterer Explikation bedürfen. Beispiels-<br />
weise ist zu hinterfragen, in welchem Verhältnis „das Ganze“ und die spezialisierten<br />
18 Über denkbare Folgeerscheinungen von Beziehungsmustern dieser Art soll an dieser Stelle nicht<br />
spekuliert werden. Weiter unten aber werden die Eigenheiten staatsnaher Sektoren oder Systeme<br />
angesprochen.<br />
19 Die in aller Kürze präsentierten theoretischen Annahmen der Luhmann’schen Systemtheorie sind<br />
deshalb von besonderer Relevanz, da sie für die gesellschaftstheoretische Theorieentwicklung <strong>im</strong><br />
Rahmen einer Perspektive funktionaler Differenzierung die Hypothesenfolie stellen.
17 2 Theoretische Grundlagen<br />
Teile wirklich stehen, ob Differenzierung <strong>im</strong>mer etwas über die Anzahl/Vielzahl an<br />
Einheiten aussagen muss und, das ist eine umstrittene und für diese Arbeit wesent-<br />
liche Frage, ob die Einzelteile in einem Netz von Abhängigkeitsverhältnissen zuei-<br />
nander stehen und wie diese intersystemischen Verhältnisse beschaffen sind.<br />
Als ein wichtiges Kriterium der funktional differenzierten Gesellschaftsform in Ab-<br />
grenzung zu den beiden anderen Differenzierungsformen ist der scheinbare Wider-<br />
spruch, dass die Teilsysteme gleich, ungleich und gleichrangig zugleich sind. Das<br />
Moment der Gleichheit bezieht sich auf die Einheit der Operationsweise: „Kommuni-<br />
kation nämlich.“ (Nassehi 2004, 101) Ungleichheit zwischen den Systemen besteht<br />
aufgrund der Differenz in den Beobachtungsschemata 20 (Luhmann 1997, 607) und<br />
gleichrangig sind Funktionssysteme dadurch, dass die spezifische binäre Codierung<br />
dem jeweiligen Funktionssystem exklusiv ist und somit nur dieses in der Lage, die<br />
Gesellschaft auf diese Weise zu erfassen um auf Grundlage dieser Beobachtung<br />
seine unverwechselbaren Leistungen zu produzieren.<br />
2.3.1 Differenzierung: Dekomposition versus Emergenz<br />
Die Vorgänge der Differenzierung nach Funktionen dürfen nicht als Prozesse von<br />
Arbeitsteilung missverstanden werden. Selbstverständlich erfüllen gesellschaftliche<br />
Teilsysteme in ihrer operativen Leistungserbring eine Funktion <strong>im</strong> retrospektiv und<br />
gegenwärtig als arbeitsteilig zu beschreibenden Zusammenhang der Gesellschaft.<br />
Nur wird eine solche Teilung und Spezialisierung nicht aufgrund einer intentionalen<br />
Entscheidung herbeigeführt, quasi durch eine Direktive, denn es „geht nicht um eine<br />
Dekomposition eines »Ganzen« in »Teile«, und zwar weder <strong>im</strong> begrifflichen Sinne<br />
(divisio) noch <strong>im</strong> Sinne einer Realteilung (partitio)“ (Luhmann 1997, 598), „sondern<br />
um die Aufteilung von globalen Zugriffsweisen.“ (Türk 1995, 173). Aber auch der<br />
Begriff Aufteilung bleibt hinter dem eigentlich Gemeinten zurück, geht es doch viel-<br />
mehr um die Ausbildung und Vervielfachung der angesprochenen globalen Zu-<br />
griffsweisen, denn es gilt: „Was <strong>im</strong>mer passiert, passiert mehrfach“. (Luhmann 1997,<br />
599).<br />
Eine Aufteilung des Ganzen mit der Zuweisung entsprechender Funktionen bedürfte<br />
einer übergeordneten Instanz, die koordinativ auf das Gesamtsystem einwirken<br />
könnte und auch würde. Aufgrund der Nichtexistenz einer solchen Instanz, auch<br />
dem politischen System fehlt es kommunikativer Durchsetzungsfähigkeit, greift das<br />
Schema Ganzes/Teil für die Beschreibung von funktionaler Ausdifferenzierung nicht.<br />
Treffender ist eine Beschreibung dieser Entwicklung über die Vorstellung einer<br />
Emergenz neuartiger und kommunikationsbasierter System/Umwelt-Differenzen, die<br />
20 Siehe unter Kapitel 3.3.2 zum Differenzschema der binären Codierung.
18 2 Theoretische Grundlagen<br />
nebeneinander Fortbestehen und dieselben Geschehnisse auf Grundlage ihrer spe-<br />
zifischen Referenzen in unterschiedlicher Weise beobachten und systemintern ver-<br />
arbeiten. Das bedeutet, dass sich die Teilsysteme ihre Zuständigkeiten für die täg-<br />
lich passierenden gesellschaftlichen Einzelereignisse nicht nach entscheidungsori-<br />
entierenden Prinzipien aufteilen, vielmehr wird ein spezifisches Einzelereignis mehr-<br />
fach beobachtet und aufgenommen, aber jeweils kontrastiv nach dem teilsystemi-<br />
schen, von den weiteren Systemen nicht geteilten, binären Code (siehe unten).<br />
Luhmann, in Übereinst<strong>im</strong>mung mit Weber, zufolge liegt kein Kooperationszusam-<br />
menhang aufeinander abgest<strong>im</strong>mter spezialisierter Teile vor, vielmehr „vollzieht sich<br />
die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Teilsysteme als Kultivierung, Verein-<br />
seitigung und schließlich Verabsolutierung von Weltsichten in Gestalt nebeneinan-<br />
der und nicht selten gegeneinander operierender Teilsysteme“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 72;<br />
Sch<strong>im</strong>ank 2002, 15). Anders als bei Parsons, der in seinen theoretischen Überle-<br />
gungen der Idee von „function follows structure“ anhing, ist Differenzierung bei<br />
Luhmann „etwas, was sich gewissermaßen von unten ereignet, nicht von einer ir-<br />
gendwie ursprünglichen Struktur her, die so etwas wie Möglichkeitsbedingungen<br />
des Bestandes oder Ähnliches vorgibt.“ (Nassehi 1999, 19). Diese Einschätzung<br />
st<strong>im</strong>mt mit der systemtheoretischen Prämisse überein, wonach systeminterne Ope-<br />
rationen <strong>im</strong>mer nur in Bezug auf vorgeschaltete kommunikative Anschlussmöglich-<br />
keiten evolvieren und nicht aufoktroyiert werden können. Die Autopiesis eines Funk-<br />
tionssystems vollzieht sich <strong>im</strong>mer auf Basis der binären Codierung als fundamenta-<br />
lem Startpunkt für Prozesse der Ausdifferenzierung (Luhmann 1997, 752).<br />
2.3.2 Der Binäre Code als basales Differenzschema<br />
Die Funktion eines gesellschaftlichen Teilsystems bewegt sich <strong>im</strong> Kontinuum zwi-<br />
schen Selbst- und Fremdzuschreibung. Sowohl der kommunikative Rahmen des<br />
Systems selbst als auch die außerhalb der Grenzen liegenden Instanzen definieren<br />
für sich, egal ob in ihren Einschätzungen deckungsgleich bzw. vereinbar, die spezi-<br />
fische Funktion des Teilsystems. Die Funktion verweist auf den übergeordneten<br />
Zusammenhang der Gesellschaft. Ort der Funktionserfüllung in Form der Leistungs-<br />
erbringung ist aber allein das betreffende System selbst: „Das heißt auch, daß das<br />
Funktionssystem seine Funktion für sich selbst monopolisiert und mit einer Umwelt<br />
rechnet, die in dieser Hinsicht unzuständig oder inkompetent ist.“ (Luhmann 1997,<br />
746) 21 Anhand der Funktionswahrnehmung wird ein die gesamte Gesellschaft be-<br />
treffendes Bezugsproblem fokussiert und bearbeitet. Das Problem der Wahrheits-<br />
21 Dieser unterstellte Sachverhalt berührt den Kern dieser Arbeit. Aufgrund realempirischer Wahrnehmungen<br />
darf bezweifelt werden, ob die Umwelt wirklich in der hier unterstellten Art und Weise agiert<br />
und die ehedem etablierten Systemgrenzen akzeptiert.
19 2 Theoretische Grundlagen<br />
überprüfung und –produktion beispielsweise hat ausschließlich <strong>im</strong> Wissenschafts-<br />
system Priorität, wird somit allen anderen Bezugsproblemen bevorzugt behandelt.<br />
Luhmann nutzt hierfür den Terminus vom „funktionalen Pr<strong>im</strong>at“ (Luhmann 1997,<br />
747). Nur das Funktionssystem selbst vollzieht Operationen in Bezug auf die Funk-<br />
tion, deshalb sind sie als „selbstsubstitutive Ordnungen“ anzusehen, deren Ausfall<br />
von keinem anderen System kompensiert werden kann (Luhmann 1997, 753).<br />
Die Teilsysteme kultivieren <strong>im</strong> Zeitverlauf ihre Differenzschemata, mithilfe derer sie<br />
die Gesellschaft beobachten in Bezug auf das in ihren Aufmerksamkeitsbereich fal-<br />
lende Problem. Systemtheoretisch lässt sich dieser Prozess über die operative<br />
Schließung und Etablierung der Autopoiesis erfassen. Im hier behandelten Fall von<br />
Funktionssystemen benötigt es einiger unterstützender Mechanismen, etwa in Form<br />
eines Skripts, welches ein System überhaupt in der Lage versetzt, sich mittels<br />
Kommunikationsketten zu reproduzieren. Hier steht jedem einzelnen gesellschaftli-<br />
chen Teilbereich ein systemeigener binärer Code zur Verfügung, die quasi als über-<br />
geordnete Selektionskriterien fungieren und als das sich entsprechende Gegensatz-<br />
verhältnis von Positiv- und Negativwert erscheinen (Luhmann 1997, 748). Beispiele<br />
sind etwa wahr/unwahr oder geliebt/nicht geliebt.<br />
Diese distinctions directrises (Luhmann 2005, 14-32) sind für ein Teilsystem das<br />
basale Beobachtungs- und Bewertungsschema. Dabei ist jeder Code zweiseitig<br />
angelegt, ist universalistisch und spezifisch zugleich: „Prinzipiell sämtliches gesell-<br />
schaftliches Geschehen kann <strong>im</strong> Lichte des betreffenden Codes – z.B. als juristi-<br />
scher Tatbestand - betrachtet werden; doch diese Betrachtung ist keine umfassend<br />
angelegte, sondern beschränkt auf einen engen Ausschnitt des Geschehens.“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2006, 72) Ein neu auftretendes soziales Phänomen wird daraufhin ge-<br />
mustert, ob es kommunikativ anschlussfähig in die strukturell kondensierten operati-<br />
ven Reproduktionsschleifen eines Funktionssystems einzuspeisen ist. Die Anwen-<br />
dung des binären Codes begründet die selektive Entscheidung, welche Ereignisse<br />
als Teil des Systems aufgefasst und bearbeitet werden. 22 Aufgrund des prinzipiellen<br />
Universalismus eines jeden binären Codes teilen sich die Funktionssysteme die<br />
soziale Welt nicht gemäß ihren Zuständigkeiten überschneidungsfrei auf, sondern<br />
geraten manche Ereignisse in das Blickfeld mehrerer Teilsysteme zugleich. 23 Bei-<br />
spielsweise lösen internationale Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele<br />
22 Luhmann verortet den Ausgangspunkt der Ausdifferenzierung be<strong>im</strong> Code und nicht bei der Funktion:<br />
„Die Ausdifferenzierung der Systeme wird nicht durch den Einheitsgesichtspunkt der Funktion, sondern<br />
durch das Differenzschema eines Codes ausgelöst.“ (Luhmann 2005, 19) Von diesem Standpunkt<br />
ausgehend bemerkt Sch<strong>im</strong>ank (2005, 50) richtigerweise, dass das Begriffspaar „Funktionale Differenzierung“<br />
eine gewisse Schiefe aufweist, da sich Differenzierungen nicht aus den Funktionen ergeben.<br />
23 Ereignisse sind dann als „total“ einzustufen, werden sie von sämtlichen unterscheidbaren Funktionssystemen<br />
als Kommunikationsanlässe wahrgenommen werden
20 2 Theoretische Grundlagen<br />
sowohl <strong>im</strong> Sportsystem als auch <strong>im</strong> Wirtschafts- und Politiksystem Kommunikatio-<br />
nen aus. Aber während das Sportsystem die Olympischen Spiele allein unter sport-<br />
lichen Wettbewerbsaspekten begreift, sehen Wirtschaftsunternehmen pr<strong>im</strong>är poten-<br />
tielle Vermarktungschancen und die politischen Akteure die Chance zur Selbstprä-<br />
sentation der gegenwärtigen politischen Verfasstheit ihres Landes. Die jeweilige<br />
Perspektive und die anschließende operationenbasierte Funktionswahrnehmung<br />
aber sind jedem Teilsystem exklusiv (Kneer 1996, 371). Damit lässt sich auch die<br />
theoretisch angenommene hierarchiefreie Ordnung des Gesellschaftssystems recht-<br />
fertigen, denn die Funktionen sind nicht eine Rangordnung zu bringen, „weil sie für<br />
die Gesellschaft allesamt notwendig sind und sich ihr jeweiliger Vorrang oder<br />
Wichtigkeitsgrad nur situationsweise regeln läßt.“ (Luhmann 2004, 27).<br />
Diese theoretisch herausgearbeiteten Eigenschaften sind der Boden für die Rede<br />
von der polykontexturalen bzw. polyzentrischen Gesellschaft (Luhmann 1997, 891;<br />
Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 43-51), also einer Gesellschaft mit mehreren Zentren und Per-<br />
spektiven, aber gleichfalls auch mit einer Vielzahl an Umwelten und sogleich Sys-<br />
tem/Umwelt- bzw. System/System-Beziehungen.<br />
2.3.3 Funktionssystem und Programmebene<br />
Der binäre Code legt als grundlegender Zuordnungsmechanismus die<br />
Kontextmax<strong>im</strong>e für die systeminterne Strukturbildung fest. Allerdings sagt seine<br />
Existenz noch nichts über die konkreten Anwendungsbedingungen der beobach-<br />
tungsorientierenden Leitunterscheidung aus. Was etwa als wahr oder unwahr zu<br />
gelten hat, muss innerhalb des Funktionssystems genauer ausgearbeitet werden.<br />
Hierfür greifen Systeme auf die Ebene der Programme zurück. 24 Programme sind<br />
den Code spezifizierende Erwartungsstrukturen. Für Kneer (1996, 375) sind Pro-<br />
gramme „kurz gesagt, Zuordnungsregeln; sie best<strong>im</strong>men, welche Seite des Codes<br />
gewählt und aktualisiert werden soll.“ Schneider (2009, 311) sieht die Funktion der<br />
Programme in der Konditionierung der Zuordnung von Kommunikationsbeiträgen zu<br />
den Codewerten. Die systemische Programmierung steht demzufolge in einem en-<br />
gen, aber nur einseitig variablen, Zusammenhang zur binären Codierung. Während<br />
der binäre Code seine Form konstant reproduziert, müssen sich die Programmstruk-<br />
turen beständig in den fortlaufenden Reproduktionsschleifen funktional beweisen.<br />
Damit werden die Programme in ihrer Ordnungsfunktion zwar auf Zeit gestellt, sind<br />
aber modifizierbar oder revidierbar in ihrer Offenheit für die Beziehung auf Welt-<br />
24 Zur normativen Ebene gehören laut Luhmann (1997, 771) noch unbedingte Werte.
21 2 Theoretische Grundlagen<br />
sachverhalte (Schneider 2009, 310). 25 Angesichts dessen symbolisieren die funkti-<br />
onssystemeigenen Programmstrukturen zweierlei: Sie verweisen auf den Sinngehalt<br />
der beiden Pole des binären Codes, und sie machen diesen in ihrer Funktion als<br />
geregelte Anwendungsverfahren für die anwesenden Systemakteure praktisch<br />
handhabbar.<br />
Schon die Verwendung des Plurals an dieser Stelle macht deutlich, dass ein Funkti-<br />
onssystem <strong>im</strong>mer über ein Set an Programmen verfügt. Es gibt durchaus divergie-<br />
rende „Entscheidungsregeln, die festlegen, unter welchen Bedingungen der Wert<br />
bzw. der Gegenwert richtig bzw. falsch zugeordnet werden kann.“ (Luhmann 1997,<br />
750) Wie das System Kommunikationen mit Verweis auf den Leitdifferenz inhaltlich<br />
zuordnet, ist damit in hohem Maße von der Wahl des Programms abhängig. Ein<br />
plastischer Fall für einen systeminternen Konflikt über die Wertigkeit von unter-<br />
schiedlichen Programmen ist der sogenannte Positivismusstreit (Ador-<br />
no/Dahrendorf/Pilot/Albert/Habermas/Popper 1991; Ritsert 2010), ausgetragen <strong>im</strong><br />
soziologischen Teilbereich des Wissenschaftssystems.<br />
Die Ebene der Programme bietet potentiell Anknüpfungspunkte für inter- bzw. trans-<br />
systemische Dynamiken und Verschiebungen, gerade weil sie nicht irreversibel de-<br />
terminiert ist. Mit ihren Programmstrukturen verfügen Funktionssysteme über Mittel,<br />
ihre Autopoiesien umweltoffen zu halten: „Durch die Differenzierung von Codierung<br />
und Programmierung gewinnt ein System (…) die Möglichkeit, als geschlossenes<br />
und als offenes System zugleich zu operieren.“ (Luhmann 1986, 91). In Anlehnung<br />
an Sch<strong>im</strong>ank (2007) ist danach zu fragen, ob die Programmebene nicht möglicher-<br />
weise das (alleinige) Einfallstor für feindliche Übernahmen sein kann.<br />
2.3.4 Integration und strukturelle Kopplung<br />
Aus der systemtheoretischen Annahme der ausschließlichen und unhintergehbaren<br />
Selbstbezüglichkeit des teilsystemischen Operierens ist nicht zu schlussfolgern,<br />
dass die polykontexturale Gesellschaft eine zusammenhangslose Menge an Einzel-<br />
elementen darstellt. Dies ist allein schon deshalb nicht möglich, da infolge des hypo-<br />
thetischen Ausscheidens eines Teilsystems aufgrund des Abbrechens von Kommu-<br />
nikationsketten sich quasi unweigerlich veränderte Operationsbedingungen für die<br />
anderen Teilsysteme ergeben. Demzufolge bedeutet es keinen Widerspruch, dass<br />
25 Zum Prozess der Strukturbildung wird in der auf Luhmann abgestellten Theorie wenig gesagt. Als<br />
klassisch für diesen Themenzusammenhang gilt in der Soziologie sicherlich Giddens‘<br />
Strukturationstheorie (1984).
22 2 Theoretische Grundlagen<br />
die Gesellschaftssysteme in ihrer Autopoiesis operativ geschlossen agieren, den-<br />
noch aber aufeinander angewiesen sind. 26<br />
Für die Entschlüsselung dieses Zusammenhangs gilt es sich zu vergegenwärtigen,<br />
dass sich die Beziehungen der Teilsysteme zur Gesellschaft als Funktion best<strong>im</strong>-<br />
men lassen (Kneer 1996, 377). Die integrativen Momente in den vielfältigen System-<br />
zu-System-Beziehungen sind in den Outcomes der funktionsbezogenen Leistungs-<br />
erbringungsprozesse zu sehen, sind doch die zwischensystemischen Beziehungen<br />
ausnahmslos als funktionale Leistungsverhältnisse zu betrachten, wenngleich sich<br />
die Teilsysteme je unterschiedlich in das gesellschaftliche Gesamtgefüge einglie-<br />
dern und somit die Beziehungsintensitäten und -wertigkeiten variieren (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2002, 43ff.). Die Instandhaltung ihrer Autopoiesis fordert den Funktionssystemen<br />
eine entsprechende Einrichtung ihrer gesellschaftsinternen Umweltbeziehungen ab<br />
(Luhmann 1997, 779). Ein System ist dahingehend umweltoffenen, dass es für die<br />
Reproduktion auf Ressourcen aus der Umwelt angewiesen ist. Die Exklusivität der<br />
Funktionserfüllung provoziert nämlich den unausgesprochenen reziproken An-<br />
spruch, dass alle ausdifferenzierten Einheiten ihre Stellungen des funktionalen Pri-<br />
mats zur universellen Daseinsfürsorge adäquat ausfüllen. Denn ein Funktionssys-<br />
tem produziert seine eigenen Kommunikationsanschlüsse zwar aus sich selbst her-<br />
aus, aber gerade „wegen der Fixierung auf eine hochgradig selektive Leitdifferenz<br />
kann ein Teilsystem vieles, was es zur eigenen Reproduktion braucht, nicht selbst<br />
erzeugen, sondern bleibt existentiell auf entsprechende Leistungen anderer Teilsys-<br />
teme angewiesen – die Wissenschaft z.B. auf Geld aus der Wirtschaft und Politik<br />
oder auf Basisqualifikationen ihres Personals, die das Erziehungssystem bereit-<br />
stellt.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 231) 27 Diese unübersichtlichen leistungsbezogenen Ab-<br />
hängigkeitsverhältnisse beruhen aber keineswegs auf festgelegten Prinzipien, sind<br />
etwa nicht auf reziproke Tauschhandlungen zurückzuführen (Luhmann 1997, 759)<br />
und berühren noch weniger die wiederkehrende rekursive Bezugnahme auf die sys-<br />
temeigene Selbstreferenz, also die systemauszeichnenden Identitäten. 28 Dennoch<br />
müssen, wie schon erwähnt, für die Sicherstellung der kommunikativen Eigenver-<br />
sorgung belastbare Wege des Umweltkontaktes aufgebaut werden.<br />
26<br />
Luhmann (1997, 745) diagnostiziert eine Zunahme der Abhängigkeiten der Teilsysteme voneinander.<br />
27<br />
Diese beispielhafte Darstellung Sch<strong>im</strong>anks verdeutlicht, dass, wenn wir von Funktionssystemen<br />
sprechen und schreiben, wir allermeist den institutionellen Bereich der Autopiesis meinen, vollzogen <strong>im</strong><br />
Kontext von Arbeitsorganisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 337-339). Lengfeld (2005, 125-222) führt den<br />
umfassenderen Begriff der Produktionsorganisation ein.<br />
28<br />
Auch Tyrell (2008, 100) warnt davor, „die Interdependenz und den ,Leistungsaustausch‘ zwischen<br />
den Teilsystemen zu eng und zu symmetrisch aufzufassen, und erst recht dacvor, die Teilsysteme<br />
selbst als pr<strong>im</strong>är auf den Output von Leistungen hin orientiert oder gar organisiert zu interpretieren."
23 2 Theoretische Grundlagen<br />
Solche Außenkontakte sind nur von innen heraus einzurichten, denn die Funktions-<br />
systeme müssen „Leistungsabhängigkeiten und Leistungsbereitschaften intern an<br />
sich selbst beobachten und in der Form von Irritationen zur Kenntnis nehmen“<br />
(Luhmann 1997, 759). Verstetigungen gegenseitiger Irritations- und Versorgungsli-<br />
nien werden nach einem Konzept Luhmanns strukturelle Kopplungen genannt. Dazu<br />
Drepper (2003, 187): „Sie sind verdichtete, verwahrscheinlichte und damit bevorzug-<br />
te Formen bzw. Mechanismen der wechselseitigen Irritation der Teilsysteme“. Nur<br />
muss beachtet werden, dass <strong>im</strong> systemtheoretischen Verständnis die Induzierung<br />
von Veränderungen <strong>im</strong> Außenverhältnis unmöglich bleiben muss. Auch eine struktu-<br />
relle Kopplung best<strong>im</strong>mt nicht, „was <strong>im</strong> System geschieht, sie muß aber vorausge-<br />
setzt werden, weil andernfalls die Autopiesis zum Erliegen käme und das System<br />
aufhören würde zu existieren.“ (Luhmann 1997, 100f.) Irritationen werden nur über<br />
Beobachtungen der Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz ermöglicht und<br />
äußern sich in fortgeschrittenen Fällen in Reflexionen. Über diese Mechanismen<br />
kommt einem Teilsystem idealtypisch besehen die Gesellschaftsanbindung nicht<br />
abhanden.<br />
Bleiben die Versorgung eines Systems mit Irritationen aus, überlagert die System-<br />
reproduktion in ihrer fokussierten Selbstreferentialität jedwede Wahrnehmung exter-<br />
ner Versuche einer Rückmeldung der Außenverhältnisse, ist es durchaus möglich,<br />
dass dem System sukzessive die Reproduktionsmittel versiegen. Andererseits feit<br />
ein stabiles und parteiübergreifend befriedigendes, das heißt die Autopoiesis nicht<br />
negativ tangierendes, Geflecht an strukturellen Kopplungen vor Überirritationen, die<br />
die Verarbeitungskapazitäten der Funktionssysteme übersteigen würden. Die sys-<br />
temseitig aufgenommenen Irritationen können das System nicht determinieren, blei-<br />
ben sie in ihrem Anregungspotential doch überaus unspezifisch, regen aber durch-<br />
aus unter günstigen Bedingungen Lernprozesse an: „Im Offenhalten beider Mög-<br />
lichkeiten liegt eine Garantie für die Autopoiesis des Systems und zugleich eine Ga-<br />
rantie seiner Evolutionsfähigkeit.“ (Luhmann 1997, 790) Strukturelle Kopplungen<br />
oszillieren in ihren Wirkungsspektrum somit zwischen den Polen Stabilität und Wan-<br />
del.<br />
Mit diesem theoretischen Konstrukt gibt Luhmann einen zentralen gesellschaftlichen<br />
Integrationsmechanismus an, sorgen strukturelle Kopplungen in der angegebenen<br />
Charakteristik für das erforderliche Min<strong>im</strong>um an gesellschaftlicher Systemintegration<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 173). Markiert der Integrationsbegriff in der systemtheoretischen<br />
Formulierung einer Theorie der Differenzierung doch, da kommunikative Einheitsbil-
24 2 Theoretische Grundlagen<br />
dung nicht vorgesehen ist, vornehmlich einen Negativwert, stabilisieren strukturelle<br />
Kopplungen das Gesamtkonstrukt unter Beibehaltung der Polykontexturalität. 29<br />
Anknüpfend an die theoretischen Überlegungen zur gesellschaftlichen Integration <strong>im</strong><br />
Paradigma der funktionalen Differenzierung soll ein Exkurs zur Frage des Verhält-<br />
nisses der Systemtypen Funktionssystem und Organisation unter Berücksichtigung<br />
des systemintegrativen Potentials formaler Organisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2005c, 231ff.)<br />
folgen.<br />
2.3.5 Exkurs: Organisation und funktionale Differenzierung<br />
Einführend soll auf den wechselseitigen Zusammenhang beider Systemebenen<br />
verwiesen werden, denn es gibt, so wird postuliert, „keine funktionale Differenzie-<br />
rung ohne Organisation und keine Organisation ohne funktionale Differenzierung“<br />
(Drepper 2003, 197). Dieser diskutablen These darf mit Luhmann sowohl zuge-<br />
st<strong>im</strong>mt, als auch aus einer streng theoriekonservativen Perspektive heraus wider-<br />
sprochen werden. Das systemtheoretische Erklärungsangebot zur funktionalen<br />
Ausdifferenzierung kommt aufgrund ihrer kommunikationsbasierten Reproduktions-<br />
form auch ohne den Systemtyp Organisation aus. Zugleich katalysiert die Komplexi-<br />
tätssteigerung der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft die Verbreitung forma-<br />
ler Organisationen, wird doch der organisationale Operationsmodus Entscheidung<br />
durch eine potentiell zunehmende Erreichbarkeit aller gesellschaftlich passierenden<br />
Ereignisse bedient: „Insofern kann man, mit nur wenig Übertreibung, sagen, daß es<br />
erst durch funktionale Differenzierung zu jenem Typus autopoietischer Systeme<br />
kommt, den wir als organisiertes Sozialsystem bezeichnen.“ (Luhmann 1997, 840).<br />
Somit dürfen, zumindest theoretisch, Zusammenhänge in diese Richtung ange-<br />
nommen werden, schon allein deswegen, da es sich historisch betrachtet bei Orga-<br />
nisationen nicht um ein Universalphänomen jeder anzunehmenden Gesellschaft<br />
handelt, sie vielmehr evolutionäre Errungenschaften mit hohem Entwicklungsniveau<br />
sind, welches nur in modernen Gesellschaften vorzufinden ist (Luhmann 1997, 827).<br />
Auf der anderen Seiten konditionieren Organisationen als disziplinierende Sozial-<br />
systeme auf die Leitmotive und Deutungsstrukturen eines teilsystemspezifischen<br />
binären Codes und sorgen damit für individuelle Fügsamkeit und stabilisieren Erwar-<br />
tungsstrukturen 30 auf der Eben der Programme. Diese Lesart verweist auf ein Ver-<br />
ständnis von Organisationen als rationale Systeme (Scott 1986), wobei hier insbe-<br />
sondere der Stellenwert der formalen Struktur für die Rationalität der organisationa-<br />
29 Abseits der Stabilisierungsfunktion gibt Luhmann (1997, 795) aber zu bedenken, „daß die<br />
Irriationsanläße aus der Umwelt des Gesellschaftssystems in den letzten Jahrzehnten dramatisch<br />
zunehmen.“ Mahnend weist er auf die „Diskrepanz zwischen Irritation und Abhilfe“ hin.<br />
30 In der Rede von Individualität und Erwartungsstrukturen wird schon auf akteurtheoretische Ergänzungen<br />
des systemtheoretischen Rahmens hingewiesen (siehe unten).
25 2 Theoretische Grundlagen<br />
len Leistungsproduktion thematisiert wird. Im Falle von Organisationen manifestie-<br />
ren sich Strukturen als Festlegungen von Entscheidungsprämissen. Diese<br />
codifizieren die kommunikative Basis für die organisationale Autopoiesis und trans-<br />
formierten „weltbedingte Unsicherheiten in systeminterne Sicherheiten“ (Luhmann<br />
1997, 838). Eine erwartbare Sicherheit innerhalb des Organisationskontextes ist<br />
beispielsweise die ein paar Sätze zuvor angesprochene Fügsamkeit individueller<br />
Akteure, die über die mittels des Mitgliedschaftsvertrages erzeugten Einschränkun-<br />
gen von Selektionsmöglichkeiten sowie die Zurückstellung eigener Präferenzen be-<br />
schrieben wird (Luhmann 2006, 107ff.).<br />
Kraft dieser Disziplinierungsmechanismen, über die formale Organisationen verfü-<br />
gen, werden Anschlüsse an Teilsystemreferenzen ermöglicht: „Der Funktionssinn<br />
von Organisationen besteht gerade darin, die Operationen der Funktionssysteme<br />
mit Zonen dichter Kommunikation zu versorgen.“ (Nassehi 2004, 109). Aus dieser<br />
Tendenz hin zu verdichteten Kommunikationen heraus entstehen dauerhafte Orien-<br />
tierungen der Einzelorganisationen an den Funktionen best<strong>im</strong>mter Funktionssyste-<br />
me: „Best<strong>im</strong>mte Organisationen sind sowohl Teilsysteme von Teilsystemen – sie<br />
sind pr<strong>im</strong>är orientiert an best<strong>im</strong>mten Funktionen – als auch ein eigenlogischer Sys-<br />
tem – sie beziehen sich programmförmig (Selbstreferenz) auf die Sinnstrukturen<br />
verschiedener Teilsysteme.“ (Drepper 2003, 13). Hinsichtlich ihrer Entscheidungs-<br />
prämissen sind Organisationen zwar als „Multireferenten“ (Bode/Brose 2001) oder<br />
„multiple selves“ (Hiller 2009) zu identifizieren 31 , in ihrer Funktion bleiben sie aber<br />
einem Funktionssystem vorrangig kommunikativ verbunden und ordnen ihre Opera-<br />
tionen dem jeweiligen Funktionssystem zu: „Sie übernehmen den binären Code des<br />
jeweiligen Funktionssystems“ 32 (Luhmann 1997, 841). In solchen „organisatorischen<br />
Koexistenzen“ (Braun/Sch<strong>im</strong>ank 1992) dienen die notwendigen Operationen in an-<br />
deren Funktionssystemen als dem Pr<strong>im</strong>ären vornehmlich der Bedienung externer<br />
Ansprüchen zur Aufrechterhaltung der Funktionsorientierung. Den verschiedenarti-<br />
gen Ansprüchen begegnen Organisationen durch interne Strukturbildung in Form<br />
von Programmen, die das Entscheidungsverhalten steuern.<br />
Gerade diese multiple Sensibilität von Organisationseinheiten für divergierende Irri-<br />
tationen aus der Umwelt macht sie zu einem zentralen Element der Möglichkeit<br />
struktureller Kopplung. Sie wirken daran mit, dass sich trotz operativer Geschlos-<br />
senheit Interferenzen auf der Meso-Ebene ausbilden. Diese vernetzende Rolle ist<br />
31 Diese multiple kommunikative Anschlussfähigkeit von Organisationseinheiten wird durch die Installierung<br />
einer heterogenen Rollenstruktur stabilisiert.<br />
32 Als Beispiele bringt Luhmann hier die Unterscheidungen von Wirtschaftsorganisationen, politischen<br />
Organisationen, <strong>Schulsystem</strong>en, Wissenschaftsorganisationen und Organisationen der Gesetzgebung<br />
und Rechtsprechung vor. Den Funktionspr<strong>im</strong>at übernehmen sie allerdings oft mit Konzessionen an<br />
andere Funktionen.
26 2 Theoretische Grundlagen<br />
theoretisch darin begründet, dass nur Organisationen aufgrund ihrer Autopoiesis auf<br />
Basis von Entscheidungen mit Systemen ihrer Umwelt kommunizieren können und<br />
als Adressaten von Kommunikationen fungieren (Luhmann 2006, 388; Luhmann<br />
1997, 834). Diese Eigenschaften können Prozesse der gesellschaftlichen Systemin-<br />
tegration unterstützen. Organisationen als der „institutionelle Unterbau der teilsys-<br />
temischen Deutungsstrukturen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005c, 24) sind potentielle Zugriffspunk-<br />
te für Versuche politischer Gesellschaftssteuerung (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 171ff.). 33 An<br />
anderer Stelle verweist Sch<strong>im</strong>ank (2005, 232) auf die Bedeutsamkeit teilsystem-<br />
übergreifender interorganisatorischer Netzwerke, was deutliche Analogien zur Will-<br />
kes (2011, 99) Konzept der auf Organisationsebene angesiedelten Verhandlungs-<br />
systeme aufweist. Zudem reagieren die, kommunikationstheoretisch betrachtet, di-<br />
vergenten Rolleninhaber einer Organisation zum einen auf unterschiedliche Umwelt-<br />
reize, zum anderen auf dieselben Umweltanreize mit unterschiedlichem Zugriff.<br />
Der weiter oben dargestellte Sachverhalt des Paradox intersystemischer Unabhän-<br />
gigkeit und Abhängigkeit der Funktionssysteme untereinander bedarf einer Reflexi-<br />
on des Einflusses der Organisationsebene. Einer Gefahr der Überirritation der ge-<br />
sellschaftlichen Teilsysteme muss durch Interdependenzunterbrechungen Einhalt<br />
geboten werden, wozu wiederum nicht die Funktionssysteme selbst, sondern nur<br />
Organisationen fähig sind. Totale Interdependenzen würden bedeuten, dass auf<br />
best<strong>im</strong>mte Einheiten konzentrierte Risiken <strong>im</strong>mer auch erhöhte Risiken für die wei-<br />
teren Teilsysteme darstellen. Da aber Organisationen Einflüsse aus ihrer Umwelt<br />
selektiv beobachten und gleichzeitig ihre eigene Autopoiesis als Reproduktionsbasis<br />
nutzen, können sie die vielfältigen gesellschaftlichen Querverbindungen qua ihrer<br />
entscheidungsförmigen Operationsmodus trennen: „Und eben deshalb muss die<br />
Gesellschaft über funktionale Differenzierung hinausgehen und ein anderes Prinzip<br />
der Systembildung verwenden, um sich mit Ultrastabilität und mit hinreichend lokaler<br />
Fähigkeit der Absorption von Irritationen zu versorgen, nämlich Organisation.“<br />
(Luhmann 2006, 396). 34<br />
Auf der anderen Seite kann die Durchorganisierung fast aller Gesellschaftsbereiche<br />
auch Dysfunktional in Bezug auf Systemintegration der polykontexturalen Gesell-<br />
schaft wirken. Bedingt durch die systemtypische Selbstreferentialität entfalten Orga-<br />
nisationen gewisse Eigendynamiken, die nicht zwangsläufig <strong>im</strong> Einklang mit den<br />
Entscheidungen anderer Organisationen oder dem funktionssystemeigenen Kom-<br />
33 Für diesen unterstellten Zusammenhang rekurriert Sch<strong>im</strong>ank (2006, 172) allerdings theoriepragm atisch<br />
auf die Akteurebene, wenn er von formalen Organisationen als „handlungsprägende Sozialsysteme“<br />
schreibt.<br />
34 Dass aber auch Organisationen keine vollständige „Ultrastabilität“ garantieren können, zeigen die<br />
jüngsten Krisenerscheinungen <strong>im</strong> Bankensektor, der sich in einer Art „Domino-Effekt“ fortsetzten.
27 2 Theoretische Grundlagen<br />
munikationsfluss stehen müssen, sondern gegeneinander agieren können. Weil sie<br />
als „knallharte“ Systeme Träger der teilsystemischen Logiken sind, werden intersys-<br />
temische Orientierungsdissense offenbar und manifestieren sich <strong>im</strong>mer wieder in<br />
handfesten Konflikten (Sch<strong>im</strong>ank 2005, 232). Formale Organisationen sind zumeist<br />
geprägt durch bürokratische Strukturen, welche die Reflexionsfähigkeiten hemmen<br />
und die Verabsolutierung von Weltsichten befördern können. Der letztgenannte Me-<br />
chanismus trägt mitunter dazu bei, dass Organisationen mit Hilfe ihrer Autopoiesis<br />
zur Differenzierung der Funktionssysteme gegeneinander und gegen ihre jeweilige<br />
Umwelt beitragen (Luhmann 1997, 847).<br />
Nach diesem Exkurs, dessen Inhalte in späteren Überlegungen eine Rolle spielen<br />
werden, sollen nachfolgend und anknüpfend an die zuletzt geäußerten Gedanken<br />
gesellschaftliche Desintegrationstendenzen <strong>im</strong> Kontext der funktionalen Differenzie-<br />
rung Gegenstand der Betrachtung sein.<br />
2.3.6 Autonomie, legit<strong>im</strong>e Indifferenz, Desintegration<br />
Die Gewissheiten der ubiquitären Leistungsabhängigkeiten, organisationaler<br />
Multireferentialität und der vielfältigen intersystemischen strukturellen Kopplungen<br />
bedeuten keine Automatismen für eine nachhaltige gesellschaftliche Integration.<br />
Ausgehend von ihren grundlegenden Operationsweisen streben Funktionssysteme<br />
vielmehr nach Autonomie, als dass sie offen für über ihren Systemgrenzen hinaus-<br />
gehende Bezüge sind. Die systemeigenen Operationen basieren trotz aller Irritati-<br />
onsfähigkeit des Teilsystems auf ihrer strukturellen Selbstreferenz. Oben wurde<br />
schon aufgezeigt, dass gesellschaftlichen Ansprüchen der Erfüllung best<strong>im</strong>mter<br />
Funktionen nur vom betreffenden Teilsystem selbst begegnet werden kann, weil<br />
ausschließlich dieses über die notwendigen operativen und strukturellen Mittel ver-<br />
fügt. 35<br />
Strukturelle Kopplungen als intensiv frequentierte Bahnen wechselseitiger Irritatio-<br />
nen bilden sich nur unter dem Eindruck hoher Indifferenz gegenüber der Umwelt<br />
(Luhmann 1997, 779). Hinsichtlich ihres Aufmerksamkeitsspektrums sowie ihrer<br />
Empfänglichkeit für Kommunikationsanlässe verhalten sich Funktionssysteme vor-<br />
wiegend indifferent gegenüber den meisten Ereignissen, die passieren. Nicht die<br />
gesellschaftliche Provokation sozialer Ereignisse entscheidet darüber, ob diese<br />
wahrgenommen werden und kommunikativ in die Autopoiesis eines Systems einge-<br />
baut und Teil der Systemreproduktion werden. Allein die coderorientierte Beobach-<br />
tung eines Teilsystems definiert, wie innerhalb des Systems über die Umwelt kom-<br />
35 Sozialtheoreitsch ist Autonomie durch die operative Geschlossenheit systemischer Autopoiesis be-<br />
gründet.
28 2 Theoretische Grundlagen<br />
muniziert wird, nämlich <strong>im</strong>mer und ausnahmslos rekursiv und selbstreferentiell. So-<br />
mit bleiben Funktionssysteme in einer unkorrigierbaren operativen Autonomie ver-<br />
haftet (Luhmann 1997, 801).<br />
Zusätzlich registrieren Funktionssysteme in ihrer strukturellen und insbesondere in<br />
ihrer organisierten Form zwar die Anwesenheit andersartiger Kommunikationsein-<br />
heiten. Diese Wahrnehmung bleibt aber zwangsläufig diffus und unspezifisch, stel-<br />
len die Teilsysteme doch füreinander, unter dem Eindruck der jeweiligen binären<br />
Codierung, undurchschaubare „Black-Boxes“ dar. 36 Die intersystemischen Verhält-<br />
nisse sind hinsichtlich der Innenansichten von wechselseitiger Intransparenz ge-<br />
prägt: „Der selbstreferentielle Operationsmodus eines best<strong>im</strong>mten Teilsystems,<br />
dessen Innenwelt, kann aus der Perspektive der Außenwelt, als anderer gesell-<br />
schaftlicher Teilsysteme nicht so detailliert nachvollzogen werden, dass eine geziel-<br />
te Einwirkung auf Zustände und Vorgänge <strong>im</strong> betreffenden Teilsystem möglich wä-<br />
re.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 123) Diese gegenseitige Undurchschaubarkeit ist nicht zwin-<br />
gend problematisch, <strong>im</strong> Gegenteil, begünstigt dieser die Ansprechbarkeit hemmen-<br />
de Faktor doch funktionale Spezialisierungen, was gleichfalls für jedes Teilsystem<br />
funktionale Entlastungen mit sich bringt (Luhmann 1995, 145 ff.). 37 Die Kehrseite der<br />
funktionalen Entlastungen, etwa muss das Erziehungssystem (noch) nicht nebenher<br />
für seine eigene finanzielle Ausstattung sorgen, sind die gegenseitigen Unzustän-<br />
digkeits- und Inkompetenzunterstellungen (Luhmann 1997, 746). Damit wird auf<br />
doppelte Weise die Differenz der teilsystemischen Bezugsprobleme sowie teilsys-<br />
temeigene ihre Autonomie in der Funktionserfüllung betont.<br />
Funktionssysteme sind in der ständigen rekursiven Thematisierung ihrer Selbst <strong>im</strong>-<br />
mer zuallererst auf die Aufrechterhaltung ihrer eigenen Operationsfähigkeit bedacht.<br />
Außenorientierungen werden nicht zum Selbstzweck vorgenommen. Mit Tyrell<br />
(2008, 100) sind die pr<strong>im</strong>ären Umwelteinstellungen in der funktional differenzierten<br />
Gesellschaft die der legit<strong>im</strong>en Indifferenz. Legit<strong>im</strong> deshalb, da die Vereinseitigung in<br />
den Zugriffsweisen auf die Gesellschaft mit enormen Effektivitäts- und Effizienzge-<br />
winnen einhergeht, die Funktionserfüllung also auf ein höheres Niveau hebt, was<br />
wiederum Effekte für alle Teilsysteme bereithält. Eine Tendenz zur Verselbständi-<br />
gung ist durchaus vorteilhaft bis unumgänglich, bewahrt sie die Systeme vor funkti-<br />
onsgefährdenden Störungen aus der Umwelt und stellt die damit die Erbringung der<br />
monopolisierten Leistungen sicher (Willke 2001, 101).<br />
36 Was sich <strong>im</strong> Hochschulkontext vielleicht an der durchgängigen latenten Konflikthaftigkeit zwischen<br />
der wissenschaftlichen und der administrativen Seite plausibilisieren lässt.<br />
37 An anderer Stelle weist Luhmann (1997, 770) darauf hin, dass die Umwelt intransparent und unkontrollierbar<br />
bleiben kann, sofern strukturelle Kopplungen kontrolliert und Irritationen aufgenommen und<br />
verarbeitet werden können.
