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Ökonomisierungstendenzen im Schulsystem? - Ruhr-Universität ...

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<strong>Ruhr</strong>-<strong>Universität</strong> Bochum<br />

Fakultät für Sozialwissenschaft<br />

<strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong>?<br />

Differenzierungstheoretische Perspektiven auf<br />

vorgelegt von Björn Hermstein<br />

aktuelle Steuerungsinstrumente<br />

MA.-Arbeit<br />

betreut durch Prof. Dr. Rolf G. Heinze<br />

Bochum, September 2012<br />

Prof. Dr. Nils Berkemeyer


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung................................................................................................................... 4<br />

2 Theoretische Grundlagen ........................................................................................... 6<br />

2.1 Die Theorien gesellschaftliche Differenzierung als ein Programm der Soziologie ....... 7<br />

2.1.1 Ausgewählte Perspektiven auf die funktionale Differenzierung der Gesellschaft .... 10<br />

2.2 Einsichten der „Theorie des Sozialen“ nach Luhmann ............................................. 13<br />

2.3 Die funktional differenzierte Gesellschaft ................................................................ 16<br />

2.3.1 Differenzierung: Dekomposition versus Emergenz ............................................... 17<br />

2.3.2 Der Binäre Code als basales Differenzschema .................................................... 18<br />

2.3.3 Funktionssystem und Programmebene................................................................ 20<br />

2.3.4 Integration und strukturelle Kopplung .................................................................. 21<br />

2.3.5 Exkurs: Organisation und funktionale Differenzierung .......................................... 24<br />

2.3.6 Autonomie, legit<strong>im</strong>e Indifferenz, Desintegration ................................................... 27<br />

2.3.7 Politische Gesellschaftssteuerung, Autonomiegefährdung und fremdreferentielle<br />

Rahmung ............................................................................................................... 29<br />

2.4 „Re-entry“ akteurtheoretischer Perspektiven ........................................................... 33<br />

2.5 Zwischenbetrachtung ............................................................................................ 39<br />

3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und gesellschaftlicher Realität ............................ 41<br />

3.1 Beschreibungen <strong>im</strong> Überblick................................................................................. 43<br />

3.2 Ökonomisierung der Gesellschaft – Analyseansätze und Mehrd<strong>im</strong>ensionalität ......... 47<br />

3.2.1 Makro-Ebene ..................................................................................................... 49<br />

3.2.2 Meso-Ebene....................................................................................................... 54<br />

3.2.3 Mikro-Ebene....................................................................................................... 59<br />

3.3 Zwischenbetrachtung ............................................................................................ 60<br />

4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung ..................................................................................... 62<br />

4.1 Steuerungsinstrument I: Inputsteuerung durch das „Schulscharfe“ Lehrerbewerbungs-<br />

und Auswahlverfahren ............................................................................................ 63<br />

4.1.1 Implementation und Verbreitung des Verfahrens.................................................. 63<br />

4.1.2 Einordnung in den paradigmatischen Kontext ...................................................... 67


4.1.3 Funktion, Erwartungen und Effekte der Implementation........................................ 69<br />

4.1.4 Schulscharfes Auswahl- und Einstellungsverfahren und Ökonomisierung ............. 72<br />

4.2 Steuerungsinstrument II: Ganztagsschule und Prozesssteuerung ........................... 76<br />

4.2.1 Begründungszusammenhang des Reformprogramms Ganztagsschule................. 76<br />

4.2.2 Quantitativer Ausbau und Nutzung von Ganztagsangeboten in Deutschland......... 77<br />

4.2.3 Leitvorstellungen, Wirkungen und organisationale Konsequenzen des Ganztages 79<br />

4.2.4 Ganztagsschule und Ökonomisierung ................................................................. 82<br />

4.3 Steuerungsinstrument III: Outputsteuerung durch Bildungsstandards ...................... 87<br />

4.3.1 Historische Herkunft, ideelle Begründung und Implementation in Deutschland ...... 87<br />

4.3.2 Konzeption der Standards und zugedachte Funktionen für den Unterricht............. 89<br />

4.3.3 Bildungsstandards und Systemmonitoring ........................................................... 93<br />

4.3.4 Bildungsstandards und Ökonomisierung .............................................................. 95<br />

4.3.4.1 Ökonomische Vereinseitigung von schulischen Bildungsinhalten ....................... 96<br />

4.3.4.2 Verändertes Governancereg<strong>im</strong>e und Ökonomisierung .....................................100<br />

5 Zusammenfassung und Perspektiven ......................................................................107<br />

Verzeichnisse ............................................................................................................110<br />

Literatur .....................................................................................................................110<br />

Tabellenverzeichnis ...................................................................................................142<br />

Anhang ......................................................................................................................143


4 1 Einleitung<br />

1 Einleitung<br />

Nach Sichtung moderner soziologischer und sozialwissenschaftlicher Literatur ist<br />

anzunehmen, dass es <strong>im</strong> Trend liegt, die Gesellschaft unter einer Ökonomisie-<br />

rungsperspektive zu betrachten. Sowohl konzeptionelle und wie gegenwartsdiag-<br />

nostische wissenschaftliche Arbeiten liegen zu dem Thema vor. Dabei wird sowohl<br />

auf unterschiedliche theoretische Bezüge rekurriert als auch differente Gesell-<br />

schaftsbereiche werden unter diesem Zugriff in den Blick genommen. Im Mittelpunkt<br />

stehen hier etwa das Gesundheitswesen bzw. der Krankenhaussektor (Bode 2011)<br />

oder aber das Hochschulsystem (Kaube 2010; Sch<strong>im</strong>ank 2008). Häufig wird die<br />

systemübergreifende Diffusion wirtschaftlich-unternehmerischer Leitbilder festge-<br />

stellt. Es scheint, als adaptiere eine Vielzahl gesellschaftlicher Leistungsbereiche<br />

Strukturen und Orientierungen, die man gemeinhin mit der kapitalistischen Wirt-<br />

schaft verbindet.<br />

Für das <strong>Schulsystem</strong> liegt eine solche Betrachtung bislang nicht vor. 1 Dennoch sind<br />

einige Hinweise zu verzeichnen, die eine solche Entwicklung auch für das Schulsys-<br />

tem nahelegen, beispielsweise die <strong>im</strong>mer größere Bedeutung bildungsökonomi-<br />

scher Ansätze in der Diskussion zur Steuerung des <strong>Schulsystem</strong>s sowie die Entste-<br />

hung dezidiert bildungsökonomischer Gestaltungskonzepte (Böttcher 2002). Auch<br />

scheint sich auf der semantischen Ebene eine Angleichung zu vollziehen, erinnern<br />

Begriffe wie Standardisierung und Outputorientierung doch stark an den Sprachge-<br />

brauch des Wirtschaftssystems.<br />

Diese Arbeit soll als ein erster Aufschlag betrachtet werden, das schulische Gesell-<br />

schaftssystem unter einer Ökonomisierungsperspektive zu betrachten, die Anlage<br />

ist somit pr<strong>im</strong>är explorativ. Zu diesem Zwecke wird das Modell der funktional diffe-<br />

renzierten Gesellschaft zugrunde gelegt. Ausgehend von einer gesellschaftlichen<br />

Multiperspektivität können Ökonomisierungsprozesse als ein Übergreifen wirtschaft-<br />

licher Orientierungen auf andere Funktionsbereiche begreiflich gemacht werden. Die<br />

Kapitel zu den theoretischen Grundlegungen bieten einige Konzepte an, die Wand-<br />

lungsprozesse dieser Art theoretischer nachvollziehbar machen. Im anschließenden<br />

Kapitel werden zunächst einige begriffliche Klärungen vorgenommen. Dieser Teil<br />

der Arbeit mündet in der Vorstellung und Ergänzung eines differenzierungstheore-<br />

tisch fundierten Modells von Ökonomisierung. Der Betrachtungsgegenstand, das<br />

<strong>Schulsystem</strong>, wird anhand dreier ausgewählter Strukturelemente erschlossen und<br />

beschrieben. Das zuvor aufgenommene Ökonomisierungsmodell wird als allgemei-<br />

1 Zumindest nicht für den deutschsprachigen Wissenschaftsraum.


5 1 Einleitung<br />

ne Analysefolie für jedes einzelne Steuerungsmoment herangezogen. Die Arbeit<br />

schließt mit einer Zusammenfassung des Fortgangs dieser Analyse sowie der wich-<br />

tigsten Ergebnisse und hält schlussendlich noch einige perspektivische Ausblicke<br />

für die weitere Bearbeitung des Themas bereit.


6 2 Theoretische Grundlagen<br />

2 Theoretische Grundlagen<br />

Das soziologische Theorierepertoire ist auch aufgrund seiner nun annähernd zwei<br />

Jahrhunderte währenden Entwicklungsgeschichte in seinen Ausprägungen breit<br />

gefächert. 2 Einen Überblick über das Gesamtspektrum des fachlichen Kanons ver-<br />

suchen systematisierende Grundlagenwerke, wie sie etwa Esser (1999-2001) und<br />

Münch (2002-2004) vorgelegt haben, zu verschaffen. Einem spezifischen Theorie-<br />

strang wird von beiden Autoren mit je einem eigenen Band Aufmerksamkeit ge-<br />

schenkt: Esser (2000) in Band 2 sowie Münch (2004) in Band 3 widmen sich den<br />

gesellschaftstheoretischen Entwürfen soziologischer Theoriebildung. Darunter ver-<br />

ortet werden ganz allgemein „Theorieansätze, die ihren Fokus auf die Gesellschaft<br />

als eigenständige Ebene der sozialen Wirklichkeit oberhalb der Ebene der Organi-<br />

sation und der Interaktion richten.“ (Münch 2004, 9). Diese Unterscheidung Münchs<br />

weist eindeutig Bezüge zu Luhmanns (2005, 9 ff.) Typisierung von sozialen Syste-<br />

men in Interaktionssysteme, Organisationssysteme und Gesellschaftssysteme auf.<br />

Man darf diesen Dreiklang der Ebenendifferenzierung als disziplininternen Konsens<br />

annehmen, wenngleich sich nicht alle angebotenen Theorieansätze der Soziologie<br />

spurgetreu der Beleuchtung einer einzigen Systemebene verschreiben, sondern<br />

vielmehr zwischen und über diese begrifflichen Grenzziehungen intermediäre Bezü-<br />

ge und Interdependenzen ins Licht rücken. Beispiele dieser Art bieten etwa die so-<br />

ziologischen Theoriegebäude von Bourdieu (1997) und Giddens (1984).<br />

Nun gilt es gemäß dem interessierenden Betrachtungsgegenstand und dem gesetz-<br />

ten Erkenntnisinteresse eine Entscheidung darüber zu treffen, welchen theoreti-<br />

schen Zugängen das größte Maß an Erklärungskraft für die soziologische Analyse<br />

des betreffenden sozialen Phänomens innewohnt. Mit dieser Arbeit wird der Ver-<br />

such unternommen, soziale Strukturdynamiken, deren Ursprünge und Wechselwir-<br />

kungen <strong>im</strong> Kräftefeld der Kopplungspunkte und Schnittstellen von voneinander un-<br />

terscheidbaren Gesellschaftsbereichen vermutet werden, in einer ersten Annähe-<br />

rung mittels eines makrosoziologischen Zugriffs zu erfassen. Da es hierfür einer<br />

nachvollziehbaren und angemessen Vorstellung von Makroformationen, oder einfa-<br />

cher: eines adäquaten Gesellschaftsbildes, welches sich idealerweise auf allgemei-<br />

ne Theorien des Sozialen 3 stützt, bedarf, muss nach gewinnbringenden und diskus-<br />

sionsfähigen Angeboten Ausschau gehalten werden. Für die hier zu bearbeitenden<br />

Zwecke eignen sich insbesondere Theorien, die begriffliche Folien zu einer Be-<br />

2 Eine Darstellung der Historie und der Vielfalt soziologischer Paradigmen entlang ausgewählter „Klassiker<br />

der Soziologie“ bietet das zweibändige Sammelwerk von Kaesler (2006 & 2007).<br />

3 Siehe hierzu die zwanzig einführenden Vorlesungen zur „Sozialtheorie“ von Joas und Knöbl (2004).<br />

Zur differenzierten Betrachtung einer Theorie des Sozialen und einer Theorie des Gesellschaftssystems<br />

am Beispiel des Werks von Luhmann vgl. Kneer 1996, S. 299 ff.


7 2 Theoretische Grundlagen<br />

schreibung übergeordneter sozialer Zusammenhänge bereithalten sowie das Poten-<br />

tial besitzen, <strong>im</strong> Sinne eines kategorialen Rasters Ausgangspunkt für<br />

hypothesengeleitete Analysen zu sein.<br />

Als ein Kernstrang innerhalb des umfänglichen Kontinuums soziologischer Gesell-<br />

schaftstheorien ist die differenzierungstheoretische Perspektive anzuführen: „Dieses<br />

Konzept ist ein klassisches Theoriestück von beträchtlicher Tradition und Kontinuität<br />

in der Geschichte der Soziologie“ (Tyrell 2008, 75). Aber auch wenn Tyrell in diesem<br />

Zitat die Differenzierungstheorie als Einheit kennzeichnet, ist in diesem Fall analog<br />

zu den beiden <strong>im</strong> vorherigen Absatz genannten Gesellschaftsd<strong>im</strong>ensionierungen<br />

weniger von einer einheitlichen Theorie, sondern vielmehr von einem einigermaßen<br />

heterogenen Theorieprogramm zu sprechen, welches zwar eindeutig einer system-<br />

theoretischen Dominanz unterliegt, andererseits aber auch zunehmend<br />

akteurstheoretische Herangehensweisen an gesellschaftliche Differenzierungsvor-<br />

gänge und -folgen erfahren hat (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 185) 4 .<br />

Gerade aufgrund des scheinbar paradoxen Umstandes, dass die differenzierungs-<br />

theoretische Perspektive ein in ihrer Terminologie klares Verständnis von der hoch-<br />

gradig komplexen Verfasstheit der Gesellschaft vermittelt, scheint sie prädestiniert<br />

für eine zunächst deskriptive Nachzeichnung gesellschaftlicher Selbstbeschreibun-<br />

gen und Strukturdynamiken, die den Eindruck fortschreitender Ökonomisierung pro-<br />

vozieren. Die besondere Stärke dieses Theorieprogramms liegt in dem ihm inhären-<br />

ten explorativen Potential und der dadurch erzeugten Anschlussfähigkeit für Frage-<br />

stellungen, die unter anderem auch anhand meso- und mikrosoziologischer Auf-<br />

schlüsse zu bearbeiten sind, z.B. über entscheidungstheoretische Modelle (allge-<br />

mein Sch<strong>im</strong>ank 2005a).<br />

2.1 Die Theorien gesellschaftliche Differenzierung als ein Programm der Sozi-<br />

ologie<br />

Die soziale Welt als eine in sich differenzierte zu begreifen ist keine Neuheit <strong>im</strong> Kon-<br />

text makrosoziologischer Theoriebildung und Gegenwartsdiagnosen. Der Begriff<br />

und das Konzept gesellschaftlicher Differenzierung mögen auf den ersten Blick den<br />

soziologisch-theoretisch geschulten Rezipienten keine weiteren Fragen aufzuwer-<br />

fen, eine gewisse Grundvorstellung erscheint gerade in Bezug auf ein solch promi-<br />

nentes Theorieprogramm mit einem nicht anzuzweifelnden Geltungsanspruch unter-<br />

legt zu sein. Dennoch muss mit Tyrell (2008) zu Recht angemerkt werden, dass<br />

dem soziologischen Schlüsselwort „Differenzierung“ doch mindestens zwei Bedeu-<br />

tungshorizonte innewohnen. So unterscheidet er zwischen „sozialer“ und „gesell-<br />

4 Für eine grundlegende Diskussion der modernen Gesellschaft siehe Nassehi (2001).


8 2 Theoretische Grundlagen<br />

schaftlicher“ Differenzierung. 5 Während Tyrell mit sozialer Differenzierung die<br />

Ebenendifferenzierung sozialer Systeme in Interkation, Organisation und Gesell-<br />

schaft (pr<strong>im</strong>är Luhmann 2005) bezeichnet, soll mit dem zweiten Terminus die ge-<br />

sellschaftstheoretische Best<strong>im</strong>mung der Form des Gesellschaftssystems, also der<br />

dritten Systemebene, angegeben werden. Auf den letztgenannten Fall von System-<br />

differenzierung beziehen sich die nachfolgenden Ausführungen. Es geht also zu-<br />

nächst einzig und allein um die Darstellung eines Modus der Beobachtung von Ge-<br />

sellschaft als das alles umschließende Sozialsystem.<br />

Auch mit der Hinzunahme des bislang dargelegten theoretischen Instrumentariums<br />

ist noch nichts über die Qualität bzw. die Charakteristika einer gesellschaftlichen<br />

Differenzierungsform gesagt. Aus welchen einzelnen Teilsystemen sich ein Ge-<br />

samtsystem zusammensetzt, welche Grundmerkmale diese aufweisen sowie wie<br />

die Verhältnisse untereinander geordnet sind, ist weiterhin offen. An dieser Stelle<br />

extrahiert Luhmann vier Differenzierungsformen, wobei jeder Einzelnen für sich <strong>im</strong><br />

historischen Abriss eine Dominanz hinsichtlich der Gesellschaftsstruktur zugespro-<br />

chen werden kann. Die theoretisch unbegründete Typologie bislang real nachvoll-<br />

ziehbarer Differenzierungsformen beinhaltet die segmentäre Differenzierung, die<br />

Differenzierung nach Zentrum und Peripherie, die stratifikatorische Differenzierung<br />

sowie die funktionale Differenzierung (vgl. Luhmann 1997, 609-618). Diese Formen<br />

sind je kennzeichnend für best<strong>im</strong>mte historische Epochen sowie für abgrenzbare<br />

räumliche Einheiten, stellt doch <strong>im</strong>mer eine Differenzierungsform den Pr<strong>im</strong>aten <strong>im</strong><br />

Verhältnis zu den Anderen. Das ist freilich nicht gleichbedeutend mit einer aus-<br />

schließlichen Existenz einer Form gesellschaftlicher Differenzierung. Eine Differen-<br />

zierungsform ersetzt nicht evolutionär eine andere, sondern ergeben sich lediglich<br />

aus wechselnden Vorherrschaften eigentümliche Mischungsverhältnisse. Denn<br />

schon „die archaische Gesellschaft kannte neben der pr<strong>im</strong>ären segmentären Diffe-<br />

renzierung auch die funktionale Differenzierung, etwa als geschlechtliche Arbeitstei-<br />

lung. Figuren wie Clanchefs und Stammeshäuptlinge könnte man als Vorformen<br />

stratifikatorischer Differenzierung auffassen; und manche Siedlungsstrukturen ar-<br />

chaischer Gesellschaften wiesen auch bereits eine dauerhafte Differenzierung von<br />

Zentrum und Peripherie auf.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 138)<br />

Sichtet man etwa ganz spontan und unsystematisch die überregionalen Tageszei-<br />

tungen der Bundesrepublik anhand dieses Katalogs an Gesellschaftsformen wird<br />

ohne großartige Anstrengungen augenscheinlich, dass für unsere heutige Gesell-<br />

5 Diese beiden Theoriekomplexe stellt Tyrell (2008) umfassend und analytisch trennend in den Aufsätzen<br />

„Zweierlei Differenzierung: Funktionale und Ebenendifferenzierung <strong>im</strong> Frühwerk Niklas Luhmanns“<br />

(55-72) sowie „Zur Diversität der Differenzierungstheorie. Soziologiehistorische Anmerkungen“ (107-<br />

140) in den Zusammenhang.


9 2 Theoretische Grundlagen<br />

schaft sicherlich alle vier Differenzierungsformen ihre Bedeutung zu haben schei-<br />

nen. So findet man beispielsweise Berichte über die zunehmende Erosion der Mit-<br />

telklasse (Kontext stratifikatorische Differenzierung), über die existenziellen Finanz-<br />

nöte einzelner Kommunen (Kontext segmentäre Differenzierung), über auseinan-<br />

derdriftende Arbeitslosenquoten zwischen Stadt und Land (Differenzierung nach<br />

Zentrum und Peripherie) sowie über die <strong>im</strong>mer akuter werdenden Probleme der<br />

Wirtschaft und der Politik, in der aktuellen Finanzkrise ihre jeweiligen Handlungsfä-<br />

higkeiten aufrechtzuerhalten bzw. wiederzuerlangen (Kontext funktionale Differen-<br />

zierung). 6 Dieses s<strong>im</strong>ultane Auftreten gesellschaftlicher Differenzierungsformen<br />

spricht für die Luhmannsche These der nicht-linearen Sequenzierung in der Evoluti-<br />

on von Gesellschaft, da, wie mit dem Beispiel zuvor angedeutet, weltweit wie auch<br />

regional besehen <strong>im</strong>mer verschiedene Differenzierungsformen zeitgleich realisiert<br />

werden (Luhmann 1997, 615).<br />

Für die gegenwärtige moderne Gesellschaftsformation, so wird in der theorieange-<br />

bundenen soziologischen Diskussion und Forschung weitgehend übereinst<strong>im</strong>mend<br />

kolportiert, „liegt die pr<strong>im</strong>äre Differenzierungsform der funktionalen Differenzierung<br />

vor“ (Nassehi 1999, 14; auch Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999). 7 Die soziologische Erfas-<br />

sung dieser Differenzierungsform liefert für diese Arbeit das zugrunde gelegte Mo-<br />

dell von Gesellschaft. In den nachfolgenden Kapiteln wird das Theorieprogramm<br />

funktionaler Differenzierung ausgehend von der grundlegenden systemtheoreti-<br />

schen Anlage bis hin zu seinen neueren paradigmatischen Ausdifferenzierungen<br />

bzw. Erweiterungen in Bezug auf sein erklärendes und analytisches Potential vor-<br />

stellen. In Anbetracht der schon <strong>im</strong> Vorfeld vorgenommenen Selektion und der nun<br />

an dieser Stelle zur Sichtbarkeit gelangten Entscheidung für einen theoretischen<br />

Zugang zum aufgeworfenen Problem wird deutlich, dass der Theorie funktionaler<br />

Differenzierung gegenüber anderen Theorieangeboten ein größeres Maß an Deu-<br />

tungs- und Erklärungskraft zugesprochen wird. Diese Behauptung soll <strong>im</strong> weiteren<br />

Verlauf ebenfalls weiter mit Argumenten unterfüttert werden.<br />

6 Auffällig ist, dass mit den Formkategorien stratifikatorischer und funktionaler Differenzierung die Gegenstandsbereiche<br />

zweier traditioneller Gesellschaftstheorien benannt werden (Sch<strong>im</strong>ank 1998, auch<br />

Schwinn 1998), die beiden anderen Differenzierungsformen aber scheinbar nicht als Anlässe für die<br />

Konstruktion soziologischer Gesellschaftstheorien, nach der oben angelegten Definition, ausreichen.<br />

7 Dass die anderen Differenzierungsformen, insbesondere in ihren problematischen Ausuferungen,<br />

trotz dieses Postulats weiterhin wahrgenommen werden und der gesellschaftlichen wie wissenschaftlichen<br />

Bearbeitung bedürfen, zeigt beispielsweise die Ausdifferenzierung des Faches Soziologie in<br />

spezielle Soziologien wie die Familiensoziologie (Huinink/Konietzka 2007) und die Stadtsoziologie<br />

(Löw 2010) für die Form segmentärer Differenzierung oder die Sozialstrukturanalyse (Geißler 2010) <strong>im</strong><br />

Bereich stratifikatorischer Differenzierung. Türk (1995, 166-170) behauptet <strong>im</strong> Übrigen explizit, dass<br />

„stratifizierende Differenzierung“ als gleich starkes Kennzeichen der moderne anzusehen ist.


10 2 Theoretische Grundlagen<br />

2.1.1 Ausgewählte Perspektiven auf die funktionale Differenzierung der Ge-<br />

sellschaft<br />

Will man die best<strong>im</strong>mende sozialtheoretische Strömung innerhalb des Kontinuums<br />

soziologischer Differenzierungstheorie, also diejenige Theoriegrundlage mit der rela-<br />

tiv größten Prägekraft in der zugegebenermaßen noch recht jungen Geschichte ex-<br />

pliziter differenzierungstheoretischer Theoriebildung, best<strong>im</strong>men, so ist zweifellos<br />

der soziologischen Systemtheorie nach Luhmann der programm<strong>im</strong>manente Pr<strong>im</strong>at<br />

zuzusprechen. Dennoch markieren Luhmanns Überlegungen nicht den absoluten<br />

Ausgangspunkt differenzierungstheoretischer Ansätze: „Von Herbert Spencer<br />

(1882ff.) über Emile Durkhe<strong>im</strong> (1988), Georg S<strong>im</strong>mel (1992a), Max Weber (1972)<br />

bis hin zu Talcott Parsons (1997) wurde gesellschaftliche Modernisierung als Diffe-<br />

renzierungsprozess aufgefasst, ohne dass Einigkeit über den Begriffsgebrauch er-<br />

zielt worden wäre.“ (Nassehi 2004, 98) Schon bevor Luhmann seine theoretischen<br />

Arbeiten aufgenommen hat, herrschte innerhalb der soziologischen Wissenschaft<br />

die Ansicht, dass die Gesellschaft mitsamt ihrer evolutionären Prozesshaftigkeit<br />

nicht als eine homogene Einheit aufzufassen ist, sondern vielmehr vom Grund-<br />

merkmal der Verschiedenartigkeit her begriffen werden muss. Ein weiteres verbin-<br />

dendes Merkmal dieser klassischen Theoretiker ist die Tatsache, dass sowohl bei<br />

Durkhe<strong>im</strong>, bei S<strong>im</strong>mel als auch bei Spencer das Konzept der Differenzierung seinen<br />

eigenen Platz <strong>im</strong> soziologischen Vokabular innehat, während Weber für Differenzie-<br />

rungserscheinungen der modernen Gesellschaft den Begriff der „Wertsphären“ ge-<br />

braucht. (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 49, 53) Weber argumentiert hierzu entlang seines Kon-<br />

zepts der Rationalitätsd<strong>im</strong>ensionen <strong>im</strong> Entscheidungshandeln. Im Verlauf des Säku-<br />

larisierung wertrationaler Handlungsorientierungen aus traditionalen Dogmen sowie<br />

der voranschreitenden und sich rekursiv verstärkenden situationsbedingten Hin-<br />

wendung zu einem bereichsspezifischen Set an Maßstäben des Wollens und Han-<br />

delns steht am Ende die Ausbildung sich abgrenzender „Wertsphären“. Weber er-<br />

fährt die Gesellschaft als ein Nebeneinander von eigengesetzlichen Sphären „ohne<br />

ein alle überwölbendes sinnhaftes Dach“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 56), die allerdings nicht<br />

in friedlicher Koexistenz agieren, vielmehr in spannungsreichen Beziehungen zuei-<br />

nander stehen (Weber 1988, 541f.).<br />

Eine begrifflich und konzeptionell ungleich größere Nähe zu Luhmanns Theorie so-<br />

zialer Systeme wiesen die Arbeiten von Parsons auf, wobei seine theoretischen<br />

Überlegungen als bedeutende Bezugspunkte für Luhmanns Theoriebildung zu wer-<br />

ten ist. Parsons entwirft seine Auffassung vom Gesellschaftssystem auf der Basis


11 2 Theoretische Grundlagen<br />

seines universellen AGIL-Schemas 8 (Parsons 1971). Aufgrund des von Parsons<br />

behaupteten universellen Charakters seines strukturbasierten Modells sozialer Sys-<br />

teme ist dieses offen für eine Spezifizierung auf der Ebene des Gesellschaftssys-<br />

tems. Aus dieser Anwendung auf die oberste Ebene von Handlungssystemen her-<br />

aus extrahiert Parsons vier gesellschaftliche Subsysteme, die jeweils einer der<br />

grundständigen D<strong>im</strong>ensionen des AGIL-Schemas zugeordnet sind. Dabei fällt dem<br />

Wirtschaftssystem die Funktion materieller Bedürfnisbefriedigung <strong>im</strong> Kontext von<br />

bestandswahrender Umweltanpassung zu (adaption), dem politischen System wird<br />

die generelle Verfolgung übergeordneter Systemziele überantwortet, die gesell-<br />

schaftliche Gemeinschaft erfüllt das funktionale Erfordernis der überindividuellen<br />

Integration und das sogenannte Treuhandsystem symbolisiert systemweite kulturel-<br />

le und institutionelle Ordnungsmuster (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 89f.). Diese sehr modellhaft<br />

angelegte Fassung der modernen Gesellschaft 9 geht von einem normativ vorge-<br />

formten Verständnis von Sozialität aus. Damit wird behauptet, dass jedes Sozialsys-<br />

tem, also auch jedes ausdifferenzierte Subsystem, die genannten vier Strukturdi-<br />

mensionen aufweisen muss. 10 Diese Sichtweise unterliegt der Logik, dass die ein-<br />

zelnen Funktionen eines Systems durch seine strukturelle Verfassung determiniert<br />

sind.<br />

Hierin unterscheidet sich Luhmanns systemtheoretische Ausbuchstabierung funkti-<br />

onaler Differenzierung ganz entscheidend von Parsons Theoriegerüst. Er koppelt<br />

seine Vorstellungen von funktionaler Ausdifferenzierung und der Stabilisierung ge-<br />

sellschaftlicher Teilsysteme an seine allgemeine Theorie sozialer Systeme. Auf-<br />

grund seiner, bis in zeitgenössische Weiterentwicklungen ausstrahlende, dominan-<br />

ten Stellung <strong>im</strong> Gesamtprogramm der Differenzierungstheorie (Mayntz 1988, 11) ist<br />

es unumgänglich, sich mit einigen grundlegenden Konzepten der Systemtheorie<br />

Luhmanns zu befassen. 11<br />

AEine Grundprämisse Luhmanns in Bezug auf diesen Entwicklungsschritt hin zur<br />

Entstehung einzelner Funktionssysteme ist, dass dies ein „extrem unwahrscheinli-<br />

cher Vorgang“ (Luhmann 1997, 707) ist. 12 Damit soll gesagt sein, dass ein solcher<br />

8<br />

AGIL= adaption, goal attainment, integration, latent pattern maintenance (als funktionale Erfordernisse<br />

aller Arten von sozialen Systemen).<br />

9<br />

Laut Parsons weisen auch vormoderne bzw. traditionale Gesellschaftssysteme dieses Funktionsmuster<br />

auf, nur sind diese Gesellschaften eben weniger spezifisch funktional Ausdifferenziert als die hochgradig<br />

spezialisierte moderne Gesellschaft.<br />

10<br />

Auch Tyrell (2008, 98) geht von der Annahme aus, dass sich Teilsysteme typisch um die zentralen<br />

gesellschaftlichen Funktionen ausdifferenzieren.<br />

11<br />

Siehe das nachfolgende Unterkapitel.<br />

12<br />

Hier verarbeitet Luhmann hier in seiner Gesellschaftstheorie ein Teilkonzept seiner allgemeinen<br />

Theorie sozialer Systeme. Er definiert den Begriff der Kontingenz wie folgt: „Kontingent ist etwas, was<br />

weder notwendig ist noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch<br />

anders möglich ist. Der Begriff bezeichnet mithin Gegebenes (zu Erfahrenes, Erwartetes, Gedachtes,<br />

Phantasiertes) <strong>im</strong> Hinblick auf mögliches Anderssein; er bezeichnet Gegenstände <strong>im</strong> Horizont mögli-


12 2 Theoretische Grundlagen<br />

Übergang weder folgerichtig noch in genau dieser Art und Weise unabwendbar ge-<br />

schehen muss. Der historische Anfangspunkt der Ausdifferenzierung funktional mo-<br />

nopolisierter Teilsysteme ist nicht exakt zu datieren, dennoch ist vor dem Hinter-<br />

grund geschichtlicher Daten zu vermuten, dass in Mitteleuropa dieser Prozess mit<br />

der Übergangsperiode vom Mittelalter zur Neuzeit/ Moderne zusammenfällt (Willke<br />

2000, 18). Eine modernisierungstheoretische Lesart 13 ist etwa, dass die Moderne<br />

insbesondere durch die fortschreitende funktionale Differenzierung als dem prägen-<br />

den Merkmal dieser Zeit zu markieren ist (Nassehi 1999, 12). In dieser Perspektive<br />

erscheint Modernisierung „als <strong>im</strong>mer weiter fortlaufender Prozeß der Ausdifferenzie-<br />

rung eigenlogischer spezialisierter Systeme.“ (Brock/Junge 1995, 166) Das Auf-<br />

kommen einer solchen modernen gesellschaftlichen Ordnung geschieht nicht aus<br />

einem Akt planvollen Eingreifens in die Welt des Sozialen heraus, sondern bedarf<br />

einer unwahrscheinlichen Gemengelage ermöglichender und begünstigender Vari-<br />

ablen. Ausdifferenzierungsprozesse basieren auf Einzelentwicklungen, die in Raum<br />

und Zeit und über diese hinweg quasi inkrementell zusammenlaufen. Als Prozess-<br />

kategorie ist Ausdifferenzierung <strong>im</strong>mer auf episodische Mikroereignisse angewie-<br />

sen, die dann wiederum weitere Ereignisse provozieren, wobei diese möglicherwei-<br />

se zu einer größeren Dynamik kulminieren. Derartige Umformungsprozesse, deren<br />

Versuche historische Rekonstruierung aufgrund einer nicht zu überwindenden Auf-<br />

merksamkeitslücke 14 zwangsläufig spekulativ bleiben, können hier nur andeutungs-<br />

weise nachvollzogen werden. Als Triebkräfte funktionaler Differenzierung werden <strong>im</strong><br />

allgemeinen Vorzüge bis dato nicht zu realisierender Leistungssteigerungen, evolu-<br />

tionäre Mechanismen der Variation und Selektion, reflexive Interessen von Akteuren<br />

sowie die <strong>im</strong>mer konsequentere Aktivierung von Wertorientierungen angesehen<br />

(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999, 15-20). Um mit Luhmann in abstrakter Form zu spre-<br />

chen ist für die Ausdifferenzierung von Funktionssystemen entscheidend, „daß ir-<br />

gendwann die Rekursivität der autopoietischen Reproduktion sich selbst zu fassen<br />

beginnt und eine Schließung erreicht, von der ab für Politik nur noch Politik, für<br />

Kunst nur noch Kunst, für Erziehung nur noch Anlagen und Lernbereitschaft, für die<br />

Wirtschaft nur noch Kapital und Ertrag zählen und die entsprechenden gesell-<br />

schaftsinternen Umwelten (…) nur noch als irritierendes Rauschen, als Störungen<br />

cher Abwandlungen.“ (Luhmann 1984, 152). Zu einer disziplinen- und paradigmenübergreifenden<br />

Auseinandersetzung mit dem Kontingenzbegriff siehe Holzinger (2007).<br />

13 Als weitere Phänomene gesellschaftlicher Modernisierung werden etwa Individualisierung, Rationalisierung<br />

oder Zivilisierung identifiziert (siehe zur Übersicht Degele/Dries 2005). Theoretische Zugänge<br />

aus der klassischen erklärenden Soziologie sind Webers Rationalisierungstheorie (1988) und Elias‘<br />

Zivilisationstheorie (1976).<br />

14 Damit möchte ich auf die Einsichten der Verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie<br />

(Kieser/Ebers 2006, 169-214) verweisen. Übertragen auf die an dieser Stelle angesprochene Thematik<br />

möchte ich den Hinweis liefern, dass Theoriebildung und Rekonstruierungen sozialer Prozesse hochgradig<br />

selektiv sind und sein müssen.


13 2 Theoretische Grundlagen<br />

oder Gelegenheiten wahrgenommen werden.“ Luhmann 1997, 708). Zur theoreti-<br />

schen Explikation dieser Phänomene rekurriert Luhmann auf die von ihm selbst ge-<br />

legten sozialtheoretischen Entwürfe.<br />

2.2 Einsichten der „Theorie des Sozialen“ nach Luhmann<br />

Die Absolutheit Luhmanns <strong>im</strong> Gebrauch theoretischer Kategorien ist <strong>im</strong> Wesentli-<br />

chen darin begründet, dass er, anders als es Weber und Parsons in ihren gesell-<br />

schaftstheoretischen Ausarbeitungen tun, in seiner Theoriebildung vollständig auf<br />

die soziologische Urkategorie der sozialen Handlung verzichtet. Gesellschaftliche<br />

Funktionssysteme sind, ebenso wie Interaktions- oder Organisationssysteme, in<br />

Luhmanns Interpretation keine Handlungssysteme, sondern auf spezifischen Kom-<br />

munikationen basierende Gebilde. Kommunikation ist die genuin soziale Operation<br />

und die kleinstmögliche Einheit eines sozialen Systems (Luhmann 1997, 81). Jedes<br />

soziale System basiert auf Kommunikationen. Wenn hier schon der Plural verwen-<br />

det wird, deutet das auf die Verknüpfungsmuster von Kommunikationen hin. Eine<br />

eingrenzbare Kommunikationseinheit provoziert die Produktion weiterer Kommuni-<br />

kationseinheiten, die in einem „Prozessieren von Selektion“ (Luhmann 1984, 194)<br />

für die Reproduktion des Systems entweder als systemrelevant eingestuft werden<br />

oder aber in Nichtbeachtung bzw. Ablehnung versiegen. Geschieht der letztgenann-<br />

te Fall, ist die Kommunikation nicht Teil des Systems und wird der Umwelt zuge-<br />

rechnet, womit in ihr kein Faktor für die Fortexistenz des Systems zu sehen ist.<br />

Man kann auch sagen: „Die Einheit der Einzelkommunikation ist, in dynamischer<br />

Hinsicht gesehen, nichts weiter als Anschlußfähigkeit.“ (Luhmann 1984, 204). Dass<br />

allerdings Sequenzen des Kommunizierens nicht als automatisch ablaufende Ge-<br />

schehnisse für selbstverständlich gehalten werden dürfen, betont Luhmann, wenn er<br />

von der Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation spricht. Eine Kommunikationsein-<br />

heit wird deshalb nicht als ein voraussetzungsloses Phänomen gesehen, weil sie<br />

eine „Mehrzahl von Problemen, eine Mehrzahl von Hindernissen“ (Luhmann 2005,<br />

30) überwinden muss. Die Anschlussfähigkeit einer Kommunikation ist erst gewähr-<br />

leistet, insofern die potentiellen Empfänger fähig sind die kontextuell vorgeprägte<br />

Kommunikation zu verstehen. Darüber hinaus müssen Kommunikationen die<br />

verstehensfähigen Empfänger überhaupt erreichen, damit diese Selektionen über<br />

die An- und Aufnahme der Kommunikation anstellen können.<br />

Zur Abmilderung der so analytisch hergeleiteten Behauptung der Unwahrscheinlich-<br />

keit von Kommunikation haben sich evolutionär best<strong>im</strong>mte soziale Konstruktionen<br />

etabliert, die <strong>im</strong> Sinne einer Wahrscheinlichkeitsbegünstigung als Stützeinrichtungen<br />

für Kommunikationsanschlüsse einzustufen sind. Hiermit sind in der Terminologie


14 2 Theoretische Grundlagen<br />

Luhmanns Medien bezeichnet, die die Funktion haben, Abbrüche von Kommunikati-<br />

onen zu vermeiden (Luhmann 2005, 32f.). Neben gesellschaftssystemübergreifen-<br />

den Medien wie der Sprache oder der Schrift sind die sogenannten symbolisch ge-<br />

neralisierten Kommunikationsmedien entscheidend für die Konstitution von Funkti-<br />

onssystemen: „Sie setzen (…) die Ja/Nein-Codierung der Sprache voraus und<br />

übernehmen die Funktion, die Annahme einer Kommunikation erwartbar zu machen<br />

in Fällen, in denen die Ablehnung wahrscheinlich ist.“ (Luhmann 1997, 316)<br />

In der metaphorischen Thematisierung der Aneinanderkettung von Systemelemen-<br />

ten, also von Kommunikationen als Systemoperationen, zur Konstitution des Ge-<br />

samtsystems wird schon angedeutet, dass nicht jede Operation die irgendwo in der<br />

Welt des Sozialen passiert, gleichfalls verarbeitungswürdig für ein System ist. Wie<br />

<strong>im</strong> vorherigen Absatz angesprochen, signalisiert ein System über die An- oder Ab-<br />

nahme von Kommunikationseinheiten seine eigenen Grenzen. Ein hinreichend<br />

komplexes soziales System bildet diese Grenzen zur Umwelt über die Unterschei-<br />

dung von Selbstreferenz und Fremdreferenz aus, wobei diese Unterscheidung aus-<br />

schließlich <strong>im</strong> betreffenden System selbst praktiziert werden kann (vgl. Luhmann<br />

1997, 87). 15 Da soziale Systeme <strong>im</strong>mer auf der Grundlage ihrer eigenen Vergan-<br />

genheit, welche sich in den kommunikativ vermittelten Unterscheidungsstrukturen<br />

manifestiert, prozessieren, also alleinig auf bereits existente systemeigene Kommu-<br />

nikationseinheiten zurückgreifen können, sind sie in der Sprache Luhmanns als<br />

autopoietische Systeme zu verstehen. Dazu Luhmann: „Als autopoietisch wollen wir<br />

Systeme bezeichnen, die die Elemente, aus denen sie bestehen, selbstproduzieren<br />

und selbstreproduzieren. Alles, was solche Systeme als Einheit verwenden, ihre<br />

Elemente, ihre Prozesse, ihre Strukturen und sich selbst, wird durch eben solche<br />

Einheiten <strong>im</strong> System erst best<strong>im</strong>mt.“ (Luhmann 1984, 403) 16 . In ihrer operativen<br />

Geschlossenheit sind Systeme also in der Lage, sich mittels ihrer eigenen Elemente<br />

<strong>im</strong>mer wieder selbst zu generieren. Dabei muss Reproduktion nicht bedeuten, dass<br />

die Ereignisse fortlaufender Systembildung <strong>im</strong>mer unverändert evolvieren, sich also<br />

evolutionärer Stillstand einstellt. Zwar sind soziale Systeme kommunikativ geschlos-<br />

sen, doch bestehen ihre dynamisierenden Quellen „<strong>im</strong> Einwirken von Kommunikati-<br />

on auf Kommunikation und in diesem Sinne: in der Transformation jeweils aktueller<br />

Unterscheidungen und Bezeichnungen, nie aber in er Umgestaltung der äußeren<br />

Umwelt.“ (Luhmann 1997, 95). Der generelle Modus der Selbstproduktion läuft be-<br />

ständig fort, während die leitenden Beobachtungs- und Bewertungskategorien, die<br />

15 Dazu Luhmann (1997, 92) an anderer Stelle: „wo denn sonst?“<br />

16 Nach Münch (2004, 207) beschreibt Autopoiesis „die Fähigkeit der Systeme, die Umweltkomplexität<br />

in ihren eigenen Begriffen zu erfassen und zu verarbeiten und so ihr bedrohliches Wesen in systemischen<br />

Ressourcen zur Selbstreproduktion und Reproduktion zu verwandeln.“


15 2 Theoretische Grundlagen<br />

dem System für die Selbst- und Fremdbeobachtung zu Verfügung stehen, nicht irre-<br />

versibel festgelegt sind. Nur bezieht sich das modifizierende Moment ausschließlich<br />

auf das kommunikative Subjekt selbst, nicht jedoch auf Objekte außerhalb des sin-<br />

gulären Kommunikationsraumes.<br />

Genauso wenig wie ein System einen an systemeigenen Referenzen orientierten<br />

transformierenden Durchgriff auf die Umwelt haben kann, ist es Umweltsystemen<br />

möglich „an den autopoietischen Prozessen eines operativ geschlossenen Systems<br />

mitzuwirken.“ (Luhmann 1997, 92) Da dieser Sachverhalt aber nur auf Ebene der<br />

Operationen besteht, ist die generelle kognitive Offenheit eines Systems nicht zu<br />

negieren. Umweltsysteme wirken <strong>im</strong>mer ursächlich an der Selbstproduktion und<br />

Reproduktion einer einzelnen Systemeinheit mit. Denn der Autopoiesis liegt <strong>im</strong>mer<br />

die Unterscheidung von System und Umwelt in den Beobachtungen zugrunde: „Und<br />

so entsteht ein System, das auf Grund seiner Geschlossenheit umweltoffen operiert,<br />

weil seine basale Operation auf Beobachtung eingestellt ist.“ (Luhmann 1997, 97)<br />

Die Umwelt kann, oder eben nicht, nur in Form von Referenzpunkten Bedeutung für<br />

das System erlangen, und das nur, insofern diese als Referenzen wahrgenomme-<br />

nen Umwelteinheiten Kommunikationen <strong>im</strong> System und über die Umwelt nach sich<br />

ziehen.<br />

Dieses selektive Vorgehen hat den großen Vorteil, dass Außenliegendes nur fokus-<br />

siert in das Blickfeld des Systems gerät und damit potentielle Kommunikationsan-<br />

schlüsse auf ein zu verarbeitendes Maß reduziert werden, also die unüberschauba-<br />

re Komplexität der Umwelt operabel verklammert wird (Luhmann 1984, 49). Einen<br />

Beitrag zur Komplexitätsreduktion leisten ebenso die auf Zeit gestellten erwartbaren<br />

strukturellen Kopplungen. 17 Wie der Begriff schon anzeigt sind hiermit allein Kopp-<br />

lungen auf Ebene der Strukturen bezeichnet, die den Zweck der Bündelung und<br />

Steigerung best<strong>im</strong>mter Kausalitäten haben, „die auf das gekoppelte System einwir-<br />

ken, es irritieren und dadurch zur Selbstdetermination anregen können.“ (Luhmann<br />

1997, 103) Funktional sind strukturelle Kopplungen in Hinblick auf die Existenzsi-<br />

cherung des Systems, wird es doch so mit höherer Wahrscheinlichkeit beständig mit<br />

Kommunikationsanlässen versorgt, womit die Autopoieses sichergestellt werden<br />

kann und ein stetiger Zufluss an materiellen wie ideellen Ressourcen mit relativ hö-<br />

herer Wahrscheinlichkeit gewährleistet wird. Anderseits können diese <strong>im</strong>mer wieder<br />

beanspruchten Bahnen uni- und bilateraler Adressierung auch bewirken, dass ein<br />

17 Im Zusammenhang mit der systemtheoretisch begründeten Gesellschaftsform der Differenzierung<br />

wird das Konzept der strukturellen Kopplungen weiter unten noch einmal aufgegriffen.


16 2 Theoretische Grundlagen<br />

System sich zu einem gewissen Grad mit Ambivalenzen befassen und auch kom-<br />

munikativ und strukturell verarbeiten muss. 18<br />

Dieses Konzept weist auf das Verhältnis von Operation und Struktur hin, sowohl <strong>im</strong><br />

Außen- wie auch <strong>im</strong> Innenverhältnis eines Systems. Die operative Geschlossenheit<br />

ermöglicht es einem System, sich kraft seiner Selbstreferenz infolge interner Selbst-<br />

organisation zu stabilisieren. Luhmann schreibt den basalen Systemaktivitäten der<br />

Operationen damit eine Doppelfunktion zu: „Sie legen (I) den historischen Zustand<br />

des Systems fest, von dem dieses System bei den nächsten Operationen auszuge-<br />

hen hat. Und sie bilden (2) Strukturen als Selektionsschemata, die ein Wiederer-<br />

kennen und Wiederholen ermöglichen, also Identitäten (…) kondensieren und in<br />

<strong>im</strong>mer neue Situationen konfirmieren, also generalisieren.“ (Luhmann 1997, 94) Zu<br />

diesen systemeigenen oder auch systemtypischen Strukturen, auf die sich ein Sys-<br />

tem in seiner weiteren Biographie <strong>im</strong>mer wieder bezieht, gehören neben den schon<br />

erwähnten symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien und strukturellen<br />

Kopplungen in erster Linie systemspezifische Codes sowie absichernde Program-<br />

me, die eine Systemordnung charakterisieren (z.B. Luhmann 1986, 89-100). Diese<br />

Sammlung von jedem komplexeren System inhärenten Strukturelementen erlaubt<br />

es auf der Ebene der Funktionssysteme, analytisch trennende Spezifizierungen vor-<br />

zunehmen. Diesem Themenbereich widmen sich die nachfolgenden Absätze. 19<br />

2.3 Die funktional differenzierte Gesellschaft<br />

Eindringlicher als bisher geschehen müssen für ein adäquates Verständnis des<br />

durch funktionale Differenzierung gekennzeichneten Gesellschaftsbildes Definiti-<br />

onsangebote hinzugezogen werden. Für Willke (2001, 18) etwa heißt funktionale<br />

Differenzierung, „dass das Ganze nicht mehr aus einer Vielzahl gleicher oder ähnli-<br />

cher Einheiten wie Familien, Clans oder Gruppen (segmentäre Differenzierung) be-<br />

steht, sondern aus einer Vielzahl unterschiedlicher, spezialisierter Teile, die vonei-<br />

nander abhängen (biologisches Beispiel: der menschliche Organismus).“ Diese Be-<br />

griffsbest<strong>im</strong>mung weist schon auf einige zentrale Merkmale einer so verstandenen<br />

Gesellschaftsformation hin, bleibt aber für eine universelle Verständnisgrundlage auf<br />

einem zu geringen Abstraktionsniveau verhaftet, oder anders: in dieser Definition<br />

schwingen bereits Implikationen mit, die weiterer Explikation bedürfen. Beispiels-<br />

weise ist zu hinterfragen, in welchem Verhältnis „das Ganze“ und die spezialisierten<br />

18 Über denkbare Folgeerscheinungen von Beziehungsmustern dieser Art soll an dieser Stelle nicht<br />

spekuliert werden. Weiter unten aber werden die Eigenheiten staatsnaher Sektoren oder Systeme<br />

angesprochen.<br />

19 Die in aller Kürze präsentierten theoretischen Annahmen der Luhmann’schen Systemtheorie sind<br />

deshalb von besonderer Relevanz, da sie für die gesellschaftstheoretische Theorieentwicklung <strong>im</strong><br />

Rahmen einer Perspektive funktionaler Differenzierung die Hypothesenfolie stellen.


17 2 Theoretische Grundlagen<br />

Teile wirklich stehen, ob Differenzierung <strong>im</strong>mer etwas über die Anzahl/Vielzahl an<br />

Einheiten aussagen muss und, das ist eine umstrittene und für diese Arbeit wesent-<br />

liche Frage, ob die Einzelteile in einem Netz von Abhängigkeitsverhältnissen zuei-<br />

nander stehen und wie diese intersystemischen Verhältnisse beschaffen sind.<br />

Als ein wichtiges Kriterium der funktional differenzierten Gesellschaftsform in Ab-<br />

grenzung zu den beiden anderen Differenzierungsformen ist der scheinbare Wider-<br />

spruch, dass die Teilsysteme gleich, ungleich und gleichrangig zugleich sind. Das<br />

Moment der Gleichheit bezieht sich auf die Einheit der Operationsweise: „Kommuni-<br />

kation nämlich.“ (Nassehi 2004, 101) Ungleichheit zwischen den Systemen besteht<br />

aufgrund der Differenz in den Beobachtungsschemata 20 (Luhmann 1997, 607) und<br />

gleichrangig sind Funktionssysteme dadurch, dass die spezifische binäre Codierung<br />

dem jeweiligen Funktionssystem exklusiv ist und somit nur dieses in der Lage, die<br />

Gesellschaft auf diese Weise zu erfassen um auf Grundlage dieser Beobachtung<br />

seine unverwechselbaren Leistungen zu produzieren.<br />

2.3.1 Differenzierung: Dekomposition versus Emergenz<br />

Die Vorgänge der Differenzierung nach Funktionen dürfen nicht als Prozesse von<br />

Arbeitsteilung missverstanden werden. Selbstverständlich erfüllen gesellschaftliche<br />

Teilsysteme in ihrer operativen Leistungserbring eine Funktion <strong>im</strong> retrospektiv und<br />

gegenwärtig als arbeitsteilig zu beschreibenden Zusammenhang der Gesellschaft.<br />

Nur wird eine solche Teilung und Spezialisierung nicht aufgrund einer intentionalen<br />

Entscheidung herbeigeführt, quasi durch eine Direktive, denn es „geht nicht um eine<br />

Dekomposition eines »Ganzen« in »Teile«, und zwar weder <strong>im</strong> begrifflichen Sinne<br />

(divisio) noch <strong>im</strong> Sinne einer Realteilung (partitio)“ (Luhmann 1997, 598), „sondern<br />

um die Aufteilung von globalen Zugriffsweisen.“ (Türk 1995, 173). Aber auch der<br />

Begriff Aufteilung bleibt hinter dem eigentlich Gemeinten zurück, geht es doch viel-<br />

mehr um die Ausbildung und Vervielfachung der angesprochenen globalen Zu-<br />

griffsweisen, denn es gilt: „Was <strong>im</strong>mer passiert, passiert mehrfach“. (Luhmann 1997,<br />

599).<br />

Eine Aufteilung des Ganzen mit der Zuweisung entsprechender Funktionen bedürfte<br />

einer übergeordneten Instanz, die koordinativ auf das Gesamtsystem einwirken<br />

könnte und auch würde. Aufgrund der Nichtexistenz einer solchen Instanz, auch<br />

dem politischen System fehlt es kommunikativer Durchsetzungsfähigkeit, greift das<br />

Schema Ganzes/Teil für die Beschreibung von funktionaler Ausdifferenzierung nicht.<br />

Treffender ist eine Beschreibung dieser Entwicklung über die Vorstellung einer<br />

Emergenz neuartiger und kommunikationsbasierter System/Umwelt-Differenzen, die<br />

20 Siehe unter Kapitel 3.3.2 zum Differenzschema der binären Codierung.


18 2 Theoretische Grundlagen<br />

nebeneinander Fortbestehen und dieselben Geschehnisse auf Grundlage ihrer spe-<br />

zifischen Referenzen in unterschiedlicher Weise beobachten und systemintern ver-<br />

arbeiten. Das bedeutet, dass sich die Teilsysteme ihre Zuständigkeiten für die täg-<br />

lich passierenden gesellschaftlichen Einzelereignisse nicht nach entscheidungsori-<br />

entierenden Prinzipien aufteilen, vielmehr wird ein spezifisches Einzelereignis mehr-<br />

fach beobachtet und aufgenommen, aber jeweils kontrastiv nach dem teilsystemi-<br />

schen, von den weiteren Systemen nicht geteilten, binären Code (siehe unten).<br />

Luhmann, in Übereinst<strong>im</strong>mung mit Weber, zufolge liegt kein Kooperationszusam-<br />

menhang aufeinander abgest<strong>im</strong>mter spezialisierter Teile vor, vielmehr „vollzieht sich<br />

die Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Teilsysteme als Kultivierung, Verein-<br />

seitigung und schließlich Verabsolutierung von Weltsichten in Gestalt nebeneinan-<br />

der und nicht selten gegeneinander operierender Teilsysteme“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 72;<br />

Sch<strong>im</strong>ank 2002, 15). Anders als bei Parsons, der in seinen theoretischen Überle-<br />

gungen der Idee von „function follows structure“ anhing, ist Differenzierung bei<br />

Luhmann „etwas, was sich gewissermaßen von unten ereignet, nicht von einer ir-<br />

gendwie ursprünglichen Struktur her, die so etwas wie Möglichkeitsbedingungen<br />

des Bestandes oder Ähnliches vorgibt.“ (Nassehi 1999, 19). Diese Einschätzung<br />

st<strong>im</strong>mt mit der systemtheoretischen Prämisse überein, wonach systeminterne Ope-<br />

rationen <strong>im</strong>mer nur in Bezug auf vorgeschaltete kommunikative Anschlussmöglich-<br />

keiten evolvieren und nicht aufoktroyiert werden können. Die Autopiesis eines Funk-<br />

tionssystems vollzieht sich <strong>im</strong>mer auf Basis der binären Codierung als fundamenta-<br />

lem Startpunkt für Prozesse der Ausdifferenzierung (Luhmann 1997, 752).<br />

2.3.2 Der Binäre Code als basales Differenzschema<br />

Die Funktion eines gesellschaftlichen Teilsystems bewegt sich <strong>im</strong> Kontinuum zwi-<br />

schen Selbst- und Fremdzuschreibung. Sowohl der kommunikative Rahmen des<br />

Systems selbst als auch die außerhalb der Grenzen liegenden Instanzen definieren<br />

für sich, egal ob in ihren Einschätzungen deckungsgleich bzw. vereinbar, die spezi-<br />

fische Funktion des Teilsystems. Die Funktion verweist auf den übergeordneten<br />

Zusammenhang der Gesellschaft. Ort der Funktionserfüllung in Form der Leistungs-<br />

erbringung ist aber allein das betreffende System selbst: „Das heißt auch, daß das<br />

Funktionssystem seine Funktion für sich selbst monopolisiert und mit einer Umwelt<br />

rechnet, die in dieser Hinsicht unzuständig oder inkompetent ist.“ (Luhmann 1997,<br />

746) 21 Anhand der Funktionswahrnehmung wird ein die gesamte Gesellschaft be-<br />

treffendes Bezugsproblem fokussiert und bearbeitet. Das Problem der Wahrheits-<br />

21 Dieser unterstellte Sachverhalt berührt den Kern dieser Arbeit. Aufgrund realempirischer Wahrnehmungen<br />

darf bezweifelt werden, ob die Umwelt wirklich in der hier unterstellten Art und Weise agiert<br />

und die ehedem etablierten Systemgrenzen akzeptiert.


19 2 Theoretische Grundlagen<br />

überprüfung und –produktion beispielsweise hat ausschließlich <strong>im</strong> Wissenschafts-<br />

system Priorität, wird somit allen anderen Bezugsproblemen bevorzugt behandelt.<br />

Luhmann nutzt hierfür den Terminus vom „funktionalen Pr<strong>im</strong>at“ (Luhmann 1997,<br />

747). Nur das Funktionssystem selbst vollzieht Operationen in Bezug auf die Funk-<br />

tion, deshalb sind sie als „selbstsubstitutive Ordnungen“ anzusehen, deren Ausfall<br />

von keinem anderen System kompensiert werden kann (Luhmann 1997, 753).<br />

Die Teilsysteme kultivieren <strong>im</strong> Zeitverlauf ihre Differenzschemata, mithilfe derer sie<br />

die Gesellschaft beobachten in Bezug auf das in ihren Aufmerksamkeitsbereich fal-<br />

lende Problem. Systemtheoretisch lässt sich dieser Prozess über die operative<br />

Schließung und Etablierung der Autopoiesis erfassen. Im hier behandelten Fall von<br />

Funktionssystemen benötigt es einiger unterstützender Mechanismen, etwa in Form<br />

eines Skripts, welches ein System überhaupt in der Lage versetzt, sich mittels<br />

Kommunikationsketten zu reproduzieren. Hier steht jedem einzelnen gesellschaftli-<br />

chen Teilbereich ein systemeigener binärer Code zur Verfügung, die quasi als über-<br />

geordnete Selektionskriterien fungieren und als das sich entsprechende Gegensatz-<br />

verhältnis von Positiv- und Negativwert erscheinen (Luhmann 1997, 748). Beispiele<br />

sind etwa wahr/unwahr oder geliebt/nicht geliebt.<br />

Diese distinctions directrises (Luhmann 2005, 14-32) sind für ein Teilsystem das<br />

basale Beobachtungs- und Bewertungsschema. Dabei ist jeder Code zweiseitig<br />

angelegt, ist universalistisch und spezifisch zugleich: „Prinzipiell sämtliches gesell-<br />

schaftliches Geschehen kann <strong>im</strong> Lichte des betreffenden Codes – z.B. als juristi-<br />

scher Tatbestand - betrachtet werden; doch diese Betrachtung ist keine umfassend<br />

angelegte, sondern beschränkt auf einen engen Ausschnitt des Geschehens.“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2006, 72) Ein neu auftretendes soziales Phänomen wird daraufhin ge-<br />

mustert, ob es kommunikativ anschlussfähig in die strukturell kondensierten operati-<br />

ven Reproduktionsschleifen eines Funktionssystems einzuspeisen ist. Die Anwen-<br />

dung des binären Codes begründet die selektive Entscheidung, welche Ereignisse<br />

als Teil des Systems aufgefasst und bearbeitet werden. 22 Aufgrund des prinzipiellen<br />

Universalismus eines jeden binären Codes teilen sich die Funktionssysteme die<br />

soziale Welt nicht gemäß ihren Zuständigkeiten überschneidungsfrei auf, sondern<br />

geraten manche Ereignisse in das Blickfeld mehrerer Teilsysteme zugleich. 23 Bei-<br />

spielsweise lösen internationale Sportveranstaltungen wie die Olympischen Spiele<br />

22 Luhmann verortet den Ausgangspunkt der Ausdifferenzierung be<strong>im</strong> Code und nicht bei der Funktion:<br />

„Die Ausdifferenzierung der Systeme wird nicht durch den Einheitsgesichtspunkt der Funktion, sondern<br />

durch das Differenzschema eines Codes ausgelöst.“ (Luhmann 2005, 19) Von diesem Standpunkt<br />

ausgehend bemerkt Sch<strong>im</strong>ank (2005, 50) richtigerweise, dass das Begriffspaar „Funktionale Differenzierung“<br />

eine gewisse Schiefe aufweist, da sich Differenzierungen nicht aus den Funktionen ergeben.<br />

23 Ereignisse sind dann als „total“ einzustufen, werden sie von sämtlichen unterscheidbaren Funktionssystemen<br />

als Kommunikationsanlässe wahrgenommen werden


20 2 Theoretische Grundlagen<br />

sowohl <strong>im</strong> Sportsystem als auch <strong>im</strong> Wirtschafts- und Politiksystem Kommunikatio-<br />

nen aus. Aber während das Sportsystem die Olympischen Spiele allein unter sport-<br />

lichen Wettbewerbsaspekten begreift, sehen Wirtschaftsunternehmen pr<strong>im</strong>är poten-<br />

tielle Vermarktungschancen und die politischen Akteure die Chance zur Selbstprä-<br />

sentation der gegenwärtigen politischen Verfasstheit ihres Landes. Die jeweilige<br />

Perspektive und die anschließende operationenbasierte Funktionswahrnehmung<br />

aber sind jedem Teilsystem exklusiv (Kneer 1996, 371). Damit lässt sich auch die<br />

theoretisch angenommene hierarchiefreie Ordnung des Gesellschaftssystems recht-<br />

fertigen, denn die Funktionen sind nicht eine Rangordnung zu bringen, „weil sie für<br />

die Gesellschaft allesamt notwendig sind und sich ihr jeweiliger Vorrang oder<br />

Wichtigkeitsgrad nur situationsweise regeln läßt.“ (Luhmann 2004, 27).<br />

Diese theoretisch herausgearbeiteten Eigenschaften sind der Boden für die Rede<br />

von der polykontexturalen bzw. polyzentrischen Gesellschaft (Luhmann 1997, 891;<br />

Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 43-51), also einer Gesellschaft mit mehreren Zentren und Per-<br />

spektiven, aber gleichfalls auch mit einer Vielzahl an Umwelten und sogleich Sys-<br />

tem/Umwelt- bzw. System/System-Beziehungen.<br />

2.3.3 Funktionssystem und Programmebene<br />

Der binäre Code legt als grundlegender Zuordnungsmechanismus die<br />

Kontextmax<strong>im</strong>e für die systeminterne Strukturbildung fest. Allerdings sagt seine<br />

Existenz noch nichts über die konkreten Anwendungsbedingungen der beobach-<br />

tungsorientierenden Leitunterscheidung aus. Was etwa als wahr oder unwahr zu<br />

gelten hat, muss innerhalb des Funktionssystems genauer ausgearbeitet werden.<br />

Hierfür greifen Systeme auf die Ebene der Programme zurück. 24 Programme sind<br />

den Code spezifizierende Erwartungsstrukturen. Für Kneer (1996, 375) sind Pro-<br />

gramme „kurz gesagt, Zuordnungsregeln; sie best<strong>im</strong>men, welche Seite des Codes<br />

gewählt und aktualisiert werden soll.“ Schneider (2009, 311) sieht die Funktion der<br />

Programme in der Konditionierung der Zuordnung von Kommunikationsbeiträgen zu<br />

den Codewerten. Die systemische Programmierung steht demzufolge in einem en-<br />

gen, aber nur einseitig variablen, Zusammenhang zur binären Codierung. Während<br />

der binäre Code seine Form konstant reproduziert, müssen sich die Programmstruk-<br />

turen beständig in den fortlaufenden Reproduktionsschleifen funktional beweisen.<br />

Damit werden die Programme in ihrer Ordnungsfunktion zwar auf Zeit gestellt, sind<br />

aber modifizierbar oder revidierbar in ihrer Offenheit für die Beziehung auf Welt-<br />

24 Zur normativen Ebene gehören laut Luhmann (1997, 771) noch unbedingte Werte.


21 2 Theoretische Grundlagen<br />

sachverhalte (Schneider 2009, 310). 25 Angesichts dessen symbolisieren die funkti-<br />

onssystemeigenen Programmstrukturen zweierlei: Sie verweisen auf den Sinngehalt<br />

der beiden Pole des binären Codes, und sie machen diesen in ihrer Funktion als<br />

geregelte Anwendungsverfahren für die anwesenden Systemakteure praktisch<br />

handhabbar.<br />

Schon die Verwendung des Plurals an dieser Stelle macht deutlich, dass ein Funkti-<br />

onssystem <strong>im</strong>mer über ein Set an Programmen verfügt. Es gibt durchaus divergie-<br />

rende „Entscheidungsregeln, die festlegen, unter welchen Bedingungen der Wert<br />

bzw. der Gegenwert richtig bzw. falsch zugeordnet werden kann.“ (Luhmann 1997,<br />

750) Wie das System Kommunikationen mit Verweis auf den Leitdifferenz inhaltlich<br />

zuordnet, ist damit in hohem Maße von der Wahl des Programms abhängig. Ein<br />

plastischer Fall für einen systeminternen Konflikt über die Wertigkeit von unter-<br />

schiedlichen Programmen ist der sogenannte Positivismusstreit (Ador-<br />

no/Dahrendorf/Pilot/Albert/Habermas/Popper 1991; Ritsert 2010), ausgetragen <strong>im</strong><br />

soziologischen Teilbereich des Wissenschaftssystems.<br />

Die Ebene der Programme bietet potentiell Anknüpfungspunkte für inter- bzw. trans-<br />

systemische Dynamiken und Verschiebungen, gerade weil sie nicht irreversibel de-<br />

terminiert ist. Mit ihren Programmstrukturen verfügen Funktionssysteme über Mittel,<br />

ihre Autopoiesien umweltoffen zu halten: „Durch die Differenzierung von Codierung<br />

und Programmierung gewinnt ein System (…) die Möglichkeit, als geschlossenes<br />

und als offenes System zugleich zu operieren.“ (Luhmann 1986, 91). In Anlehnung<br />

an Sch<strong>im</strong>ank (2007) ist danach zu fragen, ob die Programmebene nicht möglicher-<br />

weise das (alleinige) Einfallstor für feindliche Übernahmen sein kann.<br />

2.3.4 Integration und strukturelle Kopplung<br />

Aus der systemtheoretischen Annahme der ausschließlichen und unhintergehbaren<br />

Selbstbezüglichkeit des teilsystemischen Operierens ist nicht zu schlussfolgern,<br />

dass die polykontexturale Gesellschaft eine zusammenhangslose Menge an Einzel-<br />

elementen darstellt. Dies ist allein schon deshalb nicht möglich, da infolge des hypo-<br />

thetischen Ausscheidens eines Teilsystems aufgrund des Abbrechens von Kommu-<br />

nikationsketten sich quasi unweigerlich veränderte Operationsbedingungen für die<br />

anderen Teilsysteme ergeben. Demzufolge bedeutet es keinen Widerspruch, dass<br />

25 Zum Prozess der Strukturbildung wird in der auf Luhmann abgestellten Theorie wenig gesagt. Als<br />

klassisch für diesen Themenzusammenhang gilt in der Soziologie sicherlich Giddens‘<br />

Strukturationstheorie (1984).


22 2 Theoretische Grundlagen<br />

die Gesellschaftssysteme in ihrer Autopoiesis operativ geschlossen agieren, den-<br />

noch aber aufeinander angewiesen sind. 26<br />

Für die Entschlüsselung dieses Zusammenhangs gilt es sich zu vergegenwärtigen,<br />

dass sich die Beziehungen der Teilsysteme zur Gesellschaft als Funktion best<strong>im</strong>-<br />

men lassen (Kneer 1996, 377). Die integrativen Momente in den vielfältigen System-<br />

zu-System-Beziehungen sind in den Outcomes der funktionsbezogenen Leistungs-<br />

erbringungsprozesse zu sehen, sind doch die zwischensystemischen Beziehungen<br />

ausnahmslos als funktionale Leistungsverhältnisse zu betrachten, wenngleich sich<br />

die Teilsysteme je unterschiedlich in das gesellschaftliche Gesamtgefüge einglie-<br />

dern und somit die Beziehungsintensitäten und -wertigkeiten variieren (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2002, 43ff.). Die Instandhaltung ihrer Autopoiesis fordert den Funktionssystemen<br />

eine entsprechende Einrichtung ihrer gesellschaftsinternen Umweltbeziehungen ab<br />

(Luhmann 1997, 779). Ein System ist dahingehend umweltoffenen, dass es für die<br />

Reproduktion auf Ressourcen aus der Umwelt angewiesen ist. Die Exklusivität der<br />

Funktionserfüllung provoziert nämlich den unausgesprochenen reziproken An-<br />

spruch, dass alle ausdifferenzierten Einheiten ihre Stellungen des funktionalen Pri-<br />

mats zur universellen Daseinsfürsorge adäquat ausfüllen. Denn ein Funktionssys-<br />

tem produziert seine eigenen Kommunikationsanschlüsse zwar aus sich selbst her-<br />

aus, aber gerade „wegen der Fixierung auf eine hochgradig selektive Leitdifferenz<br />

kann ein Teilsystem vieles, was es zur eigenen Reproduktion braucht, nicht selbst<br />

erzeugen, sondern bleibt existentiell auf entsprechende Leistungen anderer Teilsys-<br />

teme angewiesen – die Wissenschaft z.B. auf Geld aus der Wirtschaft und Politik<br />

oder auf Basisqualifikationen ihres Personals, die das Erziehungssystem bereit-<br />

stellt.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 231) 27 Diese unübersichtlichen leistungsbezogenen Ab-<br />

hängigkeitsverhältnisse beruhen aber keineswegs auf festgelegten Prinzipien, sind<br />

etwa nicht auf reziproke Tauschhandlungen zurückzuführen (Luhmann 1997, 759)<br />

und berühren noch weniger die wiederkehrende rekursive Bezugnahme auf die sys-<br />

temeigene Selbstreferenz, also die systemauszeichnenden Identitäten. 28 Dennoch<br />

müssen, wie schon erwähnt, für die Sicherstellung der kommunikativen Eigenver-<br />

sorgung belastbare Wege des Umweltkontaktes aufgebaut werden.<br />

26<br />

Luhmann (1997, 745) diagnostiziert eine Zunahme der Abhängigkeiten der Teilsysteme voneinander.<br />

27<br />

Diese beispielhafte Darstellung Sch<strong>im</strong>anks verdeutlicht, dass, wenn wir von Funktionssystemen<br />

sprechen und schreiben, wir allermeist den institutionellen Bereich der Autopiesis meinen, vollzogen <strong>im</strong><br />

Kontext von Arbeitsorganisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 337-339). Lengfeld (2005, 125-222) führt den<br />

umfassenderen Begriff der Produktionsorganisation ein.<br />

28<br />

Auch Tyrell (2008, 100) warnt davor, „die Interdependenz und den ,Leistungsaustausch‘ zwischen<br />

den Teilsystemen zu eng und zu symmetrisch aufzufassen, und erst recht dacvor, die Teilsysteme<br />

selbst als pr<strong>im</strong>är auf den Output von Leistungen hin orientiert oder gar organisiert zu interpretieren."


23 2 Theoretische Grundlagen<br />

Solche Außenkontakte sind nur von innen heraus einzurichten, denn die Funktions-<br />

systeme müssen „Leistungsabhängigkeiten und Leistungsbereitschaften intern an<br />

sich selbst beobachten und in der Form von Irritationen zur Kenntnis nehmen“<br />

(Luhmann 1997, 759). Verstetigungen gegenseitiger Irritations- und Versorgungsli-<br />

nien werden nach einem Konzept Luhmanns strukturelle Kopplungen genannt. Dazu<br />

Drepper (2003, 187): „Sie sind verdichtete, verwahrscheinlichte und damit bevorzug-<br />

te Formen bzw. Mechanismen der wechselseitigen Irritation der Teilsysteme“. Nur<br />

muss beachtet werden, dass <strong>im</strong> systemtheoretischen Verständnis die Induzierung<br />

von Veränderungen <strong>im</strong> Außenverhältnis unmöglich bleiben muss. Auch eine struktu-<br />

relle Kopplung best<strong>im</strong>mt nicht, „was <strong>im</strong> System geschieht, sie muß aber vorausge-<br />

setzt werden, weil andernfalls die Autopiesis zum Erliegen käme und das System<br />

aufhören würde zu existieren.“ (Luhmann 1997, 100f.) Irritationen werden nur über<br />

Beobachtungen der Unterscheidung von Selbst- und Fremdreferenz ermöglicht und<br />

äußern sich in fortgeschrittenen Fällen in Reflexionen. Über diese Mechanismen<br />

kommt einem Teilsystem idealtypisch besehen die Gesellschaftsanbindung nicht<br />

abhanden.<br />

Bleiben die Versorgung eines Systems mit Irritationen aus, überlagert die System-<br />

reproduktion in ihrer fokussierten Selbstreferentialität jedwede Wahrnehmung exter-<br />

ner Versuche einer Rückmeldung der Außenverhältnisse, ist es durchaus möglich,<br />

dass dem System sukzessive die Reproduktionsmittel versiegen. Andererseits feit<br />

ein stabiles und parteiübergreifend befriedigendes, das heißt die Autopoiesis nicht<br />

negativ tangierendes, Geflecht an strukturellen Kopplungen vor Überirritationen, die<br />

die Verarbeitungskapazitäten der Funktionssysteme übersteigen würden. Die sys-<br />

temseitig aufgenommenen Irritationen können das System nicht determinieren, blei-<br />

ben sie in ihrem Anregungspotential doch überaus unspezifisch, regen aber durch-<br />

aus unter günstigen Bedingungen Lernprozesse an: „Im Offenhalten beider Mög-<br />

lichkeiten liegt eine Garantie für die Autopoiesis des Systems und zugleich eine Ga-<br />

rantie seiner Evolutionsfähigkeit.“ (Luhmann 1997, 790) Strukturelle Kopplungen<br />

oszillieren in ihren Wirkungsspektrum somit zwischen den Polen Stabilität und Wan-<br />

del.<br />

Mit diesem theoretischen Konstrukt gibt Luhmann einen zentralen gesellschaftlichen<br />

Integrationsmechanismus an, sorgen strukturelle Kopplungen in der angegebenen<br />

Charakteristik für das erforderliche Min<strong>im</strong>um an gesellschaftlicher Systemintegration<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 173). Markiert der Integrationsbegriff in der systemtheoretischen<br />

Formulierung einer Theorie der Differenzierung doch, da kommunikative Einheitsbil-


24 2 Theoretische Grundlagen<br />

dung nicht vorgesehen ist, vornehmlich einen Negativwert, stabilisieren strukturelle<br />

Kopplungen das Gesamtkonstrukt unter Beibehaltung der Polykontexturalität. 29<br />

Anknüpfend an die theoretischen Überlegungen zur gesellschaftlichen Integration <strong>im</strong><br />

Paradigma der funktionalen Differenzierung soll ein Exkurs zur Frage des Verhält-<br />

nisses der Systemtypen Funktionssystem und Organisation unter Berücksichtigung<br />

des systemintegrativen Potentials formaler Organisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2005c, 231ff.)<br />

folgen.<br />

2.3.5 Exkurs: Organisation und funktionale Differenzierung<br />

Einführend soll auf den wechselseitigen Zusammenhang beider Systemebenen<br />

verwiesen werden, denn es gibt, so wird postuliert, „keine funktionale Differenzie-<br />

rung ohne Organisation und keine Organisation ohne funktionale Differenzierung“<br />

(Drepper 2003, 197). Dieser diskutablen These darf mit Luhmann sowohl zuge-<br />

st<strong>im</strong>mt, als auch aus einer streng theoriekonservativen Perspektive heraus wider-<br />

sprochen werden. Das systemtheoretische Erklärungsangebot zur funktionalen<br />

Ausdifferenzierung kommt aufgrund ihrer kommunikationsbasierten Reproduktions-<br />

form auch ohne den Systemtyp Organisation aus. Zugleich katalysiert die Komplexi-<br />

tätssteigerung der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft die Verbreitung forma-<br />

ler Organisationen, wird doch der organisationale Operationsmodus Entscheidung<br />

durch eine potentiell zunehmende Erreichbarkeit aller gesellschaftlich passierenden<br />

Ereignisse bedient: „Insofern kann man, mit nur wenig Übertreibung, sagen, daß es<br />

erst durch funktionale Differenzierung zu jenem Typus autopoietischer Systeme<br />

kommt, den wir als organisiertes Sozialsystem bezeichnen.“ (Luhmann 1997, 840).<br />

Somit dürfen, zumindest theoretisch, Zusammenhänge in diese Richtung ange-<br />

nommen werden, schon allein deswegen, da es sich historisch betrachtet bei Orga-<br />

nisationen nicht um ein Universalphänomen jeder anzunehmenden Gesellschaft<br />

handelt, sie vielmehr evolutionäre Errungenschaften mit hohem Entwicklungsniveau<br />

sind, welches nur in modernen Gesellschaften vorzufinden ist (Luhmann 1997, 827).<br />

Auf der anderen Seiten konditionieren Organisationen als disziplinierende Sozial-<br />

systeme auf die Leitmotive und Deutungsstrukturen eines teilsystemspezifischen<br />

binären Codes und sorgen damit für individuelle Fügsamkeit und stabilisieren Erwar-<br />

tungsstrukturen 30 auf der Eben der Programme. Diese Lesart verweist auf ein Ver-<br />

ständnis von Organisationen als rationale Systeme (Scott 1986), wobei hier insbe-<br />

sondere der Stellenwert der formalen Struktur für die Rationalität der organisationa-<br />

29 Abseits der Stabilisierungsfunktion gibt Luhmann (1997, 795) aber zu bedenken, „daß die<br />

Irriationsanläße aus der Umwelt des Gesellschaftssystems in den letzten Jahrzehnten dramatisch<br />

zunehmen.“ Mahnend weist er auf die „Diskrepanz zwischen Irritation und Abhilfe“ hin.<br />

30 In der Rede von Individualität und Erwartungsstrukturen wird schon auf akteurtheoretische Ergänzungen<br />

des systemtheoretischen Rahmens hingewiesen (siehe unten).


25 2 Theoretische Grundlagen<br />

len Leistungsproduktion thematisiert wird. Im Falle von Organisationen manifestie-<br />

ren sich Strukturen als Festlegungen von Entscheidungsprämissen. Diese<br />

codifizieren die kommunikative Basis für die organisationale Autopoiesis und trans-<br />

formierten „weltbedingte Unsicherheiten in systeminterne Sicherheiten“ (Luhmann<br />

1997, 838). Eine erwartbare Sicherheit innerhalb des Organisationskontextes ist<br />

beispielsweise die ein paar Sätze zuvor angesprochene Fügsamkeit individueller<br />

Akteure, die über die mittels des Mitgliedschaftsvertrages erzeugten Einschränkun-<br />

gen von Selektionsmöglichkeiten sowie die Zurückstellung eigener Präferenzen be-<br />

schrieben wird (Luhmann 2006, 107ff.).<br />

Kraft dieser Disziplinierungsmechanismen, über die formale Organisationen verfü-<br />

gen, werden Anschlüsse an Teilsystemreferenzen ermöglicht: „Der Funktionssinn<br />

von Organisationen besteht gerade darin, die Operationen der Funktionssysteme<br />

mit Zonen dichter Kommunikation zu versorgen.“ (Nassehi 2004, 109). Aus dieser<br />

Tendenz hin zu verdichteten Kommunikationen heraus entstehen dauerhafte Orien-<br />

tierungen der Einzelorganisationen an den Funktionen best<strong>im</strong>mter Funktionssyste-<br />

me: „Best<strong>im</strong>mte Organisationen sind sowohl Teilsysteme von Teilsystemen – sie<br />

sind pr<strong>im</strong>är orientiert an best<strong>im</strong>mten Funktionen – als auch ein eigenlogischer Sys-<br />

tem – sie beziehen sich programmförmig (Selbstreferenz) auf die Sinnstrukturen<br />

verschiedener Teilsysteme.“ (Drepper 2003, 13). Hinsichtlich ihrer Entscheidungs-<br />

prämissen sind Organisationen zwar als „Multireferenten“ (Bode/Brose 2001) oder<br />

„multiple selves“ (Hiller 2009) zu identifizieren 31 , in ihrer Funktion bleiben sie aber<br />

einem Funktionssystem vorrangig kommunikativ verbunden und ordnen ihre Opera-<br />

tionen dem jeweiligen Funktionssystem zu: „Sie übernehmen den binären Code des<br />

jeweiligen Funktionssystems“ 32 (Luhmann 1997, 841). In solchen „organisatorischen<br />

Koexistenzen“ (Braun/Sch<strong>im</strong>ank 1992) dienen die notwendigen Operationen in an-<br />

deren Funktionssystemen als dem Pr<strong>im</strong>ären vornehmlich der Bedienung externer<br />

Ansprüchen zur Aufrechterhaltung der Funktionsorientierung. Den verschiedenarti-<br />

gen Ansprüchen begegnen Organisationen durch interne Strukturbildung in Form<br />

von Programmen, die das Entscheidungsverhalten steuern.<br />

Gerade diese multiple Sensibilität von Organisationseinheiten für divergierende Irri-<br />

tationen aus der Umwelt macht sie zu einem zentralen Element der Möglichkeit<br />

struktureller Kopplung. Sie wirken daran mit, dass sich trotz operativer Geschlos-<br />

senheit Interferenzen auf der Meso-Ebene ausbilden. Diese vernetzende Rolle ist<br />

31 Diese multiple kommunikative Anschlussfähigkeit von Organisationseinheiten wird durch die Installierung<br />

einer heterogenen Rollenstruktur stabilisiert.<br />

32 Als Beispiele bringt Luhmann hier die Unterscheidungen von Wirtschaftsorganisationen, politischen<br />

Organisationen, <strong>Schulsystem</strong>en, Wissenschaftsorganisationen und Organisationen der Gesetzgebung<br />

und Rechtsprechung vor. Den Funktionspr<strong>im</strong>at übernehmen sie allerdings oft mit Konzessionen an<br />

andere Funktionen.


26 2 Theoretische Grundlagen<br />

theoretisch darin begründet, dass nur Organisationen aufgrund ihrer Autopoiesis auf<br />

Basis von Entscheidungen mit Systemen ihrer Umwelt kommunizieren können und<br />

als Adressaten von Kommunikationen fungieren (Luhmann 2006, 388; Luhmann<br />

1997, 834). Diese Eigenschaften können Prozesse der gesellschaftlichen Systemin-<br />

tegration unterstützen. Organisationen als der „institutionelle Unterbau der teilsys-<br />

temischen Deutungsstrukturen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005c, 24) sind potentielle Zugriffspunk-<br />

te für Versuche politischer Gesellschaftssteuerung (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 171ff.). 33 An<br />

anderer Stelle verweist Sch<strong>im</strong>ank (2005, 232) auf die Bedeutsamkeit teilsystem-<br />

übergreifender interorganisatorischer Netzwerke, was deutliche Analogien zur Will-<br />

kes (2011, 99) Konzept der auf Organisationsebene angesiedelten Verhandlungs-<br />

systeme aufweist. Zudem reagieren die, kommunikationstheoretisch betrachtet, di-<br />

vergenten Rolleninhaber einer Organisation zum einen auf unterschiedliche Umwelt-<br />

reize, zum anderen auf dieselben Umweltanreize mit unterschiedlichem Zugriff.<br />

Der weiter oben dargestellte Sachverhalt des Paradox intersystemischer Unabhän-<br />

gigkeit und Abhängigkeit der Funktionssysteme untereinander bedarf einer Reflexi-<br />

on des Einflusses der Organisationsebene. Einer Gefahr der Überirritation der ge-<br />

sellschaftlichen Teilsysteme muss durch Interdependenzunterbrechungen Einhalt<br />

geboten werden, wozu wiederum nicht die Funktionssysteme selbst, sondern nur<br />

Organisationen fähig sind. Totale Interdependenzen würden bedeuten, dass auf<br />

best<strong>im</strong>mte Einheiten konzentrierte Risiken <strong>im</strong>mer auch erhöhte Risiken für die wei-<br />

teren Teilsysteme darstellen. Da aber Organisationen Einflüsse aus ihrer Umwelt<br />

selektiv beobachten und gleichzeitig ihre eigene Autopoiesis als Reproduktionsbasis<br />

nutzen, können sie die vielfältigen gesellschaftlichen Querverbindungen qua ihrer<br />

entscheidungsförmigen Operationsmodus trennen: „Und eben deshalb muss die<br />

Gesellschaft über funktionale Differenzierung hinausgehen und ein anderes Prinzip<br />

der Systembildung verwenden, um sich mit Ultrastabilität und mit hinreichend lokaler<br />

Fähigkeit der Absorption von Irritationen zu versorgen, nämlich Organisation.“<br />

(Luhmann 2006, 396). 34<br />

Auf der anderen Seite kann die Durchorganisierung fast aller Gesellschaftsbereiche<br />

auch Dysfunktional in Bezug auf Systemintegration der polykontexturalen Gesell-<br />

schaft wirken. Bedingt durch die systemtypische Selbstreferentialität entfalten Orga-<br />

nisationen gewisse Eigendynamiken, die nicht zwangsläufig <strong>im</strong> Einklang mit den<br />

Entscheidungen anderer Organisationen oder dem funktionssystemeigenen Kom-<br />

33 Für diesen unterstellten Zusammenhang rekurriert Sch<strong>im</strong>ank (2006, 172) allerdings theoriepragm atisch<br />

auf die Akteurebene, wenn er von formalen Organisationen als „handlungsprägende Sozialsysteme“<br />

schreibt.<br />

34 Dass aber auch Organisationen keine vollständige „Ultrastabilität“ garantieren können, zeigen die<br />

jüngsten Krisenerscheinungen <strong>im</strong> Bankensektor, der sich in einer Art „Domino-Effekt“ fortsetzten.


27 2 Theoretische Grundlagen<br />

munikationsfluss stehen müssen, sondern gegeneinander agieren können. Weil sie<br />

als „knallharte“ Systeme Träger der teilsystemischen Logiken sind, werden intersys-<br />

temische Orientierungsdissense offenbar und manifestieren sich <strong>im</strong>mer wieder in<br />

handfesten Konflikten (Sch<strong>im</strong>ank 2005, 232). Formale Organisationen sind zumeist<br />

geprägt durch bürokratische Strukturen, welche die Reflexionsfähigkeiten hemmen<br />

und die Verabsolutierung von Weltsichten befördern können. Der letztgenannte Me-<br />

chanismus trägt mitunter dazu bei, dass Organisationen mit Hilfe ihrer Autopoiesis<br />

zur Differenzierung der Funktionssysteme gegeneinander und gegen ihre jeweilige<br />

Umwelt beitragen (Luhmann 1997, 847).<br />

Nach diesem Exkurs, dessen Inhalte in späteren Überlegungen eine Rolle spielen<br />

werden, sollen nachfolgend und anknüpfend an die zuletzt geäußerten Gedanken<br />

gesellschaftliche Desintegrationstendenzen <strong>im</strong> Kontext der funktionalen Differenzie-<br />

rung Gegenstand der Betrachtung sein.<br />

2.3.6 Autonomie, legit<strong>im</strong>e Indifferenz, Desintegration<br />

Die Gewissheiten der ubiquitären Leistungsabhängigkeiten, organisationaler<br />

Multireferentialität und der vielfältigen intersystemischen strukturellen Kopplungen<br />

bedeuten keine Automatismen für eine nachhaltige gesellschaftliche Integration.<br />

Ausgehend von ihren grundlegenden Operationsweisen streben Funktionssysteme<br />

vielmehr nach Autonomie, als dass sie offen für über ihren Systemgrenzen hinaus-<br />

gehende Bezüge sind. Die systemeigenen Operationen basieren trotz aller Irritati-<br />

onsfähigkeit des Teilsystems auf ihrer strukturellen Selbstreferenz. Oben wurde<br />

schon aufgezeigt, dass gesellschaftlichen Ansprüchen der Erfüllung best<strong>im</strong>mter<br />

Funktionen nur vom betreffenden Teilsystem selbst begegnet werden kann, weil<br />

ausschließlich dieses über die notwendigen operativen und strukturellen Mittel ver-<br />

fügt. 35<br />

Strukturelle Kopplungen als intensiv frequentierte Bahnen wechselseitiger Irritatio-<br />

nen bilden sich nur unter dem Eindruck hoher Indifferenz gegenüber der Umwelt<br />

(Luhmann 1997, 779). Hinsichtlich ihres Aufmerksamkeitsspektrums sowie ihrer<br />

Empfänglichkeit für Kommunikationsanlässe verhalten sich Funktionssysteme vor-<br />

wiegend indifferent gegenüber den meisten Ereignissen, die passieren. Nicht die<br />

gesellschaftliche Provokation sozialer Ereignisse entscheidet darüber, ob diese<br />

wahrgenommen werden und kommunikativ in die Autopoiesis eines Systems einge-<br />

baut und Teil der Systemreproduktion werden. Allein die coderorientierte Beobach-<br />

tung eines Teilsystems definiert, wie innerhalb des Systems über die Umwelt kom-<br />

35 Sozialtheoreitsch ist Autonomie durch die operative Geschlossenheit systemischer Autopoiesis be-<br />

gründet.


28 2 Theoretische Grundlagen<br />

muniziert wird, nämlich <strong>im</strong>mer und ausnahmslos rekursiv und selbstreferentiell. So-<br />

mit bleiben Funktionssysteme in einer unkorrigierbaren operativen Autonomie ver-<br />

haftet (Luhmann 1997, 801).<br />

Zusätzlich registrieren Funktionssysteme in ihrer strukturellen und insbesondere in<br />

ihrer organisierten Form zwar die Anwesenheit andersartiger Kommunikationsein-<br />

heiten. Diese Wahrnehmung bleibt aber zwangsläufig diffus und unspezifisch, stel-<br />

len die Teilsysteme doch füreinander, unter dem Eindruck der jeweiligen binären<br />

Codierung, undurchschaubare „Black-Boxes“ dar. 36 Die intersystemischen Verhält-<br />

nisse sind hinsichtlich der Innenansichten von wechselseitiger Intransparenz ge-<br />

prägt: „Der selbstreferentielle Operationsmodus eines best<strong>im</strong>mten Teilsystems,<br />

dessen Innenwelt, kann aus der Perspektive der Außenwelt, als anderer gesell-<br />

schaftlicher Teilsysteme nicht so detailliert nachvollzogen werden, dass eine geziel-<br />

te Einwirkung auf Zustände und Vorgänge <strong>im</strong> betreffenden Teilsystem möglich wä-<br />

re.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 123) Diese gegenseitige Undurchschaubarkeit ist nicht zwin-<br />

gend problematisch, <strong>im</strong> Gegenteil, begünstigt dieser die Ansprechbarkeit hemmen-<br />

de Faktor doch funktionale Spezialisierungen, was gleichfalls für jedes Teilsystem<br />

funktionale Entlastungen mit sich bringt (Luhmann 1995, 145 ff.). 37 Die Kehrseite der<br />

funktionalen Entlastungen, etwa muss das Erziehungssystem (noch) nicht nebenher<br />

für seine eigene finanzielle Ausstattung sorgen, sind die gegenseitigen Unzustän-<br />

digkeits- und Inkompetenzunterstellungen (Luhmann 1997, 746). Damit wird auf<br />

doppelte Weise die Differenz der teilsystemischen Bezugsprobleme sowie teilsys-<br />

temeigene ihre Autonomie in der Funktionserfüllung betont.<br />

Funktionssysteme sind in der ständigen rekursiven Thematisierung ihrer Selbst <strong>im</strong>-<br />

mer zuallererst auf die Aufrechterhaltung ihrer eigenen Operationsfähigkeit bedacht.<br />

Außenorientierungen werden nicht zum Selbstzweck vorgenommen. Mit Tyrell<br />

(2008, 100) sind die pr<strong>im</strong>ären Umwelteinstellungen in der funktional differenzierten<br />

Gesellschaft die der legit<strong>im</strong>en Indifferenz. Legit<strong>im</strong> deshalb, da die Vereinseitigung in<br />

den Zugriffsweisen auf die Gesellschaft mit enormen Effektivitäts- und Effizienzge-<br />

winnen einhergeht, die Funktionserfüllung also auf ein höheres Niveau hebt, was<br />

wiederum Effekte für alle Teilsysteme bereithält. Eine Tendenz zur Verselbständi-<br />

gung ist durchaus vorteilhaft bis unumgänglich, bewahrt sie die Systeme vor funkti-<br />

onsgefährdenden Störungen aus der Umwelt und stellt die damit die Erbringung der<br />

monopolisierten Leistungen sicher (Willke 2001, 101).<br />

36 Was sich <strong>im</strong> Hochschulkontext vielleicht an der durchgängigen latenten Konflikthaftigkeit zwischen<br />

der wissenschaftlichen und der administrativen Seite plausibilisieren lässt.<br />

37 An anderer Stelle weist Luhmann (1997, 770) darauf hin, dass die Umwelt intransparent und unkontrollierbar<br />

bleiben kann, sofern strukturelle Kopplungen kontrolliert und Irritationen aufgenommen und<br />

verarbeitet werden können.


29 2 Theoretische Grundlagen<br />

Eine absolute Autonomie und Indifferenz allerdings hätte für die gesellschaftliche<br />

Gesamtkonstruktion in ihrer Folgenträchtigkeit kaum abzuschätzende Negativwir-<br />

kungen. 38 Derartige Nebeneffekte sind in den von Sch<strong>im</strong>ank und Rosewitz (1988,<br />

296) identifizierten Indikatoren der Verselbständigung wiederzufinden. Demnach<br />

werden Leistungserwartungen unter Umständen nicht oder nur unzureichend erfüllt,<br />

sind Leistungsprodukte potentiell als Risiken für andere einzustufen oder beanspru-<br />

chen manche Teilsysteme zeitweilig extensiv gesellschaftliche Ressourcen. Desin-<br />

tegration kann auch in der entgegengesetzten Richtung beschrieben werden als<br />

intendierte Nicht-Gewährung reproduktionsnotwendiger Ressourcen oder Autono-<br />

mieeinschränkung durch Zwangsmaßnahmen und Sachzwänge (Lange/Sch<strong>im</strong>ank<br />

2004, 16). Funktionssysteme verfügen aufgrund ihrer strikten Codegebundenheit<br />

über keinerlei Kriterien, „die ihre Operationen l<strong>im</strong>itieren können, die also ein Maß zur<br />

Selbstbeschränkung, zum Verzicht auf Optionen ausbilden“ (Nassehi 1999, 44f.). In<br />

ihren ausgereiztesten Gestalten erscheinen diese extremen Entwicklungshorizonte<br />

als problematische, weil die emergente Gesamtordnung gefährdende, Phänomene<br />

der Desintegration.<br />

Autonomie und Indifferenz sind, wie gezeigt, dreifach zu erschließen: Über den<br />

funktionalen Pr<strong>im</strong>at jeden Teilsystems, über die systemtheoretisch begründete<br />

Autopoiesis sowie durch die generelle Intransparenz der Funktionssysteme fürei-<br />

nander. Bezüglich der, nicht generell ausschließbaren, daraus resultierenden Wir-<br />

kungen und Folgen ist graduell zwischen den beiden Polen Integrations- und Stabili-<br />

tätsbegünstigend und Desintegration bzw. Überintegration (Luhmann 1997, 618) 39<br />

zu unterscheiden.<br />

2.3.7 Politische Gesellschaftssteuerung, Autonomiegefährdung und fremdre-<br />

ferentielle Rahmung<br />

Die <strong>im</strong> voranstehenden Absatz genannten desintegrativen Effekte von Entwicklun-<br />

gen hin zu einer beharrlichen Verselbständigung von Teilsystemen <strong>im</strong> Sinne einer<br />

absoluten Ausreizung von Autonomieansprüchen sind zum einen noch einmal alter-<br />

nativ zu diskutieren, zum anderen auch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen<br />

Anreizwirkungen zu besprechen.<br />

38 In seiner funktionalen Symmetrieprämisse analysiert Luhmann (1981) den modernen Wohlfahrtsstaat<br />

unter dem Gesichtspunkt der fundamentalen Missachtung der Autonomien gesellschaftlicher<br />

Teilsysteme seitens des politischen Systems. Eine interessante Theoriediskussion zum Gegenstand<br />

unter Bezugnahme auf Luhmann und Bourdieu liefert Kuchler (2006).<br />

39 Luhmann verwendet, wie oben schon angedeutet, einen negativen Integrationsbegriff, da er die<br />

Einheit der Gesellschaft von ihrer Differenz aus beschreibt. Er sieht die Gefahr einer überintegrierten<br />

Gesellschaftt, da sie in einem Maße durch sich selbst irritierbar sei, wie keine Gesellschaft zuvor<br />

(Luhmann 1997, 618). Die Vielzahl engmaschiger struktureller Kopplungen können sich in Autonomieverlusten<br />

der Teilsysteme äußern (Lange/Sch<strong>im</strong>ank 2004, 16).