29 2 Theoretische Grundlagen<br />
Eine absolute Autonomie und Indifferenz allerdings hätte für die gesellschaftliche<br />
Gesamtkonstruktion in ihrer Folgenträchtigkeit kaum abzuschätzende Negativwir-<br />
kungen. 38 Derartige Nebeneffekte sind in den von Sch<strong>im</strong>ank und Rosewitz (1988,<br />
296) identifizierten Indikatoren der Verselbständigung wiederzufinden. Demnach<br />
werden Leistungserwartungen unter Umständen nicht oder nur unzureichend erfüllt,<br />
sind Leistungsprodukte potentiell als Risiken für andere einzustufen oder beanspru-<br />
chen manche Teilsysteme zeitweilig extensiv gesellschaftliche Ressourcen. Desin-<br />
tegration kann auch in der entgegengesetzten Richtung beschrieben werden als<br />
intendierte Nicht-Gewährung reproduktionsnotwendiger Ressourcen oder Autono-<br />
mieeinschränkung durch Zwangsmaßnahmen und Sachzwänge (Lange/Sch<strong>im</strong>ank<br />
2004, 16). Funktionssysteme verfügen aufgrund ihrer strikten Codegebundenheit<br />
über keinerlei Kriterien, „die ihre Operationen l<strong>im</strong>itieren können, die also ein Maß zur<br />
Selbstbeschränkung, zum Verzicht auf Optionen ausbilden“ (Nassehi 1999, 44f.). In<br />
ihren ausgereiztesten Gestalten erscheinen diese extremen Entwicklungshorizonte<br />
als problematische, weil die emergente Gesamtordnung gefährdende, Phänomene<br />
der Desintegration.<br />
Autonomie und Indifferenz sind, wie gezeigt, dreifach zu erschließen: Über den<br />
funktionalen Pr<strong>im</strong>at jeden Teilsystems, über die systemtheoretisch begründete<br />
Autopoiesis sowie durch die generelle Intransparenz der Funktionssysteme fürei-<br />
nander. Bezüglich der, nicht generell ausschließbaren, daraus resultierenden Wir-<br />
kungen und Folgen ist graduell zwischen den beiden Polen Integrations- und Stabili-<br />
tätsbegünstigend und Desintegration bzw. Überintegration (Luhmann 1997, 618) 39<br />
zu unterscheiden.<br />
2.3.7 Politische Gesellschaftssteuerung, Autonomiegefährdung und fremdre-<br />
ferentielle Rahmung<br />
Die <strong>im</strong> voranstehenden Absatz genannten desintegrativen Effekte von Entwicklun-<br />
gen hin zu einer beharrlichen Verselbständigung von Teilsystemen <strong>im</strong> Sinne einer<br />
absoluten Ausreizung von Autonomieansprüchen sind zum einen noch einmal alter-<br />
nativ zu diskutieren, zum anderen auch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen<br />
Anreizwirkungen zu besprechen.<br />
38 In seiner funktionalen Symmetrieprämisse analysiert Luhmann (1981) den modernen Wohlfahrtsstaat<br />
unter dem Gesichtspunkt der fundamentalen Missachtung der Autonomien gesellschaftlicher<br />
Teilsysteme seitens des politischen Systems. Eine interessante Theoriediskussion zum Gegenstand<br />
unter Bezugnahme auf Luhmann und Bourdieu liefert Kuchler (2006).<br />
39 Luhmann verwendet, wie oben schon angedeutet, einen negativen Integrationsbegriff, da er die<br />
Einheit der Gesellschaft von ihrer Differenz aus beschreibt. Er sieht die Gefahr einer überintegrierten<br />
Gesellschaftt, da sie in einem Maße durch sich selbst irritierbar sei, wie keine Gesellschaft zuvor<br />
(Luhmann 1997, 618). Die Vielzahl engmaschiger struktureller Kopplungen können sich in Autonomieverlusten<br />
der Teilsysteme äußern (Lange/Sch<strong>im</strong>ank 2004, 16).
30 2 Theoretische Grundlagen<br />
Zu fragen ist zunächst, wie eine derartige dysfunktionale Aushebelung der theore-<br />
tisch angenommen Leistungsbalance <strong>im</strong> Kräftefeld der Funktionssysteme ursprüng-<br />
lich entsteht. Hier greifen zwei Argumentationslinien: Erstens, wie aufgezeigt, die<br />
Verselbständigung aufgrund übersteigerter und verabsolutierter Selbstreferentialität,<br />
was in der Folge mit dem Verlust an Irritationsfähigkeit des betreffenden Funktions-<br />
systems sowie, in letzter Instanz, einer gesellschaftsinadäquaten Leistungsprodukti-<br />
on einhergeht. Und zweitens, diese Argumentation legt die Theorieposition Luh-<br />
manns nahe, bedrohen übersteigerte Außenorientierungen und Verkopplungen die<br />
funktional differenzierte Ordnung, wobei deren Untermininierung die Funktionsfähig-<br />
keiten der Einzelsysteme negativ tangieren würde. Diese beiden, auch mittels empi-<br />
rischer Beobachtungen anzustoßenden, Szenarien bilden keine entweder/oder-<br />
Unterscheidung, sondern können als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden.<br />
Denn eine problematische Überintegration „könnte sogar (…) die längerfristige Fol-<br />
gewirkung einer über ihr Ziel hinaus schießenden Bewältigung von Problemen der<br />
Desintegration zwischen den Teilsystemen sein. Dass die Teilsysteme der moder-<br />
nen Gesellschaft sich verselbständigen, rücksichtslos miteinander umgehen und<br />
einander dabei <strong>im</strong>mer wieder in die Quere kommen, ist ein Auswuchs der für die<br />
Leistungsfähigkeit der Teilsysteme konstitutiven Autonomie.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b,<br />
263) Solche, mit integrierenden Intentionen verbundenen, Reaktionsweisen auf die-<br />
se in der Einheit von Differenz angelegten Schwächen können gleichfalls zu einer<br />
kontraproduktiven Autonomiegefährdung auswachsen. 40<br />
Mit den angesprochenen Reaktionsweisen sind <strong>im</strong> wissenschaftlichen Diskurs <strong>im</strong><br />
wesentlichen Versuche der staatlich-politischen Steuerung gemeint. Trotz der zu<br />
konstatierenden ambivalenten Anlage der Systemtheorie Luhmanns hat er mit sei-<br />
nen Arbeiten auf nahezu alle Steuerungstheoretiker Einfluss ausgeübt (Berkemeyer<br />
2010, 157). Die <strong>im</strong> Vorlauf behandelten Konzepte seiner umfassenden systemtheo-<br />
retisch angelegten Perspektive der polykontexturalen Gesellschaft halten unwider-<br />
legbar viel Fruchtbares für die Auseinandersetzung mit Fragen der Möglichkeit ge-<br />
sellschaftlicher Steuerung bereit.<br />
Die systemtheoretische Perspektive vermittelt in der Tat augenscheinlich den<br />
Standpunkt der Unmöglichkeit politischer Gesellschaftssteuerung. 41 Die wechselsei-<br />
tigen Intransparenzen, die <strong>im</strong>mer nur auf systemeigene Kommunikationsanschlüsse<br />
40 Hingewiesen sei hier auf die überbordenden Führungs- und Planungsansprüche der Machtbasis <strong>im</strong><br />
realen Sozialismus, die einer existenzbedrohenden Minderung der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
Vorschub leisteten. Unter diesem Eindruck sind Steuerungsbestrebungen als Versuche zu behandeln,<br />
eine beobachtete Differenz zu min<strong>im</strong>ieren (Luhmann 1988, 328).<br />
41 Ein weiteres, in dieser Arbeit nicht weiter thematisiertes, zentrales Problem gelingender Systemsteuerung<br />
liegt aus systemtheoretischer Sicht in nicht zu kalkulierenden Zeitd<strong>im</strong>ension. Demnach sind<br />
Systeme „moving targets“, die es verhindern, zukünftige Zustände zuverlässig anzusteuern. (Wiesenthal<br />
2006, 33).
31 2 Theoretische Grundlagen<br />
und Strukturdeterminanten sich vollziehenden Operationsweisen sowie die latent<br />
mitschwingenden „Nichtangriffspakte“ aus Notwendigkeit der eigenen, fremdprodu-<br />
zierten, Ressourcenversorgung bedingen eine funktionssystemübergreifende Im-<br />
munität gegenüber externer Steuerung (Rosewitz/Sch<strong>im</strong>ank 1988, 301). Die auf<br />
Grundlage von Beobachtungen erzeugte Selbststeuerung eines Funktionssystems,<br />
für Luhmann (1997, 767) heißt das „Störungen zu registrieren und in gewohnter<br />
Weise bearbeiten zu können“, kann in den Beobachtungen anderer Gesellschafts-<br />
systeme den eigenen Funktionserfordernissen zuwider laufen. 42 Aus solchen Beo-<br />
bachtungsartefakten heraus sind Anlässe für Systembeeinflussung bzw. –steuerung<br />
denkbar, die in der Hoffnung angesetzt werden, Gefährdungen der Funktionsfähig-<br />
keiten „abhängiger“ Teilsysteme nicht zu gefährden.<br />
Generell wird in der modernen Gesellschaft dem politischen System eine Allzustän-<br />
digkeit für die Bearbeitung gesellschaftlicher Problemlagen zugesprochen<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2002, 23). Die numerisch zunehmenden strukturellen Verknüpfungen<br />
zwischen Funktionssystemen provozieren tendenziell Konfliktlagen, etwa in Folge<br />
der Produktion negativer Externalitäten, die sich für das politische System in einer<br />
Anspruchsinflation beobachten lassen. Da die Politik den machtbasierten Funkti-<br />
onspr<strong>im</strong>at für die allgemeine Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse innehat, er-<br />
wachsen aus der politischen Logik heraus eigene politische Steuerungsansprüche. 43<br />
Erst in der Artikulierung dieser sind überhaupt als solche zu bezeichnende proble-<br />
matische Entwicklungen, wie extreme Indifferenzen, zu identifizieren. 44<br />
Diese Ansprüche auch einzulösen, erweist sich als ein voraussetzungsreiches Un-<br />
terfangen. Die Zielobjekte jedweder Versuche der Einflussnahme verfügen in ihrer<br />
selektiven Empfänglichkeit für Irritationen über Ja/Nein-Optionen. Daraus ergibt sich<br />
die Undenkbarkeit von Durchgriffskausalität (Luhmann 2000, 403). Auf der anderen<br />
Seite haben politische Akteure gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Teilsystemen unterschiedlich ausgeprägte Wissens- und Beurteilungsdefizite hin-<br />
sichtlich der Durchführung von Steuerungsmaßnahmen (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 141).<br />
Niemals können externe Steuerungsakteure die Weltsichten ihrer Umweltsysteme<br />
42 Hier angesprochen wird das Bild der „Beobachtung zweiter Ordnung“ (Luhmann 1997, 766)<br />
43 Willke (2001, 104) betont die Kontingenz der Indifferenz als theoretisch unterstellter Normalzustand.<br />
Er meint, dass Selbstorganisation und Indifferenz nur möglich seien, „wenn die Politik sich selbst eine<br />
höchst unwahrscheinliche Selbstbeschränkung auferlegt“, seine Steuerungsanspruche also zu gewissen<br />
Graden diszipliniert. Theoretisch ist dieser Einwurf aufgrund der prinzipiellen Gleichrangigkeit aller<br />
Gesellschaftssysteme nicht haltbar, realpraktisch mag er einleuchtend erscheinen.<br />
44 Wobei die Zuschreibung von Schieflagen kein Alleinstellungsmerkmal des politischen Systems ist.<br />
Allerdings bekommt der Politik in ihrem Operieren <strong>im</strong> Medium Macht und ihrer vielfältigen Unterhaltung<br />
von strukturellen Kopplungen eine zentrale Stellung zugewiesen (Luhmann 2000).
32 2 Theoretische Grundlagen<br />
einnehmen, da sie in ganz anderen Kommunikationszusammenhängen operieren. 45<br />
Dadurch wird direkte Einwirkung zu einem schier aussichtslosen Exper<strong>im</strong>ent, be-<br />
dürfte es doch einer Art Über-Experten, der über einen spezifischen Teilbereich hin-<br />
ausblicken, eine Art Meta-Perspektive einnehmen kann (Willke 2001, 107). Ein sol-<br />
ches Rollenverständnis ist theoretisch nicht einzulösen, wäre es doch ein überaus<br />
kontingenter Zufall, würden die Steuerungsmaßnahmen allen beteiligten Orientie-<br />
rungen gleichsam zugutekommen, also der emergenten polykontexturalen Ordnung<br />
<strong>im</strong> Sinne der Aufrechterhaltung aller Funktionen dienlich sein. 46 Nicht mit Best<strong>im</strong>mt-<br />
heit zu antizipieren sind Folgeerscheinungen der von einer politischen Zentralin-<br />
stanz ausgehenden Koordinations- und Steuerungseinwirkungen. Die nur l<strong>im</strong>itierte<br />
Chance der sowohl vorweggreifenden wie nachvollziehenden Einsicht in anders<br />
codierte und strukturierte Systemoperationen erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit<br />
der Risikoproduktion. 47 Willke (2001, 111) geht davon aus, jede Koordination riskie-<br />
re „die Vorteile der Komplexifizierung von Systemen durch Differenzierung, d.h. die<br />
Vorteile des Aufbaus interner Komplexität (Eigenkomplexität) von Systemen durch<br />
Differenzierungen der unterschiedlichsten Art.“ Die max<strong>im</strong>alen Risiken sind in Er-<br />
scheinungen der Gleichschaltung bzw. Entdifferenzierung auszumachen.<br />
In dieser recht einseitig veranschlagten Lesart der Folgewirkungen politischer<br />
Steuerungsversuche wird vor möglichen dysfunktionalen Autonomieeinbußen ge-<br />
warnt. Diesen Gedanken n<strong>im</strong>mt Sch<strong>im</strong>ank (2006, 71ff.; 2007b) in seiner Typisierung<br />
intersystemischer Grenzüberschreitungen produktiv auf. Er unterscheidet hierbei<br />
graduelle Abstufungen fremdreferentieller Rahmungen 48 der weiterhin codegepräg-<br />
ten Operationsweise eines Funktionssystems. Damit erweitert er den Blickwinkel<br />
dahingehend, dass extern initiierte Zugriffsvorstöße nicht per se am Code ansetzen<br />
müssen, sondern auch auf den Ebenen der Programme und Ressourcenflüsse<br />
verortbar sind. Dabei bezieht er auch den umgekehrten Weg der „gewaltsamen Ein-<br />
verleibungen“ fremder Systemelemente mit in seine Überlegungen ein. Er differen-<br />
ziert innerhalb seines Ansatzes feindlicher Übernahmen die jeweiligen Folgewirkun-<br />
gen sowohl für das übernehmende wie auch für das übernommene Teilsystem<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2007b, 28). Indem er verschiedene einzelne Leistungsbeziehungen hin-<br />
sichtlich ihrer Einflussverteilungen durchexerziert, wird die tragende Rolle des Wirt-<br />
schaftssystems für feindliche Übernahmen, ohne dass dieses selbst einmal in die<br />
45<br />
Scharpf (1989) konstatiert in Bezug auf die Position Luhmanns eine „Überschätzung der wechselseitigen<br />
Intransparenz der Teilsysteme“. Willkes (2001) Ausführungen zur Logik von Verhandlungssystemen<br />
auf der Organisationsebene plausibilisieren dies.<br />
46<br />
Laut Willke (1989, 106f.) befinden sich die Akteure unterschiedlicher Teilsysteme in einem generellen<br />
Orientierungsdissens, der nicht zu überwinden ist.<br />
47<br />
Hier wird aus einer theoretisch aufgeklärten Perspektive heraus bewusst eine Art<br />
Pess<strong>im</strong>ismusszenario gezeichnet.<br />
48<br />
Dieses Konzept erinnert an die Überlegungen von Teubner und Willke (1984) zur Kontextsteuerung.
33 2 Theoretische Grundlagen<br />
Rolle des Opfers gelangt, identifiziert. Diese grobschlächtige Diagnose von Grenz-<br />
überschreitungen sollte in spezielleren Untersuchungen theoretisch und empirisch<br />
auf ihre Haltbarkeit überprüft werden. Für dieses Anliegen möchte diese Arbeit<br />
durch die Inblicknahme etwaiger <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> einen<br />
ersten Beitrag leisten.<br />
2.4 „Re-entry“ akteurtheoretischer Perspektiven<br />
Die theoriearchitektonischen Ausarbeitungen Luhmanns zum Gegenstand funktio-<br />
naler Differenzierung zeichnen sich durch ihre hohe Komplexität, begriffliche Präzi-<br />
sion und innere Kohärenz aus. Obwohl das systemtheoretisch begründete Pro-<br />
gramm in seiner Stringenz sowie terminologischen Konsistenz (kritisch dazu<br />
Nassehi 2004) innerhalb der soziologischen Theoriegeschichte unübertroffen zu<br />
sein scheint, sieht es sich Zeit seiner Entwicklung teils heftiger Kritik ausgesetzt<br />
(z.B. Knorr Cetina 1992, Münch 1995; Tyrell 1978; allg. Habermas 1996). Eine all-<br />
umfassende Nachzeichnung der fachinternen Bewertungen und auch theoretisch-<br />
positionellen Ablehnungen soll hier nicht geleistet werden. Stattdessen steht nach-<br />
folgend eine knappe Würdigung der Erklärungskraft einer systemtheoretischen Aus-<br />
deutung des Programms funktionaler Differenzierung der Gesellschaft. Eine Ein-<br />
schränkung in der Betrachtung wird dahingehend vorgenommen, dass dies fokus-<br />
siert auf theoretisch-kategoriale Anreicherungen, Abgrenzungen und Ergänzungen<br />
des bis hierher vorgestellten Rahmens geschehen wird. Aus zwei Gründen nehmen<br />
Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie (Sch<strong>im</strong>ank 2005b; 2006) hier<br />
eine Zentralstellung ein: Sie weisen eine gewisse konzeptionelle Nähe zum mittels<br />
der Systemtheorie aufgespannten Rahmen auf, bieten aber zusätzliches erklären-<br />
des Potential hinsichtlich der Exploration gesellschaftlicher Strukturdynamiken. 49<br />
Dass Luhmann weder der Erste noch der Einzige ist, der die Gesellschaft in ihrer<br />
Pluralität und damit verbunden hinsichtlich der gegenseitigen kommunikativen Uner-<br />
reichbarkeit der ausdifferenzierten Sinneinheiten beschrieben hat, wurde zu Anfang<br />
schon thematisiert. 50 Abseits der soziologischen Klassiker 51 (Durkhe<strong>im</strong>, Spencer,<br />
Weber) bietet die Gesellschaftstheorie Bourdieus zweifellos differenzierungstheore-<br />
tische Bezüge 52 : „Die Theorie der Felder beruht auf der Feststellung […], daß in der<br />
sozialen Welt ein fortschreitender Differenzierungsprozeß stattfindet.“ (Bourdieu<br />
49<br />
Schon die oben genannten feindlichen Übernahmen als erwartbare Phänomene unterliegen einer<br />
akteurorientierten Sicht der Dinge.<br />
50<br />
Eine übersichtliche Einordnung der gegenwärtig verhandelten theoretischen Ansätze innerhalb des<br />
Programms funktionaler Differenzierung liefert Schützeichel (2011, 73f.).<br />
51<br />
Wobei Bourdieu mittlerweile und zu Recht auch der Rang eines Klassikers eingenommen haben<br />
dürfte (Kaesler 2007).<br />
52<br />
Klassischerweise, so Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (1999, 23), werden die theoretischen Arbeiten Bourdieus<br />
für Analysen sozialer Ungleichheit herangezogen, währenddessen das differenzierungstheoretische<br />
Potential seiner Theorie sozialer Felder weit weniger rezeptive Aufmerksamkeit erfährt.
34 2 Theoretische Grundlagen<br />
1994, 148). Während Luhmann die Entstehung und Reproduktion funktionaler Teil-<br />
systeme kommunikationstheoretisch in Absehung handelnder Einheiten ausarbeitet,<br />
verweist Bourdieu in seiner Konzeptualisierung eines differenzierten Gesellschafts-<br />
modells auf die prägenden Einwirkungen sozialer Akteure. Zwar werden gedankli-<br />
che Analogien zu Luhmanns Vorstellungen sichtbar: „feldspezifischer »nomos« und<br />
binärer Code; Feldautonomie und Selbstreferentialität.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999,<br />
25). Dabei aber richtet Bourdieu den Blick, gelenkt von konflikttheoretischen sowie<br />
machtsoziologischen Einsichten, vielmehr auf feld<strong>im</strong>manente Interdependenzen und<br />
Prozessstrukturen, die von handelnden Subjekten getragen und ständig divergent<br />
aktiviert werden. Die in systemtheoretischen Deutungen suggerierte Statik in den<br />
Innen- wie Außenverhältnissen der Systeme ist in feldtheoretischen Betrachtungen<br />
nur ein möglicher Konstellationszustand unter anderen, somit eher als abhängige<br />
Variable zu begreifen.<br />
Wenngleich die Feldakteure ihr Handeln grundsätzlich am feldspezifisch-<br />
universellen nomos (Bourdieu 1994, 148f.) ausrichten, ist dieser keine kritikbefreite<br />
und unangreifbare Kategorie, sondern wird <strong>im</strong> Feld ständig unter dem Eindruck va-<br />
riabler Machtverteilungen und Regelstrukturen neu austariert. 53 Welche Tatbestände<br />
und Elemente <strong>im</strong> Kontinuum eines einzelnen (Funktions-) Feldes als wertvoll, wich-<br />
tig und wünschenswert definiert werden, ist fortwährend Gegenstand der Definiti-<br />
onskämpfe der mit best<strong>im</strong>mten, ungleichverteilten Kapitalien ausgestatteten Akteu-<br />
re 54 . Aus diesen Überlegungen heraus wird ersichtlich, dass Bourdieu Felder als<br />
dynamische Gebilde erkennt, deren Strukturelemente unablässig zur Disposition<br />
stehen, was seine Annahme einer „relativen Autonomie“ (Bourdieu 1994, 71) be-<br />
gründet. Verschiebungen und Überlagerungen der feldspezifischen Logik sind <strong>im</strong><br />
Kräftespiel der gesellschaftlichen Funktionseinheiten demnach weniger unwahr-<br />
scheinlich, als es das systemtheoretische Differenzierungsmodell nahelegt. Struk-<br />
turdynamiken dieser Art bezeichnet Bourdieu (1998) als Intrusion. Das Feld ist we-<br />
niger von der Einheit der Kommunikation gekennzeichnet, als es ein machtdurch-<br />
tränkter sozialer Raum ist, der sich inmitten einer Vielzahl an der gesellschaftlichen<br />
Funktion ausgerichteten Erwartungsstrukturen verortet und sich auf Basis derer<br />
konstituiert.<br />
Anders als Bourdieu, der sich in seinen gesellschaftstheoretischen Reflexionen nicht<br />
explizit an Luhmanns Sichtweise auf Ausdifferenzierung und die funktional differen-<br />
zierter Gesellschaft abarbeitet, grenzen sich zeitgenössische Differenzierungstheo-<br />
53<br />
An dieser Stelle dient ein weiteres Mal beispielgebend der schon oben vorgebrachte<br />
Positivismusstreit in der Soziologie.<br />
54<br />
Die Ausstattung mit Macht bemisst sich für Bourdieu (1997) in der individuellen Ausstattung mit<br />
sozialen Kapitalien.
35 2 Theoretische Grundlagen<br />
retiker bewusst in ihren akteurtheoretischen Akzentuierungen vom „Pr<strong>im</strong>aten der<br />
Systemtheorie“ ab. 55 Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (1999, 31) würdigen die systemtheo-<br />
retischen Arbeiten Luhmanns, und auch Parsons‘, als analytischen Bezugsrahmen,<br />
„dessen zentrale Kategorien auf alle Teilsysteme anwendbar sind.“ Die Vorteile ei-<br />
ner systemtheoretischen Behandlung der gesellschaftlichen Entitäten liegen in der<br />
Bereitstellung eines umfassenden und universellen Analyseinstrumentariums zur<br />
Erschließung struktureller Gemeinsamkeiten. Das jedes Teilsystem über Code- und<br />
Programmstrukturen als kommunikativer und handlungsbezogener Basis zur Fort-<br />
schreibung ihrer Existenzen verfügt, soll nicht negiert werden. Aber insbesondere<br />
für die Analyse intra- und intersystemischer Strukturdynamiken, etwa auf der Ebene<br />
der Programme, „kommen als »Beweger« des Geschehens noch die Konstellati-<br />
onsstrukturen der Akteure hinzu.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 209). Auch Esser (2004, 272)<br />
gibt zu bedenken, „dass es soziale Systeme gibt, aber auch (»leibhaftige«) mensch-<br />
liche Akteure und von ihnen geteilte Orientierungen und Handlungsdispositionen“.<br />
Zudem stehen diese drei, von Esser benannten, Strukturebenen des Sozialen nicht<br />
zusammenhangslos nebeneinander, sondern tragen wechselseitig zu ihrer jeweili-<br />
gen Konstitution bei. 56 Für die Erklärung dieser Mechanismen müssen handlungs-<br />
und systemtheoretische Zugänge nicht als antagonistische Grundlagenpositionen<br />
angenommen werden, wie es etwa Schwinn (2010) tut, sondern dürfen durchaus<br />
programmübergreifende Adaptionen das generelle Erfassungsspektrum erweitern<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2009a).<br />
Dass sich individuelle wie kollektive bzw. korporative Akteure 57 in einem Netz an<br />
Normen, Vorgaben und <strong>im</strong>pliziten wie expliziten Regelungen, kurz: Strukturen, be-<br />
wegen, wird kein aufgeklärter Gesellschaftsbeobachter bestreiten. Wenngleich<br />
Strukturen grundsätzlich als gestaltbar und veränderlich aufzufassen sind (Giddens<br />
1984), treten sie dem Akteur oftmals als handlungsdeterminierende Tatbestände<br />
gegenüber, die den Eindruck nur eingeschränkter Aktionsmächtigkeit vermitteln, so<br />
als ob diese überindividuellen und an best<strong>im</strong>mte Lebensbereiche gebundenen<br />
Maßgaben ein Eigenleben führen, „dem sich die Akteure fügen müssen, sobald sie<br />
sich <strong>im</strong> Territorium einer von ihnen bewegen – und das heißt: fast <strong>im</strong>mer!“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 469). Genau diese „Territorien“ bezeichnet das systemtheoreti-<br />
sche Differenzierungsmodell als durch einen spezifischen Code definierte Teilsys-<br />
teme.<br />
55 Für einen neueren Überblick siehe den von Schwinn, Kroneberg und Greve (2011) herausgegebenen<br />
Sammelband „Soziale Differenzierung: Handlungstheoretische Zugänge in der Diskussion.“<br />
56 Verwiesen sei hier auf das Modell der soziologischen Erklärung (Esser 1999; Coleman 2001;<br />
Gresshoff/Sch<strong>im</strong>ank 2006; Greve/Schnabel/Schützeichel 2009).<br />
57 Siehe Sch<strong>im</strong>ank 2010. Auch Scharpf 1997.
36 2 Theoretische Grundlagen<br />
Um den Ideen von Funktionssystemen ihren, seitens der systemtheoretisch orien-<br />
tierten Fachvertreter angehängten, überstabilen und verobjektivierten Charakter zu<br />
nehmen bzw. um diesen zu relativieren, spricht Sch<strong>im</strong>ank (2005, 102ff.; 2009) von<br />
handlungsprägenden Sozialsystemen oder auch von Teilsystemen als verdinglichte<br />
Akteurfiktionen. Dabei fällt die allgemeine Orientierungsfunktion dem innerhalb des<br />
Teilsystems geltenden Leitwert bzw. binären Code zu, „der den Akteuren in seinem<br />
Geltungsbereich bei ihrer Definition der Situation ein »Oberziel« ihres Handelns als<br />
»perfekten Match« auferlegt.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 212) 58 So verstanden ist der binä-<br />
re Code der letzte Bezugspunkt teilsystemischer Deutungsstrukturen, um den her-<br />
um sich die spezifische Handlungslogik für die Systemakteure ausbildet: „Aufgrund<br />
seiner Teilsystemzugehörigkeit weiß ein Akteur also vor allem, welcher Richtung<br />
des Wollens er sich zuwenden kann und welche anderen Richtungen er entspre-<br />
chend nicht in den Blick zu nehmen braucht.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007, 220). Dieser Selekti-<br />
onscode, der zur Interpretation einer Situation oder eines Ereignisses verhilft, ist nur<br />
ein mögliches Beobachtungsschemata unter vielen. Die Hinwendung zu einer „Rich-<br />
tung des Wollens“ verringert die Komplexität einer mit verschiedenartigen Hand-<br />
lungsalternativen aufgeladenen Situation und legt dem Akteur ein einziges zu ver-<br />
folgendes Oberziel frei. Prinzipiell lassen sich alle soziale Situationen unter Verwen-<br />
dung von Schemata systemspezifischer Handlungslogiken evaluativ stark einge-<br />
grenzt rekonstruieren. Der einzelnen sozialen Situation oder dem einzelnen sozialen<br />
Akt wird damit eine markante Sinnhaftigkeit unterstellt, die sich aber nur unter Aus-<br />
blendung der realen Kontingenz aufrechterhalten lässt. Die binäre Codierung eines<br />
Funktionssystem wird aus dieser Perspektive zu einem s<strong>im</strong>plifizierenden Konstrukt<br />
des Wirklichkeitsbildes, zu einer abstrahierten Fiktion 59 : „Die Fiktionalität der Teil-<br />
systeme besagt einerseits, dass es sich bei ihnen um eine realitätsvereinfachende<br />
subjektive Vorstellungen der Akteure handelt, aber andererseits um solche Vorstel-<br />
lungen, die als intersubjektiv wechselseitig bestätigte und so geteilte „frames“ des<br />
Handelns über entsprechendes handelndes Zusammenwirken Geltung erhalten auf<br />
diese Weise quasi „objektiven“ Charakter annehmen.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 469; auch<br />
Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 87ff.). Solche Konstruktionen manifestieren und reproduzieren<br />
sich in der Logik einer „self-fulfilling prophecy“ (Merton 1948).<br />
Wie mit dem letzten Zitat schon angedeutet, erheben sich die situativ zur Anwen-<br />
dung gelangenden teilsystemischen Handlungslogiken nicht automatisch durch eine<br />
„unsichtbare Hand“ zum generalisierten Deutungshorizont, sondern müssen sich<br />
dafür die Akteure in ihren aufeinander abgest<strong>im</strong>mten Handlungen gemeinsam an<br />
58 Hier formuliert <strong>im</strong> Sprachgebrauch Hartmut Essers.<br />
59 Esser (2010, 45f.) sieht das ähnlich wenn er von der „Selektion eines Frames“ spricht, welche eine<br />
best<strong>im</strong>mte Relevanzstruktur vorgibt und die Situation so gedanklich drastisch vereinfacht.
37 2 Theoretische Grundlagen<br />
einer Richtung des Wollens orientieren. Solche Akteurkonstellationen (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2010a, 202ff.) konstituieren sich „für jeden einzelnen Akteur ganz unmittelbar durch<br />
das Gewahrwerden der Tatsache, dass er best<strong>im</strong>mte Intentionen nicht monologisch<br />
verfolgen kann, sondern auf die Koordination mit anderen angewiesen ist.“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 207, 221) Die anwesenden bzw. gedanklich relevanten Anderen produ-<br />
zieren den Handlungsrahmen für den Einzelakteur. In seinen Handlungswahlen be-<br />
müht er sich, den Ansprüchen seiner Umgebung <strong>im</strong> Kontext von Rollenerwartungen<br />
möglichst umfänglich gerecht zu werden, um seine Soziabilität aufrecht zu erhal-<br />
ten. 60 Über verschiedene Abst<strong>im</strong>mungsformen 61 prägen die beteiligten Akteure<br />
wechselseitig die jeweiligen individuellen Handlungsäußerungen. Aus der ständigen<br />
Aktualisierung dieses intersubjektiven aneinander Orientierens evolvieren Konstella-<br />
tionsstrukturen in dem Sinne, „dass keine der Beteiligten allein von sich aus so ein-<br />
fach seine Handlungsweise ändern kann, ohne sich gravierende Nachteile der einen<br />
oder anderen Art einzuhandeln.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 40).<br />
Die episodische Wiederholung und Verstetigung der so koordinierten und ineinander<br />
verschränkten Handlungen provozieren somit normative Erwartungsstrukturen, die<br />
als komplexitätsmin<strong>im</strong>ierende situative Bewältigungsmuster fungieren. Diese institu-<br />
tionellen Ordnungen 62 unterscheiden sich hinsichtlich ihres Formalisierungsgrades<br />
und vermitteln dem Handelnden situativ, „was er in der jeweiligen Hinsicht zu tun<br />
bzw. zu lassen hat.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007, 221) Regelungsstrukturen dieser Art diszipli-<br />
nieren das soziale Geschehen und erhöhen die wechselseitige Erwartungssicherheit<br />
für die Akteure in best<strong>im</strong>mten Konstellationsstrukturen. 63 Sie signalisieren die<br />
sanktionierbare Seite in einem auf best<strong>im</strong>mte Wahrnehmungs-, Selektions- und<br />
Handlungsweisen abgestellten System, weisen darin eine gewisse Persistenz auf,<br />
sind aber „hochgradig von den Akteuren situativ modifizierbare, aushandelbare und<br />
sogar gänzlich ignorierbare Größen.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 222) In ihrer zeitweiligen<br />
Gestalt stehen Institutionen nicht kontextfrei und sinnentleert als soziale Tatsachen<br />
<strong>im</strong> Feld, sondern verweisen als soziale Strukturierungen stets auf einen Wertbezug,<br />
den sie infolge einer aktivierenden Bezugnahme handlungsrelevant werden lassen<br />
(Lepsius 1995, 394).<br />
60 Siehe ausführlich zum Akteursmodell des Homo Sociologicus, (Dahrendorf 2010).<br />
61 Sch<strong>im</strong>ank (2010) unterscheidet hier Beobachtung, Beeinflussung und Verhandlung.<br />
62 Für ein genuin theoretisches, auf Institutionalisierungsprozesse abgestelltes, Beschreibungsangebot<br />
siehe Berger/Luckmann (2009, 49ff.). Ein anschauliches und mittlerweile als „klassisch“ einzustufendes<br />
Beispiel in der Form einer Einzelfallstudie bieten Elias/Scotson (2002).<br />
63 Dass Normen und Regeln hintergangen werden können und dies theoretisch besehen auch nicht<br />
gerade unwahrscheinlich ist, legen Arbeiten aus dem Kontext des soziologischen Neo-<br />
Institutionalismus für den sozialen Bereich formaler Organisationen nahe (Meyer/Rowan 1977; Walgenbach/Meyer<br />
2008; zur Einführung Hasse/Krücken 2005).
38 2 Theoretische Grundlagen<br />
In dieser sind die überindividuellen normativen Erwartungsstrukturen mit den eva-<br />
luativen und kognitiven Orientierungen der Deutungsstrukturen verknüpft, zudem<br />
formen die letztgenannten die geltenden Konstellationsstrukturen. 64 Dabei fixieren<br />
die Deutungsstrukturen die Differenzierungsstruktur der modernen Gesellschaft 65<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2005, 41), markieren also die Sinngrenzen der einzelnen Funktionssys-<br />
teme. In Kontrastierung zur systemtheoretischen Erklärung der kommunikativ voll-<br />
zogenen Aneinanderkettung von Systemoperationen lässt sich die Systemhaftigkeit<br />
von gesellschaftlichen Funktionsbereichen mit Sch<strong>im</strong>ank (2010, 469)<br />
akteurtheoretisch reformulieren: „Was sich als teilsystemische „Autopoiesis“ (…)<br />
darstellt, beruht auf dem Mechanismus handelnden Zusammenwirkens, bei dem die<br />
„Wertsphären“ mit ihren Leitwerten in Gestalt verdinglichter Fiktionen das Handeln<br />
so prägen, dass aus diesem in der „Logik der Aggregation“ vielen gleichsinnigen<br />
Handelns die Leitwerte und die teilsystemischen Sinngrenzen <strong>im</strong>mer wieder aufs<br />
Neue als Situationsdefinitionen weiteren Handelns bestätigt werden.“ Erschließt<br />
man sich die Zusammenhänge teilsystemischen selbstreferentiellen Operierens in<br />
dieser Art, erscheint die seitens der Systemtheorie propagierte Stabilität teilsystemi-<br />
scher Autopoiesis in ihrer logischen Selbstverständlichkeit beschnitten. Auch wenn<br />
dem binären Code als zentralen Leitwert aufgrund seiner Eigenschaft als fiktiver<br />
Abstraktion eine gewisse Geltung unterstellt werden kann, bieten die vorgestellten<br />
theoretischen Ergänzungen gerade auf der Ebene der Programme weitergehendes<br />
erkenntnisgenerierendes Potential. So wäre es ein erstrebenswertes Projekt, das<br />
Augenmerk, sowohl theoretisch wie empirisch, auf die Interessenlagen und Ein-<br />
flusspotentiale verschiedener <strong>im</strong> Funktionssystem 66 agierender handlungsfähiger<br />
Akteure, Rollenträger oder auch Organisationen als korporative Akteure, zu legen.<br />
Obschon die teilsystemische Reproduktion sich innerhalb der funktionalen, auf die<br />
gesellschaftlichen Bedürfnisse gerichteten, Erfordernisse in kommunikativer Hinsicht<br />
wohl <strong>im</strong>mer noch pr<strong>im</strong>är innerhalb des binären Relevanzrahmens abspielt, darf die<br />
Möglichkeit einer Heterogenisierung der Konstellationsstrukturen und damit auch die<br />
Einspeisung fremdreferentieller Elemente in die Programmstrukturen eines Teilsys-<br />
tems nicht grundsätzlich zurückgewiesen werden. Der Extremfall einer „echten<br />
Code-Herausforderung“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 214) erscheint zwar aus theoretischer<br />
Perspektive sehr unwahrscheinlich, allerdings können ursprünglich externe Katego-<br />
rien als nun geltende Zuordnungsregeln die definitorische Herausarbeitung des von<br />
nun ab zugrundeliegenden Leitwertes tangieren.<br />
64<br />
Denn nicht für alle Akteure erscheint eine Teilnahme am systemischen Geschehen lohnens- und<br />
erstrebenswert.<br />
65<br />
Was zu hinterfragen ist, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass best<strong>im</strong>mte Konstellationsstrukturen<br />
den Deutungs- und Motivhorizont sinnhaft konstituierter Bereiche unterminieren können, wie es<br />
Kommodifizierungserscheinungen suggerieren (Polanyi 1978, auch Dörre 2009).<br />
66<br />
Hier ist die institutionelle Seite des System gemeint.
39 2 Theoretische Grundlagen<br />
2.5 Zwischenbetrachtung<br />
Insbesondere die streng systemtheoretisch fundierten Einsichten des Theoriepro-<br />
gramms funktionaler Differenzierung bieten aufgrund Anlässe für Kritik und Wider-<br />
spruch. Aber gerade aufgrund des hohen Abstraktionsgrades können hieraus An-<br />
knüpfungspunkte für wissenschaftliche Beobachtungen, die sich dann an der Ein-<br />
deutigkeit dieses Paradigmas abarbeiten können, entstehen. Erst weil die mit der<br />
strikten Anwendung der innerhalb dieses Theoriegebäudes verhandelten Konzepte<br />
derart absolut und quasi „nicht-verhandelbar“ daherkommen, bieten sie dem inte-<br />
ressierten Gesellschaftsbeobachter die benötigten Anreize dafür, die realen Ver-<br />
hältnisse entlang dieser modellhaften Vorstellungen zu betrachten und gegebenen-<br />
falls in Zweifel zu ziehen.<br />
Das voranstehend gezeichnete Gesellschaftsbild provoziert unweigerlich Fragen.<br />
Die argumentative Stärke der systemischen Differenzierungstheorie ist, dass sie auf<br />
Kommunikationen als basale soziale Einheiten abstellt. Funktionssysteme zeichnen<br />
sich demnach durch die Differenz ihrer Kommunikationsweisen aus. Kommunikatio-<br />
nen innerhalb eines System setzen sich fort, weil mitgeilte Kommunikationseinheiten<br />
dem System die Möglichkeit geben, sich unter Bezugnahme auf ihre binäres Diffe-<br />
renzschema einander anzuschließen. Über diesen Mechanismus reproduzieren sich<br />
die gesellschaftlichen Teilsysteme je für sich. Dennoch müssen Kommunikationsan-<br />
schlüsse erst einmal ermöglicht werden. Ein System muss autonom genug sein, der<br />
Gesellschaft sein Differenzschema anzulegen um Beobachtungen vollziehen zu<br />
können, die wiederum als Grundlage für die funktionalen Leistungserbringungspro-<br />
zesse konstitutiv sind.<br />
Welche Folgen es nach sich ziehen kann, wenn die Funktionsautonomie und legiti-<br />
me Indifferenz gegenüber Umwelteinflüssen beschnitten oder eingeschränkt wird, ist<br />
durch die Theorie nicht genau spezifiziert. Offengelegt werden vielmehr Kopplungs-<br />
strukturen und Einwirkungsbereiche, etwa Organisationen, die sowohl die Verabso-<br />
lutierung von Weltsichten begünstigen, aber auch Rahmungen für die unmittelbarere<br />
Konfrontation mit Fremdreferenzen darstellen können. Wird ein Funktionssystem in<br />
seinen genuinen Beobachtungspraxen und Kommunikationsweisen nicht mehr<br />
selbstreferentiell Selektionsentscheidungen treffen können, sondern werden Pro-<br />
zesse der Funktionserfüllung in den Kontext anderer als selbstgewählter Selektio-<br />
nen gestellt, ist nicht mehr von einer vollständigen Systemautonomie auszugehen.<br />
Ein solcher Fall nur noch bedingten Selbstvollzugs kann Folgen für die gesamte<br />
Gesellschaft aufgrund veränderter, <strong>im</strong> Extremfall ausbleibender, Leistungserbrin-
40 2 Theoretische Grundlagen<br />
gung zeitigen. Wie aber gezeigt wurde, beruht die gesellschaftliche Integration ge-<br />
radezu auf Kopplungsmomente zur Sicherstellung der eigenen Empfänglichkeit für<br />
umweltseitige Signale, die dann systemintern beobachtet und verarbeitet werden.<br />
Hier erscheint einem die Parabel über zwei Igel, die ein gesundes Verhältnis aus<br />
Nähe und Distanz finden müssen, um ein zufriedenstellendes Miteinander zu ge-<br />
währleisten. Ähnlich verhält es sich den theoretischen Grundlegungen zufolge mit<br />
den Grenzbereichen der Teilsysteme. Ein allzu selbstbezügliches Operieren kann<br />
die Bereitstellungen von gesellschaftlich benötigten Leistungen gefährden. Aber<br />
auch starke Beschränkungen <strong>im</strong> Code-Ausleben der Systeme (Nassehi 2004) und<br />
damit einhergehende dysfunktionale Autonomieeinbußen können unvorhersehbare<br />
Wirkungen nach sich ziehen. Die Funktion der umfassenden Darstellungen zur hier<br />
verwendeten Gesellschaftstheorie ist es, für diese grundsätzliche Kontingenz in den<br />
Folgeerscheinungen von Entwicklungen dieser Art zu sensibilisieren sowie zur Be-<br />
obachtung anzuregen.<br />
Über die angesprochenen potentiellen Effekte von Grenzverschiebungen zwischen<br />
den Systemen kann allenfalls spekuliert werden, höchstens sind einzelne Hinweise<br />
auffindbar und diskutierbar. Was aber einer Betrachtung in einer ersten Annäherung<br />
zugänglicher ist, sind Beobachtungen fremdreferentieller Rahmungen, die mitunter<br />
auch durch Realisierungen politischer Gesellschaftssteuerung induziert werden.<br />
Hierunter fallen auch Rahmungen, die als ökonomisierend zu charakterisieren sind<br />
(siehe unten). Welche gesellschaftlichen Prozesse derartige Phänomene, insofern<br />
sie nachweisbar sind, hervorbringen, kann etwa in Einzelfallstudien unter Bezug-<br />
nahme akteurtheoretischer Modelle und Analysen ergründet werden. Aber auch für<br />
den in dieser Arbeit stehenden Versuch, fremdreferentielle Rahmungen und ihre<br />
Bedingungen <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> anhand von politischen Steuerungseingriffen zu be-<br />
obachten, sind akteurtheoretische Perspektiven auf die differenzierte Gesellschaft<br />
zweckmäßig, da Konstellationsstrukturen und Handlungsvollzüge plastischere be-<br />
griffliche Instrumente darstellen. Insgesamt wurde bis hierher ein Gesellschaftsbild<br />
vorgestellt, welches die Welt des Sozialen als differenziert begreift und vielfältige<br />
Anlässe bereithält, systematische Analysen der gesellschaftlichen Verfassung sowie<br />
etwaiger Wandlungen anzustellen.
41 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und gesellschaftlicher Rea-<br />
lität<br />
Die bis hierher vorgenommenen theoriebasierten Ausführungen zur modernen Ge-<br />
sellschaft legen ein Modell eben dieser zugrunde, das auf einem Beobachtungs-<br />
schema der Differenz beruht. Mit dem vorgestellten differenzierungstheoretischen<br />
Rahmenprogramm ist ein potentes Beobachtungsinstrumentarium benannt, mittels<br />
dessen Fragestellungen nach spezifischen Eigenarten gegenwärtiger Strukturierun-<br />
gen und formgebender Kommunikationstypen in einer Wahrnehmung von<br />
Uneinheitlichkeit und Ungleichartigkeit entwickelbar sind. In den Beiträgen zur „ge-<br />
genwärtigen“ funktionalen Verfasstheit der sozialen Welt wird darauf hingewiesen,<br />
dass in einer strukturell-temporalen Sicht Entwicklungsverläufe nicht als statistisch,<br />
sondern vielmehr in ihren evolutionär-konstruierten Dynamik zu begreifen sind. Die-<br />
se Einsicht bedeutet nicht per se einen Informationsgewinn, gehören doch Abhand-<br />
lungen zu den Themenkomplexen sozialen, kulturellen oder institutionellen Wandels<br />
sowie soziotechnischer und politisch-struktureller Transformation zum theoretischen<br />
und gegenwartsdiagnostischen Grundkanon der soziologischen Wissenschaft (Rei-<br />
ßig 2009; Imhof 2006; Mayntz 1997; klassisch Elias 1976; für eine Zusammenschau<br />
verschiedener theoretischer Modellierungen Zapf 1969). Differenzierungstheoretisch<br />
orientierte Gesellschaftsbeschreibungen aber stellen, insbesondere wenn system-<br />
theoretisch argumentiert wird, Evolution <strong>im</strong> Verständnis weiterer Ausdifferenzierun-<br />
gen eher in einen intrasystemischen Zusammenhang. Beobachtungen von Grenz-<br />
dynamiken in infolge gezielter Penetration, aber auch transintentionaler Verhältnis-<br />
best<strong>im</strong>mungen, fallen aufgrund des theoretischen Postulats der intersystemischen<br />
Unansprechbarkeit aus dem Blick.<br />
Auch mit der vorliegenden Arbeit kann eine dezidierte und vor allem auf Prozessver-<br />
läufe abstellende Aufarbeitung von Wandlungserscheinungen und Neukonfiguratio-<br />
nen in Form einer soziologischen Erklärung nicht geleistet werden. Ein solches Vor-<br />
gehen müsste dem Anspruch genügen, etwaige Wandlungsprozesse systematisch<br />
als Genese und Abfolge best<strong>im</strong>mter Sequenzen der Änderung gesellschaftlicher<br />
Strukturen zu erfassen (Esser 2000, 329). Im Bewusstsein, dass ein solches Unter-<br />
fangen für den hier diskutierten Fall überaus erstrebenswert erscheint und weitere<br />
Forschungsperspektiven offenbart, möchte diese Arbeit zunächst in nachvollziehba-<br />
rer Weise die Berechtigung der Annahme eines gesellschaftlichen Phänomens der<br />
jüngeren Gesellschaftsgeschichte fundieren, welches schon seinem terminologi-<br />
schen Bedeutungsgehalt zufolge auf bereichsübergreifende Angleichungs- oder gar<br />
Synchronisationserscheinungen hinweist.
42 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
Wie <strong>im</strong> einleitenden Teil dieser Arbeit schon angekündigt, soll geklärt werden, ob<br />
und in welchen potentiellen Manifestationen sich die Unterstellung einer<br />
Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s auf Grundlage des voranstehend ausgebreiteten<br />
theoretischen Begriffsrahmens bewähren kann. Dieser eröffnet eine Vorstellung von<br />
Gesellschaft, die sich durch die Auffächerung unterscheidbarer Konstituenzien mit<br />
divergenten Logikdefinitionen und kommunikativen Praxen auszeichnet. Gesell-<br />
schaftsdiagnostische Etikettierungen wie „Verwissenschaftlichung“ 67 (Hilgert/Werron<br />
2010), „Politisierung“ (Greven 2009, 105 ff.; für die Schule in der ehemaligen DDR<br />
siehe Tenorth/Kudella/Paetz 1996), „Bürokratisierung“ (Jacoby 1969) oder „Ver-<br />
rechtlichung“ (Kübler 1985) weisen demgegenüber auf tendenziell dekonstruktiv<br />
oder integrierend wirkende Vorgänge, je nach Anschauung, in den Ausprägungen<br />
von Verschiebung, Überlagerung oder Verdrängung hin. 68 Von Differenzierungsthe-<br />
oretikern wird für den Extremfall sozialer Strukturverschiebung der Begriff Entdiffe-<br />
renzierung verwendet (Buß/Schöps 1979), Tilly (1972, 113ff.) gebraucht für den Fall<br />
einer Rückentwicklung den Begriff der Devolution. Alltagserfahrungen sowie wis-<br />
senschaftliche Ausarbeitungen (Amiri 2007; Sch<strong>im</strong>ank 2007b) nähren den Eindruck,<br />
dass auf gesellschaftliche Funktionen bezogene sinnstiftende Grenzziehungen ei-<br />
nen Bedeutungsverlust erfahren. Akteurtheoretisch betrachtet <strong>im</strong>plizieren derartige<br />
Geschehnisse Strukturdynamiken, die unter anderem auf Autoritätseinbußen, neu-<br />
artigen Verteilungen von Macht und Deutungshoheit, Isomorphiebestrebungen (Di-<br />
Maggio/Powell 1983) oder auch, als Positivselektion, in das teilsystemische und<br />
damit gesamtgesellschaftliche Leistungs- und Versorgungsniveau anhebenden,<br />
sozialen und technologischen Innovationen (Aderhold/John 2005; Howaldt/Schwarz<br />
2010; Braun-Thürmann/John 2010) zurückzuführen sind. Auf die anzunehmenden<br />
Ausgangspunkte, Kräftefelder und Diffusionsbahnen, die katalysierend auf Verände-<br />
rungen und Neuformierungen einwirken, wird <strong>im</strong> weiteren Verlauf nur punktuell ein-<br />
gegangen, <strong>im</strong>mer daran gemessen, ob es den Analysefortgang argumentativ anzu-<br />
reichern vermag.<br />
Um das theoretisch-begriffliche Analyseset für den hier behandelten Gegenstands-<br />
bereich weiter zu präzisieren, bedarf es der Konkretisierung für die Verwendung der<br />
67 Divergierende Akzentuierungen der Wissensgesellschaft, die als ideeller Beschreibungsrahmen für<br />
Anzeichnen von Verwissenschaftlichung fungiert, finden sich bei Bell (1973) und Gibbons et al. (1994),<br />
weniger für eine best<strong>im</strong>mte Anschauung plädierend als die Ursachen und Konsequenzen reflektierend<br />
behandelt Stehr (1994) die Thematik.<br />
68 Ob diesen, insbesondere in populär-akademischen und massenmedialen Kontexten reproduzierten<br />
und <strong>im</strong> Gesellschaftsbewusstsein sed<strong>im</strong>entierten, unterstellten Phänomenen Evidenz zugeschrieben<br />
werden kann oder sie nur axiomatisch fortbestehen, ist meines Wissens nach nicht empirisch nachgewiesen<br />
worden.
43 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
Kategorie Ökonomisierung. 69 In einem ersten Schritt werden zu diesem Zwecke<br />
begriffliche Abgrenzungen vorgenommen. Daran anknüpfend folgt eine Rezeption<br />
neuerer und Diskursbeiträge der Sozialwissenschaften zu Fragen der Eingrenzung<br />
und Haltbarkeit von Ökonomisierung. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird der<br />
Versuch unternommen, die vorgestellten Ökonomisierungsmodelle gebündelt in den<br />
gesellschaftstheoretischen Rahmen einzuordnen.<br />
3.1 Beschreibungen <strong>im</strong> Überblick<br />
Um der Gefahr des willkürlichen Aufspürens von Ökonomisierungserscheinungen<br />
vorzubeugen, steht zu Anfang der Versuch, eine aus der gängigen fachinternen<br />
Literatur und in den verschiedenen Systemsprachen verfassten medial zugängli-<br />
chen Artefakten herausgefilterte Sammlung semantisch ähnlicher Termini so vonei-<br />
nander zu trennen, dass Mehrdeutigkeiten vermieden werden oder aber bewusst<br />
eingebaut werden können. Soll zulässigerweise <strong>im</strong> weiteren Verlauf dieser Arbeit<br />
von Ökonomisierung und sich fortschreibenden ökonomisierenden Tendenzen die<br />
Rede sein, ist vorab dazulegen, worin die charakteristischen Merkmale dieses Be-<br />
griffs gegenüber anderen Ausdrücken wie Kommerzialisierung, Kommodifizierung,<br />
Verbetriebwirtschaftlichung, Managerialisierung, oder Landnahme zu sehen sind<br />
oder ob sich aber begriffliche Ausdifferenzierungen bewähren, um ein und dasselbe<br />
Ereignis mehrd<strong>im</strong>ensional zu beleuchten.<br />
Ökonomisierung bezeichnet eine Prozesskategorie, die ihren Referenzpunkt <strong>im</strong> Sys-<br />
tem der Ökonomie zu haben scheint. Beschreibt man mit Luhmann (1988, 52) das<br />
Wirtschaftssystem über den »unit act der Zahlung, so liegt in der Anbetracht eines<br />
Verständnisses von Ökonomisierung <strong>im</strong> Sinne einer kommunikativen Ausdehnung<br />
des Annahmebereichs des Unterscheidungsmodus‘ Zahlung/Nicht-Zahlung die Zu-<br />
grundelegung des Terminus Landnahme nahe. Der <strong>im</strong> jüngeren soziologischen An-<br />
satz einer Wiederbelebung der kritischen deutschen Soziologie von Dörre (2009,<br />
37) prominent platzierte Begriff meint die „Expansion der kapitalistischen Produkti-<br />
onsweise nach innen und außen.“ Es geht also <strong>im</strong> Kern um die Bezeichnung der<br />
scheinbar unendlichen und irreversiblen Vergesellschaftung sozialer Räume unter<br />
das Reg<strong>im</strong>e des Kapitalismus mit dem Ziel „der Profitmax<strong>im</strong>ierung, der Mehrung<br />
des erneut investierten Kapitals“ (Dörre 2009, 31). Leistungsproduktionen unterlie-<br />
gen fortan der Max<strong>im</strong>e der Akkumulation von geldwertigen Tauschmitteln, werden in<br />
den landgenommenen Gesellschaftsbereichen nicht mehr pr<strong>im</strong>är am geäußerten<br />
69 Diese These legt der Titel „Ökonomisierung der Gesellschaft“ eines Aufsatzes von<br />
Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann (2008) oder der des Buches „Die Ökonomisierung der Gesellschaft“ von Krönig<br />
(2007) nahe.
44 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
oder Bedarf orientiert (Heinrich 2005, 15f.), sondern haften dem Zweck der Produk-<br />
tion von Mehrwert an. Damit geht wechselseitig einher, dass auch die abverlangten<br />
und intersubjektiv goutierten Handlungsmotive der individuellen wie kollektiven Ein-<br />
heiten der vormals nicht <strong>im</strong> Zahlungsmodus operierenden Leistungsbereiche neu<br />
konfiguriert werden. Die formale und reale Subsumtion (Hardt/Negri 2003) bedingt<br />
und setzt ökonomie- bzw. kapitalismusspezifische Präferenzen und<br />
Handlungsorientierunten, etwa die Erwerbsgesinnung unter Konkurrenzbedingun-<br />
gen, voraus (Willke 2006, 140 ff.). Hier wird also nicht allein die Diffusion wirtschaft-<br />
licher Kommunikationsmuster angesprochen. Vielmehr ist die gilt als das entschei-<br />
dende Kennzeichen der Landnahmen die Hinwendung zum Letztziel der Kapital-<br />
mehrung.<br />
Eine ökonomische Erschließung ehemals kapitalistischen Brachlandes firmiert <strong>im</strong><br />
wissenschaftlichen Sprachgebrauch auch unter dem Titel Kommodifizierung, au-<br />
ßerwissenschaftlich sicher eher als Kommerzialisierung 70 geläufig. Der Begriff geht<br />
auf Polanyi (1978) zurück. Er „meint die Transformation von Gütern, aber auch von<br />
Organismen und Ideen in Waren. Kommodifizierung ist somit ein Prozeß der Aus-<br />
breitung der Warenwirtschaft und der zunehmenden Integration von Individuen und<br />
Gruppen in Geldwirtschaft (Monetarisierung) und Marktökonomie (Kommerzialisie-<br />
rung).“ 71 Vor allem die Übertragung des Marktmechanismus‘ auf alle möglichen ge-<br />
sellschaftlichen Felder und Elemente (menschliche Arbeitskraft, Boden, Geld), die<br />
<strong>im</strong> Gewand einer „Warenfiktion“ kommodifiziert werden, steht für Polanyi <strong>im</strong> Fokus.<br />
In seinen expandierenden Suchbewegungen modelliert der (ökonomische) Markt<br />
jedwede gesellschaftlichen Organisationsprinzipien in der Art, dass „keine Vorkeh-<br />
rungen oder Verhaltensweisen zugelassen werden dürfen, die das Funktionieren<br />
des Marktmechanismus <strong>im</strong> Sinne der Warenfiktion verhindern.“ (Polanyi 1978,<br />
108) 72 Bremsende oder hemmende Institutionen müssen demnach beseitigt bzw.<br />
umfunktioniert werden, was dann perspektivisch die Umstellung alternativer gesell-<br />
schaftlicher Zugriffsweisen auf eine Art funktionaler Gleichschaltung bedeutet. Eine<br />
entscheidende Rolle wird hierbei den staatlichen Interventionssystemen zugespro-<br />
chen (Dörre 2009, 44; auch Willke 1999).<br />
Die sozialen Objekte von Reg<strong>im</strong>eentwicklungen der beschriebenen Art liegen be-<br />
vorzugt auf der Ebene organisationaler Systeme, legt man ein Verständnis zugrun-<br />
de, dass sie durch ihre überindividuelle und korporative Form (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 327<br />
70<br />
Einen Beitrag zur Unterscheidung der beiden Begriffe liefert das nachfolgende Zitat.<br />
71<br />
Definition von Jürg Helbling unter http://www.unilu.ch/files/kommodifizierung.pdf (10.07.2012,<br />
11:52h)<br />
72<br />
Hier wären sicherlich konfliktsoziologische Analysen anschlussfähig.
45 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
ff.; Geser 1990) als „Interessendurchsetzungsagenturen“ (Drepper 2003, 202) mit<br />
„externer Kommunikationsfähigkeit“ (Luhmann 1997, 843; auch Scharpf 1989) be-<br />
schreibt. In ihrer Charakteristik als soziale Rahmungen (Luhmann 2005) sind diese<br />
strukturierten Ordnungen aufgrund ihrer hochgestellten Rationalitätsansprüche und<br />
ihres vergleichsweise hohen Formalisierungsgrades wirksam in Hinblick auf die<br />
Konditionierung sozialer Handlungen und damit einhergehend auf die Erwartbarkeit<br />
von zweck- und zielgemäßen Leistungsentäußerungen (Sch<strong>im</strong>ank 2005; Scott<br />
1986; Türk 1995; Bruch/Türk 2005). Gerade zu Fragen der rationalen Gestaltung<br />
von Organisationen verfügt die Wirtschaft offenbar über eine gewisse Autorität<br />
(Meier 2012, 185). Auf dieser Strukturebene sind <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> dann<br />
vielmehr als Verbetriebswirtschaftlichung (Möhring-Hesse 2008) bzw. als<br />
Managerialisierung 73 (Heinze 2009, 37) der Einzelorganisation zu begreifen. Eine<br />
nach betriebswirtschaftlichen Prämissen geführte Organisationseinheit richtet die<br />
Steuerung der einzelnen Teilprozesse wie Planung, Personalauswahl und Kontrolle<br />
zur Transformation eines möglichst min<strong>im</strong>alen Inputs in einen möglichst max<strong>im</strong>alen<br />
Output <strong>im</strong>mer am Prinzip opt<strong>im</strong>aler Effizienz aus. Übertragen auf korporative Kollek-<br />
tive außerhalb des marktwirtschaftlichen organisierten Profitbereichs kann<br />
Verbetriebswirtschaftlichung zum einen den Veränderungsprozess hin zur Umset-<br />
zung der Konzeption eines Betriebes bedeuten, zum anderen kann der Begriff auch<br />
eine veränderte Fremd- und Selbstwahrnehmung bezeichnen, was einhergeht mit<br />
einem veränderten (normativen) Deutungsrahmen (Möhring-Hesse 2008, 143 f.).<br />
Dieser gerade für viele nicht-kommerzielle Organisationstypen beschriebene Umbau<br />
(Bode 2010; Hasse 2010; Richter 2009) wird häufig in Verbindung gebracht mit<br />
makrostrukturellen Orientierungswechseln. Einen solchen markiert die prominent<br />
gewordene Reformbewegung des New Public Management (NPM), in Deutschland<br />
auch unter Neues Steuerungsmodell (NSM) (Bogumil 2004; Jann 2005) geführt.<br />
(Teil-)Privatisierung (z.B. Kämmerer 2001; Strünck/Heinze 2005), Neuregulierung<br />
und Dezentralisierung des Institutionenapparats staatlich getragener oder mitfinan-<br />
zierter Teilbereiche sind zentrale Merkmalskategorien des NPM. Die Verbreitung der<br />
mit NPM assoziierten und auf verschiedenen Ebenen (System, Organisation, Per-<br />
sonal) ansetzenden Reformstrategien wurde geleitet von einer betriebswirtschaftli-<br />
chen Interpretation des Verwaltungshandelns: „In diesem Zusammenhang wird da-<br />
her häufig auch von einer ‚Mikroökonomisierung‘ öffentlicher Verwaltung gespro-<br />
73 Wobei Heinze (2009,. 37) in Bezug auf jüngere Hochschulreformen mit dem Begriff der<br />
„Managerialisierung“ weiter gefasst die Akzentverlagerungen in der Kombination von Governance-<br />
Reg<strong>im</strong>en meint und explizit die Transformation des Selbstverwaltungsmodells hin zum Managementmodell<br />
in der Governance des deutschen <strong>Universität</strong>ssystems anspricht. Im Kern aber betrifft diese<br />
Umstellung die einzelne Organisationseinheit, worauf die charakteristischen Mechanismen administrativer<br />
Selbststeuerung, Außensteuerung durch externe Stakeholder und Wettbewerb hindeuten.
46 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
chen.“ (Schröter/Wollmann 2005, 63). Power (1999) gebraucht zur Kennzeichnung<br />
dieses rahmenden Zeitgeistes und Organisationsverständnisses die Formel „Audit<br />
Society“. Damit lokalisiert er „gerade auch das NPM durchziehende Leitmotiv der<br />
Rechtfertigung und Legit<strong>im</strong>ierung von öffentlichen (und anderen) Dienstleistungen<br />
und Produkten durch quantitative Verbesserung und anschließende Bewertung in<br />
einem Strukturwandel der Legit<strong>im</strong>ation und des Vertrauens.“ (Lange 2008, 240). Für<br />
Organisationseinheiten, die ihrer genuinen Operationslogik folgend ursprünglich<br />
nicht dem wirtschaftlichen Funktionssystem zuzuordnen sind, bedeutet das, insbe-<br />
sondere in den staatsnahen Sektoren, die Konfrontation mit fremden Formen der<br />
Selbstorganisation, Ergebnisrückmeldung und intersystemischen Handlungskoordi-<br />
nation in den Verhältnissen komplexer sozialer Systeme „als<br />
Mehrebenenphänomen“ (Altrichter/Maag Merk 2010, 24 f.; Benz 2004). In einer<br />
funktional differenzierten Gesellschaft nötigen diese, dem Programm des NPM zu-<br />
zuordnenden, eingesetzten Instrumente der Leistungssteuerung unter neuen Vor-<br />
zeichen den Akteuren Fähigkeiten zur Umstellung ihrer vormals eigentümlichen Ver-<br />
fahrenstyps der Leistungserfassung oder auch Kompetenzen zur „Verfahrensver-<br />
knüpfung“ (Luhmann 1983, 246) bezüglich der Sicherstellung kommunikativer An-<br />
schlüsse ab. In der Art eines Logiktransfers sind die individuellen wie kollektiven<br />
Akteure staatlicher bzw. staatsnaher Dienstleistungserbringer fortan dazu angehal-<br />
ten, in einer Umgebung der „scheinbar sicheren Welt der Leistungskennziffern und<br />
Indikatoren“ (Lange 2008, 240) sich, in Addition zu ihren eigentlichen Funktionen,<br />
einer effizienteren und effektiven Aufgabenerfüllung (Franke 2006) , teilweise auch<br />
unter der Auflage der Verfolgung von Wirtschaftlichkeitssteigerungen (Dahm 2004),<br />
zu verschreiben. Dass formale Organisationen verstärkt als Orte der Ein- und<br />
Durchsetzung wirtschaftlicher Prämissen fokussiert wurden und werden liegt zum<br />
einen in ihrer Eigenart als „Multireferenten“ (Bode/Brose 2001), aber auch darin,<br />
dass Organisationen die adäquate Sozialform des Kapitals (Türk 1995, 41) sind, sie<br />
also durch ihre organisationsstrukturelle Verfassung ansprechbar für das Kommuni-<br />
kationsmedium Geld sind. 74 Damit ist noch nicht gesagt, dass zwangsläufig jede<br />
Organisation nun aktiv in die monetären Durchlaufsschleifen eingebunden sein<br />
muss. Pr<strong>im</strong>är stellt das NPM auf institutionelle Umstellungen ab, die insbesondere in<br />
mit der sogenannten Kostenkrankheit (Baumol 1967) konfrontierten Gesellschafts-<br />
bereichen 75 auf sowohl effiziente wie effektive Aufgabenvollzüge abzielen und dabei<br />
dem Anspruch nach alle Sozialebenen betreffen.<br />
74 Siehe hierzu in ausführlicherer Form weiter unten.<br />
75 In der Baumol’schen Terminologie werden hierunter Typen ökonomischer Aktivitäten gefasst, „which,<br />
by their very nature, permit only sporadic increases in produktivity.“ (Baumol 1967, 416) Vornehmlich
47 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
Allerdings lassen sich auf dieser Grundlage die Kosten-Nutzen-Relationen hinsicht-<br />
lich der Leistungserstellungsprozesse von externen Parteien bemessen. Um den<br />
Ansprüchen nach Transparenz und Rechtfertigung öffentlicher Dienstleistungen<br />
nachzukommen, müssen darauf abzielende Technologien bedient werden. Potenti-<br />
ell dysfunktional kann die Einführung einer solchen „zweiten Organisationswirklich-<br />
keit“ dahingehend sein, als das die zusätzlichen institutionell stabilisierten Anforde-<br />
rungen spannungsreich mit anderen Organisationslogiken vermittelt sind.“ (Bode<br />
2010, 75). In der Nutzend<strong>im</strong>ension sollen Organisationen nämlich weiterhin anhand<br />
ihrer „ersten“ Logik operieren, da die Nachfrage nach dem Output der spezifischen<br />
Leistungserbringung bestehen bleibt.<br />
Die selektiv herausgegriffenen Begriffe bzw. Konzepte sprechen je für sich ver-<br />
schiedene Ebenen des Sozialen an und fokussieren unterschiedliche Gegenstände<br />
gesellschaftlicher Wandlungen. Allen gemein ist, dass ihnen, zumindest <strong>im</strong>plizit,<br />
Modelle von Prozessen zugrunde liegen. Die Begriffe selbst verweisen jeweils auf<br />
spezifische Output-Strukturen, die infolge best<strong>im</strong>mter Konfigurationen von Parame-<br />
tern und Prozessen entstehen (Hernes 1995, 94 ff.). Zudem ist gedankenexperi-<br />
mentell für jedes dieser Konzepte zu unterstellen, in einem notwendigen bis losen<br />
Zusammenhang zu einem umfassenderen Modell von mit der Ökonomie konnotier-<br />
ten Zugriffen zu stehen. Um diesen Verdacht zu stützen, werden <strong>im</strong> nächsten Un-<br />
terkapitel Ansätze zur Erfassung von <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> vorgestellt, die<br />
eine Folie bieten sollen, die verschiedenen Begrifflichkeiten und Zugänge anschlie-<br />
ßend zu einem Gesamtbündel von Ökonomisierungserscheinungen zu verknüpfen.<br />
3.2 Ökonomisierung der Gesellschaft – Analyseansätze und Mehrd<strong>im</strong>ensiona-<br />
lität<br />
Die voranstehend ins Feld geführten Begriffe verweisen allesamt auf Muster von<br />
gesellschaftlichen Erscheinungen, welches je für sich in eigentümlicher Art und<br />
Weise mit dem Wirtschaftssystem an sich oder best<strong>im</strong>mten Merkmalen desselbigen<br />
verbunden scheint. Diese Einzelkonzepte werden nachfolgend als<br />
phänomenspezifische Elemente in einen Ansatz höheren Abstraktionsgrades auf-<br />
genommen, der bezogen auf das schematische Konstrukt und den Begriff der<br />
Ökonomisierung gleichsam den Ansprüchen eines breiten Analysehorizonts sowie<br />
der hinreichenden Trennschärfe nachzukommen vermag. Auch aufgrund der theore-<br />
tischen Nähe zur differenzierungstheoretischen Betrachtung von Gesellschaft bilden<br />
sind hiermit Tätigkeiten außerhalb des industriellen Produktionssektors, speziell Dienstleistungen,<br />
gemeint.
48 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
die Ökonomisieerungsvorstellungen von Sch<strong>im</strong>ank 76 die hauptsächlichen Bezugs-<br />
punkte, ergänzt um weitere erkenntniserweiternde Perspektiven.<br />
Die begriffliche Form von Ökonomisierung suggeriert ein Subjekt-Objekt-Schema,<br />
welches mit Zuschreibungen von Vorsatz, Zugriffschancen und Aktivität operiert.<br />
Damit wird ein solcher Prozess oftmals <strong>im</strong>plizit auf intentionale Handlungen sozialer<br />
Einheiten, bevorzugt von Kollektiven, abgestellt. Bezeichnungen wie „feindliche<br />
Übernahmen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007b), „Intrusion“ (Bourdieu 1998) oder „intersystemische<br />
Beeinflussungen“ (Bergmann 2010) protegieren solche Vorstellungen von Agenten<br />
des wirtschaftlichen Systems, die quasi als „aggressive Okkupatoren“ weitere Ge-<br />
sellschaftsteile kolonialisieren wollen, was quasi zwangsläufig einen gewissen Grad<br />
struktureller bzw. strukturlogischer Ass<strong>im</strong>ilation zur Folge haben wird.<br />
Gleichwenn eine solche Lesart von Ökonomisierungsgeschehnissen sicherlich ihre<br />
Berechtigung hat 77 , sollen für diese Arbeit zusätzlich nüchterne Betrachtungsweisen<br />
herangezogen werden. Hilfreich sind für diesen Zweck Definitionsangebote, die eine<br />
wertfreie Vorstellung über die Eigenschaften und betroffenen Ebenen von<br />
Ökonomisierung(en) vermitteln. Jarren (1998, 78) beispielsweise versteht darunter<br />
„die Ausweitung des ökonomischen Systems auf Felder, die vorher anderen Sys-<br />
tem<strong>im</strong>perativen unterlagen“. Damit gibt er sicher einen fundamentalen Hinweis für<br />
die begriffliche Erschließung des unterstellten Phänomens, jedoch bleibt diese Dar-<br />
stellung des Vorgangs sowohl in der Reichweite als auch Spezifik allzu unterentwi-<br />
ckelt. Schon umfassender, in martialischem Ausdruck, meint Altvater (1996, 33)<br />
damit die „Unterwerfung sozialer, politischer und natürlicher Verhältnisse unter das<br />
ökonomische Prinzip.“ Dass Ökonomisierung aber nicht singulär und zwangsläufig<br />
auf „das Andere“ (Lederle 2008) gerichtet sein muss, wie es die Jarren und Altvater<br />
behaupten, stellen Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann (2008) fest. Sie bieten ein Verständnis an,<br />
welches Ökonomisierungsprozesse sowohl <strong>im</strong> Wirtschaftssystem selbst 78 wie auch<br />
gleichsam in, ihren Funktionen und Programmausstattungen nach, nicht-<br />
ökonomischen Gesellschaftsbereichen verortet. 79 Hinreichend abstrakt und ohne<br />
jedwede „Raummetaphorik“ (Krönig 2007, 13) bezeichnet Ökonomisierung für sie<br />
„einen Vorgang, durch den Strukturen, Prozesse, Orientierungen und Effekte, die<br />
man gemeinhin mit einer modernen kapitalistischen Wirtschaft verbindet, gesell-<br />
schaftlich wirkungsmächtiger werden.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 382) Obwohl<br />
76 Bzw. von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008).<br />
77 Siehe dazu weiter oben die Darlegungen zur Landnahme-These von Dörre.<br />
78 Verstanden als „weitere Entbettung des Gewinnmotivs aus nicht-ökonomischen Rücksichten.“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2008, 622 ). Eine Darstellung zur neuen „Unmittelbarkeit des Kapitalismus“ sich verstärkender<br />
Ökonomisierung auf Individualebene bietet Sauer (2008).<br />
79 Die zweite Perspektive ist die für diese Arbeit Interessierende.
49 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
diese Begriffsbest<strong>im</strong>mung zweifellos einige Unschärfen 80 aufweist und Fragen offen<br />
lässt, wird sie zunächst als globale Min<strong>im</strong>aldefinition von gesellschaftlicher<br />
Ökonomisierung aufgenommen, zumal angesichts Sch<strong>im</strong>anks Selbstpositionierung<br />
als „Differenzierungstheoretiker“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 193) eine Idee gesellschaftlicher<br />
Struktur vorliegt.<br />
Aufbauend auf verschiedenen gesellschafts- und sozialtheoretische Rahmungen,<br />
namentlich der differenzierungstheoretischen Perspektive, feldtheoretischen Ein-<br />
sichten <strong>im</strong> Anschluss an Bourdieu, organisationssoziologischen sowie handlungs-<br />
theoretischen Konzepten, entwerfen Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann ein umfassendes<br />
Schema gesellschaftlicher Ökonomisierung, für deren Identifizierung sie auf allen<br />
drei Ebenen des Sozialen (Makro, Meso, Mikro) Heuristiken bereithalten, anhand<br />
derer Aussagen über Ausprägungen und Erscheinungsformen veränderter Konditio-<br />
nierungsregeln sowie Wahrnehmungs- und Handlungsprinzipien getroffen werden<br />
können.<br />
3.2.1 Makro-Ebene<br />
Die Beobachtung der gesellschaftlichen Makro-Ebene orientiert sich kohärent am<br />
Bild der funktional differenzierten Gesellschaft. 81 Im Rekurs auf die feldtheoretischen<br />
Analysen Bourdieus (z.B. 1999) wird für jedes einzelne Funktionssystem ein Span-<br />
nungsverhältnis zwischen einem autonomen und einem weltlichen Pol angenom-<br />
men. Damit wird, anders als in der systemtheoretischen Differenzierungstheorie<br />
Luhmanns, behauptet, dass innerhalb eines Funktionssystems mehrere Logiken<br />
nebeneinander existieren, wobei der systemspezifische Code die Leitorientierung<br />
für die funktionsgemäß agierenden sozialen Einheiten darstellt und das einzelne<br />
System basal konstituiert. Beobachtet und Bewertet der das Teilsystem reproduzie-<br />
rende Akteur die Welt bzw. den betreffenden gesellschaftlichen Teilausschnitt strikt<br />
<strong>im</strong> Lichte eines einzelnen Differenzierungsschemas und richtet er dementsprechend<br />
alle seine Handlungsvollzüge allein nach der Prämisse aus, ob damit genau „das<br />
eine“ gesellschaftliche Bezugsproblem fokussiert und bearbeitet wird, ist er max<strong>im</strong>al<br />
dem autonomen Pol des System zugewandt. Prinzipiell sind aber auch Bewegungen<br />
in die entgegengesetzte Richtung denkbar, etwa wenn Leistungsrollenträger nicht<br />
mehr rigoros nach Maßgabe der Funktionserfüllung operieren, sondern diese in mul-<br />
tiple kontextualisierte Überlegungen einbetten. Demnach „lassen sich somit Berei-<br />
80 Etwa bleibt dem einzelnen Gesellschaftsbeobachter selbst überlassen, was er „gemeinhin“ mit der<br />
kapitalistischen Wirtschaft verbindet. Somit benötigt es ein einigermaßen gefestigtes Vorverständnis<br />
über die Wirtschaftsordnung des Kapitalismus, um sich innerhalb des weiten Interpretationsspielraumes<br />
zu verschaffen. Weiterhin muss gefragt werden, wie die Fokussierung auf eben diese Wirtschaftsordnung<br />
begründet ist. Unklar bleibt zunächst zudem, wie sich die „Wirkungsmächtigkeit“ in diesem<br />
Kontext fassen ließe.<br />
81 Was die beiden Autoren, anders als die zuvor angeführten Jarren und Altvater, kenntlich machen.
50 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
che teilsystemischer Leistungsproduktion danach unterscheiden, inwieweit das<br />
Handeln der Akteure der <strong>im</strong> binären Code des Teilsystems festgeschriebenen auto-<br />
nomen Logik folgt und inwieweit es durch den teilsystemexterne ökonomische Logik<br />
geprägt ist.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 384) Der Test für das Ausmaß an ökono-<br />
mischer Sinnsetzung ist dann ganz grob nach dem Kriterium anzusetzen, welche<br />
Prägekraft die Selbstreferenz des Systems gegenüber anderen Fremdreferenzen<br />
noch besitzt, ob also der binäre Codierung weiterhin der Pr<strong>im</strong>at für den Zugriff auf<br />
die Gesellschaft zugesprochen werden kann.<br />
Differenzierungstheoretisch besehen sind drei Zugriffspunkte zu unterscheiden,<br />
über die wirtschaftliche Orientierungen als Autonomie reduzierende bzw., um mit<br />
der konträren Perspektive die Werturteilsfreiheit zu bewahren, als die das betreffen-<br />
de Funktionssystem für weltliche Anschlüsse und Reize empfänglich zu haltende<br />
Mechanismen Zugang finden können. Die in der funktionalen Differenzstruktur der<br />
modernen Gesellschaft verfügbaren Kanäle für zwischensystemische Grenzüber-<br />
schreitungen sind namentlich Ressourcen, Programme (als Input-Kategorien) und<br />
max<strong>im</strong>alst die binären Codierungen, womit sogleich eine graduelle Fassung syste-<br />
mischer Autonomie, „in dem Autonomieeinbußen erst einmal als Einschränkung des<br />
gemäß der eigenen Logik Möglichen registriert werden“, geboten ist (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2006, 76 ff.).<br />
Wie oben zur Frage der Realisierungsbedingungen von Integration in einer<br />
polykontexturalen Gesellschaft erläutert wurde, wird Ordnung auf der makrosozialen<br />
Gesellschaftsebene über die Konstruktion vielfältiger System-zu-System-<br />
Beziehungen hergestellt bzw. als solche sichtbar. Um der, infolge der leistungsmä-<br />
ßigen Exklusivstellungen der einzelnen Funktionssysteme und der daran anschlie-<br />
ßenden Unmöglichkeit der Substituierung, dem Gesamtsystem inhärenten Fragilität<br />
(Luhmann 2008, 206) zu begegnen, sind Leistungsabhängigkeiten und Leistungsbe-<br />
reitschaften mittels struktureller Einrichtungen präventiv auf Dauer zu stellen, um<br />
Versorgungsabbrüche, die auf ein Worst-Case-Szenario des Implodierens der Aus-<br />
tauschzusammenhänge hinauslaufen können, zu verhindern. Aufgrund der Fixie-<br />
rung auf best<strong>im</strong>mte Beobachtungs- und Produktionsarten sind die einzelnen Funkti-<br />
onssysteme bzw. vielmehr ihre Handlungseinheiten unweigerlich in Verflechtungen<br />
ressourcieller Abhängigkeiten eingebunden. Sind Knappheiten als Manifestierungen<br />
von Belastungen zwischen den Teilsystemen abzusehen oder gar schon erfahrbar,<br />
etwa in Form finanzieller Unterausstattungen, oder aber wird versucht, finanzielle<br />
Überschüsse, die beispielsweise von Seiten des staatlichen Haushalts als zweck-<br />
gebundene Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, zu beanspruchen, werden,<br />
idealtypisch gedacht, Aktivitäten unternommen, sich diese Ressourcen einzuverlei-
51 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
ben. Andererseits ist es etwa Akteuren des Wirtschaftssystems in Absehung wie<br />
auch <strong>im</strong>mer gearteter Vorteile ein Anliegen, sich an der Finanzierung best<strong>im</strong>mter<br />
öffentlicher oder privater Güter zu beteiligen. Werden etwa kommunale Dienstleis-<br />
tungen privatisiert 82 (Wohlfahrt 2011) bzw. werden private Unternehmen an der<br />
Leistungserbringung der öffentlichen Hand beteiligt (Strünck/Heinze 2005), oder<br />
dienen Leistungsbereiche wie die Wissenschaft oder das Bildungswesen<br />
(Hüther/Werner 2010) als Plattformen für Investitionen, führt das potentiell zu lang-<br />
fristig wirkenden Abhängigkeiten und Chancen der Einflussnahme, da Fremdfinan-<br />
zierungen, etwa in der Interpretation selbstverständlicher Komponenten, die Erwar-<br />
tungsstrukturen eines System mitformen und Interdependenzen auf Dauer gestellt<br />
werden können.<br />
Weiterhin kann die Durchdringung eines Teilsystems auf der Ebene der Programm-<br />
strukturen geschehen, also in der Ansammlung von Regeln, Verfahren und Rollen-<br />
zuschreibungen, die als Betriebsgrundlage für die den System-Code reproduzieren-<br />
den Entscheidungen zur Verfügung stehen und ihrem Charakter nach<br />
transformierbar sind (Luhmann 1997, 362). Neben den Phänomenen der „Ver-<br />
rechtlichung“ bzw. „Verwissenschaftlichgung“ weiter Teile der Gesellschaft<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2006, 78) wird als Hinweis für die Verbreitung ökonomischer Betriebs-<br />
muster vielerorts das prominente Beispiel des international erfolgreich diffundieren-<br />
den und auf isomorphe Generalzustände (DiMaggio/ Powell 1983) hindeutenden<br />
Modells des „New Public Management“ (NPM) 83 angebracht, welches in den öffent-<br />
lichen Verwaltungen und staatsnahen Sektoren vieler westlicher Länder sein den<br />
1980er Jahren eine massive Veränderung des Governance-Reg<strong>im</strong>es kennzeichnet<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2008, 624). NPM ist weniger ein in sich konsistentes Konzept als ein „set<br />
of ideas“ (Hartley 2003), welches grundsätzlich die Anwendung von Instrumenten<br />
und Prinzipien propagiert, die ihren Ursprung in den Wirtschaftswissenschaften ha-<br />
ben und auf weitere Bereiche übertragen werden (Brückner/Tarazona 2010, 83).<br />
Das Steuerungsmodell wird dementsprechend auch, häufig mit pejorativer Stoßrich-<br />
tung, als „das zentrale Element der neoliberalen Regierungskunst“ (Münch 2009,<br />
74) bezeichnet, die auf eine Reduktion und Konditionierung der Programmstrukturen<br />
hinwirkt. Auch <strong>im</strong> Bereich des Schulwesens werden Elemente, die mit diesem Pro-<br />
gramm <strong>im</strong> Zusammenhang zu stehen scheinen, wie Globalbudgets auf Einzelschul-<br />
ebene, indikatorenbasierte Mittelzuweisung oder auch Leistungslöhne für Lehrkräfte<br />
praktiziert und diskutiert (Dubs 1996; Brückner/Tarazona 2010). Das Bestreben,<br />
82<br />
Zur Einführung in die Diskussion um die „Gefahren und Grenzen der Privatisierung“, siehe Heinze<br />
(2009, 39 ff.)<br />
83<br />
Zu den grundlegenden Ideen des NPM siehe weiter oben. An dieser Stelle werden konkrete Instrumente<br />
am Beispiel des Schulwesens und seiner Programmstrukturen vorgestellt.