30 2 Theoretische Grundlagen<br />

Zu fragen ist zunächst, wie eine derartige dysfunktionale Aushebelung der theore-<br />

tisch angenommen Leistungsbalance <strong>im</strong> Kräftefeld der Funktionssysteme ursprüng-<br />

lich entsteht. Hier greifen zwei Argumentationslinien: Erstens, wie aufgezeigt, die<br />

Verselbständigung aufgrund übersteigerter und verabsolutierter Selbstreferentialität,<br />

was in der Folge mit dem Verlust an Irritationsfähigkeit des betreffenden Funktions-<br />

systems sowie, in letzter Instanz, einer gesellschaftsinadäquaten Leistungsprodukti-<br />

on einhergeht. Und zweitens, diese Argumentation legt die Theorieposition Luh-<br />

manns nahe, bedrohen übersteigerte Außenorientierungen und Verkopplungen die<br />

funktional differenzierte Ordnung, wobei deren Untermininierung die Funktionsfähig-<br />

keiten der Einzelsysteme negativ tangieren würde. Diese beiden, auch mittels empi-<br />

rischer Beobachtungen anzustoßenden, Szenarien bilden keine entweder/oder-<br />

Unterscheidung, sondern können als zwei Seiten einer Medaille betrachtet werden.<br />

Denn eine problematische Überintegration „könnte sogar (…) die längerfristige Fol-<br />

gewirkung einer über ihr Ziel hinaus schießenden Bewältigung von Problemen der<br />

Desintegration zwischen den Teilsystemen sein. Dass die Teilsysteme der moder-<br />

nen Gesellschaft sich verselbständigen, rücksichtslos miteinander umgehen und<br />

einander dabei <strong>im</strong>mer wieder in die Quere kommen, ist ein Auswuchs der für die<br />

Leistungsfähigkeit der Teilsysteme konstitutiven Autonomie.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b,<br />

263) Solche, mit integrierenden Intentionen verbundenen, Reaktionsweisen auf die-<br />

se in der Einheit von Differenz angelegten Schwächen können gleichfalls zu einer<br />

kontraproduktiven Autonomiegefährdung auswachsen. 40<br />

Mit den angesprochenen Reaktionsweisen sind <strong>im</strong> wissenschaftlichen Diskurs <strong>im</strong><br />

wesentlichen Versuche der staatlich-politischen Steuerung gemeint. Trotz der zu<br />

konstatierenden ambivalenten Anlage der Systemtheorie Luhmanns hat er mit sei-<br />

nen Arbeiten auf nahezu alle Steuerungstheoretiker Einfluss ausgeübt (Berkemeyer<br />

2010, 157). Die <strong>im</strong> Vorlauf behandelten Konzepte seiner umfassenden systemtheo-<br />

retisch angelegten Perspektive der polykontexturalen Gesellschaft halten unwider-<br />

legbar viel Fruchtbares für die Auseinandersetzung mit Fragen der Möglichkeit ge-<br />

sellschaftlicher Steuerung bereit.<br />

Die systemtheoretische Perspektive vermittelt in der Tat augenscheinlich den<br />

Standpunkt der Unmöglichkeit politischer Gesellschaftssteuerung. 41 Die wechselsei-<br />

tigen Intransparenzen, die <strong>im</strong>mer nur auf systemeigene Kommunikationsanschlüsse<br />

40 Hingewiesen sei hier auf die überbordenden Führungs- und Planungsansprüche der Machtbasis <strong>im</strong><br />

realen Sozialismus, die einer existenzbedrohenden Minderung der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

Vorschub leisteten. Unter diesem Eindruck sind Steuerungsbestrebungen als Versuche zu behandeln,<br />

eine beobachtete Differenz zu min<strong>im</strong>ieren (Luhmann 1988, 328).<br />

41 Ein weiteres, in dieser Arbeit nicht weiter thematisiertes, zentrales Problem gelingender Systemsteuerung<br />

liegt aus systemtheoretischer Sicht in nicht zu kalkulierenden Zeitd<strong>im</strong>ension. Demnach sind<br />

Systeme „moving targets“, die es verhindern, zukünftige Zustände zuverlässig anzusteuern. (Wiesenthal<br />

2006, 33).


31 2 Theoretische Grundlagen<br />

und Strukturdeterminanten sich vollziehenden Operationsweisen sowie die latent<br />

mitschwingenden „Nichtangriffspakte“ aus Notwendigkeit der eigenen, fremdprodu-<br />

zierten, Ressourcenversorgung bedingen eine funktionssystemübergreifende Im-<br />

munität gegenüber externer Steuerung (Rosewitz/Sch<strong>im</strong>ank 1988, 301). Die auf<br />

Grundlage von Beobachtungen erzeugte Selbststeuerung eines Funktionssystems,<br />

für Luhmann (1997, 767) heißt das „Störungen zu registrieren und in gewohnter<br />

Weise bearbeiten zu können“, kann in den Beobachtungen anderer Gesellschafts-<br />

systeme den eigenen Funktionserfordernissen zuwider laufen. 42 Aus solchen Beo-<br />

bachtungsartefakten heraus sind Anlässe für Systembeeinflussung bzw. –steuerung<br />

denkbar, die in der Hoffnung angesetzt werden, Gefährdungen der Funktionsfähig-<br />

keiten „abhängiger“ Teilsysteme nicht zu gefährden.<br />

Generell wird in der modernen Gesellschaft dem politischen System eine Allzustän-<br />

digkeit für die Bearbeitung gesellschaftlicher Problemlagen zugesprochen<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2002, 23). Die numerisch zunehmenden strukturellen Verknüpfungen<br />

zwischen Funktionssystemen provozieren tendenziell Konfliktlagen, etwa in Folge<br />

der Produktion negativer Externalitäten, die sich für das politische System in einer<br />

Anspruchsinflation beobachten lassen. Da die Politik den machtbasierten Funkti-<br />

onspr<strong>im</strong>at für die allgemeine Regelung gesellschaftlicher Verhältnisse innehat, er-<br />

wachsen aus der politischen Logik heraus eigene politische Steuerungsansprüche. 43<br />

Erst in der Artikulierung dieser sind überhaupt als solche zu bezeichnende proble-<br />

matische Entwicklungen, wie extreme Indifferenzen, zu identifizieren. 44<br />

Diese Ansprüche auch einzulösen, erweist sich als ein voraussetzungsreiches Un-<br />

terfangen. Die Zielobjekte jedweder Versuche der Einflussnahme verfügen in ihrer<br />

selektiven Empfänglichkeit für Irritationen über Ja/Nein-Optionen. Daraus ergibt sich<br />

die Undenkbarkeit von Durchgriffskausalität (Luhmann 2000, 403). Auf der anderen<br />

Seite haben politische Akteure gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen<br />

Teilsystemen unterschiedlich ausgeprägte Wissens- und Beurteilungsdefizite hin-<br />

sichtlich der Durchführung von Steuerungsmaßnahmen (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 141).<br />

Niemals können externe Steuerungsakteure die Weltsichten ihrer Umweltsysteme<br />

42 Hier angesprochen wird das Bild der „Beobachtung zweiter Ordnung“ (Luhmann 1997, 766)<br />

43 Willke (2001, 104) betont die Kontingenz der Indifferenz als theoretisch unterstellter Normalzustand.<br />

Er meint, dass Selbstorganisation und Indifferenz nur möglich seien, „wenn die Politik sich selbst eine<br />

höchst unwahrscheinliche Selbstbeschränkung auferlegt“, seine Steuerungsanspruche also zu gewissen<br />

Graden diszipliniert. Theoretisch ist dieser Einwurf aufgrund der prinzipiellen Gleichrangigkeit aller<br />

Gesellschaftssysteme nicht haltbar, realpraktisch mag er einleuchtend erscheinen.<br />

44 Wobei die Zuschreibung von Schieflagen kein Alleinstellungsmerkmal des politischen Systems ist.<br />

Allerdings bekommt der Politik in ihrem Operieren <strong>im</strong> Medium Macht und ihrer vielfältigen Unterhaltung<br />

von strukturellen Kopplungen eine zentrale Stellung zugewiesen (Luhmann 2000).


32 2 Theoretische Grundlagen<br />

einnehmen, da sie in ganz anderen Kommunikationszusammenhängen operieren. 45<br />

Dadurch wird direkte Einwirkung zu einem schier aussichtslosen Exper<strong>im</strong>ent, be-<br />

dürfte es doch einer Art Über-Experten, der über einen spezifischen Teilbereich hin-<br />

ausblicken, eine Art Meta-Perspektive einnehmen kann (Willke 2001, 107). Ein sol-<br />

ches Rollenverständnis ist theoretisch nicht einzulösen, wäre es doch ein überaus<br />

kontingenter Zufall, würden die Steuerungsmaßnahmen allen beteiligten Orientie-<br />

rungen gleichsam zugutekommen, also der emergenten polykontexturalen Ordnung<br />

<strong>im</strong> Sinne der Aufrechterhaltung aller Funktionen dienlich sein. 46 Nicht mit Best<strong>im</strong>mt-<br />

heit zu antizipieren sind Folgeerscheinungen der von einer politischen Zentralin-<br />

stanz ausgehenden Koordinations- und Steuerungseinwirkungen. Die nur l<strong>im</strong>itierte<br />

Chance der sowohl vorweggreifenden wie nachvollziehenden Einsicht in anders<br />

codierte und strukturierte Systemoperationen erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit<br />

der Risikoproduktion. 47 Willke (2001, 111) geht davon aus, jede Koordination riskie-<br />

re „die Vorteile der Komplexifizierung von Systemen durch Differenzierung, d.h. die<br />

Vorteile des Aufbaus interner Komplexität (Eigenkomplexität) von Systemen durch<br />

Differenzierungen der unterschiedlichsten Art.“ Die max<strong>im</strong>alen Risiken sind in Er-<br />

scheinungen der Gleichschaltung bzw. Entdifferenzierung auszumachen.<br />

In dieser recht einseitig veranschlagten Lesart der Folgewirkungen politischer<br />

Steuerungsversuche wird vor möglichen dysfunktionalen Autonomieeinbußen ge-<br />

warnt. Diesen Gedanken n<strong>im</strong>mt Sch<strong>im</strong>ank (2006, 71ff.; 2007b) in seiner Typisierung<br />

intersystemischer Grenzüberschreitungen produktiv auf. Er unterscheidet hierbei<br />

graduelle Abstufungen fremdreferentieller Rahmungen 48 der weiterhin codegepräg-<br />

ten Operationsweise eines Funktionssystems. Damit erweitert er den Blickwinkel<br />

dahingehend, dass extern initiierte Zugriffsvorstöße nicht per se am Code ansetzen<br />

müssen, sondern auch auf den Ebenen der Programme und Ressourcenflüsse<br />

verortbar sind. Dabei bezieht er auch den umgekehrten Weg der „gewaltsamen Ein-<br />

verleibungen“ fremder Systemelemente mit in seine Überlegungen ein. Er differen-<br />

ziert innerhalb seines Ansatzes feindlicher Übernahmen die jeweiligen Folgewirkun-<br />

gen sowohl für das übernehmende wie auch für das übernommene Teilsystem<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2007b, 28). Indem er verschiedene einzelne Leistungsbeziehungen hin-<br />

sichtlich ihrer Einflussverteilungen durchexerziert, wird die tragende Rolle des Wirt-<br />

schaftssystems für feindliche Übernahmen, ohne dass dieses selbst einmal in die<br />

45<br />

Scharpf (1989) konstatiert in Bezug auf die Position Luhmanns eine „Überschätzung der wechselseitigen<br />

Intransparenz der Teilsysteme“. Willkes (2001) Ausführungen zur Logik von Verhandlungssystemen<br />

auf der Organisationsebene plausibilisieren dies.<br />

46<br />

Laut Willke (1989, 106f.) befinden sich die Akteure unterschiedlicher Teilsysteme in einem generellen<br />

Orientierungsdissens, der nicht zu überwinden ist.<br />

47<br />

Hier wird aus einer theoretisch aufgeklärten Perspektive heraus bewusst eine Art<br />

Pess<strong>im</strong>ismusszenario gezeichnet.<br />

48<br />

Dieses Konzept erinnert an die Überlegungen von Teubner und Willke (1984) zur Kontextsteuerung.


33 2 Theoretische Grundlagen<br />

Rolle des Opfers gelangt, identifiziert. Diese grobschlächtige Diagnose von Grenz-<br />

überschreitungen sollte in spezielleren Untersuchungen theoretisch und empirisch<br />

auf ihre Haltbarkeit überprüft werden. Für dieses Anliegen möchte diese Arbeit<br />

durch die Inblicknahme etwaiger <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> einen<br />

ersten Beitrag leisten.<br />

2.4 „Re-entry“ akteurtheoretischer Perspektiven<br />

Die theoriearchitektonischen Ausarbeitungen Luhmanns zum Gegenstand funktio-<br />

naler Differenzierung zeichnen sich durch ihre hohe Komplexität, begriffliche Präzi-<br />

sion und innere Kohärenz aus. Obwohl das systemtheoretisch begründete Pro-<br />

gramm in seiner Stringenz sowie terminologischen Konsistenz (kritisch dazu<br />

Nassehi 2004) innerhalb der soziologischen Theoriegeschichte unübertroffen zu<br />

sein scheint, sieht es sich Zeit seiner Entwicklung teils heftiger Kritik ausgesetzt<br />

(z.B. Knorr Cetina 1992, Münch 1995; Tyrell 1978; allg. Habermas 1996). Eine all-<br />

umfassende Nachzeichnung der fachinternen Bewertungen und auch theoretisch-<br />

positionellen Ablehnungen soll hier nicht geleistet werden. Stattdessen steht nach-<br />

folgend eine knappe Würdigung der Erklärungskraft einer systemtheoretischen Aus-<br />

deutung des Programms funktionaler Differenzierung der Gesellschaft. Eine Ein-<br />

schränkung in der Betrachtung wird dahingehend vorgenommen, dass dies fokus-<br />

siert auf theoretisch-kategoriale Anreicherungen, Abgrenzungen und Ergänzungen<br />

des bis hierher vorgestellten Rahmens geschehen wird. Aus zwei Gründen nehmen<br />

Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie (Sch<strong>im</strong>ank 2005b; 2006) hier<br />

eine Zentralstellung ein: Sie weisen eine gewisse konzeptionelle Nähe zum mittels<br />

der Systemtheorie aufgespannten Rahmen auf, bieten aber zusätzliches erklären-<br />

des Potential hinsichtlich der Exploration gesellschaftlicher Strukturdynamiken. 49<br />

Dass Luhmann weder der Erste noch der Einzige ist, der die Gesellschaft in ihrer<br />

Pluralität und damit verbunden hinsichtlich der gegenseitigen kommunikativen Uner-<br />

reichbarkeit der ausdifferenzierten Sinneinheiten beschrieben hat, wurde zu Anfang<br />

schon thematisiert. 50 Abseits der soziologischen Klassiker 51 (Durkhe<strong>im</strong>, Spencer,<br />

Weber) bietet die Gesellschaftstheorie Bourdieus zweifellos differenzierungstheore-<br />

tische Bezüge 52 : „Die Theorie der Felder beruht auf der Feststellung […], daß in der<br />

sozialen Welt ein fortschreitender Differenzierungsprozeß stattfindet.“ (Bourdieu<br />

49<br />

Schon die oben genannten feindlichen Übernahmen als erwartbare Phänomene unterliegen einer<br />

akteurorientierten Sicht der Dinge.<br />

50<br />

Eine übersichtliche Einordnung der gegenwärtig verhandelten theoretischen Ansätze innerhalb des<br />

Programms funktionaler Differenzierung liefert Schützeichel (2011, 73f.).<br />

51<br />

Wobei Bourdieu mittlerweile und zu Recht auch der Rang eines Klassikers eingenommen haben<br />

dürfte (Kaesler 2007).<br />

52<br />

Klassischerweise, so Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (1999, 23), werden die theoretischen Arbeiten Bourdieus<br />

für Analysen sozialer Ungleichheit herangezogen, währenddessen das differenzierungstheoretische<br />

Potential seiner Theorie sozialer Felder weit weniger rezeptive Aufmerksamkeit erfährt.


34 2 Theoretische Grundlagen<br />

1994, 148). Während Luhmann die Entstehung und Reproduktion funktionaler Teil-<br />

systeme kommunikationstheoretisch in Absehung handelnder Einheiten ausarbeitet,<br />

verweist Bourdieu in seiner Konzeptualisierung eines differenzierten Gesellschafts-<br />

modells auf die prägenden Einwirkungen sozialer Akteure. Zwar werden gedankli-<br />

che Analogien zu Luhmanns Vorstellungen sichtbar: „feldspezifischer »nomos« und<br />

binärer Code; Feldautonomie und Selbstreferentialität.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 1999,<br />

25). Dabei aber richtet Bourdieu den Blick, gelenkt von konflikttheoretischen sowie<br />

machtsoziologischen Einsichten, vielmehr auf feld<strong>im</strong>manente Interdependenzen und<br />

Prozessstrukturen, die von handelnden Subjekten getragen und ständig divergent<br />

aktiviert werden. Die in systemtheoretischen Deutungen suggerierte Statik in den<br />

Innen- wie Außenverhältnissen der Systeme ist in feldtheoretischen Betrachtungen<br />

nur ein möglicher Konstellationszustand unter anderen, somit eher als abhängige<br />

Variable zu begreifen.<br />

Wenngleich die Feldakteure ihr Handeln grundsätzlich am feldspezifisch-<br />

universellen nomos (Bourdieu 1994, 148f.) ausrichten, ist dieser keine kritikbefreite<br />

und unangreifbare Kategorie, sondern wird <strong>im</strong> Feld ständig unter dem Eindruck va-<br />

riabler Machtverteilungen und Regelstrukturen neu austariert. 53 Welche Tatbestände<br />

und Elemente <strong>im</strong> Kontinuum eines einzelnen (Funktions-) Feldes als wertvoll, wich-<br />

tig und wünschenswert definiert werden, ist fortwährend Gegenstand der Definiti-<br />

onskämpfe der mit best<strong>im</strong>mten, ungleichverteilten Kapitalien ausgestatteten Akteu-<br />

re 54 . Aus diesen Überlegungen heraus wird ersichtlich, dass Bourdieu Felder als<br />

dynamische Gebilde erkennt, deren Strukturelemente unablässig zur Disposition<br />

stehen, was seine Annahme einer „relativen Autonomie“ (Bourdieu 1994, 71) be-<br />

gründet. Verschiebungen und Überlagerungen der feldspezifischen Logik sind <strong>im</strong><br />

Kräftespiel der gesellschaftlichen Funktionseinheiten demnach weniger unwahr-<br />

scheinlich, als es das systemtheoretische Differenzierungsmodell nahelegt. Struk-<br />

turdynamiken dieser Art bezeichnet Bourdieu (1998) als Intrusion. Das Feld ist we-<br />

niger von der Einheit der Kommunikation gekennzeichnet, als es ein machtdurch-<br />

tränkter sozialer Raum ist, der sich inmitten einer Vielzahl an der gesellschaftlichen<br />

Funktion ausgerichteten Erwartungsstrukturen verortet und sich auf Basis derer<br />

konstituiert.<br />

Anders als Bourdieu, der sich in seinen gesellschaftstheoretischen Reflexionen nicht<br />

explizit an Luhmanns Sichtweise auf Ausdifferenzierung und die funktional differen-<br />

zierter Gesellschaft abarbeitet, grenzen sich zeitgenössische Differenzierungstheo-<br />

53<br />

An dieser Stelle dient ein weiteres Mal beispielgebend der schon oben vorgebrachte<br />

Positivismusstreit in der Soziologie.<br />

54<br />

Die Ausstattung mit Macht bemisst sich für Bourdieu (1997) in der individuellen Ausstattung mit<br />

sozialen Kapitalien.


35 2 Theoretische Grundlagen<br />

retiker bewusst in ihren akteurtheoretischen Akzentuierungen vom „Pr<strong>im</strong>aten der<br />

Systemtheorie“ ab. 55 Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (1999, 31) würdigen die systemtheo-<br />

retischen Arbeiten Luhmanns, und auch Parsons‘, als analytischen Bezugsrahmen,<br />

„dessen zentrale Kategorien auf alle Teilsysteme anwendbar sind.“ Die Vorteile ei-<br />

ner systemtheoretischen Behandlung der gesellschaftlichen Entitäten liegen in der<br />

Bereitstellung eines umfassenden und universellen Analyseinstrumentariums zur<br />

Erschließung struktureller Gemeinsamkeiten. Das jedes Teilsystem über Code- und<br />

Programmstrukturen als kommunikativer und handlungsbezogener Basis zur Fort-<br />

schreibung ihrer Existenzen verfügt, soll nicht negiert werden. Aber insbesondere<br />

für die Analyse intra- und intersystemischer Strukturdynamiken, etwa auf der Ebene<br />

der Programme, „kommen als »Beweger« des Geschehens noch die Konstellati-<br />

onsstrukturen der Akteure hinzu.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 209). Auch Esser (2004, 272)<br />

gibt zu bedenken, „dass es soziale Systeme gibt, aber auch (»leibhaftige«) mensch-<br />

liche Akteure und von ihnen geteilte Orientierungen und Handlungsdispositionen“.<br />

Zudem stehen diese drei, von Esser benannten, Strukturebenen des Sozialen nicht<br />

zusammenhangslos nebeneinander, sondern tragen wechselseitig zu ihrer jeweili-<br />

gen Konstitution bei. 56 Für die Erklärung dieser Mechanismen müssen handlungs-<br />

und systemtheoretische Zugänge nicht als antagonistische Grundlagenpositionen<br />

angenommen werden, wie es etwa Schwinn (2010) tut, sondern dürfen durchaus<br />

programmübergreifende Adaptionen das generelle Erfassungsspektrum erweitern<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2009a).<br />

Dass sich individuelle wie kollektive bzw. korporative Akteure 57 in einem Netz an<br />

Normen, Vorgaben und <strong>im</strong>pliziten wie expliziten Regelungen, kurz: Strukturen, be-<br />

wegen, wird kein aufgeklärter Gesellschaftsbeobachter bestreiten. Wenngleich<br />

Strukturen grundsätzlich als gestaltbar und veränderlich aufzufassen sind (Giddens<br />

1984), treten sie dem Akteur oftmals als handlungsdeterminierende Tatbestände<br />

gegenüber, die den Eindruck nur eingeschränkter Aktionsmächtigkeit vermitteln, so<br />

als ob diese überindividuellen und an best<strong>im</strong>mte Lebensbereiche gebundenen<br />

Maßgaben ein Eigenleben führen, „dem sich die Akteure fügen müssen, sobald sie<br />

sich <strong>im</strong> Territorium einer von ihnen bewegen – und das heißt: fast <strong>im</strong>mer!“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 469). Genau diese „Territorien“ bezeichnet das systemtheoreti-<br />

sche Differenzierungsmodell als durch einen spezifischen Code definierte Teilsys-<br />

teme.<br />

55 Für einen neueren Überblick siehe den von Schwinn, Kroneberg und Greve (2011) herausgegebenen<br />

Sammelband „Soziale Differenzierung: Handlungstheoretische Zugänge in der Diskussion.“<br />

56 Verwiesen sei hier auf das Modell der soziologischen Erklärung (Esser 1999; Coleman 2001;<br />

Gresshoff/Sch<strong>im</strong>ank 2006; Greve/Schnabel/Schützeichel 2009).<br />

57 Siehe Sch<strong>im</strong>ank 2010. Auch Scharpf 1997.


36 2 Theoretische Grundlagen<br />

Um den Ideen von Funktionssystemen ihren, seitens der systemtheoretisch orien-<br />

tierten Fachvertreter angehängten, überstabilen und verobjektivierten Charakter zu<br />

nehmen bzw. um diesen zu relativieren, spricht Sch<strong>im</strong>ank (2005, 102ff.; 2009) von<br />

handlungsprägenden Sozialsystemen oder auch von Teilsystemen als verdinglichte<br />

Akteurfiktionen. Dabei fällt die allgemeine Orientierungsfunktion dem innerhalb des<br />

Teilsystems geltenden Leitwert bzw. binären Code zu, „der den Akteuren in seinem<br />

Geltungsbereich bei ihrer Definition der Situation ein »Oberziel« ihres Handelns als<br />

»perfekten Match« auferlegt.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 212) 58 So verstanden ist der binä-<br />

re Code der letzte Bezugspunkt teilsystemischer Deutungsstrukturen, um den her-<br />

um sich die spezifische Handlungslogik für die Systemakteure ausbildet: „Aufgrund<br />

seiner Teilsystemzugehörigkeit weiß ein Akteur also vor allem, welcher Richtung<br />

des Wollens er sich zuwenden kann und welche anderen Richtungen er entspre-<br />

chend nicht in den Blick zu nehmen braucht.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007, 220). Dieser Selekti-<br />

onscode, der zur Interpretation einer Situation oder eines Ereignisses verhilft, ist nur<br />

ein mögliches Beobachtungsschemata unter vielen. Die Hinwendung zu einer „Rich-<br />

tung des Wollens“ verringert die Komplexität einer mit verschiedenartigen Hand-<br />

lungsalternativen aufgeladenen Situation und legt dem Akteur ein einziges zu ver-<br />

folgendes Oberziel frei. Prinzipiell lassen sich alle soziale Situationen unter Verwen-<br />

dung von Schemata systemspezifischer Handlungslogiken evaluativ stark einge-<br />

grenzt rekonstruieren. Der einzelnen sozialen Situation oder dem einzelnen sozialen<br />

Akt wird damit eine markante Sinnhaftigkeit unterstellt, die sich aber nur unter Aus-<br />

blendung der realen Kontingenz aufrechterhalten lässt. Die binäre Codierung eines<br />

Funktionssystem wird aus dieser Perspektive zu einem s<strong>im</strong>plifizierenden Konstrukt<br />

des Wirklichkeitsbildes, zu einer abstrahierten Fiktion 59 : „Die Fiktionalität der Teil-<br />

systeme besagt einerseits, dass es sich bei ihnen um eine realitätsvereinfachende<br />

subjektive Vorstellungen der Akteure handelt, aber andererseits um solche Vorstel-<br />

lungen, die als intersubjektiv wechselseitig bestätigte und so geteilte „frames“ des<br />

Handelns über entsprechendes handelndes Zusammenwirken Geltung erhalten auf<br />

diese Weise quasi „objektiven“ Charakter annehmen.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 469; auch<br />

Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 87ff.). Solche Konstruktionen manifestieren und reproduzieren<br />

sich in der Logik einer „self-fulfilling prophecy“ (Merton 1948).<br />

Wie mit dem letzten Zitat schon angedeutet, erheben sich die situativ zur Anwen-<br />

dung gelangenden teilsystemischen Handlungslogiken nicht automatisch durch eine<br />

„unsichtbare Hand“ zum generalisierten Deutungshorizont, sondern müssen sich<br />

dafür die Akteure in ihren aufeinander abgest<strong>im</strong>mten Handlungen gemeinsam an<br />

58 Hier formuliert <strong>im</strong> Sprachgebrauch Hartmut Essers.<br />

59 Esser (2010, 45f.) sieht das ähnlich wenn er von der „Selektion eines Frames“ spricht, welche eine<br />

best<strong>im</strong>mte Relevanzstruktur vorgibt und die Situation so gedanklich drastisch vereinfacht.


37 2 Theoretische Grundlagen<br />

einer Richtung des Wollens orientieren. Solche Akteurkonstellationen (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2010a, 202ff.) konstituieren sich „für jeden einzelnen Akteur ganz unmittelbar durch<br />

das Gewahrwerden der Tatsache, dass er best<strong>im</strong>mte Intentionen nicht monologisch<br />

verfolgen kann, sondern auf die Koordination mit anderen angewiesen ist.“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 207, 221) Die anwesenden bzw. gedanklich relevanten Anderen produ-<br />

zieren den Handlungsrahmen für den Einzelakteur. In seinen Handlungswahlen be-<br />

müht er sich, den Ansprüchen seiner Umgebung <strong>im</strong> Kontext von Rollenerwartungen<br />

möglichst umfänglich gerecht zu werden, um seine Soziabilität aufrecht zu erhal-<br />

ten. 60 Über verschiedene Abst<strong>im</strong>mungsformen 61 prägen die beteiligten Akteure<br />

wechselseitig die jeweiligen individuellen Handlungsäußerungen. Aus der ständigen<br />

Aktualisierung dieses intersubjektiven aneinander Orientierens evolvieren Konstella-<br />

tionsstrukturen in dem Sinne, „dass keine der Beteiligten allein von sich aus so ein-<br />

fach seine Handlungsweise ändern kann, ohne sich gravierende Nachteile der einen<br />

oder anderen Art einzuhandeln.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 40).<br />

Die episodische Wiederholung und Verstetigung der so koordinierten und ineinander<br />

verschränkten Handlungen provozieren somit normative Erwartungsstrukturen, die<br />

als komplexitätsmin<strong>im</strong>ierende situative Bewältigungsmuster fungieren. Diese institu-<br />

tionellen Ordnungen 62 unterscheiden sich hinsichtlich ihres Formalisierungsgrades<br />

und vermitteln dem Handelnden situativ, „was er in der jeweiligen Hinsicht zu tun<br />

bzw. zu lassen hat.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007, 221) Regelungsstrukturen dieser Art diszipli-<br />

nieren das soziale Geschehen und erhöhen die wechselseitige Erwartungssicherheit<br />

für die Akteure in best<strong>im</strong>mten Konstellationsstrukturen. 63 Sie signalisieren die<br />

sanktionierbare Seite in einem auf best<strong>im</strong>mte Wahrnehmungs-, Selektions- und<br />

Handlungsweisen abgestellten System, weisen darin eine gewisse Persistenz auf,<br />

sind aber „hochgradig von den Akteuren situativ modifizierbare, aushandelbare und<br />

sogar gänzlich ignorierbare Größen.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007a, 222) In ihrer zeitweiligen<br />

Gestalt stehen Institutionen nicht kontextfrei und sinnentleert als soziale Tatsachen<br />

<strong>im</strong> Feld, sondern verweisen als soziale Strukturierungen stets auf einen Wertbezug,<br />

den sie infolge einer aktivierenden Bezugnahme handlungsrelevant werden lassen<br />

(Lepsius 1995, 394).<br />

60 Siehe ausführlich zum Akteursmodell des Homo Sociologicus, (Dahrendorf 2010).<br />

61 Sch<strong>im</strong>ank (2010) unterscheidet hier Beobachtung, Beeinflussung und Verhandlung.<br />

62 Für ein genuin theoretisches, auf Institutionalisierungsprozesse abgestelltes, Beschreibungsangebot<br />

siehe Berger/Luckmann (2009, 49ff.). Ein anschauliches und mittlerweile als „klassisch“ einzustufendes<br />

Beispiel in der Form einer Einzelfallstudie bieten Elias/Scotson (2002).<br />

63 Dass Normen und Regeln hintergangen werden können und dies theoretisch besehen auch nicht<br />

gerade unwahrscheinlich ist, legen Arbeiten aus dem Kontext des soziologischen Neo-<br />

Institutionalismus für den sozialen Bereich formaler Organisationen nahe (Meyer/Rowan 1977; Walgenbach/Meyer<br />

2008; zur Einführung Hasse/Krücken 2005).


38 2 Theoretische Grundlagen<br />

In dieser sind die überindividuellen normativen Erwartungsstrukturen mit den eva-<br />

luativen und kognitiven Orientierungen der Deutungsstrukturen verknüpft, zudem<br />

formen die letztgenannten die geltenden Konstellationsstrukturen. 64 Dabei fixieren<br />

die Deutungsstrukturen die Differenzierungsstruktur der modernen Gesellschaft 65<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2005, 41), markieren also die Sinngrenzen der einzelnen Funktionssys-<br />

teme. In Kontrastierung zur systemtheoretischen Erklärung der kommunikativ voll-<br />

zogenen Aneinanderkettung von Systemoperationen lässt sich die Systemhaftigkeit<br />

von gesellschaftlichen Funktionsbereichen mit Sch<strong>im</strong>ank (2010, 469)<br />

akteurtheoretisch reformulieren: „Was sich als teilsystemische „Autopoiesis“ (…)<br />

darstellt, beruht auf dem Mechanismus handelnden Zusammenwirkens, bei dem die<br />

„Wertsphären“ mit ihren Leitwerten in Gestalt verdinglichter Fiktionen das Handeln<br />

so prägen, dass aus diesem in der „Logik der Aggregation“ vielen gleichsinnigen<br />

Handelns die Leitwerte und die teilsystemischen Sinngrenzen <strong>im</strong>mer wieder aufs<br />

Neue als Situationsdefinitionen weiteren Handelns bestätigt werden.“ Erschließt<br />

man sich die Zusammenhänge teilsystemischen selbstreferentiellen Operierens in<br />

dieser Art, erscheint die seitens der Systemtheorie propagierte Stabilität teilsystemi-<br />

scher Autopoiesis in ihrer logischen Selbstverständlichkeit beschnitten. Auch wenn<br />

dem binären Code als zentralen Leitwert aufgrund seiner Eigenschaft als fiktiver<br />

Abstraktion eine gewisse Geltung unterstellt werden kann, bieten die vorgestellten<br />

theoretischen Ergänzungen gerade auf der Ebene der Programme weitergehendes<br />

erkenntnisgenerierendes Potential. So wäre es ein erstrebenswertes Projekt, das<br />

Augenmerk, sowohl theoretisch wie empirisch, auf die Interessenlagen und Ein-<br />

flusspotentiale verschiedener <strong>im</strong> Funktionssystem 66 agierender handlungsfähiger<br />

Akteure, Rollenträger oder auch Organisationen als korporative Akteure, zu legen.<br />

Obschon die teilsystemische Reproduktion sich innerhalb der funktionalen, auf die<br />

gesellschaftlichen Bedürfnisse gerichteten, Erfordernisse in kommunikativer Hinsicht<br />

wohl <strong>im</strong>mer noch pr<strong>im</strong>är innerhalb des binären Relevanzrahmens abspielt, darf die<br />

Möglichkeit einer Heterogenisierung der Konstellationsstrukturen und damit auch die<br />

Einspeisung fremdreferentieller Elemente in die Programmstrukturen eines Teilsys-<br />

tems nicht grundsätzlich zurückgewiesen werden. Der Extremfall einer „echten<br />

Code-Herausforderung“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 214) erscheint zwar aus theoretischer<br />

Perspektive sehr unwahrscheinlich, allerdings können ursprünglich externe Katego-<br />

rien als nun geltende Zuordnungsregeln die definitorische Herausarbeitung des von<br />

nun ab zugrundeliegenden Leitwertes tangieren.<br />

64<br />

Denn nicht für alle Akteure erscheint eine Teilnahme am systemischen Geschehen lohnens- und<br />

erstrebenswert.<br />

65<br />

Was zu hinterfragen ist, wenn man sich etwa vor Augen führt, dass best<strong>im</strong>mte Konstellationsstrukturen<br />

den Deutungs- und Motivhorizont sinnhaft konstituierter Bereiche unterminieren können, wie es<br />

Kommodifizierungserscheinungen suggerieren (Polanyi 1978, auch Dörre 2009).<br />

66<br />

Hier ist die institutionelle Seite des System gemeint.


39 2 Theoretische Grundlagen<br />

2.5 Zwischenbetrachtung<br />

Insbesondere die streng systemtheoretisch fundierten Einsichten des Theoriepro-<br />

gramms funktionaler Differenzierung bieten aufgrund Anlässe für Kritik und Wider-<br />

spruch. Aber gerade aufgrund des hohen Abstraktionsgrades können hieraus An-<br />

knüpfungspunkte für wissenschaftliche Beobachtungen, die sich dann an der Ein-<br />

deutigkeit dieses Paradigmas abarbeiten können, entstehen. Erst weil die mit der<br />

strikten Anwendung der innerhalb dieses Theoriegebäudes verhandelten Konzepte<br />

derart absolut und quasi „nicht-verhandelbar“ daherkommen, bieten sie dem inte-<br />

ressierten Gesellschaftsbeobachter die benötigten Anreize dafür, die realen Ver-<br />

hältnisse entlang dieser modellhaften Vorstellungen zu betrachten und gegebenen-<br />

falls in Zweifel zu ziehen.<br />

Das voranstehend gezeichnete Gesellschaftsbild provoziert unweigerlich Fragen.<br />

Die argumentative Stärke der systemischen Differenzierungstheorie ist, dass sie auf<br />

Kommunikationen als basale soziale Einheiten abstellt. Funktionssysteme zeichnen<br />

sich demnach durch die Differenz ihrer Kommunikationsweisen aus. Kommunikatio-<br />

nen innerhalb eines System setzen sich fort, weil mitgeilte Kommunikationseinheiten<br />

dem System die Möglichkeit geben, sich unter Bezugnahme auf ihre binäres Diffe-<br />

renzschema einander anzuschließen. Über diesen Mechanismus reproduzieren sich<br />

die gesellschaftlichen Teilsysteme je für sich. Dennoch müssen Kommunikationsan-<br />

schlüsse erst einmal ermöglicht werden. Ein System muss autonom genug sein, der<br />

Gesellschaft sein Differenzschema anzulegen um Beobachtungen vollziehen zu<br />

können, die wiederum als Grundlage für die funktionalen Leistungserbringungspro-<br />

zesse konstitutiv sind.<br />

Welche Folgen es nach sich ziehen kann, wenn die Funktionsautonomie und legiti-<br />

me Indifferenz gegenüber Umwelteinflüssen beschnitten oder eingeschränkt wird, ist<br />

durch die Theorie nicht genau spezifiziert. Offengelegt werden vielmehr Kopplungs-<br />

strukturen und Einwirkungsbereiche, etwa Organisationen, die sowohl die Verabso-<br />

lutierung von Weltsichten begünstigen, aber auch Rahmungen für die unmittelbarere<br />

Konfrontation mit Fremdreferenzen darstellen können. Wird ein Funktionssystem in<br />

seinen genuinen Beobachtungspraxen und Kommunikationsweisen nicht mehr<br />

selbstreferentiell Selektionsentscheidungen treffen können, sondern werden Pro-<br />

zesse der Funktionserfüllung in den Kontext anderer als selbstgewählter Selektio-<br />

nen gestellt, ist nicht mehr von einer vollständigen Systemautonomie auszugehen.<br />

Ein solcher Fall nur noch bedingten Selbstvollzugs kann Folgen für die gesamte<br />

Gesellschaft aufgrund veränderter, <strong>im</strong> Extremfall ausbleibender, Leistungserbrin-


40 2 Theoretische Grundlagen<br />

gung zeitigen. Wie aber gezeigt wurde, beruht die gesellschaftliche Integration ge-<br />

radezu auf Kopplungsmomente zur Sicherstellung der eigenen Empfänglichkeit für<br />

umweltseitige Signale, die dann systemintern beobachtet und verarbeitet werden.<br />

Hier erscheint einem die Parabel über zwei Igel, die ein gesundes Verhältnis aus<br />

Nähe und Distanz finden müssen, um ein zufriedenstellendes Miteinander zu ge-<br />

währleisten. Ähnlich verhält es sich den theoretischen Grundlegungen zufolge mit<br />

den Grenzbereichen der Teilsysteme. Ein allzu selbstbezügliches Operieren kann<br />

die Bereitstellungen von gesellschaftlich benötigten Leistungen gefährden. Aber<br />

auch starke Beschränkungen <strong>im</strong> Code-Ausleben der Systeme (Nassehi 2004) und<br />

damit einhergehende dysfunktionale Autonomieeinbußen können unvorhersehbare<br />

Wirkungen nach sich ziehen. Die Funktion der umfassenden Darstellungen zur hier<br />

verwendeten Gesellschaftstheorie ist es, für diese grundsätzliche Kontingenz in den<br />

Folgeerscheinungen von Entwicklungen dieser Art zu sensibilisieren sowie zur Be-<br />

obachtung anzuregen.<br />

Über die angesprochenen potentiellen Effekte von Grenzverschiebungen zwischen<br />

den Systemen kann allenfalls spekuliert werden, höchstens sind einzelne Hinweise<br />

auffindbar und diskutierbar. Was aber einer Betrachtung in einer ersten Annäherung<br />

zugänglicher ist, sind Beobachtungen fremdreferentieller Rahmungen, die mitunter<br />

auch durch Realisierungen politischer Gesellschaftssteuerung induziert werden.<br />

Hierunter fallen auch Rahmungen, die als ökonomisierend zu charakterisieren sind<br />

(siehe unten). Welche gesellschaftlichen Prozesse derartige Phänomene, insofern<br />

sie nachweisbar sind, hervorbringen, kann etwa in Einzelfallstudien unter Bezug-<br />

nahme akteurtheoretischer Modelle und Analysen ergründet werden. Aber auch für<br />

den in dieser Arbeit stehenden Versuch, fremdreferentielle Rahmungen und ihre<br />

Bedingungen <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> anhand von politischen Steuerungseingriffen zu be-<br />

obachten, sind akteurtheoretische Perspektiven auf die differenzierte Gesellschaft<br />

zweckmäßig, da Konstellationsstrukturen und Handlungsvollzüge plastischere be-<br />

griffliche Instrumente darstellen. Insgesamt wurde bis hierher ein Gesellschaftsbild<br />

vorgestellt, welches die Welt des Sozialen als differenziert begreift und vielfältige<br />

Anlässe bereithält, systematische Analysen der gesellschaftlichen Verfassung sowie<br />

etwaiger Wandlungen anzustellen.


41 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und gesellschaftlicher Rea-<br />

lität<br />

Die bis hierher vorgenommenen theoriebasierten Ausführungen zur modernen Ge-<br />

sellschaft legen ein Modell eben dieser zugrunde, das auf einem Beobachtungs-<br />

schema der Differenz beruht. Mit dem vorgestellten differenzierungstheoretischen<br />

Rahmenprogramm ist ein potentes Beobachtungsinstrumentarium benannt, mittels<br />

dessen Fragestellungen nach spezifischen Eigenarten gegenwärtiger Strukturierun-<br />

gen und formgebender Kommunikationstypen in einer Wahrnehmung von<br />

Uneinheitlichkeit und Ungleichartigkeit entwickelbar sind. In den Beiträgen zur „ge-<br />

genwärtigen“ funktionalen Verfasstheit der sozialen Welt wird darauf hingewiesen,<br />

dass in einer strukturell-temporalen Sicht Entwicklungsverläufe nicht als statistisch,<br />

sondern vielmehr in ihren evolutionär-konstruierten Dynamik zu begreifen sind. Die-<br />

se Einsicht bedeutet nicht per se einen Informationsgewinn, gehören doch Abhand-<br />

lungen zu den Themenkomplexen sozialen, kulturellen oder institutionellen Wandels<br />

sowie soziotechnischer und politisch-struktureller Transformation zum theoretischen<br />

und gegenwartsdiagnostischen Grundkanon der soziologischen Wissenschaft (Rei-<br />

ßig 2009; Imhof 2006; Mayntz 1997; klassisch Elias 1976; für eine Zusammenschau<br />

verschiedener theoretischer Modellierungen Zapf 1969). Differenzierungstheoretisch<br />

orientierte Gesellschaftsbeschreibungen aber stellen, insbesondere wenn system-<br />

theoretisch argumentiert wird, Evolution <strong>im</strong> Verständnis weiterer Ausdifferenzierun-<br />

gen eher in einen intrasystemischen Zusammenhang. Beobachtungen von Grenz-<br />

dynamiken in infolge gezielter Penetration, aber auch transintentionaler Verhältnis-<br />

best<strong>im</strong>mungen, fallen aufgrund des theoretischen Postulats der intersystemischen<br />

Unansprechbarkeit aus dem Blick.<br />

Auch mit der vorliegenden Arbeit kann eine dezidierte und vor allem auf Prozessver-<br />

läufe abstellende Aufarbeitung von Wandlungserscheinungen und Neukonfiguratio-<br />

nen in Form einer soziologischen Erklärung nicht geleistet werden. Ein solches Vor-<br />

gehen müsste dem Anspruch genügen, etwaige Wandlungsprozesse systematisch<br />

als Genese und Abfolge best<strong>im</strong>mter Sequenzen der Änderung gesellschaftlicher<br />

Strukturen zu erfassen (Esser 2000, 329). Im Bewusstsein, dass ein solches Unter-<br />

fangen für den hier diskutierten Fall überaus erstrebenswert erscheint und weitere<br />

Forschungsperspektiven offenbart, möchte diese Arbeit zunächst in nachvollziehba-<br />

rer Weise die Berechtigung der Annahme eines gesellschaftlichen Phänomens der<br />

jüngeren Gesellschaftsgeschichte fundieren, welches schon seinem terminologi-<br />

schen Bedeutungsgehalt zufolge auf bereichsübergreifende Angleichungs- oder gar<br />

Synchronisationserscheinungen hinweist.


42 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

Wie <strong>im</strong> einleitenden Teil dieser Arbeit schon angekündigt, soll geklärt werden, ob<br />

und in welchen potentiellen Manifestationen sich die Unterstellung einer<br />

Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s auf Grundlage des voranstehend ausgebreiteten<br />

theoretischen Begriffsrahmens bewähren kann. Dieser eröffnet eine Vorstellung von<br />

Gesellschaft, die sich durch die Auffächerung unterscheidbarer Konstituenzien mit<br />

divergenten Logikdefinitionen und kommunikativen Praxen auszeichnet. Gesell-<br />

schaftsdiagnostische Etikettierungen wie „Verwissenschaftlichung“ 67 (Hilgert/Werron<br />

2010), „Politisierung“ (Greven 2009, 105 ff.; für die Schule in der ehemaligen DDR<br />

siehe Tenorth/Kudella/Paetz 1996), „Bürokratisierung“ (Jacoby 1969) oder „Ver-<br />

rechtlichung“ (Kübler 1985) weisen demgegenüber auf tendenziell dekonstruktiv<br />

oder integrierend wirkende Vorgänge, je nach Anschauung, in den Ausprägungen<br />

von Verschiebung, Überlagerung oder Verdrängung hin. 68 Von Differenzierungsthe-<br />

oretikern wird für den Extremfall sozialer Strukturverschiebung der Begriff Entdiffe-<br />

renzierung verwendet (Buß/Schöps 1979), Tilly (1972, 113ff.) gebraucht für den Fall<br />

einer Rückentwicklung den Begriff der Devolution. Alltagserfahrungen sowie wis-<br />

senschaftliche Ausarbeitungen (Amiri 2007; Sch<strong>im</strong>ank 2007b) nähren den Eindruck,<br />

dass auf gesellschaftliche Funktionen bezogene sinnstiftende Grenzziehungen ei-<br />

nen Bedeutungsverlust erfahren. Akteurtheoretisch betrachtet <strong>im</strong>plizieren derartige<br />

Geschehnisse Strukturdynamiken, die unter anderem auf Autoritätseinbußen, neu-<br />

artigen Verteilungen von Macht und Deutungshoheit, Isomorphiebestrebungen (Di-<br />

Maggio/Powell 1983) oder auch, als Positivselektion, in das teilsystemische und<br />

damit gesamtgesellschaftliche Leistungs- und Versorgungsniveau anhebenden,<br />

sozialen und technologischen Innovationen (Aderhold/John 2005; Howaldt/Schwarz<br />

2010; Braun-Thürmann/John 2010) zurückzuführen sind. Auf die anzunehmenden<br />

Ausgangspunkte, Kräftefelder und Diffusionsbahnen, die katalysierend auf Verände-<br />

rungen und Neuformierungen einwirken, wird <strong>im</strong> weiteren Verlauf nur punktuell ein-<br />

gegangen, <strong>im</strong>mer daran gemessen, ob es den Analysefortgang argumentativ anzu-<br />

reichern vermag.<br />

Um das theoretisch-begriffliche Analyseset für den hier behandelten Gegenstands-<br />

bereich weiter zu präzisieren, bedarf es der Konkretisierung für die Verwendung der<br />

67 Divergierende Akzentuierungen der Wissensgesellschaft, die als ideeller Beschreibungsrahmen für<br />

Anzeichnen von Verwissenschaftlichung fungiert, finden sich bei Bell (1973) und Gibbons et al. (1994),<br />

weniger für eine best<strong>im</strong>mte Anschauung plädierend als die Ursachen und Konsequenzen reflektierend<br />

behandelt Stehr (1994) die Thematik.<br />

68 Ob diesen, insbesondere in populär-akademischen und massenmedialen Kontexten reproduzierten<br />

und <strong>im</strong> Gesellschaftsbewusstsein sed<strong>im</strong>entierten, unterstellten Phänomenen Evidenz zugeschrieben<br />

werden kann oder sie nur axiomatisch fortbestehen, ist meines Wissens nach nicht empirisch nachgewiesen<br />

worden.