52 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
gesamte Systeme auf Prinzipien des NPM umzustellen, etwa durch die Einrichtung<br />
von Quasi-Märkten als institutionelle Form der Ökonomisierung (Nullmeier 2001),<br />
kann unter der Berücksichtigung einer Mehrebenenperspektive, die auf verschiede-<br />
ne Handlungslogiken der <strong>im</strong> System agierenden Einheiten verweist (Brüsemeister<br />
2007, 63 ff.), als Versuch gewertet werden, „unterschiedliche System- bzw.<br />
Akteursrationalitäten unter einer gemeinsamen Systemrationalität zu vereinigen.“<br />
(Berkemeyer 2010, 92). Auch gerade in Anbetracht der „multiakteuriellen Konstituti-<br />
on der Schule“ 84 (Kussau 2007, 134 ff.) und Netzwerkbildungen zwischen staatli-<br />
chen und privaten Institutionen (Dedering 2010, 63) sowie gestützt durch die auf<br />
Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit abzielenden Kriteriensets des NPM<br />
(Dubs 1996) haben sich ökonomische Kriterien der Mittelverwendung in den Pro-<br />
grammstrukturen vieler Teilsysteme, vermutlich auch in die des <strong>Schulsystem</strong>s, <strong>im</strong>-<br />
mer stärkere Geltung verschafft (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 385). Aber nicht nur über<br />
Vorgänge des Aufdrängens von Programmstrukturen, die von systemfremden Pro-<br />
tagonisten etwa <strong>im</strong> Sinne gesamtgesellschaftlich verträglicherer Reg<strong>im</strong>e der funkti-<br />
onssystemspezifischen Leistungsproduktion propagiert werden, können ökonomi-<br />
sche Gesichtspunkte verstärkt Eingang finden. Gerade in Fällen gesamtgesell-<br />
schaftlicher Erzeugung von Drucksituationen, wie sie sich beispielsweise infolge des<br />
schlechten Abschneidens Deutschlands bei der ersten Teilnahme an der internatio-<br />
nalen <strong>Schulsystem</strong>leistungsvergleichsstudie PISA (Programm for International Stu-<br />
dent Assessment) (Baumert, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider,<br />
Stanat, Tillmann, Weiß 2001) aufbaute, und unter dem Eindruck von in kompetitiven<br />
Handlungszusammenhängen dominierenden Unsicherheiten (Wiesenthal 2009, 29)<br />
in komplexen Entscheidungssituationen, die geprägt sind von der Notwendigkeit der<br />
Interdependenzbewältigung, unvollständigen Informationslagen und Zeitnot<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2005, 121 ff.), wird die Umwelt nach Mitteln und Wegen abgesucht, um<br />
die Programmstrukturen umweltadäquat auszubilden, was ein Teilsystem dazu ver-<br />
leiten kann, sich einiger „fremder“ Programmelemente zu bedienen (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2006, 78). 85<br />
Der Extremfall einer vollständigen Ökonomisierung ist dem Modell zufolge eingetre-<br />
ten, sobald die ursprüngliche Wollens-D<strong>im</strong>ension der Systemakteure nicht mehr als<br />
die Wahrnehmung und das Handeln leitende Letztorientierung fungiert, sondern<br />
Operationsoptionen in erster Linie auf Grundlage einer Unterscheidung über ihre<br />
wirtschaftliche Potentialität hin beobachtet werden. Bezogen auf das Wissen-<br />
schaftssystem würde das etwa bedeuten, dass die anhand wissenschaftlicher In-<br />
84 Sowohl als Organisationseinheit als auch als gesamte System.<br />
85 Die vermehrte Anwendung von Monitoring-Systemen zur Generierung belastbaren und nachvollziehbaren<br />
Systemwissens scheint hierfür ein Beispiel zu sein.
53 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
strumente und Methoden vollzogene Untersuchung eines Phänomens auf seinen<br />
Wahrheitsgehalt nur dann realisiert wird, insofern damit die „profitable<br />
,Regeneration‘ von Zahlungsfähigkeit“ (Deutschmann 2008, 3; zitiert nach<br />
Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2012, 167) gewährleistet wird. Die dem System zugesproche-<br />
ne sozial konstruierte „Labelung“ bezogen auf die gesellschaftliche Funktion verliert<br />
zwar nicht auf der Ebene des Talks, dafür aber <strong>im</strong> Faktischen ihre Absolutheit. Der<br />
eigentliche selbstreferentielle Zugriff auf das Weltgeschehen wird nur noch infolge<br />
einer vorgeschalteten Beobachtung in Hinblick auf ökonomische Gesichtspunkte<br />
vorgenommen, die Gewissheit über Wahrheit oder Unwahrheit ist beispielsweise nur<br />
unter der Bedingung des Erhalts bzw. der Erhöhung von Zahlungsfähigkeit zu er-<br />
langen. Oder um es in einer Marx’schen Terminologie auszudrücken: Der „Ge-<br />
brauchswert“ des Gutes oder der Dienstleistung ist dem „Tauschwert“ logisch nach-<br />
geordnet. Diese Annahmen sind theoretisch zulässig, da die zu betrachtenden Teil-<br />
systeme nicht stringent am Luhmann’schen Verständnis anschließend als<br />
autopoietische Kommunikationszusammenhänge, sondern gewissermaßen materia-<br />
lisiert als institutionelle Strukturordnungen gefasst werden (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 41).<br />
Als Analyse- und Entscheidungsschema zur Überprüfung des jeweiligen Systemzu-<br />
standes bezüglich der Logikmixtur zu einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt wird von<br />
Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann eine fünfstufige Skala entwickelt, die aufgespannt über die<br />
beiden Grenzpunkten des autonomen sowie des weltlichen Pols „Grade der<br />
Ökonomisierung“ angeben. Wird am autonomen Pol der Skala den teilsystemischen<br />
Akteuren kein Kostenbewusstsein abverlangt und sind die zentralen ökonomischen<br />
Prinzipien der Verlustmin<strong>im</strong>ierung sowie Gewinnmax<strong>im</strong>ierung keine zu berücksichti-<br />
gen Kategorien in den Programmstrukturen eines Systems, ist die am weltlichen Pol<br />
angesiedelte Stufe 5 dann erreicht, „wenn es bei der teilsystemischen Leistungspro-<br />
duktion nur noch darum geht, soviel Gewinn zu machen wie möglich – ohne Rück-<br />
sicht auf den Code.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 386). 86 Ein Verlaufsfigur <strong>im</strong> Sinne<br />
eines notwendigen Einwicklungsschema, wonach der auf Stufe 1 angesiedelte Kos-<br />
tendruck in der Ressourcend<strong>im</strong>ension quasi automatisch zu veränderten Manage-<br />
mentpraktiken führen müssen, die dann schließlich eine Code-Herausforderung<br />
begünstigen, ist nicht zwangsläufig zu erwarten. Ebenso ist eine eindeutige Ten-<br />
denz der selbstverständlichen Gefährdung der code-gesteuerten Leistungsfähigkeit<br />
zu bestreiten.<br />
86 Aus einer ethischen Perspektive fordert Jaeggi (2007, 147) für den Gesundheitssektor etwa die<br />
ausschließliche Orientierungsfunktion des autonomen Pols ein: „Nicht nur sollte es gleiche Zugangschancen<br />
zu ausreichender medizinischer Versorgung geben, diese selbst sollte allein am Ziel der Heilung<br />
ausgerichtet sein.“
54 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
3.2.2 Meso-Ebene<br />
Die der Makro-Ebene zugeordneten Bewegungen und Muster können nur analytisch<br />
von den anderen Sozialebenen getrennt betrachtet werden. Für die Befragung der<br />
gesellschaftlichen Meso-Ebene hinsichtlich der Durchsetzung ökonomischer Prinzi-<br />
pien sind die zuvor dargelegten Beschreibungen zur Programm-D<strong>im</strong>ension eines<br />
Teilsystems anschlussfähig. Die moderne Gesellschaft ist als Organisationsgesell-<br />
schaft zu begreifen: „Damit ist nicht gemeint, dass die moderne Gesellschaft als<br />
Ganzes oder auch nur einer ihrer Teilbereiche – zum Beispiel Politik oder Religion –<br />
eine einzige umfassende Organisation darstellt, sondern es wird festgestellt, dass<br />
die Durchorganisierung fast aller Gesellschaftsbereiche <strong>im</strong>mer weiter vorangeschrit-<br />
ten ist und wohl noch weiter voranschreiten wird.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 200; auch<br />
Sch<strong>im</strong>ank 2005c; Perrow 1989). Sodann erscheint diese Auffassung plausibel, ver-<br />
gegenwärtigt man sich, dass eine Vielzahl an Lebensbereichen mittlerweile nur<br />
noch organisational zu erschließen ist, denkt man nur an das formalisierte Bil-<br />
dungswesen, die medizinische Versorgung oder auch an die vereinsmäßige sportli-<br />
che Betätigung. Auf Basis dieser organisational geprägten gesellschaftlichen Struk-<br />
turierung ist davon auszugehen, dass sich die Ökonomisierung eines gesellschaftli-<br />
chen Teilsystems wie der Bildung oder des Sports sich auf der Organisations- und<br />
Interorganisationsebene in den dort angesiedelten Regelungsstrukturen manifestiert<br />
(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 387). Denn gerade weil Organisationen des Wirt-<br />
schaftssystems in besonderer Weise als rational gelten, sind sie „dazu prädestiniert,<br />
als Muster der Organisationsgestaltung zu fungieren.“ (Meier 2012, 189)<br />
Weiterhin ist bedenken, dass eine großer Anteil der gesellschaftlichen Leistungs-<br />
produktion in Arbeitsorganisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 337 ff.; Lengfeld 2005, 127 ff.)<br />
vollzogen wird. Diese Art von Organisationen, also Kollektiveinheiten, die über ziel-<br />
bewusste Tätigkeiten der handelnden Individuen ihr eigenes Fortbestehen sicherzu-<br />
stellen versuchen, unterliegen der Eingebundenheit in monetäre Tauschkonstellati-<br />
onen. Begründet ist dies dadurch, dass die den Organisationen angehörigen leis-<br />
tungsentäußernden Individuen tauschorientierte Erwerbsarbeit (Pries 2010) verrich-<br />
ten, die in marktwirtschaftlichen Systemen mehrheitlich in der Form von Lohnarbeit<br />
auftritt (Offe/Heinze 1990). Für die Arbeitsorganisationen der verschiedenen Teilsys-<br />
teme ist dieser Tatbestand gleichbedeutend mit einer chronischen Geldabhängigkeit<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 37). Dass die dem Wirtschaftssystems der Gesellschaft zuzuord-<br />
nenden Organisationseinheiten viele ihrer Operationen <strong>im</strong> Kommunikationsmedium<br />
Geld vollziehen, entspricht der allgemeinen Wahrnehmung. Aber auch die in andere<br />
gesellschaftliche Produktionslogiken eingebundenen Arbeitsorganisationen bzw.
55 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
das arbeitstätige Personal müssen finanziert werden, ansonsten würden die an sie<br />
gerichteten Funktionsansprüche nicht erfüllt werden können.<br />
Eine wichtige Geldquelle für Organisationen des Wissenschaftssystems, des<br />
Rechtssystems oder des Bildungssystems, ist der Staat: „Teils tritt er dabei als or-<br />
ganisatorischer Träger und damit zumeist Hauptfinancier, teils als Mitfinanzierer,<br />
teils als Finanzierungsgarant der jeweiligen Arbeitsorganisation auf.“ (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2010b, 39). Dadurch begründet, dass der moderne Staat ein Steuerstaat (Hickel<br />
1976) ist, ist es ihm möglich, weite Bereiche der Funktionenerfüllung mit geldwerti-<br />
gen Tauschmitteln zu versorgen. Da die Menge der Steuermittel als Einnahmequel-<br />
len des Staates wiederum auf mehreren Ebenen vom Wirtschaftssystem, sei es<br />
durch die zu zahlenden Abgaben der Wirtschaftsunternehmen selbst oder aber<br />
durch die von in wirtschaftliche Austauschprozesse eingebundenen individuellen<br />
Kunden als Mehrwertsteuer, abhängig ist, ist dem Wirtschaftssystem, „das allein für<br />
Geld sorgen kann“ (Luhmann 2000, 467 f.), eine überragende Bedeutung zuzuspre-<br />
chen. Das Vorhandensein oder das Fehlen von Geld ist somit neben dem Wirt-<br />
schaftssystem in allen anderen Teilsystemen zu spüren, „und das nicht nur für be-<br />
st<strong>im</strong>mte Akteure und bei best<strong>im</strong>mten Anlässen, sondern ubiquitär.“ (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2009b, 332). 87 Als Ermöglichungsmedium für soziale Prozesse erscheint die Aus-<br />
stattung mit Finanzierungsmitteln über Funktionssystemgrenzen hinweg für jegliche<br />
Organisationen und individuelle Organisationsangehörige in der Könnens-<br />
D<strong>im</strong>ension des Handelns von existenziell sachlicher Relevanz zu sein: „Dieser un-<br />
vergleichbare Generalisierungsgrad des Geldes verschafft demjenigen Teilsystem,<br />
das die gesamtgesellschaftliche Geldquelle ist, Möglichkeiten der Infiltration aller<br />
anderen Teilsysteme, die das Wahrheitsmedium der Wissenschaft oder auch das<br />
Machtmedium der Politik nicht bieten.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 45) 88<br />
Die gesellschaftsweite Unentbehrlichkeit von Zahlungsfähigkeit in den Programm-<br />
strukturen aller Teilsysteme (Deutschmann 2009a, 52) bewirkt, dass die wirkenden<br />
teilsystemischen Instanzen ansprechbar sind für Regelungen, welche funktionslogi-<br />
sche Aktionsfähigkeit in einen Zusammenhang mit monetärer Ressourcenverfügung<br />
stellen. Im Bereich staatlicher und staatsnaher Sektoren setzt das Governance-<br />
Programm des NPM dann in dieser Hinsicht auf die Intensivierung von Konkurrenz<br />
bei der Allokation staatlich bereitgestellter finanzieller Ressourcen, „um auf diese<br />
Weise die Effizienz der Ressourcenverwendung zu erhöhen.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann<br />
2008, 387) Dem Marktparadigma gilt innerhalb des Programms veränderten staatli-<br />
chen Managements besondere Aufmerksamkeit, gilt doch vielen die gezielte Schaf-<br />
87 Hier lässt sich teilsystemische strukturelle Kopplung auf der Organisationsebene nachvollziehen.<br />
88 Deutschmann kennzeichnet Geld auch als „absolutes Mittel“ (2000) sowie als „universales Inklusionsmedium<br />
moderner Gesellschaften“ (2009b).
56 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
fung von Märkten als möglicher Beitrag zur Lösung von Effizienzproblemen <strong>im</strong> öf-<br />
fentlichen Sektor.“ (Engels 2009, 67) In einer, häufig durch politische Entscheidun-<br />
gen hervorgebrachten, Wettbewerbssituation (Benz 2007) werden teilsystemisch-<br />
organisationale Akteure potentiell einem variantenreichen Ökonomisierungsdruck<br />
unterworfen. Mittels der Kommensurabilisierung der jeweiligen organisational be-<br />
reitgestellten Produkte 89 (Engels 2009, 72) werden diese auf den sogenannten<br />
Quasi-Märkten handelbar gemacht und mit dem Tauschmittel Geld als „vergleichs-<br />
weise voraussetzungslosem Medium“ (Jaeggi 2007, 148) verknüpfbar. 90 Infolge ei-<br />
ner solchen kreativen Re-Definition von Systemleistungen können jedwede Leis-<br />
tungsorganisationen, nicht nur diese des institutionalisierten Wirtschaftssystems,<br />
irritierbar in der Geldd<strong>im</strong>ension sein. Wettbewerb kann über die auf eine Organisati-<br />
onseinheit rückführbaren kommoden und abstrakten Kennziffern, die den Status von<br />
Gründen über Zahlungen bzw. Nichtzahlungen (Luhmann 1988, 245) erhalten, kon-<br />
struiert und kontrolliert werden. Über den, etwa bedingt durch gesellschaftspoliti-<br />
scher Aushandlungsprozesse, Aufbau und die Festlegung von nachvollziehbaren<br />
Kriterien über systemische Positiv- und Negativwerte, wie sie beispielsweise stan-<br />
dardisiert ermittelbare Kennwerte auf Ebene der Einzelschule symbolisieren, wer-<br />
den investive Präferenzen <strong>im</strong> Sinne von Selektionskriterien in Entscheidungssituati-<br />
on für weitere Akteure vorstrukturiert. Die Urteilsfindung seitens der beobachtenden<br />
Umwelt in Hinblick auf das Leistungsniveaus einer Organisationseinheit erfährt<br />
hiermit ein verringertes Komplexitätsniveau durch die Fokussierung auf zwar kontin-<br />
gente, aber dennoch erwartungsstrukturierende Alternativen. Für die beteiligten<br />
Empfänger, wollen sie ihre eigene Existenz in Anbetracht finanzieller Abhängigkeit<br />
sichern, werden damit gleichfalls Entscheidungs- bzw. Handlungsorientierungen <strong>im</strong><br />
Rahmen der kennwertdefinierten Programme gesetzt. 91 Dass gerade Organisati-<br />
onssysteme als durch teilsystemische Codierungen angeleitete Einheiten besonders<br />
empfänglich für Anforderungen, die von Akteuren unterscheidbarer Sinnsetzung<br />
gestellt werden, sind, also gewissermaßen konditionierbar sind, ergibt sich aus dem<br />
schon weiter oben beschriebenen Doppelzugriff des Gesellschaftssystems auf die<br />
Operationen des einzelnen Organisationssystems: „dem Zugriff über Funktionsbe-<br />
st<strong>im</strong>mung und dem Zugriff über Umweltstrukturierung.“ (Luhmann 2005, 453).<br />
89 Die Produktsorte ist hierbei zweitrangig, denn es benötigt nur semantische Übersetzungsleistungen.<br />
90 Die weiter unten besprochenen Bildungsstandards für das Schulwesen sind beispielhaft als vermarktungsfähige<br />
Benchmark-Systeme zu nennen, auf Grundlage dessen finanzielle Verteilungsfragen in<br />
einer systemeinheitlichen Sprache über Effizienz und Effektivität geklärt werden können, denn als<br />
Kommunikationsmedien bieten sie Sichtbarkeit, die Reduzierung vom Komplexität für kognitive<br />
Verabreitungsprozesse sowie die Verknüpfung mit dem Medium Geld infolge (dem Anspruch nach)<br />
trennscharfer Hierarchisierung.<br />
91 Dieses Reduktion auf transsystemisch kommunizierbare Zeichen steht in der Tradition des Steuerungsmodells<br />
des NPM, denn dieses „muss komplexe Leistungen auf eine überschaubare Zahl von<br />
Parametern reduzieren, an denen sich Steuerungsinstanzen (Prinzipale), Gesteuerte (Agenten), Akkreditierungsagenturen<br />
und Kunden orientieren können.“ (Münch 2009, 74)
57 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
In Anbetracht dieser theoretisch hergeleiteten Zusammenhänge erscheint es plausi-<br />
bel, dass es auf der Organisationsebene, aufgrund der Mischorientierung (Bora<br />
2001, 171) bezogen auf teilsystemlogische Prämissen, Verschiebungen und Um-<br />
schreibungen in der Verhältnisbest<strong>im</strong>mung und Priorisierung der anwesenden paral-<br />
lel laufenden Entscheidungsprogramme kommen kann. Für (Arbeits-<br />
)Organisationen des außerwirtschaftlichen oder „non-profit“-Bereichs, die keine ei-<br />
genen Geldmittel generieren, sondern deren Fortbestehen zuvorderst auf Fremdfi-<br />
nanzierung beruht, bedeutet diese Offenheit in den entscheidungsförmigen Pro-<br />
grammstrukturen eine prinzipielle Irritierbarkeit für verschiedene Formen eines Öko-<br />
nomisierungsdrucks. Unter Bedingungen genereller Knappheit an finanziellen Res-<br />
sourcen (Luhmann 2005, 456 ff.) stehen in staatsnahen Sektoren zwei Sorten der<br />
Anpassung an den fortwährenden Kostendruck zur Verfügung: die<br />
Kommodifizierung und Privatisierung als „Selbstentmachtung des öffentlichen Sek-<br />
tors“ (Engartner 2007, 87 ff.) 92 oder aber die Übernahme 93 wirtschaftlicher Rationali-<br />
tätsfiktionen, die sich „auf eine inhaltliche Anpassung der teilsystemischen Leis-<br />
tungsproduktionen an die hegemoniale Deutung dessen, was der Wirtschaft Not tut,<br />
erstrecken.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009b, 335) Diese inhaltlich ausgestalteten Systembindun-<br />
gen sind keineswegs per se zu kritisieren, ist doch auch jenseits jeder Wertung aus<br />
funktionaler Sicht die (wirtschaftliche) Konkurrenzfähigkeit eines Gemeinwesens in<br />
einem globalisierten Umfeld ein rechtfertigbares Interesse der Gesellschaft (Fend<br />
2006, 35; Lenhardt/Stock 1997, 37). Auch Gesellschaftsbereiche wie das Gesund-<br />
heitswesen oder das <strong>Schulsystem</strong> müssen ihre Funktionen und Leistungsfähigkei-<br />
ten, bezogen auf abhängige andere Teilsysteme, sicherstellen. 94 Für diesen Zweck<br />
wurden in Prozessen zirkulärer Reflexion Strukturen, beispielsweise Leistungsorga-<br />
nisationen, ausgebildet, die Systemreferenzen nach innen und außen realisieren<br />
(Luhmann/Schorr 1988, 34 ff.).<br />
Ein <strong>im</strong>mer zu beachtendes Aktionsdispositiv für wirtschaftliche Akteure ist der Erhalt<br />
zukünftiger Zahlungsfähigkeit und damit einhergehend die Schonung der Ressour-<br />
cenbasis. Für von dieser Motivlage freien, weil für ihre finanzielle Reproduktion nicht<br />
direkt verantwortlichen, Organisationen anderer Funktionssysteme, denen unter-<br />
nehmerisches Wahrnehmen und Entscheiden nicht grundsätzlich inhärent ist, wer-<br />
den Wirtschaftsorganisationen als Referenzobjekte zum Zweck der Durchsetzung<br />
92 Damit wird <strong>im</strong> systemischen Streben nach mehr und mehr Kontrolle über seine äußeren Abhängigkeiten<br />
(Luhmann 2002, 113) eine Grenze überschritten, wonach versucht wird, von nun an selbst Geld<br />
zu verdienen. Geht man davon aus, dass nur die Wirtschaft das Medium Geld produktiv generieren<br />
kann, muss ein solcher Prozess als Entdifferenzierung bezeichnet werden.<br />
93 Ob es sich um wirkliche Übernahmen infolge von System-zu-System-Beobachtungen und Überzeugungen<br />
bzw. mythisierter Impulse handelt, oder ob aber die Elemente qua Weisung Einzug finden, ist<br />
wohl Fall- und Systemabhängig zu beurteilen.<br />
94 Als Respezifikationsmedium siehe weiter unten das Kapiteln zu den Bildungsstandards.
58 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
rationaler Organisationsgestaltung als herangezogen (Engels 2011, 118). Regelun-<br />
gen und Praktiken, die das am Funktionserfordernis orientierten Operieren unter<br />
den Meta-Rahmen der weltlichen Rationalität ökonomischen Handelns stellen, wer-<br />
den als gesellschaftlich legit<strong>im</strong> verstanden, da dem extensiven Verbrauch von Res-<br />
sourcen Einhalt geboten wird. 95 Der „Druck der Not“ aufgrund „zunehmender abso-<br />
luter oder (regelmäßig) relativer Enge des Versorgungsspielraums“ (Weber 1976,<br />
35) soll kollektiviert werden, die staatliche Administration vergibt ressourcielle Ver-<br />
antwortlichkeiten an ihren organisationalen Unterbau. Metrische Kennziffern und<br />
strukturierter Wettbewerb werden, neben der allgemeinen ressourceneffizienten<br />
Ausgestaltung der „inneren Ökonomie“ von, z.B., Bildungseinrichtungen (Böttcher<br />
2001, 893), als diesem Gebot gemäße Allokations- und Koordinationsmittel verstan-<br />
den. Um diesen, infolge der Installierung solcher institutioneller Arrangements evol-<br />
vierenden, Anforderungen gerecht zu werden, sind erhöhte Grade an Organisation<br />
bzw. struktureller Konformität zu realisieren, zumindest aber zu s<strong>im</strong>ulieren.<br />
Analog zur Gesellschaftsebene, auf welcher Kostenbewusstsein dann allgemeine<br />
als Teil der variablen Programmstruktur gefasst wird, kann die fünf-stufige Skala der<br />
Ökonomisierung auch für die Organisationsebene systematisch angelegt werden. In<br />
diesem, noch zu operationalisierenden, Beobachtungs- und Analyseschema sind<br />
funktional außerhalb des Wirtschaftssystems zu verortende Leistungsorganisationen<br />
auf den nicht oder nur kaum durch den Einbezug von Kostengesichtspunkten be-<br />
dingten Stufen eins und zwei anzusiedeln. Dennoch gibt es <strong>im</strong>mer wieder Phasen,<br />
in denen Museen, Krankenhäuser und <strong>Universität</strong>en von Seiten der Geldgeber Kos-<br />
tenbewusstsein als Muss-Erwartung (Stufe 3) verordnet bekommen (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2010b, 47). Auch für die Ebene formaler Organisationen stellt sich die Frage, ob die<br />
funktionsspezifische Seite, der autonome Pol, oder eher die weltliche Seite der Pro-<br />
grammierung über den Steuerungspr<strong>im</strong>aten verfügt. Daran anschließend sollte ge-<br />
klärt werden, wie außerwirtschaftliche „non-profit“ Organisationen mit den „Rationali-<br />
tätszumutungen“ (Meier 2012, 189), denen sie sich Seitens der Umwelt ausgesetzt<br />
sehen, umgehen und ob ein „Mehr“ an formalstruktureller Organisation, deren Rege-<br />
lungselemente der Wirtschaft entlehnt sind, zur Erklärung verschiedener Intensitä-<br />
ten eines wie auch <strong>im</strong>mer gearteten Ökonomisierungsdrucks beitragen kann.<br />
Programmatische und inhaltliche Veränderungen, die hier nur andeutungsweise<br />
besprochen wurden, sowie die Konfrontation mit dem Erfordernis eines Kostenbe-<br />
wusstseins auf Organisationsebene ziehen, so ist anzunehmen, auch Folgewirkun-<br />
95 Bellmann (2012, 150) berichtet die moralische Seite von „Social Efficiency“ am Beispiel der Institution<br />
Schule: „Organisationen ziele auf Effizienz und damit die Abschaffung jeglicher Verschwendung.<br />
Dies gelte nicht nur für die äußere Organisation der Schule und ihre materiellen Ressourcen, sondern<br />
auch für die innere Organisation des Unterrichts und die Lebenszeit der Schüler.“
59 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
gen auf das individuelle Handeln nach sich. Der unter einem möglichen Ökonomi-<br />
sierungsdruck stehenden Mikro-Ebene des Sozialen wird nachfolgend Aufmerksam-<br />
keit geschenkt.<br />
3.2.3 Mikro-Ebene<br />
Gemäß dem Fall, dass programmatische, respektive institutionelle, Reformen tat-<br />
sächlich Wirkungen zeitigen, sind diese auf der Ebene des konkreten individuellen<br />
Akteurs und seiner Entscheidungsprozesse sowie Handlungsvollzüge nachzuvoll-<br />
ziehen. Diese Vermutung ist zumindest anzustellen, insofern die handlungsprägen-<br />
de Rationalität der formalisierten Struktur einer Organisation hervorgehoben wird<br />
(Scott 1986). 96 Neo-Institutionalistische Organisationsverständnisse hingegen negie-<br />
ren allzu überrationalisierte Vorstellungen über die prägenden Kräfte von Struktur-<br />
elementen und Rollenbildern. Die basale These hinsichtlich des Verhältnisses von<br />
Organisation und Umwelt bezogen auf die Wirkmächtigkeit von organisationalen<br />
Strukturen ist „that the formal structures of many organizations in postindustrial so-<br />
ciety (Bell, 1973) dramatically reflect the myths of their institutional environments<br />
instead of the demands of their work activities.“ (Meyer/Rowan 1992/1977, 22) Viele<br />
in Organisationen vorfindbare Strukturelemente haben dieser Lesart folgend eher<br />
legit<strong>im</strong>ierenden Charakter als wirklichen Einfluss auf die individuelle Performanz.<br />
Unhinterfragt eingelebten Handlungsmustern wird eine nicht zu unterschätzende<br />
Prägekraft zugesprochen, die den mit den handlungsprägenden Elementen auf der<br />
formalen Strukturebene verbundenen Intentionen nicht entsprechen müssen, sogar<br />
quer zu diesen liegen können.<br />
Nichtsdestotrotz, unter Berücksichtigung eines nicht allzu deterministischen Ver-<br />
ständnisses des Wirkungsgefüges von Organisationsstrukturen, muss aber ausge-<br />
hend von formalen Strukturelementen ein relativer „Impact“ angenommen werden,<br />
denn: „Veränderte Handlungsbedingungen und –orientierengen führen über die<br />
Veränderung von Handlungsmustern zu veränderten Handlungsergebnissen.“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 389) 97 Regelungen, die, um ein Beispiel zu nennen, auf<br />
die Etablierung von Kostenbewusstsein hinwirken, können unter Umständen die<br />
96<br />
Einer Systematisierung von Scott (1986) zufolge können Organisationen als rationale, natürliche und<br />
offene Systeme betrachtet werden.<br />
97<br />
Intermediäre Theorieentwürfe der Soziologie, die sowohl handlungs- wie auch sozialtheoretische<br />
bzw. gesellschaftstheoretische Bezugspunkte aufnehmen und die verschiedenen<br />
Ebenen des Sozialen in ihren Zusammenhängen betrachten, bieten lohnenswerte Einsichten.<br />
Erklärungsangebote, die ein Wechselverhältnis von sozialem Handeln und sozialen<br />
Strukturen unterstellen und schematisch abbilden können, sind etwa die<br />
Strukturationstheorie von Giddens (1984) sowie das Modell der soziologischen Erklärung<br />
(MSE) (z.B. Esser 2005).
60 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
situative Wahl der potentiellen Handlungsweisen bedingen. 98 Unter dieser Annahme<br />
kann hinsichtlich der faktischen Wirkungsmächtigkeit der formalen Strukturd<strong>im</strong>ensi-<br />
on kein höherwertiger Rang vor nonformalen Regelungs- und Koordinierungsmus-<br />
tern zugesprochen werden. Sobald effektives Handeln auch effizient, also kosten-<br />
sparend, vollzogen werden soll, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein, in<br />
einem spezifischen Teilsystem operierender Akteur unverändert seinen ursprüngli-<br />
chen Tätigkeitsmustern folgt. Stattdessen muss er in seinen Handlungswahlen Ent-<br />
scheidungen darüber treffen, wie er unter dem Eindruck von Finanzierungsfragen<br />
seine Leistungsproduktion <strong>im</strong> Sinne der systemischen Eigenlogik am besten voll-<br />
bringen kann.<br />
Der Druck zur Ökonomisierung seiner Handlungslogik, die in seinem Teilsystem<br />
nicht „the essence“ sondern eine Restriktion bzw. Ermöglichung darstellt (Sch<strong>im</strong>ank<br />
2008, 222), kann auch für den einzelnen Akteur unterschiedliche Ausprägungen<br />
annehmen. Besteht das Ziel eines Lehrers in der freien Weiterbildung nur noch da-<br />
rin, Gewinne zu erzielen und wird Wissensvermittlung nur noch vorgegeben, um<br />
diesen Zweck zu erreichen, würde man diesen Akteur gemäß seines logischen Vor-<br />
gehens dem wirtschaftlichen System zuordnen. Der zuvor benannte Fall, den teil-<br />
systemorientierten Zugriff nur noch infolge einer vorgeschalteten Abwägung über<br />
die finanzielle Machbarkeit und Darstellbarkeit zu vollziehen, liegt dann eher <strong>im</strong><br />
Grenzbereich. Ungeachtet auf welcher Stufe der Skala (siehe oben) der Ökonomi-<br />
sierungsdruck zu verorten ist, auf der Mikro-Ebene manifestiert er sich in Hand-<br />
lungswahlen und Entscheidungsstrukturen.<br />
3.3 Zwischenbetrachtung<br />
Unverkennbar bestehen in den vorgestellten Konzepten der Prozesskategorie<br />
Ökonomisierung Spannungen <strong>im</strong> Theoriebezug. Zum einen werden verschiedene<br />
Systemebenen als Beobachtungsd<strong>im</strong>ensionen aufgenommen, zum anderen folgen<br />
die Begriffe nicht allein einem Theorieprogramm. 99 Die damit einhergehenden Unzu-<br />
länglichkeiten sollen in Kauf genommen werden, würde doch ein allzu konservativer<br />
Theoriegebrauch in der Entwicklungsphase von Ökonomisierungsschemata hinder-<br />
lich sein. 100<br />
In diesem Kapitel ging es zunächst um die Darlegung einiger verwandter Begriffe<br />
und Ansätze, die Entwicklungen ebenfalls auf Entwicklungen verweisen, die auf das<br />
98<br />
Es ist nur schwerlich vorstellbar, dass eine sanktionierende Regel von den Akteuren ständig hintergangen<br />
wird, also keine regulative n Effekte nach sich zieht.<br />
99<br />
Termini wie Institution, Struktur, Codierung und kulturelle Orientierung werden hier zusammen<br />
verwendet.<br />
100<br />
Außerdem liegt der Grund ganz pragmatisch darin, dass die konzeptionellen Bezugspunkte<br />
dieses Vorgehen vorgeben (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008)
61 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />
gesellschaftlicher Realität<br />
wirtschaftliche Teilsystem rekurrieren. Während Landnahme und Kommodifizierung<br />
bezogen auf außerhalb des Wirtschaftssystems liegende Zusammenhänge die<br />
Übernahme dieser unter ein Produktions- und Warenreg<strong>im</strong>e meinen, beziehen sich<br />
die Konzepte von Verbetriebswirtschaftlichung und Managerialisierung eher auf die<br />
Umstellung von Verfahrensweisen unter (vorläufiger) Beibehaltung der üblichen<br />
Funktionsreferenzen. Die zuletzt genannten beiden Phänomene verleiten mitunter<br />
dazu, dass überhaupt ein Kostenbewusstsein an außerwirtschaftliche Systemakteu-<br />
re herangetragen wird. Wie aufgezeigt wurde erscheint die Meso-Ebene als adäqua-<br />
tes Feld für die Anwendung neuartiger und auf Effizienz abzielender Verfahrens-<br />
und Koordinationsprinzipien. Hierdurch werden auch Wahrnehmungen, Handlungen<br />
und Entscheidungen individueller Akteure potentiell tangiert.<br />
Als Analyseschema kann die von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) vorgeschlagene<br />
fünfstufige Skala verwendet werden. Hier wird danach differenziert, inwiefern sich<br />
ein Kostenbewusstsein bei den teilsystemischen Leistungsrollen wiederfinden lässt.<br />
In Abhängigkeit davon, welcher Grad der Ausprägung von Kostenbewusstsein in<br />
den Erwartungsstrukturen des System eingelagert ist, kann Ökonomisierung gradu-<br />
ell gefasst und zugeschrieben werden. Dieses Schema eignet sich aber eher, nach<br />
einer adäquaten Operationalisierung der Skala, für empirische Einzelfallstudien als<br />
für eine in dieser Arbeit vorgenommene Globalbeobachtung eines Teilsystems auf<br />
Grundlage von Literaturberichten.<br />
Ein systemischer Handlungszusammenhang soll nachfolgend als ökonomisiert an-<br />
genommen werden, insofern ein struktureller Vorrang wirtschaftlicher, also geldver-<br />
mittelter, Gesichtspunkte besteht und teilsystemische Prinzipien nur noch nachge-<br />
ordnet zur Anwendung gelangen. Ökonomisierung ist in einer Variante als Folgeer-<br />
scheinung von Freiheitseinbußen der kommunikativen Selbstfortsetzung für nicht <strong>im</strong><br />
Wirtschaftssystem agierende soziale Einheiten, zu denen sie unter dem Eindruck<br />
von Knappheit und dem Erfordernis von Ressourceneinsparungen genötigt werden,<br />
zu verstehen.<br />
Logikkonkurrenzen und Umstellungen der Wahrnehmungs- und Handlungsprägun-<br />
gen dieser Art werden nicht in der Wertd<strong>im</strong>ension betrachtet, sprich<br />
Ökonomisierung gilt nicht als Negativbegriff, sondern als strikt analytische Katego-<br />
rie. Mit dem begrifflichen Instrumentarium kann nur versucht werden, etwaige<br />
Wandlungsvorgänge in den Blick zu nehmen. Welche Konsequenzen sich daraus<br />
ergeben können, ist eine andere Frage.