43 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

Kategorie Ökonomisierung. 69 In einem ersten Schritt werden zu diesem Zwecke<br />

begriffliche Abgrenzungen vorgenommen. Daran anknüpfend folgt eine Rezeption<br />

neuerer und Diskursbeiträge der Sozialwissenschaften zu Fragen der Eingrenzung<br />

und Haltbarkeit von Ökonomisierung. Im letzten Abschnitt dieses Kapitels wird der<br />

Versuch unternommen, die vorgestellten Ökonomisierungsmodelle gebündelt in den<br />

gesellschaftstheoretischen Rahmen einzuordnen.<br />

3.1 Beschreibungen <strong>im</strong> Überblick<br />

Um der Gefahr des willkürlichen Aufspürens von Ökonomisierungserscheinungen<br />

vorzubeugen, steht zu Anfang der Versuch, eine aus der gängigen fachinternen<br />

Literatur und in den verschiedenen Systemsprachen verfassten medial zugängli-<br />

chen Artefakten herausgefilterte Sammlung semantisch ähnlicher Termini so vonei-<br />

nander zu trennen, dass Mehrdeutigkeiten vermieden werden oder aber bewusst<br />

eingebaut werden können. Soll zulässigerweise <strong>im</strong> weiteren Verlauf dieser Arbeit<br />

von Ökonomisierung und sich fortschreibenden ökonomisierenden Tendenzen die<br />

Rede sein, ist vorab dazulegen, worin die charakteristischen Merkmale dieses Be-<br />

griffs gegenüber anderen Ausdrücken wie Kommerzialisierung, Kommodifizierung,<br />

Verbetriebwirtschaftlichung, Managerialisierung, oder Landnahme zu sehen sind<br />

oder ob sich aber begriffliche Ausdifferenzierungen bewähren, um ein und dasselbe<br />

Ereignis mehrd<strong>im</strong>ensional zu beleuchten.<br />

Ökonomisierung bezeichnet eine Prozesskategorie, die ihren Referenzpunkt <strong>im</strong> Sys-<br />

tem der Ökonomie zu haben scheint. Beschreibt man mit Luhmann (1988, 52) das<br />

Wirtschaftssystem über den »unit act der Zahlung, so liegt in der Anbetracht eines<br />

Verständnisses von Ökonomisierung <strong>im</strong> Sinne einer kommunikativen Ausdehnung<br />

des Annahmebereichs des Unterscheidungsmodus‘ Zahlung/Nicht-Zahlung die Zu-<br />

grundelegung des Terminus Landnahme nahe. Der <strong>im</strong> jüngeren soziologischen An-<br />

satz einer Wiederbelebung der kritischen deutschen Soziologie von Dörre (2009,<br />

37) prominent platzierte Begriff meint die „Expansion der kapitalistischen Produkti-<br />

onsweise nach innen und außen.“ Es geht also <strong>im</strong> Kern um die Bezeichnung der<br />

scheinbar unendlichen und irreversiblen Vergesellschaftung sozialer Räume unter<br />

das Reg<strong>im</strong>e des Kapitalismus mit dem Ziel „der Profitmax<strong>im</strong>ierung, der Mehrung<br />

des erneut investierten Kapitals“ (Dörre 2009, 31). Leistungsproduktionen unterlie-<br />

gen fortan der Max<strong>im</strong>e der Akkumulation von geldwertigen Tauschmitteln, werden in<br />

den landgenommenen Gesellschaftsbereichen nicht mehr pr<strong>im</strong>är am geäußerten<br />

69 Diese These legt der Titel „Ökonomisierung der Gesellschaft“ eines Aufsatzes von<br />

Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann (2008) oder der des Buches „Die Ökonomisierung der Gesellschaft“ von Krönig<br />

(2007) nahe.


44 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

oder Bedarf orientiert (Heinrich 2005, 15f.), sondern haften dem Zweck der Produk-<br />

tion von Mehrwert an. Damit geht wechselseitig einher, dass auch die abverlangten<br />

und intersubjektiv goutierten Handlungsmotive der individuellen wie kollektiven Ein-<br />

heiten der vormals nicht <strong>im</strong> Zahlungsmodus operierenden Leistungsbereiche neu<br />

konfiguriert werden. Die formale und reale Subsumtion (Hardt/Negri 2003) bedingt<br />

und setzt ökonomie- bzw. kapitalismusspezifische Präferenzen und<br />

Handlungsorientierunten, etwa die Erwerbsgesinnung unter Konkurrenzbedingun-<br />

gen, voraus (Willke 2006, 140 ff.). Hier wird also nicht allein die Diffusion wirtschaft-<br />

licher Kommunikationsmuster angesprochen. Vielmehr ist die gilt als das entschei-<br />

dende Kennzeichen der Landnahmen die Hinwendung zum Letztziel der Kapital-<br />

mehrung.<br />

Eine ökonomische Erschließung ehemals kapitalistischen Brachlandes firmiert <strong>im</strong><br />

wissenschaftlichen Sprachgebrauch auch unter dem Titel Kommodifizierung, au-<br />

ßerwissenschaftlich sicher eher als Kommerzialisierung 70 geläufig. Der Begriff geht<br />

auf Polanyi (1978) zurück. Er „meint die Transformation von Gütern, aber auch von<br />

Organismen und Ideen in Waren. Kommodifizierung ist somit ein Prozeß der Aus-<br />

breitung der Warenwirtschaft und der zunehmenden Integration von Individuen und<br />

Gruppen in Geldwirtschaft (Monetarisierung) und Marktökonomie (Kommerzialisie-<br />

rung).“ 71 Vor allem die Übertragung des Marktmechanismus‘ auf alle möglichen ge-<br />

sellschaftlichen Felder und Elemente (menschliche Arbeitskraft, Boden, Geld), die<br />

<strong>im</strong> Gewand einer „Warenfiktion“ kommodifiziert werden, steht für Polanyi <strong>im</strong> Fokus.<br />

In seinen expandierenden Suchbewegungen modelliert der (ökonomische) Markt<br />

jedwede gesellschaftlichen Organisationsprinzipien in der Art, dass „keine Vorkeh-<br />

rungen oder Verhaltensweisen zugelassen werden dürfen, die das Funktionieren<br />

des Marktmechanismus <strong>im</strong> Sinne der Warenfiktion verhindern.“ (Polanyi 1978,<br />

108) 72 Bremsende oder hemmende Institutionen müssen demnach beseitigt bzw.<br />

umfunktioniert werden, was dann perspektivisch die Umstellung alternativer gesell-<br />

schaftlicher Zugriffsweisen auf eine Art funktionaler Gleichschaltung bedeutet. Eine<br />

entscheidende Rolle wird hierbei den staatlichen Interventionssystemen zugespro-<br />

chen (Dörre 2009, 44; auch Willke 1999).<br />

Die sozialen Objekte von Reg<strong>im</strong>eentwicklungen der beschriebenen Art liegen be-<br />

vorzugt auf der Ebene organisationaler Systeme, legt man ein Verständnis zugrun-<br />

de, dass sie durch ihre überindividuelle und korporative Form (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 327<br />

70<br />

Einen Beitrag zur Unterscheidung der beiden Begriffe liefert das nachfolgende Zitat.<br />

71<br />

Definition von Jürg Helbling unter http://www.unilu.ch/files/kommodifizierung.pdf (10.07.2012,<br />

11:52h)<br />

72<br />

Hier wären sicherlich konfliktsoziologische Analysen anschlussfähig.


45 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

ff.; Geser 1990) als „Interessendurchsetzungsagenturen“ (Drepper 2003, 202) mit<br />

„externer Kommunikationsfähigkeit“ (Luhmann 1997, 843; auch Scharpf 1989) be-<br />

schreibt. In ihrer Charakteristik als soziale Rahmungen (Luhmann 2005) sind diese<br />

strukturierten Ordnungen aufgrund ihrer hochgestellten Rationalitätsansprüche und<br />

ihres vergleichsweise hohen Formalisierungsgrades wirksam in Hinblick auf die<br />

Konditionierung sozialer Handlungen und damit einhergehend auf die Erwartbarkeit<br />

von zweck- und zielgemäßen Leistungsentäußerungen (Sch<strong>im</strong>ank 2005; Scott<br />

1986; Türk 1995; Bruch/Türk 2005). Gerade zu Fragen der rationalen Gestaltung<br />

von Organisationen verfügt die Wirtschaft offenbar über eine gewisse Autorität<br />

(Meier 2012, 185). Auf dieser Strukturebene sind <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> dann<br />

vielmehr als Verbetriebswirtschaftlichung (Möhring-Hesse 2008) bzw. als<br />

Managerialisierung 73 (Heinze 2009, 37) der Einzelorganisation zu begreifen. Eine<br />

nach betriebswirtschaftlichen Prämissen geführte Organisationseinheit richtet die<br />

Steuerung der einzelnen Teilprozesse wie Planung, Personalauswahl und Kontrolle<br />

zur Transformation eines möglichst min<strong>im</strong>alen Inputs in einen möglichst max<strong>im</strong>alen<br />

Output <strong>im</strong>mer am Prinzip opt<strong>im</strong>aler Effizienz aus. Übertragen auf korporative Kollek-<br />

tive außerhalb des marktwirtschaftlichen organisierten Profitbereichs kann<br />

Verbetriebswirtschaftlichung zum einen den Veränderungsprozess hin zur Umset-<br />

zung der Konzeption eines Betriebes bedeuten, zum anderen kann der Begriff auch<br />

eine veränderte Fremd- und Selbstwahrnehmung bezeichnen, was einhergeht mit<br />

einem veränderten (normativen) Deutungsrahmen (Möhring-Hesse 2008, 143 f.).<br />

Dieser gerade für viele nicht-kommerzielle Organisationstypen beschriebene Umbau<br />

(Bode 2010; Hasse 2010; Richter 2009) wird häufig in Verbindung gebracht mit<br />

makrostrukturellen Orientierungswechseln. Einen solchen markiert die prominent<br />

gewordene Reformbewegung des New Public Management (NPM), in Deutschland<br />

auch unter Neues Steuerungsmodell (NSM) (Bogumil 2004; Jann 2005) geführt.<br />

(Teil-)Privatisierung (z.B. Kämmerer 2001; Strünck/Heinze 2005), Neuregulierung<br />

und Dezentralisierung des Institutionenapparats staatlich getragener oder mitfinan-<br />

zierter Teilbereiche sind zentrale Merkmalskategorien des NPM. Die Verbreitung der<br />

mit NPM assoziierten und auf verschiedenen Ebenen (System, Organisation, Per-<br />

sonal) ansetzenden Reformstrategien wurde geleitet von einer betriebswirtschaftli-<br />

chen Interpretation des Verwaltungshandelns: „In diesem Zusammenhang wird da-<br />

her häufig auch von einer ‚Mikroökonomisierung‘ öffentlicher Verwaltung gespro-<br />

73 Wobei Heinze (2009,. 37) in Bezug auf jüngere Hochschulreformen mit dem Begriff der<br />

„Managerialisierung“ weiter gefasst die Akzentverlagerungen in der Kombination von Governance-<br />

Reg<strong>im</strong>en meint und explizit die Transformation des Selbstverwaltungsmodells hin zum Managementmodell<br />

in der Governance des deutschen <strong>Universität</strong>ssystems anspricht. Im Kern aber betrifft diese<br />

Umstellung die einzelne Organisationseinheit, worauf die charakteristischen Mechanismen administrativer<br />

Selbststeuerung, Außensteuerung durch externe Stakeholder und Wettbewerb hindeuten.


46 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

chen.“ (Schröter/Wollmann 2005, 63). Power (1999) gebraucht zur Kennzeichnung<br />

dieses rahmenden Zeitgeistes und Organisationsverständnisses die Formel „Audit<br />

Society“. Damit lokalisiert er „gerade auch das NPM durchziehende Leitmotiv der<br />

Rechtfertigung und Legit<strong>im</strong>ierung von öffentlichen (und anderen) Dienstleistungen<br />

und Produkten durch quantitative Verbesserung und anschließende Bewertung in<br />

einem Strukturwandel der Legit<strong>im</strong>ation und des Vertrauens.“ (Lange 2008, 240). Für<br />

Organisationseinheiten, die ihrer genuinen Operationslogik folgend ursprünglich<br />

nicht dem wirtschaftlichen Funktionssystem zuzuordnen sind, bedeutet das, insbe-<br />

sondere in den staatsnahen Sektoren, die Konfrontation mit fremden Formen der<br />

Selbstorganisation, Ergebnisrückmeldung und intersystemischen Handlungskoordi-<br />

nation in den Verhältnissen komplexer sozialer Systeme „als<br />

Mehrebenenphänomen“ (Altrichter/Maag Merk 2010, 24 f.; Benz 2004). In einer<br />

funktional differenzierten Gesellschaft nötigen diese, dem Programm des NPM zu-<br />

zuordnenden, eingesetzten Instrumente der Leistungssteuerung unter neuen Vor-<br />

zeichen den Akteuren Fähigkeiten zur Umstellung ihrer vormals eigentümlichen Ver-<br />

fahrenstyps der Leistungserfassung oder auch Kompetenzen zur „Verfahrensver-<br />

knüpfung“ (Luhmann 1983, 246) bezüglich der Sicherstellung kommunikativer An-<br />

schlüsse ab. In der Art eines Logiktransfers sind die individuellen wie kollektiven<br />

Akteure staatlicher bzw. staatsnaher Dienstleistungserbringer fortan dazu angehal-<br />

ten, in einer Umgebung der „scheinbar sicheren Welt der Leistungskennziffern und<br />

Indikatoren“ (Lange 2008, 240) sich, in Addition zu ihren eigentlichen Funktionen,<br />

einer effizienteren und effektiven Aufgabenerfüllung (Franke 2006) , teilweise auch<br />

unter der Auflage der Verfolgung von Wirtschaftlichkeitssteigerungen (Dahm 2004),<br />

zu verschreiben. Dass formale Organisationen verstärkt als Orte der Ein- und<br />

Durchsetzung wirtschaftlicher Prämissen fokussiert wurden und werden liegt zum<br />

einen in ihrer Eigenart als „Multireferenten“ (Bode/Brose 2001), aber auch darin,<br />

dass Organisationen die adäquate Sozialform des Kapitals (Türk 1995, 41) sind, sie<br />

also durch ihre organisationsstrukturelle Verfassung ansprechbar für das Kommuni-<br />

kationsmedium Geld sind. 74 Damit ist noch nicht gesagt, dass zwangsläufig jede<br />

Organisation nun aktiv in die monetären Durchlaufsschleifen eingebunden sein<br />

muss. Pr<strong>im</strong>är stellt das NPM auf institutionelle Umstellungen ab, die insbesondere in<br />

mit der sogenannten Kostenkrankheit (Baumol 1967) konfrontierten Gesellschafts-<br />

bereichen 75 auf sowohl effiziente wie effektive Aufgabenvollzüge abzielen und dabei<br />

dem Anspruch nach alle Sozialebenen betreffen.<br />

74 Siehe hierzu in ausführlicherer Form weiter unten.<br />

75 In der Baumol’schen Terminologie werden hierunter Typen ökonomischer Aktivitäten gefasst, „which,<br />

by their very nature, permit only sporadic increases in produktivity.“ (Baumol 1967, 416) Vornehmlich


47 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

Allerdings lassen sich auf dieser Grundlage die Kosten-Nutzen-Relationen hinsicht-<br />

lich der Leistungserstellungsprozesse von externen Parteien bemessen. Um den<br />

Ansprüchen nach Transparenz und Rechtfertigung öffentlicher Dienstleistungen<br />

nachzukommen, müssen darauf abzielende Technologien bedient werden. Potenti-<br />

ell dysfunktional kann die Einführung einer solchen „zweiten Organisationswirklich-<br />

keit“ dahingehend sein, als das die zusätzlichen institutionell stabilisierten Anforde-<br />

rungen spannungsreich mit anderen Organisationslogiken vermittelt sind.“ (Bode<br />

2010, 75). In der Nutzend<strong>im</strong>ension sollen Organisationen nämlich weiterhin anhand<br />

ihrer „ersten“ Logik operieren, da die Nachfrage nach dem Output der spezifischen<br />

Leistungserbringung bestehen bleibt.<br />

Die selektiv herausgegriffenen Begriffe bzw. Konzepte sprechen je für sich ver-<br />

schiedene Ebenen des Sozialen an und fokussieren unterschiedliche Gegenstände<br />

gesellschaftlicher Wandlungen. Allen gemein ist, dass ihnen, zumindest <strong>im</strong>plizit,<br />

Modelle von Prozessen zugrunde liegen. Die Begriffe selbst verweisen jeweils auf<br />

spezifische Output-Strukturen, die infolge best<strong>im</strong>mter Konfigurationen von Parame-<br />

tern und Prozessen entstehen (Hernes 1995, 94 ff.). Zudem ist gedankenexperi-<br />

mentell für jedes dieser Konzepte zu unterstellen, in einem notwendigen bis losen<br />

Zusammenhang zu einem umfassenderen Modell von mit der Ökonomie konnotier-<br />

ten Zugriffen zu stehen. Um diesen Verdacht zu stützen, werden <strong>im</strong> nächsten Un-<br />

terkapitel Ansätze zur Erfassung von <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> vorgestellt, die<br />

eine Folie bieten sollen, die verschiedenen Begrifflichkeiten und Zugänge anschlie-<br />

ßend zu einem Gesamtbündel von Ökonomisierungserscheinungen zu verknüpfen.<br />

3.2 Ökonomisierung der Gesellschaft – Analyseansätze und Mehrd<strong>im</strong>ensiona-<br />

lität<br />

Die voranstehend ins Feld geführten Begriffe verweisen allesamt auf Muster von<br />

gesellschaftlichen Erscheinungen, welches je für sich in eigentümlicher Art und<br />

Weise mit dem Wirtschaftssystem an sich oder best<strong>im</strong>mten Merkmalen desselbigen<br />

verbunden scheint. Diese Einzelkonzepte werden nachfolgend als<br />

phänomenspezifische Elemente in einen Ansatz höheren Abstraktionsgrades auf-<br />

genommen, der bezogen auf das schematische Konstrukt und den Begriff der<br />

Ökonomisierung gleichsam den Ansprüchen eines breiten Analysehorizonts sowie<br />

der hinreichenden Trennschärfe nachzukommen vermag. Auch aufgrund der theore-<br />

tischen Nähe zur differenzierungstheoretischen Betrachtung von Gesellschaft bilden<br />

sind hiermit Tätigkeiten außerhalb des industriellen Produktionssektors, speziell Dienstleistungen,<br />

gemeint.


48 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

die Ökonomisieerungsvorstellungen von Sch<strong>im</strong>ank 76 die hauptsächlichen Bezugs-<br />

punkte, ergänzt um weitere erkenntniserweiternde Perspektiven.<br />

Die begriffliche Form von Ökonomisierung suggeriert ein Subjekt-Objekt-Schema,<br />

welches mit Zuschreibungen von Vorsatz, Zugriffschancen und Aktivität operiert.<br />

Damit wird ein solcher Prozess oftmals <strong>im</strong>plizit auf intentionale Handlungen sozialer<br />

Einheiten, bevorzugt von Kollektiven, abgestellt. Bezeichnungen wie „feindliche<br />

Übernahmen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2007b), „Intrusion“ (Bourdieu 1998) oder „intersystemische<br />

Beeinflussungen“ (Bergmann 2010) protegieren solche Vorstellungen von Agenten<br />

des wirtschaftlichen Systems, die quasi als „aggressive Okkupatoren“ weitere Ge-<br />

sellschaftsteile kolonialisieren wollen, was quasi zwangsläufig einen gewissen Grad<br />

struktureller bzw. strukturlogischer Ass<strong>im</strong>ilation zur Folge haben wird.<br />

Gleichwenn eine solche Lesart von Ökonomisierungsgeschehnissen sicherlich ihre<br />

Berechtigung hat 77 , sollen für diese Arbeit zusätzlich nüchterne Betrachtungsweisen<br />

herangezogen werden. Hilfreich sind für diesen Zweck Definitionsangebote, die eine<br />

wertfreie Vorstellung über die Eigenschaften und betroffenen Ebenen von<br />

Ökonomisierung(en) vermitteln. Jarren (1998, 78) beispielsweise versteht darunter<br />

„die Ausweitung des ökonomischen Systems auf Felder, die vorher anderen Sys-<br />

tem<strong>im</strong>perativen unterlagen“. Damit gibt er sicher einen fundamentalen Hinweis für<br />

die begriffliche Erschließung des unterstellten Phänomens, jedoch bleibt diese Dar-<br />

stellung des Vorgangs sowohl in der Reichweite als auch Spezifik allzu unterentwi-<br />

ckelt. Schon umfassender, in martialischem Ausdruck, meint Altvater (1996, 33)<br />

damit die „Unterwerfung sozialer, politischer und natürlicher Verhältnisse unter das<br />

ökonomische Prinzip.“ Dass Ökonomisierung aber nicht singulär und zwangsläufig<br />

auf „das Andere“ (Lederle 2008) gerichtet sein muss, wie es die Jarren und Altvater<br />

behaupten, stellen Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann (2008) fest. Sie bieten ein Verständnis an,<br />

welches Ökonomisierungsprozesse sowohl <strong>im</strong> Wirtschaftssystem selbst 78 wie auch<br />

gleichsam in, ihren Funktionen und Programmausstattungen nach, nicht-<br />

ökonomischen Gesellschaftsbereichen verortet. 79 Hinreichend abstrakt und ohne<br />

jedwede „Raummetaphorik“ (Krönig 2007, 13) bezeichnet Ökonomisierung für sie<br />

„einen Vorgang, durch den Strukturen, Prozesse, Orientierungen und Effekte, die<br />

man gemeinhin mit einer modernen kapitalistischen Wirtschaft verbindet, gesell-<br />

schaftlich wirkungsmächtiger werden.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 382) Obwohl<br />

76 Bzw. von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008).<br />

77 Siehe dazu weiter oben die Darlegungen zur Landnahme-These von Dörre.<br />

78 Verstanden als „weitere Entbettung des Gewinnmotivs aus nicht-ökonomischen Rücksichten.“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2008, 622 ). Eine Darstellung zur neuen „Unmittelbarkeit des Kapitalismus“ sich verstärkender<br />

Ökonomisierung auf Individualebene bietet Sauer (2008).<br />

79 Die zweite Perspektive ist die für diese Arbeit Interessierende.


49 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

diese Begriffsbest<strong>im</strong>mung zweifellos einige Unschärfen 80 aufweist und Fragen offen<br />

lässt, wird sie zunächst als globale Min<strong>im</strong>aldefinition von gesellschaftlicher<br />

Ökonomisierung aufgenommen, zumal angesichts Sch<strong>im</strong>anks Selbstpositionierung<br />

als „Differenzierungstheoretiker“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009a, 193) eine Idee gesellschaftlicher<br />

Struktur vorliegt.<br />

Aufbauend auf verschiedenen gesellschafts- und sozialtheoretische Rahmungen,<br />

namentlich der differenzierungstheoretischen Perspektive, feldtheoretischen Ein-<br />

sichten <strong>im</strong> Anschluss an Bourdieu, organisationssoziologischen sowie handlungs-<br />

theoretischen Konzepten, entwerfen Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann ein umfassendes<br />

Schema gesellschaftlicher Ökonomisierung, für deren Identifizierung sie auf allen<br />

drei Ebenen des Sozialen (Makro, Meso, Mikro) Heuristiken bereithalten, anhand<br />

derer Aussagen über Ausprägungen und Erscheinungsformen veränderter Konditio-<br />

nierungsregeln sowie Wahrnehmungs- und Handlungsprinzipien getroffen werden<br />

können.<br />

3.2.1 Makro-Ebene<br />

Die Beobachtung der gesellschaftlichen Makro-Ebene orientiert sich kohärent am<br />

Bild der funktional differenzierten Gesellschaft. 81 Im Rekurs auf die feldtheoretischen<br />

Analysen Bourdieus (z.B. 1999) wird für jedes einzelne Funktionssystem ein Span-<br />

nungsverhältnis zwischen einem autonomen und einem weltlichen Pol angenom-<br />

men. Damit wird, anders als in der systemtheoretischen Differenzierungstheorie<br />

Luhmanns, behauptet, dass innerhalb eines Funktionssystems mehrere Logiken<br />

nebeneinander existieren, wobei der systemspezifische Code die Leitorientierung<br />

für die funktionsgemäß agierenden sozialen Einheiten darstellt und das einzelne<br />

System basal konstituiert. Beobachtet und Bewertet der das Teilsystem reproduzie-<br />

rende Akteur die Welt bzw. den betreffenden gesellschaftlichen Teilausschnitt strikt<br />

<strong>im</strong> Lichte eines einzelnen Differenzierungsschemas und richtet er dementsprechend<br />

alle seine Handlungsvollzüge allein nach der Prämisse aus, ob damit genau „das<br />

eine“ gesellschaftliche Bezugsproblem fokussiert und bearbeitet wird, ist er max<strong>im</strong>al<br />

dem autonomen Pol des System zugewandt. Prinzipiell sind aber auch Bewegungen<br />

in die entgegengesetzte Richtung denkbar, etwa wenn Leistungsrollenträger nicht<br />

mehr rigoros nach Maßgabe der Funktionserfüllung operieren, sondern diese in mul-<br />

tiple kontextualisierte Überlegungen einbetten. Demnach „lassen sich somit Berei-<br />

80 Etwa bleibt dem einzelnen Gesellschaftsbeobachter selbst überlassen, was er „gemeinhin“ mit der<br />

kapitalistischen Wirtschaft verbindet. Somit benötigt es ein einigermaßen gefestigtes Vorverständnis<br />

über die Wirtschaftsordnung des Kapitalismus, um sich innerhalb des weiten Interpretationsspielraumes<br />

zu verschaffen. Weiterhin muss gefragt werden, wie die Fokussierung auf eben diese Wirtschaftsordnung<br />

begründet ist. Unklar bleibt zunächst zudem, wie sich die „Wirkungsmächtigkeit“ in diesem<br />

Kontext fassen ließe.<br />

81 Was die beiden Autoren, anders als die zuvor angeführten Jarren und Altvater, kenntlich machen.


50 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

che teilsystemischer Leistungsproduktion danach unterscheiden, inwieweit das<br />

Handeln der Akteure der <strong>im</strong> binären Code des Teilsystems festgeschriebenen auto-<br />

nomen Logik folgt und inwieweit es durch den teilsystemexterne ökonomische Logik<br />

geprägt ist.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 384) Der Test für das Ausmaß an ökono-<br />

mischer Sinnsetzung ist dann ganz grob nach dem Kriterium anzusetzen, welche<br />

Prägekraft die Selbstreferenz des Systems gegenüber anderen Fremdreferenzen<br />

noch besitzt, ob also der binäre Codierung weiterhin der Pr<strong>im</strong>at für den Zugriff auf<br />

die Gesellschaft zugesprochen werden kann.<br />

Differenzierungstheoretisch besehen sind drei Zugriffspunkte zu unterscheiden,<br />

über die wirtschaftliche Orientierungen als Autonomie reduzierende bzw., um mit<br />

der konträren Perspektive die Werturteilsfreiheit zu bewahren, als die das betreffen-<br />

de Funktionssystem für weltliche Anschlüsse und Reize empfänglich zu haltende<br />

Mechanismen Zugang finden können. Die in der funktionalen Differenzstruktur der<br />

modernen Gesellschaft verfügbaren Kanäle für zwischensystemische Grenzüber-<br />

schreitungen sind namentlich Ressourcen, Programme (als Input-Kategorien) und<br />

max<strong>im</strong>alst die binären Codierungen, womit sogleich eine graduelle Fassung syste-<br />

mischer Autonomie, „in dem Autonomieeinbußen erst einmal als Einschränkung des<br />

gemäß der eigenen Logik Möglichen registriert werden“, geboten ist (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2006, 76 ff.).<br />

Wie oben zur Frage der Realisierungsbedingungen von Integration in einer<br />

polykontexturalen Gesellschaft erläutert wurde, wird Ordnung auf der makrosozialen<br />

Gesellschaftsebene über die Konstruktion vielfältiger System-zu-System-<br />

Beziehungen hergestellt bzw. als solche sichtbar. Um der, infolge der leistungsmä-<br />

ßigen Exklusivstellungen der einzelnen Funktionssysteme und der daran anschlie-<br />

ßenden Unmöglichkeit der Substituierung, dem Gesamtsystem inhärenten Fragilität<br />

(Luhmann 2008, 206) zu begegnen, sind Leistungsabhängigkeiten und Leistungsbe-<br />

reitschaften mittels struktureller Einrichtungen präventiv auf Dauer zu stellen, um<br />

Versorgungsabbrüche, die auf ein Worst-Case-Szenario des Implodierens der Aus-<br />

tauschzusammenhänge hinauslaufen können, zu verhindern. Aufgrund der Fixie-<br />

rung auf best<strong>im</strong>mte Beobachtungs- und Produktionsarten sind die einzelnen Funkti-<br />

onssysteme bzw. vielmehr ihre Handlungseinheiten unweigerlich in Verflechtungen<br />

ressourcieller Abhängigkeiten eingebunden. Sind Knappheiten als Manifestierungen<br />

von Belastungen zwischen den Teilsystemen abzusehen oder gar schon erfahrbar,<br />

etwa in Form finanzieller Unterausstattungen, oder aber wird versucht, finanzielle<br />

Überschüsse, die beispielsweise von Seiten des staatlichen Haushalts als zweck-<br />

gebundene Fördermittel zur Verfügung gestellt werden, zu beanspruchen, werden,<br />

idealtypisch gedacht, Aktivitäten unternommen, sich diese Ressourcen einzuverlei-


51 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

ben. Andererseits ist es etwa Akteuren des Wirtschaftssystems in Absehung wie<br />

auch <strong>im</strong>mer gearteter Vorteile ein Anliegen, sich an der Finanzierung best<strong>im</strong>mter<br />

öffentlicher oder privater Güter zu beteiligen. Werden etwa kommunale Dienstleis-<br />

tungen privatisiert 82 (Wohlfahrt 2011) bzw. werden private Unternehmen an der<br />

Leistungserbringung der öffentlichen Hand beteiligt (Strünck/Heinze 2005), oder<br />

dienen Leistungsbereiche wie die Wissenschaft oder das Bildungswesen<br />

(Hüther/Werner 2010) als Plattformen für Investitionen, führt das potentiell zu lang-<br />

fristig wirkenden Abhängigkeiten und Chancen der Einflussnahme, da Fremdfinan-<br />

zierungen, etwa in der Interpretation selbstverständlicher Komponenten, die Erwar-<br />

tungsstrukturen eines System mitformen und Interdependenzen auf Dauer gestellt<br />

werden können.<br />

Weiterhin kann die Durchdringung eines Teilsystems auf der Ebene der Programm-<br />

strukturen geschehen, also in der Ansammlung von Regeln, Verfahren und Rollen-<br />

zuschreibungen, die als Betriebsgrundlage für die den System-Code reproduzieren-<br />

den Entscheidungen zur Verfügung stehen und ihrem Charakter nach<br />

transformierbar sind (Luhmann 1997, 362). Neben den Phänomenen der „Ver-<br />

rechtlichung“ bzw. „Verwissenschaftlichgung“ weiter Teile der Gesellschaft<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2006, 78) wird als Hinweis für die Verbreitung ökonomischer Betriebs-<br />

muster vielerorts das prominente Beispiel des international erfolgreich diffundieren-<br />

den und auf isomorphe Generalzustände (DiMaggio/ Powell 1983) hindeutenden<br />

Modells des „New Public Management“ (NPM) 83 angebracht, welches in den öffent-<br />

lichen Verwaltungen und staatsnahen Sektoren vieler westlicher Länder sein den<br />

1980er Jahren eine massive Veränderung des Governance-Reg<strong>im</strong>es kennzeichnet<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2008, 624). NPM ist weniger ein in sich konsistentes Konzept als ein „set<br />

of ideas“ (Hartley 2003), welches grundsätzlich die Anwendung von Instrumenten<br />

und Prinzipien propagiert, die ihren Ursprung in den Wirtschaftswissenschaften ha-<br />

ben und auf weitere Bereiche übertragen werden (Brückner/Tarazona 2010, 83).<br />

Das Steuerungsmodell wird dementsprechend auch, häufig mit pejorativer Stoßrich-<br />

tung, als „das zentrale Element der neoliberalen Regierungskunst“ (Münch 2009,<br />

74) bezeichnet, die auf eine Reduktion und Konditionierung der Programmstrukturen<br />

hinwirkt. Auch <strong>im</strong> Bereich des Schulwesens werden Elemente, die mit diesem Pro-<br />

gramm <strong>im</strong> Zusammenhang zu stehen scheinen, wie Globalbudgets auf Einzelschul-<br />

ebene, indikatorenbasierte Mittelzuweisung oder auch Leistungslöhne für Lehrkräfte<br />

praktiziert und diskutiert (Dubs 1996; Brückner/Tarazona 2010). Das Bestreben,<br />

82<br />

Zur Einführung in die Diskussion um die „Gefahren und Grenzen der Privatisierung“, siehe Heinze<br />

(2009, 39 ff.)<br />

83<br />

Zu den grundlegenden Ideen des NPM siehe weiter oben. An dieser Stelle werden konkrete Instrumente<br />

am Beispiel des Schulwesens und seiner Programmstrukturen vorgestellt.


52 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

gesamte Systeme auf Prinzipien des NPM umzustellen, etwa durch die Einrichtung<br />

von Quasi-Märkten als institutionelle Form der Ökonomisierung (Nullmeier 2001),<br />

kann unter der Berücksichtigung einer Mehrebenenperspektive, die auf verschiede-<br />

ne Handlungslogiken der <strong>im</strong> System agierenden Einheiten verweist (Brüsemeister<br />

2007, 63 ff.), als Versuch gewertet werden, „unterschiedliche System- bzw.<br />

Akteursrationalitäten unter einer gemeinsamen Systemrationalität zu vereinigen.“<br />

(Berkemeyer 2010, 92). Auch gerade in Anbetracht der „multiakteuriellen Konstituti-<br />

on der Schule“ 84 (Kussau 2007, 134 ff.) und Netzwerkbildungen zwischen staatli-<br />

chen und privaten Institutionen (Dedering 2010, 63) sowie gestützt durch die auf<br />

Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit abzielenden Kriteriensets des NPM<br />

(Dubs 1996) haben sich ökonomische Kriterien der Mittelverwendung in den Pro-<br />

grammstrukturen vieler Teilsysteme, vermutlich auch in die des <strong>Schulsystem</strong>s, <strong>im</strong>-<br />

mer stärkere Geltung verschafft (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 385). Aber nicht nur über<br />

Vorgänge des Aufdrängens von Programmstrukturen, die von systemfremden Pro-<br />

tagonisten etwa <strong>im</strong> Sinne gesamtgesellschaftlich verträglicherer Reg<strong>im</strong>e der funkti-<br />

onssystemspezifischen Leistungsproduktion propagiert werden, können ökonomi-<br />

sche Gesichtspunkte verstärkt Eingang finden. Gerade in Fällen gesamtgesell-<br />

schaftlicher Erzeugung von Drucksituationen, wie sie sich beispielsweise infolge des<br />

schlechten Abschneidens Deutschlands bei der ersten Teilnahme an der internatio-<br />

nalen <strong>Schulsystem</strong>leistungsvergleichsstudie PISA (Programm for International Stu-<br />

dent Assessment) (Baumert, Klieme, Neubrand, Prenzel, Schiefele, Schneider,<br />

Stanat, Tillmann, Weiß 2001) aufbaute, und unter dem Eindruck von in kompetitiven<br />

Handlungszusammenhängen dominierenden Unsicherheiten (Wiesenthal 2009, 29)<br />

in komplexen Entscheidungssituationen, die geprägt sind von der Notwendigkeit der<br />

Interdependenzbewältigung, unvollständigen Informationslagen und Zeitnot<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2005, 121 ff.), wird die Umwelt nach Mitteln und Wegen abgesucht, um<br />

die Programmstrukturen umweltadäquat auszubilden, was ein Teilsystem dazu ver-<br />

leiten kann, sich einiger „fremder“ Programmelemente zu bedienen (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2006, 78). 85<br />

Der Extremfall einer vollständigen Ökonomisierung ist dem Modell zufolge eingetre-<br />

ten, sobald die ursprüngliche Wollens-D<strong>im</strong>ension der Systemakteure nicht mehr als<br />

die Wahrnehmung und das Handeln leitende Letztorientierung fungiert, sondern<br />

Operationsoptionen in erster Linie auf Grundlage einer Unterscheidung über ihre<br />

wirtschaftliche Potentialität hin beobachtet werden. Bezogen auf das Wissen-<br />

schaftssystem würde das etwa bedeuten, dass die anhand wissenschaftlicher In-<br />

84 Sowohl als Organisationseinheit als auch als gesamte System.<br />

85 Die vermehrte Anwendung von Monitoring-Systemen zur Generierung belastbaren und nachvollziehbaren<br />

Systemwissens scheint hierfür ein Beispiel zu sein.


53 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

strumente und Methoden vollzogene Untersuchung eines Phänomens auf seinen<br />

Wahrheitsgehalt nur dann realisiert wird, insofern damit die „profitable<br />

,Regeneration‘ von Zahlungsfähigkeit“ (Deutschmann 2008, 3; zitiert nach<br />

Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2012, 167) gewährleistet wird. Die dem System zugesproche-<br />

ne sozial konstruierte „Labelung“ bezogen auf die gesellschaftliche Funktion verliert<br />

zwar nicht auf der Ebene des Talks, dafür aber <strong>im</strong> Faktischen ihre Absolutheit. Der<br />

eigentliche selbstreferentielle Zugriff auf das Weltgeschehen wird nur noch infolge<br />

einer vorgeschalteten Beobachtung in Hinblick auf ökonomische Gesichtspunkte<br />

vorgenommen, die Gewissheit über Wahrheit oder Unwahrheit ist beispielsweise nur<br />

unter der Bedingung des Erhalts bzw. der Erhöhung von Zahlungsfähigkeit zu er-<br />

langen. Oder um es in einer Marx’schen Terminologie auszudrücken: Der „Ge-<br />

brauchswert“ des Gutes oder der Dienstleistung ist dem „Tauschwert“ logisch nach-<br />

geordnet. Diese Annahmen sind theoretisch zulässig, da die zu betrachtenden Teil-<br />

systeme nicht stringent am Luhmann’schen Verständnis anschließend als<br />

autopoietische Kommunikationszusammenhänge, sondern gewissermaßen materia-<br />

lisiert als institutionelle Strukturordnungen gefasst werden (Sch<strong>im</strong>ank 2005b, 41).<br />

Als Analyse- und Entscheidungsschema zur Überprüfung des jeweiligen Systemzu-<br />

standes bezüglich der Logikmixtur zu einem best<strong>im</strong>mten Zeitpunkt wird von<br />

Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann eine fünfstufige Skala entwickelt, die aufgespannt über die<br />

beiden Grenzpunkten des autonomen sowie des weltlichen Pols „Grade der<br />

Ökonomisierung“ angeben. Wird am autonomen Pol der Skala den teilsystemischen<br />

Akteuren kein Kostenbewusstsein abverlangt und sind die zentralen ökonomischen<br />

Prinzipien der Verlustmin<strong>im</strong>ierung sowie Gewinnmax<strong>im</strong>ierung keine zu berücksichti-<br />

gen Kategorien in den Programmstrukturen eines Systems, ist die am weltlichen Pol<br />

angesiedelte Stufe 5 dann erreicht, „wenn es bei der teilsystemischen Leistungspro-<br />

duktion nur noch darum geht, soviel Gewinn zu machen wie möglich – ohne Rück-<br />

sicht auf den Code.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 386). 86 Ein Verlaufsfigur <strong>im</strong> Sinne<br />

eines notwendigen Einwicklungsschema, wonach der auf Stufe 1 angesiedelte Kos-<br />

tendruck in der Ressourcend<strong>im</strong>ension quasi automatisch zu veränderten Manage-<br />

mentpraktiken führen müssen, die dann schließlich eine Code-Herausforderung<br />

begünstigen, ist nicht zwangsläufig zu erwarten. Ebenso ist eine eindeutige Ten-<br />

denz der selbstverständlichen Gefährdung der code-gesteuerten Leistungsfähigkeit<br />

zu bestreiten.<br />

86 Aus einer ethischen Perspektive fordert Jaeggi (2007, 147) für den Gesundheitssektor etwa die<br />

ausschließliche Orientierungsfunktion des autonomen Pols ein: „Nicht nur sollte es gleiche Zugangschancen<br />

zu ausreichender medizinischer Versorgung geben, diese selbst sollte allein am Ziel der Heilung<br />

ausgerichtet sein.“


54 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

3.2.2 Meso-Ebene<br />

Die der Makro-Ebene zugeordneten Bewegungen und Muster können nur analytisch<br />

von den anderen Sozialebenen getrennt betrachtet werden. Für die Befragung der<br />

gesellschaftlichen Meso-Ebene hinsichtlich der Durchsetzung ökonomischer Prinzi-<br />

pien sind die zuvor dargelegten Beschreibungen zur Programm-D<strong>im</strong>ension eines<br />

Teilsystems anschlussfähig. Die moderne Gesellschaft ist als Organisationsgesell-<br />

schaft zu begreifen: „Damit ist nicht gemeint, dass die moderne Gesellschaft als<br />

Ganzes oder auch nur einer ihrer Teilbereiche – zum Beispiel Politik oder Religion –<br />

eine einzige umfassende Organisation darstellt, sondern es wird festgestellt, dass<br />

die Durchorganisierung fast aller Gesellschaftsbereiche <strong>im</strong>mer weiter vorangeschrit-<br />

ten ist und wohl noch weiter voranschreiten wird.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2006, 200; auch<br />

Sch<strong>im</strong>ank 2005c; Perrow 1989). Sodann erscheint diese Auffassung plausibel, ver-<br />

gegenwärtigt man sich, dass eine Vielzahl an Lebensbereichen mittlerweile nur<br />

noch organisational zu erschließen ist, denkt man nur an das formalisierte Bil-<br />

dungswesen, die medizinische Versorgung oder auch an die vereinsmäßige sportli-<br />

che Betätigung. Auf Basis dieser organisational geprägten gesellschaftlichen Struk-<br />

turierung ist davon auszugehen, dass sich die Ökonomisierung eines gesellschaftli-<br />

chen Teilsystems wie der Bildung oder des Sports sich auf der Organisations- und<br />

Interorganisationsebene in den dort angesiedelten Regelungsstrukturen manifestiert<br />

(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 387). Denn gerade weil Organisationen des Wirt-<br />

schaftssystems in besonderer Weise als rational gelten, sind sie „dazu prädestiniert,<br />

als Muster der Organisationsgestaltung zu fungieren.“ (Meier 2012, 189)<br />

Weiterhin ist bedenken, dass eine großer Anteil der gesellschaftlichen Leistungs-<br />

produktion in Arbeitsorganisationen (Sch<strong>im</strong>ank 2010, 337 ff.; Lengfeld 2005, 127 ff.)<br />

vollzogen wird. Diese Art von Organisationen, also Kollektiveinheiten, die über ziel-<br />

bewusste Tätigkeiten der handelnden Individuen ihr eigenes Fortbestehen sicherzu-<br />

stellen versuchen, unterliegen der Eingebundenheit in monetäre Tauschkonstellati-<br />

onen. Begründet ist dies dadurch, dass die den Organisationen angehörigen leis-<br />

tungsentäußernden Individuen tauschorientierte Erwerbsarbeit (Pries 2010) verrich-<br />

ten, die in marktwirtschaftlichen Systemen mehrheitlich in der Form von Lohnarbeit<br />

auftritt (Offe/Heinze 1990). Für die Arbeitsorganisationen der verschiedenen Teilsys-<br />

teme ist dieser Tatbestand gleichbedeutend mit einer chronischen Geldabhängigkeit<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 37). Dass die dem Wirtschaftssystems der Gesellschaft zuzuord-<br />

nenden Organisationseinheiten viele ihrer Operationen <strong>im</strong> Kommunikationsmedium<br />

Geld vollziehen, entspricht der allgemeinen Wahrnehmung. Aber auch die in andere<br />

gesellschaftliche Produktionslogiken eingebundenen Arbeitsorganisationen bzw.


55 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

das arbeitstätige Personal müssen finanziert werden, ansonsten würden die an sie<br />

gerichteten Funktionsansprüche nicht erfüllt werden können.<br />

Eine wichtige Geldquelle für Organisationen des Wissenschaftssystems, des<br />

Rechtssystems oder des Bildungssystems, ist der Staat: „Teils tritt er dabei als or-<br />

ganisatorischer Träger und damit zumeist Hauptfinancier, teils als Mitfinanzierer,<br />

teils als Finanzierungsgarant der jeweiligen Arbeitsorganisation auf.“ (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2010b, 39). Dadurch begründet, dass der moderne Staat ein Steuerstaat (Hickel<br />

1976) ist, ist es ihm möglich, weite Bereiche der Funktionenerfüllung mit geldwerti-<br />

gen Tauschmitteln zu versorgen. Da die Menge der Steuermittel als Einnahmequel-<br />

len des Staates wiederum auf mehreren Ebenen vom Wirtschaftssystem, sei es<br />

durch die zu zahlenden Abgaben der Wirtschaftsunternehmen selbst oder aber<br />

durch die von in wirtschaftliche Austauschprozesse eingebundenen individuellen<br />

Kunden als Mehrwertsteuer, abhängig ist, ist dem Wirtschaftssystem, „das allein für<br />

Geld sorgen kann“ (Luhmann 2000, 467 f.), eine überragende Bedeutung zuzuspre-<br />

chen. Das Vorhandensein oder das Fehlen von Geld ist somit neben dem Wirt-<br />

schaftssystem in allen anderen Teilsystemen zu spüren, „und das nicht nur für be-<br />

st<strong>im</strong>mte Akteure und bei best<strong>im</strong>mten Anlässen, sondern ubiquitär.“ (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2009b, 332). 87 Als Ermöglichungsmedium für soziale Prozesse erscheint die Aus-<br />

stattung mit Finanzierungsmitteln über Funktionssystemgrenzen hinweg für jegliche<br />

Organisationen und individuelle Organisationsangehörige in der Könnens-<br />

D<strong>im</strong>ension des Handelns von existenziell sachlicher Relevanz zu sein: „Dieser un-<br />

vergleichbare Generalisierungsgrad des Geldes verschafft demjenigen Teilsystem,<br />

das die gesamtgesellschaftliche Geldquelle ist, Möglichkeiten der Infiltration aller<br />

anderen Teilsysteme, die das Wahrheitsmedium der Wissenschaft oder auch das<br />

Machtmedium der Politik nicht bieten.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 45) 88<br />

Die gesellschaftsweite Unentbehrlichkeit von Zahlungsfähigkeit in den Programm-<br />

strukturen aller Teilsysteme (Deutschmann 2009a, 52) bewirkt, dass die wirkenden<br />

teilsystemischen Instanzen ansprechbar sind für Regelungen, welche funktionslogi-<br />

sche Aktionsfähigkeit in einen Zusammenhang mit monetärer Ressourcenverfügung<br />

stellen. Im Bereich staatlicher und staatsnaher Sektoren setzt das Governance-<br />

Programm des NPM dann in dieser Hinsicht auf die Intensivierung von Konkurrenz<br />

bei der Allokation staatlich bereitgestellter finanzieller Ressourcen, „um auf diese<br />

Weise die Effizienz der Ressourcenverwendung zu erhöhen.“ (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann<br />

2008, 387) Dem Marktparadigma gilt innerhalb des Programms veränderten staatli-<br />

chen Managements besondere Aufmerksamkeit, gilt doch vielen die gezielte Schaf-<br />

87 Hier lässt sich teilsystemische strukturelle Kopplung auf der Organisationsebene nachvollziehen.<br />

88 Deutschmann kennzeichnet Geld auch als „absolutes Mittel“ (2000) sowie als „universales Inklusionsmedium<br />

moderner Gesellschaften“ (2009b).


56 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

fung von Märkten als möglicher Beitrag zur Lösung von Effizienzproblemen <strong>im</strong> öf-<br />

fentlichen Sektor.“ (Engels 2009, 67) In einer, häufig durch politische Entscheidun-<br />

gen hervorgebrachten, Wettbewerbssituation (Benz 2007) werden teilsystemisch-<br />

organisationale Akteure potentiell einem variantenreichen Ökonomisierungsdruck<br />

unterworfen. Mittels der Kommensurabilisierung der jeweiligen organisational be-<br />

reitgestellten Produkte 89 (Engels 2009, 72) werden diese auf den sogenannten<br />

Quasi-Märkten handelbar gemacht und mit dem Tauschmittel Geld als „vergleichs-<br />

weise voraussetzungslosem Medium“ (Jaeggi 2007, 148) verknüpfbar. 90 Infolge ei-<br />

ner solchen kreativen Re-Definition von Systemleistungen können jedwede Leis-<br />

tungsorganisationen, nicht nur diese des institutionalisierten Wirtschaftssystems,<br />

irritierbar in der Geldd<strong>im</strong>ension sein. Wettbewerb kann über die auf eine Organisati-<br />

onseinheit rückführbaren kommoden und abstrakten Kennziffern, die den Status von<br />

Gründen über Zahlungen bzw. Nichtzahlungen (Luhmann 1988, 245) erhalten, kon-<br />

struiert und kontrolliert werden. Über den, etwa bedingt durch gesellschaftspoliti-<br />

scher Aushandlungsprozesse, Aufbau und die Festlegung von nachvollziehbaren<br />

Kriterien über systemische Positiv- und Negativwerte, wie sie beispielsweise stan-<br />

dardisiert ermittelbare Kennwerte auf Ebene der Einzelschule symbolisieren, wer-<br />

den investive Präferenzen <strong>im</strong> Sinne von Selektionskriterien in Entscheidungssituati-<br />

on für weitere Akteure vorstrukturiert. Die Urteilsfindung seitens der beobachtenden<br />

Umwelt in Hinblick auf das Leistungsniveaus einer Organisationseinheit erfährt<br />

hiermit ein verringertes Komplexitätsniveau durch die Fokussierung auf zwar kontin-<br />

gente, aber dennoch erwartungsstrukturierende Alternativen. Für die beteiligten<br />

Empfänger, wollen sie ihre eigene Existenz in Anbetracht finanzieller Abhängigkeit<br />

sichern, werden damit gleichfalls Entscheidungs- bzw. Handlungsorientierungen <strong>im</strong><br />

Rahmen der kennwertdefinierten Programme gesetzt. 91 Dass gerade Organisati-<br />

onssysteme als durch teilsystemische Codierungen angeleitete Einheiten besonders<br />

empfänglich für Anforderungen, die von Akteuren unterscheidbarer Sinnsetzung<br />

gestellt werden, sind, also gewissermaßen konditionierbar sind, ergibt sich aus dem<br />

schon weiter oben beschriebenen Doppelzugriff des Gesellschaftssystems auf die<br />

Operationen des einzelnen Organisationssystems: „dem Zugriff über Funktionsbe-<br />

st<strong>im</strong>mung und dem Zugriff über Umweltstrukturierung.“ (Luhmann 2005, 453).<br />

89 Die Produktsorte ist hierbei zweitrangig, denn es benötigt nur semantische Übersetzungsleistungen.<br />

90 Die weiter unten besprochenen Bildungsstandards für das Schulwesen sind beispielhaft als vermarktungsfähige<br />

Benchmark-Systeme zu nennen, auf Grundlage dessen finanzielle Verteilungsfragen in<br />

einer systemeinheitlichen Sprache über Effizienz und Effektivität geklärt werden können, denn als<br />

Kommunikationsmedien bieten sie Sichtbarkeit, die Reduzierung vom Komplexität für kognitive<br />

Verabreitungsprozesse sowie die Verknüpfung mit dem Medium Geld infolge (dem Anspruch nach)<br />

trennscharfer Hierarchisierung.<br />

91 Dieses Reduktion auf transsystemisch kommunizierbare Zeichen steht in der Tradition des Steuerungsmodells<br />

des NPM, denn dieses „muss komplexe Leistungen auf eine überschaubare Zahl von<br />

Parametern reduzieren, an denen sich Steuerungsinstanzen (Prinzipale), Gesteuerte (Agenten), Akkreditierungsagenturen<br />

und Kunden orientieren können.“ (Münch 2009, 74)


57 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

In Anbetracht dieser theoretisch hergeleiteten Zusammenhänge erscheint es plausi-<br />

bel, dass es auf der Organisationsebene, aufgrund der Mischorientierung (Bora<br />

2001, 171) bezogen auf teilsystemlogische Prämissen, Verschiebungen und Um-<br />

schreibungen in der Verhältnisbest<strong>im</strong>mung und Priorisierung der anwesenden paral-<br />

lel laufenden Entscheidungsprogramme kommen kann. Für (Arbeits-<br />

)Organisationen des außerwirtschaftlichen oder „non-profit“-Bereichs, die keine ei-<br />

genen Geldmittel generieren, sondern deren Fortbestehen zuvorderst auf Fremdfi-<br />

nanzierung beruht, bedeutet diese Offenheit in den entscheidungsförmigen Pro-<br />

grammstrukturen eine prinzipielle Irritierbarkeit für verschiedene Formen eines Öko-<br />

nomisierungsdrucks. Unter Bedingungen genereller Knappheit an finanziellen Res-<br />

sourcen (Luhmann 2005, 456 ff.) stehen in staatsnahen Sektoren zwei Sorten der<br />

Anpassung an den fortwährenden Kostendruck zur Verfügung: die<br />

Kommodifizierung und Privatisierung als „Selbstentmachtung des öffentlichen Sek-<br />

tors“ (Engartner 2007, 87 ff.) 92 oder aber die Übernahme 93 wirtschaftlicher Rationali-<br />

tätsfiktionen, die sich „auf eine inhaltliche Anpassung der teilsystemischen Leis-<br />

tungsproduktionen an die hegemoniale Deutung dessen, was der Wirtschaft Not tut,<br />

erstrecken.“ (Sch<strong>im</strong>ank 2009b, 335) Diese inhaltlich ausgestalteten Systembindun-<br />

gen sind keineswegs per se zu kritisieren, ist doch auch jenseits jeder Wertung aus<br />

funktionaler Sicht die (wirtschaftliche) Konkurrenzfähigkeit eines Gemeinwesens in<br />

einem globalisierten Umfeld ein rechtfertigbares Interesse der Gesellschaft (Fend<br />

2006, 35; Lenhardt/Stock 1997, 37). Auch Gesellschaftsbereiche wie das Gesund-<br />

heitswesen oder das <strong>Schulsystem</strong> müssen ihre Funktionen und Leistungsfähigkei-<br />

ten, bezogen auf abhängige andere Teilsysteme, sicherstellen. 94 Für diesen Zweck<br />

wurden in Prozessen zirkulärer Reflexion Strukturen, beispielsweise Leistungsorga-<br />

nisationen, ausgebildet, die Systemreferenzen nach innen und außen realisieren<br />

(Luhmann/Schorr 1988, 34 ff.).<br />

Ein <strong>im</strong>mer zu beachtendes Aktionsdispositiv für wirtschaftliche Akteure ist der Erhalt<br />

zukünftiger Zahlungsfähigkeit und damit einhergehend die Schonung der Ressour-<br />

cenbasis. Für von dieser Motivlage freien, weil für ihre finanzielle Reproduktion nicht<br />

direkt verantwortlichen, Organisationen anderer Funktionssysteme, denen unter-<br />

nehmerisches Wahrnehmen und Entscheiden nicht grundsätzlich inhärent ist, wer-<br />

den Wirtschaftsorganisationen als Referenzobjekte zum Zweck der Durchsetzung<br />

92 Damit wird <strong>im</strong> systemischen Streben nach mehr und mehr Kontrolle über seine äußeren Abhängigkeiten<br />

(Luhmann 2002, 113) eine Grenze überschritten, wonach versucht wird, von nun an selbst Geld<br />

zu verdienen. Geht man davon aus, dass nur die Wirtschaft das Medium Geld produktiv generieren<br />

kann, muss ein solcher Prozess als Entdifferenzierung bezeichnet werden.<br />

93 Ob es sich um wirkliche Übernahmen infolge von System-zu-System-Beobachtungen und Überzeugungen<br />

bzw. mythisierter Impulse handelt, oder ob aber die Elemente qua Weisung Einzug finden, ist<br />

wohl Fall- und Systemabhängig zu beurteilen.<br />

94 Als Respezifikationsmedium siehe weiter unten das Kapiteln zu den Bildungsstandards.


58 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

rationaler Organisationsgestaltung als herangezogen (Engels 2011, 118). Regelun-<br />

gen und Praktiken, die das am Funktionserfordernis orientierten Operieren unter<br />

den Meta-Rahmen der weltlichen Rationalität ökonomischen Handelns stellen, wer-<br />

den als gesellschaftlich legit<strong>im</strong> verstanden, da dem extensiven Verbrauch von Res-<br />

sourcen Einhalt geboten wird. 95 Der „Druck der Not“ aufgrund „zunehmender abso-<br />

luter oder (regelmäßig) relativer Enge des Versorgungsspielraums“ (Weber 1976,<br />

35) soll kollektiviert werden, die staatliche Administration vergibt ressourcielle Ver-<br />

antwortlichkeiten an ihren organisationalen Unterbau. Metrische Kennziffern und<br />

strukturierter Wettbewerb werden, neben der allgemeinen ressourceneffizienten<br />

Ausgestaltung der „inneren Ökonomie“ von, z.B., Bildungseinrichtungen (Böttcher<br />

2001, 893), als diesem Gebot gemäße Allokations- und Koordinationsmittel verstan-<br />

den. Um diesen, infolge der Installierung solcher institutioneller Arrangements evol-<br />

vierenden, Anforderungen gerecht zu werden, sind erhöhte Grade an Organisation<br />

bzw. struktureller Konformität zu realisieren, zumindest aber zu s<strong>im</strong>ulieren.<br />

Analog zur Gesellschaftsebene, auf welcher Kostenbewusstsein dann allgemeine<br />

als Teil der variablen Programmstruktur gefasst wird, kann die fünf-stufige Skala der<br />

Ökonomisierung auch für die Organisationsebene systematisch angelegt werden. In<br />

diesem, noch zu operationalisierenden, Beobachtungs- und Analyseschema sind<br />

funktional außerhalb des Wirtschaftssystems zu verortende Leistungsorganisationen<br />

auf den nicht oder nur kaum durch den Einbezug von Kostengesichtspunkten be-<br />

dingten Stufen eins und zwei anzusiedeln. Dennoch gibt es <strong>im</strong>mer wieder Phasen,<br />

in denen Museen, Krankenhäuser und <strong>Universität</strong>en von Seiten der Geldgeber Kos-<br />

tenbewusstsein als Muss-Erwartung (Stufe 3) verordnet bekommen (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2010b, 47). Auch für die Ebene formaler Organisationen stellt sich die Frage, ob die<br />

funktionsspezifische Seite, der autonome Pol, oder eher die weltliche Seite der Pro-<br />

grammierung über den Steuerungspr<strong>im</strong>aten verfügt. Daran anschließend sollte ge-<br />

klärt werden, wie außerwirtschaftliche „non-profit“ Organisationen mit den „Rationali-<br />

tätszumutungen“ (Meier 2012, 189), denen sie sich Seitens der Umwelt ausgesetzt<br />

sehen, umgehen und ob ein „Mehr“ an formalstruktureller Organisation, deren Rege-<br />

lungselemente der Wirtschaft entlehnt sind, zur Erklärung verschiedener Intensitä-<br />

ten eines wie auch <strong>im</strong>mer gearteten Ökonomisierungsdrucks beitragen kann.<br />

Programmatische und inhaltliche Veränderungen, die hier nur andeutungsweise<br />

besprochen wurden, sowie die Konfrontation mit dem Erfordernis eines Kostenbe-<br />

wusstseins auf Organisationsebene ziehen, so ist anzunehmen, auch Folgewirkun-<br />

95 Bellmann (2012, 150) berichtet die moralische Seite von „Social Efficiency“ am Beispiel der Institution<br />

Schule: „Organisationen ziele auf Effizienz und damit die Abschaffung jeglicher Verschwendung.<br />

Dies gelte nicht nur für die äußere Organisation der Schule und ihre materiellen Ressourcen, sondern<br />

auch für die innere Organisation des Unterrichts und die Lebenszeit der Schüler.“


59 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

gen auf das individuelle Handeln nach sich. Der unter einem möglichen Ökonomi-<br />

sierungsdruck stehenden Mikro-Ebene des Sozialen wird nachfolgend Aufmerksam-<br />

keit geschenkt.<br />

3.2.3 Mikro-Ebene<br />

Gemäß dem Fall, dass programmatische, respektive institutionelle, Reformen tat-<br />

sächlich Wirkungen zeitigen, sind diese auf der Ebene des konkreten individuellen<br />

Akteurs und seiner Entscheidungsprozesse sowie Handlungsvollzüge nachzuvoll-<br />

ziehen. Diese Vermutung ist zumindest anzustellen, insofern die handlungsprägen-<br />

de Rationalität der formalisierten Struktur einer Organisation hervorgehoben wird<br />

(Scott 1986). 96 Neo-Institutionalistische Organisationsverständnisse hingegen negie-<br />

ren allzu überrationalisierte Vorstellungen über die prägenden Kräfte von Struktur-<br />

elementen und Rollenbildern. Die basale These hinsichtlich des Verhältnisses von<br />

Organisation und Umwelt bezogen auf die Wirkmächtigkeit von organisationalen<br />

Strukturen ist „that the formal structures of many organizations in postindustrial so-<br />

ciety (Bell, 1973) dramatically reflect the myths of their institutional environments<br />

instead of the demands of their work activities.“ (Meyer/Rowan 1992/1977, 22) Viele<br />

in Organisationen vorfindbare Strukturelemente haben dieser Lesart folgend eher<br />

legit<strong>im</strong>ierenden Charakter als wirklichen Einfluss auf die individuelle Performanz.<br />

Unhinterfragt eingelebten Handlungsmustern wird eine nicht zu unterschätzende<br />

Prägekraft zugesprochen, die den mit den handlungsprägenden Elementen auf der<br />

formalen Strukturebene verbundenen Intentionen nicht entsprechen müssen, sogar<br />

quer zu diesen liegen können.<br />

Nichtsdestotrotz, unter Berücksichtigung eines nicht allzu deterministischen Ver-<br />

ständnisses des Wirkungsgefüges von Organisationsstrukturen, muss aber ausge-<br />

hend von formalen Strukturelementen ein relativer „Impact“ angenommen werden,<br />

denn: „Veränderte Handlungsbedingungen und –orientierengen führen über die<br />

Veränderung von Handlungsmustern zu veränderten Handlungsergebnissen.“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 389) 97 Regelungen, die, um ein Beispiel zu nennen, auf<br />

die Etablierung von Kostenbewusstsein hinwirken, können unter Umständen die<br />

96<br />

Einer Systematisierung von Scott (1986) zufolge können Organisationen als rationale, natürliche und<br />

offene Systeme betrachtet werden.<br />

97<br />

Intermediäre Theorieentwürfe der Soziologie, die sowohl handlungs- wie auch sozialtheoretische<br />

bzw. gesellschaftstheoretische Bezugspunkte aufnehmen und die verschiedenen<br />

Ebenen des Sozialen in ihren Zusammenhängen betrachten, bieten lohnenswerte Einsichten.<br />

Erklärungsangebote, die ein Wechselverhältnis von sozialem Handeln und sozialen<br />

Strukturen unterstellen und schematisch abbilden können, sind etwa die<br />

Strukturationstheorie von Giddens (1984) sowie das Modell der soziologischen Erklärung<br />

(MSE) (z.B. Esser 2005).


60 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

situative Wahl der potentiellen Handlungsweisen bedingen. 98 Unter dieser Annahme<br />

kann hinsichtlich der faktischen Wirkungsmächtigkeit der formalen Strukturd<strong>im</strong>ensi-<br />

on kein höherwertiger Rang vor nonformalen Regelungs- und Koordinierungsmus-<br />

tern zugesprochen werden. Sobald effektives Handeln auch effizient, also kosten-<br />

sparend, vollzogen werden soll, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein, in<br />

einem spezifischen Teilsystem operierender Akteur unverändert seinen ursprüngli-<br />

chen Tätigkeitsmustern folgt. Stattdessen muss er in seinen Handlungswahlen Ent-<br />

scheidungen darüber treffen, wie er unter dem Eindruck von Finanzierungsfragen<br />

seine Leistungsproduktion <strong>im</strong> Sinne der systemischen Eigenlogik am besten voll-<br />

bringen kann.<br />

Der Druck zur Ökonomisierung seiner Handlungslogik, die in seinem Teilsystem<br />

nicht „the essence“ sondern eine Restriktion bzw. Ermöglichung darstellt (Sch<strong>im</strong>ank<br />

2008, 222), kann auch für den einzelnen Akteur unterschiedliche Ausprägungen<br />

annehmen. Besteht das Ziel eines Lehrers in der freien Weiterbildung nur noch da-<br />

rin, Gewinne zu erzielen und wird Wissensvermittlung nur noch vorgegeben, um<br />

diesen Zweck zu erreichen, würde man diesen Akteur gemäß seines logischen Vor-<br />

gehens dem wirtschaftlichen System zuordnen. Der zuvor benannte Fall, den teil-<br />

systemorientierten Zugriff nur noch infolge einer vorgeschalteten Abwägung über<br />

die finanzielle Machbarkeit und Darstellbarkeit zu vollziehen, liegt dann eher <strong>im</strong><br />

Grenzbereich. Ungeachtet auf welcher Stufe der Skala (siehe oben) der Ökonomi-<br />

sierungsdruck zu verorten ist, auf der Mikro-Ebene manifestiert er sich in Hand-<br />

lungswahlen und Entscheidungsstrukturen.<br />

3.3 Zwischenbetrachtung<br />

Unverkennbar bestehen in den vorgestellten Konzepten der Prozesskategorie<br />

Ökonomisierung Spannungen <strong>im</strong> Theoriebezug. Zum einen werden verschiedene<br />

Systemebenen als Beobachtungsd<strong>im</strong>ensionen aufgenommen, zum anderen folgen<br />

die Begriffe nicht allein einem Theorieprogramm. 99 Die damit einhergehenden Unzu-<br />

länglichkeiten sollen in Kauf genommen werden, würde doch ein allzu konservativer<br />

Theoriegebrauch in der Entwicklungsphase von Ökonomisierungsschemata hinder-<br />

lich sein. 100<br />

In diesem Kapitel ging es zunächst um die Darlegung einiger verwandter Begriffe<br />

und Ansätze, die Entwicklungen ebenfalls auf Entwicklungen verweisen, die auf das<br />

98<br />

Es ist nur schwerlich vorstellbar, dass eine sanktionierende Regel von den Akteuren ständig hintergangen<br />

wird, also keine regulative n Effekte nach sich zieht.<br />

99<br />

Termini wie Institution, Struktur, Codierung und kulturelle Orientierung werden hier zusammen<br />

verwendet.<br />

100<br />

Außerdem liegt der Grund ganz pragmatisch darin, dass die konzeptionellen Bezugspunkte<br />

dieses Vorgehen vorgeben (Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008)


61 3 Ökonomisierung – zwischen Fiktion und<br />

gesellschaftlicher Realität<br />

wirtschaftliche Teilsystem rekurrieren. Während Landnahme und Kommodifizierung<br />

bezogen auf außerhalb des Wirtschaftssystems liegende Zusammenhänge die<br />

Übernahme dieser unter ein Produktions- und Warenreg<strong>im</strong>e meinen, beziehen sich<br />

die Konzepte von Verbetriebswirtschaftlichung und Managerialisierung eher auf die<br />

Umstellung von Verfahrensweisen unter (vorläufiger) Beibehaltung der üblichen<br />

Funktionsreferenzen. Die zuletzt genannten beiden Phänomene verleiten mitunter<br />

dazu, dass überhaupt ein Kostenbewusstsein an außerwirtschaftliche Systemakteu-<br />

re herangetragen wird. Wie aufgezeigt wurde erscheint die Meso-Ebene als adäqua-<br />

tes Feld für die Anwendung neuartiger und auf Effizienz abzielender Verfahrens-<br />

und Koordinationsprinzipien. Hierdurch werden auch Wahrnehmungen, Handlungen<br />

und Entscheidungen individueller Akteure potentiell tangiert.<br />

Als Analyseschema kann die von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) vorgeschlagene<br />

fünfstufige Skala verwendet werden. Hier wird danach differenziert, inwiefern sich<br />

ein Kostenbewusstsein bei den teilsystemischen Leistungsrollen wiederfinden lässt.<br />

In Abhängigkeit davon, welcher Grad der Ausprägung von Kostenbewusstsein in<br />

den Erwartungsstrukturen des System eingelagert ist, kann Ökonomisierung gradu-<br />

ell gefasst und zugeschrieben werden. Dieses Schema eignet sich aber eher, nach<br />

einer adäquaten Operationalisierung der Skala, für empirische Einzelfallstudien als<br />

für eine in dieser Arbeit vorgenommene Globalbeobachtung eines Teilsystems auf<br />

Grundlage von Literaturberichten.<br />

Ein systemischer Handlungszusammenhang soll nachfolgend als ökonomisiert an-<br />

genommen werden, insofern ein struktureller Vorrang wirtschaftlicher, also geldver-<br />

mittelter, Gesichtspunkte besteht und teilsystemische Prinzipien nur noch nachge-<br />

ordnet zur Anwendung gelangen. Ökonomisierung ist in einer Variante als Folgeer-<br />

scheinung von Freiheitseinbußen der kommunikativen Selbstfortsetzung für nicht <strong>im</strong><br />

Wirtschaftssystem agierende soziale Einheiten, zu denen sie unter dem Eindruck<br />

von Knappheit und dem Erfordernis von Ressourceneinsparungen genötigt werden,<br />

zu verstehen.<br />

Logikkonkurrenzen und Umstellungen der Wahrnehmungs- und Handlungsprägun-<br />

gen dieser Art werden nicht in der Wertd<strong>im</strong>ension betrachtet, sprich<br />

Ökonomisierung gilt nicht als Negativbegriff, sondern als strikt analytische Katego-<br />

rie. Mit dem begrifflichen Instrumentarium kann nur versucht werden, etwaige<br />

Wandlungsvorgänge in den Blick zu nehmen. Welche Konsequenzen sich daraus<br />

ergeben können, ist eine andere Frage.


62 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Eine umfassende und vor allem systematische Erfassung des gesellschaftlichen<br />

Teilsystems der Schule kann nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Verschiedene<br />

Ansätze einer theoriegeleiteten Beschreibung zum Erziehungssystem der Gesell-<br />

schaft liegen bereits vor (Luhmann 2002; Ehrenspeck/Lenzen 2006). Die Makrobe-<br />

griffe Erziehungssystem und <strong>Schulsystem</strong> meinen sicherlich unterschiedliches, ge-<br />

rade weil sie unterschiedliche Ebenen ansprechen: Erziehung findet nicht aus-<br />

schließlich in der Schule statt, sondern bezieht sich vielmehr „auf die Gesamtheit<br />

der Einwirkungen, die den Menschen für ein Leben in der Gesellschaft ausrüsten.“<br />

(Luhmann/Schorr 1988, 28) Wenn hiermit der gesamte Funktionsbereich der Erzie-<br />

hung benannt ist, gehört die Schule zweifellos zum Erziehungssystem. 101<br />

Wir wollen das <strong>Schulsystem</strong> hier vorerst und s<strong>im</strong>plifizierend als die geregelte Form<br />

des Erziehungssystems verstehen. Es soll also ausschließlich um die institutionellen<br />

Bereiche gehen, die sich ihren Rollenzuschreibungen und Selbstverständnissen<br />

entsprechend mit der Schule als Ort verdichteter und professionsgesteuerter Erzie-<br />

hung beschäftigen. Dazu zählen nicht nur die unmittelbar an der Unterrichtsinterak-<br />

tion beteiligten Lehrer und Schüler, sondern eine Vielzahl weiterer Akteure. Konzi-<br />

piert als „Mehrebenenmodell der Schule“ (Brüsemeister 2007, 63) erscheint das<br />

<strong>Schulsystem</strong> geprägt durch ein Aufeinandertreffen divergierender Funktionsbezüge.<br />

Insofern kann nicht davon ausgegangen, dass <strong>im</strong> institutionellen Gefüge Schulsys-<br />

tem ein Logik-Pr<strong>im</strong>at vorliegt. Gleichwenn ein eindeutiger binärer Code für die „ei-<br />

gentliche inhaltliche Leistungsebene des <strong>Schulsystem</strong>s“ (Brüsemeister 2007, 85)<br />

bislang nicht spezifiziert werden konnte oder vielleicht gar nicht existiert 102 , ist davon<br />

auszugehen, zumal die Schule als Ort von Erziehung und Bildung funktional be-<br />

st<strong>im</strong>mt ist, dass die der Lehr-Lern-Situation nahen Akteure wie Schulleitung und<br />

Lehrkraft best<strong>im</strong>mten Situationsdeutungen und Handlungsmustern folgen. 103 Diese<br />

Systemebenen stehen <strong>im</strong> Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen.<br />

Statt sich nun tiefer in diesen Diskurs zu begeben, soll die Beschreibung anhand<br />

dreier Steuerungsinstrumente geschehen. Dieses Vorgehen rafft die Perspektive<br />

zwangsläufig, hat aber für die Zwecke dieser Arbeit gleich drei Vorteile. Erstens er-<br />

folgt die Auswahl systematisch in dem Versuch, das <strong>Schulsystem</strong> anhand eines<br />

Kreislaufmodells der Steuerung <strong>im</strong> Schulwesen (Bos/Holtappels/Rösner 2006, 83).<br />

Dieses Modell umfasst die Steuerungstypen Input-, Prozess- und Outputsteuerung,<br />

101 Luhmann setzt sich in seinen theoretischen Abhandlungen mit dem schulischen Teilbereich<br />

des Erziehungssystems auseinander.<br />

102 Luhmann (2002, 42): „Wir haben noch keinen klaren Begriff von Erziehung, aber jedenfalls<br />

handelt es sich um ein Einwirken auf einzelne Menschen.“<br />

103103 An dieser Stelle scheint noch ein Desiderat in der Systembeschreibung zu bestehen.


63 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

ist somit breit gefächert und liegt quer Mehrebenenmodell der Schule. Zweitens wird<br />

sichergestellt, dass der Fokus auf der Schulorganisation verbleibt, da alle Typen der<br />

Steuerung diese Systemebene ansprechen. Und drittens wird mit der anhand des<br />

Kreislaufmodells vollzogenen Auswahl der Steuerungsinstrumente die Prozesshaf-<br />

tigkeit von eventuellen Logikverschiebungen betont, da alle drei Instrumente relativ<br />

jung <strong>im</strong> System etabliert sind. Somit kann in einer zeitlichen D<strong>im</strong>ension best<strong>im</strong>mt<br />

werden, ob sie zu einer Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s beitragen.<br />

4.1 Steuerungsinstrument I: Inputsteuerung durch das „Schulscharfe“ Leh-<br />

rerbewerbungs- und Auswahlverfahren<br />

4.1.1 Implementation und Verbreitung des Verfahrens<br />

Die strukturelle Ausgestaltung des deutschen <strong>Schulsystem</strong>s lässt sich über das<br />

Merkmal der „Teilintegrität“ beschreiben, durch welches die relative Einheit <strong>im</strong> Ele-<br />

mentar- und Pr<strong>im</strong>arbereich, sowie die vielfältige und mehrgliedrige Ausdifferenzie-<br />

rung in den Sekundarstufen I und II bezeichnet ist (Döbert 2010, 189). Ursächlich ist<br />

dieser Zustand durch die rechtlich verfasste gesetzgebende und administrative<br />

Kompetenz der einzelnen Bundesländer in kulturellen Angelegenheiten begründet.<br />

Hieraus ergeben sich auch Unterschiede <strong>im</strong> Aufbau der Organisation der Schulauf-<br />

sicht zwischen den Bundesländern (Füssel/Leschinsky 2008, 167 ff.). Den unterhalb<br />

der zuständigen (Kultus-) Ministerien verorteten Schulverwaltungen obliegt in jedem<br />

Landesapparat die Aufgabe der Bereitstellung von Personal, Sach- und Finanzmit-<br />

teln. Dass die Aufgabe der am für jede Schulart bemessenen bedarfsorientierten<br />

und gleichmäßigen Versorgung mit pädagogischem Personal nicht in jedem Land<br />

auf gleicher institutioneller Grundlage wahrgenommen wird, zeigen beispielhaft die<br />

Divergenzen in den Normierungen der Verteilungsstrukturen von Lehrerarbeitsmärk-<br />

ten. Grundsätzlich kommen in Deutschland zwei Verfahrensweisen zur Anwendung:<br />

das traditionelle Listenverfahren sowie „schulscharfe“ bzw. schulbezogene Auswahl-<br />

und Einstellungsverfahren. Diese unterscheidbaren institutionellen Rahmungen ste-<br />

hen nicht in einem strikt antagonistischen „Entweder-Oder-Verhältnis“, sondern fin-<br />

den sie häufig gemeinsam, meist hierarchisch priorisiert, Anwendung. Die nachfol-<br />

gende Tabelle 1 gewährt, differenziert für jedes Bundesland, einen Einblick in die<br />

angewandten Verfahren der Lehrerauswahl und -einstellung. Die hier vorgenomme-<br />

ne Bestandsaufnahme über die Regelungskonstellationen in den einzelnen Ländern


64 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

basiert ausschließlich auf der Recherche frei zugänglicher Mitteilungen und Rechts-<br />

grundlagen der für das Schulwesen zuständigen Ministerien der Bundesländer.<br />

Tabelle 1 Verfahren und Verfahrenskombinationen der Rekrutierung von Lehrkräften je<br />

Bundesland, Stand August 2012 104<br />

Bundesland Listenverfahren (zentral)<br />

Schulbezogenes<br />

Verfahren (dezentral) Priorisierung<br />

Baden-Württemberg x x LV<br />

Bayern x x LV<br />

Berlin x x SV<br />

Brandenburg x<br />

Bremen x x LV<br />

Hamburg x x SV<br />

Hessen x x<br />

Mecklenburg-Vorpommern x x<br />

Niedersachsen x x SV<br />

Nordrhein-Westfalen x x SV<br />

Rheinland-Pfalz x<br />

Saarland x x LV<br />

Sachsen x<br />

Sachsen-Anhalt x<br />

Schleswig-Holstein x x SV<br />

Thüringen x<br />

In der Tradition einer zentral administrierten Distribution von Lehr- und Lernressour-<br />

cen stehend lagen die Regulierung des Lehrerbedarfs, die Verwaltung des Lehrer-<br />

arbeitsmarktes sowie die Einstellung von Lehrkräften in den Schuldienst in der Ver-<br />

gangenheit gebündelt in Verantwortung der staatlichen Schulverwaltungseinheiten.<br />

Diesen oblag exklusiv die Koordination des Lehrerarbeitsmarktes in ihrem jeweiligen<br />

territorialen Zuständigkeitsbereich. Hier wurden sowohl für die Angebots- wie auch<br />

die Nachfrageseite merkmalsabhängige Dateien geführt, die Auskunft über das Ver-<br />

hältnis von Stellenbedarfen und Bewerbungen zu einem best<strong>im</strong>mten Datum gaben.<br />

Der Informationspool war somit auf Seiten der staatlichen Verwaltung monopolisiert.<br />

Ebenso war die Entscheidungskompetenz über die Zuteilung der Bewerberinnen<br />

und Bewerber auf die zu besetzenden freien Stellen auf der Verwaltungsebene kon-<br />

zentriert. Im Rahmen des ehemals ausschließlich zur Anwendung gekommenen<br />

Listenverfahrens waren die Schule als zukünftiger Arbeitsort sowie die Lehrkraft als<br />

zukünftiges Mitglied des Kollegiums traditionell nur passiv am Besetzungsverfahren<br />

über die Meldung von Ansprüchen beteiligt. 105 Aufgenommen in die zentrale Bewer-<br />

bungsdatei wurden den Bewerberinnen und Bewerbern in Abhängigkeit von ihren<br />

erreichten Gesamtnoten aus dem ersten und zweiten Staatsexamen sowie ihrer<br />

104 Zu den Quellenangaben siehe Übersicht <strong>im</strong> Anhang.<br />

105 Zur Ermittlung von Stellenbedarfen exemplarisch für das Bundesland Nordrhein-Westfalen siehe<br />

http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Lehrer/Lehrerversorgung/FAQ_Lehrerversorgung/Anspruch.ht<br />

ml (Zugriff 26.08.2012). Zu den Regelungsgrößen der Zuweisung von Lehrpersonal an die einzelnen<br />

Schulen siehe van Ackeren/Klemm (2011, 107).


65 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

angemeldeten Präferenzen bezüglich des Arbeitsortes Ranglistenplätze zugewie-<br />

sen. Die einzelnen Listen wurden über die Merkmale Lehramtsbefähigung und Fä-<br />

cherkombinationen strukturiert. Dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2<br />

GG) entsprechend wurden den oberen Rängen priorisiert Einstellungsangebote un-<br />

terbreitet. Nachdem ein Anwärter das Angebot angenommen hat, wurde er von der<br />

Schulaufsicht, in Nordrhein-Westfalen sind das die Bezirksregierungen, eingestellt,<br />

ohne zuvor jemals formellen Kontakt zu der Schule, dem künftigen Arbeitsort, ge-<br />

habt zu haben.<br />

Die singuläre Anwendung dieses Verfahrens der Auswahl und Einstellung von Lehr-<br />

kräften, das in Deutschland traditioneller Weise praktiziert wurde (Terhart 2010,<br />

263), wurde auch unter dem Eindruck der Diskussion um die Gewährung neuer<br />

Freiheiten für die Schulorganisation in verschiedenen Handlungsbereichen 106 (Hein-<br />

rich 2007), etwa in personellen Fragen, sukzessive aufgebrochen. Das kurz skizzier-<br />

te zentral-administrativ organisierte Listenverfahren ist dabei in seiner allokativen<br />

Funktion nicht vollständig obsolet geworden, sondern wurde vielmehr durch das in<br />

Anlehnung an best<strong>im</strong>mte Marktprinzipien konstruierte „schulscharfe“ bzw. „schulbe-<br />

zogene“ 107 Ausschreibungs- und Einstellungsverfahren ergänzt bzw. von diesem <strong>im</strong><br />

Zeitverlauf weitgehend abgelöst. In den Bundesländern sind je spezifische Mi-<br />

schungsverhältnisse in Hinblick auf die Zusammensetzung des Verfahrenssettings<br />

zu beobachten, sehr häufig gelangen beide Verfahrensarten zur Anwendung (Tabel-<br />

le 1). Am konsequentesten in der Einführung und Umsetzung eines Rekrutierungs-<br />

modells unter Mitwirkung der einzelnen Schuleinheit zeigt sich hierbei Nordrhein-<br />

Westfalen, dessen <strong>im</strong> Bezugsjahr 2012 geltender Regelungsrahmen hier exempla-<br />

risch nachgezeichnet wird.<br />

Seit 1997 wird den einzelnen Schuleinheiten in Nordrhein-Westfalen bei der Beset-<br />

zung vakanter Stellen <strong>im</strong> sogenannten „Schulscharfen Ausschreibungs- und Aus-<br />

wahlverfahren“ ein gesteigertes Mitwirkungsrecht zugebilligt. Grundsätzlich gilt:<br />

„Ausschreibungen <strong>im</strong> Lehrereinstellungsverfahren für eine Schule sowie die Aus-<br />

wahl erfolgen durch die Schule“ (Schulgesetz NRW § 58 Abs. 7). Im Anschluss an<br />

die Entscheidung über die Stellenbesetzung seitens der verantwortlichen Bezirksre-<br />

gierung als oberer Schulaufsichtsbehörde wird einer schulintern zu bildenden Kom-<br />

mission, bestehend aus der Schulleitung sowie Lehrer- und Elternvertretungen, die<br />

Möglichkeit eingeräumt, eigens einen stellenbezogenen Ausschreibungstext, in dem<br />

das Erwartungsprofil der zu vergebenen Stelle möglichst präzise den qualifikatori-<br />

schen Anforderungen entsprechend abgelegt wird, zu erstellen. Der Neuerungswert<br />

106 Siehe auch das nachfolgende Unterkapitel.<br />

107 Je nach Bundesland unterscheiden sich die Begriffsverwendungen. Beide stehen nachfolgend für<br />

ein und dasselbe Verfahren.


66 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

liegt darin, dass über die Merkmale der Lehramtsbefähigung und der Fächerkombi-<br />

nationen hinaus schul- sowie schulangebotsbezogene Qualifikationsanforderungen<br />

explizit berücksichtigt werden sollen. Nach einer auf Rechtsmäßigkeit ausgelegten<br />

behördlichen Überprüfung des Textes wird dieser über die zentralen infrastrukturel-<br />

len Einrichtungen, namentlich über ein speziell eingerichtetes Internetportal sowie<br />

über die monatlich herausgegebenen Amtlichen Schulblätter der Regierungspräsidi-<br />

en, veröffentlicht und den sich bewerbenden Lehrpersonen zugänglich gemacht.<br />

Nach Eingang der Bewerbungen bei der zuständigen Schulaufsichtsbehörde über-<br />

sendet diese der oder dem Vorsitzenden der Auswahlkommission der Schule einer<br />

nach Ordnungsgruppen 108 sortierte Liste der Bewerberinnen und Bewerber. Die<br />

schulinterne Kommission wiederum entscheidet daraufhin auf Basis der Ordnungs-<br />

gruppenliste sowie des veröffentlichten Anforderungsprofils über die zu einem Aus-<br />

wahlgespräch einzuladenden Kandidaten. Nach Vollzug aller terminierten Auswahl-<br />

gespräche wird der bestgeeigneten Bewerberin oder dem bestgeeigneten Bewerber<br />

ein Einstellungsangebot unterbreitet. Wird das Angebot ausgeschlagen, rückt die<br />

nächstplatzierte Bewerberin bzw. der nächstplatzierte Bewerber nach. Sind der<br />

Schulleiterin oder dem Schulleiter die Aufgaben einer oder eines Dienstvorgesetzten<br />

übertragen worden, n<strong>im</strong>mt sie oder er die Einstellung vor, ansonsten fungiert die<br />

Bezirksregierung als Einstellungsbehörde.<br />

Das traditionelle Listenverfahren besteht zwar weiterhin fort, wird aber nur noch als<br />

Ergänzung zum schulscharfen Auswahl- und Einstellungsverfahren betrachtet. Nur<br />

noch geringe Anteile (ca. 5 Prozent in 2005, siehe Meetz/Sprütten/Klemm 2006) der<br />

Stellen werden hierüber verteilt: „Es wird in der Regel nur noch genutzt, um Stellen<br />

zu besetzen, welche über das Ausschreibungsverfahren nicht vergeben werden<br />

konnten oder kurzfristig besetzt werden müssen.“ (Meetz/Sprütten/Klemm 2006, 7).<br />

Das Listenverfahren hat somit vielmehr einen nachsteuernden Charakter und sym-<br />

bolisiert die Wahrnehmung der staatlich verantworteten Aufgabe einer ausreichen-<br />

den Ressourcenausstattung.<br />

Insgesamt lässt sich ein recht heterogenes Bild mit Blick auf alle sechzehn Schul-<br />

systeme nachzeichnen. Nicht nur, dass nur einige Länder ihren Schulen Hand-<br />

lungsaufträge hinsichtlich der Neubesetzung vakanter Stellen zuweisen, auch inner-<br />

halb der Gruppe Schulbezogener Einstellungsverfahren sind unterschiedliche Vari-<br />

anten hinsichtlich der Reichweite schulischer Partizipations- und Verfügungsrechte<br />

festzustellen. Diese Divergenzen können und müssen an dieser Stelle nicht <strong>im</strong> Ein-<br />

zelnen nachvollzogen werden.<br />

108 Anm.: Die Rangplätze werden über die erzielten Examensnoten best<strong>im</strong>mt. Hier greift also über den<br />

Zugriff der amtlichen Stelle das Prinzip der Bestenauslese.


67 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

4.1.2 Einordnung in den paradigmatischen Kontext<br />

Zum Verständnis des Begründungszusammenhangs für die Einführung dieses, für<br />

das bundesdeutsche Schulwesen neuartigen, Strukturelements bietet es sich an, in<br />

gebotener Kürze den zeitgeschichtlich-diskursiven Kontext zu skizzieren.<br />

Im Zentrum aller mit dem <strong>Schulsystem</strong> befassten Reformbemühungen seit den<br />

1990er Jahren steht die Frage, „wie denn eine Steuerung der weiteren Entwicklung<br />

des Schulwesens mit Bezug auf eine opt<strong>im</strong>ale Zielerreichung in ökonomischer Wei-<br />

se geleistet werden kann.“ (Altrichter/Maag Merki 2010, 15). Wurden in den 1970er<br />

Jahren pr<strong>im</strong>är Ansätze diskutiert, die eine systemweite Makrosteuerung zur Begeg-<br />

nung der ausgemachten Herausforderungen fokussierten, verlagerte sich schon <strong>im</strong><br />

Laufe der 1980er Jahre die wissenschaftliche sowie bildungspolitische Aufmerk-<br />

samkeit hin auf die Ebene der Einzelschule (Berkemeyer 2010, 38 ff.). Die einzelne<br />

Schuleinheit in ihrer variablen strukturellen, kulturellen sowie personellen Verfas-<br />

sung wurde <strong>im</strong> Zuge vergleichender Forschungen als entscheidender Ort für die<br />

Gewährleistung pädagogischer Qualität vermutet (Fend 1986; Fend 2001). Als Bei-<br />

trag zur Lösung problematischer Zustände auf lokaler und regionaler Ebene werden<br />

seitdem unter anderem vermehrt konzeptionelle Entwürfe zur Organisationsentwick-<br />

lung der Schule (Rolff 1993) herangezogen. In einem späteren programmatischen<br />

Ansatz geht Rolff (1998) von einem „Drei-Wege-Modell“ der für dieses spezifische<br />

Feld begrifflich angepassten Schulentwicklung aus. Als entscheidender Teilbereich<br />

einer umfassenden Schulentwicklung mit dem Ziel der Qualitätssteigerung gilt hier-<br />

nach neben der Unterrichts- und Organisationsentwicklung die Personalentwicklung.<br />

Hier und auch schon in früheren Arbeiten (Fend 1988) wird das Personal mitsamt<br />

seinen Eigenschaften als eine entscheidende Variable für die Entfaltung schulisch-<br />

pädagogischer Qualität thematisiert. 109 Auch in den empirisch angelegten For-<br />

schungssträngen der Schuleffektivitätsforschung (Scheerens 2000;<br />

Bonsen/Bos/Rolff 2008) sowie der Unterrichtsforschung (Helmke 2010) wird der<br />

kompetenzbezogenen Merkmalskomposition der Lehrperson als Einflussfaktor <strong>im</strong><br />

Wechselspiel der als relevant angenommenen Größen ihre Funktion für effektive<br />

Schule bzw. einen effektiven Unterricht zugewiesen.<br />

Im Zuge der sukzessiven Verlagerung des Aufmerksamkeitsspektrums durch die<br />

„Wiederentdeckung“ (Fend 1988) der Mesoebene als entscheidendes Handlungs-<br />

109 Dieser Hinweis dürfte auch den fach- und professionsfremden Beobachter nicht stutzig machen,<br />

vergegenwärtigt man sich die maßgebliche Rolle der Lehrkraft für das Interaktionssystem Unterricht,<br />

welches prinzipiell als durch eine interne strukturelle Unbest<strong>im</strong>mtheit und einen Überschuss an Beobachtungsmöglichkeiten<br />

in den Situationen der Kommunikation gekennzeichnet ist (Luhmann 2002,<br />

104). Für die Kontrolle der gegenseitigen kommunikativen Wahrnehmung <strong>im</strong> Kollektiv und damit für die<br />

Kontrolle des Interaktionsgeschehens, welches sich nur über die Fortsetzung von Aufmerksamkeit<br />

reproduziert, kommt der Lehrperson aufgrund ihrer zentralen Stellung <strong>im</strong> Zusammenhang eine wichtige<br />

Funktion zu.