62 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Eine umfassende und vor allem systematische Erfassung des gesellschaftlichen<br />
Teilsystems der Schule kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Verschiedene<br />
Ansätze einer theoriegeleiteten Beschreibung zum Erziehungssystem der Gesell-<br />
schaft liegen bereits vor (Luhmann 2002; Ehrenspeck/Lenzen 2006). Die Makrobe-<br />
griffe Erziehungssystem und <strong>Schulsystem</strong> meinen sicherlich unterschiedliches, ge-<br />
rade weil sie unterschiedliche Ebenen ansprechen: Erziehung findet nicht aus-<br />
schließlich in der Schule statt, sondern bezieht sich vielmehr „auf die Gesamtheit<br />
der Einwirkungen, die den Menschen für ein Leben in der Gesellschaft ausrüsten.“<br />
(Luhmann/Schorr 1988, 28) Wenn hiermit der gesamte Funktionsbereich der Erzie-<br />
hung benannt ist, gehört die Schule zweifellos zum Erziehungssystem. 101<br />
Wir wollen das <strong>Schulsystem</strong> hier vorerst und s<strong>im</strong>plifizierend als die geregelte Form<br />
des Erziehungssystems verstehen. Es soll also ausschließlich um die institutionellen<br />
Bereiche gehen, die sich ihren Rollenzuschreibungen und Selbstverständnissen<br />
entsprechend mit der Schule als Ort verdichteter und professionsgesteuerter Erzie-<br />
hung beschäftigen. Dazu zählen nicht nur die unmittelbar an der Unterrichtsinterak-<br />
tion beteiligten Lehrer und Schüler, sondern eine Vielzahl weiterer Akteure. Konzi-<br />
piert als „Mehrebenenmodell der Schule“ (Brüsemeister 2007, 63) erscheint das<br />
<strong>Schulsystem</strong> geprägt durch ein Aufeinandertreffen divergierender Funktionsbezüge.<br />
Insofern kann nicht davon ausgegangen, dass <strong>im</strong> institutionellen Gefüge Schulsys-<br />
tem ein Logik-Pr<strong>im</strong>at vorliegt. Gleichwenn ein eindeutiger binärer Code für die „ei-<br />
gentliche inhaltliche Leistungsebene des <strong>Schulsystem</strong>s“ (Brüsemeister 2007, 85)<br />
bislang nicht spezifiziert werden konnte oder vielleicht gar nicht existiert 102 , ist davon<br />
auszugehen, zumal die Schule als Ort von Erziehung und Bildung funktional be-<br />
st<strong>im</strong>mt ist, dass die der Lehr-Lern-Situation nahen Akteure wie Schulleitung und<br />
Lehrkraft best<strong>im</strong>mten Situationsdeutungen und Handlungsmustern folgen. 103 Diese<br />
Systemebenen stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen.<br />
Statt sich nun tiefer in diesen Diskurs zu begeben, soll die Beschreibung anhand<br />
dreier Steuerungsinstrumente geschehen. Dieses Vorgehen rafft die Perspektive<br />
zwangsläufig, hat aber für die Zwecke dieser Arbeit gleich drei Vorteile. Erstens er-<br />
folgt die Auswahl systematisch in dem Versuch, das <strong>Schulsystem</strong> anhand eines<br />
Kreislaufmodells der Steuerung <strong>im</strong> Schulwesen (Bos/Holtappels/Rösner 2006, 83).<br />
Dieses Modell umfasst die Steuerungstypen Input-, Prozess- und Outputsteuerung,<br />
101 Luhmann setzt sich in seinen theoretischen Abhandlungen mit dem schulischen Teilbereich<br />
des Erziehungssystems auseinander.<br />
102 Luhmann (2002, 42): „Wir haben noch keinen klaren Begriff von Erziehung, aber jedenfalls<br />
handelt es sich um ein Einwirken auf einzelne Menschen.“<br />
103103 An dieser Stelle scheint noch ein Desiderat in der Systembeschreibung zu bestehen.
63 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
ist somit breit gefächert und liegt quer Mehrebenenmodell der Schule. Zweitens wird<br />
sichergestellt, dass der Fokus auf der Schulorganisation verbleibt, da alle Typen der<br />
Steuerung diese Systemebene ansprechen. Und drittens wird mit der anhand des<br />
Kreislaufmodells vollzogenen Auswahl der Steuerungsinstrumente die Prozesshaf-<br />
tigkeit von eventuellen Logikverschiebungen betont, da alle drei Instrumente relativ<br />
jung <strong>im</strong> System etabliert sind. Somit kann in einer zeitlichen D<strong>im</strong>ension best<strong>im</strong>mt<br />
werden, ob sie zu einer Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s beitragen.<br />
4.1 Steuerungsinstrument I: Inputsteuerung durch das „Schulscharfe“ Leh-<br />
rerbewerbungs- und Auswahlverfahren<br />
4.1.1 Implementation und Verbreitung des Verfahrens<br />
Die strukturelle Ausgestaltung des deutschen <strong>Schulsystem</strong>s lässt sich über das<br />
Merkmal der „Teilintegrität“ beschreiben, durch welches die relative Einheit <strong>im</strong> Ele-<br />
mentar- und Pr<strong>im</strong>arbereich, sowie die vielfältige und mehrgliedrige Ausdifferenzie-<br />
rung in den Sekundarstufen I und II bezeichnet ist (Döbert 2010, 189). Ursächlich ist<br />
dieser Zustand durch die rechtlich verfasste gesetzgebende und administrative<br />
Kompetenz der einzelnen Bundesländer in kulturellen Angelegenheiten begründet.<br />
Hieraus ergeben sich auch Unterschiede <strong>im</strong> Aufbau der Organisation der Schulauf-<br />
sicht zwischen den Bundesländern (Füssel/Leschinsky 2008, 167 ff.). Den unterhalb<br />
der zuständigen (Kultus-) Ministerien verorteten Schulverwaltungen obliegt in jedem<br />
Landesapparat die Aufgabe der Bereitstellung von Personal, Sach- und Finanzmit-<br />
teln. Dass die Aufgabe der am für jede Schulart bemessenen bedarfsorientierten<br />
und gleichmäßigen Versorgung mit pädagogischem Personal nicht in jedem Land<br />
auf gleicher institutioneller Grundlage wahrgenommen wird, zeigen beispielhaft die<br />
Divergenzen in den Normierungen der Verteilungsstrukturen von Lehrerarbeitsmärk-<br />
ten. Grundsätzlich kommen in Deutschland zwei Verfahrensweisen zur Anwendung:<br />
das traditionelle Listenverfahren sowie „schulscharfe“ bzw. schulbezogene Auswahl-<br />
und Einstellungsverfahren. Diese unterscheidbaren institutionellen Rahmungen ste-<br />
hen nicht in einem strikt antagonistischen „Entweder-Oder-Verhältnis“, sondern fin-<br />
den sie häufig gemeinsam, meist hierarchisch priorisiert, Anwendung. Die nachfol-<br />
gende Tabelle 1 gewährt, differenziert für jedes Bundesland, einen Einblick in die<br />
angewandten Verfahren der Lehrerauswahl und -einstellung. Die hier vorgenomme-<br />
ne Bestandsaufnahme über die Regelungskonstellationen in den einzelnen Ländern
64 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
basiert ausschließlich auf der Recherche frei zugänglicher Mitteilungen und Rechts-<br />
grundlagen der für das Schulwesen zuständigen Ministerien der Bundesländer.<br />
Tabelle 1 Verfahren und Verfahrenskombinationen der Rekrutierung von Lehrkräften je<br />
Bundesland, Stand August 2012 104<br />
Bundesland Listenverfahren (zentral)<br />
Schulbezogenes<br />
Verfahren (dezentral) Priorisierung<br />
Baden-Württemberg x x LV<br />
Bayern x x LV<br />
Berlin x x SV<br />
Brandenburg x<br />
Bremen x x LV<br />
Hamburg x x SV<br />
Hessen x x<br />
Mecklenburg-Vorpommern x x<br />
Niedersachsen x x SV<br />
Nordrhein-Westfalen x x SV<br />
Rheinland-Pfalz x<br />
Saarland x x LV<br />
Sachsen x<br />
Sachsen-Anhalt x<br />
Schleswig-Holstein x x SV<br />
Thüringen x<br />
In der Tradition einer zentral administrierten Distribution von Lehr- und Lernressour-<br />
cen stehend lagen die Regulierung des Lehrerbedarfs, die Verwaltung des Lehrer-<br />
arbeitsmarktes sowie die Einstellung von Lehrkräften in den Schuldienst in der Ver-<br />
gangenheit gebündelt in Verantwortung der staatlichen Schulverwaltungseinheiten.<br />
Diesen oblag exklusiv die Koordination des Lehrerarbeitsmarktes in ihrem jeweiligen<br />
territorialen Zuständigkeitsbereich. Hier wurden sowohl für die Angebots- wie auch<br />
die Nachfrageseite merkmalsabhängige Dateien geführt, die Auskunft über das Ver-<br />
hältnis von Stellenbedarfen und Bewerbungen zu einem best<strong>im</strong>mten Datum gaben.<br />
Der Informationspool war somit auf Seiten der staatlichen Verwaltung monopolisiert.<br />
Ebenso war die Entscheidungskompetenz über die Zuteilung der Bewerberinnen<br />
und Bewerber auf die zu besetzenden freien Stellen auf der Verwaltungsebene kon-<br />
zentriert. Im Rahmen des ehemals ausschließlich zur Anwendung gekommenen<br />
Listenverfahrens waren die Schule als zukünftiger Arbeitsort sowie die Lehrkraft als<br />
zukünftiges Mitglied des Kollegiums traditionell nur passiv am Besetzungsverfahren<br />
über die Meldung von Ansprüchen beteiligt. 105 Aufgenommen in die zentrale Bewer-<br />
bungsdatei wurden den Bewerberinnen und Bewerbern in Abhängigkeit von ihren<br />
erreichten Gesamtnoten aus dem ersten und zweiten Staatsexamen sowie ihrer<br />
104 Zu den Quellenangaben siehe Übersicht <strong>im</strong> Anhang.<br />
105 Zur Ermittlung von Stellenbedarfen exemplarisch für das Bundesland Nordrhein-Westfalen siehe<br />
http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Lehrer/Lehrerversorgung/FAQ_Lehrerversorgung/Anspruch.ht<br />
ml (Zugriff 26.08.2012). Zu den Regelungsgrößen der Zuweisung von Lehrpersonal an die einzelnen<br />
Schulen siehe van Ackeren/Klemm (2011, 107).
65 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
angemeldeten Präferenzen bezüglich des Arbeitsortes Ranglistenplätze zugewie-<br />
sen. Die einzelnen Listen wurden über die Merkmale Lehramtsbefähigung und Fä-<br />
cherkombinationen strukturiert. Dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2<br />
GG) entsprechend wurden den oberen Rängen priorisiert Einstellungsangebote un-<br />
terbreitet. Nachdem ein Anwärter das Angebot angenommen hat, wurde er von der<br />
Schulaufsicht, in Nordrhein-Westfalen sind das die Bezirksregierungen, eingestellt,<br />
ohne zuvor jemals formellen Kontakt zu der Schule, dem künftigen Arbeitsort, ge-<br />
habt zu haben.<br />
Die singuläre Anwendung dieses Verfahrens der Auswahl und Einstellung von Lehr-<br />
kräften, das in Deutschland traditioneller Weise praktiziert wurde (Terhart 2010,<br />
263), wurde auch unter dem Eindruck der Diskussion um die Gewährung neuer<br />
Freiheiten für die Schulorganisation in verschiedenen Handlungsbereichen 106 (Hein-<br />
rich 2007), etwa in personellen Fragen, sukzessive aufgebrochen. Das kurz skizzier-<br />
te zentral-administrativ organisierte Listenverfahren ist dabei in seiner allokativen<br />
Funktion nicht vollständig obsolet geworden, sondern wurde vielmehr durch das in<br />
Anlehnung an best<strong>im</strong>mte Marktprinzipien konstruierte „schulscharfe“ bzw. „schulbe-<br />
zogene“ 107 Ausschreibungs- und Einstellungsverfahren ergänzt bzw. von diesem <strong>im</strong><br />
Zeitverlauf weitgehend abgelöst. In den Bundesländern sind je spezifische Mi-<br />
schungsverhältnisse in Hinblick auf die Zusammensetzung des Verfahrenssettings<br />
zu beobachten, sehr häufig gelangen beide Verfahrensarten zur Anwendung (Tabel-<br />
le 1). Am konsequentesten in der Einführung und Umsetzung eines Rekrutierungs-<br />
modells unter Mitwirkung der einzelnen Schuleinheit zeigt sich hierbei Nordrhein-<br />
Westfalen, dessen <strong>im</strong> Bezugsjahr 2012 geltender Regelungsrahmen hier exempla-<br />
risch nachgezeichnet wird.<br />
Seit 1997 wird den einzelnen Schuleinheiten in Nordrhein-Westfalen bei der Beset-<br />
zung vakanter Stellen <strong>im</strong> sogenannten „Schulscharfen Ausschreibungs- und Aus-<br />
wahlverfahren“ ein gesteigertes Mitwirkungsrecht zugebilligt. Grundsätzlich gilt:<br />
„Ausschreibungen <strong>im</strong> Lehrereinstellungsverfahren für eine Schule sowie die Aus-<br />
wahl erfolgen durch die Schule“ (Schulgesetz NRW § 58 Abs. 7). Im Anschluss an<br />
die Entscheidung über die Stellenbesetzung seitens der verantwortlichen Bezirksre-<br />
gierung als oberer Schulaufsichtsbehörde wird einer schulintern zu bildenden Kom-<br />
mission, bestehend aus der Schulleitung sowie Lehrer- und Elternvertretungen, die<br />
Möglichkeit eingeräumt, eigens einen stellenbezogenen Ausschreibungstext, in dem<br />
das Erwartungsprofil der zu vergebenen Stelle möglichst präzise den qualifikatori-<br />
schen Anforderungen entsprechend abgelegt wird, zu erstellen. Der Neuerungswert<br />
106 Siehe auch das nachfolgende Unterkapitel.<br />
107 Je nach Bundesland unterscheiden sich die Begriffsverwendungen. Beide stehen nachfolgend für<br />
ein und dasselbe Verfahren.
66 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
liegt darin, dass über die Merkmale der Lehramtsbefähigung und der Fächerkombi-<br />
nationen hinaus schul- sowie schulangebotsbezogene Qualifikationsanforderungen<br />
explizit berücksichtigt werden sollen. Nach einer auf Rechtsmäßigkeit ausgelegten<br />
behördlichen Überprüfung des Textes wird dieser über die zentralen infrastrukturel-<br />
len Einrichtungen, namentlich über ein speziell eingerichtetes Internetportal sowie<br />
über die monatlich herausgegebenen Amtlichen Schulblätter der Regierungspräsidi-<br />
en, veröffentlicht und den sich bewerbenden Lehrpersonen zugänglich gemacht.<br />
Nach Eingang der Bewerbungen bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde über-<br />
sendet diese der oder dem Vorsitzenden der Auswahlkommission der Schule einer<br />
nach Ordnungsgruppen 108 sortierte Liste der Bewerberinnen und Bewerber. Die<br />
schulinterne Kommission wiederum entscheidet daraufhin auf Basis der Ordnungs-<br />
gruppenliste sowie des veröffentlichten Anforderungsprofils über die zu einem Aus-<br />
wahlgespräch einzuladenden Kandidaten. Nach Vollzug aller terminierten Auswahl-<br />
gespräche wird der bestgeeigneten Bewerberin oder dem bestgeeigneten Bewerber<br />
ein Einstellungsangebot unterbreitet. Wird das Angebot ausgeschlagen, rückt die<br />
nächstplatzierte Bewerberin bzw. der nächstplatzierte Bewerber nach. Sind der<br />
Schulleiterin oder dem Schulleiter die Aufgaben einer oder eines Dienstvorgesetzten<br />
übertragen worden, n<strong>im</strong>mt sie oder er die Einstellung vor, ansonsten fungiert die<br />
Bezirksregierung als Einstellungsbehörde.<br />
Das traditionelle Listenverfahren besteht zwar weiterhin fort, wird aber nur noch als<br />
Ergänzung zum schulscharfen Auswahl- und Einstellungsverfahren betrachtet. Nur<br />
noch geringe Anteile (ca. 5 Prozent in 2005, siehe Meetz/Sprütten/Klemm 2006) der<br />
Stellen werden hierüber verteilt: „Es wird in der Regel nur noch genutzt, um Stellen<br />
zu besetzen, welche über das Ausschreibungsverfahren nicht vergeben werden<br />
konnten oder kurzfristig besetzt werden müssen.“ (Meetz/Sprütten/Klemm 2006, 7).<br />
Das Listenverfahren hat somit vielmehr einen nachsteuernden Charakter und sym-<br />
bolisiert die Wahrnehmung der staatlich verantworteten Aufgabe einer ausreichen-<br />
den Ressourcenausstattung.<br />
Insgesamt lässt sich ein recht heterogenes Bild mit Blick auf alle sechzehn Schul-<br />
systeme nachzeichnen. Nicht nur, dass nur einige Länder ihren Schulen Hand-<br />
lungsaufträge hinsichtlich der Neubesetzung vakanter Stellen zuweisen, auch inner-<br />
halb der Gruppe Schulbezogener Einstellungsverfahren sind unterschiedliche Vari-<br />
anten hinsichtlich der Reichweite schulischer Partizipations- und Verfügungsrechte<br />
festzustellen. Diese Divergenzen können und müssen an dieser Stelle nicht <strong>im</strong> Ein-<br />
zelnen nachvollzogen werden.<br />
108 Anm.: Die Rangplätze werden über die erzielten Examensnoten best<strong>im</strong>mt. Hier greift also über den<br />
Zugriff der amtlichen Stelle das Prinzip der Bestenauslese.
67 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
4.1.2 Einordnung in den paradigmatischen Kontext<br />
Zum Verständnis des Begründungszusammenhangs für die Einführung dieses, für<br />
das bundesdeutsche Schulwesen neuartigen, Strukturelements bietet es sich an, in<br />
gebotener Kürze den zeitgeschichtlich-diskursiven Kontext zu skizzieren.<br />
Im Zentrum aller mit dem <strong>Schulsystem</strong> befassten Reformbemühungen seit den<br />
1990er Jahren steht die Frage, „wie denn eine Steuerung der weiteren Entwicklung<br />
des Schulwesens mit Bezug auf eine opt<strong>im</strong>ale Zielerreichung in ökonomischer Wei-<br />
se geleistet werden kann.“ (Altrichter/Maag Merki 2010, 15). Wurden in den 1970er<br />
Jahren pr<strong>im</strong>är Ansätze diskutiert, die eine systemweite Makrosteuerung zur Begeg-<br />
nung der ausgemachten Herausforderungen fokussierten, verlagerte sich schon <strong>im</strong><br />
Laufe der 1980er Jahre die wissenschaftliche sowie bildungspolitische Aufmerk-<br />
samkeit hin auf die Ebene der Einzelschule (Berkemeyer 2010, 38 ff.). Die einzelne<br />
Schuleinheit in ihrer variablen strukturellen, kulturellen sowie personellen Verfas-<br />
sung wurde <strong>im</strong> Zuge vergleichender Forschungen als entscheidender Ort für die<br />
Gewährleistung pädagogischer Qualität vermutet (Fend 1986; Fend 2001). Als Bei-<br />
trag zur Lösung problematischer Zustände auf lokaler und regionaler Ebene werden<br />
seitdem unter anderem vermehrt konzeptionelle Entwürfe zur Organisationsentwick-<br />
lung der Schule (Rolff 1993) herangezogen. In einem späteren programmatischen<br />
Ansatz geht Rolff (1998) von einem „Drei-Wege-Modell“ der für dieses spezifische<br />
Feld begrifflich angepassten Schulentwicklung aus. Als entscheidender Teilbereich<br />
einer umfassenden Schulentwicklung mit dem Ziel der Qualitätssteigerung gilt hier-<br />
nach neben der Unterrichts- und Organisationsentwicklung die Personalentwicklung.<br />
Hier und auch schon in früheren Arbeiten (Fend 1988) wird das Personal mitsamt<br />
seinen Eigenschaften als eine entscheidende Variable für die Entfaltung schulisch-<br />
pädagogischer Qualität thematisiert. 109 Auch in den empirisch angelegten For-<br />
schungssträngen der Schuleffektivitätsforschung (Scheerens 2000;<br />
Bonsen/Bos/Rolff 2008) sowie der Unterrichtsforschung (Helmke 2010) wird der<br />
kompetenzbezogenen Merkmalskomposition der Lehrperson als Einflussfaktor <strong>im</strong><br />
Wechselspiel der als relevant angenommenen Größen ihre Funktion für effektive<br />
Schule bzw. einen effektiven Unterricht zugewiesen.<br />
Im Zuge der sukzessiven Verlagerung des Aufmerksamkeitsspektrums durch die<br />
„Wiederentdeckung“ (Fend 1988) der Mesoebene als entscheidendes Handlungs-<br />
109 Dieser Hinweis dürfte auch den fach- und professionsfremden Beobachter nicht stutzig machen,<br />
vergegenwärtigt man sich die maßgebliche Rolle der Lehrkraft für das Interaktionssystem Unterricht,<br />
welches prinzipiell als durch eine interne strukturelle Unbest<strong>im</strong>mtheit und einen Überschuss an Beobachtungsmöglichkeiten<br />
in den Situationen der Kommunikation gekennzeichnet ist (Luhmann 2002,<br />
104). Für die Kontrolle der gegenseitigen kommunikativen Wahrnehmung <strong>im</strong> Kollektiv und damit für die<br />
Kontrolle des Interaktionsgeschehens, welches sich nur über die Fortsetzung von Aufmerksamkeit<br />
reproduziert, kommt der Lehrperson aufgrund ihrer zentralen Stellung <strong>im</strong> Zusammenhang eine wichtige<br />
Funktion zu.
68 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
feld für die Bearbeitung gesellschaftlich, pädagogisch und fachwissenschaftlich arti-<br />
kulierter problematischer Erscheinungen wurde verstärkt danach gefragt, welche<br />
strukturellen Bedingungen geschaffen werden müssen, damit eine Schule die an sie<br />
gerichteten Aufgabenstellungen Jeder Schule ihre Lehreradäquat bearbeiten kann.<br />
Zeitlich leicht nachgelagert, aber ideell verknüpft mit den organisatorischen Ausei-<br />
nandersetzungen zum schulischen Organisationssystem, fand die Reformdebatte<br />
um Schulautonomie 110 als einem von drei Kernbereichen des neuen Steuerungsmo-<br />
dells für das Schulwesen (Altrichter/ Maag Merki 2010, 35) verstärkt bildungspoliti-<br />
sche und wissenschaftliche Berücksichtigung. Die eingebrachte Autonomievorstel-<br />
lung galt vielerorts als Projektionsfläche für divergierende und teilweise ambivalente<br />
Argumente und Ansprüche (Munín 2001). Die Diskussion um funktionale und reali-<br />
sierbare Autonomiemodelle für das Schulwesen leitete <strong>im</strong> Zeitverlauf mehrfach ver-<br />
schiedene Formen des Autonomiegedankens ab, wodurch jeweils differente Bedeu-<br />
tungsgehalte eingeführt wurden (Heinrich 2007, 30 ff.).<br />
Für den an dieser Stelle besprochenen Teilaspekt der bis dato restringierten Beteili-<br />
gung der Einzelschule an der Auswahl und Einstellung ihres Personals ist das kon-<br />
zeptionelle Konstrukt der Schulautonomie, also die Verhältnisbest<strong>im</strong>mung von<br />
Schulorganisation und institutionellem Überbau, bedeutsam. Das benannte Beispiel<br />
symbolisiert den bildungspolitischen Versuch der Übertragung von Handlungs- und<br />
Entscheidungsbefugnissen von einer, in der staatlich-administrativen Aufbauorgani-<br />
sation hierarchisch höher gelegenen, Entscheidungseinheit auf formal untergeord-<br />
nete Einheiten <strong>im</strong> schulischen Entscheidungsfeld der Personalorganisation 111 (Rü-<br />
rup 2007, 129). Die gesetzliche Verankerung des schulbezogenen Einstellungsver-<br />
fahrens kann als Beispiel für eine verwirklichte Handlungsaufforderung 112 <strong>im</strong> Zuge<br />
der Evolution der Reformidee Schulautonomie eingeordnet werden (Rürup/Heinrich<br />
2007).<br />
Im Dispositionsraum des schulischen Personalmanagements laufen diese beiden<br />
aufeinander verweisenden Diskurse, die organisationale Entwicklung der Einzel-<br />
schule und die Stärkung der Schulautonomie, gewissermaßen zusammen. Zum<br />
einen wird die Bedeutung der personalen Ausstattung einer Schule für Unterricht<br />
und Organisationsqualität betont, zum anderen halten, wenn auch eingeschränkt,<br />
Kompetenzverlagerungen von vom pädagogischen Komplex abgekoppelten admi-<br />
nistrativen Stellen hin zu schulinternen Verantwortungsträgern Einzug. Damit erwei-<br />
tert sich in manchen Aspekten der Möglichkeitsraum für die Ansetzung und Verwirk-<br />
110 Kritische Anmerkungen zum Begriff der Schulautonomie finden sich bei Berkemeyer (2010, 42).<br />
111 Die Personalorganisation ist bezüglich der Reichweite des Agierens weiter gefasst als der von Rolff<br />
ins Feld geführte Bereich der Personalentwicklung <strong>im</strong> Rahmen der Schulentwicklung.<br />
112 Eigene Anmerkung: Und ebenso als verwirklichende Handlungsaufgabe.
69 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
lichung selbstorganisatorischer Prozesse für die Schuleinheiten, hier bezogen auf<br />
den inputseitigen Teilbereich des Personalmanagements (Buhren/Rolff 2002, 30 ff.;<br />
Meetz 2007).<br />
Mit Blick auf den Fall des Schulbezogenen Lehrerauswahl- und Einstellungsverfah-<br />
ren waren mit dieser Systemumstellung best<strong>im</strong>mte funktionale Hoffnungen ver-<br />
knüpft. Wenngleich die Quellenlage diesbezüglich recht spärlich ist, soll nachfolgend<br />
auf die Zwecksetzungen, die mit diesem Instrument verknüpft sind, eingegangen<br />
werden.<br />
4.1.3 Funktion, Erwartungen und Effekte der Implementation<br />
Die Dezentralisierung der Ressourcenverantwortung gehört zu einem umfangrei-<br />
chen Reservoir an Steuerungsinstrumenten und -ansätzen, die auf eine erweiterte<br />
Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der einzelnen Schule abzielen. Unter<br />
dem Eindruck der oben vorgestellten Diskussionszusammenhänge wurde auch<br />
vermehrt die Frage nach einem geeigneten Verfahren der Personalrekrutierung auf-<br />
geworfen (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001). Die Entscheidung über die partielle<br />
Überantwortung der Steuerung des Auswahl- und Einstellungsprozesses zur einzel-<br />
nen Schulorganisation war eingebettet in einen übergreifenden Begründungszu-<br />
sammenhang und entspricht der „Idee der (Teil-)Autonomisierung“ (Böttcher 2007,<br />
189). Wenn die jeweiligen organisationalen Einheiten des <strong>Schulsystem</strong>s adressier-<br />
bar für verantwortliches Agieren in Hinblick auf die Erzeugung von Lernergebnissen<br />
sein sollen, müssen ihnen auch die notwendigen Verfügungsrechte zur Gestaltung<br />
leistungsförderlicher Lernumgebungen gewährt werden, so die Argumentation. Im<br />
Rahmen einer Selbstorganisation der Schule (Rolff 1993) unter der Prämisse einer<br />
adäquaten Zielerreichung sind Lehrpersonen mitsamt ihrer qualifikatorischen Aus-<br />
stattungen als Bedingungsfaktor auf Seiten der Inputsteuerung<br />
(Bos/Holtappels/Rößner 2006, modellhaft 83) zu verorten. Die Abweichung vom<br />
traditionellen Verfahren der Zuteilung der Lehrkräfte in Anbetracht ihrer Listenplat-<br />
zierung darf somit als partielle Umstrukturierung der Inputsteuerung verstanden<br />
werden.<br />
Abseits der governancetheoretischen Einordnung dieses Instruments zur Steuerung<br />
der Lehrpersonen-Verteilung wird nur wenig über die damit verbundenen Zweckset-<br />
zungen, für die das Schulscharfe Auswahl- und Einstellungsverfahren als funktional<br />
eingestuft wird, berichtet. 113 Seitens der Schuladministration Nordrhein-Westfalens<br />
113 Ob das als Ausweis einer behaupteten einfachen Zugänglichkeit der an dieses Konstrukt gerichteten<br />
Funktionserwartungen ist, soll hier nicht ergründet werden. Manifest nachweisen lässt sich ein<br />
Desiderat an Forschungstätigkeiten zur Überprüfung von Folgeerscheinungen dieser Regelungsstruk-
70 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
wurden die Zielsetzungen folgendermaßen formuliert: „Die Überarbeitung des Aus-<br />
schreibungsverfahrens zielt neben der Straffung der Verfahrensabläufe insbesonde-<br />
re darauf ab, die Einflussmöglichkeiten der am Schulleben unmittelbar Beteiligten<br />
auf die Personalauswahl weiter zu stärken“ (Goebel/Schenk 1997, 323) 114 .<br />
Als ein wegweisendes ideelles Substrat darf die Schrift „Zukunft der Bildung – Schu-<br />
le der Zukunft“ der 1992 vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau einge-<br />
setzten Bildungskommission NRW gewertet werden. Sich ebenso auf die Denkfigur<br />
einer ihre Aufgaben in Eigenregie bearbeitenden autonomen Einzelschule bezie-<br />
hend wird für die personelle D<strong>im</strong>ension als eine der entworfenen Leitvorstellungen<br />
aufgegeben, die ortsferne Steuerung der personellen Ressourcenverteilung so zu<br />
ändern, „daß eine Personalauswahl möglich wird, die auf das Programm und Profil<br />
der jeweiligen Schule abgest<strong>im</strong>mt ist.“ (Bildungskommission NRW 1995, 330) 115 Das<br />
Argument in diesem Kontext ist, dass selbstgesteckte Zielvorstellungen und darauf<br />
abgestellte innerschulische Programmatiken die Unterstützung einer entsprechen-<br />
den qualifikatorischen Ausstattung des Personals bedürfen. Ist schulpolitisch eine<br />
„Autonomie der Wege“ (Heinrich 2007) in profilierten, sprich inhaltlich wie organisa-<br />
torisch auf die spezifischen Bedingungslagen abgest<strong>im</strong>mten, Schulumgebungen<br />
gefordert, „which distinguish them from other s<strong>im</strong>ilar schools“ (Schaefers/Terhart<br />
2004, 186), müssen diese Wege für die angesprochenen Akteure gangbar gemacht<br />
werden. Hierzu sind der Schule durch eine entsprechende Ausgestaltung des recht-<br />
lichen Regelsystems Handlungsspielräume zu eröffnen, die es erlauben, „eine Per-<br />
son aus einem Bewerberfeld auszuwählen, die die nötigen Qualifikationen, Erfah-<br />
rungen und persönliche Eigenschaften für eine zu besetzende Stelle aufweist und<br />
auf Dauer bei hoher Arbeitsleistung an dem neuen Arbeitsplatz die Aufgaben der zu<br />
besetzenden Stelle erfüllt.“ (Hercher/Schaefers/Treptow/Rothland 2005, 306). 116<br />
Was in der Wirtschaft 117 sowie in anderen durch arbeitsmäßige Leistungserstel-<br />
lungsprozesse gekennzeichneten Sektoren unvorstellbar ist, nämlich die Einstellung<br />
von Personal ohne jegliche Ansehung des betreffenden Subjekts, war <strong>im</strong> Schulwe-<br />
sen Realität und wurde zunehmend, wie etwa von der Bildungskommission NRW, in<br />
den Fokus der Kritik gerückt. Forschungsergebnisse, die die Relevanz von Koopera-<br />
tur. Jedenfalls sind hierzu keine Forschungen bekannt. Aus eigener Erfahrungen darf gesagt werden,<br />
dass Forschungsinteressen sogar ministeriell be- bis verhindert werden.<br />
114<br />
Ob sich wirklich eine „Straffung der Verfahrensabläufe“ ergeben hat, ist nicht erkennbar, darf aber<br />
aufgrund der weiterhin bestehenden Involvierung der Administration bezweifelt werden, da durch die<br />
Beteiligung der Schule und Kommunikationserfordernisse zwischen den Verfahrensbeteiligten ein<br />
erhöhtes Interaktionsvolumen zu vermuten ist. Siehe hierzu auch Bellenberg, Böttcher und Klemm<br />
(2001, 102).<br />
115<br />
Zum Instrument des Schulprogramms siehe Heinrich/Kussau (2010), zur Schulprofilierung Altrichter/Heinrich/Altrichter-Soukup<br />
(2011).<br />
116<br />
Auffällig ist hier die tayloristische „right man on the right job“-Logik.<br />
117<br />
Bellenberg, Böttcher, Klemm (2001, 95) zur Praxis <strong>im</strong> Wirtschaftssystem: „Dieses Prinzip ist in der<br />
Wirtschaft gang und gäbe: Filialen großer Unternehmen wählen ihre Mitarbeiter selbst aus.“
71 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
tion und themenspezifischer Zusammenarbeit für die Entwicklung von Schule und<br />
Unterricht hinreichend nachweisen (Berkemeyer/Järvinen/Otto/Bos 2011; Fussan-<br />
gel/Gräsel 2009; Bonsen 2005; Ostermeier 2005), stützen diese Kritik <strong>im</strong>plizit von<br />
bildungswissenschaftlicher Seite. Gerade in Anbetracht der breiten „Propagierung<br />
von Schulprogrammarbeit“ (Heinrich 2007, 109) <strong>im</strong> Rahmen einer „standortbezoge-<br />
nen Neukonzeptionalisierung der Steuerungsfrage <strong>im</strong> Schulwesen“ (Heinrich 2007,<br />
109; auch Lange 1999; Maritzen 1999; 2004), welche einer ihrer teilfunktionalen<br />
Best<strong>im</strong>mungen zufolge einen Beitrag zu „intra-organisationalen Governance“ (Hein-<br />
rich/Kussau 2010, 178 ff.) leisten soll, also die Prägekraft sozialer Bezugsnormen<br />
entfalten soll und damit prinzipiell vom Engagement und Zutun der involvierten so-<br />
wie qualifizierten Personen abhängt, wird der Zusammenstellung eines die Organi-<br />
sationsziele akzeptierenden Kollegiums eine Nutzen für die Einzelorganisation<br />
Schule zugerechnet (Böttcher 2002, 227). Ein ähnlicher Ansatz wurde auch <strong>im</strong> Jahr<br />
2002 vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW und der Bertelsmann Stif-<br />
tung aufgelegten Modellvorhaben Selbstständige Schule (Berkemeyer 2010, 215 ff.)<br />
verfolgt. Ganz <strong>im</strong> bis hierher skizzierten steuerungstheoretischen Zeitgeist stehend<br />
wurde die eigenverantwortliche Verbesserung des schulinternen Managements als<br />
ein erfolgsversprechendes Vehikel auf dem Weg zu einer höheren schulischen Qua-<br />
lität verstanden. Im Zuge dessen wurden die Auswahl und Einstellung von Personal<br />
in die Programmatik des Projekts aufgenommen, da hierin ein Baustein für die Rea-<br />
lisierung eines qualitätsorientierten Personalentwicklungskonzepts gesehen wurde<br />
(Lohre/Becker/Madelung/Schnoor/Weisker 2008, 52 f.).<br />
Seitens der Wissenschaft ist das Strukturelement des schulbezogenen Lehreraus-<br />
wahl- und Einstellungsverfahrens offensichtlich mit nur äußerst geringerem Interes-<br />
se bedacht worden, denn es „liegt bislang nur wenig gesichertes Wissen vor.“<br />
(Klemm /Meetz 2004, 12) Zumindest mit Blick auf die ersten Jahre nach Einführung<br />
besteht zumindest für Nordrhein-Westfalen kein Zweifel am hohen Diffusionsgrad<br />
dieses Verfahrens <strong>im</strong> System: <strong>im</strong> Schuljahr 2003/2004 wurden insgesamt 97 Pro-<br />
zent aller neu beschäftigen Lehrkörper schulgesteuert eingestellt (Klemm/Meetz<br />
2004, 12). Angesichts dieser überragenden Bedeutung des Verfahrens für die Plat-<br />
zierung des pädagogischen Personals <strong>im</strong> System darf von einer hohen Akzeptanz<br />
seitens der beteiligten Akteurgruppen ausgegangen werden. 118 Dieser Verdacht wird<br />
von der einzigen, mit dem Strukturelement befassten und vom Ministerium für Wis-<br />
senschaft und Forschung NRW geförderten, wissenschaftlichen Evaluationsstudie<br />
118 Selbstverständlich ist die politisch-administrativ geforderte Vorrangigkeit und Ausschließlichkeit des<br />
Verfahrens zuallererst verantwortlich für die hohe Frequentierung. Dennoch besteht keine durch das<br />
Schulgesetz auferlegte Pflicht zur Nutzung dieses Kanals der Personalgewinnung, weshalb man den<br />
adressierten Systemakteuren einen relativen Einflussgrad zurechnen muss.
72 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
„Die Mitwirkung von Schulen bei der Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern: Er-<br />
fahrungen und Wirkungen“ 119 einer Forschergruppe der <strong>Universität</strong> Münster weitge-<br />
hend bestätigt. Die befragten und mit dem Verfahren vertrauten Schulleitungen und<br />
Mitglieder der Auswahlkommissionen begrüßten die neuen Beteiligungsräume<br />
grundsätzlich. Als entscheidende Gründe für die positive Gesamtbeurteilung gaben<br />
sie das erweiterte Mitspracherecht der Einzelschule, die Möglichkeit des gegenseiti-<br />
gen Kennenlernens sowie eine bedarfsgerecht Personalgewinnung an. Demgegen-<br />
über stehen die die Kostenseite symbolisierende Befunde wie der hohe Arbeits- und<br />
Organisationsaufwand sowie die verhältnismäßig starke Konzentration der Bewer-<br />
berinnen und Bewerber auf die attraktiven Schulformen und Standorte, wonach<br />
Schulen mit ungünstigen Merkmalskombinationen auf das Listenverfahren zurück-<br />
greifen müssen (Treptow/Rothland 2005). Auch der Anspruch, mit der schulscharfen<br />
Auswahl von Lehrkräften einen Mechanismus zur Unterstützung und Stabilisierung<br />
von Maßnahmen der Schulprofilierung und Schulprogrammarbeit zu <strong>im</strong>plementie-<br />
ren, konnte den Befragungsergebnissen zufolge kaum eingelöst werden (Schaefers<br />
2004; Schaefers/Terhart 2004). Die Erfüllung der geäußerten Intention einer unter-<br />
stützenden Funktion des schulbezogenen Einstellungsverfahrens für die einzel-<br />
schulinterne Weiterentwicklung muss somit vorerst angezweifelt werden.<br />
4.1.4 Schulscharfes Auswahl- und Einstellungsverfahren und Ökonomisierung<br />
Für die Betrachtung dieser institutionellen Struktur innerhalb dieser Arbeit sprach<br />
zweierlei: Zum einen passte das Verfahren in das für die gleichmäßige Erfassung<br />
des Gesamtzusammenhangs <strong>Schulsystem</strong> angelegte Schema „Input – Prozess –<br />
Output“, zum anderen wurde zugegebenermaßen vorauseilend erwartet, hierin ei-<br />
nen Ausdruck der kolportierten ökonomisierenden Neukonstruktion des Systems<br />
wiederzufinden. Das zweite Auswahlargument sollte nicht als s<strong>im</strong>plifizierend oder<br />
als Ausweis zwanghafter Investigation herabgewürdigt werden, drängt sich doch bei<br />
der oberflächlichen und theoretisch unreflektierten Betrachtung des Gegenstandes<br />
schnell die erfahrungsvermittelte Assoziationskette Dezentralisierung,<br />
Vermarktlichung, Konkurrenzerzeugung, Ökonomie auf. Eine systematischere Be-<br />
leuchtung dieses neu geschaffenen strukturellen Rahmens in Hinblick auf seine<br />
mögliche Rolle als Indikator für das Phänomen der Ökonomisierung erscheint not-<br />
wendig. Zu diskutieren ist, unter welchen Fokussen und unter welchem Eindruck<br />
weiterer struktureller Einbettung dieses Verfahren als Indiz für Ökonomisierungsten-<br />
denzen ausgewiesen werden kann.<br />
119 Projektzeitraum: 2002 bis 2004.
73 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Allein die dem wirtschaftlichen Sinnzusammenhang entlehnten Semantiken wie<br />
Personalmanagement oder personelle Inputsteuerung genügen hierfür nicht. Die<br />
oben zitierten Legit<strong>im</strong>ationsversuche mit Blick auf die den pädagogischen Ansprü-<br />
chen einer Schule eher entsprechenden organisationalen Um- und Restrukturierun-<br />
gen erscheinen durchaus plausibel. Einer Schuleinheit, die für sich und ihre indivi-<br />
duelle Einordnung in größere Sozialzusammenhänge die besten Mittel und Wege<br />
finden soll, um dem Leitziel einer allen Systemebenen nutzenden Qualitätsentwick-<br />
lung der Entität und, <strong>im</strong> Endeffekt, Leistungsverbesserung der Schülerschaft zu ge-<br />
nügen, sollte auch die Chance zugestanden sein, ihre personale und damit qualifi-<br />
katorische Ausstattung den Anforderungen entsprechend zu gestalten. Für den pri-<br />
vatwirtschaftlichen Sektor konnten zumindest positive Zusammenhänge zwischen<br />
dem Personalmanagement und dem Unternehmenserfolg empirisch nachgewiesen<br />
werden (Gmür/Schwerdt 2005). Für den hier beschriebenen Kontext konnten derar-<br />
tige Erfolgsmeldungen zwar nicht vernommen werden 120 , dennoch wird die auf Par-<br />
tizipation ausgelegte Ordnungsstruktur an sich sowie der damit einhergehende Zu-<br />
gewinn an Graden der Einflussnahme von den beteiligten Akteuren zumeist positiv<br />
eingeschätzt. 121<br />
Zunächst muss festgehalten werden, dass unter dem traditionellen Reg<strong>im</strong>e des Lis-<br />
tenverfahrens deutliche Defizite an Transparenz zu verzeichnen waren. Die Akteure<br />
von Angebot und Nachfrage waren nur insofern in den Verteilungsprozess von Ar-<br />
beitsleistung involviert, als dass sie einem dritten Akteur, der Schulaufsicht, ihre<br />
jeweiligen Angebote formal signalisierten. Nun, durch die partielle Umstellung des<br />
institutionellen Regelungssettings, geraten die beiden Parteien in die Lage, ihre un-<br />
gleichen und zugleich komplementären Präferenzen (Wiesenthal 2005, 238) unmit-<br />
telbarer zu artikulieren, es ergibt sich eine „doppelte Transparenz“<br />
(Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 114). Die schulischen Auswahlkommissionen<br />
treten hierbei weniger als Käufer angebotener (pädagogischer) Leistungen denn als<br />
Stellvertreter für den Staat als einstellende Instanz auf, mit dem Unterschied, dass<br />
sie sich abseits der formalen Qualifikationen weiterer Eigenschaften und Personen-<br />
merkmale der Bewerber vergewissern können. Die Vergütung der zur Disposition<br />
stehenden Arbeitsleistung ist in der Situation des Auswahlgesprächs kein Gegen-<br />
stand, da diese gesetzlich bzw. tarifvertraglich festgelegt und somit je nach Stufe<br />
vereinheitlicht ist (Füssel 2011). Ein Operieren <strong>im</strong> Medium Geld ist in dieser Situati-<br />
on aufgrund des vollständigen Wissens über die <strong>im</strong> Einstellungsfall realisierte Ver-<br />
gütungshöhe ausgeschlossen. Oder anders: Der Verkaufspreis der pädagogischen<br />
120 Anders als in wirtschaftlichen Funktionszusammenhängen ergibt sich für die Schule wohl auch ein<br />
Messproblem.<br />
121 Siehe die oben zitierten Forschungsbefunde.
74 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Arbeitsleistung ist unabhängig von der Beschaffenheit des Gutes vorab fixiert. Im<br />
Auswahlgespräch wird nur darüber entschieden, ob der Tausch von Arbeitsleistung<br />
und Geld durch die Beschäftigung in genau dieser, in die Auswahlinteraktion einge-<br />
bundene, Schule und genau für diese eine Anstellung suchende Lehrkraft erfolgt.<br />
Auch wenn mit der Installierung dieses Verfahrens eine „Verlagerung von Manage-<br />
mentaufgaben auf die einzelne Schule“ (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 117)<br />
vollzogen wird, kann nicht von einer Managerialisierung <strong>im</strong> Sinne Heinzes (2009,<br />
37) gesprochen werden. Ein monetäres Kostenbewusstsein wird auf Seiten der<br />
handelnden Akteure in den Schulen nicht hervorgerufen. Zwar haben Goebel und<br />
Schenk (1997) die Straffung der Verwaltungsabläufe als eine Zielkategorie ausge-<br />
wiesen. Dieser Anspruch gilt, insofern er durch dieses Instrument einlösbar ist, aber<br />
eher für die verwaltende Ebene des <strong>Schulsystem</strong>s. In der Schule selbst wird das<br />
Prinzip opt<strong>im</strong>alerer Effizienz der internen Leistungsvollzüge durch die Mitwirkung an<br />
der Personalauswahl nicht provoziert, weil kein Mechanismus potentieller Kosten-<br />
einsparung mitinstalliert wurde. Wenn überhaupt ist den Vertretern der schulischen<br />
Auswahlkommissionen die Absicht zu unterstellen, durch die auf eine Form von<br />
„Passung“ fußende Auswahl den schulintern formulierten Zielsetzungen näher zu<br />
kommen, also ein höheres Maß an Effektivität zu erreichen. Effektivität entspricht,<br />
anders als Ressourceneffizienz, nicht ausschließlich der ökonomischen Logik, son-<br />
dern ist jeder systemischen Rationalität inhärent. Wenn eine Schule den für sich<br />
bestgeeigneten Kandidaten auswählt, kann sie ihre Entscheidung unter den beste-<br />
henden Rahmenbedingungen, begründet durch die festgesetzte Höhe der monetä-<br />
ren Leistungsvergütung, nur nach organisationalen und pädagogischen Maßstäben<br />
treffen. Die Findung und Einstellung des besten Personals kann für Organisations-<br />
systeme als universelle Rationalität bezeichnet werden, Ressourcenwirksamkeit gilt<br />
dementsprechend nicht exklusiv für Wirtschaftssysteme.<br />
Zwei zusätzliche institutionelle Neuerungen können allerdings bewirken, dass der<br />
vornehmlich an einen teilsystemischen Code gekoppelten Organisationslogik neue<br />
Konkurrenz durch die „Intrusion“ weiterer Maßstäbe erwächst. Werden etwa die<br />
staatlich geregelten Besoldungs- und Vergütungssätze für Lehrkräfte gänzlich frei-<br />
gegeben, oder aber erhalten Schulen zusätzlich zu den Entscheidungsbeteiligungen<br />
<strong>im</strong> Bereich der Personalrekrutierung noch Personalbudgets, die eine Variabilität des<br />
Entgeltes ausgehend vom weiterhin bestehenden gesetzlich best<strong>im</strong>mten oder tarif-<br />
lich geregelten Sockelbetrag ermöglichen, können eingebettet <strong>im</strong> schulbezogenen<br />
Verfahren der Auswahl und Einstellung ökonomische Rücksichten Einzug halten. In<br />
den konkreten Verhandlungssituationen kann unter diesem institutionellen Ermögli-<br />
chungsrahmen nun auch <strong>im</strong> Medium Geld kommuniziert werden. Die Schule als
75 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Organisationseinheit, die nun auch monetäre Ressourcen verwalten darf, kann ver-<br />
suchen, durch geschicktes Verhandeln ihren Geldbestand dadurch nur verhältnis-<br />
mäßig gering zu strapazieren, dass möglichst tiefe Entgelte ausgehandelt und in<br />
den Arbeitsverträgen festgeschrieben werden. 122 Gerade weil sich mit der Einfüh-<br />
rung von schulbezogenen Ausschreibungsverfahren eine gewisse Öffentlichkeit und<br />
Transparenz des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage eingestellt hat, können<br />
hier bewusst Wettbewerbssituationen erzeugt werden. Wenn mehrere Bewerber<br />
sich um die eine zu besetzende Stelle bewerben und die Geldd<strong>im</strong>ension als Unter-<br />
scheidungskriterium eingeführt wird, können pädagogische Aspekte an Dominanz<br />
für die Auswahl des Bewerbers einbüßen. Entscheidungsvollzüge der verantwortli-<br />
chen schulischen Vertreter strukturieren sich nunmehr nicht ausschließlich auf der<br />
Grundlage von Kompatibilitätserwägungen zwischen der fachlich-pädagogischen<br />
Qualifikationsbasis des Interessenten und dem pädagogischen Programm der Schu-<br />
le, sprich an Effektivitätsgesichtspunkten, sondern nebenbei gewinnt die Bezugs-<br />
norm des Erhalts organisationaler Zahlungsfähigkeit bei gleichzeitiger Zweckerfül-<br />
lung an Relevanz. Die Bewerberauswahl würde dann in stärkerem Maße nach Effi-<br />
zienzgesichtspunkten, entsprechend dem Rationalitätsverständnis wirtschaftlicher<br />
Zusammenhänge (Sch<strong>im</strong>ank 2005a, 58), vollzogen. Nicht die Frage, welcher Be-<br />
werber die besten Eigenschaften für das pädagogische Fortkommen der Schule<br />
ausweist, sondern vielmehr die Abwägung, zu welchen finanziellen Konditionen sich<br />
welche pädagogische Qualität einkaufen lässt, wäre leitend für die Entscheidung für<br />
oder gegen einen Bewerber. Dort, wo früher womöglich keine Kompromisse einge-<br />
gangen worden wäre, konkurrieren nun pädagogische Zweckentscheidungen mit<br />
ökonomischen Unterscheidungen. Insofern, als dass Entscheidungssituationen in-<br />
folge einer Neueinführung von wirtschaftlichen Teilsystemreferenzen (Kostenbe-<br />
wusstsein) an Eindeutigkeit verlieren, weil hier zwei eigentlich unvergleichliche Re-<br />
ferenzsysteme in Beziehung gesetzt werden sollen, kann von ökonomisierenden<br />
Einflüssen durch veränderte Handlungsrahmen gesprochen werden.<br />
In der derzeitigen Handhabung allerdings kann nicht behauptet werden, dass das<br />
Verfahren der schulbezogenen Lehrerauswahl und -einstellung ökonomisierend auf<br />
das <strong>Schulsystem</strong> und seine Akteure wirkt. Die aktuelle Konfiguration bedeutet<br />
schlichtweg eine Verfahrensumstellung und Verantwortungsverlagerung <strong>im</strong> Zeichen<br />
eines spezifischen Governance-Reg<strong>im</strong>es.<br />
122 Modelle der Personalbudgetierung von Einzelschulen wurden bereits erprobt, haben aber bislang<br />
keine Breitenwirkung erreichen können (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 120).
76 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
4.2 Steuerungsinstrument II: Ganztagsschule und Prozesssteuerung<br />
4.2.1 Begründungszusammenhang des Reformprogramms Ganztagsschule<br />
Das den Akteuren aus Bildungspolitik und -administration schon vor der Veröffentli-<br />
chung der ersten Ergebnisse der PISA-Studie <strong>im</strong> Jahr 2001 (Deutsches PISA-<br />
Konsortium 2001) bekannte schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen<br />
und Schüler, die an den Leistungstests teilgenommen haben, sorgte für große Be-<br />
triebsamkeit auf diesen Ebenen. Noch am selben Tag verabschiedete die Konferenz<br />
der deutschen Kultusminister (KMK) einen Maßnahmenkatalog mit insgesamt sie-<br />
ben Positionen, <strong>im</strong> öffentlichen Sprachgebrauch geläufig als die KMK-<br />
Handlungsfelder. Hierin verkünden die Länder unisono Aktivitäten „zum Ausbau von<br />
schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter<br />
Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit<br />
Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.“ (KMK 2002, 7)<br />
Die formulierten Zielsetzungen der Schaffung von erweiterten Bildungs- und För-<br />
dermöglichkeiten sowie die partielle Fokussierung auf Schülerinnen und Schüler mit<br />
Defiziten <strong>im</strong> Bereich des Lernens schulischer Inhalte und des Aneignens von Prob-<br />
lemlösefähigkeiten muss als Reaktion 123 auf den, neben den <strong>im</strong> Durchschnitt allge-<br />
mein verbesserungsbedürftigen Testergebnissen, hervorstechenden Befund der in<br />
Deutschland stark ausgeprägten Kopplung von sozialer Herkunft und erreichten<br />
Kompetenzwerten (Baumert/Schümer 2001; Ehmke/Jude 2010) verstanden werden.<br />
Die Erwartungshaltung an den schulischen Ganztag wird somit direkt hoch ange-<br />
setzt, wird doch <strong>im</strong>plizit davon ausgegangen, „dass dies eine Maßnahme ist, die<br />
dazu beitragen kann, die bei PISA festgestellten Defizite auszuheben. Es wird somit<br />
unterstellt, dass (zumindest für einen Teil der Schülerschaft) Ganztagsschulen bes-<br />
sere Bedingungen bieten, um die notwendigen fachlichen Kompetenzen zu erwer-<br />
ben und um die soziale Auslese zu reduzieren.“ (Till-<br />
mann/Dedering/Kneuper/Kuhlmann/Nessel 2008, 183) 124 Dieser vermutete positive<br />
Effekt der Ausdehnung von Schulzeit auf den Nachmittag und höherer Leistungen<br />
auf Seiten der Kinder und Jugendlichen genügte, um die Felder der Bildungspolitik<br />
und der Bildungswissenschaften zu erhöhter Aktivität anzuregen.<br />
In diesem Kontext schaltete sich ebenso die Bundespolitik verstärkt ein. Sinnbildlich<br />
hierfür steht das Engagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />
123 Ähnliche Reaktionsmuster lassen sich auch z.B. für die Schweiz feststellen (Schüpbach 2010, 42)<br />
124 Bis zu diesem Zeitpunkt lagen keinerlei Evidenzen vor, die auf die Erreichung dieser Wirkungshorizonte<br />
durch die ganztägige Beschulung hinweisen.
77 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
(BMBF), welches für die Jahre 2003 bis 2009 125 das „Investitionsprogramm Zukunft<br />
Bildung und Betreuung“ (IZBB) mit einem Gesamtvolumen von vier Milliarden Euro<br />
aufgelegt wurde. Damit ist es eins der größten Bildungsprogramme, die es jemals in<br />
Deutschland gab. In der Präambel der Verwaltungsvereinbarung zum IZBB heißt es:<br />
„Mit dem Investitionsprogramm ‚Zukunft Bildung und Betreuung‘ soll die Schaffung<br />
einer modernen Infrastruktur <strong>im</strong> Ganztagsschulbereich unterstützt und der Anstoß<br />
für ein bedarfsorientiertes Angebot in allen Regionen gegeben werden. Die Quali-<br />
tätsverbesserung unseres Bildungssystems hat eine nachhaltige gesamtwirtschaftli-<br />
che D<strong>im</strong>ension. […] Ziel des Programms ist es zusätzliche Ganztagsschulen zu<br />
schaffen und bestehende Ganztagsschulen qualitativ weiterzuentwickeln.“ (BMBF<br />
2003a) Die durch PISA aufgedeckten bisher ungenutzten Reserven der Schülerin-<br />
nen und Schüler sollen explizit durch das Instrument der Ganztagsschule verfügbar<br />
gemacht werden.<br />
Zusätzlich zu den Mitteln aus dem Bundeshaushalt förderten die Bundesländer den<br />
Ausbau der Ganztagsschullandschaft bis 2009 mit Eigenleistungen in Höhe von<br />
rund 400 Millionen Euro (BMBF 2009, 6). Die Volumina der Finanzhilfen je Land<br />
orientierten sich an den jeweiligen Schülerzahlen der Pr<strong>im</strong>ar- und Sekundarstufe I<br />
des Schuljahres 2000/2001. Die Gelder des Bundes wurden anteilsmäßig an die<br />
Länder verteilt, die dann wiederum die Mittel auf Basis länderspezifischer Förder-<br />
richtlinien an die einzelnen Schulen, die einen Förderantrag gestellt haben, weiter-<br />
leiteten. Bis zum 31.12.2009 konnten die bereitgestellten Fördermittel von den Län-<br />
dern verausgabt werden. Im Förderzeitraum wurden in Deutschland insgesamt<br />
8.262 Schulen mit Finanzierungshilfen für Neubau-, Ausbau-, Umbau- und Renovie-<br />
rungsmaßnahmen versorgt (Stand 2012). 126<br />
4.2.2 Quantitativer Ausbau und Nutzung von Ganztagsangeboten in Deutsch-<br />
land<br />
Angetrieben durch die bildungspolitischen Bemühungen ist eine deutliche Steige-<br />
rung bezüglich des Ausbaustandes an Ganztagsschulangeboten zu verzeichnen.<br />
Laut der definitorischen Best<strong>im</strong>mungen des Schulausschusses der KMK von 2003<br />
müssen folgende Merkmale vorliegen, damit die Bezeichnung Ganztagsschule ge-<br />
führt werden darf: Unterricht über den Vormittag hinaus an mindestens drei Tagen in<br />
der Woche in einem Umfang von sieben Zeitstunden, die Bereitstellung eines Mit-<br />
tagessens für die Schülerinnen und Schüler sowie die auf Seiten der Schulleitung<br />
125 Laut IZBB Verwaltungsvereinbarung vom 29.04. 2003 war der Förderzeitraum zunächst bis 2007<br />
angesetzt. Erst nachträglich wurde die Verlängerung bis zum Jahr 2009 beschlossen.<br />
126 Laut der offiziellen Programmhomepage des BMBF http://www.ganztagsschulen.org/1108.php (Zu-<br />
griff am 01.09.2012).
78 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
liegende Verantwortlichkeit für die Organisation der Angebote. Die KMK (2007) un-<br />
terscheidet dabei zwischen drei Organisationsformen:<br />
In der voll gebundenen Form sind alle Schülerinnen und Schüler verpflich-<br />
tet, an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeit-<br />
stunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen.<br />
In der teilweise gebundenen Form verpflichtet sich ein Teil der Schülerin-<br />
nen und Schüler (z. B. einzelne Klassen oder Klassenstufen), an mindestens<br />
drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganz-<br />
tägigen Angeboten der Schule teilzunehmen.<br />
In der offenen Form können einzelne Schülerinnen und Schüler auf Wunsch<br />
an den ganztägigen Angeboten dieser Schulform teilnehmen. Für die Schü-<br />
lerinnen und Schüler ist ein Aufenthalt, verbunden mit einem Bildungs- und<br />
Betreuungsangebot in der Schule, an mindestens drei Wochentagen <strong>im</strong> Um-<br />
fang von täglich mindestens sieben Zeitstunden möglich.<br />
Seit 2002 lässt sich für Deutschland ein kontinuierlicher Ausbau ganztägiger Ange-<br />
bote für alle Schularten und Organisationsmodelle nachweisen. Für Deutschland<br />
stieg die Zahl der Verwaltungseinheiten mit Ganztagsbetrieb zwischen 2002 und<br />
2010 von insgesamt 4.951 auf 11.825 an, diese allgemeine Tendenz gilt für alle<br />
Organisationsformen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Trotz dieser<br />
generell gleichgerichteten Entwicklung lassen sich bisweilen deutliche Differenzen in<br />
den Ausbauständen je Schulart, Organisationsform und Bundesland feststellen. Im<br />
Extremvergleich variieren die Anteile der Ganztagsschulen an allen Schulen <strong>im</strong> Be-<br />
zugsjahr 2009 zwischen Baden-Württemberg (21,8 Prozent) und Sachsen (95,8<br />
Prozent) um 74 Prozentpunkte (Berkemeyer/Bos/Manitius 2012). Auch in der Nut-<br />
zung der Ganztagsangebote je Land sind zum Teil hervorstechende Unterschiede<br />
festzustellen. So besuchen <strong>im</strong> Jahr 2009 in Bayern nur 8,5 Prozent aller Schülerin-<br />
nen und Schüler eine Ganztagsschule und nur 3,2 Prozent eine Ganztagsschule in<br />
voll gebundener Form, wohingegen die Werte für Sachsen bei 72,7 Prozent bzw.<br />
28,7 Prozent liegen (Berkemeyer/Bos/Manitius 2012).<br />
Die Beobachtung der quantitativen Ganztagsschulentwicklung offenbart also einen<br />
allgemeinen Trend hin zu einer voranschreitenden Verbreitung dieses Reformmo-<br />
dells, wobei je nach merkmalsbezogener Differenzierung der Betrachtung Unter-<br />
schiede festzustellen sind. Die Themenbereiche der diskursleitenden, mit der Etab-<br />
lierung der ganztägigen Schule verknüpften, Ziel- und Zwecksetzungen, der konkre-<br />
ten Handlungserfordernisse bezüglich der Organisationsgestaltung sowie der auf
79 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
den Ganztagsbesuch zurückführbaren Wirkungen auf Schülerebene sind Gegen-<br />
stände des folgenden Unterkapitels.<br />
4.2.3 Leitvorstellungen, Wirkungen und organisationale Konsequenzen des<br />
Ganztages<br />
Die Forcierung des quantitativen wie qualitativen Ausbaus von Ganztagsschulange-<br />
boten wird in Deutschland zumeist über zwei medial prominent platzierte Begrün-<br />
dungslinien 127 diskutiert: Einerseits wird ein bildungswissenschaftlicher Blick auf die<br />
Referenzkategorien Bildung, Betreuung und Erziehung der Ganztagsschulausbau<br />
unter den Zielhorizont erweiterter Bildungs- und Förderungsmöglichkeiten gerichtet,<br />
wobei insbesondere die Erzeugung verbesserter Schulleistungen und eine differen-<br />
zierte Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund gestellt werden<br />
(bildungsinterne Argumentationslinien) (Bettmer/Maykus/Prüß/Richter 2007). Hie-<br />
runter sind auch sozialpolitische Argumente zu verorten, die auf eine kognitive An-<br />
regung „bildungsferner Milieus mit dem Ziel größerer Bildungsgerechtigkeit und ge-<br />
ringerer Armutsrisiken“ abstellen (Kolbe/Reh/Idel/Fritzsche/Rabenstein 2009, 12).<br />
Daneben ist mit der Bereitstellung nachmittäglicher Betreuungsmöglichkeiten für<br />
Kinder und Jugendliche die arbeitsmarkt- und familienpolitische Erwartung ver-<br />
knüpft, positive Effekte auf die Teilnahmebedingungen für den Arbeitsmarkt, speziell<br />
mit Bezug auf die Generierung einer höheren Frauenerwerbsquote, zu zeitigen (bil-<br />
dungsexterne Argumentationslinien) 128 (Höhmann/Holtappels/Schnetzer 2004;<br />
Kuhlmann/Tillmann 2009). Unter dem übergeordneten Leitbild „Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf“ soll die Entwicklung des Ganztages verstärkt zur Lösung des von<br />
der Bundesregierung erkannten und als dringlich eingestuften „Vereinbarkeits- und<br />
Betreuungsproblems“ beitragen (BMFSFJ 2011). Mit Beginn des IZBB wurde der<br />
Ganztagsschulausbau ausdrücklich unter den Kontext der besseren Ausschöpfung<br />
des vorhandenen Potentials ausgebildeter Arbeitskräfte gestellt (BMBF 2003a).<br />
Coelen (2009) zufolge wird der volkswirtschaftliche Topos <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
den Diskussionen um eine verlängerte Schulzeit in anderen europäischen Staaten<br />
demonstrativer als hierzulande debattiert. Die Entbindung von Eltern aus ihrer per-<br />
manenten Aufsichtspflicht für ihre Kinder und der damit einhergehenden Freisetzung<br />
von Arbeitskraftpotentialen für den Arbeitsmarkt infolge der staatlich-organisierten<br />
Ausweitung der verantworteten Verwahrungszeit läuft <strong>im</strong> deutschen Ganztagsschul-<br />
127 Die vorgebrachten Teildiskurse sind nur eine Auswahl eines umfassenderen und facettenreicheren<br />
Diskurszusammenhangs. Kolbe/Reh/Idel/Fritzsche und Rabenstein (2009, 12) machen ein „Spektrum<br />
verschiedener Legit<strong>im</strong>ationsfiguren, die den Ganztagsschulen Anerkennung verschaffen können“ aus.<br />
Tillmann (2003) unterscheidet die drei Begründungen „Sozialpolitische Motive“, „Erzieherische Motive“<br />
und „Schulpädagogisch-didaktische Motive“.<br />
128 Die verschiedenartigen Begründungen zur Legit<strong>im</strong>ation der Ganztagsschulentwicklung sind nicht<br />
<strong>im</strong>mer eindeutig voneinander zu trennen. Die hier vorgeschlagene Gliederung ist sozusagen als<br />
„gröbste“ Unterscheidung zu verstehen.
80 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
diskurs vielmehr <strong>im</strong>plizit mit und firmiert eher unter der Überschrift „Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf“ (Züchner 2011), als dass wirtschaftliche Erwägungen deut-<br />
lich benannt werden. Allein eine Studie auf Basis eines prospektiven Wachstums-<br />
modells des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet „ökonomische Rendi-<br />
ten einer besseren Ganztagsbetreuung“ (An-<br />
ger/Fischer/Geis/Lotz/Plünnecke//Schmidt 2012), wobei diese einerseits aus Erhö-<br />
hungen der Erwerbstätigenquoten, speziell von Alleinerziehenden, sowie anderer-<br />
seits aus erwarteten verbesserten Kompetenzen der nachwachsenden Generatio-<br />
nen, denen Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt unterstellt werden, resultieren sol-<br />
len.<br />
Unabhängig von den verschiedenen Begründungsversuchen in den jeweiligen Dis-<br />
kursräumen beschäftigen sich die Bildungswissenschaften vornehmlich mit den pä-<br />
dagogischen, respektive leistungsbezogenen, Effekten des zeitlich ausgeweiteten<br />
Zugriffs auf die Schulkinder als Subjekte von Bildungsprozessen. Der Logik nach<br />
soll das Mehr an verfügbarer Bildungszeit auch Mehrwerte hinsichtlich der Perfor-<br />
manz bewirken. 129 Die direkte argumentative Verbindungslinie zwischen den unbe-<br />
friedigenden Ergebnissen in der PISA-I-Studie und dem forcierten Ganztagsschul-<br />
ausbau begründet die drängendste Erwartung der Anspruchsgruppen, die Verbes-<br />
serung der Schülerleistungen in den zugrunde gelegten D<strong>im</strong>ensionen der Messun-<br />
gen. Die Forschungsbefunde zu diesem vermuteten Wirkzusammenhang konnten<br />
die in den Ganztag gesetzten Hoffnungen bislang nicht bestätigen. Weder eine um-<br />
fangreiche, auch den internationalen Kontext einbeziehende, Literatursichtung bis<br />
dato publizierter Befunde (Radisch/Klieme 2004) noch eine Sekundäranalyse von<br />
aus dem Jahr 2011 stammenden Daten der IGLU-Studie (Internationale Grund-<br />
schul-Lese-Untersuchung) (Radisch/Klieme/Bos 2006) konnten den Nachweis er-<br />
bringen, dass Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern aus<br />
Ganz- und Halbtagsschulen bestehen. Damit in Einklang stehen jüngst berichtete<br />
Ergebnisse für den Sekundarschulbereich auf Grundlage von PISA-Daten<br />
(Berkemeyer/Bos/Manitius 2012, 76 ff.). Belege über wünschenswerte Wirkungen<br />
der Teilnahme an extracurricularen Aktivitäten wurden bislang allenfalls für „weiche-<br />
re“ Faktoren wie dem Sozialverhalten (Firscher/Kuhn/Züchner 2011; Kanevski/von<br />
Salisch 2011) und dem Risiko für Klassenwiederholungen (Steiner 2011) empirisch<br />
dokumentiert.<br />
Manche Untersuchungsergebnisse verschieben den Aufmerksamkeitshorizont für<br />
die Ermittlung von Wirkungen des schulischen Ganztages weg von „direkten“ hin zu<br />
129 Sinnbildlich hierfür steht eine Informationsbroschüre des BMBF (2003b) mit dem Titel „Ganztags-<br />
schule. Zeit für mehr.“
81 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
„indirekten“ Bedingungsgefügen (Radisch 2009, 82). Beispielsweise belegen Kuhn<br />
und Fischer (2011) den positiv vermittelnden Einfluss der gelingenden Förderung<br />
des pro-sozialen Verhaltens <strong>im</strong> Ganztagsbetrieb auf die Erzielung besserer Schul-<br />
noten. Erkenntnisse dieser Art befördern sozial- und reformpädagogische Bestre-<br />
bungen, dem Ganztagsschulbetrieb seinen ausschließlichen Fokus auf Unterricht<br />
und formelles Lernen zu nehmen bzw. diesen durch alternative pädagogische An-<br />
gebote zu ergänzen. 130 Propagiert werden etwa Konzepte einer „Ganztagsbildung“<br />
als Institutionalisierungsform, die differente pädagogische Ansätze und Absichten zu<br />
einer neuen Praxis verknüpfen (Otto/Coelen 2004). Ein in dieser Weise neu zuge-<br />
schnittener Einwirkungsraum der Institution Schule abseits des Unterrichtsgesche-<br />
hens bedarf der Beiträge weiterer Akteure bzw. Professionen. Zuvorderst wird hier<br />
die als naheliegend erachtete Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe und die<br />
damit einhergehende Hinwendung der Schule zum umgebenen Sozialraum themati-<br />
siert (Boley/Gitbrod 2007; Richter 2007; Mack 2009). Einer „multiprofessionellen<br />
Kooperation“ zwischen Lehrkräften und weiterem pädagogisch tätigen Personal wird<br />
als eine zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche pädagogische Arbeit an<br />
Ganztagsschulen betrachtet (Tillmann/Rollet 2011; Bött-<br />
cher/Maykus/Altermann/Liesegang 2011), zumal auf diesem Wege die Handlungs-<br />
und Problemlösefähigkeit der Schuleinheit (Haenisch 2010) vergrößert werden soll.<br />
Die Lokalisierung der Ganztagsschule zwischen Schulleben und Freizeitbereich<br />
(Holtappels 1994, 135) nötigt der Schulorganisation ausdifferenzierte Vernetzungen<br />
mit Akteuren der Umwelt ab. Im Rahmen der „Studie zur Entwicklung der Ganztags-<br />
schule“ (StEG) wurden vielfältige kooperative Verbindungen mit den unterschied-<br />
lichsten Berufsgruppen, vom Übungsleiter <strong>im</strong> Sport über den Kinderpfleger bis zum<br />
Musikpädagogen, belegt. Damit einhergehend öffnen sich die untersuchten Schu-<br />
len, neben den üblichen Partnerschaften mit anderen staatlich-öffentlichen Akteuren<br />
wie dem Jugendamt oder der Polizei, auch gegenüber Leistungsanbietern aus den<br />
frei-gemeinnützigen und gewerblichen Bereichen. Den Zugang zum schulischen<br />
Verantwortungsbereich haben sich beispielsweise kommerzielle Anbieter aus Sport-<br />
und Musikschulen, aber ebenso aus der Industrie und dem sonstigen Dienstleis-<br />
tungssektor verschafft (Arnoldt 2007, 89).<br />
Die Nutzung der durch einen Ganztagsbetrieb neu hinzugewonnenen Zeiträume für<br />
die Weiterentwicklung Schule als Lern- und Lebensort unter Mithilfe außerschuli-<br />
scher Kooperationspartner verlangt den bislang hauptsächlich pädagogisch tätigen<br />
schulischen Akteuren vorab unbekannte Formen und Qualitäten organisatorischer<br />
130 Schon vor dem Zeitalter der großen internationalen Schulleistungsvergleiche wurde die Einführung<br />
einer auf den Nachmittag ausgedehnten Schulzeit <strong>im</strong> Kontext der Erneuung des Bildungs- und Lernverständnisses<br />
auch auf schulpädagogischer Seite diskutiert (Holtappels 1994).
82 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Arbeit ab. Arnoldt (2011, 313) betont hier insbesondere Handlungsbereiche wie die<br />
Organisation von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Koordination institutio-<br />
neller Einzelleistungen sowie die Sicherstellung der Ressourcenausstattung. Unter<br />
dem Eindruck des Steuerungsmodus einer erhöhten Teilautonomie stehend sieht<br />
sich die Schuleinheit mitsamt den Lehrkräften von nun an, wird ihnen zumindest das<br />
Bestreben einer den bildungspolitischen Zielsetzungen gemäßen Ausgestaltung<br />
ihrer Handlungsspielräume zugeschrieben, einem erhöhten „Koordinationszwang“<br />
(Tillmann 2009, 255) ausgesetzt. Hierzu gehört auch, den laufenden Betrieb der<br />
Ganztagsangebote durch eine angemessene Personalausstattung sicherzustellen.<br />
So ist es den Einzelschulischen gestattet, sich für die Aufrechterhaltung ihrer koope-<br />
rativen Beziehungen eigene finanzielle Gestaltungsspielräume zu erschließen<br />
(Höhmann/Bergmann/Gebauer 2007, 78). Manche Ministerien der Länder betonen<br />
hier ausdrücklich die Möglichkeit, das Schulbudget durch Einnahmen von Dritten<br />
aufzustocken, um die Kosten der Verwirklichung von Ganztagsangeboten zu decken<br />
bzw. um sich neue Gestaltungsspielräume zu verschaffen. 131<br />
Vor dem Hintergrund der voranstehenden Ausführungen wird nun danach gefragt,<br />
ob und inwiefern sich unter Berücksichtigung der Analysefolie konkrete Hinweise für<br />
durch die Ganztagsschulentwicklung hervorgerufene Ökonomisierungserscheinun-<br />
gen finden lassen bzw. ob die Inbetriebnahme einer Ganztagsschule Perspektiven<br />
für ökonomisierende Prozesse bereithält.<br />
4.2.4 Ganztagsschule und Ökonomisierung<br />
Schon die Agenda zum Ganztagsschulausbau in Deutschland <strong>im</strong> Nachgang der<br />
PISA-I-Studie wurde von staatlicher Seite mit ökonomischen Argumentationen be-<br />
stückt. Gerade die wegen ihrer familiären Pflichten häufig gebundenen jungen Müt-<br />
ter sollen dem Arbeitsmarkt verfügbar gemacht werden. Insbesondere für die gebur-<br />
tenschwachen oberen Sozial- und Bildungsschichten wird der Bereitstellung von<br />
Betreuungs- und Bildungsorten in schulischer Verantwortung am Nachmittag eine<br />
positive Anreizwirkung für ihre Fertilitätsentscheidungen zugesprochen<br />
(Hank/Kreyernfeld/Spieß 2004). Zudem bedeutet die Ausweitung des schulischen<br />
Verantwortungsraumes <strong>im</strong> Zuge der Grenzverschiebung zwischen Schul- und Um-<br />
weltsystem(en) (Kolbe/Reh 2009,) ein neu hinzugewonnen Bedarf an Personal ver-<br />
schiedenster beruflicher Herkunft (siehe oben). Gerade für dienstleistende Berufs-<br />
gruppen tun sich neue Tätigkeitsfelder auf: „Was bislang an Kindererziehung […]<br />
etc. <strong>im</strong> Haushalt geleistet wurde und aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung<br />
131 Z.B. hat Niedersachen hier Regelungen in Form eines Runderlasses getroffen, siehe<br />
http://www.landesschulbehoerde-niedersachsen.de/themen/schulorganisation/gts (Zugriff 05.09.2012)
83 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
nicht mehr geleistet werden kann, könnte als Wachstum der entsprechenden<br />
Dienstleistungssektoren in Erscheinung treten (Heinze 2011, 66). Die Ganztagsent-<br />
wicklung kann somit eine ökonomische Bedeutung für den Arbeitsmarkt, insbeson-<br />
dere den Dienstleistungsarbeitsmarkt, entfalten. Die Ganztagsschulreform fungiert<br />
gleichsam als Medium für die „äußere Expansion“ des marktwirtschaftlichen Sys-<br />
tems, dessen Voranschreiten der Staat „als unentbehrlicher Geburtshelfer“ unter-<br />
stützt (Dörre 2009, 38).<br />
Für eine Diagnose ökonomisierender Bewegungen genügen diese Feststellungen<br />
freilich noch nicht. Das mit dem Ganztag einsetzende neue Zeitreg<strong>im</strong>e der Schule<br />
produziert diese Effekte quasi als Nebenprodukte ihres pr<strong>im</strong>är verfolgten Zwe-<br />
ckes. 132 Denn von Bildungspolitik, Wissenschaft und Öffentlichkeit wurde diese Pro-<br />
gramm nahezug exklusiv als notwendige bildungspolitische Aktivität <strong>im</strong> Zuge der<br />
PISA-I-Studie diskutiert (Kuhlmann/Tillmann 2009, 36), die weiteren Diskurse dürfen<br />
wohl eher als sekundäre Selbstthematisierungen begriffen werden. Die an den Aus-<br />
bau der Ganztagsschullandschaft in Deutschland geknüpften Hoffnungen bezogen<br />
sich in der Hauptsache auf die antizipierten pädagogischen Implikationen.<br />
Auch bei Zugrungelegung des für diese Arbeit geltenden Ökonomisierungsver-<br />
ständnisses als ein Verdrängungsmechanismus von Systemreferenzen bzw. als<br />
Überformung dieser Systemreferenzen durch wirtschaftliche Orientierungen kann<br />
das Ganztagsprogramm nicht direkt als Kopplungsstruktur und damit als potentielles<br />
Einfallstor für eine ökonomische Logik identifiziert werden. Es ist seiner Intention<br />
nach ein rein auf die Verbesserung der Systemleistungen ausgerichtetes Pro-<br />
gramm. Nichtsdestotrotz geben einige Strukturelemente dieser Reform Anlass, auf<br />
mögliche, womöglich eher transintentionale, Folgeerscheinungen hinzuweisen, die<br />
als Wegbereiter für ökonomisierende Vorgänge darstellbar sind.<br />
Zunächst einmal muss angesichts des direkten Bedingungsverhältnisses von PISA-I<br />
und dem politisch forcierten Ganztagsschulausbau angenommen werden, dass der<br />
schulische Ganztag als Instrument zur Verbesserung der in PISA gemessenen Leis-<br />
tungen der Schülerinnen und Schüler gefasst wird. Demzufolge wird erwartet, dass<br />
eine verlängerte und bisweilen veränderte Schulzeit für die Lernenden nachweisba-<br />
re Wirkungen zeitigt, speziell bei den Schülerinnen und Schülern „mit Bildungsdefizi-<br />
ten und besonderen Begabungen“ (KMK 2002, 7). Der Gewinn an Zeit und Raum<br />
muss dann, insofern wirklich allein diese Zielsetzung verfolgt würde, pädagogisch so<br />
genutzt werden, dass die Arbeit an den Kompetenzständen der Schülerinnen und<br />
132 In den sozialtheoretischen Grundlegungen dieser Arbeit wurde die moderne Gesellschaft durch ihre<br />
Polykontexturalität gekennzeichnet. Auch für diesen Gegenstand gilt, dass das Ereignis Ganztag von<br />
vielen unterschiedlichen Systemzusammenhängen adressiert, aber jeweils mit Bezug auf die eigene,<br />
unverwechselbare Systemreferenz beobachtet wird.
84 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Schüler in denen der PISA-Studie zugrunde liegenden Domänen mit dem klaren<br />
Prior versehen wird. Die Stunden am Nachmittag könnten etwa in der Art mit Leben<br />
gefüllt werden, dass die Lernsubjekte verstärkt individuelle Förderung zum Zwecke<br />
der Kompensation von Leistungsrückständen oder der Ermöglichung schnelleren<br />
Fortschritts <strong>im</strong> Sinne von „Extraprofiten“ (Rosa 2009, 100) erhalten. Infolge einer<br />
ausgedehnten und fokussierten pädagogischen Intervention würden sich dann wo-<br />
möglich kumulativ bessere Leistungsergebnisse in den PISA-Kompetenzbereichen<br />
nachweisen lassen. Ökonomisierend an einer solchen Praxis wäre die einseitige<br />
Hinwendung zu den Fachdomänen und Kompetenzbereichen, die in den Leistungs-<br />
vergleichsstudien Berücksichtigung erfahren und <strong>im</strong>, von manchen kritischen Wis-<br />
senschaftlern (Münch 2009) geäußerten, Verdacht stehen, die Bedeutung der wirt-<br />
schaftlich verwertbaren Outputs des <strong>Schulsystem</strong>s einseitig zu betonen. 133 Demzu-<br />
folge würden den Kindern Zeiträume für die Partizipation an lebensweltlichen Inter-<br />
aktions- und Erfahrungskontexten zugunsten dem, „was der Wirtschaft Not tut“<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 53), entzogen.<br />
Eine solche Lesart von Ökonomisierung als inhaltliche Anpassung an Rationalitäts-<br />
fiktionen der Ökonomie, also eine Zuspitzung der teilsystemischen Kommunikations-<br />
und Leistungsstrukturen, ist aber nur bedingt haltbar. Zwar steht die systemweite<br />
Etablierung der Ganztagsschule zeitlich und semantisch in einem Begründungsver-<br />
hältnis zur der PISA-I-Studie. Dennoch ist nicht ohne Zweifel zu ergründen, ob die<br />
Ganztagsschule vornehmlich dem Zwecke der Kompetenzsteigerung dienen soll,<br />
wenn die Kultusminister das „Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten,<br />
insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen<br />
Begabungen.“ (KMK 2002, 7) ausgeben. Ebenso ist es möglich den Bedeutungsge-<br />
halt dieses Satzes derart selegiert zu behandeln, dass die Ganztagsschule pr<strong>im</strong>är<br />
als Beitrag zur Förderung der Chancengleichheit (Holtappels 2006) symbolisch kon-<br />
struiert wird. Weiterhin sind die bildungspolitischen Argumentationen, wie schon<br />
weiter oben dargelegt, weitaus differenzierter definiert (Oelkers 2009, 39). Und zu<br />
guter Letzt muss gegenwartsdiagnostisch konstatiert werden, dass sich die wissen-<br />
schaftliche Konzeptionalisierung sowie die empirische Beobachtung der Ganztags-<br />
schule von den „harten“ Kompetenzfaktoren hin zu „weicheren“ Variablen, die als<br />
Wirkungen besprochen werden, verlagert hat. 134<br />
133<br />
Siehe vertiefend zu diesem Diskurs die Ausführungen zum Steuerungsinstrument III, den Bildungsstandards.<br />
134<br />
Ob diese Entwicklung nur aus Ermangelung evidenter Zusammenhänge zwischen dem Ganztagsschulbesuch<br />
und dem individuellen Kompetenzerwerb herrührt, scheint naheliegend, muss aber als<br />
offene (Forschungs-)Frage behandelt werden.
85 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Momente einer sich abzeichnenden Ökonomisierung durch Einführung der Ganz-<br />
tagsschule sind wohl am ehesten auf der organisationalen Systemebene bzw. dem<br />
konkreten Entscheiden und Handeln der Organisationsmitglieder zu vermuten. Das<br />
Zusammentreffen des Reformprogramms Ganztagsschule mit dem Paradigma er-<br />
weiterter Schulautonomie bietet hier Ansatzpunkte. Schulautonomie muss in diesem<br />
Fall als Gestaltungsautonomie, also als „Option der inneren Schulreform“ (Heinrich<br />
2007, 63), verstanden werden. Bemächtigt durch zusätzliche Verfügungsrechte er-<br />
möglicht die „größere Selbstständigkeit“ der Einzelschule ein Betätigungsfeld für die<br />
eigeninitiierte Umgestaltung ihrer selbst zur Ganztagsschule (Tillmann 2009, 259).<br />
Solche Schritte bedürfen ein gewisses Maß an Selbstorganisation, ist doch bei-<br />
spielsweise in den Förderrichtlinien des IZBB geregelt, dass die Antragstellung auf<br />
Gewährung von Finanzhilfen von Seiten der einzelnen Schulorganisation erfolgen<br />
muss (BMBF 2003a). Zudem benötigt es einzelschulspezifischer pädagogischer<br />
Konzepte, die der eigenen Ganztagsschulorganisationen ihren pädagogischen und<br />
institutionellen Rahmen setzt, damit eine sich eine Schule überhaupt als förderfähig<br />
erweist. Diese abgeforderte Eigenaktivierung <strong>im</strong>pliziert geradezu ein Schulver-<br />
ständnis, dass sie als „pädagogische Handlungseinheit“ (Fend 2008) mit gewissen<br />
zugestandenen Freiheitsgraden beschreibt.<br />
Angesichts des an die ganztägig betriebenen Schulen gerichteten Handlungsauftra-<br />
ges, mit ihrer Angebotsgestaltung auf die spezifischen Problemlagen ihrer Schüler-<br />
schaft zu reagieren sowie einen Bezug zum umgebenen Sozialraum herzustellen<br />
(Floerecke 2009), erscheint es quasi als nicht zu verwehrende Notwendigkeit, der<br />
Schule freie Hand in der Strukturierung ihrer Selbstbeschreibung zu lassen. Denn<br />
besonders <strong>im</strong> Ganztagsschulkontext bildet die „Gestaltung der Kooperationsbezie-<br />
hungen mit den außerschulischen Partnern ein wichtiges Feld autonomen schuli-<br />
schen Handelns.“ (Rauschenbach/Arnoldt/Steiner/Stolz 2012) Darin eingeschlossen<br />
sind auch Spielräume für Schulleitungen und schulische Steuergruppen hinsichtlich<br />
der Verwendung von Finanzmitteln. In Deutschland enthalten nahezu alle Schulge-<br />
setze in den Ländern „rechtliche Regelungen zur erweiterten finanziellen Selbst-<br />
ständigkeit der Schulen.“ (K<strong>im</strong>mig/Brauckmann 2009, 261). Gleichwenn die Befug-<br />
nisse über den Einsatz von Personalmitteln auf Ebene der Einzelschule in Deutsch-<br />
land bislang nur gering ausgeprägt ist, gibt es mittlerweile exemplarische Modellver-<br />
suche, die explizit die Kombination aus eigenständiger Mittelbewirtschaft und Per-<br />
sonalmanagement auf die Agenda setzen (Jaacks/Niemann 2009). Insofern den<br />
Schulen <strong>im</strong>mer globalere Budgets <strong>im</strong> Zusammenhang ihrer eigenen Ausgestaltung<br />
des Ganztages zugestanden werden ist danach zu fragen, an welchen Prämissen<br />
sich die Entscheidungen für oder wider infrage kommender Angebote oder Koopera-
86 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
tionspartner ausrichten. Dadurch, dass die Schule und ihre Verantwortungsträger<br />
nun vermehrt <strong>im</strong> Medium Geld operieren, ist die Chance gegeben, auch andere<br />
Rücksichten als pädagogisch begründbare miteinzubeziehen. In Verhandlungen mit<br />
potentiellen außerschulischen Partnern zur Bereitstellung des Ganztagsangebots<br />
kann es eine Rolle spielen, welcher finanzielle Aufwand betrieben werden muss, um<br />
den einen oder anderen Partner für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Die je nach<br />
Leistungsanbietern differierenden Kostensätze können die Entscheidungsstrukturen<br />
dahingehend beeinflussen, dass nicht allein nach dem pädagogischen Notwendigen<br />
oder Sinnvollen entschieden wird, sondern dass der effiziente und auf die Unsicher-<br />
heiten zukünftiger Erfordernisse abgest<strong>im</strong>mte Einsatz von finanziellen Ressourcen<br />
die Wahl von Alternativen mitbest<strong>im</strong>mt. 135 Oder kurz und knapp: Nicht der Anbieter<br />
mit dem für die pädagogischen und erzieherischen Bedarfe der Schüler adäquates-<br />
ten Angebot, sondern derjenige, der seine Leistungen am kostengünstigste Anbie-<br />
tet, erhält den Auftrag. Ein solches Entscheidungshandeln kann durchaus Logisch<br />
aus Sicht der Organisation sein, wenn an die Umgang mit den zur Verfügung ste-<br />
henden Mitteln auch ihre eigenen Existenz verknüpft ist: „So kann etwa das Bemü-<br />
hen um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Schule, die Sicherung des Schulstand-<br />
ortes und eine damit einhergehende ökonomisch-marktwirtschaftliche Rationalität<br />
pädagogische Rationalitätskriterien überformen bzw. verdrängen.“ (Meis-<br />
ter/Schnetzer 2009, 159)<br />
Das hier gezeichnete Szenario erscheint nicht als völlig haltlos aus dem Grunde,<br />
dass die für die gedankenexper<strong>im</strong>entelle Konstruktion benötigten institutionellen<br />
Strukturelemente nicht frei erdacht sind, sondern sich <strong>im</strong> Diskurs wiederfinden las-<br />
sen. Erst aber die „richtige“ Modellierung kann bewirken, dass das Mischungsver-<br />
hältnis in den faktischen Entscheidungsstrukturen kostenbewusste Entscheidungs-<br />
und Handlungsvollzüge miteinschließt. 136 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind aber<br />
weder auf inhaltlicher noch auf organisatorischer Ebene triftige Argumente dafür<br />
festzumachen, dass die Ganztagsschule als Medium von Bildungsprozessen einen<br />
Beitrag zur Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s liefert bzw. sich Ökonomisierungs-<br />
tendenzen in ihrer Installation ausdrücken.<br />
135 Eine noch ganz andere Konstellation ergibt sich, wenn Sponsoring- und Fundraisingaktivtäten die<br />
Handlungssituation mit formen (Böttcher 1999).<br />
136 Dem Verfasser sind keine Untersuchungen hierzu bekannt. Wünschenswert wären hier Einzelfallstudien,<br />
die den Prozess der Ganztagsschulgestaltung mitsamt seiner entscheidungsbezogenen<br />
Grundlegungen entweder begleiten oder aber rekonstruieren. Hierbei ließe sich dann auch analysieren,<br />
ob und inwieweit ökonomische Argumente beeinflussend oder gar restringierend wirken.