68 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

feld für die Bearbeitung gesellschaftlich, pädagogisch und fachwissenschaftlich arti-<br />

kulierter problematischer Erscheinungen wurde verstärkt danach gefragt, welche<br />

strukturellen Bedingungen geschaffen werden müssen, damit eine Schule die an sie<br />

gerichteten Aufgabenstellungen Jeder Schule ihre Lehreradäquat bearbeiten kann.<br />

Zeitlich leicht nachgelagert, aber ideell verknüpft mit den organisatorischen Ausei-<br />

nandersetzungen zum schulischen Organisationssystem, fand die Reformdebatte<br />

um Schulautonomie 110 als einem von drei Kernbereichen des neuen Steuerungsmo-<br />

dells für das Schulwesen (Altrichter/ Maag Merki 2010, 35) verstärkt bildungspoliti-<br />

sche und wissenschaftliche Berücksichtigung. Die eingebrachte Autonomievorstel-<br />

lung galt vielerorts als Projektionsfläche für divergierende und teilweise ambivalente<br />

Argumente und Ansprüche (Munín 2001). Die Diskussion um funktionale und reali-<br />

sierbare Autonomiemodelle für das Schulwesen leitete <strong>im</strong> Zeitverlauf mehrfach ver-<br />

schiedene Formen des Autonomiegedankens ab, wodurch jeweils differente Bedeu-<br />

tungsgehalte eingeführt wurden (Heinrich 2007, 30 ff.).<br />

Für den an dieser Stelle besprochenen Teilaspekt der bis dato restringierten Beteili-<br />

gung der Einzelschule an der Auswahl und Einstellung ihres Personals ist das kon-<br />

zeptionelle Konstrukt der Schulautonomie, also die Verhältnisbest<strong>im</strong>mung von<br />

Schulorganisation und institutionellem Überbau, bedeutsam. Das benannte Beispiel<br />

symbolisiert den bildungspolitischen Versuch der Übertragung von Handlungs- und<br />

Entscheidungsbefugnissen von einer, in der staatlich-administrativen Aufbauorgani-<br />

sation hierarchisch höher gelegenen, Entscheidungseinheit auf formal untergeord-<br />

nete Einheiten <strong>im</strong> schulischen Entscheidungsfeld der Personalorganisation 111 (Rü-<br />

rup 2007, 129). Die gesetzliche Verankerung des schulbezogenen Einstellungsver-<br />

fahrens kann als Beispiel für eine verwirklichte Handlungsaufforderung 112 <strong>im</strong> Zuge<br />

der Evolution der Reformidee Schulautonomie eingeordnet werden (Rürup/Heinrich<br />

2007).<br />

Im Dispositionsraum des schulischen Personalmanagements laufen diese beiden<br />

aufeinander verweisenden Diskurse, die organisationale Entwicklung der Einzel-<br />

schule und die Stärkung der Schulautonomie, gewissermaßen zusammen. Zum<br />

einen wird die Bedeutung der personalen Ausstattung einer Schule für Unterricht<br />

und Organisationsqualität betont, zum anderen halten, wenn auch eingeschränkt,<br />

Kompetenzverlagerungen von vom pädagogischen Komplex abgekoppelten admi-<br />

nistrativen Stellen hin zu schulinternen Verantwortungsträgern Einzug. Damit erwei-<br />

tert sich in manchen Aspekten der Möglichkeitsraum für die Ansetzung und Verwirk-<br />

110 Kritische Anmerkungen zum Begriff der Schulautonomie finden sich bei Berkemeyer (2010, 42).<br />

111 Die Personalorganisation ist bezüglich der Reichweite des Agierens weiter gefasst als der von Rolff<br />

ins Feld geführte Bereich der Personalentwicklung <strong>im</strong> Rahmen der Schulentwicklung.<br />

112 Eigene Anmerkung: Und ebenso als verwirklichende Handlungsaufgabe.


69 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

lichung selbstorganisatorischer Prozesse für die Schuleinheiten, hier bezogen auf<br />

den inputseitigen Teilbereich des Personalmanagements (Buhren/Rolff 2002, 30 ff.;<br />

Meetz 2007).<br />

Mit Blick auf den Fall des Schulbezogenen Lehrerauswahl- und Einstellungsverfah-<br />

ren waren mit dieser Systemumstellung best<strong>im</strong>mte funktionale Hoffnungen ver-<br />

knüpft. Wenngleich die Quellenlage diesbezüglich recht spärlich ist, soll nachfolgend<br />

auf die Zwecksetzungen, die mit diesem Instrument verknüpft sind, eingegangen<br />

werden.<br />

4.1.3 Funktion, Erwartungen und Effekte der Implementation<br />

Die Dezentralisierung der Ressourcenverantwortung gehört zu einem umfangrei-<br />

chen Reservoir an Steuerungsinstrumenten und -ansätzen, die auf eine erweiterte<br />

Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der einzelnen Schule abzielen. Unter<br />

dem Eindruck der oben vorgestellten Diskussionszusammenhänge wurde auch<br />

vermehrt die Frage nach einem geeigneten Verfahren der Personalrekrutierung auf-<br />

geworfen (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001). Die Entscheidung über die partielle<br />

Überantwortung der Steuerung des Auswahl- und Einstellungsprozesses zur einzel-<br />

nen Schulorganisation war eingebettet in einen übergreifenden Begründungszu-<br />

sammenhang und entspricht der „Idee der (Teil-)Autonomisierung“ (Böttcher 2007,<br />

189). Wenn die jeweiligen organisationalen Einheiten des <strong>Schulsystem</strong>s adressier-<br />

bar für verantwortliches Agieren in Hinblick auf die Erzeugung von Lernergebnissen<br />

sein sollen, müssen ihnen auch die notwendigen Verfügungsrechte zur Gestaltung<br />

leistungsförderlicher Lernumgebungen gewährt werden, so die Argumentation. Im<br />

Rahmen einer Selbstorganisation der Schule (Rolff 1993) unter der Prämisse einer<br />

adäquaten Zielerreichung sind Lehrpersonen mitsamt ihrer qualifikatorischen Aus-<br />

stattungen als Bedingungsfaktor auf Seiten der Inputsteuerung<br />

(Bos/Holtappels/Rößner 2006, modellhaft 83) zu verorten. Die Abweichung vom<br />

traditionellen Verfahren der Zuteilung der Lehrkräfte in Anbetracht ihrer Listenplat-<br />

zierung darf somit als partielle Umstrukturierung der Inputsteuerung verstanden<br />

werden.<br />

Abseits der governancetheoretischen Einordnung dieses Instruments zur Steuerung<br />

der Lehrpersonen-Verteilung wird nur wenig über die damit verbundenen Zweckset-<br />

zungen, für die das Schulscharfe Auswahl- und Einstellungsverfahren als funktional<br />

eingestuft wird, berichtet. 113 Seitens der Schuladministration Nordrhein-Westfalens<br />

113 Ob das als Ausweis einer behaupteten einfachen Zugänglichkeit der an dieses Konstrukt gerichteten<br />

Funktionserwartungen ist, soll hier nicht ergründet werden. Manifest nachweisen lässt sich ein<br />

Desiderat an Forschungstätigkeiten zur Überprüfung von Folgeerscheinungen dieser Regelungsstruk-


70 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

wurden die Zielsetzungen folgendermaßen formuliert: „Die Überarbeitung des Aus-<br />

schreibungsverfahrens zielt neben der Straffung der Verfahrensabläufe insbesonde-<br />

re darauf ab, die Einflussmöglichkeiten der am Schulleben unmittelbar Beteiligten<br />

auf die Personalauswahl weiter zu stärken“ (Goebel/Schenk 1997, 323) 114 .<br />

Als ein wegweisendes ideelles Substrat darf die Schrift „Zukunft der Bildung – Schu-<br />

le der Zukunft“ der 1992 vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau einge-<br />

setzten Bildungskommission NRW gewertet werden. Sich ebenso auf die Denkfigur<br />

einer ihre Aufgaben in Eigenregie bearbeitenden autonomen Einzelschule bezie-<br />

hend wird für die personelle D<strong>im</strong>ension als eine der entworfenen Leitvorstellungen<br />

aufgegeben, die ortsferne Steuerung der personellen Ressourcenverteilung so zu<br />

ändern, „daß eine Personalauswahl möglich wird, die auf das Programm und Profil<br />

der jeweiligen Schule abgest<strong>im</strong>mt ist.“ (Bildungskommission NRW 1995, 330) 115 Das<br />

Argument in diesem Kontext ist, dass selbstgesteckte Zielvorstellungen und darauf<br />

abgestellte innerschulische Programmatiken die Unterstützung einer entsprechen-<br />

den qualifikatorischen Ausstattung des Personals bedürfen. Ist schulpolitisch eine<br />

„Autonomie der Wege“ (Heinrich 2007) in profilierten, sprich inhaltlich wie organisa-<br />

torisch auf die spezifischen Bedingungslagen abgest<strong>im</strong>mten, Schulumgebungen<br />

gefordert, „which distinguish them from other s<strong>im</strong>ilar schools“ (Schaefers/Terhart<br />

2004, 186), müssen diese Wege für die angesprochenen Akteure gangbar gemacht<br />

werden. Hierzu sind der Schule durch eine entsprechende Ausgestaltung des recht-<br />

lichen Regelsystems Handlungsspielräume zu eröffnen, die es erlauben, „eine Per-<br />

son aus einem Bewerberfeld auszuwählen, die die nötigen Qualifikationen, Erfah-<br />

rungen und persönliche Eigenschaften für eine zu besetzende Stelle aufweist und<br />

auf Dauer bei hoher Arbeitsleistung an dem neuen Arbeitsplatz die Aufgaben der zu<br />

besetzenden Stelle erfüllt.“ (Hercher/Schaefers/Treptow/Rothland 2005, 306). 116<br />

Was in der Wirtschaft 117 sowie in anderen durch arbeitsmäßige Leistungserstel-<br />

lungsprozesse gekennzeichneten Sektoren unvorstellbar ist, nämlich die Einstellung<br />

von Personal ohne jegliche Ansehung des betreffenden Subjekts, war <strong>im</strong> Schulwe-<br />

sen Realität und wurde zunehmend, wie etwa von der Bildungskommission NRW, in<br />

den Fokus der Kritik gerückt. Forschungsergebnisse, die die Relevanz von Koopera-<br />

tur. Jedenfalls sind hierzu keine Forschungen bekannt. Aus eigener Erfahrungen darf gesagt werden,<br />

dass Forschungsinteressen sogar ministeriell be- bis verhindert werden.<br />

114<br />

Ob sich wirklich eine „Straffung der Verfahrensabläufe“ ergeben hat, ist nicht erkennbar, darf aber<br />

aufgrund der weiterhin bestehenden Involvierung der Administration bezweifelt werden, da durch die<br />

Beteiligung der Schule und Kommunikationserfordernisse zwischen den Verfahrensbeteiligten ein<br />

erhöhtes Interaktionsvolumen zu vermuten ist. Siehe hierzu auch Bellenberg, Böttcher und Klemm<br />

(2001, 102).<br />

115<br />

Zum Instrument des Schulprogramms siehe Heinrich/Kussau (2010), zur Schulprofilierung Altrichter/Heinrich/Altrichter-Soukup<br />

(2011).<br />

116<br />

Auffällig ist hier die tayloristische „right man on the right job“-Logik.<br />

117<br />

Bellenberg, Böttcher, Klemm (2001, 95) zur Praxis <strong>im</strong> Wirtschaftssystem: „Dieses Prinzip ist in der<br />

Wirtschaft gang und gäbe: Filialen großer Unternehmen wählen ihre Mitarbeiter selbst aus.“


71 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

tion und themenspezifischer Zusammenarbeit für die Entwicklung von Schule und<br />

Unterricht hinreichend nachweisen (Berkemeyer/Järvinen/Otto/Bos 2011; Fussan-<br />

gel/Gräsel 2009; Bonsen 2005; Ostermeier 2005), stützen diese Kritik <strong>im</strong>plizit von<br />

bildungswissenschaftlicher Seite. Gerade in Anbetracht der breiten „Propagierung<br />

von Schulprogrammarbeit“ (Heinrich 2007, 109) <strong>im</strong> Rahmen einer „standortbezoge-<br />

nen Neukonzeptionalisierung der Steuerungsfrage <strong>im</strong> Schulwesen“ (Heinrich 2007,<br />

109; auch Lange 1999; Maritzen 1999; 2004), welche einer ihrer teilfunktionalen<br />

Best<strong>im</strong>mungen zufolge einen Beitrag zu „intra-organisationalen Governance“ (Hein-<br />

rich/Kussau 2010, 178 ff.) leisten soll, also die Prägekraft sozialer Bezugsnormen<br />

entfalten soll und damit prinzipiell vom Engagement und Zutun der involvierten so-<br />

wie qualifizierten Personen abhängt, wird der Zusammenstellung eines die Organi-<br />

sationsziele akzeptierenden Kollegiums eine Nutzen für die Einzelorganisation<br />

Schule zugerechnet (Böttcher 2002, 227). Ein ähnlicher Ansatz wurde auch <strong>im</strong> Jahr<br />

2002 vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW und der Bertelsmann Stif-<br />

tung aufgelegten Modellvorhaben Selbstständige Schule (Berkemeyer 2010, 215 ff.)<br />

verfolgt. Ganz <strong>im</strong> bis hierher skizzierten steuerungstheoretischen Zeitgeist stehend<br />

wurde die eigenverantwortliche Verbesserung des schulinternen Managements als<br />

ein erfolgsversprechendes Vehikel auf dem Weg zu einer höheren schulischen Qua-<br />

lität verstanden. Im Zuge dessen wurden die Auswahl und Einstellung von Personal<br />

in die Programmatik des Projekts aufgenommen, da hierin ein Baustein für die Rea-<br />

lisierung eines qualitätsorientierten Personalentwicklungskonzepts gesehen wurde<br />

(Lohre/Becker/Madelung/Schnoor/Weisker 2008, 52 f.).<br />

Seitens der Wissenschaft ist das Strukturelement des schulbezogenen Lehreraus-<br />

wahl- und Einstellungsverfahrens offensichtlich mit nur äußerst geringerem Interes-<br />

se bedacht worden, denn es „liegt bislang nur wenig gesichertes Wissen vor.“<br />

(Klemm /Meetz 2004, 12) Zumindest mit Blick auf die ersten Jahre nach Einführung<br />

besteht zumindest für Nordrhein-Westfalen kein Zweifel am hohen Diffusionsgrad<br />

dieses Verfahrens <strong>im</strong> System: <strong>im</strong> Schuljahr 2003/2004 wurden insgesamt 97 Pro-<br />

zent aller neu beschäftigen Lehrkörper schulgesteuert eingestellt (Klemm/Meetz<br />

2004, 12). Angesichts dieser überragenden Bedeutung des Verfahrens für die Plat-<br />

zierung des pädagogischen Personals <strong>im</strong> System darf von einer hohen Akzeptanz<br />

seitens der beteiligten Akteurgruppen ausgegangen werden. 118 Dieser Verdacht wird<br />

von der einzigen, mit dem Strukturelement befassten und vom Ministerium für Wis-<br />

senschaft und Forschung NRW geförderten, wissenschaftlichen Evaluationsstudie<br />

118 Selbstverständlich ist die politisch-administrativ geforderte Vorrangigkeit und Ausschließlichkeit des<br />

Verfahrens zuallererst verantwortlich für die hohe Frequentierung. Dennoch besteht keine durch das<br />

Schulgesetz auferlegte Pflicht zur Nutzung dieses Kanals der Personalgewinnung, weshalb man den<br />

adressierten Systemakteuren einen relativen Einflussgrad zurechnen muss.


72 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

„Die Mitwirkung von Schulen bei der Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern: Er-<br />

fahrungen und Wirkungen“ 119 einer Forschergruppe der <strong>Universität</strong> Münster weitge-<br />

hend bestätigt. Die befragten und mit dem Verfahren vertrauten Schulleitungen und<br />

Mitglieder der Auswahlkommissionen begrüßten die neuen Beteiligungsräume<br />

grundsätzlich. Als entscheidende Gründe für die positive Gesamtbeurteilung gaben<br />

sie das erweiterte Mitspracherecht der Einzelschule, die Möglichkeit des gegenseiti-<br />

gen Kennenlernens sowie eine bedarfsgerecht Personalgewinnung an. Demgegen-<br />

über stehen die die Kostenseite symbolisierende Befunde wie der hohe Arbeits- und<br />

Organisationsaufwand sowie die verhältnismäßig starke Konzentration der Bewer-<br />

berinnen und Bewerber auf die attraktiven Schulformen und Standorte, wonach<br />

Schulen mit ungünstigen Merkmalskombinationen auf das Listenverfahren zurück-<br />

greifen müssen (Treptow/Rothland 2005). Auch der Anspruch, mit der schulscharfen<br />

Auswahl von Lehrkräften einen Mechanismus zur Unterstützung und Stabilisierung<br />

von Maßnahmen der Schulprofilierung und Schulprogrammarbeit zu <strong>im</strong>plementie-<br />

ren, konnte den Befragungsergebnissen zufolge kaum eingelöst werden (Schaefers<br />

2004; Schaefers/Terhart 2004). Die Erfüllung der geäußerten Intention einer unter-<br />

stützenden Funktion des schulbezogenen Einstellungsverfahrens für die einzel-<br />

schulinterne Weiterentwicklung muss somit vorerst angezweifelt werden.<br />

4.1.4 Schulscharfes Auswahl- und Einstellungsverfahren und Ökonomisierung<br />

Für die Betrachtung dieser institutionellen Struktur innerhalb dieser Arbeit sprach<br />

zweierlei: Zum einen passte das Verfahren in das für die gleichmäßige Erfassung<br />

des Gesamtzusammenhangs <strong>Schulsystem</strong> angelegte Schema „Input – Prozess –<br />

Output“, zum anderen wurde zugegebenermaßen vorauseilend erwartet, hierin ei-<br />

nen Ausdruck der kolportierten ökonomisierenden Neukonstruktion des Systems<br />

wiederzufinden. Das zweite Auswahlargument sollte nicht als s<strong>im</strong>plifizierend oder<br />

als Ausweis zwanghafter Investigation herabgewürdigt werden, drängt sich doch bei<br />

der oberflächlichen und theoretisch unreflektierten Betrachtung des Gegenstandes<br />

schnell die erfahrungsvermittelte Assoziationskette Dezentralisierung,<br />

Vermarktlichung, Konkurrenzerzeugung, Ökonomie auf. Eine systematischere Be-<br />

leuchtung dieses neu geschaffenen strukturellen Rahmens in Hinblick auf seine<br />

mögliche Rolle als Indikator für das Phänomen der Ökonomisierung erscheint not-<br />

wendig. Zu diskutieren ist, unter welchen Fokussen und unter welchem Eindruck<br />

weiterer struktureller Einbettung dieses Verfahren als Indiz für Ökonomisierungsten-<br />

denzen ausgewiesen werden kann.<br />

119 Projektzeitraum: 2002 bis 2004.


73 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Allein die dem wirtschaftlichen Sinnzusammenhang entlehnten Semantiken wie<br />

Personalmanagement oder personelle Inputsteuerung genügen hierfür nicht. Die<br />

oben zitierten Legit<strong>im</strong>ationsversuche mit Blick auf die den pädagogischen Ansprü-<br />

chen einer Schule eher entsprechenden organisationalen Um- und Restrukturierun-<br />

gen erscheinen durchaus plausibel. Einer Schuleinheit, die für sich und ihre indivi-<br />

duelle Einordnung in größere Sozialzusammenhänge die besten Mittel und Wege<br />

finden soll, um dem Leitziel einer allen Systemebenen nutzenden Qualitätsentwick-<br />

lung der Entität und, <strong>im</strong> Endeffekt, Leistungsverbesserung der Schülerschaft zu ge-<br />

nügen, sollte auch die Chance zugestanden sein, ihre personale und damit qualifi-<br />

katorische Ausstattung den Anforderungen entsprechend zu gestalten. Für den pri-<br />

vatwirtschaftlichen Sektor konnten zumindest positive Zusammenhänge zwischen<br />

dem Personalmanagement und dem Unternehmenserfolg empirisch nachgewiesen<br />

werden (Gmür/Schwerdt 2005). Für den hier beschriebenen Kontext konnten derar-<br />

tige Erfolgsmeldungen zwar nicht vernommen werden 120 , dennoch wird die auf Par-<br />

tizipation ausgelegte Ordnungsstruktur an sich sowie der damit einhergehende Zu-<br />

gewinn an Graden der Einflussnahme von den beteiligten Akteuren zumeist positiv<br />

eingeschätzt. 121<br />

Zunächst muss festgehalten werden, dass unter dem traditionellen Reg<strong>im</strong>e des Lis-<br />

tenverfahrens deutliche Defizite an Transparenz zu verzeichnen waren. Die Akteure<br />

von Angebot und Nachfrage waren nur insofern in den Verteilungsprozess von Ar-<br />

beitsleistung involviert, als dass sie einem dritten Akteur, der Schulaufsicht, ihre<br />

jeweiligen Angebote formal signalisierten. Nun, durch die partielle Umstellung des<br />

institutionellen Regelungssettings, geraten die beiden Parteien in die Lage, ihre un-<br />

gleichen und zugleich komplementären Präferenzen (Wiesenthal 2005, 238) unmit-<br />

telbarer zu artikulieren, es ergibt sich eine „doppelte Transparenz“<br />

(Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 114). Die schulischen Auswahlkommissionen<br />

treten hierbei weniger als Käufer angebotener (pädagogischer) Leistungen denn als<br />

Stellvertreter für den Staat als einstellende Instanz auf, mit dem Unterschied, dass<br />

sie sich abseits der formalen Qualifikationen weiterer Eigenschaften und Personen-<br />

merkmale der Bewerber vergewissern können. Die Vergütung der zur Disposition<br />

stehenden Arbeitsleistung ist in der Situation des Auswahlgesprächs kein Gegen-<br />

stand, da diese gesetzlich bzw. tarifvertraglich festgelegt und somit je nach Stufe<br />

vereinheitlicht ist (Füssel 2011). Ein Operieren <strong>im</strong> Medium Geld ist in dieser Situati-<br />

on aufgrund des vollständigen Wissens über die <strong>im</strong> Einstellungsfall realisierte Ver-<br />

gütungshöhe ausgeschlossen. Oder anders: Der Verkaufspreis der pädagogischen<br />

120 Anders als in wirtschaftlichen Funktionszusammenhängen ergibt sich für die Schule wohl auch ein<br />

Messproblem.<br />

121 Siehe die oben zitierten Forschungsbefunde.


74 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Arbeitsleistung ist unabhängig von der Beschaffenheit des Gutes vorab fixiert. Im<br />

Auswahlgespräch wird nur darüber entschieden, ob der Tausch von Arbeitsleistung<br />

und Geld durch die Beschäftigung in genau dieser, in die Auswahlinteraktion einge-<br />

bundene, Schule und genau für diese eine Anstellung suchende Lehrkraft erfolgt.<br />

Auch wenn mit der Installierung dieses Verfahrens eine „Verlagerung von Manage-<br />

mentaufgaben auf die einzelne Schule“ (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 117)<br />

vollzogen wird, kann nicht von einer Managerialisierung <strong>im</strong> Sinne Heinzes (2009,<br />

37) gesprochen werden. Ein monetäres Kostenbewusstsein wird auf Seiten der<br />

handelnden Akteure in den Schulen nicht hervorgerufen. Zwar haben Goebel und<br />

Schenk (1997) die Straffung der Verwaltungsabläufe als eine Zielkategorie ausge-<br />

wiesen. Dieser Anspruch gilt, insofern er durch dieses Instrument einlösbar ist, aber<br />

eher für die verwaltende Ebene des <strong>Schulsystem</strong>s. In der Schule selbst wird das<br />

Prinzip opt<strong>im</strong>alerer Effizienz der internen Leistungsvollzüge durch die Mitwirkung an<br />

der Personalauswahl nicht provoziert, weil kein Mechanismus potentieller Kosten-<br />

einsparung mitinstalliert wurde. Wenn überhaupt ist den Vertretern der schulischen<br />

Auswahlkommissionen die Absicht zu unterstellen, durch die auf eine Form von<br />

„Passung“ fußende Auswahl den schulintern formulierten Zielsetzungen näher zu<br />

kommen, also ein höheres Maß an Effektivität zu erreichen. Effektivität entspricht,<br />

anders als Ressourceneffizienz, nicht ausschließlich der ökonomischen Logik, son-<br />

dern ist jeder systemischen Rationalität inhärent. Wenn eine Schule den für sich<br />

bestgeeigneten Kandidaten auswählt, kann sie ihre Entscheidung unter den beste-<br />

henden Rahmenbedingungen, begründet durch die festgesetzte Höhe der monetä-<br />

ren Leistungsvergütung, nur nach organisationalen und pädagogischen Maßstäben<br />

treffen. Die Findung und Einstellung des besten Personals kann für Organisations-<br />

systeme als universelle Rationalität bezeichnet werden, Ressourcenwirksamkeit gilt<br />

dementsprechend nicht exklusiv für Wirtschaftssysteme.<br />

Zwei zusätzliche institutionelle Neuerungen können allerdings bewirken, dass der<br />

vornehmlich an einen teilsystemischen Code gekoppelten Organisationslogik neue<br />

Konkurrenz durch die „Intrusion“ weiterer Maßstäbe erwächst. Werden etwa die<br />

staatlich geregelten Besoldungs- und Vergütungssätze für Lehrkräfte gänzlich frei-<br />

gegeben, oder aber erhalten Schulen zusätzlich zu den Entscheidungsbeteiligungen<br />

<strong>im</strong> Bereich der Personalrekrutierung noch Personalbudgets, die eine Variabilität des<br />

Entgeltes ausgehend vom weiterhin bestehenden gesetzlich best<strong>im</strong>mten oder tarif-<br />

lich geregelten Sockelbetrag ermöglichen, können eingebettet <strong>im</strong> schulbezogenen<br />

Verfahren der Auswahl und Einstellung ökonomische Rücksichten Einzug halten. In<br />

den konkreten Verhandlungssituationen kann unter diesem institutionellen Ermögli-<br />

chungsrahmen nun auch <strong>im</strong> Medium Geld kommuniziert werden. Die Schule als


75 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Organisationseinheit, die nun auch monetäre Ressourcen verwalten darf, kann ver-<br />

suchen, durch geschicktes Verhandeln ihren Geldbestand dadurch nur verhältnis-<br />

mäßig gering zu strapazieren, dass möglichst tiefe Entgelte ausgehandelt und in<br />

den Arbeitsverträgen festgeschrieben werden. 122 Gerade weil sich mit der Einfüh-<br />

rung von schulbezogenen Ausschreibungsverfahren eine gewisse Öffentlichkeit und<br />

Transparenz des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage eingestellt hat, können<br />

hier bewusst Wettbewerbssituationen erzeugt werden. Wenn mehrere Bewerber<br />

sich um die eine zu besetzende Stelle bewerben und die Geldd<strong>im</strong>ension als Unter-<br />

scheidungskriterium eingeführt wird, können pädagogische Aspekte an Dominanz<br />

für die Auswahl des Bewerbers einbüßen. Entscheidungsvollzüge der verantwortli-<br />

chen schulischen Vertreter strukturieren sich nunmehr nicht ausschließlich auf der<br />

Grundlage von Kompatibilitätserwägungen zwischen der fachlich-pädagogischen<br />

Qualifikationsbasis des Interessenten und dem pädagogischen Programm der Schu-<br />

le, sprich an Effektivitätsgesichtspunkten, sondern nebenbei gewinnt die Bezugs-<br />

norm des Erhalts organisationaler Zahlungsfähigkeit bei gleichzeitiger Zweckerfül-<br />

lung an Relevanz. Die Bewerberauswahl würde dann in stärkerem Maße nach Effi-<br />

zienzgesichtspunkten, entsprechend dem Rationalitätsverständnis wirtschaftlicher<br />

Zusammenhänge (Sch<strong>im</strong>ank 2005a, 58), vollzogen. Nicht die Frage, welcher Be-<br />

werber die besten Eigenschaften für das pädagogische Fortkommen der Schule<br />

ausweist, sondern vielmehr die Abwägung, zu welchen finanziellen Konditionen sich<br />

welche pädagogische Qualität einkaufen lässt, wäre leitend für die Entscheidung für<br />

oder gegen einen Bewerber. Dort, wo früher womöglich keine Kompromisse einge-<br />

gangen worden wäre, konkurrieren nun pädagogische Zweckentscheidungen mit<br />

ökonomischen Unterscheidungen. Insofern, als dass Entscheidungssituationen in-<br />

folge einer Neueinführung von wirtschaftlichen Teilsystemreferenzen (Kostenbe-<br />

wusstsein) an Eindeutigkeit verlieren, weil hier zwei eigentlich unvergleichliche Re-<br />

ferenzsysteme in Beziehung gesetzt werden sollen, kann von ökonomisierenden<br />

Einflüssen durch veränderte Handlungsrahmen gesprochen werden.<br />

In der derzeitigen Handhabung allerdings kann nicht behauptet werden, dass das<br />

Verfahren der schulbezogenen Lehrerauswahl und -einstellung ökonomisierend auf<br />

das <strong>Schulsystem</strong> und seine Akteure wirkt. Die aktuelle Konfiguration bedeutet<br />

schlichtweg eine Verfahrensumstellung und Verantwortungsverlagerung <strong>im</strong> Zeichen<br />

eines spezifischen Governance-Reg<strong>im</strong>es.<br />

122 Modelle der Personalbudgetierung von Einzelschulen wurden bereits erprobt, haben aber bislang<br />

keine Breitenwirkung erreichen können (Bellenberg/Böttcher/Klemm 2001, 120).


76 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

4.2 Steuerungsinstrument II: Ganztagsschule und Prozesssteuerung<br />

4.2.1 Begründungszusammenhang des Reformprogramms Ganztagsschule<br />

Das den Akteuren aus Bildungspolitik und -administration schon vor der Veröffentli-<br />

chung der ersten Ergebnisse der PISA-Studie <strong>im</strong> Jahr 2001 (Deutsches PISA-<br />

Konsortium 2001) bekannte schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen<br />

und Schüler, die an den Leistungstests teilgenommen haben, sorgte für große Be-<br />

triebsamkeit auf diesen Ebenen. Noch am selben Tag verabschiedete die Konferenz<br />

der deutschen Kultusminister (KMK) einen Maßnahmenkatalog mit insgesamt sie-<br />

ben Positionen, <strong>im</strong> öffentlichen Sprachgebrauch geläufig als die KMK-<br />

Handlungsfelder. Hierin verkünden die Länder unisono Aktivitäten „zum Ausbau von<br />

schulischen und außerschulischen Ganztagsangeboten mit dem Ziel erweiterter<br />

Bildungs- und Fördermöglichkeiten, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit<br />

Bildungsdefiziten und besonderen Begabungen.“ (KMK 2002, 7)<br />

Die formulierten Zielsetzungen der Schaffung von erweiterten Bildungs- und För-<br />

dermöglichkeiten sowie die partielle Fokussierung auf Schülerinnen und Schüler mit<br />

Defiziten <strong>im</strong> Bereich des Lernens schulischer Inhalte und des Aneignens von Prob-<br />

lemlösefähigkeiten muss als Reaktion 123 auf den, neben den <strong>im</strong> Durchschnitt allge-<br />

mein verbesserungsbedürftigen Testergebnissen, hervorstechenden Befund der in<br />

Deutschland stark ausgeprägten Kopplung von sozialer Herkunft und erreichten<br />

Kompetenzwerten (Baumert/Schümer 2001; Ehmke/Jude 2010) verstanden werden.<br />

Die Erwartungshaltung an den schulischen Ganztag wird somit direkt hoch ange-<br />

setzt, wird doch <strong>im</strong>plizit davon ausgegangen, „dass dies eine Maßnahme ist, die<br />

dazu beitragen kann, die bei PISA festgestellten Defizite auszuheben. Es wird somit<br />

unterstellt, dass (zumindest für einen Teil der Schülerschaft) Ganztagsschulen bes-<br />

sere Bedingungen bieten, um die notwendigen fachlichen Kompetenzen zu erwer-<br />

ben und um die soziale Auslese zu reduzieren.“ (Till-<br />

mann/Dedering/Kneuper/Kuhlmann/Nessel 2008, 183) 124 Dieser vermutete positive<br />

Effekt der Ausdehnung von Schulzeit auf den Nachmittag und höherer Leistungen<br />

auf Seiten der Kinder und Jugendlichen genügte, um die Felder der Bildungspolitik<br />

und der Bildungswissenschaften zu erhöhter Aktivität anzuregen.<br />

In diesem Kontext schaltete sich ebenso die Bundespolitik verstärkt ein. Sinnbildlich<br />

hierfür steht das Engagement des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />

123 Ähnliche Reaktionsmuster lassen sich auch z.B. für die Schweiz feststellen (Schüpbach 2010, 42)<br />

124 Bis zu diesem Zeitpunkt lagen keinerlei Evidenzen vor, die auf die Erreichung dieser Wirkungshorizonte<br />

durch die ganztägige Beschulung hinweisen.


77 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

(BMBF), welches für die Jahre 2003 bis 2009 125 das „Investitionsprogramm Zukunft<br />

Bildung und Betreuung“ (IZBB) mit einem Gesamtvolumen von vier Milliarden Euro<br />

aufgelegt wurde. Damit ist es eins der größten Bildungsprogramme, die es jemals in<br />

Deutschland gab. In der Präambel der Verwaltungsvereinbarung zum IZBB heißt es:<br />

„Mit dem Investitionsprogramm ‚Zukunft Bildung und Betreuung‘ soll die Schaffung<br />

einer modernen Infrastruktur <strong>im</strong> Ganztagsschulbereich unterstützt und der Anstoß<br />

für ein bedarfsorientiertes Angebot in allen Regionen gegeben werden. Die Quali-<br />

tätsverbesserung unseres Bildungssystems hat eine nachhaltige gesamtwirtschaftli-<br />

che D<strong>im</strong>ension. […] Ziel des Programms ist es zusätzliche Ganztagsschulen zu<br />

schaffen und bestehende Ganztagsschulen qualitativ weiterzuentwickeln.“ (BMBF<br />

2003a) Die durch PISA aufgedeckten bisher ungenutzten Reserven der Schülerin-<br />

nen und Schüler sollen explizit durch das Instrument der Ganztagsschule verfügbar<br />

gemacht werden.<br />

Zusätzlich zu den Mitteln aus dem Bundeshaushalt förderten die Bundesländer den<br />

Ausbau der Ganztagsschullandschaft bis 2009 mit Eigenleistungen in Höhe von<br />

rund 400 Millionen Euro (BMBF 2009, 6). Die Volumina der Finanzhilfen je Land<br />

orientierten sich an den jeweiligen Schülerzahlen der Pr<strong>im</strong>ar- und Sekundarstufe I<br />

des Schuljahres 2000/2001. Die Gelder des Bundes wurden anteilsmäßig an die<br />

Länder verteilt, die dann wiederum die Mittel auf Basis länderspezifischer Förder-<br />

richtlinien an die einzelnen Schulen, die einen Förderantrag gestellt haben, weiter-<br />

leiteten. Bis zum 31.12.2009 konnten die bereitgestellten Fördermittel von den Län-<br />

dern verausgabt werden. Im Förderzeitraum wurden in Deutschland insgesamt<br />

8.262 Schulen mit Finanzierungshilfen für Neubau-, Ausbau-, Umbau- und Renovie-<br />

rungsmaßnahmen versorgt (Stand 2012). 126<br />

4.2.2 Quantitativer Ausbau und Nutzung von Ganztagsangeboten in Deutsch-<br />

land<br />

Angetrieben durch die bildungspolitischen Bemühungen ist eine deutliche Steige-<br />

rung bezüglich des Ausbaustandes an Ganztagsschulangeboten zu verzeichnen.<br />

Laut der definitorischen Best<strong>im</strong>mungen des Schulausschusses der KMK von 2003<br />

müssen folgende Merkmale vorliegen, damit die Bezeichnung Ganztagsschule ge-<br />

führt werden darf: Unterricht über den Vormittag hinaus an mindestens drei Tagen in<br />

der Woche in einem Umfang von sieben Zeitstunden, die Bereitstellung eines Mit-<br />

tagessens für die Schülerinnen und Schüler sowie die auf Seiten der Schulleitung<br />

125 Laut IZBB Verwaltungsvereinbarung vom 29.04. 2003 war der Förderzeitraum zunächst bis 2007<br />

angesetzt. Erst nachträglich wurde die Verlängerung bis zum Jahr 2009 beschlossen.<br />

126 Laut der offiziellen Programmhomepage des BMBF http://www.ganztagsschulen.org/1108.php (Zu-<br />

griff am 01.09.2012).


78 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

liegende Verantwortlichkeit für die Organisation der Angebote. Die KMK (2007) un-<br />

terscheidet dabei zwischen drei Organisationsformen:<br />

In der voll gebundenen Form sind alle Schülerinnen und Schüler verpflich-<br />

tet, an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeit-<br />

stunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen.<br />

In der teilweise gebundenen Form verpflichtet sich ein Teil der Schülerin-<br />

nen und Schüler (z. B. einzelne Klassen oder Klassenstufen), an mindestens<br />

drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganz-<br />

tägigen Angeboten der Schule teilzunehmen.<br />

In der offenen Form können einzelne Schülerinnen und Schüler auf Wunsch<br />

an den ganztägigen Angeboten dieser Schulform teilnehmen. Für die Schü-<br />

lerinnen und Schüler ist ein Aufenthalt, verbunden mit einem Bildungs- und<br />

Betreuungsangebot in der Schule, an mindestens drei Wochentagen <strong>im</strong> Um-<br />

fang von täglich mindestens sieben Zeitstunden möglich.<br />

Seit 2002 lässt sich für Deutschland ein kontinuierlicher Ausbau ganztägiger Ange-<br />

bote für alle Schularten und Organisationsmodelle nachweisen. Für Deutschland<br />

stieg die Zahl der Verwaltungseinheiten mit Ganztagsbetrieb zwischen 2002 und<br />

2010 von insgesamt 4.951 auf 11.825 an, diese allgemeine Tendenz gilt für alle<br />

Organisationsformen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Trotz dieser<br />

generell gleichgerichteten Entwicklung lassen sich bisweilen deutliche Differenzen in<br />

den Ausbauständen je Schulart, Organisationsform und Bundesland feststellen. Im<br />

Extremvergleich variieren die Anteile der Ganztagsschulen an allen Schulen <strong>im</strong> Be-<br />

zugsjahr 2009 zwischen Baden-Württemberg (21,8 Prozent) und Sachsen (95,8<br />

Prozent) um 74 Prozentpunkte (Berkemeyer/Bos/Manitius 2012). Auch in der Nut-<br />

zung der Ganztagsangebote je Land sind zum Teil hervorstechende Unterschiede<br />

festzustellen. So besuchen <strong>im</strong> Jahr 2009 in Bayern nur 8,5 Prozent aller Schülerin-<br />

nen und Schüler eine Ganztagsschule und nur 3,2 Prozent eine Ganztagsschule in<br />

voll gebundener Form, wohingegen die Werte für Sachsen bei 72,7 Prozent bzw.<br />

28,7 Prozent liegen (Berkemeyer/Bos/Manitius 2012).<br />

Die Beobachtung der quantitativen Ganztagsschulentwicklung offenbart also einen<br />

allgemeinen Trend hin zu einer voranschreitenden Verbreitung dieses Reformmo-<br />

dells, wobei je nach merkmalsbezogener Differenzierung der Betrachtung Unter-<br />

schiede festzustellen sind. Die Themenbereiche der diskursleitenden, mit der Etab-<br />

lierung der ganztägigen Schule verknüpften, Ziel- und Zwecksetzungen, der konkre-<br />

ten Handlungserfordernisse bezüglich der Organisationsgestaltung sowie der auf


79 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

den Ganztagsbesuch zurückführbaren Wirkungen auf Schülerebene sind Gegen-<br />

stände des folgenden Unterkapitels.<br />

4.2.3 Leitvorstellungen, Wirkungen und organisationale Konsequenzen des<br />

Ganztages<br />

Die Forcierung des quantitativen wie qualitativen Ausbaus von Ganztagsschulange-<br />

boten wird in Deutschland zumeist über zwei medial prominent platzierte Begrün-<br />

dungslinien 127 diskutiert: Einerseits wird ein bildungswissenschaftlicher Blick auf die<br />

Referenzkategorien Bildung, Betreuung und Erziehung der Ganztagsschulausbau<br />

unter den Zielhorizont erweiterter Bildungs- und Förderungsmöglichkeiten gerichtet,<br />

wobei insbesondere die Erzeugung verbesserter Schulleistungen und eine differen-<br />

zierte Förderung der Schülerinnen und Schüler in den Vordergrund gestellt werden<br />

(bildungsinterne Argumentationslinien) (Bettmer/Maykus/Prüß/Richter 2007). Hie-<br />

runter sind auch sozialpolitische Argumente zu verorten, die auf eine kognitive An-<br />

regung „bildungsferner Milieus mit dem Ziel größerer Bildungsgerechtigkeit und ge-<br />

ringerer Armutsrisiken“ abstellen (Kolbe/Reh/Idel/Fritzsche/Rabenstein 2009, 12).<br />

Daneben ist mit der Bereitstellung nachmittäglicher Betreuungsmöglichkeiten für<br />

Kinder und Jugendliche die arbeitsmarkt- und familienpolitische Erwartung ver-<br />

knüpft, positive Effekte auf die Teilnahmebedingungen für den Arbeitsmarkt, speziell<br />

mit Bezug auf die Generierung einer höheren Frauenerwerbsquote, zu zeitigen (bil-<br />

dungsexterne Argumentationslinien) 128 (Höhmann/Holtappels/Schnetzer 2004;<br />

Kuhlmann/Tillmann 2009). Unter dem übergeordneten Leitbild „Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf“ soll die Entwicklung des Ganztages verstärkt zur Lösung des von<br />

der Bundesregierung erkannten und als dringlich eingestuften „Vereinbarkeits- und<br />

Betreuungsproblems“ beitragen (BMFSFJ 2011). Mit Beginn des IZBB wurde der<br />

Ganztagsschulausbau ausdrücklich unter den Kontext der besseren Ausschöpfung<br />

des vorhandenen Potentials ausgebildeter Arbeitskräfte gestellt (BMBF 2003a).<br />

Coelen (2009) zufolge wird der volkswirtschaftliche Topos <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

den Diskussionen um eine verlängerte Schulzeit in anderen europäischen Staaten<br />

demonstrativer als hierzulande debattiert. Die Entbindung von Eltern aus ihrer per-<br />

manenten Aufsichtspflicht für ihre Kinder und der damit einhergehenden Freisetzung<br />

von Arbeitskraftpotentialen für den Arbeitsmarkt infolge der staatlich-organisierten<br />

Ausweitung der verantworteten Verwahrungszeit läuft <strong>im</strong> deutschen Ganztagsschul-<br />

127 Die vorgebrachten Teildiskurse sind nur eine Auswahl eines umfassenderen und facettenreicheren<br />

Diskurszusammenhangs. Kolbe/Reh/Idel/Fritzsche und Rabenstein (2009, 12) machen ein „Spektrum<br />

verschiedener Legit<strong>im</strong>ationsfiguren, die den Ganztagsschulen Anerkennung verschaffen können“ aus.<br />

Tillmann (2003) unterscheidet die drei Begründungen „Sozialpolitische Motive“, „Erzieherische Motive“<br />

und „Schulpädagogisch-didaktische Motive“.<br />

128 Die verschiedenartigen Begründungen zur Legit<strong>im</strong>ation der Ganztagsschulentwicklung sind nicht<br />

<strong>im</strong>mer eindeutig voneinander zu trennen. Die hier vorgeschlagene Gliederung ist sozusagen als<br />

„gröbste“ Unterscheidung zu verstehen.


80 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

diskurs vielmehr <strong>im</strong>plizit mit und firmiert eher unter der Überschrift „Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf“ (Züchner 2011), als dass wirtschaftliche Erwägungen deut-<br />

lich benannt werden. Allein eine Studie auf Basis eines prospektiven Wachstums-<br />

modells des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet „ökonomische Rendi-<br />

ten einer besseren Ganztagsbetreuung“ (An-<br />

ger/Fischer/Geis/Lotz/Plünnecke//Schmidt 2012), wobei diese einerseits aus Erhö-<br />

hungen der Erwerbstätigenquoten, speziell von Alleinerziehenden, sowie anderer-<br />

seits aus erwarteten verbesserten Kompetenzen der nachwachsenden Generatio-<br />

nen, denen Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt unterstellt werden, resultieren sol-<br />

len.<br />

Unabhängig von den verschiedenen Begründungsversuchen in den jeweiligen Dis-<br />

kursräumen beschäftigen sich die Bildungswissenschaften vornehmlich mit den pä-<br />

dagogischen, respektive leistungsbezogenen, Effekten des zeitlich ausgeweiteten<br />

Zugriffs auf die Schulkinder als Subjekte von Bildungsprozessen. Der Logik nach<br />

soll das Mehr an verfügbarer Bildungszeit auch Mehrwerte hinsichtlich der Perfor-<br />

manz bewirken. 129 Die direkte argumentative Verbindungslinie zwischen den unbe-<br />

friedigenden Ergebnissen in der PISA-I-Studie und dem forcierten Ganztagsschul-<br />

ausbau begründet die drängendste Erwartung der Anspruchsgruppen, die Verbes-<br />

serung der Schülerleistungen in den zugrunde gelegten D<strong>im</strong>ensionen der Messun-<br />

gen. Die Forschungsbefunde zu diesem vermuteten Wirkzusammenhang konnten<br />

die in den Ganztag gesetzten Hoffnungen bislang nicht bestätigen. Weder eine um-<br />

fangreiche, auch den internationalen Kontext einbeziehende, Literatursichtung bis<br />

dato publizierter Befunde (Radisch/Klieme 2004) noch eine Sekundäranalyse von<br />

aus dem Jahr 2011 stammenden Daten der IGLU-Studie (Internationale Grund-<br />

schul-Lese-Untersuchung) (Radisch/Klieme/Bos 2006) konnten den Nachweis er-<br />

bringen, dass Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern aus<br />

Ganz- und Halbtagsschulen bestehen. Damit in Einklang stehen jüngst berichtete<br />

Ergebnisse für den Sekundarschulbereich auf Grundlage von PISA-Daten<br />

(Berkemeyer/Bos/Manitius 2012, 76 ff.). Belege über wünschenswerte Wirkungen<br />

der Teilnahme an extracurricularen Aktivitäten wurden bislang allenfalls für „weiche-<br />

re“ Faktoren wie dem Sozialverhalten (Firscher/Kuhn/Züchner 2011; Kanevski/von<br />

Salisch 2011) und dem Risiko für Klassenwiederholungen (Steiner 2011) empirisch<br />

dokumentiert.<br />

Manche Untersuchungsergebnisse verschieben den Aufmerksamkeitshorizont für<br />

die Ermittlung von Wirkungen des schulischen Ganztages weg von „direkten“ hin zu<br />

129 Sinnbildlich hierfür steht eine Informationsbroschüre des BMBF (2003b) mit dem Titel „Ganztags-<br />

schule. Zeit für mehr.“


81 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

„indirekten“ Bedingungsgefügen (Radisch 2009, 82). Beispielsweise belegen Kuhn<br />

und Fischer (2011) den positiv vermittelnden Einfluss der gelingenden Förderung<br />

des pro-sozialen Verhaltens <strong>im</strong> Ganztagsbetrieb auf die Erzielung besserer Schul-<br />

noten. Erkenntnisse dieser Art befördern sozial- und reformpädagogische Bestre-<br />

bungen, dem Ganztagsschulbetrieb seinen ausschließlichen Fokus auf Unterricht<br />

und formelles Lernen zu nehmen bzw. diesen durch alternative pädagogische An-<br />

gebote zu ergänzen. 130 Propagiert werden etwa Konzepte einer „Ganztagsbildung“<br />

als Institutionalisierungsform, die differente pädagogische Ansätze und Absichten zu<br />

einer neuen Praxis verknüpfen (Otto/Coelen 2004). Ein in dieser Weise neu zuge-<br />

schnittener Einwirkungsraum der Institution Schule abseits des Unterrichtsgesche-<br />

hens bedarf der Beiträge weiterer Akteure bzw. Professionen. Zuvorderst wird hier<br />

die als naheliegend erachtete Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe und die<br />

damit einhergehende Hinwendung der Schule zum umgebenen Sozialraum themati-<br />

siert (Boley/Gitbrod 2007; Richter 2007; Mack 2009). Einer „multiprofessionellen<br />

Kooperation“ zwischen Lehrkräften und weiterem pädagogisch tätigen Personal wird<br />

als eine zentrale Gelingensbedingung für die erfolgreiche pädagogische Arbeit an<br />

Ganztagsschulen betrachtet (Tillmann/Rollet 2011; Bött-<br />

cher/Maykus/Altermann/Liesegang 2011), zumal auf diesem Wege die Handlungs-<br />

und Problemlösefähigkeit der Schuleinheit (Haenisch 2010) vergrößert werden soll.<br />

Die Lokalisierung der Ganztagsschule zwischen Schulleben und Freizeitbereich<br />

(Holtappels 1994, 135) nötigt der Schulorganisation ausdifferenzierte Vernetzungen<br />

mit Akteuren der Umwelt ab. Im Rahmen der „Studie zur Entwicklung der Ganztags-<br />

schule“ (StEG) wurden vielfältige kooperative Verbindungen mit den unterschied-<br />

lichsten Berufsgruppen, vom Übungsleiter <strong>im</strong> Sport über den Kinderpfleger bis zum<br />

Musikpädagogen, belegt. Damit einhergehend öffnen sich die untersuchten Schu-<br />

len, neben den üblichen Partnerschaften mit anderen staatlich-öffentlichen Akteuren<br />

wie dem Jugendamt oder der Polizei, auch gegenüber Leistungsanbietern aus den<br />

frei-gemeinnützigen und gewerblichen Bereichen. Den Zugang zum schulischen<br />

Verantwortungsbereich haben sich beispielsweise kommerzielle Anbieter aus Sport-<br />

und Musikschulen, aber ebenso aus der Industrie und dem sonstigen Dienstleis-<br />

tungssektor verschafft (Arnoldt 2007, 89).<br />

Die Nutzung der durch einen Ganztagsbetrieb neu hinzugewonnenen Zeiträume für<br />

die Weiterentwicklung Schule als Lern- und Lebensort unter Mithilfe außerschuli-<br />

scher Kooperationspartner verlangt den bislang hauptsächlich pädagogisch tätigen<br />

schulischen Akteuren vorab unbekannte Formen und Qualitäten organisatorischer<br />

130 Schon vor dem Zeitalter der großen internationalen Schulleistungsvergleiche wurde die Einführung<br />

einer auf den Nachmittag ausgedehnten Schulzeit <strong>im</strong> Kontext der Erneuung des Bildungs- und Lernverständnisses<br />

auch auf schulpädagogischer Seite diskutiert (Holtappels 1994).