87 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
4.3 Steuerungsinstrument III: Outputsteuerung durch Bildungsstandards<br />
4.3.1 Historische Herkunft, ideelle Begründung und Implementation in<br />
Deutschland<br />
Die zurückliegende bildungspolitische Dekade stand unter anderem auch <strong>im</strong> Zei-<br />
chen der Entwicklung und Implementierung von nationalen Bildungsstandards für<br />
das deutsche Schulwesen. Wenngleich die Umstellung auf eine<br />
Standardardisierung des Outputs schulisch vollzogener Bildungsprozesse <strong>im</strong> hiesi-<br />
gen nationalen Kontext ein relatives Novum darstellt, hat diese Form eines Steue-<br />
rungsmodus in anderen Nationalstaaten, wie etwa den USA, eine weit zurückrei-<br />
chende Tradition, denn die „lange Vorgeschichte der Entwicklung von Standards<br />
und des Gebrauchs von Leistungstests <strong>im</strong> amerikanischen Bildungssystem reicht<br />
bis in das 19. Jahrhundert zurück“ (Oelkers/Reusser 2008, 66 f.). Kultur- und ideen-<br />
geschichtlich betrachtet steht hinter diesem Entstehungszusammenhang das soge-<br />
nannte „Produktionsmodell von Erziehung“ 137 sowie die Genese des auf die Gestal-<br />
tung von Curricula bezogenen „Social Efficiency Movements“ (Bellmann 2012). Die<br />
Ideen von Standards sowie auf diese bezogene Testungen wurzeln in der tiefen<br />
Überzeugung von der Effektivität technologischer Intervention <strong>im</strong> Bildungssystem<br />
(Amos 2005, 217). 138 Akademisch gestützt wurde dieser Zeitstil, welcher Erziehung<br />
„als möglichst effiziente Produktion von Lernergebnissen betrachtet“, durch psycho-<br />
logische Modellierungen des Lehrens und Lernens (Bellmann/Waldow 2012). Als<br />
ideologische Promotoren dieser sich aufeinander beziehenden Strömungen fungier-<br />
ten Vertreter der Geschäfts- und Wirtschaftswelt, die für die Bekanntmachung ihres<br />
Programms verschiedene Kanäle nutzten. Zum einen konnten Abgesandte direkt<br />
am Steuerungsakteur „school board“ auf Ebene der „School-Districts“ 139 partizipie-<br />
ren, zum anderen nahmen sie indirekt Einfluss über die Erstellung und medial wirk-<br />
same Verbreitung von fallorientierter Managementliteratur, welche die Ausgestal-<br />
tung von Schule und Unterricht nach ökonomisch-rationalen Vorbildern des industri-<br />
ellen Sektors propagiert (Herzog 2012). Die langatmige und mitunter recht kontro-<br />
vers geführte Diskussion um den Nutzen, Wert sowie die Umsetzung von Bildungs-<br />
standards mündete schlussendlich in der zentral-staatlich Anweisung einer bundes-<br />
137 Angelehnt an das Managementkonzept des „Scientific Management“ (Taylor 1922), welchem spezifische<br />
anthropologische Grundsätze sowie prozessbezogene Methodiken zugrunde liegen.<br />
138 Amos (2005) rekurriert hier auf Koretz (1992) und Resnick (1982).<br />
139 Einen Einblick in die US-amerikanische Administrationsstruktur des Schulwesens sowie einen Vergleich<br />
zu den Verhältnissen in Deutschland liefern Sendzik/Berkemeyer/Otto (2011).
88 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
weiten Implementierung. Durch den No Child Left Behind Act (NCLB) von 2001 140<br />
sind alle Bundesstaaten der USA dazu verpflichtet, Bildungsstandards sowie Test-<br />
systeme zur Überprüfung von Schülerleistungen einzuführen (Kornhaber 2004).<br />
Aber auch innerhalb einiger europäische Staaten wie beispielsweise die Niederlan-<br />
de, Schweden oder England wurde sich politisch auf die Formulierung und Einfüh-<br />
rung national geltender Standards verständigt, wobei die konkrete strukturelle Aus-<br />
gestaltung von Land zu Land variiert (Oelkers/Reusser 2008). 141<br />
Die bundesdeutsche Historie von staatlich verordneten Bildungsstandards ist hinge-<br />
gen vergleichsweise jung, der Fortgang der institutionellen Etablierung nahm aber<br />
<strong>im</strong> Zuge der Debatte um die mäßigen Ergebnisse der deutschen Schülerinnen und<br />
Schüler in der PISA-Studie als Ausgangspunkt (Tillmann 2007, 38) eine erstaunliche<br />
Geschwindigkeit auf (Böttcher/Dicke 2008a, 103). Direkt <strong>im</strong> Anschluss an die Veröf-<br />
fentlichung der ersten Ergebnisse der PISA-Studie (Deutsches PISA-Konsortium<br />
2001) formulierten die damaligen Teilnehmer an der Kultusministerkonferenz (KMK),<br />
die angesichts des unbefriedigenden Abschneidens der deutschen Schülerinnen<br />
und Schüler unter enormem Handlungsdruck standen, während ihrer 296. Plenarsit-<br />
zung einen Katalog von sieben Handlungsfeldern, in denen die Landesvertretungen<br />
und die KMK vorrangig tätig werden sollten. Eine der anvisierten Maßnahmen war<br />
die <strong>im</strong> Handlungsfeld fünf benannte konsequente „Weiterentwicklung und Sicherung<br />
von Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Stan-<br />
dards sowie eine ergebnisorientierte Evaluation“ (Pressemitteilung vom<br />
06.12.2001). 142 Im Anschluss daran wurden von der KMK Arbeitsgruppen, zusam-<br />
mengesetzt aus Vertretern der Kultusministerien, Lehrerbildungsinstituten, der<br />
Schulpraxis sowie der Wissenschaft, zur Entwicklung und Überarbeitung länder-<br />
übergreifender Standards für verschiedene Bildungsabschnitte eingesetzt. 143 Zu-<br />
nächst wurden zum Ende des Jahres 2003 Standards für den Mittleren Schulab-<br />
schluss (Jahrgangsstufe 10) in den Fächern Deutsch, Mathematik und Erste Fremd-<br />
sprache (Englisch/Französisch) von der KMK beschlossen (Beschluss der Kultus-<br />
140 Das Gesetzestext ist auf der Seite des U.S. Department of Education unter<br />
http://www2.ed.gov/policy/elsec/leg/esea02/index.html (Zugriff 03.08.2012) online gestellt worden.<br />
141 Obgleich der Anschein erweckt wird, das Programm der Einführung von Bildungsstandards entwickle<br />
sich in den letzten Dekaden zum „Selbstläufer“ und diffundiere widerstandslos <strong>im</strong> Sinne einer „(western-)<br />
world-polity“(Hasse/Krücken 2005, 42 ff.), so gibt es auch Fälle, etwa Wales, die von der Nutzung<br />
standardbezogener Tests abgekehrt sind (Kopp 2007).<br />
142 Zum gesamten Maßnahmenkatalog in Bezug auf die definierten Handlungsfelder <strong>im</strong> Nachgang zu<br />
PISA und PISA-E siehe den Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz vom 17./18.10.2002, online<br />
abrufbar unter http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2002/massnahmen.pdf (Zugriff<br />
08.08.2012).<br />
143 Zum Orientierungrahmen: „Wichtige Grundlagen für die Arbeitsgruppen waren die Standards der<br />
amerikanischen Mathematikvereinigung (NCTM), der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für<br />
Sprachen, <strong>im</strong> Rahmen von Large-Scale-Untersuchungen wie PISA erarbeitete Kompetenzstufen sowie<br />
die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Klieme-Expertise“ (Kultusministerkonferenz 2005,<br />
15)
89 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
ministerkonferenz vom 04.12.2003). Es folgten <strong>im</strong> Oktober 2004 die Beschlüsse<br />
über die Bildungsstandards in den gleichen Domänen für den Hauptschulabschluss<br />
(Jahrgangsstufe 10) sowie für den Pr<strong>im</strong>arbereich (Jahrgangsstufe 4) in den Fächern<br />
Deutsch und Mathematik. Kurz darauf, <strong>im</strong> Dezember 2004, wurden des weiteren<br />
Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) in den Fä-<br />
chern Biologie, Chemie und Physik verabschiedet. 144 Damit decken die eingeführten<br />
Bildungsstandards exakt jene Domänen ab, welche die Organisation für wirtschaft-<br />
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem literacy-Konzept für die<br />
Bereiche Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche<br />
Kompetenz abbildet.<br />
4.3.2 Konzeption der Standards und zugedachte Funktionen für den Unterricht<br />
Diese sowohl abschluss- als auch kompetenzstufenbezogenen Normierungen<br />
„greifen die Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf,<br />
beschreiben die fachbezogenen Kompetenzen einschließlich zugrunde lie-<br />
gender Wissensbestände, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem be-<br />
st<strong>im</strong>mten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen,<br />
zielen auf systematisches und vernetztes Lernen und folgen so dem Prinzip<br />
des kumulativen Kompetenzerwerbs,<br />
beschreiben erwartete Leistungen <strong>im</strong> Rahmen von Anforderungsbereichen,<br />
beziehen sich auf den Kernbereich des jeweiligen Faches und geben den<br />
Schulen Gestaltungsräume für ihre pädagogische Arbeit,<br />
weisen einen mittleres Anforderungsniveau (Regelstandard) aus, werden<br />
durch Aufgabenbeispiele veranschaulicht.“ (Kultusministerkonferenz 2005, 6)<br />
Ihrer Zweckbest<strong>im</strong>mung nach soll durch die Standardisierung des schulischen Ler-<br />
nens „expliziert, präzisiert und operationalisiert werden, welche Kompetenzen Ler-<br />
nende […] zu (einheitlich) festgelegten Zeitpunkten ihrer Lernbiographie auf be-<br />
st<strong>im</strong>mten Fachgebieten (in der Regel) entwickelt haben soll. Standards operationali-<br />
sieren nicht nur das unterrichtspraktisch zu Erstrebende in der Form erwünschten<br />
Lernouputs, sie bezwecken auch die Vereinheitlichung wünschenswerten Lernout-<br />
puts.“ (Heid 2007, 32) Dieser idealen funktionalen Kennzeichnung zufolge sind Bil-<br />
dungsstandards sowohl <strong>im</strong> Zeitverlauf wie auch komparativ für verschiedene Sozi-<br />
alebenen abbildbar.<br />
144 Sämtliche Dokumente zur Einführung von Bildungsstandards sind auf der Webseite der Kultusministerkonferenz<br />
einzusehen, siehe http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-inschulen/bildungsstandards/dokumente.html<br />
(Zugriff am 30.07.2012). Laut Homepage des Instituts für<br />
Qualitätsentwicklung <strong>im</strong> Bildungswesen (IQB) wurden die Bildungsstandards zum Schuljahresbeginn<br />
2004/05 bzw. 2005/06 verbindlich eingeführt, siehe http://www.iqb.hu-berlin.de/bista (Zugriff<br />
31.07.2012).
90 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Die hierbei als ergebnisorientierende Maßstäbe, <strong>im</strong> Sinne von erwünschten und<br />
erwarteten Outputmerkmalen von unterrichtsvermittelten Lernprozessen, herange-<br />
zogenen Standards „werden in Kompetenzmodellen systematisch über verschiede-<br />
ne Kompetenzstufen geordnet, die Aspekte, Abstufungen und Entwicklungsverläufe<br />
von Kompetenzen darstellen.“ (Maag Merki 2010, 147) 145 Hinsichtlich der Niveauan-<br />
forderungen in den einzelnen Leistungsbereichen wurden die eingeführten Bil-<br />
dungsstandards als Regelstandards definiert, welche „Kompetenzen, die <strong>im</strong> „Durch-<br />
schnitt“, „in der Regel“ von den Schülerinnen und Schülern einer Jahrgangsstufe<br />
erreicht werden sollen“ (Kultusministerkonferenz 2005, 9), beschreiben. Damit wur-<br />
de der Empfehlung einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auf-<br />
trag gegebenen und <strong>im</strong> Jahr 2003 veröffentlichten Expertise einer Arbeitsgruppe<br />
vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) nicht<br />
entsprochen, in welcher sich die beauftragten Wissenschaftler dafür ausgesprochen<br />
haben, „in den nationalen Bildungsstandards ein verbindliches Min<strong>im</strong>alniveau“, also<br />
Mindeststandards, festzuschreiben (Klieme/ Avenarius/ Blum/ Döbrich/ Gruber/<br />
Prenzel/ Reiss/ Riquarts/ Rost/ Tenorth/ Vollmer 2003, 20) 146 . Die Experten weisen<br />
Mindeststandards für die Qualitätssicherung <strong>im</strong> Schulwesen unter einer Gerechtig-<br />
keitsperspektive eine entscheidende Bedeutung zu, wird doch erwartet, dass allein<br />
formulierte Mindestanforderungen einen entscheidenden Beitrag zum Abbau von<br />
Disparitäten <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> leisten können, währenddessen bei einer Einsetzung<br />
von Regelstandards und der damit einhergehenden Spezifizierung eines „Normal-<br />
Schülers“ die entscheidende Frage, was leistungsschwächere Schülerinnen und<br />
Schüler wissen müssen, unbeantwortet bleibt 147 (Klieme et al. 2003, 20 f.). Die Kul-<br />
tusministerkonferenz begründet dieses Vorgehen mit der Notwendigkeit pragmati-<br />
schen Handelns, weil „Mindeststandards erst nach einem längeren Prozess der Er-<br />
fahrung <strong>im</strong> Umgang mit Bildungsstandards formuliert werden können.“ (Kultusminis-<br />
terkonferenz 2005, 14)<br />
Den Bildungsstandards als vorab definierte, erwartete Ergebnisse von Lernprozes-<br />
sen in Form von Kompetenzständen in einzelnen Domänen zu unterschiedlichen<br />
Zeitpunkten in den Bildungsbiographien der Schülerinnen und Schüler folgend, sol-<br />
len schulische Prozesse auf zu fokussierende, weil gesellschaftlich hoch bewertete,<br />
Zielzustände ausgerichtet werden, denn: „Sie arbeiten in klarer und konzentrierter<br />
145 Der Begriff „der Kompetenz kann in einem ganzheitlichen Sinne die Fähig- oder Fertigkeit verstanden<br />
werden, komplexe Anforderungen und Aufgaben in einem konkreten Kontext erfolgreich zu bewältigen,<br />
indem man Ressourcen mobilisiert.“ (Criblez/Oelkers/Reusser/Berner/Halbheer/Huber 2009, 35).<br />
Es handelt sich also <strong>im</strong> doppelten Sinne um ein Konstruktion von erlernbaren oder bereits darstellbaren<br />
Fähigkeiten zu Zwecken der „Problemlösung in variablen Situationen“ (Weinert 2001, 28).<br />
146 Auch Online unter http://www.szs-dachau.de/expertise_bildungsstandards.pdf (Zugriff 30.07.2012).<br />
147 Entgegen dem von politischer Seite ausgerufenen Anspruch, dem Bedarf einer „Vergleichbarkeit<br />
der Chancen“ mittels von Vergleichsmaßstäben sowie ihrer Evaluation nachzukommen (Kultusministerkonferenz<br />
2005, 10f.)
91 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Form heraus, worauf es in unserem <strong>Schulsystem</strong> ankommt.“ (Klieme et al. 2003, 47)<br />
Den die pädagogischen Leistungserbringungsprozesse vollziehenden Instanzen,<br />
vornehmlich den Einzelschulen und speziell den Lehrkräften, vermitteln die zentral<br />
konstruierten standardbezogenen Aufgabenbeispiele, welche konkreten fachlichen<br />
Inhalte in welchen Schwierigkeitsgraden bearbeitet werden sollen. Damit werden<br />
verbindliche Erwartungshorizonte für den schulischen Unterricht benannt. Über den<br />
Mechanismus der eindeutigen 148 , kompetenzstufenbasierten Herausarbeitung von<br />
zu erzielenden Outputs des Unterrichts bzw. der Lehr-Lern-Interaktion und die an-<br />
schließende instrumentenvermittelte Einspeisung dieser in den Unterrichtszusam-<br />
menhang soll die Möglichkeit bestehen, „Einfluss auf den konkreten Unterricht zu<br />
nehmen und eine Veränderung der Lehr- und Lernvorgänge zu initiieren.“<br />
(Karpen/Ingwertsen 2005, 20) Dadurch, dass sie explizit als Ergebnisstandards und<br />
nicht als prozesssteuernde „oppertunity to learn standards“ (Oelkers/Reusser 2008)<br />
beschrieben werden, betonen sie „die Verantwortung der Schulen und Lehrkräfte für<br />
die Lernergebnisse und schaffen gleichzeitig mehr Raum für eigenständiges profes-<br />
sionelles Handeln.“ (Klieme et al. 2003, 49) Die handelnden Lehrpersonen sollen<br />
idealerweise in der Schule selbst, ohne das strikte methodische und pädagogische<br />
Vorgaben gemacht werden, „Mittel und Wege finden können, mit deren Hilfe die<br />
Schülerinnen und Schüler die verlangten Standards auch erreichen können.“ (von<br />
Saldern/Paulsen 2004, 96) 149 Mittels der in diesem Zusammenhang als funktional<br />
erachteten erhöhten Autonomie der Einzelschule sowie der individuellen Lehrperson<br />
(Heinrich 2007) sollen selbstorganisierte Prozesse der Schul- und Unterrichtsent-<br />
wicklung provoziert werden, die <strong>im</strong> Sinne der Erreichung der zentral vorgegebenen<br />
Zielzustände in den Schülerleistungen schulintern zu kanonisieren sind. Da die Ein-<br />
führung von Bildungsstandards nicht als mechanistischer Prozess begriffen werden<br />
kann und soll (Criblez et al. 2009, 105), sondern vielmehr einen quantifizierbaren<br />
und empirisch nachvollziehbaren Erwartungsrahmen für Schülerleistungen bzw.<br />
Kompetenzstände abstecken soll , werden den Systemakteuren handlungsorientie-<br />
rende Musterartefakte für die schulische und unterrichtliche Prozessd<strong>im</strong>ensionen in<br />
Form von Handreichungen, etwa der von der KMK und dem IQB <strong>im</strong> Jahr 2010 veröf-<br />
fentlichen „Konzeption der Kultusministerkonferenz zur Nutzung der Bildungsstan-<br />
148<br />
Dem Anspruch der Eindeutigkeit wird, indem nur Regelstandards formuliert wurden, nicht opt<strong>im</strong>al<br />
nachgekommen.<br />
149<br />
Demzufolge können Bildungsstandards zweifellos als zweckprogrammierendes Steuerungsinstrument<br />
(Diemer/Kuper 2010, 260), von diesem ausgehend Manipulationen in der Input- und Prozessd<strong>im</strong>ension<br />
vorgenommen werden sollen, ausgezeichnet werden. Für die Lehrkraft bedeutet das zwar<br />
nach wie vor eine „Autonomie der Wege“ (Heid 2003), aber eine nicht mehr so weitreichende „Autonomie<br />
der Ziele“ (Heinrich 2007, 69).
92 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
dards für die Unterrichtsentwicklung“ 150 , oder Unterrichtsmaterialien , die in Bezie-<br />
hung zur den zu erzielenden Kompetenzen stehen, zur Verfügung gestellt. 151 Denn,<br />
zu diesem Schluss sind Wissenschaft, Praxis und nicht zuletzt Bildungspolitik sowie<br />
Bildungsadministration gelangt, für „das Lehren und Lernen gilt: keine Qualität der<br />
Produkte ohne entsprechende Prozessqualität.“ (Oelkers/Reusser 2008, 399) Die-<br />
ser Einsicht Rechnung tragend gelangten mit einiger Verzögerung dann auch weite-<br />
re mit pädagogischen Themensetzungen befasste Wissenschaftsbereiche, wie etwa<br />
die Fachdidaktik oder die Unterrichtsforschung, zu vermehrter Außenadressierung<br />
und eigeninitiierter Aktivität. Der an diese Instanzen gerichtete Auftrag bestand da-<br />
rin, die Kompetenzd<strong>im</strong>ensionen und –niveaus der Bildungsstandards aufzugreifen,<br />
um eine Brücke zwischen diesen sowie der prozessualen Ebene der Unterrichts zu<br />
schlagen mit dem Ziel der Entwicklung von Konzepten eines kompetenzorientierten<br />
Unterrichts (Klieme/Rakoczy 2008). Der Anspruch einer gezielt auf Kompetenzstan-<br />
dards bezogenen Qualitätsentwicklung des <strong>Schulsystem</strong>s wird demnach den Mo-<br />
dellvorstellungen entsprechend nur über die wirksame Penetration der Mikroebene<br />
des Unterrichts erfüllbar sein. Bewegungen domänenspezifischer Aufgabenentwick-<br />
lungen sowie der Bereitstellung von zieladäquaten Lehr- und Lernmitteln sind hier<br />
beispielhaft anzuführen (Artelt/Riecke-Baulecke 2004).<br />
In Anbetracht einer grundsätzlichen Gewährung planerischer und pädagogischer<br />
Freiräume sollen also systemweit akteurielle Wahrnehmungs- und Handlungswei-<br />
sen auf die verbindlich vorgegebenen Bildungsstandards hin orientiert werden. Um<br />
den globaleren Hoffnungen der Verbesserung von Schülerleistungen, der Reduzie-<br />
rung von Bildungsbenachteiligungen (Böttcher/Dicke 2008a, 104) sowie einer ver-<br />
besserten Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und damit einhergehend einer<br />
größeren Durchlässigkeit zwischen den Landessystemen nachkommen zu können,<br />
bedarf es evidenter Nachweise über Leistungsstände und –entwicklungen, für diese<br />
die fachbezogenen Kompetenzmodelle eine geeignete Folie darstellen bzw. ihrem<br />
Anspruch nach darstellen sollen. In diesem Zusammenhang wird dem Instruments<br />
Bildungsstandards eine Doppelfunktion zugesprochen: Sie haben evaluativen Cha-<br />
rakter infolge der ihnen inhärenten Präzisierung von Bildungszielvorgaben sowie<br />
ihrer stufenbezogenen Modellierung als messbare Größen. Zudem wird diesem In-<br />
strument Potential zur Generierung von Steuerungswissen <strong>im</strong> Anschluss an eine<br />
Messung von Ergebnissen schulischer „Produktion“ attestiert, kann doch eine valide<br />
150 Online abrufbar unter<br />
http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2010/2010_00_00-Konzeption-<br />
Bildungsstandards.pdf (Zugriff: 01.08.2012).<br />
151 Dennoch belegen Forschungsergebnisse weitreichende Problematiken für die Implementation von<br />
Standards in die pädagogischen Handlungs- und Interaktionsebenen (Böttcher/Dicke 2008b;<br />
Pant/Vock/Pöhlmann/Köller 2008).
93 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Vergegenwärtigung der zeitpunktbezogenen Leistungsstände potentiell für die invol-<br />
vierten und verantwortlichen Akteurebenen Hinweise für Maßnahmen der Qualitäts-<br />
entwicklungen, <strong>im</strong> hiesigen Kontext verstanden als Schul- und Unterrichtsentwick-<br />
lung, und Ressourcenallokationen liefern (Böttcher/Dicke 2008a, 104).<br />
4.3.3 Bildungsstandards und Systemmonitoring<br />
Wenngleich sowohl <strong>im</strong> politisch-administrativen Verantwortungsbereich sowie unter<br />
den mit Bildungsfragen und darauf bezogenen Reformvorhaben befassten Wissen-<br />
schaftsakteuren weitgehende Einigkeit über die Annahme herrscht, dass Bildungs-<br />
standards nicht ausschließlich von ihrem Ende her gedacht werden können, son-<br />
dern in einen engen Zusammenhang mit auf das Prozessgeschehen <strong>im</strong> Unterrichts-<br />
kontext abzielenden Maßnahmen gestellt werden müssen (Oelkers/Reusser 2008,<br />
408), können die Konsequenzen für das gesamte institutionelle System der Schule<br />
nicht allein auf die Orientierungsfunktion für den Komplex tatsächlicher pädagogi-<br />
scher Interaktion und angegliederter Schulentwicklungsbestrebungen reduziert wer-<br />
den. Wie bereits angedeutet, können und sollen Bildungsstandards der Qualitätssi-<br />
cherung und –entwicklung <strong>im</strong> Bildungssystem dienen (Klieme et al. 2003, 90).<br />
Monitoringverfahren zum Zweck der Erfassung und Bewertung des Outputs von<br />
schulischen Lernprozessen wird hier eine besondere Bedeutung zugesprochen.<br />
Standards und Systembeobachtung stehen in einem untilitaristischen Entspre-<br />
chungsverhältnis, denn: „Die ergebnisorientierten Bildungsstandards sollen zum<br />
Systemmonitoring, zur Schulevaluation […] genutzt werden.“ (Amos 2005, 210).<br />
In diesem Kontext wurde parallel zur Entwicklung und Verabschiedung der Stan-<br />
dards 152 2004 das „Institut zur Qualitätssicherung <strong>im</strong> Bildungswesen – Wissen-<br />
schaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-<strong>Universität</strong> zu Berlin“ (IQB) ge-<br />
gründet. 153 Neben der Operationalisierung, Normierung und Weiterentwicklung von<br />
Bildungsstandards ist diese staatlich 154 getragene Einrichtung weiterführend damit<br />
beauftragt, den Aufbau eines Aufgabenpools zur Standardüberprüfung sowie die<br />
Durchführung eines nationalen Bildungsmonitorings zu realisieren (Kultusminister-<br />
konferenz 2005, 20). Mit dieser bildungspolitischen Entscheidung wurde die zentrale<br />
institutionelle Grundlage für die leistungsbezogene Informationsgewinnung über das<br />
bundesdeutsche Schulwesen gelegt. Damit den Bildungsstandards die ihnen zuge-<br />
152 von Saldern (2007) weist darauf hin, dass schon vor Beginn der zentralen Standardentwicklung<br />
seitens der KMK einzelne Bundesländer begonnen haben, eigene Standards zu formulieren. Und auch<br />
schon am 12.05.1995 wurde von der KMK eine Vereinbarung über „Standards für den Mittleren<br />
Schulabaschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache“ geschlossen, die<br />
offensichtlich kaum Bindekraft besaß und zu keinem koordinierten Aktionen veranlasste.<br />
153 Mehr zum Entstehungszusammenhang des IQB bei Huber/Späni/Schmellentin/Criblez (2006).<br />
154 Siehe http://www.iqb.hu-berlin.de/institut/Grndung (Zugriff 01.08.2012): „Die Finanzierung erfolgt<br />
entsprechend dem Königsteiner Schlüssel durch die 16 Bundesländer.“
94 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
schriebene Funktion als Steuerungsinstrumente zur Qualitätssicherung <strong>im</strong> Schulwe-<br />
sen (Zeitler/Köller/Tesch 2010, 23 ff.) genügen können, bedarf es, so die auf ein<br />
Reziprozitätsverhältnis von Lernleistungsvorgaben und testbasierter Leistungskon-<br />
trolle abstellende Modellvorstellung, auf der anderen Seite ein entsprechendes<br />
„Monitoringkonzept, welches in stärkerem Maße schulische Prozesse und die Lern-<br />
erträge der Schülerinnen und Schüler einer empirischen Überprüfung unterstellt“<br />
(Maag Merki/Schwippert 2008, 773). 155 Denn, obgleich er mitunter <strong>im</strong> Einzelfall oder<br />
auch <strong>im</strong> Kollektivverbund orientierende Effekte zeitigt, ein Standard „is not useful or<br />
meaningful unless there es some way to measure whether it is reached.“ (Ravitch<br />
1995, 11)<br />
Die Überprüfung auf bundesdeutscher Ebene geschieht, mit Fokus auf die erwähn-<br />
ten Lernerträge, durch die Ländervergleichsberichte, vorgelegt vom IQB (z.B. Köl-<br />
ler/Knigge/Tesch 2010), welche an die Stelle der PISA-Ergänzungsstudien (PISA-E)<br />
getreten sind (z.B. PISA-Konsortium Deutschland 2005). Nebst diesen Vergleichen<br />
auf höheren Aggregatebenen wie den deutschen Bundesländern sollen die Bil-<br />
dungsstandards als Referenzgrößen für Leistungsstände und –entwicklungen auch<br />
auf anderen Subebenen des Gesamtsystems als „Beobachtungsinstrumente“ ihre<br />
„Orientierungspotentiale“ (Fend 2008) nachweisen. Als Teil „testbasierter Schulre-<br />
formen“ (Maier 2010) können die nationalen Bildungsstandards, in Verbindung mit<br />
denen in erheblichem Maße auf ihnen basierenden Lernstandserhebungen 156 als<br />
Testverfahren, nicht nur für Bund und Länder als „Benchmarks“ (Fend 2006, 72),<br />
sondern bei ausreichend tiefer Durchdringung des formal-institutionalisierten<br />
Mehrebenensystems des Schulwesens (Kussau/Brüsemeister 2007, 31 ff.) gleich-<br />
falls eine Monitoringfunktion für Regionen und/oder Einzelschulen erfüllen (Maag<br />
Merki 2010, 147). Auch auf diesen Ebenen sollen dann anhand der so ermittelten<br />
Daten „problematische Bereiche <strong>im</strong> Bildungswesen identifiziert werden können und<br />
der politischen Administration sollen Informationen zur Gestaltung und Entwicklung<br />
des Bildungswesens zur Verfügung gestellt werden können.“ (Criblez et al. 2009,<br />
106). Berichtswesen, die eine Überprüfung von Systemleistungen, hier in Form test-<br />
basierter Selbst- und Fremdbeobachtung definierter und als erwartbar eingestufter<br />
Kompetenzstandards für Schülerinnen und Schüler, auf verschiedenen Systemebe-<br />
nen, etwa der Einzelschule oder der Schulklasse, ermöglichen, sind prinzipiell nutz-<br />
155 Aufgrund der verengten Beschreibung des Schulwesens über die Definition und Kontrolle von standardisierten<br />
Bildungszielen ist die Etablierung und Arbeit des IQB als Element eines solchen<br />
Monitoringkonzepts zu werten.<br />
156 Hier sind die einzelnen Bundesländer für Organisation und Durchführung zuständig. Die Anbindung<br />
an die nationalen Bildungsstandards wird aber wiederum über das IQB gewährleistet, welches länderübergreifend<br />
als Testentwicklungsinstanz fungiert. Lernstandserhebungen werden in den 3. Und 8.<br />
Klassen unter dem Namen VERA (für Vergleichsarbeiten) deutschlandweit, mit Ausnahme Baden-<br />
Württembergs, durchgeführt.
95 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
bar für reaktive Steuerungseingriffe infolge von Leistungsabweichungen<br />
(Kussau/Brüsemeister 2007, 231).<br />
Die angedeutete Komplementarität 157 von standardisierten Leistungsvorgaben als<br />
normativer Zield<strong>im</strong>ension, teilweise kleingearbeitet für die unterrichtliche Praxis In<br />
Form von Aufgabenbeispielen und didaktischen Handreichungen, sowie entspre-<br />
chender externen Testverfahren (Assesments) zur Erfassung erreichter Kompe-<br />
tenzniveaus für verschiedene soziale Aggregatebenen 158 des Schulwesens, ermög-<br />
licht unter anderem auch auf Schul- und Klassenebene den Nachvollzug von Leis-<br />
tungsständen sowie von leistungsmäßigem Fort- und/oder Rückschritt, und damit<br />
einhergehend <strong>im</strong> Wechselverhältnis der Akteurebenen eine „test-based<br />
accountability“ bezogen auf die jeweilige Einheit (Koretz 2008). Diese, realen<br />
und/oder potentiellen, sich an den vorgestellten Reformkomplex anschließenden<br />
Ereignisfolgen bieten Anschlüsse für eine Betrachtung des outputorientierten Steue-<br />
rungsinstruments der Bildungsstandards sowie der darauf bezogenen<br />
Monitoringsysteme in Hinblick auf mögliche, ob nun intendierte oder vielmehr trans-<br />
intentional evolvierende, Implikationen, die auf eine Ökonomisierung des Schulwe-<br />
sens hinweisen bzw. einer solchen ihre Dienste leisten.<br />
4.3.4 Bildungsstandards und Ökonomisierung<br />
Unter analytischen Gesichtspunkten ist danach zu fragen, ob eine Standardisierung<br />
von Systemleistungen auf Outputseite, wie sie Bildungsstandards für das Schulwe-<br />
sen definieren, per se als ein Hinweis auf eine Fortschreitende Ökonomisierung des<br />
Kommunikations-, Institutionen- und Akteurzusammenhangs „Schulwesen“ zu wer-<br />
ten sind, wie es von manchen Kritikern dieses Reformsinstrument nahegelegt wird.<br />
Warnungen vor einer „08/15-Schule“ (Herzog 2008) oder der „Reduktion gesell-<br />
schaftlicher Erwartungen auf ökonomische Verwertbarkeit von allem und jedem“<br />
(Giesecke 2005) eröffnen nur einen kleinen Ausschnitt der üblicherweise von Seiten<br />
pädagogischer Vertreter geübten Kritik an der Standardisierung <strong>im</strong> Schulwesen.<br />
Dass aber gerade die Beanstandung einer scheinbar neuartigen und seit PISA um-<br />
so stärker protegierten Verwertungslogik von Bildungsinhalten weniger eindeutig<br />
auf, von der Einführung von Bildungsstandards ausgehenden, ökonomisierte Ver-<br />
hältnisse hinweist, vielmehr erst best<strong>im</strong>mte institutionalisierte Konstellationsstruktu-<br />
ren einen Nährboden für die Ausbreitung ökonomisch orientierter Wahrnehmungs-<br />
und Handlungsmuster bereiten können, soll nachfolgend aufgezeigt werden.<br />
157 Böttcher (2002, 134 f.) formuliert es mit Bezug auf Standardsisierung wie folgt: „Die andere Seite<br />
verweist auf notwendige Evaluierung der Arbeitsergebnisse. Beide „Gegengewichte“ sind Bedingung<br />
für ein tariertes System der Steuerung.“<br />
158 Anm.: Individuell, klassenbezogen, kollektiv-organisational, kollektiv-systemweit.
96 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
4.3.4.1 Ökonomische Vereinseitigung von schulischen Bildungsinhalten<br />
Die Festlegung von möglichst konkreten Anforderungen an das, was das Schulsys-<br />
tem, in Bezug auf die ihm zugedachten Funktionen (Fend 2006), zu leisten hat, ist<br />
noch nicht als ein unabweisbares Indiz für eine Tendenz hin zur gestiegenen<br />
Ökonomisierung des Bildungssystems aufzufassen. 159 Offensichtlich ist bzw. war für<br />
das <strong>Schulsystem</strong> ein Desiderat an präzisen Aufgabenbeschreibungen auszuma-<br />
chen, liegt einem die Wahrnehmung „extremer Zielvagheit und Unklarheit“ (Böttcher<br />
2003, 217) 160 nahe. Angenommen, diese Beschreibung ist bzw. gilt intersubjektiv als<br />
wahr, wie auch von weiteren Beobachtern kolportiert wird (Jäger/Prenzel 2005,<br />
178), und dieser Zustand wird mehrheitlich 161 als Problem wahrgenommen, bietet<br />
sie Anlass zur Ergreifung reaktiver Maßnahmen, wie es etwa <strong>im</strong> Nachgang der<br />
erstmaligen Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse <strong>im</strong> bildungspolitischen System-<br />
zusammenhang geschehen ist (Tillmann/Dedering/Kneuper/Kuhlmann/Nessel 2008,<br />
382 ff.) .<br />
Eine soziologisch fundierte und sich als analytisch begreifende Betrachtung des<br />
Sachverhaltes einer Etablierung von Bildungsstandards als outputsteuernde Leitka-<br />
tegorien für das <strong>Schulsystem</strong> bzw. die Systemakteure kann zunächst einmal nur auf<br />
die funktionale D<strong>im</strong>ension dieses Phänomens eingehen. Unter einer solchen Per-<br />
spektive wären Bildungsstandards, verstanden als Wahrnehmungen und Handlun-<br />
gen orientierende Leitkategorien, als ein Versuch tendenziell notwendiger, aber mit<br />
Sicherheit kontingenter Komplexitätsreduktion zu deuten. 162 Die Herstellung von<br />
sinnhafter Ordnung durch die selektive „Verarbeitung von Möglichkeitsüberschüs-<br />
sen“ (Stichweh 2003, 243) und die institutionelle Fixierung von Sollens-Kategorien<br />
sind für soziale Systeme als natürliche Vorgehen zum Zwecke des Selbsterhalts zu<br />
unterstellen. 163 Zielspezifizierungen und die Verjüngung des Sets an Handlungsal-<br />
ternativen sind somit notwendige Bedingungen für das Systemüberleben und wirken<br />
für die Individualebene entlastend, weil verbindliche Signale Entscheidungssituatio-<br />
nen strukturieren und benennen können, was erwartet wird. 164 Aus dieser Sicht tra-<br />
gen klare und einheitliche Standards dazu bei, eine eindeutige „Programmlogik“ für<br />
pädagogische Aktivitäten bereitzustellen (Böttcher 2003, 148).<br />
159 So argumentiert von Kuehnhe<strong>im</strong> (2011) in einem Artikel erschienen in der Frankfurter Allgemeinen<br />
Zeitung, wenn er vor einer, für ihn unzweifelbar heraufziehenden, utilitaristischen Subsumtion von<br />
Bildungsfragen unter die Bedürfnisse der Wirtschaft warnt.<br />
160 Oder mit Luhmann (2002, 197): ein System mit „selbstproduzierter Ungewissheit“.<br />
161 Bzw. von den entscheidenden, weil entscheidungsmächtigen, Akteuren.<br />
162 Ob es sich hierbei wirklich um ein Komplexität reduzierendes Element handelt oder nicht vielmehr<br />
zu einer Steigerung von Komplexität durch die Ausweitung der systeminternen Informationsbasis handelt,<br />
muss zunächst offen bleiben. Hier bieten sich weiterführende Forschungsleistungen an.<br />
163 Legt man beispielsweise folgende Definition von der Form der Komplexität an: „die selektive Organisation<br />
der Autopoiesis des Systems.“ (Luhmann 1997, 138)<br />
164 Ob die zu bearbeitenden Probleme, z.B. schwache Leistungen von Schülerinnen und Schülern,<br />
damit dann wirklich effektiv angegangen werden können, ist eine andere Frage.
97 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
In einer Ad-hoc-Betrachtung mag die Einschätzung, dass die Konzentration auf ein-<br />
zelne, als zentral für die individuelle wie gesellschaftliche Entwicklung geltende,<br />
Kompetenzbereiche, wie es infolge der bildungspolitischen Entscheidungen für die<br />
Fokussierung der Domänen Deutsch, Mathematik, erste Fremdsprache sowie Na-<br />
turwissenschaften geschehen ist, gewissermaßen der Funktionalisierung von Bil-<br />
dung <strong>im</strong> Sinne einer Unterordnung unter ökonomische Sinnsetzungen Vorschub<br />
leisten, plausibel sein. Ob eine Zuspitzung und Vereinseitigung pädagogischer<br />
Kommunikation <strong>im</strong> institutionellen Schulwesen auf die von staatlicher Seite verbind-<br />
lich vorgeschriebenen fachbezogenen Kompetenzstandards überhaupt unterstellt<br />
werden kann, muss theoretisch und erst recht empirisch bislang offen bleiben. 165 Es<br />
kann lediglich darüber spekuliert und in den Fokus der Aufmerksamkeit genommen<br />
werden, „ob vor allem diejenigen (Kern-)Fächer, für die künftig Standards bestehen,<br />
dadurch eine <strong>im</strong>plizite Aufwertung erfahren, während das Fehlen von Standards in<br />
anderen Fächern zu deren (weiterer) Marginalisierung führen könnte.“<br />
(Halbherr/Reusser 2008, 264) Eine Überprüfung dieser These lässt sich eventuell<br />
darüber eröffnen, die Verteilungsbewegungen von Forschungsgeldern dahingehend<br />
zu beobachten, ob mit Standards versehende Domänen und speziell die einzelnen<br />
Kompetenzd<strong>im</strong>ensionen hier besondere Aufmerksamkeit erfahren.<br />
Aus differenzierungstheoretischer Perspektive darf zumindest angenommen wer-<br />
den, dass die Akteure des Wirtschaftssystems durchaus sehr konkrete Erwartungen<br />
an die Leistungsproduktionen des Bildungssystems stellen. Unter Zugrungelegung<br />
einer recht theoretisch-idealisierten Annahme über die Intentionen und Richtungen<br />
des Wollens der Systemakteure der Ökonomie ist zu vermuten, dass die Wirtschaft<br />
vom Bildungssystem verlangt, „dass in Schulen und Hochschulen endlich auf Berufe<br />
vorbereitet wird“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010c, 47). Die in schulischen Leistungserbringungs-<br />
prozessen erzeugten Ergebnisse, gesellschaftlich gemeinhin beobachtet an den<br />
aggregierten Kompetenzmerkmalen der Schülerschaft, werden dann, falls diese<br />
Annahme wirklich zutreffen sollte, vornehmlich mit Blick auf ihre Adäquanz und<br />
Verwertbarkeit 166 <strong>im</strong> arbeitsmäßig betriebenen Wirtschaftszusammenhang gedeutet.<br />
Sollte die hier diskutierte Beobachtungsform wahrlich in dieser Form bestand haben,<br />
erscheint die Schaffung von „Humankapital“ 167 als das (diktiert) drängendste Bil-<br />
dungsziel (Giesecke 2005). Offen ist aber, ob die Standardsetzung als ein Generie-<br />
rungswerkzeug von Humankapital fungiert. Ist eine solche Systemdiagnose als em-<br />
165 So der Kenntnisstand des Verfassers dieser Arbeit.<br />
166 Zur Klärung: „Im Begriff der Verwertbarkeit ist der Verwendungszusammenhang von Wissen und<br />
Kompetenzen nach Maßgabe ökonomischer Gestaltungsdirektiven definiert, die die erfahrungs- und<br />
lebensweltlichen Kontexte der Menschen partikularistisch, gefiltert durch das besondere Interesse<br />
durchstrukturieren.“ (Bernhard 2005, 242).<br />
167 Von der OECD (1999, 11) definiert als „knowledge, skills, competencies and other attributes embodied<br />
in individuals that are relevant to personal, social and economic well-being.”