82 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Arbeit ab. Arnoldt (2011, 313) betont hier insbesondere Handlungsbereiche wie die<br />

Organisation von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Koordination institutio-<br />

neller Einzelleistungen sowie die Sicherstellung der Ressourcenausstattung. Unter<br />

dem Eindruck des Steuerungsmodus einer erhöhten Teilautonomie stehend sieht<br />

sich die Schuleinheit mitsamt den Lehrkräften von nun an, wird ihnen zumindest das<br />

Bestreben einer den bildungspolitischen Zielsetzungen gemäßen Ausgestaltung<br />

ihrer Handlungsspielräume zugeschrieben, einem erhöhten „Koordinationszwang“<br />

(Tillmann 2009, 255) ausgesetzt. Hierzu gehört auch, den laufenden Betrieb der<br />

Ganztagsangebote durch eine angemessene Personalausstattung sicherzustellen.<br />

So ist es den Einzelschulischen gestattet, sich für die Aufrechterhaltung ihrer koope-<br />

rativen Beziehungen eigene finanzielle Gestaltungsspielräume zu erschließen<br />

(Höhmann/Bergmann/Gebauer 2007, 78). Manche Ministerien der Länder betonen<br />

hier ausdrücklich die Möglichkeit, das Schulbudget durch Einnahmen von Dritten<br />

aufzustocken, um die Kosten der Verwirklichung von Ganztagsangeboten zu decken<br />

bzw. um sich neue Gestaltungsspielräume zu verschaffen. 131<br />

Vor dem Hintergrund der voranstehenden Ausführungen wird nun danach gefragt,<br />

ob und inwiefern sich unter Berücksichtigung der Analysefolie konkrete Hinweise für<br />

durch die Ganztagsschulentwicklung hervorgerufene Ökonomisierungserscheinun-<br />

gen finden lassen bzw. ob die Inbetriebnahme einer Ganztagsschule Perspektiven<br />

für ökonomisierende Prozesse bereithält.<br />

4.2.4 Ganztagsschule und Ökonomisierung<br />

Schon die Agenda zum Ganztagsschulausbau in Deutschland <strong>im</strong> Nachgang der<br />

PISA-I-Studie wurde von staatlicher Seite mit ökonomischen Argumentationen be-<br />

stückt. Gerade die wegen ihrer familiären Pflichten häufig gebundenen jungen Müt-<br />

ter sollen dem Arbeitsmarkt verfügbar gemacht werden. Insbesondere für die gebur-<br />

tenschwachen oberen Sozial- und Bildungsschichten wird der Bereitstellung von<br />

Betreuungs- und Bildungsorten in schulischer Verantwortung am Nachmittag eine<br />

positive Anreizwirkung für ihre Fertilitätsentscheidungen zugesprochen<br />

(Hank/Kreyernfeld/Spieß 2004). Zudem bedeutet die Ausweitung des schulischen<br />

Verantwortungsraumes <strong>im</strong> Zuge der Grenzverschiebung zwischen Schul- und Um-<br />

weltsystem(en) (Kolbe/Reh 2009,) ein neu hinzugewonnen Bedarf an Personal ver-<br />

schiedenster beruflicher Herkunft (siehe oben). Gerade für dienstleistende Berufs-<br />

gruppen tun sich neue Tätigkeitsfelder auf: „Was bislang an Kindererziehung […]<br />

etc. <strong>im</strong> Haushalt geleistet wurde und aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung<br />

131 Z.B. hat Niedersachen hier Regelungen in Form eines Runderlasses getroffen, siehe<br />

http://www.landesschulbehoerde-niedersachsen.de/themen/schulorganisation/gts (Zugriff 05.09.2012)


83 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

nicht mehr geleistet werden kann, könnte als Wachstum der entsprechenden<br />

Dienstleistungssektoren in Erscheinung treten (Heinze 2011, 66). Die Ganztagsent-<br />

wicklung kann somit eine ökonomische Bedeutung für den Arbeitsmarkt, insbeson-<br />

dere den Dienstleistungsarbeitsmarkt, entfalten. Die Ganztagsschulreform fungiert<br />

gleichsam als Medium für die „äußere Expansion“ des marktwirtschaftlichen Sys-<br />

tems, dessen Voranschreiten der Staat „als unentbehrlicher Geburtshelfer“ unter-<br />

stützt (Dörre 2009, 38).<br />

Für eine Diagnose ökonomisierender Bewegungen genügen diese Feststellungen<br />

freilich noch nicht. Das mit dem Ganztag einsetzende neue Zeitreg<strong>im</strong>e der Schule<br />

produziert diese Effekte quasi als Nebenprodukte ihres pr<strong>im</strong>är verfolgten Zwe-<br />

ckes. 132 Denn von Bildungspolitik, Wissenschaft und Öffentlichkeit wurde diese Pro-<br />

gramm nahezug exklusiv als notwendige bildungspolitische Aktivität <strong>im</strong> Zuge der<br />

PISA-I-Studie diskutiert (Kuhlmann/Tillmann 2009, 36), die weiteren Diskurse dürfen<br />

wohl eher als sekundäre Selbstthematisierungen begriffen werden. Die an den Aus-<br />

bau der Ganztagsschullandschaft in Deutschland geknüpften Hoffnungen bezogen<br />

sich in der Hauptsache auf die antizipierten pädagogischen Implikationen.<br />

Auch bei Zugrungelegung des für diese Arbeit geltenden Ökonomisierungsver-<br />

ständnisses als ein Verdrängungsmechanismus von Systemreferenzen bzw. als<br />

Überformung dieser Systemreferenzen durch wirtschaftliche Orientierungen kann<br />

das Ganztagsprogramm nicht direkt als Kopplungsstruktur und damit als potentielles<br />

Einfallstor für eine ökonomische Logik identifiziert werden. Es ist seiner Intention<br />

nach ein rein auf die Verbesserung der Systemleistungen ausgerichtetes Pro-<br />

gramm. Nichtsdestotrotz geben einige Strukturelemente dieser Reform Anlass, auf<br />

mögliche, womöglich eher transintentionale, Folgeerscheinungen hinzuweisen, die<br />

als Wegbereiter für ökonomisierende Vorgänge darstellbar sind.<br />

Zunächst einmal muss angesichts des direkten Bedingungsverhältnisses von PISA-I<br />

und dem politisch forcierten Ganztagsschulausbau angenommen werden, dass der<br />

schulische Ganztag als Instrument zur Verbesserung der in PISA gemessenen Leis-<br />

tungen der Schülerinnen und Schüler gefasst wird. Demzufolge wird erwartet, dass<br />

eine verlängerte und bisweilen veränderte Schulzeit für die Lernenden nachweisba-<br />

re Wirkungen zeitigt, speziell bei den Schülerinnen und Schülern „mit Bildungsdefizi-<br />

ten und besonderen Begabungen“ (KMK 2002, 7). Der Gewinn an Zeit und Raum<br />

muss dann, insofern wirklich allein diese Zielsetzung verfolgt würde, pädagogisch so<br />

genutzt werden, dass die Arbeit an den Kompetenzständen der Schülerinnen und<br />

132 In den sozialtheoretischen Grundlegungen dieser Arbeit wurde die moderne Gesellschaft durch ihre<br />

Polykontexturalität gekennzeichnet. Auch für diesen Gegenstand gilt, dass das Ereignis Ganztag von<br />

vielen unterschiedlichen Systemzusammenhängen adressiert, aber jeweils mit Bezug auf die eigene,<br />

unverwechselbare Systemreferenz beobachtet wird.


84 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Schüler in denen der PISA-Studie zugrunde liegenden Domänen mit dem klaren<br />

Prior versehen wird. Die Stunden am Nachmittag könnten etwa in der Art mit Leben<br />

gefüllt werden, dass die Lernsubjekte verstärkt individuelle Förderung zum Zwecke<br />

der Kompensation von Leistungsrückständen oder der Ermöglichung schnelleren<br />

Fortschritts <strong>im</strong> Sinne von „Extraprofiten“ (Rosa 2009, 100) erhalten. Infolge einer<br />

ausgedehnten und fokussierten pädagogischen Intervention würden sich dann wo-<br />

möglich kumulativ bessere Leistungsergebnisse in den PISA-Kompetenzbereichen<br />

nachweisen lassen. Ökonomisierend an einer solchen Praxis wäre die einseitige<br />

Hinwendung zu den Fachdomänen und Kompetenzbereichen, die in den Leistungs-<br />

vergleichsstudien Berücksichtigung erfahren und <strong>im</strong>, von manchen kritischen Wis-<br />

senschaftlern (Münch 2009) geäußerten, Verdacht stehen, die Bedeutung der wirt-<br />

schaftlich verwertbaren Outputs des <strong>Schulsystem</strong>s einseitig zu betonen. 133 Demzu-<br />

folge würden den Kindern Zeiträume für die Partizipation an lebensweltlichen Inter-<br />

aktions- und Erfahrungskontexten zugunsten dem, „was der Wirtschaft Not tut“<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 53), entzogen.<br />

Eine solche Lesart von Ökonomisierung als inhaltliche Anpassung an Rationalitäts-<br />

fiktionen der Ökonomie, also eine Zuspitzung der teilsystemischen Kommunikations-<br />

und Leistungsstrukturen, ist aber nur bedingt haltbar. Zwar steht die systemweite<br />

Etablierung der Ganztagsschule zeitlich und semantisch in einem Begründungsver-<br />

hältnis zur der PISA-I-Studie. Dennoch ist nicht ohne Zweifel zu ergründen, ob die<br />

Ganztagsschule vornehmlich dem Zwecke der Kompetenzsteigerung dienen soll,<br />

wenn die Kultusminister das „Ziel erweiterter Bildungs- und Fördermöglichkeiten,<br />

insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit Bildungsdefiziten und besonderen<br />

Begabungen.“ (KMK 2002, 7) ausgeben. Ebenso ist es möglich den Bedeutungsge-<br />

halt dieses Satzes derart selegiert zu behandeln, dass die Ganztagsschule pr<strong>im</strong>är<br />

als Beitrag zur Förderung der Chancengleichheit (Holtappels 2006) symbolisch kon-<br />

struiert wird. Weiterhin sind die bildungspolitischen Argumentationen, wie schon<br />

weiter oben dargelegt, weitaus differenzierter definiert (Oelkers 2009, 39). Und zu<br />

guter Letzt muss gegenwartsdiagnostisch konstatiert werden, dass sich die wissen-<br />

schaftliche Konzeptionalisierung sowie die empirische Beobachtung der Ganztags-<br />

schule von den „harten“ Kompetenzfaktoren hin zu „weicheren“ Variablen, die als<br />

Wirkungen besprochen werden, verlagert hat. 134<br />

133<br />

Siehe vertiefend zu diesem Diskurs die Ausführungen zum Steuerungsinstrument III, den Bildungsstandards.<br />

134<br />

Ob diese Entwicklung nur aus Ermangelung evidenter Zusammenhänge zwischen dem Ganztagsschulbesuch<br />

und dem individuellen Kompetenzerwerb herrührt, scheint naheliegend, muss aber als<br />

offene (Forschungs-)Frage behandelt werden.


85 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Momente einer sich abzeichnenden Ökonomisierung durch Einführung der Ganz-<br />

tagsschule sind wohl am ehesten auf der organisationalen Systemebene bzw. dem<br />

konkreten Entscheiden und Handeln der Organisationsmitglieder zu vermuten. Das<br />

Zusammentreffen des Reformprogramms Ganztagsschule mit dem Paradigma er-<br />

weiterter Schulautonomie bietet hier Ansatzpunkte. Schulautonomie muss in diesem<br />

Fall als Gestaltungsautonomie, also als „Option der inneren Schulreform“ (Heinrich<br />

2007, 63), verstanden werden. Bemächtigt durch zusätzliche Verfügungsrechte er-<br />

möglicht die „größere Selbstständigkeit“ der Einzelschule ein Betätigungsfeld für die<br />

eigeninitiierte Umgestaltung ihrer selbst zur Ganztagsschule (Tillmann 2009, 259).<br />

Solche Schritte bedürfen ein gewisses Maß an Selbstorganisation, ist doch bei-<br />

spielsweise in den Förderrichtlinien des IZBB geregelt, dass die Antragstellung auf<br />

Gewährung von Finanzhilfen von Seiten der einzelnen Schulorganisation erfolgen<br />

muss (BMBF 2003a). Zudem benötigt es einzelschulspezifischer pädagogischer<br />

Konzepte, die der eigenen Ganztagsschulorganisationen ihren pädagogischen und<br />

institutionellen Rahmen setzt, damit eine sich eine Schule überhaupt als förderfähig<br />

erweist. Diese abgeforderte Eigenaktivierung <strong>im</strong>pliziert geradezu ein Schulver-<br />

ständnis, dass sie als „pädagogische Handlungseinheit“ (Fend 2008) mit gewissen<br />

zugestandenen Freiheitsgraden beschreibt.<br />

Angesichts des an die ganztägig betriebenen Schulen gerichteten Handlungsauftra-<br />

ges, mit ihrer Angebotsgestaltung auf die spezifischen Problemlagen ihrer Schüler-<br />

schaft zu reagieren sowie einen Bezug zum umgebenen Sozialraum herzustellen<br />

(Floerecke 2009), erscheint es quasi als nicht zu verwehrende Notwendigkeit, der<br />

Schule freie Hand in der Strukturierung ihrer Selbstbeschreibung zu lassen. Denn<br />

besonders <strong>im</strong> Ganztagsschulkontext bildet die „Gestaltung der Kooperationsbezie-<br />

hungen mit den außerschulischen Partnern ein wichtiges Feld autonomen schuli-<br />

schen Handelns.“ (Rauschenbach/Arnoldt/Steiner/Stolz 2012) Darin eingeschlossen<br />

sind auch Spielräume für Schulleitungen und schulische Steuergruppen hinsichtlich<br />

der Verwendung von Finanzmitteln. In Deutschland enthalten nahezu alle Schulge-<br />

setze in den Ländern „rechtliche Regelungen zur erweiterten finanziellen Selbst-<br />

ständigkeit der Schulen.“ (K<strong>im</strong>mig/Brauckmann 2009, 261). Gleichwenn die Befug-<br />

nisse über den Einsatz von Personalmitteln auf Ebene der Einzelschule in Deutsch-<br />

land bislang nur gering ausgeprägt ist, gibt es mittlerweile exemplarische Modellver-<br />

suche, die explizit die Kombination aus eigenständiger Mittelbewirtschaft und Per-<br />

sonalmanagement auf die Agenda setzen (Jaacks/Niemann 2009). Insofern den<br />

Schulen <strong>im</strong>mer globalere Budgets <strong>im</strong> Zusammenhang ihrer eigenen Ausgestaltung<br />

des Ganztages zugestanden werden ist danach zu fragen, an welchen Prämissen<br />

sich die Entscheidungen für oder wider infrage kommender Angebote oder Koopera-


86 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

tionspartner ausrichten. Dadurch, dass die Schule und ihre Verantwortungsträger<br />

nun vermehrt <strong>im</strong> Medium Geld operieren, ist die Chance gegeben, auch andere<br />

Rücksichten als pädagogisch begründbare miteinzubeziehen. In Verhandlungen mit<br />

potentiellen außerschulischen Partnern zur Bereitstellung des Ganztagsangebots<br />

kann es eine Rolle spielen, welcher finanzielle Aufwand betrieben werden muss, um<br />

den einen oder anderen Partner für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Die je nach<br />

Leistungsanbietern differierenden Kostensätze können die Entscheidungsstrukturen<br />

dahingehend beeinflussen, dass nicht allein nach dem pädagogischen Notwendigen<br />

oder Sinnvollen entschieden wird, sondern dass der effiziente und auf die Unsicher-<br />

heiten zukünftiger Erfordernisse abgest<strong>im</strong>mte Einsatz von finanziellen Ressourcen<br />

die Wahl von Alternativen mitbest<strong>im</strong>mt. 135 Oder kurz und knapp: Nicht der Anbieter<br />

mit dem für die pädagogischen und erzieherischen Bedarfe der Schüler adäquates-<br />

ten Angebot, sondern derjenige, der seine Leistungen am kostengünstigste Anbie-<br />

tet, erhält den Auftrag. Ein solches Entscheidungshandeln kann durchaus Logisch<br />

aus Sicht der Organisation sein, wenn an die Umgang mit den zur Verfügung ste-<br />

henden Mitteln auch ihre eigenen Existenz verknüpft ist: „So kann etwa das Bemü-<br />

hen um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Schule, die Sicherung des Schulstand-<br />

ortes und eine damit einhergehende ökonomisch-marktwirtschaftliche Rationalität<br />

pädagogische Rationalitätskriterien überformen bzw. verdrängen.“ (Meis-<br />

ter/Schnetzer 2009, 159)<br />

Das hier gezeichnete Szenario erscheint nicht als völlig haltlos aus dem Grunde,<br />

dass die für die gedankenexper<strong>im</strong>entelle Konstruktion benötigten institutionellen<br />

Strukturelemente nicht frei erdacht sind, sondern sich <strong>im</strong> Diskurs wiederfinden las-<br />

sen. Erst aber die „richtige“ Modellierung kann bewirken, dass das Mischungsver-<br />

hältnis in den faktischen Entscheidungsstrukturen kostenbewusste Entscheidungs-<br />

und Handlungsvollzüge miteinschließt. 136 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind aber<br />

weder auf inhaltlicher noch auf organisatorischer Ebene triftige Argumente dafür<br />

festzumachen, dass die Ganztagsschule als Medium von Bildungsprozessen einen<br />

Beitrag zur Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s liefert bzw. sich Ökonomisierungs-<br />

tendenzen in ihrer Installation ausdrücken.<br />

135 Eine noch ganz andere Konstellation ergibt sich, wenn Sponsoring- und Fundraisingaktivtäten die<br />

Handlungssituation mit formen (Böttcher 1999).<br />

136 Dem Verfasser sind keine Untersuchungen hierzu bekannt. Wünschenswert wären hier Einzelfallstudien,<br />

die den Prozess der Ganztagsschulgestaltung mitsamt seiner entscheidungsbezogenen<br />

Grundlegungen entweder begleiten oder aber rekonstruieren. Hierbei ließe sich dann auch analysieren,<br />

ob und inwieweit ökonomische Argumente beeinflussend oder gar restringierend wirken.


87 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

4.3 Steuerungsinstrument III: Outputsteuerung durch Bildungsstandards<br />

4.3.1 Historische Herkunft, ideelle Begründung und Implementation in<br />

Deutschland<br />

Die zurückliegende bildungspolitische Dekade stand unter anderem auch <strong>im</strong> Zei-<br />

chen der Entwicklung und Implementierung von nationalen Bildungsstandards für<br />

das deutsche Schulwesen. Wenngleich die Umstellung auf eine<br />

Standardardisierung des Outputs schulisch vollzogener Bildungsprozesse <strong>im</strong> hiesi-<br />

gen nationalen Kontext ein relatives Novum darstellt, hat diese Form eines Steue-<br />

rungsmodus in anderen Nationalstaaten, wie etwa den USA, eine weit zurückrei-<br />

chende Tradition, denn die „lange Vorgeschichte der Entwicklung von Standards<br />

und des Gebrauchs von Leistungstests <strong>im</strong> amerikanischen Bildungssystem reicht<br />

bis in das 19. Jahrhundert zurück“ (Oelkers/Reusser 2008, 66 f.). Kultur- und ideen-<br />

geschichtlich betrachtet steht hinter diesem Entstehungszusammenhang das soge-<br />

nannte „Produktionsmodell von Erziehung“ 137 sowie die Genese des auf die Gestal-<br />

tung von Curricula bezogenen „Social Efficiency Movements“ (Bellmann 2012). Die<br />

Ideen von Standards sowie auf diese bezogene Testungen wurzeln in der tiefen<br />

Überzeugung von der Effektivität technologischer Intervention <strong>im</strong> Bildungssystem<br />

(Amos 2005, 217). 138 Akademisch gestützt wurde dieser Zeitstil, welcher Erziehung<br />

„als möglichst effiziente Produktion von Lernergebnissen betrachtet“, durch psycho-<br />

logische Modellierungen des Lehrens und Lernens (Bellmann/Waldow 2012). Als<br />

ideologische Promotoren dieser sich aufeinander beziehenden Strömungen fungier-<br />

ten Vertreter der Geschäfts- und Wirtschaftswelt, die für die Bekanntmachung ihres<br />

Programms verschiedene Kanäle nutzten. Zum einen konnten Abgesandte direkt<br />

am Steuerungsakteur „school board“ auf Ebene der „School-Districts“ 139 partizipie-<br />

ren, zum anderen nahmen sie indirekt Einfluss über die Erstellung und medial wirk-<br />

same Verbreitung von fallorientierter Managementliteratur, welche die Ausgestal-<br />

tung von Schule und Unterricht nach ökonomisch-rationalen Vorbildern des industri-<br />

ellen Sektors propagiert (Herzog 2012). Die langatmige und mitunter recht kontro-<br />

vers geführte Diskussion um den Nutzen, Wert sowie die Umsetzung von Bildungs-<br />

standards mündete schlussendlich in der zentral-staatlich Anweisung einer bundes-<br />

137 Angelehnt an das Managementkonzept des „Scientific Management“ (Taylor 1922), welchem spezifische<br />

anthropologische Grundsätze sowie prozessbezogene Methodiken zugrunde liegen.<br />

138 Amos (2005) rekurriert hier auf Koretz (1992) und Resnick (1982).<br />

139 Einen Einblick in die US-amerikanische Administrationsstruktur des Schulwesens sowie einen Vergleich<br />

zu den Verhältnissen in Deutschland liefern Sendzik/Berkemeyer/Otto (2011).


88 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

weiten Implementierung. Durch den No Child Left Behind Act (NCLB) von 2001 140<br />

sind alle Bundesstaaten der USA dazu verpflichtet, Bildungsstandards sowie Test-<br />

systeme zur Überprüfung von Schülerleistungen einzuführen (Kornhaber 2004).<br />

Aber auch innerhalb einiger europäische Staaten wie beispielsweise die Niederlan-<br />

de, Schweden oder England wurde sich politisch auf die Formulierung und Einfüh-<br />

rung national geltender Standards verständigt, wobei die konkrete strukturelle Aus-<br />

gestaltung von Land zu Land variiert (Oelkers/Reusser 2008). 141<br />

Die bundesdeutsche Historie von staatlich verordneten Bildungsstandards ist hinge-<br />

gen vergleichsweise jung, der Fortgang der institutionellen Etablierung nahm aber<br />

<strong>im</strong> Zuge der Debatte um die mäßigen Ergebnisse der deutschen Schülerinnen und<br />

Schüler in der PISA-Studie als Ausgangspunkt (Tillmann 2007, 38) eine erstaunliche<br />

Geschwindigkeit auf (Böttcher/Dicke 2008a, 103). Direkt <strong>im</strong> Anschluss an die Veröf-<br />

fentlichung der ersten Ergebnisse der PISA-Studie (Deutsches PISA-Konsortium<br />

2001) formulierten die damaligen Teilnehmer an der Kultusministerkonferenz (KMK),<br />

die angesichts des unbefriedigenden Abschneidens der deutschen Schülerinnen<br />

und Schüler unter enormem Handlungsdruck standen, während ihrer 296. Plenarsit-<br />

zung einen Katalog von sieben Handlungsfeldern, in denen die Landesvertretungen<br />

und die KMK vorrangig tätig werden sollten. Eine der anvisierten Maßnahmen war<br />

die <strong>im</strong> Handlungsfeld fünf benannte konsequente „Weiterentwicklung und Sicherung<br />

von Qualität von Unterricht und Schule auf der Grundlage von verbindlichen Stan-<br />

dards sowie eine ergebnisorientierte Evaluation“ (Pressemitteilung vom<br />

06.12.2001). 142 Im Anschluss daran wurden von der KMK Arbeitsgruppen, zusam-<br />

mengesetzt aus Vertretern der Kultusministerien, Lehrerbildungsinstituten, der<br />

Schulpraxis sowie der Wissenschaft, zur Entwicklung und Überarbeitung länder-<br />

übergreifender Standards für verschiedene Bildungsabschnitte eingesetzt. 143 Zu-<br />

nächst wurden zum Ende des Jahres 2003 Standards für den Mittleren Schulab-<br />

schluss (Jahrgangsstufe 10) in den Fächern Deutsch, Mathematik und Erste Fremd-<br />

sprache (Englisch/Französisch) von der KMK beschlossen (Beschluss der Kultus-<br />

140 Das Gesetzestext ist auf der Seite des U.S. Department of Education unter<br />

http://www2.ed.gov/policy/elsec/leg/esea02/index.html (Zugriff 03.08.2012) online gestellt worden.<br />

141 Obgleich der Anschein erweckt wird, das Programm der Einführung von Bildungsstandards entwickle<br />

sich in den letzten Dekaden zum „Selbstläufer“ und diffundiere widerstandslos <strong>im</strong> Sinne einer „(western-)<br />

world-polity“(Hasse/Krücken 2005, 42 ff.), so gibt es auch Fälle, etwa Wales, die von der Nutzung<br />

standardbezogener Tests abgekehrt sind (Kopp 2007).<br />

142 Zum gesamten Maßnahmenkatalog in Bezug auf die definierten Handlungsfelder <strong>im</strong> Nachgang zu<br />

PISA und PISA-E siehe den Beschluss der 299. Kultusministerkonferenz vom 17./18.10.2002, online<br />

abrufbar unter http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2002/massnahmen.pdf (Zugriff<br />

08.08.2012).<br />

143 Zum Orientierungrahmen: „Wichtige Grundlagen für die Arbeitsgruppen waren die Standards der<br />

amerikanischen Mathematikvereinigung (NCTM), der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für<br />

Sprachen, <strong>im</strong> Rahmen von Large-Scale-Untersuchungen wie PISA erarbeitete Kompetenzstufen sowie<br />

die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Klieme-Expertise“ (Kultusministerkonferenz 2005,<br />

15)


89 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

ministerkonferenz vom 04.12.2003). Es folgten <strong>im</strong> Oktober 2004 die Beschlüsse<br />

über die Bildungsstandards in den gleichen Domänen für den Hauptschulabschluss<br />

(Jahrgangsstufe 10) sowie für den Pr<strong>im</strong>arbereich (Jahrgangsstufe 4) in den Fächern<br />

Deutsch und Mathematik. Kurz darauf, <strong>im</strong> Dezember 2004, wurden des weiteren<br />

Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss (Jahrgangsstufe 10) in den Fä-<br />

chern Biologie, Chemie und Physik verabschiedet. 144 Damit decken die eingeführten<br />

Bildungsstandards exakt jene Domänen ab, welche die Organisation für wirtschaft-<br />

liche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem literacy-Konzept für die<br />

Bereiche Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und naturwissenschaftliche<br />

Kompetenz abbildet.<br />

4.3.2 Konzeption der Standards und zugedachte Funktionen für den Unterricht<br />

Diese sowohl abschluss- als auch kompetenzstufenbezogenen Normierungen<br />

„greifen die Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf,<br />

beschreiben die fachbezogenen Kompetenzen einschließlich zugrunde lie-<br />

gender Wissensbestände, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem be-<br />

st<strong>im</strong>mten Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen,<br />

zielen auf systematisches und vernetztes Lernen und folgen so dem Prinzip<br />

des kumulativen Kompetenzerwerbs,<br />

beschreiben erwartete Leistungen <strong>im</strong> Rahmen von Anforderungsbereichen,<br />

beziehen sich auf den Kernbereich des jeweiligen Faches und geben den<br />

Schulen Gestaltungsräume für ihre pädagogische Arbeit,<br />

weisen einen mittleres Anforderungsniveau (Regelstandard) aus, werden<br />

durch Aufgabenbeispiele veranschaulicht.“ (Kultusministerkonferenz 2005, 6)<br />

Ihrer Zweckbest<strong>im</strong>mung nach soll durch die Standardisierung des schulischen Ler-<br />

nens „expliziert, präzisiert und operationalisiert werden, welche Kompetenzen Ler-<br />

nende […] zu (einheitlich) festgelegten Zeitpunkten ihrer Lernbiographie auf be-<br />

st<strong>im</strong>mten Fachgebieten (in der Regel) entwickelt haben soll. Standards operationali-<br />

sieren nicht nur das unterrichtspraktisch zu Erstrebende in der Form erwünschten<br />

Lernouputs, sie bezwecken auch die Vereinheitlichung wünschenswerten Lernout-<br />

puts.“ (Heid 2007, 32) Dieser idealen funktionalen Kennzeichnung zufolge sind Bil-<br />

dungsstandards sowohl <strong>im</strong> Zeitverlauf wie auch komparativ für verschiedene Sozi-<br />

alebenen abbildbar.<br />

144 Sämtliche Dokumente zur Einführung von Bildungsstandards sind auf der Webseite der Kultusministerkonferenz<br />

einzusehen, siehe http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-inschulen/bildungsstandards/dokumente.html<br />

(Zugriff am 30.07.2012). Laut Homepage des Instituts für<br />

Qualitätsentwicklung <strong>im</strong> Bildungswesen (IQB) wurden die Bildungsstandards zum Schuljahresbeginn<br />

2004/05 bzw. 2005/06 verbindlich eingeführt, siehe http://www.iqb.hu-berlin.de/bista (Zugriff<br />

31.07.2012).


90 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Die hierbei als ergebnisorientierende Maßstäbe, <strong>im</strong> Sinne von erwünschten und<br />

erwarteten Outputmerkmalen von unterrichtsvermittelten Lernprozessen, herange-<br />

zogenen Standards „werden in Kompetenzmodellen systematisch über verschiede-<br />

ne Kompetenzstufen geordnet, die Aspekte, Abstufungen und Entwicklungsverläufe<br />

von Kompetenzen darstellen.“ (Maag Merki 2010, 147) 145 Hinsichtlich der Niveauan-<br />

forderungen in den einzelnen Leistungsbereichen wurden die eingeführten Bil-<br />

dungsstandards als Regelstandards definiert, welche „Kompetenzen, die <strong>im</strong> „Durch-<br />

schnitt“, „in der Regel“ von den Schülerinnen und Schülern einer Jahrgangsstufe<br />

erreicht werden sollen“ (Kultusministerkonferenz 2005, 9), beschreiben. Damit wur-<br />

de der Empfehlung einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auf-<br />

trag gegebenen und <strong>im</strong> Jahr 2003 veröffentlichten Expertise einer Arbeitsgruppe<br />

vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) nicht<br />

entsprochen, in welcher sich die beauftragten Wissenschaftler dafür ausgesprochen<br />

haben, „in den nationalen Bildungsstandards ein verbindliches Min<strong>im</strong>alniveau“, also<br />

Mindeststandards, festzuschreiben (Klieme/ Avenarius/ Blum/ Döbrich/ Gruber/<br />

Prenzel/ Reiss/ Riquarts/ Rost/ Tenorth/ Vollmer 2003, 20) 146 . Die Experten weisen<br />

Mindeststandards für die Qualitätssicherung <strong>im</strong> Schulwesen unter einer Gerechtig-<br />

keitsperspektive eine entscheidende Bedeutung zu, wird doch erwartet, dass allein<br />

formulierte Mindestanforderungen einen entscheidenden Beitrag zum Abbau von<br />

Disparitäten <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> leisten können, währenddessen bei einer Einsetzung<br />

von Regelstandards und der damit einhergehenden Spezifizierung eines „Normal-<br />

Schülers“ die entscheidende Frage, was leistungsschwächere Schülerinnen und<br />

Schüler wissen müssen, unbeantwortet bleibt 147 (Klieme et al. 2003, 20 f.). Die Kul-<br />

tusministerkonferenz begründet dieses Vorgehen mit der Notwendigkeit pragmati-<br />

schen Handelns, weil „Mindeststandards erst nach einem längeren Prozess der Er-<br />

fahrung <strong>im</strong> Umgang mit Bildungsstandards formuliert werden können.“ (Kultusminis-<br />

terkonferenz 2005, 14)<br />

Den Bildungsstandards als vorab definierte, erwartete Ergebnisse von Lernprozes-<br />

sen in Form von Kompetenzständen in einzelnen Domänen zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten in den Bildungsbiographien der Schülerinnen und Schüler folgend, sol-<br />

len schulische Prozesse auf zu fokussierende, weil gesellschaftlich hoch bewertete,<br />

Zielzustände ausgerichtet werden, denn: „Sie arbeiten in klarer und konzentrierter<br />

145 Der Begriff „der Kompetenz kann in einem ganzheitlichen Sinne die Fähig- oder Fertigkeit verstanden<br />

werden, komplexe Anforderungen und Aufgaben in einem konkreten Kontext erfolgreich zu bewältigen,<br />

indem man Ressourcen mobilisiert.“ (Criblez/Oelkers/Reusser/Berner/Halbheer/Huber 2009, 35).<br />

Es handelt sich also <strong>im</strong> doppelten Sinne um ein Konstruktion von erlernbaren oder bereits darstellbaren<br />

Fähigkeiten zu Zwecken der „Problemlösung in variablen Situationen“ (Weinert 2001, 28).<br />

146 Auch Online unter http://www.szs-dachau.de/expertise_bildungsstandards.pdf (Zugriff 30.07.2012).<br />

147 Entgegen dem von politischer Seite ausgerufenen Anspruch, dem Bedarf einer „Vergleichbarkeit<br />

der Chancen“ mittels von Vergleichsmaßstäben sowie ihrer Evaluation nachzukommen (Kultusministerkonferenz<br />

2005, 10f.)


91 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Form heraus, worauf es in unserem <strong>Schulsystem</strong> ankommt.“ (Klieme et al. 2003, 47)<br />

Den die pädagogischen Leistungserbringungsprozesse vollziehenden Instanzen,<br />

vornehmlich den Einzelschulen und speziell den Lehrkräften, vermitteln die zentral<br />

konstruierten standardbezogenen Aufgabenbeispiele, welche konkreten fachlichen<br />

Inhalte in welchen Schwierigkeitsgraden bearbeitet werden sollen. Damit werden<br />

verbindliche Erwartungshorizonte für den schulischen Unterricht benannt. Über den<br />

Mechanismus der eindeutigen 148 , kompetenzstufenbasierten Herausarbeitung von<br />

zu erzielenden Outputs des Unterrichts bzw. der Lehr-Lern-Interaktion und die an-<br />

schließende instrumentenvermittelte Einspeisung dieser in den Unterrichtszusam-<br />

menhang soll die Möglichkeit bestehen, „Einfluss auf den konkreten Unterricht zu<br />

nehmen und eine Veränderung der Lehr- und Lernvorgänge zu initiieren.“<br />

(Karpen/Ingwertsen 2005, 20) Dadurch, dass sie explizit als Ergebnisstandards und<br />

nicht als prozesssteuernde „oppertunity to learn standards“ (Oelkers/Reusser 2008)<br />

beschrieben werden, betonen sie „die Verantwortung der Schulen und Lehrkräfte für<br />

die Lernergebnisse und schaffen gleichzeitig mehr Raum für eigenständiges profes-<br />

sionelles Handeln.“ (Klieme et al. 2003, 49) Die handelnden Lehrpersonen sollen<br />

idealerweise in der Schule selbst, ohne das strikte methodische und pädagogische<br />

Vorgaben gemacht werden, „Mittel und Wege finden können, mit deren Hilfe die<br />

Schülerinnen und Schüler die verlangten Standards auch erreichen können.“ (von<br />

Saldern/Paulsen 2004, 96) 149 Mittels der in diesem Zusammenhang als funktional<br />

erachteten erhöhten Autonomie der Einzelschule sowie der individuellen Lehrperson<br />

(Heinrich 2007) sollen selbstorganisierte Prozesse der Schul- und Unterrichtsent-<br />

wicklung provoziert werden, die <strong>im</strong> Sinne der Erreichung der zentral vorgegebenen<br />

Zielzustände in den Schülerleistungen schulintern zu kanonisieren sind. Da die Ein-<br />

führung von Bildungsstandards nicht als mechanistischer Prozess begriffen werden<br />

kann und soll (Criblez et al. 2009, 105), sondern vielmehr einen quantifizierbaren<br />

und empirisch nachvollziehbaren Erwartungsrahmen für Schülerleistungen bzw.<br />

Kompetenzstände abstecken soll , werden den Systemakteuren handlungsorientie-<br />

rende Musterartefakte für die schulische und unterrichtliche Prozessd<strong>im</strong>ensionen in<br />

Form von Handreichungen, etwa der von der KMK und dem IQB <strong>im</strong> Jahr 2010 veröf-<br />

fentlichen „Konzeption der Kultusministerkonferenz zur Nutzung der Bildungsstan-<br />

148<br />

Dem Anspruch der Eindeutigkeit wird, indem nur Regelstandards formuliert wurden, nicht opt<strong>im</strong>al<br />

nachgekommen.<br />

149<br />

Demzufolge können Bildungsstandards zweifellos als zweckprogrammierendes Steuerungsinstrument<br />

(Diemer/Kuper 2010, 260), von diesem ausgehend Manipulationen in der Input- und Prozessd<strong>im</strong>ension<br />

vorgenommen werden sollen, ausgezeichnet werden. Für die Lehrkraft bedeutet das zwar<br />

nach wie vor eine „Autonomie der Wege“ (Heid 2003), aber eine nicht mehr so weitreichende „Autonomie<br />

der Ziele“ (Heinrich 2007, 69).


92 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

dards für die Unterrichtsentwicklung“ 150 , oder Unterrichtsmaterialien , die in Bezie-<br />

hung zur den zu erzielenden Kompetenzen stehen, zur Verfügung gestellt. 151 Denn,<br />

zu diesem Schluss sind Wissenschaft, Praxis und nicht zuletzt Bildungspolitik sowie<br />

Bildungsadministration gelangt, für „das Lehren und Lernen gilt: keine Qualität der<br />

Produkte ohne entsprechende Prozessqualität.“ (Oelkers/Reusser 2008, 399) Die-<br />

ser Einsicht Rechnung tragend gelangten mit einiger Verzögerung dann auch weite-<br />

re mit pädagogischen Themensetzungen befasste Wissenschaftsbereiche, wie etwa<br />

die Fachdidaktik oder die Unterrichtsforschung, zu vermehrter Außenadressierung<br />

und eigeninitiierter Aktivität. Der an diese Instanzen gerichtete Auftrag bestand da-<br />

rin, die Kompetenzd<strong>im</strong>ensionen und –niveaus der Bildungsstandards aufzugreifen,<br />

um eine Brücke zwischen diesen sowie der prozessualen Ebene der Unterrichts zu<br />

schlagen mit dem Ziel der Entwicklung von Konzepten eines kompetenzorientierten<br />

Unterrichts (Klieme/Rakoczy 2008). Der Anspruch einer gezielt auf Kompetenzstan-<br />

dards bezogenen Qualitätsentwicklung des <strong>Schulsystem</strong>s wird demnach den Mo-<br />

dellvorstellungen entsprechend nur über die wirksame Penetration der Mikroebene<br />

des Unterrichts erfüllbar sein. Bewegungen domänenspezifischer Aufgabenentwick-<br />

lungen sowie der Bereitstellung von zieladäquaten Lehr- und Lernmitteln sind hier<br />

beispielhaft anzuführen (Artelt/Riecke-Baulecke 2004).<br />

In Anbetracht einer grundsätzlichen Gewährung planerischer und pädagogischer<br />

Freiräume sollen also systemweit akteurielle Wahrnehmungs- und Handlungswei-<br />

sen auf die verbindlich vorgegebenen Bildungsstandards hin orientiert werden. Um<br />

den globaleren Hoffnungen der Verbesserung von Schülerleistungen, der Reduzie-<br />

rung von Bildungsbenachteiligungen (Böttcher/Dicke 2008a, 104) sowie einer ver-<br />

besserten Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und damit einhergehend einer<br />

größeren Durchlässigkeit zwischen den Landessystemen nachkommen zu können,<br />

bedarf es evidenter Nachweise über Leistungsstände und –entwicklungen, für diese<br />

die fachbezogenen Kompetenzmodelle eine geeignete Folie darstellen bzw. ihrem<br />

Anspruch nach darstellen sollen. In diesem Zusammenhang wird dem Instruments<br />

Bildungsstandards eine Doppelfunktion zugesprochen: Sie haben evaluativen Cha-<br />

rakter infolge der ihnen inhärenten Präzisierung von Bildungszielvorgaben sowie<br />

ihrer stufenbezogenen Modellierung als messbare Größen. Zudem wird diesem In-<br />

strument Potential zur Generierung von Steuerungswissen <strong>im</strong> Anschluss an eine<br />

Messung von Ergebnissen schulischer „Produktion“ attestiert, kann doch eine valide<br />

150 Online abrufbar unter<br />

http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2010/2010_00_00-Konzeption-<br />

Bildungsstandards.pdf (Zugriff: 01.08.2012).<br />

151 Dennoch belegen Forschungsergebnisse weitreichende Problematiken für die Implementation von<br />

Standards in die pädagogischen Handlungs- und Interaktionsebenen (Böttcher/Dicke 2008b;<br />

Pant/Vock/Pöhlmann/Köller 2008).


93 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Vergegenwärtigung der zeitpunktbezogenen Leistungsstände potentiell für die invol-<br />

vierten und verantwortlichen Akteurebenen Hinweise für Maßnahmen der Qualitäts-<br />

entwicklungen, <strong>im</strong> hiesigen Kontext verstanden als Schul- und Unterrichtsentwick-<br />

lung, und Ressourcenallokationen liefern (Böttcher/Dicke 2008a, 104).<br />

4.3.3 Bildungsstandards und Systemmonitoring<br />

Wenngleich sowohl <strong>im</strong> politisch-administrativen Verantwortungsbereich sowie unter<br />

den mit Bildungsfragen und darauf bezogenen Reformvorhaben befassten Wissen-<br />

schaftsakteuren weitgehende Einigkeit über die Annahme herrscht, dass Bildungs-<br />

standards nicht ausschließlich von ihrem Ende her gedacht werden können, son-<br />

dern in einen engen Zusammenhang mit auf das Prozessgeschehen <strong>im</strong> Unterrichts-<br />

kontext abzielenden Maßnahmen gestellt werden müssen (Oelkers/Reusser 2008,<br />

408), können die Konsequenzen für das gesamte institutionelle System der Schule<br />

nicht allein auf die Orientierungsfunktion für den Komplex tatsächlicher pädagogi-<br />

scher Interaktion und angegliederter Schulentwicklungsbestrebungen reduziert wer-<br />

den. Wie bereits angedeutet, können und sollen Bildungsstandards der Qualitätssi-<br />

cherung und –entwicklung <strong>im</strong> Bildungssystem dienen (Klieme et al. 2003, 90).<br />

Monitoringverfahren zum Zweck der Erfassung und Bewertung des Outputs von<br />

schulischen Lernprozessen wird hier eine besondere Bedeutung zugesprochen.<br />

Standards und Systembeobachtung stehen in einem untilitaristischen Entspre-<br />

chungsverhältnis, denn: „Die ergebnisorientierten Bildungsstandards sollen zum<br />

Systemmonitoring, zur Schulevaluation […] genutzt werden.“ (Amos 2005, 210).<br />

In diesem Kontext wurde parallel zur Entwicklung und Verabschiedung der Stan-<br />

dards 152 2004 das „Institut zur Qualitätssicherung <strong>im</strong> Bildungswesen – Wissen-<br />

schaftliche Einrichtung der Länder an der Humboldt-<strong>Universität</strong> zu Berlin“ (IQB) ge-<br />

gründet. 153 Neben der Operationalisierung, Normierung und Weiterentwicklung von<br />

Bildungsstandards ist diese staatlich 154 getragene Einrichtung weiterführend damit<br />

beauftragt, den Aufbau eines Aufgabenpools zur Standardüberprüfung sowie die<br />

Durchführung eines nationalen Bildungsmonitorings zu realisieren (Kultusminister-<br />

konferenz 2005, 20). Mit dieser bildungspolitischen Entscheidung wurde die zentrale<br />

institutionelle Grundlage für die leistungsbezogene Informationsgewinnung über das<br />

bundesdeutsche Schulwesen gelegt. Damit den Bildungsstandards die ihnen zuge-<br />

152 von Saldern (2007) weist darauf hin, dass schon vor Beginn der zentralen Standardentwicklung<br />

seitens der KMK einzelne Bundesländer begonnen haben, eigene Standards zu formulieren. Und auch<br />

schon am 12.05.1995 wurde von der KMK eine Vereinbarung über „Standards für den Mittleren<br />

Schulabaschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache“ geschlossen, die<br />

offensichtlich kaum Bindekraft besaß und zu keinem koordinierten Aktionen veranlasste.<br />

153 Mehr zum Entstehungszusammenhang des IQB bei Huber/Späni/Schmellentin/Criblez (2006).<br />

154 Siehe http://www.iqb.hu-berlin.de/institut/Grndung (Zugriff 01.08.2012): „Die Finanzierung erfolgt<br />

entsprechend dem Königsteiner Schlüssel durch die 16 Bundesländer.“


94 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

schriebene Funktion als Steuerungsinstrumente zur Qualitätssicherung <strong>im</strong> Schulwe-<br />

sen (Zeitler/Köller/Tesch 2010, 23 ff.) genügen können, bedarf es, so die auf ein<br />

Reziprozitätsverhältnis von Lernleistungsvorgaben und testbasierter Leistungskon-<br />

trolle abstellende Modellvorstellung, auf der anderen Seite ein entsprechendes<br />

„Monitoringkonzept, welches in stärkerem Maße schulische Prozesse und die Lern-<br />

erträge der Schülerinnen und Schüler einer empirischen Überprüfung unterstellt“<br />

(Maag Merki/Schwippert 2008, 773). 155 Denn, obgleich er mitunter <strong>im</strong> Einzelfall oder<br />

auch <strong>im</strong> Kollektivverbund orientierende Effekte zeitigt, ein Standard „is not useful or<br />

meaningful unless there es some way to measure whether it is reached.“ (Ravitch<br />

1995, 11)<br />

Die Überprüfung auf bundesdeutscher Ebene geschieht, mit Fokus auf die erwähn-<br />

ten Lernerträge, durch die Ländervergleichsberichte, vorgelegt vom IQB (z.B. Köl-<br />

ler/Knigge/Tesch 2010), welche an die Stelle der PISA-Ergänzungsstudien (PISA-E)<br />

getreten sind (z.B. PISA-Konsortium Deutschland 2005). Nebst diesen Vergleichen<br />

auf höheren Aggregatebenen wie den deutschen Bundesländern sollen die Bil-<br />

dungsstandards als Referenzgrößen für Leistungsstände und –entwicklungen auch<br />

auf anderen Subebenen des Gesamtsystems als „Beobachtungsinstrumente“ ihre<br />

„Orientierungspotentiale“ (Fend 2008) nachweisen. Als Teil „testbasierter Schulre-<br />

formen“ (Maier 2010) können die nationalen Bildungsstandards, in Verbindung mit<br />

denen in erheblichem Maße auf ihnen basierenden Lernstandserhebungen 156 als<br />

Testverfahren, nicht nur für Bund und Länder als „Benchmarks“ (Fend 2006, 72),<br />

sondern bei ausreichend tiefer Durchdringung des formal-institutionalisierten<br />

Mehrebenensystems des Schulwesens (Kussau/Brüsemeister 2007, 31 ff.) gleich-<br />

falls eine Monitoringfunktion für Regionen und/oder Einzelschulen erfüllen (Maag<br />

Merki 2010, 147). Auch auf diesen Ebenen sollen dann anhand der so ermittelten<br />

Daten „problematische Bereiche <strong>im</strong> Bildungswesen identifiziert werden können und<br />

der politischen Administration sollen Informationen zur Gestaltung und Entwicklung<br />

des Bildungswesens zur Verfügung gestellt werden können.“ (Criblez et al. 2009,<br />

106). Berichtswesen, die eine Überprüfung von Systemleistungen, hier in Form test-<br />

basierter Selbst- und Fremdbeobachtung definierter und als erwartbar eingestufter<br />

Kompetenzstandards für Schülerinnen und Schüler, auf verschiedenen Systemebe-<br />

nen, etwa der Einzelschule oder der Schulklasse, ermöglichen, sind prinzipiell nutz-<br />

155 Aufgrund der verengten Beschreibung des Schulwesens über die Definition und Kontrolle von standardisierten<br />

Bildungszielen ist die Etablierung und Arbeit des IQB als Element eines solchen<br />

Monitoringkonzepts zu werten.<br />

156 Hier sind die einzelnen Bundesländer für Organisation und Durchführung zuständig. Die Anbindung<br />

an die nationalen Bildungsstandards wird aber wiederum über das IQB gewährleistet, welches länderübergreifend<br />

als Testentwicklungsinstanz fungiert. Lernstandserhebungen werden in den 3. Und 8.<br />

Klassen unter dem Namen VERA (für Vergleichsarbeiten) deutschlandweit, mit Ausnahme Baden-<br />

Württembergs, durchgeführt.