98 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
pirisch haltbarer Tatbestand auszuweisen, darf behauptet werden, dass sich <strong>im</strong><br />
<strong>Schulsystem</strong> hauptsächlich an den sachlichen Erfordernissen des Wirtschaftssys-<br />
tems orientiert wird, dem <strong>Schulsystem</strong> also eine (vermutlich) fremdartige, weil nicht<br />
traditionellen pädagogischen Bildungsidealen und entsprechend, Fiktion materialer<br />
Rationalität nahegelegt wird, die „eine inhaltliche Anpassung der teilsystemischen<br />
Leistungsproduktionen an die hegemoniale Deutung dessen, was der Wirtschaft Not<br />
tut“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 52) nach sich zieht. 168<br />
Schon die defensiven Formulierungen sowie der stet Gebrauch des Konjunktivs<br />
lassen erahnen, dass sich abseits der Ausweisung theoretischer Möglichkeitshori-<br />
zonte sowie ideologisch gefärbter Warnungen keine manifesten empirische Eviden-<br />
zen für die Stützung der These einer inhaltlichen Ökonomisierung 169 des Schulwe-<br />
sens auffinden lassen. 170 Zwar veranlasste das Reforminstrument der Bildungsstan-<br />
dards auch außerpädagogische Reflektionen in einem Rahmen, der relativ eng und<br />
„ökonomisch reduziert“ mit Fragen der Leistungsfähigkeit der Schule und den erwar-<br />
teten Folgen schulischer Arbeit für den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ gefasst<br />
war bzw. ist (Tenorth 2004, 651). Und auch für die verstärkte politische und öffentli-<br />
che Aufmerksamkeit für die Qualität pädagogischer Arbeit mögen ökonomische Ar-<br />
gumente eine Rolle spielen (Klieme 2004, 626). Nur ist eine mit der Einführung von<br />
Bildungsstandards begründete funktionalistische Konstruktion von Bildung (Lade-<br />
nthin 2003; Fuchs 2003) nicht hinreichend wissenschaftlich belegt worden. 171<br />
Evident ist hingegen die kennzahlenbasierte Verknüpfung von Bildung und volks-<br />
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit seitens der Bildungsökonomie. Dass in diesem<br />
Zusammenhang ein reduzierter Bildungsbegriff 172 , etwa wird Bildung als kognitive<br />
„Bildungskompetenz“ (Wößmann/Piopiunik 2009; Wößmann 2003), gebraucht wird,<br />
gibt zwar einen Hinweisung auf die besondere Relevanz von Basiskompetenzen für<br />
wirtschaftliche Verwertungszusammenhänge. Dass aber andere Aspekte von Bil-<br />
dung in derartigen Berechnungen ausgespart werden, kann auch rein forschungs-<br />
pragmatisch, aus Ermangelung an Vergleichsmöglichkeiten innerhalb wissenschaft-<br />
licher Logikzusammenhänge, erklärt werden. Es werden lediglich statistisch be-<br />
gründete Aussagen zur Bedeutung von schulisch vermittelten Grundkompetenzen<br />
168<br />
Einer solchen normativ-inhaltlichen Rahmung unterliegen etwa innerhalb der Wissenschaft die<br />
Teilbereiche der humankapitalorientierten Bildungsökonomie (Wolter 2002).<br />
169<br />
Die inhaltliche Ökonomisierung bedeutet dann, dass in erster Linie fremdlogische Zwecksetzungen<br />
die systemischen Leistungserbringungsprozesse steuern. Das <strong>Schulsystem</strong> würde sich, genehm dem<br />
Fall, dann einem gesellschaftssturkturellen „Um-zu-Motiv“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010a, 32) verpflichten.<br />
170<br />
Wobei zunächst wohl zu fragen ist, wie sich Evidenz hier darstellen lassen kann.<br />
171<br />
Zumindest liegt eine solche dem Autor nicht vor. Das es aber <strong>im</strong> Bereich des Möglichen liegt, wird<br />
wenig später thematisiert.<br />
172<br />
Mit Bezug auf den „unzureichenden“ Bildungsbegriff der PISA-Studie, deren erste Veröffentlichung<br />
die Argumentationsbasis für die Entwicklung und Einsetzung von Bildungsstandards waren, in kritischer<br />
Diskussion, siehe Winkler (2008).
99 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
für die ökonomische Entwicklung eines Landes getätigt, welchen Einfluss andere<br />
Seiten von Bildung (Otto/Rauschenbach 2008; Andresen/Otto/Ziegler 2010) hierauf<br />
haben oder hätten, wird schlichtweg nicht zum Gegenstand. 173 Die ubiquitäre, ins-<br />
besondere öffentlich-medial Wirksame Platzierung von Ergebnissen aus Studien zu<br />
Schülerinnenleistungsmessungen 174 auf Basis von Kompetenzen sowie die vielfa-<br />
chen Rezeptionen dieser in anderen Sinnsystemen wie Politik 175 und Wirtschaft<br />
lässt zumindest vermuten, dass hiermit ein relativ universelles Kommunikationsme-<br />
dium geschaffen wurde, zumal die Kompetenzorientierung ihren internationalen<br />
Verbreitungsursprung <strong>im</strong> oben schon eingebrachten literacy-Konzept der OECD und<br />
damit politische sowie wirtschaftliche Anschlussfähigkeit zumindest thesenartig un-<br />
terstellt werden kann. Dies gilt umso mehr, als dass sich Vertreter aus Politik und<br />
Wirtschaft in ihren Beobachtungen der <strong>Schulsystem</strong>e anteilsmäßig überwiegend auf<br />
diese metrisch ausgedrückten Kennwerte bezögen. 176 Aufklärung hierüber bieten<br />
entweder Dokumentenanalysen, die Aufschlüsse über Beobachtungsformen dieser<br />
Akteurgruppen zulassen, sowie auch Interview-Studien mit eben diesen<br />
Akteurgruppen zu ihren spezifischen Beobachtungsweisen des Schulwesens. Soll-<br />
ten sich <strong>im</strong> Zuge solcher Forschung Befunde zu Tage treten, die diese Vermutung<br />
einer erhöhten relevanten Kommunikationsbasis, manifestiert etwa über die Mes-<br />
sung von Leistungen mit Bezug auf geltende Kompetenzstandards, über das Schul-<br />
system für weitere Interessengruppen, muss für einen Nachweis einer „ökonomi-<br />
schen Rationalisierung“ des Schulwesen Akteurkonstellationen beobachtet werden,<br />
die für eine fortschreitende Dominanz sorgen.<br />
Abseits dieser gegenwärtig fortlaufenden Diskussion darüber, ob eine vereinseitigte<br />
Kompetenzorientierung <strong>im</strong> Schulalltag wirklich evident ist und ob tatsächlich wirt-<br />
schaftliche Interessengruppen hinter der kolportierten Subsumtion von Bildung unter<br />
das Leitbild der Humankapitalgenerierung stehen (Münch 2009), ist noch in aller<br />
Kürze anzumerken, dass es aus schultheoretischer Perspektive <strong>im</strong> funktionalen<br />
Verflechtungszusammenhang der Gesellschaft eine der Aufgaben des Schulsys-<br />
tems war und ist, zur gesellschaftlichen Reproduktion und Innovation beizutragen<br />
173 Es kann nur darüber gemutmaßt werden, ob sich diese Akteure bewusst aus Scheu vor Vereinnahmung<br />
ihrer Positionen und Konstruktionen oder aber aus einem alternativen und ablehnenden<br />
Selbstverständnis heraus, oder aus ganz anderen Gründen, sich einem auf Schul-Ökonomie-<br />
Interdependenzen abzielenden Diskurs fern halten.<br />
174 Der Vollständigkeit halber zählen hier TIMSS (z.B. Bos/Bonsen/Baumert/Prenzel/Selter/Walther<br />
2008) und die IGLU-Studie (zuerst Bos/Lankes/Prenzel/Schwippert/Valtin/Walther 2003) zu den größeren<br />
dieser Art in Deutschland.<br />
175 Siehe exemplarische ein bildungspolitisches Statement von MdB Wolfgang Gerhardt aus dem Jahr<br />
2009 zum Thema „Bildung als Humankapital“, abrufbar unter http://www.wolfganggerhardt.de/files/3004/Bildungspolitischesstatement_-_Bildung_als_Humanka_0_.pdf<br />
(Zugriff<br />
28.07.2012).<br />
176 Dass es die Bildungsökonomen tun, die vordergründig ein akademisches Zwitterdasein ausleben,<br />
sich selbst aber eher den ökonomischen Wissenschaften zurechnen, darf als Hinweis gewertet werden.
100 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
(Fend 2006, 53). Dazu zählt auch, dem wirtschaftlichen Produktionsbereich an<br />
Schulabsolventen gebundene relevante Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Verfügung<br />
zu stellen. Wenn diese Funktion mit der Etablierung darauf abzielender Bildungs-<br />
standards einen leichten Bedeutungszuwachs erfahren sollte, steht das etwa kei-<br />
neswegs <strong>im</strong> Widerspruch zu etwaigen Gerechtigkeitsansprüchen, die dem Schul-<br />
system auferlegt werden. 177 Gesellschaftlich problematische Dysfunktionalitäten<br />
würden dann aufkommen, wenn beispielsweise die von Fend (2008) herausgearbei-<br />
teten Funktionen des <strong>Schulsystem</strong>s für die Gesellschaft derart ungleichgewichtig<br />
bearbeitet würden, dass der allgemeine, z.B. auch kulturelle, Reproduktionsauftrag<br />
verfehlt wird. Eine systemische Übersteuerung hin auf die qualifikatorisch zuge-<br />
schnittenen Bildungsstandards könnte einen solchen problematischen Effekt poten-<br />
tiell provozieren. Ob aber diese zu einer übermäßigen Angleichung der Rationali-<br />
tätsvorstellungen führen und die Zugriffe auf das Weltgeschehen für den gesell-<br />
schaftlichen Funktionsapparat gefährlich einengen, bleibt eine starke, aber offene<br />
Hypothese und konnte hier nur noch einmal angeschnitten, aber nicht aufgeklärt<br />
werden. 178<br />
4.3.4.2 Verändertes Governancereg<strong>im</strong>e und Ökonomisierung<br />
Eine weitere Perspektivstellung für die Befragung der Einführung von Bildungsstan-<br />
dards n<strong>im</strong>mt Bezug auf Verknüpfung der Strukturelemente Bildungsstandards und<br />
Systemmonitoring sowie mögliche Folgeerscheinungen. Wie <strong>im</strong> vorherigen Unter-<br />
kapitel diskutiert erscheint die These einer an ökonomischen Interessen ausgerich-<br />
teten inhaltlichen Vereinseitigung von schulischen Vermittlungsprozessen zwar<br />
plausibel. In Anbetracht der aufgeworfenen Vorstellungen gesellschaftlicher<br />
Ökonomisierung vermögen aber analytische Betrachtungen veränderter<br />
Governance-Mechanismen sowie ihre Einwirken auf codifizierte Orientierungen und<br />
Handlungspraktiken gehaltvollere Hinweise zu bieten. Denn es darf angenommen<br />
werden, dass testbasierte Messungen von Schülerleistungen, die auf Individual- wie<br />
auf Kollektivebene beobachtet werden können und für die Bildungsstandards die<br />
Bezugsnorm darstellen (van Ackeren/ Bellenberg 2004, 127), unter best<strong>im</strong>mten<br />
Konstellationsbedingungen die operativen Imperative für Systemakteure tangieren<br />
können<br />
177 Etwa dient die fokussierte Förderung von Lese- und Schreibkompetenzen sicherlich sowohl den<br />
Bedürfnissen der Wirtschaftsakteure als auch der Entkopplung des negativen Zusammenhangs von<br />
sozialer Herkunft und Leistung und einer freien individuellen Teilhabe an der Gesellschaft<br />
(Berkemeyer/Bos/Manitius 2012).<br />
178 Eine umfangreiche Nachzeichnung der Kritik an Standardsierungen und Tests <strong>im</strong> Bildungsbereich<br />
n<strong>im</strong>mt Böttcher (2002, 160 ff.)
101 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
Als Einzelelemente einer evidenzbasierten Bildungspolitik und Schulentwicklung<br />
sollen Bildungsstandards sowie die Überprüfung ihrer Zielerreichung mittels stan-<br />
dardisierter Leistungstests, die in Deutschland als sogenannte zentrale<br />
Lernstandserhebungen oder Vergleichsarbeiten realisiert werden (Huber et al.<br />
2006), einerseits die Einzelinstitution und –akteure auf gesellschaftlich wichtige Zie-<br />
le hin orientieren (Altrichter/ Maag Merki 2010, 35), und zum anderen auch den<br />
staatlichen Aufsichtsbehörden Informationen über die Leistungsniveaus der Schüle-<br />
rinnen und Schüler <strong>im</strong> innerschulischen und landesweiten Vergleich liefern (Home-<br />
page MSW NRW) 179 . Über diesen zweitseitig strukturierenden Zugriff auf pädagogi-<br />
sche Prozesse wird es den administrativen Beobachtungs- und Steuerungsinstan-<br />
zen ermöglicht, objektivierte, weil standardisierte, und vergleichbare Bewertungen<br />
von Ausschnitten individuellen und kollektiven Leistungsentäußerungen vorzuneh-<br />
men und Entscheidungen auf Grundlage organisationsexterner Kontrolle zu treffen<br />
(Altrichter 2006, 64). Für staatlich-regulierende, auch investive, Eingriffe wird damit<br />
potentiell eine neue Legit<strong>im</strong>ationsgrundlage geschaffen, da sich pädagogische Ef-<br />
fektivität nun transparent für alle Systemakteure beurteilen lässt und Unterschei-<br />
dungen aus Basis universeller Vergleiche getroffen werden können. An diese sys-<br />
temische Konstruktion können nun weitere Konstruktionen anschließen, die den<br />
Austausch zwischen interdependenten Einheiten moderieren sowie das individuelle<br />
Verhalten beeinflussen können. Die den Bildungsstandards als Zielvorgaben schon<br />
inhärente Steuerungsfunktion kann durch institutionelle Neukonfigurationen nochmal<br />
verstärkt, gar Verabsolutiert, werden, etwa durch die Etablierung marktlicher Ord-<br />
nungsstrukturen für die Koordination ressourcieller Allokation.<br />
Märkte als soziale Koordinationsstrukturen beinhalten idealtypisch das Moment des<br />
Tauschs von Leistung und Gegenleistung sowie das Moment des Wettbewerbs zwi-<br />
schen mehreren Anbietern und Nachfragern (Aspers/Beckert 2008, 225 f.). Unter<br />
dem sozialen Zwang des Selbsterhalts sind soziale Einheiten unter Marktbedingun-<br />
gen dazu veranlasst, über Leistungsproduktionen ihre Tauschfähigkeit aufzubauen<br />
und zu erhalten. Im hier behandelten Beispiel können staatlichen Verteilungsinstan-<br />
zen als Anbieter von Mitteln und Gütern, z.B. Geld oder Sachmittel, auftreten 180 , die<br />
sie die über Setzung von Tauschbedingungen für andere Akteure freigeben. Die<br />
nachfragenden Akteure, hier die einzelnen Schulen, sind dann dazu angehalten,<br />
sich „unter diesen Handlungsbedingungen angemessen zu verhalten, heißt, sich<br />
rational zu verhalten, indem man seine begrenzten Mittel so einsetzt, dass das Ego<br />
179 http://www.schulministerium.nrw.de/BP/<strong>Schulsystem</strong>/Qualitaetssicherung/Lernstandserhebungen/<br />
(Zugriff am 03.08.2012)<br />
180 Schon weiter oben wurde vorgebracht, dass der Staat für manche Gesellschaftsteile als Haupt-<br />
oder Mitfinancier bzw. als Finanzierungsapparat für teilsystemische Arbeitsorganisationen auftritt<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 39). Dies ist für das öffentliche <strong>Schulsystem</strong> der Fall.
102 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
den größten Nutzen erzielt“ (Stehr 2007, 106). Nur die Einheiten, die sich rational<br />
zum Markt verhalten, können die Fremdversorgung mit überlebenswichtigen Res-<br />
sourcen sicherstellen. Weiterhin kann den leistungsproduzierenden und auf Aus-<br />
tausch angewiesenen Akteuren die Möglichkeit eröffnet werden, durch Steigerung<br />
ihres numerischen Leistungsausstoßes sowie Erhöhung ihrer Produktqualität ihre<br />
relative Marktposition so verbessern, dass ihnen mehr Ressourcen von einer vorab<br />
festgesetzten Verteilungsmasse zufallen. An diese Koordinationsform ist sowohl für<br />
den Anbieter, als auch für den Nachfrager von Leistungen und Gütern die Erwartung<br />
geknüpft, den jeweiligen Nutzen zu erhöhen. Für die Nachfragenden Schulen be-<br />
steht der Nutzen in der Ausstattung mit Ressourcen, für die anbietenden staatlichen<br />
Einheiten in einer besseren Leistungsproduktion, die sie dann in Marktrahmungen,<br />
die ihresgleichen betreffen, wiederum einsetzen kann. 181<br />
Diese Form der sozialen Relationierung zum Zwecke der Konditionierung von Sys-<br />
temakteuren erfolgt außerhalb des Wirtschaftssystems zumeist über die Seite staat-<br />
licher Einrichtungen, „die konkurrierende Organisationen zueinander in Beziehung<br />
setzen.“ (Hasse/Krücken 2012, 32). Da der Staat für viele gesellschaftliche Leis-<br />
tungsbereiche, auch für das öffentliche Schulwesen, als Financier auftritt, obliegt<br />
ihm eine besondere Rolle diesem Beziehungsgeflecht <strong>im</strong> staatlichen Auftrag agie-<br />
render Akteure. Die Verfügung relevanter Mittel, die nicht von den anderen beteilig-<br />
ten und abhängigen Akteuren selbst erzeugt werden können, hier z.B. Geld, kann<br />
von ihm gezielt als soziales Einflusspotential eingesetzt werden, um der Seite ein<br />
spezifisches Handeln bzw. eine spezifische Leistungsproduktion abzuverlangen.<br />
Während die Machtbasis des Staates also in seiner Strukturierungs- und Allokati-<br />
onsfähigkeit liegt, liegt das spezifische Einflusspotential der anderen Akteure in ihrer<br />
Leistungsproduktion bzw. in der Fähigkeit, diese <strong>im</strong> Sinne geforderter Qualität<br />
und/oder Quantität zu steuern, um die verteilende Seite zur Gegenleistung anzure-<br />
gen bzw. zu verpflichten. 182<br />
In solchen Fällen liegen Konstellationen wechselseitiger Beeinflussung vor<br />
(Sch<strong>im</strong>ank 2010a, 267 ff.), die <strong>im</strong> Bereich öffentlicher Sektoren häufig als Quasi-<br />
Märkte modelliert werden (Weiß 2001). Die Testergebnisse aus<br />
Lernstandserhebungen fungieren in einem solchen gedankenexper<strong>im</strong>entellen Sze-<br />
nario für die Schulen als handelbare Güter bzw. Kapitalien, die unter best<strong>im</strong>mten<br />
institutionellen Austauschbedingungen <strong>im</strong> Mehrebenensystem transformierbar in<br />
ökonomisches Kapital sind. Die prinzipielle Irritierbarkeit von (Schul-)Organisationen<br />
181<br />
Hier wird mit gedankenexper<strong>im</strong>entellen Unterstellungen gearbeitet, die aus der eigenen Wahrnehmung<br />
heraus plausibel erscheinen.<br />
182<br />
Wobei sichergestellt werden muss, dass diese Fähigkeit der Einflussnahme wirklich gegeben ist<br />
und auch generell die Möglichkeit einer Interessenkongruenz besteht.
103 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
<strong>im</strong> Medium Geld wurde schon weiter oben theoretisch behandelt. Das gilt umso<br />
mehr, wenn die betreffenden Einheiten nun selbst damit beauftragt sind, unter be-<br />
st<strong>im</strong>mten Bedingungen ihre ökonomische Basis, zumindest partiell, zu sichern<br />
und/oder auszubauen. Um ihre eigen Ressourcenausstattung zu sichern müssen<br />
sich die Leistungsproduzenten, die Schulen, den Marktregeln und Signalen entspre-<br />
chend konform verhalten und die als handelbar konstruierten Güter in einer solchen<br />
Güte und Beschaffenheit erstellen, dass sie damit an Tauschprozessen partizipieren<br />
können. 183 Die für die betreffende soziale Einheit geltenden Rationalitätsmuster und<br />
Handlungsantriebe werden in diesem entworfenen Modell den reziproken Nutzen-<br />
erwägungen entsprechend, zumindest partiell, auf das institutionell verankerte<br />
Geldversprechen hin ausgerichtet.<br />
Hasse und Krücken (2012, 30) sehen in der Wettbewerbskonstituierung „<strong>im</strong> Sinne<br />
der Schaffung von Konkurrenzkonstellationen“ schon den eigentlichen Mechanis-<br />
mus für die Best<strong>im</strong>mung einer Ausbreitung ökonomischer Rationalität. Diese Positi-<br />
on st<strong>im</strong>mt mit der verbreiteten Ansicht überein, dass die Einrichtung von Quasi-<br />
Märkten entsprechend der NPM-Programmatik bereits als institutionelle Form der<br />
Ökonomisierung zu begreifen ist (Nullmeier 2001), da mithilfe solcher Verfahren<br />
eine Transaktionskostenopt<strong>im</strong>ierung sowie gesteigerte quantitative und qualitative<br />
Effektivität erwartet wird. Den oben genannten Verständnisangeboten zufolge ist für<br />
eine Identifizierung ökonomisierter Verhältnisse die Blick auch auf die handelnden<br />
kollektiven und individuellen Akteure sowie ihrer Wahrnehmungs- und Entschei-<br />
dungsstrukturen zu richten. Wettbewerb, hier moderiert über Testergebnisse mit der<br />
Bezugsnorm Bildungsstandards, wird somit als regelhafte Ermöglichungsbedingung<br />
für Rationalitätsambivalenzen oder -überformungen gefasst.<br />
Zu fragen ist, wie intensivierte Konkurrenzsituationen von den Akteuren aufgenom-<br />
men werden und wie der Umgang mit für viele Gesellschaftsbereiche neuartigen<br />
Wettbewerbsstrukturen gestaltet wird. Veränderten strukturellen Kontextbedingun-<br />
gen muss ein wie auch <strong>im</strong>mer gearteter Einfluss auf die Prägungen von Wahrneh-<br />
mungs-, Deutungs- und Handlungsschemata unterstellt werden (siehe oben). Hinter<br />
einer solchen Zuschneidung der institutionellen Verhältnisse steht die Intention, den<br />
Leistungsproduzenten Anreize zu vermitteln, Produkte best<strong>im</strong>mter Güte und Be-<br />
schaffenheit herzustellen. Sind diese Anreize verbunden mit dem Erhalt eigener<br />
Aktionsfähigkeit, können auf Seiten der Leistungsrollenträger Veränderungen in der<br />
Priorisierung von Tätigkeiten und Praxisvollzügen, so beispielsweise Triebkräfte<br />
vornehmlich nutzenrationalen Handelns, entstehen. Die eindeutige Ausrichtung auf<br />
183 Die Beschreibung dieses Mechanismus‘ weist deutliche Analogien zum Principal-Agent-Theorem<br />
(Münch 2009).
104 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
die Honorierung mindestens adäquater Kompetenzwerte stünde, in einem zugege-<br />
benermaßen extremen Szenario, der Schulorganisation mitsamt den pädagogisch<br />
tätigen Lehrpersonen als unhintergehbares, weil existenzsicherndes, Leitziel zu Ver-<br />
fügung. Das mag vereinseitigende Wirkungen in den Handlungsorientierungen nach<br />
sich ziehen, muss es aber nicht zwangsläufig. Auch in der Verfolgung der Zielerrei-<br />
chung mit Bezug auf die kontrollierten Bildungsstandards kann die Lehrkraft nach<br />
wie vor ihre Entscheidungen vor der Folie ihrer internalisierten Professionsstandards<br />
treffen (Brüsemeister 2005, 316). Ob für das Problem der Kompetenzvermittlung in<br />
der Schüler-Lehrer-Interaktion weiterhin auf pädagogisch-professionelle Kompeten-<br />
zen zurückgegriffen wird, oder andere Verfahrung einbezogen werden, ist für Identi-<br />
fizierung ökonomisierter Zustände erst einmal zweitrangig. Entscheidend ist, ob<br />
Verschiebungen <strong>im</strong> Anwendungsgewicht von Rationalitätsprinzipien nachweisbar<br />
sind, die zweifellos auf die veränderte institutionelle Rahmung der Situation<br />
rückführbar sind. Oder anders: Gibt die übergeordnete Aufforderung zum pädagogi-<br />
schen Vollzug unter dem Horizont von normativen Bildungsstandards eine<br />
Relevanzstruktur vor, durch die eine Entscheidungssituationen dermaßen verein-<br />
facht wird (Esser 2010, 55), dass <strong>im</strong> Aufkommen jeden Logikkonflikts über den Zu-<br />
griff auf die Wirklichkeit <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Sinne dieses höchst priorisierten Ziels gehandelt<br />
wird. Und wenn nun mal das organisationale, und damit auch das eigene individuel-<br />
le berufliche, Überleben von der Ausstattung mit Ressourcen abhängt, Stichwort<br />
Schule als „Arbeitsorganisation“ (Wissinger 1996, 57 ff.), wäre es hochgradig irratio-<br />
nal, nicht <strong>im</strong> Lichte dieser Zwecksetzung zu agieren. Pädagogische Mittel und Wege<br />
werden unter diesen Umständen gegebenenfalls danach ausgewählt, ob sie sich<br />
rational zum formal festgelegten Zweck verhalten, da diese Handlungen verhältnis-<br />
mäßig hoch belohnt werden bzw. die Aussicht auf Honorierung der sichtbaren<br />
Handlungsergebnisse entscheidungsmoderierend wirkt. Dies mag Störungen in der<br />
binären Codierung 184 einer Entscheidungs- und Handlungssituationen evozieren.<br />
Die professionelle bzw. situative Wirklichkeit ist nicht mehr danach strukturiert, um-<br />
fassende Bildung und Erziehung als die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten und<br />
Förderung sozialer Anschlussfähigkeit (Luhmann 2002, 15) zu gewährleisten. Erzie-<br />
hungs- und Bildungsaufgaben werden nur noch dann wahrgenommen, wenn sie<br />
den Zweck der Kompetenzbildung verfolgen und somit zum organisationalen Fort-<br />
bestand in Abhängigkeit leistungsmäßigen Austausches mit allokativen Akteuren<br />
und in der Bewährung gegenüber anderen produktiven Dienstleistern beitragen. Als<br />
kommensurable Produkte dient die Förderung der Kompetenzstände der Schülerin-<br />
nen und Schüler dann auch dazu, nebst den weiterhin situationsdefinierenden Bil-<br />
184 Wobei auch Luhmann daran scheitert, anders als <strong>im</strong> Falle des Rechts- oder Wirtschaftssystems, für<br />
das Erziehungssystem einen eindeutigen Code zu benennen.
105 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
dungsaspekten, die Zahlungsfähigkeit der eigenen Schule abzusichern. Wird die<br />
Erwartung der Regeneration von Zahlungsfähigkeit (Deutschmann 2008, 3; zitiert<br />
nach Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2012, 167) an die teilsystemischen Akteure gestellt, gar<br />
die Erwartung der Gewinnerzielung zum sekundärem Handlungsziel<br />
(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 386) erhoben, und bedingen diese Erwartungen ein<br />
strategisches Verhalten bei den Akteuren, kann eindeutig auf ökonomisierenden<br />
Einwirkungen geschlossen werden. Hinweise darauf könnten zum einen über die<br />
Sichtung und Analyse von administrativen Dokumenten, die eine Aktivsetzung sol-<br />
cher Regelstrukturen offenbaren, erschlossen werden, zum anderen über die fak-<br />
tisch vorfindbaren Entscheidungsstrukturen innerhalb einer Schulorganisation, etwa<br />
ob diese anteilsmäßig durch Profitabilitätsstreben und Rentabilitätskalkül<br />
charakterisierbar sind (Lessenich 2009, 133). Als ein grobes Analyseraster für eine<br />
empirische Untersuchung von schulinternen Entscheidungsprogrammen als Bedin-<br />
gungen für „richtiges Entscheiden“ (Luhmann 2000, 225) eignet sich die oben vor-<br />
gestellte fünfstufige Skala zur Best<strong>im</strong>mung eines Grades der Ökonomisierung. Al-<br />
lerdings müsste diese auf den spezifischen Gegenstand Bildungsstandards und<br />
Testung als „erklärende Variable“ bezogen und angepasst werden.<br />
Dass dieses gezeichnete Ereignisszenario in Verbindung mit der Einführung von<br />
systemweit geltenden Bildungsstandards nicht völlig abwegig erscheint, belegen<br />
manche Hoffnungen und Ansprüche, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Etablierung von<br />
Bildungsstandards und daran anschließender Leistungsüberprüfungen geäußert<br />
werden. Gerade viele mit dem Schulwesen befasste Ökonomen sind der Meinung,<br />
dass eine Verbesserung schulischer Effektivität „durch die Festlegung von Leis-<br />
tungsstandards und deren Kontrolle zu vermeiden sei und damit eine<br />
outputsteigernde Mittelverwendung gesichert werden könnte.“ (Weiß 2006, 4) Die-<br />
ses Argument bedienende Modelle der Bildungsfinanzierung sind beispielsweise in<br />
den USA schon Realität. Dort erfolgt eine leistungsabhängige Mittelzuweisung auf<br />
Schulorganisationsebene entweder direkt, „auf der Basis erreichter Leistungsni-<br />
veaus („payment by result“) oder indirekt, über die Zahl der – <strong>im</strong> Wettbewerb mit<br />
anderen Schulen – rekrutierten Schüler.“(Weiß 2006, 4). Im letzten Fall verändern<br />
sich Ressourcenströme vermittelt über den Wettbewerb um Schüler, für diese die<br />
transparenten schulischen Leistungsniveaus als Entscheidungsgrundlage für die<br />
Schulwahl angenommen werden. 185 Auch für den deutschen Schulbereich besteht<br />
die Forderung, „die Ressourcen der Schulen über die Anzahl der Schüler/innen zu<br />
regulieren“ (Maag Merki 2010, 152), wobei dies <strong>im</strong> Zuge der Einführung von Wett-<br />
185 Auch der deutsche „Aktionsrat Bildung“ (2010, 35) verweist unter Bedingungen freier Schulwahl auf<br />
die bedeutende Rolle der Eltern, die in ihrer Wahl zum Wohle des Kindes auf schulische Qualitätsstandards<br />
rekurrieren.
106 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />
bewerbsmechanismen passieren soll. Böttcher (2002, 216) gibt unter der Prämisse<br />
einer „intelligenten Ressourcenallokation“ für das deutsche Schulwesen die Empfeh-<br />
lung ab, die Finanzierung positiv auf Leistungsverbesserungen der Schüler reagie-<br />
ren zu lassen. Zu prüfen ist zunächst, ob sich derartige Formen der Mittelverteilung<br />
in Deutschland auffinden lassen. Denn erst, wenn solche strukturellen Bedingungen<br />
faktisch vorliegen, kann der Frage nach ökonomisierten Entscheidungsprozessen<br />
und Handlungsvollzügen auf Organisations- sowie Individualeben auch empirisch<br />
nachgegangen werden.
107 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />
5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />
Mit dieser Arbeit stand der Versuch, das deutsche <strong>Schulsystem</strong> mittels der Betrach-<br />
tung und Analyse dreier gegenwärtig zur Anwendung kommender Strukturelemente<br />
unter eine Perspektive gesellschaftlicher Ökonomisierung zu stellen. Ganz allge-<br />
mein betrachtet wird Ökonomisierung als ein Vorgang angenommen, „durch den<br />
Orientierungen, die man gemeinhin mit der kapitalistischen Wirtschaft verbindet,<br />
wirkmächtiger werden – insbesondere auch in anderen gesellschaftlichen Teilsys-<br />
temen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2008, 220). Die Steuerungsinstrumente „Schulscharfes Lehrer-<br />
auswahl- und Einstellungsverfahren“, „Ganztagsschule“ und „Bildungsstandards“,<br />
die jeweils einen anderen Steuerungstyp repräsentieren, wurden daraufhin befragt,<br />
ob sie das kolportierte Voranschreiten wirtschaftlicher Orientierungen in anderen als<br />
dem ökonomischen Funktionssystem befördern und unterstützen, zumindest aber<br />
irgendwie ermöglichen.<br />
Die Nutzung von Termini wie Teil- und Funktionssystem belegt das zugrunde lie-<br />
gende differenzierungstheoretische Modell der Gesellschaft. Danach zeichnet sich<br />
die Moderne durch ihre Polykontexturalität aus, sprich durch eine Vielzahl vonei-<br />
nander unterscheidbarer Zugriffsweisen auf gesellschaftliches Geschehen. Diese<br />
Zugriffsweisen sind strukturiert durch binäre Codierungen, die als zweiseitige Unter-<br />
scheidungsschemata die Beobachtung und Bewertung sozialer Phänomene gewis-<br />
sermaßen präformieren und diese nur selektiv erfahrbar machen. In der Zuspitzung<br />
der Zugriffsweisen entlang des jeweiligen binären Codes ist dem Theorieprogramm<br />
funktionaler Differenzierung zufolge der zentrale Mechanismus funktionaler Leis-<br />
tungsfähigkeit zu sehen. Durch die Vereinseitigung und Verabsolutierung der Welt-<br />
sicht wird, so die systemtheoretische Ausdeutung des Differenzierungsmodells, al-<br />
lein ein gesellschaftliches Bezugsproblem fokussiert und unter Rückgriff auf sys-<br />
temspezifische Programme bearbeitet. Die selektive Wahrnehmung und die Spezia-<br />
lisierung in der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme wirkt entlastend für den<br />
einzelnen teilsystemischen Zusammenhang und bedingt dessen Leistungsfähigkeit<br />
und Monopolstellung hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Funktion.<br />
Nach den Darlegungen zum differenzierungstheoretischen Gesellschaftsmodell mit-<br />
samt dessen zentralen Konzepten und unter Berücksichtigung sowohl system- als<br />
auch akteurtheoretischer Grundlegungen wurden Begrifflichkeiten und Konzepte,<br />
die dem gegenwärtigen soziologischen Diskurs zur gesellschaftlichen<br />
Ökonomisierung zuzuordnen sind, vorgestellt. Es wurde ersichtlich, dass die Litera-<br />
tur eine Mehrzahl sinnverwandter Begriffe bereithält, diese aber in ihren Bedeu-<br />
tungsgehalten weder deckungsgleich sind noch dieselben Prozesse ansprechen.
108 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />
Anschließend wurde ein relativ systematischer Ansatz gesellschaftlicher<br />
Ökonomisierung von Sch<strong>im</strong>ank bzw. Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) um einige<br />
erweiternde Anschlüsse ergänzt. Die dem derzeitigen Stand inhärente Unschärfe in<br />
den Begriffen von Ökonomisierung (Bode 2010, 63) konnte nicht aufgelöst werden.<br />
Es wurde aber umfänglich vermittelt, mit welchen Zugängen dieses Thema wissen-<br />
schaftlich verhandelt wird. Als Ausgangspunkt für die Betrachtung konkreter Steue-<br />
rungsinstrumente des <strong>Schulsystem</strong>s wurde ein relativ globales Verständnis von<br />
Ökonomisierung angelegt. Vollkommene Ökonomisierung liegt dann vor, wenn ein<br />
struktureller Vorrang wirtschaftlicher, also geldvermittelter, Gesichtspunkte auch in<br />
anderen Teilsystemen vorliegt und das eigentliche Bezugsproblem nur noch der<br />
Abwägung finanzieller Machbarkeit nachgeordnet adressiert wird. Unterhalb dieser<br />
max<strong>im</strong>alen Ausprägung sind noch verschiedene Ökonomisierungsgrade zu unter-<br />
scheiden, die anhand der Relevanz von Kostenbewusstsein spezifizierbar sind.<br />
Die in dieser Arbeit stellvertretend für das <strong>Schulsystem</strong> und seine Steuerungsver-<br />
fahren stehenden Lenkungsinstrumente wurden weniger aufgrund eines Verdachts<br />
der Bestätigung der Ökonomisierungsthese ausgewählt, als dass eine verhältnis-<br />
mäßig umfassende Betrachtung des <strong>Schulsystem</strong>s <strong>im</strong> Vordergrund stand. Als Heu-<br />
ristik für die Auswahl der Analysegegenstände diente das Kreislaufmodell der Steu-<br />
erung <strong>im</strong> Schulwesen (Bos/Holtappels/Rösner 2006, 83). Dieses berücksichtigt die<br />
Mehrebenenstruktur des <strong>Schulsystem</strong>s zwar nicht explizit (Berkemeyer 2010, 82),<br />
erschien für eine mehrseitige Betrachtung aber durchaus passend, zumal auch je-<br />
weils unterschiedliche Systemreferenzen (Organisation, Individualebene) angespro-<br />
chen werden konnten.<br />
Es konnte gezeigt werden, dass die Steuerungsinstrumente für sich nicht als Indi-<br />
zien einer Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s ausgewiesen werden können. Wenn<br />
überhaupt, sind sie als strukturelle Ermöglichungsbedingungen für Ökonomisie-<br />
rungsprozesse aufzufassen. Insbesondere die Bildungsstandards scheinen <strong>im</strong> Zu-<br />
sammenhang mit einem auf sie ausgerichteten Systemmonitoring und sich an den<br />
Ergebnissen orientierten Verteilungsmodi Potential für eine Umstellung der System-<br />
ziele zu besitzen. Nur kann bislang nicht nachvollzogen werden, ob die Bildungs-<br />
standards als Referenzkategorien auch eine Konkurrenz von Zugriffsweisen, <strong>im</strong><br />
Sinne einer Verdrängung etablierter systemischer Weltsichten, bewirken. Bislang<br />
sind nur einige Vorschläge zu verzeichnen, die Ergebnisse aus den Erhebungen zu<br />
den Bildungsstandards zur Grundlage für die Ressourcenverteilung zu machen. Hier<br />
sollte, was <strong>im</strong> Rahmen dieser Arbeit mit Überblickscharakter nicht möglich war, de-<br />
zidierter nach modellhaften Umsetzungsbeispielen recherchiert werden.
109 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />
Den anderen beiden Instrumente, Ganztagsschule und Schulscharfes Lehreraus-<br />
wahl- und -einstellungsverfahren, konnten nur mittels kreativer Zuschreibungen<br />
Ökonomisierungspotentiale nachgewiesen werden. Sie meinen vielmehr organisato-<br />
rische und verfahrensmäßige Umgestaltungen des Systems und wären nur in Ver-<br />
bindung mit finanziellen Rahmungen ein Ausgangspunkt für das Eindringen wirt-<br />
schaftlicher Gesichtspunkte. In ihren jeweiligen Entstehungszusammenhang sind<br />
beide Steuerungsinstrumente pr<strong>im</strong>är durch pädagogische bzw. erzieherische Maxi-<br />
me begründet worden.<br />
Das Ziel dieser Arbeit war es, das <strong>Schulsystem</strong> auf, für die gesamte Gesellschaft<br />
angenommene, <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> zu befragen. Festgehalten werden<br />
kann, dass die hier vorgenommene selektive Betrachtung des <strong>Schulsystem</strong>s keine<br />
eindeutigen Belege hierfür liefern kann. Da noch <strong>im</strong>mer täglich erzieherische Kom-<br />
munikationen und Einwirkungen vollzogen werden, kann nicht von einer Entdifferen-<br />
zierung ausgegangen werden. Die Sichtung der vorliegenden Literatur konnte den-<br />
noch einige Hinweise in den Überlegungen weitergehender Systemreform nachwei-<br />
sen. Zukünftig sollte eine grundsätzlich andere Hinwendung zum Thema gesche-<br />
hen. Durch die Auswahl der Instrumente wurde der Blickwinkel verengt, die Emp-<br />
fänglichkeit für wirklich ökonomisierende Indizien wurde somit eingeschränkt.<br />
Es sollte ein Zugang sozusagen „von unten“, ausgehend von den handelnden Ak-<br />
teuren in den Schulen, gewählt werden. Unter Anwendung beispielweise des opera-<br />
tionalisierten Ökonomisierungsmodells von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) können<br />
stichprobenartig Einzelfalluntersuchungen vorgenommen werden. Eine empirische<br />
Analyse hält potentiell konkrete Anlässe bereit, dieses Thema weiterhin zu verfol-<br />
gen. Eine weitere interessante Forschungsperspektive wäre zudem eine retrospek-<br />
tive Analyse der Entstehungszusammenhänge verschiedener Steuerungsinstrumen-<br />
te, denen ökonomisierendes Potential nachgewiesen, oder zumindest begründet<br />
nachgesagt, werden kann. Hierbei könnten die damals bestehenden Konstellations-<br />
strukturen sowie die den Aushandlungsprozess kennzeichnenden Logiken betrach-<br />
tet werden. Dies wäre allerdings nur mittels einer umfassenden Dokumentenanalyse<br />
sowie einer Befragung beteiligter Akteure darstellbar und hat womöglich nur geringe<br />
Aussichten.
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Ganztagsschulen (StEG) (291-311). Weinhe<strong>im</strong> und München: Juventa.
142 Tabellenverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1 Verfahren und Verfahrenskombinationen der Rekrutierung von<br />
Lehrkräften je Bundesland, Stand August 2012 ................................................... 64<br />
Tabelle 2: Quellentabelle zu Tabelle 1 ........... Fehler! Textmarke nicht definiert.
Bundesland Links zu den Internetauftritten der Kultusministerien der Länder<br />
143 Anhang<br />
Anhang<br />
Tabelle 2: Quellentabelle zu Tabelle 1<br />
https://www.lehrer-online-bw.de/servlet/PB/show/1154037/VwV%20Lehrereinstellung%202009.pdf<br />
https://www.lehrer-online-<br />
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Bayern https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/stellenboersen-und-vertretungskraefte.html<br />
Berlin http://www.berlin.de/sen/bildung/lehrer_werden/einstellungen/#einstellungsverfahren<br />
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Bremen https://www.bildung.bremen.de/lehrerOnline/index.php<br />
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http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet?uid=5722098e-55bf-7731-79cdaa2b417c0cf4<br />
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http://www.regierungmv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/bm/Themen/Schule/Informationen_fuer_<br />
Lehrer_und_Schulleiter/Stellenausschreibungen_fuer_Lehrkraefte_an_oeffentlichen_allgemein_bil<br />
Mecklenburg-Vorpommern denden_und_oeffentlichen_beruflichen_Schulen/Unbefristete_Einstellung27557/index.jsp<br />
http://www.mk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=1997&article_id=6560&_psmand=<br />
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http://www.schulministerium.nrw.de/BP/LEOTexte/Erlasse/Grundlagenerlass_Lehrereinstellung.p<br />
Nordrhein-Westfalen df<br />
http://www.add.rlp.de/Schulen/Bewerbungsverfahren-und-<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Stellenausschreibungen/broker.jsp?uMen=77510730-96cc-b001-33e2-dc13e9246ca9<br />
Saarland http://www.saarland.de/3399.htm<br />
Sachsen http://www.smk.sachsen.de/4878.htm#schule<br />
Sachsen-Anhalt http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=12124<br />
http://www.schleswig-<br />
Schleswig-Holstein holstein.de/Bildung/DE/StellenmarktSchule/Stellen_online/StellenOnline_node.html<br />
Thüringen http://www.thueringen.de/de/tmbwk/bildung/lehrer/einstellung/content.html#2
Hiermit versichere ich, dass ich die MA.-<br />
Arbeit selbstständig verfasst und keine<br />
anderen als die angegebenen Quellen<br />
und Hilfsmittel benutzt habe, alle bildli-<br />
chen Darstellungen und Ausführungen,<br />
die anderen Schriften wörtlich oder sinn-<br />
gemäß entnommen wurden, kenntlich<br />
gemacht sind und die Arbeit in gleicher<br />
oder ähnlicher Fassung noch nicht Be-<br />
standteil einer Prüfungsleistung an die-<br />
ser oder einer anderen Fakultät oder<br />
Prüfungsbehörde war.<br />
Bochum, den<br />
_________________________<br />
(Unterschrift)