95 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

bar für reaktive Steuerungseingriffe infolge von Leistungsabweichungen<br />

(Kussau/Brüsemeister 2007, 231).<br />

Die angedeutete Komplementarität 157 von standardisierten Leistungsvorgaben als<br />

normativer Zield<strong>im</strong>ension, teilweise kleingearbeitet für die unterrichtliche Praxis In<br />

Form von Aufgabenbeispielen und didaktischen Handreichungen, sowie entspre-<br />

chender externen Testverfahren (Assesments) zur Erfassung erreichter Kompe-<br />

tenzniveaus für verschiedene soziale Aggregatebenen 158 des Schulwesens, ermög-<br />

licht unter anderem auch auf Schul- und Klassenebene den Nachvollzug von Leis-<br />

tungsständen sowie von leistungsmäßigem Fort- und/oder Rückschritt, und damit<br />

einhergehend <strong>im</strong> Wechselverhältnis der Akteurebenen eine „test-based<br />

accountability“ bezogen auf die jeweilige Einheit (Koretz 2008). Diese, realen<br />

und/oder potentiellen, sich an den vorgestellten Reformkomplex anschließenden<br />

Ereignisfolgen bieten Anschlüsse für eine Betrachtung des outputorientierten Steue-<br />

rungsinstruments der Bildungsstandards sowie der darauf bezogenen<br />

Monitoringsysteme in Hinblick auf mögliche, ob nun intendierte oder vielmehr trans-<br />

intentional evolvierende, Implikationen, die auf eine Ökonomisierung des Schulwe-<br />

sens hinweisen bzw. einer solchen ihre Dienste leisten.<br />

4.3.4 Bildungsstandards und Ökonomisierung<br />

Unter analytischen Gesichtspunkten ist danach zu fragen, ob eine Standardisierung<br />

von Systemleistungen auf Outputseite, wie sie Bildungsstandards für das Schulwe-<br />

sen definieren, per se als ein Hinweis auf eine Fortschreitende Ökonomisierung des<br />

Kommunikations-, Institutionen- und Akteurzusammenhangs „Schulwesen“ zu wer-<br />

ten sind, wie es von manchen Kritikern dieses Reformsinstrument nahegelegt wird.<br />

Warnungen vor einer „08/15-Schule“ (Herzog 2008) oder der „Reduktion gesell-<br />

schaftlicher Erwartungen auf ökonomische Verwertbarkeit von allem und jedem“<br />

(Giesecke 2005) eröffnen nur einen kleinen Ausschnitt der üblicherweise von Seiten<br />

pädagogischer Vertreter geübten Kritik an der Standardisierung <strong>im</strong> Schulwesen.<br />

Dass aber gerade die Beanstandung einer scheinbar neuartigen und seit PISA um-<br />

so stärker protegierten Verwertungslogik von Bildungsinhalten weniger eindeutig<br />

auf, von der Einführung von Bildungsstandards ausgehenden, ökonomisierte Ver-<br />

hältnisse hinweist, vielmehr erst best<strong>im</strong>mte institutionalisierte Konstellationsstruktu-<br />

ren einen Nährboden für die Ausbreitung ökonomisch orientierter Wahrnehmungs-<br />

und Handlungsmuster bereiten können, soll nachfolgend aufgezeigt werden.<br />

157 Böttcher (2002, 134 f.) formuliert es mit Bezug auf Standardsisierung wie folgt: „Die andere Seite<br />

verweist auf notwendige Evaluierung der Arbeitsergebnisse. Beide „Gegengewichte“ sind Bedingung<br />

für ein tariertes System der Steuerung.“<br />

158 Anm.: Individuell, klassenbezogen, kollektiv-organisational, kollektiv-systemweit.


96 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

4.3.4.1 Ökonomische Vereinseitigung von schulischen Bildungsinhalten<br />

Die Festlegung von möglichst konkreten Anforderungen an das, was das Schulsys-<br />

tem, in Bezug auf die ihm zugedachten Funktionen (Fend 2006), zu leisten hat, ist<br />

noch nicht als ein unabweisbares Indiz für eine Tendenz hin zur gestiegenen<br />

Ökonomisierung des Bildungssystems aufzufassen. 159 Offensichtlich ist bzw. war für<br />

das <strong>Schulsystem</strong> ein Desiderat an präzisen Aufgabenbeschreibungen auszuma-<br />

chen, liegt einem die Wahrnehmung „extremer Zielvagheit und Unklarheit“ (Böttcher<br />

2003, 217) 160 nahe. Angenommen, diese Beschreibung ist bzw. gilt intersubjektiv als<br />

wahr, wie auch von weiteren Beobachtern kolportiert wird (Jäger/Prenzel 2005,<br />

178), und dieser Zustand wird mehrheitlich 161 als Problem wahrgenommen, bietet<br />

sie Anlass zur Ergreifung reaktiver Maßnahmen, wie es etwa <strong>im</strong> Nachgang der<br />

erstmaligen Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse <strong>im</strong> bildungspolitischen System-<br />

zusammenhang geschehen ist (Tillmann/Dedering/Kneuper/Kuhlmann/Nessel 2008,<br />

382 ff.) .<br />

Eine soziologisch fundierte und sich als analytisch begreifende Betrachtung des<br />

Sachverhaltes einer Etablierung von Bildungsstandards als outputsteuernde Leitka-<br />

tegorien für das <strong>Schulsystem</strong> bzw. die Systemakteure kann zunächst einmal nur auf<br />

die funktionale D<strong>im</strong>ension dieses Phänomens eingehen. Unter einer solchen Per-<br />

spektive wären Bildungsstandards, verstanden als Wahrnehmungen und Handlun-<br />

gen orientierende Leitkategorien, als ein Versuch tendenziell notwendiger, aber mit<br />

Sicherheit kontingenter Komplexitätsreduktion zu deuten. 162 Die Herstellung von<br />

sinnhafter Ordnung durch die selektive „Verarbeitung von Möglichkeitsüberschüs-<br />

sen“ (Stichweh 2003, 243) und die institutionelle Fixierung von Sollens-Kategorien<br />

sind für soziale Systeme als natürliche Vorgehen zum Zwecke des Selbsterhalts zu<br />

unterstellen. 163 Zielspezifizierungen und die Verjüngung des Sets an Handlungsal-<br />

ternativen sind somit notwendige Bedingungen für das Systemüberleben und wirken<br />

für die Individualebene entlastend, weil verbindliche Signale Entscheidungssituatio-<br />

nen strukturieren und benennen können, was erwartet wird. 164 Aus dieser Sicht tra-<br />

gen klare und einheitliche Standards dazu bei, eine eindeutige „Programmlogik“ für<br />

pädagogische Aktivitäten bereitzustellen (Böttcher 2003, 148).<br />

159 So argumentiert von Kuehnhe<strong>im</strong> (2011) in einem Artikel erschienen in der Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung, wenn er vor einer, für ihn unzweifelbar heraufziehenden, utilitaristischen Subsumtion von<br />

Bildungsfragen unter die Bedürfnisse der Wirtschaft warnt.<br />

160 Oder mit Luhmann (2002, 197): ein System mit „selbstproduzierter Ungewissheit“.<br />

161 Bzw. von den entscheidenden, weil entscheidungsmächtigen, Akteuren.<br />

162 Ob es sich hierbei wirklich um ein Komplexität reduzierendes Element handelt oder nicht vielmehr<br />

zu einer Steigerung von Komplexität durch die Ausweitung der systeminternen Informationsbasis handelt,<br />

muss zunächst offen bleiben. Hier bieten sich weiterführende Forschungsleistungen an.<br />

163 Legt man beispielsweise folgende Definition von der Form der Komplexität an: „die selektive Organisation<br />

der Autopoiesis des Systems.“ (Luhmann 1997, 138)<br />

164 Ob die zu bearbeitenden Probleme, z.B. schwache Leistungen von Schülerinnen und Schülern,<br />

damit dann wirklich effektiv angegangen werden können, ist eine andere Frage.


97 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

In einer Ad-hoc-Betrachtung mag die Einschätzung, dass die Konzentration auf ein-<br />

zelne, als zentral für die individuelle wie gesellschaftliche Entwicklung geltende,<br />

Kompetenzbereiche, wie es infolge der bildungspolitischen Entscheidungen für die<br />

Fokussierung der Domänen Deutsch, Mathematik, erste Fremdsprache sowie Na-<br />

turwissenschaften geschehen ist, gewissermaßen der Funktionalisierung von Bil-<br />

dung <strong>im</strong> Sinne einer Unterordnung unter ökonomische Sinnsetzungen Vorschub<br />

leisten, plausibel sein. Ob eine Zuspitzung und Vereinseitigung pädagogischer<br />

Kommunikation <strong>im</strong> institutionellen Schulwesen auf die von staatlicher Seite verbind-<br />

lich vorgeschriebenen fachbezogenen Kompetenzstandards überhaupt unterstellt<br />

werden kann, muss theoretisch und erst recht empirisch bislang offen bleiben. 165 Es<br />

kann lediglich darüber spekuliert und in den Fokus der Aufmerksamkeit genommen<br />

werden, „ob vor allem diejenigen (Kern-)Fächer, für die künftig Standards bestehen,<br />

dadurch eine <strong>im</strong>plizite Aufwertung erfahren, während das Fehlen von Standards in<br />

anderen Fächern zu deren (weiterer) Marginalisierung führen könnte.“<br />

(Halbherr/Reusser 2008, 264) Eine Überprüfung dieser These lässt sich eventuell<br />

darüber eröffnen, die Verteilungsbewegungen von Forschungsgeldern dahingehend<br />

zu beobachten, ob mit Standards versehende Domänen und speziell die einzelnen<br />

Kompetenzd<strong>im</strong>ensionen hier besondere Aufmerksamkeit erfahren.<br />

Aus differenzierungstheoretischer Perspektive darf zumindest angenommen wer-<br />

den, dass die Akteure des Wirtschaftssystems durchaus sehr konkrete Erwartungen<br />

an die Leistungsproduktionen des Bildungssystems stellen. Unter Zugrungelegung<br />

einer recht theoretisch-idealisierten Annahme über die Intentionen und Richtungen<br />

des Wollens der Systemakteure der Ökonomie ist zu vermuten, dass die Wirtschaft<br />

vom Bildungssystem verlangt, „dass in Schulen und Hochschulen endlich auf Berufe<br />

vorbereitet wird“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010c, 47). Die in schulischen Leistungserbringungs-<br />

prozessen erzeugten Ergebnisse, gesellschaftlich gemeinhin beobachtet an den<br />

aggregierten Kompetenzmerkmalen der Schülerschaft, werden dann, falls diese<br />

Annahme wirklich zutreffen sollte, vornehmlich mit Blick auf ihre Adäquanz und<br />

Verwertbarkeit 166 <strong>im</strong> arbeitsmäßig betriebenen Wirtschaftszusammenhang gedeutet.<br />

Sollte die hier diskutierte Beobachtungsform wahrlich in dieser Form bestand haben,<br />

erscheint die Schaffung von „Humankapital“ 167 als das (diktiert) drängendste Bil-<br />

dungsziel (Giesecke 2005). Offen ist aber, ob die Standardsetzung als ein Generie-<br />

rungswerkzeug von Humankapital fungiert. Ist eine solche Systemdiagnose als em-<br />

165 So der Kenntnisstand des Verfassers dieser Arbeit.<br />

166 Zur Klärung: „Im Begriff der Verwertbarkeit ist der Verwendungszusammenhang von Wissen und<br />

Kompetenzen nach Maßgabe ökonomischer Gestaltungsdirektiven definiert, die die erfahrungs- und<br />

lebensweltlichen Kontexte der Menschen partikularistisch, gefiltert durch das besondere Interesse<br />

durchstrukturieren.“ (Bernhard 2005, 242).<br />

167 Von der OECD (1999, 11) definiert als „knowledge, skills, competencies and other attributes embodied<br />

in individuals that are relevant to personal, social and economic well-being.”


98 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

pirisch haltbarer Tatbestand auszuweisen, darf behauptet werden, dass sich <strong>im</strong><br />

<strong>Schulsystem</strong> hauptsächlich an den sachlichen Erfordernissen des Wirtschaftssys-<br />

tems orientiert wird, dem <strong>Schulsystem</strong> also eine (vermutlich) fremdartige, weil nicht<br />

traditionellen pädagogischen Bildungsidealen und entsprechend, Fiktion materialer<br />

Rationalität nahegelegt wird, die „eine inhaltliche Anpassung der teilsystemischen<br />

Leistungsproduktionen an die hegemoniale Deutung dessen, was der Wirtschaft Not<br />

tut“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 52) nach sich zieht. 168<br />

Schon die defensiven Formulierungen sowie der stet Gebrauch des Konjunktivs<br />

lassen erahnen, dass sich abseits der Ausweisung theoretischer Möglichkeitshori-<br />

zonte sowie ideologisch gefärbter Warnungen keine manifesten empirische Eviden-<br />

zen für die Stützung der These einer inhaltlichen Ökonomisierung 169 des Schulwe-<br />

sens auffinden lassen. 170 Zwar veranlasste das Reforminstrument der Bildungsstan-<br />

dards auch außerpädagogische Reflektionen in einem Rahmen, der relativ eng und<br />

„ökonomisch reduziert“ mit Fragen der Leistungsfähigkeit der Schule und den erwar-<br />

teten Folgen schulischer Arbeit für den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ gefasst<br />

war bzw. ist (Tenorth 2004, 651). Und auch für die verstärkte politische und öffentli-<br />

che Aufmerksamkeit für die Qualität pädagogischer Arbeit mögen ökonomische Ar-<br />

gumente eine Rolle spielen (Klieme 2004, 626). Nur ist eine mit der Einführung von<br />

Bildungsstandards begründete funktionalistische Konstruktion von Bildung (Lade-<br />

nthin 2003; Fuchs 2003) nicht hinreichend wissenschaftlich belegt worden. 171<br />

Evident ist hingegen die kennzahlenbasierte Verknüpfung von Bildung und volks-<br />

wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit seitens der Bildungsökonomie. Dass in diesem<br />

Zusammenhang ein reduzierter Bildungsbegriff 172 , etwa wird Bildung als kognitive<br />

„Bildungskompetenz“ (Wößmann/Piopiunik 2009; Wößmann 2003), gebraucht wird,<br />

gibt zwar einen Hinweisung auf die besondere Relevanz von Basiskompetenzen für<br />

wirtschaftliche Verwertungszusammenhänge. Dass aber andere Aspekte von Bil-<br />

dung in derartigen Berechnungen ausgespart werden, kann auch rein forschungs-<br />

pragmatisch, aus Ermangelung an Vergleichsmöglichkeiten innerhalb wissenschaft-<br />

licher Logikzusammenhänge, erklärt werden. Es werden lediglich statistisch be-<br />

gründete Aussagen zur Bedeutung von schulisch vermittelten Grundkompetenzen<br />

168<br />

Einer solchen normativ-inhaltlichen Rahmung unterliegen etwa innerhalb der Wissenschaft die<br />

Teilbereiche der humankapitalorientierten Bildungsökonomie (Wolter 2002).<br />

169<br />

Die inhaltliche Ökonomisierung bedeutet dann, dass in erster Linie fremdlogische Zwecksetzungen<br />

die systemischen Leistungserbringungsprozesse steuern. Das <strong>Schulsystem</strong> würde sich, genehm dem<br />

Fall, dann einem gesellschaftssturkturellen „Um-zu-Motiv“ (Sch<strong>im</strong>ank 2010a, 32) verpflichten.<br />

170<br />

Wobei zunächst wohl zu fragen ist, wie sich Evidenz hier darstellen lassen kann.<br />

171<br />

Zumindest liegt eine solche dem Autor nicht vor. Das es aber <strong>im</strong> Bereich des Möglichen liegt, wird<br />

wenig später thematisiert.<br />

172<br />

Mit Bezug auf den „unzureichenden“ Bildungsbegriff der PISA-Studie, deren erste Veröffentlichung<br />

die Argumentationsbasis für die Entwicklung und Einsetzung von Bildungsstandards waren, in kritischer<br />

Diskussion, siehe Winkler (2008).


99 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

für die ökonomische Entwicklung eines Landes getätigt, welchen Einfluss andere<br />

Seiten von Bildung (Otto/Rauschenbach 2008; Andresen/Otto/Ziegler 2010) hierauf<br />

haben oder hätten, wird schlichtweg nicht zum Gegenstand. 173 Die ubiquitäre, ins-<br />

besondere öffentlich-medial Wirksame Platzierung von Ergebnissen aus Studien zu<br />

Schülerinnenleistungsmessungen 174 auf Basis von Kompetenzen sowie die vielfa-<br />

chen Rezeptionen dieser in anderen Sinnsystemen wie Politik 175 und Wirtschaft<br />

lässt zumindest vermuten, dass hiermit ein relativ universelles Kommunikationsme-<br />

dium geschaffen wurde, zumal die Kompetenzorientierung ihren internationalen<br />

Verbreitungsursprung <strong>im</strong> oben schon eingebrachten literacy-Konzept der OECD und<br />

damit politische sowie wirtschaftliche Anschlussfähigkeit zumindest thesenartig un-<br />

terstellt werden kann. Dies gilt umso mehr, als dass sich Vertreter aus Politik und<br />

Wirtschaft in ihren Beobachtungen der <strong>Schulsystem</strong>e anteilsmäßig überwiegend auf<br />

diese metrisch ausgedrückten Kennwerte bezögen. 176 Aufklärung hierüber bieten<br />

entweder Dokumentenanalysen, die Aufschlüsse über Beobachtungsformen dieser<br />

Akteurgruppen zulassen, sowie auch Interview-Studien mit eben diesen<br />

Akteurgruppen zu ihren spezifischen Beobachtungsweisen des Schulwesens. Soll-<br />

ten sich <strong>im</strong> Zuge solcher Forschung Befunde zu Tage treten, die diese Vermutung<br />

einer erhöhten relevanten Kommunikationsbasis, manifestiert etwa über die Mes-<br />

sung von Leistungen mit Bezug auf geltende Kompetenzstandards, über das Schul-<br />

system für weitere Interessengruppen, muss für einen Nachweis einer „ökonomi-<br />

schen Rationalisierung“ des Schulwesen Akteurkonstellationen beobachtet werden,<br />

die für eine fortschreitende Dominanz sorgen.<br />

Abseits dieser gegenwärtig fortlaufenden Diskussion darüber, ob eine vereinseitigte<br />

Kompetenzorientierung <strong>im</strong> Schulalltag wirklich evident ist und ob tatsächlich wirt-<br />

schaftliche Interessengruppen hinter der kolportierten Subsumtion von Bildung unter<br />

das Leitbild der Humankapitalgenerierung stehen (Münch 2009), ist noch in aller<br />

Kürze anzumerken, dass es aus schultheoretischer Perspektive <strong>im</strong> funktionalen<br />

Verflechtungszusammenhang der Gesellschaft eine der Aufgaben des Schulsys-<br />

tems war und ist, zur gesellschaftlichen Reproduktion und Innovation beizutragen<br />

173 Es kann nur darüber gemutmaßt werden, ob sich diese Akteure bewusst aus Scheu vor Vereinnahmung<br />

ihrer Positionen und Konstruktionen oder aber aus einem alternativen und ablehnenden<br />

Selbstverständnis heraus, oder aus ganz anderen Gründen, sich einem auf Schul-Ökonomie-<br />

Interdependenzen abzielenden Diskurs fern halten.<br />

174 Der Vollständigkeit halber zählen hier TIMSS (z.B. Bos/Bonsen/Baumert/Prenzel/Selter/Walther<br />

2008) und die IGLU-Studie (zuerst Bos/Lankes/Prenzel/Schwippert/Valtin/Walther 2003) zu den größeren<br />

dieser Art in Deutschland.<br />

175 Siehe exemplarische ein bildungspolitisches Statement von MdB Wolfgang Gerhardt aus dem Jahr<br />

2009 zum Thema „Bildung als Humankapital“, abrufbar unter http://www.wolfganggerhardt.de/files/3004/Bildungspolitischesstatement_-_Bildung_als_Humanka_0_.pdf<br />

(Zugriff<br />

28.07.2012).<br />

176 Dass es die Bildungsökonomen tun, die vordergründig ein akademisches Zwitterdasein ausleben,<br />

sich selbst aber eher den ökonomischen Wissenschaften zurechnen, darf als Hinweis gewertet werden.


100 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

(Fend 2006, 53). Dazu zählt auch, dem wirtschaftlichen Produktionsbereich an<br />

Schulabsolventen gebundene relevante Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Verfügung<br />

zu stellen. Wenn diese Funktion mit der Etablierung darauf abzielender Bildungs-<br />

standards einen leichten Bedeutungszuwachs erfahren sollte, steht das etwa kei-<br />

neswegs <strong>im</strong> Widerspruch zu etwaigen Gerechtigkeitsansprüchen, die dem Schul-<br />

system auferlegt werden. 177 Gesellschaftlich problematische Dysfunktionalitäten<br />

würden dann aufkommen, wenn beispielsweise die von Fend (2008) herausgearbei-<br />

teten Funktionen des <strong>Schulsystem</strong>s für die Gesellschaft derart ungleichgewichtig<br />

bearbeitet würden, dass der allgemeine, z.B. auch kulturelle, Reproduktionsauftrag<br />

verfehlt wird. Eine systemische Übersteuerung hin auf die qualifikatorisch zuge-<br />

schnittenen Bildungsstandards könnte einen solchen problematischen Effekt poten-<br />

tiell provozieren. Ob aber diese zu einer übermäßigen Angleichung der Rationali-<br />

tätsvorstellungen führen und die Zugriffe auf das Weltgeschehen für den gesell-<br />

schaftlichen Funktionsapparat gefährlich einengen, bleibt eine starke, aber offene<br />

Hypothese und konnte hier nur noch einmal angeschnitten, aber nicht aufgeklärt<br />

werden. 178<br />

4.3.4.2 Verändertes Governancereg<strong>im</strong>e und Ökonomisierung<br />

Eine weitere Perspektivstellung für die Befragung der Einführung von Bildungsstan-<br />

dards n<strong>im</strong>mt Bezug auf Verknüpfung der Strukturelemente Bildungsstandards und<br />

Systemmonitoring sowie mögliche Folgeerscheinungen. Wie <strong>im</strong> vorherigen Unter-<br />

kapitel diskutiert erscheint die These einer an ökonomischen Interessen ausgerich-<br />

teten inhaltlichen Vereinseitigung von schulischen Vermittlungsprozessen zwar<br />

plausibel. In Anbetracht der aufgeworfenen Vorstellungen gesellschaftlicher<br />

Ökonomisierung vermögen aber analytische Betrachtungen veränderter<br />

Governance-Mechanismen sowie ihre Einwirken auf codifizierte Orientierungen und<br />

Handlungspraktiken gehaltvollere Hinweise zu bieten. Denn es darf angenommen<br />

werden, dass testbasierte Messungen von Schülerleistungen, die auf Individual- wie<br />

auf Kollektivebene beobachtet werden können und für die Bildungsstandards die<br />

Bezugsnorm darstellen (van Ackeren/ Bellenberg 2004, 127), unter best<strong>im</strong>mten<br />

Konstellationsbedingungen die operativen Imperative für Systemakteure tangieren<br />

können<br />

177 Etwa dient die fokussierte Förderung von Lese- und Schreibkompetenzen sicherlich sowohl den<br />

Bedürfnissen der Wirtschaftsakteure als auch der Entkopplung des negativen Zusammenhangs von<br />

sozialer Herkunft und Leistung und einer freien individuellen Teilhabe an der Gesellschaft<br />

(Berkemeyer/Bos/Manitius 2012).<br />

178 Eine umfangreiche Nachzeichnung der Kritik an Standardsierungen und Tests <strong>im</strong> Bildungsbereich<br />

n<strong>im</strong>mt Böttcher (2002, 160 ff.)


101 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

Als Einzelelemente einer evidenzbasierten Bildungspolitik und Schulentwicklung<br />

sollen Bildungsstandards sowie die Überprüfung ihrer Zielerreichung mittels stan-<br />

dardisierter Leistungstests, die in Deutschland als sogenannte zentrale<br />

Lernstandserhebungen oder Vergleichsarbeiten realisiert werden (Huber et al.<br />

2006), einerseits die Einzelinstitution und –akteure auf gesellschaftlich wichtige Zie-<br />

le hin orientieren (Altrichter/ Maag Merki 2010, 35), und zum anderen auch den<br />

staatlichen Aufsichtsbehörden Informationen über die Leistungsniveaus der Schüle-<br />

rinnen und Schüler <strong>im</strong> innerschulischen und landesweiten Vergleich liefern (Home-<br />

page MSW NRW) 179 . Über diesen zweitseitig strukturierenden Zugriff auf pädagogi-<br />

sche Prozesse wird es den administrativen Beobachtungs- und Steuerungsinstan-<br />

zen ermöglicht, objektivierte, weil standardisierte, und vergleichbare Bewertungen<br />

von Ausschnitten individuellen und kollektiven Leistungsentäußerungen vorzuneh-<br />

men und Entscheidungen auf Grundlage organisationsexterner Kontrolle zu treffen<br />

(Altrichter 2006, 64). Für staatlich-regulierende, auch investive, Eingriffe wird damit<br />

potentiell eine neue Legit<strong>im</strong>ationsgrundlage geschaffen, da sich pädagogische Ef-<br />

fektivität nun transparent für alle Systemakteure beurteilen lässt und Unterschei-<br />

dungen aus Basis universeller Vergleiche getroffen werden können. An diese sys-<br />

temische Konstruktion können nun weitere Konstruktionen anschließen, die den<br />

Austausch zwischen interdependenten Einheiten moderieren sowie das individuelle<br />

Verhalten beeinflussen können. Die den Bildungsstandards als Zielvorgaben schon<br />

inhärente Steuerungsfunktion kann durch institutionelle Neukonfigurationen nochmal<br />

verstärkt, gar Verabsolutiert, werden, etwa durch die Etablierung marktlicher Ord-<br />

nungsstrukturen für die Koordination ressourcieller Allokation.<br />

Märkte als soziale Koordinationsstrukturen beinhalten idealtypisch das Moment des<br />

Tauschs von Leistung und Gegenleistung sowie das Moment des Wettbewerbs zwi-<br />

schen mehreren Anbietern und Nachfragern (Aspers/Beckert 2008, 225 f.). Unter<br />

dem sozialen Zwang des Selbsterhalts sind soziale Einheiten unter Marktbedingun-<br />

gen dazu veranlasst, über Leistungsproduktionen ihre Tauschfähigkeit aufzubauen<br />

und zu erhalten. Im hier behandelten Beispiel können staatlichen Verteilungsinstan-<br />

zen als Anbieter von Mitteln und Gütern, z.B. Geld oder Sachmittel, auftreten 180 , die<br />

sie die über Setzung von Tauschbedingungen für andere Akteure freigeben. Die<br />

nachfragenden Akteure, hier die einzelnen Schulen, sind dann dazu angehalten,<br />

sich „unter diesen Handlungsbedingungen angemessen zu verhalten, heißt, sich<br />

rational zu verhalten, indem man seine begrenzten Mittel so einsetzt, dass das Ego<br />

179 http://www.schulministerium.nrw.de/BP/<strong>Schulsystem</strong>/Qualitaetssicherung/Lernstandserhebungen/<br />

(Zugriff am 03.08.2012)<br />

180 Schon weiter oben wurde vorgebracht, dass der Staat für manche Gesellschaftsteile als Haupt-<br />

oder Mitfinancier bzw. als Finanzierungsapparat für teilsystemische Arbeitsorganisationen auftritt<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2010b, 39). Dies ist für das öffentliche <strong>Schulsystem</strong> der Fall.


102 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

den größten Nutzen erzielt“ (Stehr 2007, 106). Nur die Einheiten, die sich rational<br />

zum Markt verhalten, können die Fremdversorgung mit überlebenswichtigen Res-<br />

sourcen sicherstellen. Weiterhin kann den leistungsproduzierenden und auf Aus-<br />

tausch angewiesenen Akteuren die Möglichkeit eröffnet werden, durch Steigerung<br />

ihres numerischen Leistungsausstoßes sowie Erhöhung ihrer Produktqualität ihre<br />

relative Marktposition so verbessern, dass ihnen mehr Ressourcen von einer vorab<br />

festgesetzten Verteilungsmasse zufallen. An diese Koordinationsform ist sowohl für<br />

den Anbieter, als auch für den Nachfrager von Leistungen und Gütern die Erwartung<br />

geknüpft, den jeweiligen Nutzen zu erhöhen. Für die Nachfragenden Schulen be-<br />

steht der Nutzen in der Ausstattung mit Ressourcen, für die anbietenden staatlichen<br />

Einheiten in einer besseren Leistungsproduktion, die sie dann in Marktrahmungen,<br />

die ihresgleichen betreffen, wiederum einsetzen kann. 181<br />

Diese Form der sozialen Relationierung zum Zwecke der Konditionierung von Sys-<br />

temakteuren erfolgt außerhalb des Wirtschaftssystems zumeist über die Seite staat-<br />

licher Einrichtungen, „die konkurrierende Organisationen zueinander in Beziehung<br />

setzen.“ (Hasse/Krücken 2012, 32). Da der Staat für viele gesellschaftliche Leis-<br />

tungsbereiche, auch für das öffentliche Schulwesen, als Financier auftritt, obliegt<br />

ihm eine besondere Rolle diesem Beziehungsgeflecht <strong>im</strong> staatlichen Auftrag agie-<br />

render Akteure. Die Verfügung relevanter Mittel, die nicht von den anderen beteilig-<br />

ten und abhängigen Akteuren selbst erzeugt werden können, hier z.B. Geld, kann<br />

von ihm gezielt als soziales Einflusspotential eingesetzt werden, um der Seite ein<br />

spezifisches Handeln bzw. eine spezifische Leistungsproduktion abzuverlangen.<br />

Während die Machtbasis des Staates also in seiner Strukturierungs- und Allokati-<br />

onsfähigkeit liegt, liegt das spezifische Einflusspotential der anderen Akteure in ihrer<br />

Leistungsproduktion bzw. in der Fähigkeit, diese <strong>im</strong> Sinne geforderter Qualität<br />

und/oder Quantität zu steuern, um die verteilende Seite zur Gegenleistung anzure-<br />

gen bzw. zu verpflichten. 182<br />

In solchen Fällen liegen Konstellationen wechselseitiger Beeinflussung vor<br />

(Sch<strong>im</strong>ank 2010a, 267 ff.), die <strong>im</strong> Bereich öffentlicher Sektoren häufig als Quasi-<br />

Märkte modelliert werden (Weiß 2001). Die Testergebnisse aus<br />

Lernstandserhebungen fungieren in einem solchen gedankenexper<strong>im</strong>entellen Sze-<br />

nario für die Schulen als handelbare Güter bzw. Kapitalien, die unter best<strong>im</strong>mten<br />

institutionellen Austauschbedingungen <strong>im</strong> Mehrebenensystem transformierbar in<br />

ökonomisches Kapital sind. Die prinzipielle Irritierbarkeit von (Schul-)Organisationen<br />

181<br />

Hier wird mit gedankenexper<strong>im</strong>entellen Unterstellungen gearbeitet, die aus der eigenen Wahrnehmung<br />

heraus plausibel erscheinen.<br />

182<br />

Wobei sichergestellt werden muss, dass diese Fähigkeit der Einflussnahme wirklich gegeben ist<br />

und auch generell die Möglichkeit einer Interessenkongruenz besteht.


103 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

<strong>im</strong> Medium Geld wurde schon weiter oben theoretisch behandelt. Das gilt umso<br />

mehr, wenn die betreffenden Einheiten nun selbst damit beauftragt sind, unter be-<br />

st<strong>im</strong>mten Bedingungen ihre ökonomische Basis, zumindest partiell, zu sichern<br />

und/oder auszubauen. Um ihre eigen Ressourcenausstattung zu sichern müssen<br />

sich die Leistungsproduzenten, die Schulen, den Marktregeln und Signalen entspre-<br />

chend konform verhalten und die als handelbar konstruierten Güter in einer solchen<br />

Güte und Beschaffenheit erstellen, dass sie damit an Tauschprozessen partizipieren<br />

können. 183 Die für die betreffende soziale Einheit geltenden Rationalitätsmuster und<br />

Handlungsantriebe werden in diesem entworfenen Modell den reziproken Nutzen-<br />

erwägungen entsprechend, zumindest partiell, auf das institutionell verankerte<br />

Geldversprechen hin ausgerichtet.<br />

Hasse und Krücken (2012, 30) sehen in der Wettbewerbskonstituierung „<strong>im</strong> Sinne<br />

der Schaffung von Konkurrenzkonstellationen“ schon den eigentlichen Mechanis-<br />

mus für die Best<strong>im</strong>mung einer Ausbreitung ökonomischer Rationalität. Diese Positi-<br />

on st<strong>im</strong>mt mit der verbreiteten Ansicht überein, dass die Einrichtung von Quasi-<br />

Märkten entsprechend der NPM-Programmatik bereits als institutionelle Form der<br />

Ökonomisierung zu begreifen ist (Nullmeier 2001), da mithilfe solcher Verfahren<br />

eine Transaktionskostenopt<strong>im</strong>ierung sowie gesteigerte quantitative und qualitative<br />

Effektivität erwartet wird. Den oben genannten Verständnisangeboten zufolge ist für<br />

eine Identifizierung ökonomisierter Verhältnisse die Blick auch auf die handelnden<br />

kollektiven und individuellen Akteure sowie ihrer Wahrnehmungs- und Entschei-<br />

dungsstrukturen zu richten. Wettbewerb, hier moderiert über Testergebnisse mit der<br />

Bezugsnorm Bildungsstandards, wird somit als regelhafte Ermöglichungsbedingung<br />

für Rationalitätsambivalenzen oder -überformungen gefasst.<br />

Zu fragen ist, wie intensivierte Konkurrenzsituationen von den Akteuren aufgenom-<br />

men werden und wie der Umgang mit für viele Gesellschaftsbereiche neuartigen<br />

Wettbewerbsstrukturen gestaltet wird. Veränderten strukturellen Kontextbedingun-<br />

gen muss ein wie auch <strong>im</strong>mer gearteter Einfluss auf die Prägungen von Wahrneh-<br />

mungs-, Deutungs- und Handlungsschemata unterstellt werden (siehe oben). Hinter<br />

einer solchen Zuschneidung der institutionellen Verhältnisse steht die Intention, den<br />

Leistungsproduzenten Anreize zu vermitteln, Produkte best<strong>im</strong>mter Güte und Be-<br />

schaffenheit herzustellen. Sind diese Anreize verbunden mit dem Erhalt eigener<br />

Aktionsfähigkeit, können auf Seiten der Leistungsrollenträger Veränderungen in der<br />

Priorisierung von Tätigkeiten und Praxisvollzügen, so beispielsweise Triebkräfte<br />

vornehmlich nutzenrationalen Handelns, entstehen. Die eindeutige Ausrichtung auf<br />

183 Die Beschreibung dieses Mechanismus‘ weist deutliche Analogien zum Principal-Agent-Theorem<br />

(Münch 2009).


104 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

die Honorierung mindestens adäquater Kompetenzwerte stünde, in einem zugege-<br />

benermaßen extremen Szenario, der Schulorganisation mitsamt den pädagogisch<br />

tätigen Lehrpersonen als unhintergehbares, weil existenzsicherndes, Leitziel zu Ver-<br />

fügung. Das mag vereinseitigende Wirkungen in den Handlungsorientierungen nach<br />

sich ziehen, muss es aber nicht zwangsläufig. Auch in der Verfolgung der Zielerrei-<br />

chung mit Bezug auf die kontrollierten Bildungsstandards kann die Lehrkraft nach<br />

wie vor ihre Entscheidungen vor der Folie ihrer internalisierten Professionsstandards<br />

treffen (Brüsemeister 2005, 316). Ob für das Problem der Kompetenzvermittlung in<br />

der Schüler-Lehrer-Interaktion weiterhin auf pädagogisch-professionelle Kompeten-<br />

zen zurückgegriffen wird, oder andere Verfahrung einbezogen werden, ist für Identi-<br />

fizierung ökonomisierter Zustände erst einmal zweitrangig. Entscheidend ist, ob<br />

Verschiebungen <strong>im</strong> Anwendungsgewicht von Rationalitätsprinzipien nachweisbar<br />

sind, die zweifellos auf die veränderte institutionelle Rahmung der Situation<br />

rückführbar sind. Oder anders: Gibt die übergeordnete Aufforderung zum pädagogi-<br />

schen Vollzug unter dem Horizont von normativen Bildungsstandards eine<br />

Relevanzstruktur vor, durch die eine Entscheidungssituationen dermaßen verein-<br />

facht wird (Esser 2010, 55), dass <strong>im</strong> Aufkommen jeden Logikkonflikts über den Zu-<br />

griff auf die Wirklichkeit <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Sinne dieses höchst priorisierten Ziels gehandelt<br />

wird. Und wenn nun mal das organisationale, und damit auch das eigene individuel-<br />

le berufliche, Überleben von der Ausstattung mit Ressourcen abhängt, Stichwort<br />

Schule als „Arbeitsorganisation“ (Wissinger 1996, 57 ff.), wäre es hochgradig irratio-<br />

nal, nicht <strong>im</strong> Lichte dieser Zwecksetzung zu agieren. Pädagogische Mittel und Wege<br />

werden unter diesen Umständen gegebenenfalls danach ausgewählt, ob sie sich<br />

rational zum formal festgelegten Zweck verhalten, da diese Handlungen verhältnis-<br />

mäßig hoch belohnt werden bzw. die Aussicht auf Honorierung der sichtbaren<br />

Handlungsergebnisse entscheidungsmoderierend wirkt. Dies mag Störungen in der<br />

binären Codierung 184 einer Entscheidungs- und Handlungssituationen evozieren.<br />

Die professionelle bzw. situative Wirklichkeit ist nicht mehr danach strukturiert, um-<br />

fassende Bildung und Erziehung als die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten und<br />

Förderung sozialer Anschlussfähigkeit (Luhmann 2002, 15) zu gewährleisten. Erzie-<br />

hungs- und Bildungsaufgaben werden nur noch dann wahrgenommen, wenn sie<br />

den Zweck der Kompetenzbildung verfolgen und somit zum organisationalen Fort-<br />

bestand in Abhängigkeit leistungsmäßigen Austausches mit allokativen Akteuren<br />

und in der Bewährung gegenüber anderen produktiven Dienstleistern beitragen. Als<br />

kommensurable Produkte dient die Förderung der Kompetenzstände der Schülerin-<br />

nen und Schüler dann auch dazu, nebst den weiterhin situationsdefinierenden Bil-<br />

184 Wobei auch Luhmann daran scheitert, anders als <strong>im</strong> Falle des Rechts- oder Wirtschaftssystems, für<br />

das Erziehungssystem einen eindeutigen Code zu benennen.


105 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

dungsaspekten, die Zahlungsfähigkeit der eigenen Schule abzusichern. Wird die<br />

Erwartung der Regeneration von Zahlungsfähigkeit (Deutschmann 2008, 3; zitiert<br />

nach Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2012, 167) an die teilsystemischen Akteure gestellt, gar<br />

die Erwartung der Gewinnerzielung zum sekundärem Handlungsziel<br />

(Sch<strong>im</strong>ank/Volkmann 2008, 386) erhoben, und bedingen diese Erwartungen ein<br />

strategisches Verhalten bei den Akteuren, kann eindeutig auf ökonomisierenden<br />

Einwirkungen geschlossen werden. Hinweise darauf könnten zum einen über die<br />

Sichtung und Analyse von administrativen Dokumenten, die eine Aktivsetzung sol-<br />

cher Regelstrukturen offenbaren, erschlossen werden, zum anderen über die fak-<br />

tisch vorfindbaren Entscheidungsstrukturen innerhalb einer Schulorganisation, etwa<br />

ob diese anteilsmäßig durch Profitabilitätsstreben und Rentabilitätskalkül<br />

charakterisierbar sind (Lessenich 2009, 133). Als ein grobes Analyseraster für eine<br />

empirische Untersuchung von schulinternen Entscheidungsprogrammen als Bedin-<br />

gungen für „richtiges Entscheiden“ (Luhmann 2000, 225) eignet sich die oben vor-<br />

gestellte fünfstufige Skala zur Best<strong>im</strong>mung eines Grades der Ökonomisierung. Al-<br />

lerdings müsste diese auf den spezifischen Gegenstand Bildungsstandards und<br />

Testung als „erklärende Variable“ bezogen und angepasst werden.<br />

Dass dieses gezeichnete Ereignisszenario in Verbindung mit der Einführung von<br />

systemweit geltenden Bildungsstandards nicht völlig abwegig erscheint, belegen<br />

manche Hoffnungen und Ansprüche, die <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Etablierung von<br />

Bildungsstandards und daran anschließender Leistungsüberprüfungen geäußert<br />

werden. Gerade viele mit dem Schulwesen befasste Ökonomen sind der Meinung,<br />

dass eine Verbesserung schulischer Effektivität „durch die Festlegung von Leis-<br />

tungsstandards und deren Kontrolle zu vermeiden sei und damit eine<br />

outputsteigernde Mittelverwendung gesichert werden könnte.“ (Weiß 2006, 4) Die-<br />

ses Argument bedienende Modelle der Bildungsfinanzierung sind beispielsweise in<br />

den USA schon Realität. Dort erfolgt eine leistungsabhängige Mittelzuweisung auf<br />

Schulorganisationsebene entweder direkt, „auf der Basis erreichter Leistungsni-<br />

veaus („payment by result“) oder indirekt, über die Zahl der – <strong>im</strong> Wettbewerb mit<br />

anderen Schulen – rekrutierten Schüler.“(Weiß 2006, 4). Im letzten Fall verändern<br />

sich Ressourcenströme vermittelt über den Wettbewerb um Schüler, für diese die<br />

transparenten schulischen Leistungsniveaus als Entscheidungsgrundlage für die<br />

Schulwahl angenommen werden. 185 Auch für den deutschen Schulbereich besteht<br />

die Forderung, „die Ressourcen der Schulen über die Anzahl der Schüler/innen zu<br />

regulieren“ (Maag Merki 2010, 152), wobei dies <strong>im</strong> Zuge der Einführung von Wett-<br />

185 Auch der deutsche „Aktionsrat Bildung“ (2010, 35) verweist unter Bedingungen freier Schulwahl auf<br />

die bedeutende Rolle der Eltern, die in ihrer Wahl zum Wohle des Kindes auf schulische Qualitätsstandards<br />

rekurrieren.


106 4 <strong>Schulsystem</strong> und Steuerung<br />

bewerbsmechanismen passieren soll. Böttcher (2002, 216) gibt unter der Prämisse<br />

einer „intelligenten Ressourcenallokation“ für das deutsche Schulwesen die Empfeh-<br />

lung ab, die Finanzierung positiv auf Leistungsverbesserungen der Schüler reagie-<br />

ren zu lassen. Zu prüfen ist zunächst, ob sich derartige Formen der Mittelverteilung<br />

in Deutschland auffinden lassen. Denn erst, wenn solche strukturellen Bedingungen<br />

faktisch vorliegen, kann der Frage nach ökonomisierten Entscheidungsprozessen<br />

und Handlungsvollzügen auf Organisations- sowie Individualeben auch empirisch<br />

nachgegangen werden.


107 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />

5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />

Mit dieser Arbeit stand der Versuch, das deutsche <strong>Schulsystem</strong> mittels der Betrach-<br />

tung und Analyse dreier gegenwärtig zur Anwendung kommender Strukturelemente<br />

unter eine Perspektive gesellschaftlicher Ökonomisierung zu stellen. Ganz allge-<br />

mein betrachtet wird Ökonomisierung als ein Vorgang angenommen, „durch den<br />

Orientierungen, die man gemeinhin mit der kapitalistischen Wirtschaft verbindet,<br />

wirkmächtiger werden – insbesondere auch in anderen gesellschaftlichen Teilsys-<br />

temen“ (Sch<strong>im</strong>ank 2008, 220). Die Steuerungsinstrumente „Schulscharfes Lehrer-<br />

auswahl- und Einstellungsverfahren“, „Ganztagsschule“ und „Bildungsstandards“,<br />

die jeweils einen anderen Steuerungstyp repräsentieren, wurden daraufhin befragt,<br />

ob sie das kolportierte Voranschreiten wirtschaftlicher Orientierungen in anderen als<br />

dem ökonomischen Funktionssystem befördern und unterstützen, zumindest aber<br />

irgendwie ermöglichen.<br />

Die Nutzung von Termini wie Teil- und Funktionssystem belegt das zugrunde lie-<br />

gende differenzierungstheoretische Modell der Gesellschaft. Danach zeichnet sich<br />

die Moderne durch ihre Polykontexturalität aus, sprich durch eine Vielzahl vonei-<br />

nander unterscheidbarer Zugriffsweisen auf gesellschaftliches Geschehen. Diese<br />

Zugriffsweisen sind strukturiert durch binäre Codierungen, die als zweiseitige Unter-<br />

scheidungsschemata die Beobachtung und Bewertung sozialer Phänomene gewis-<br />

sermaßen präformieren und diese nur selektiv erfahrbar machen. In der Zuspitzung<br />

der Zugriffsweisen entlang des jeweiligen binären Codes ist dem Theorieprogramm<br />

funktionaler Differenzierung zufolge der zentrale Mechanismus funktionaler Leis-<br />

tungsfähigkeit zu sehen. Durch die Vereinseitigung und Verabsolutierung der Welt-<br />

sicht wird, so die systemtheoretische Ausdeutung des Differenzierungsmodells, al-<br />

lein ein gesellschaftliches Bezugsproblem fokussiert und unter Rückgriff auf sys-<br />

temspezifische Programme bearbeitet. Die selektive Wahrnehmung und die Spezia-<br />

lisierung in der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme wirkt entlastend für den<br />

einzelnen teilsystemischen Zusammenhang und bedingt dessen Leistungsfähigkeit<br />

und Monopolstellung hinsichtlich seiner gesellschaftlichen Funktion.<br />

Nach den Darlegungen zum differenzierungstheoretischen Gesellschaftsmodell mit-<br />

samt dessen zentralen Konzepten und unter Berücksichtigung sowohl system- als<br />

auch akteurtheoretischer Grundlegungen wurden Begrifflichkeiten und Konzepte,<br />

die dem gegenwärtigen soziologischen Diskurs zur gesellschaftlichen<br />

Ökonomisierung zuzuordnen sind, vorgestellt. Es wurde ersichtlich, dass die Litera-<br />

tur eine Mehrzahl sinnverwandter Begriffe bereithält, diese aber in ihren Bedeu-<br />

tungsgehalten weder deckungsgleich sind noch dieselben Prozesse ansprechen.


108 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />

Anschließend wurde ein relativ systematischer Ansatz gesellschaftlicher<br />

Ökonomisierung von Sch<strong>im</strong>ank bzw. Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) um einige<br />

erweiternde Anschlüsse ergänzt. Die dem derzeitigen Stand inhärente Unschärfe in<br />

den Begriffen von Ökonomisierung (Bode 2010, 63) konnte nicht aufgelöst werden.<br />

Es wurde aber umfänglich vermittelt, mit welchen Zugängen dieses Thema wissen-<br />

schaftlich verhandelt wird. Als Ausgangspunkt für die Betrachtung konkreter Steue-<br />

rungsinstrumente des <strong>Schulsystem</strong>s wurde ein relativ globales Verständnis von<br />

Ökonomisierung angelegt. Vollkommene Ökonomisierung liegt dann vor, wenn ein<br />

struktureller Vorrang wirtschaftlicher, also geldvermittelter, Gesichtspunkte auch in<br />

anderen Teilsystemen vorliegt und das eigentliche Bezugsproblem nur noch der<br />

Abwägung finanzieller Machbarkeit nachgeordnet adressiert wird. Unterhalb dieser<br />

max<strong>im</strong>alen Ausprägung sind noch verschiedene Ökonomisierungsgrade zu unter-<br />

scheiden, die anhand der Relevanz von Kostenbewusstsein spezifizierbar sind.<br />

Die in dieser Arbeit stellvertretend für das <strong>Schulsystem</strong> und seine Steuerungsver-<br />

fahren stehenden Lenkungsinstrumente wurden weniger aufgrund eines Verdachts<br />

der Bestätigung der Ökonomisierungsthese ausgewählt, als dass eine verhältnis-<br />

mäßig umfassende Betrachtung des <strong>Schulsystem</strong>s <strong>im</strong> Vordergrund stand. Als Heu-<br />

ristik für die Auswahl der Analysegegenstände diente das Kreislaufmodell der Steu-<br />

erung <strong>im</strong> Schulwesen (Bos/Holtappels/Rösner 2006, 83). Dieses berücksichtigt die<br />

Mehrebenenstruktur des <strong>Schulsystem</strong>s zwar nicht explizit (Berkemeyer 2010, 82),<br />

erschien für eine mehrseitige Betrachtung aber durchaus passend, zumal auch je-<br />

weils unterschiedliche Systemreferenzen (Organisation, Individualebene) angespro-<br />

chen werden konnten.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass die Steuerungsinstrumente für sich nicht als Indi-<br />

zien einer Ökonomisierung des <strong>Schulsystem</strong>s ausgewiesen werden können. Wenn<br />

überhaupt, sind sie als strukturelle Ermöglichungsbedingungen für Ökonomisie-<br />

rungsprozesse aufzufassen. Insbesondere die Bildungsstandards scheinen <strong>im</strong> Zu-<br />

sammenhang mit einem auf sie ausgerichteten Systemmonitoring und sich an den<br />

Ergebnissen orientierten Verteilungsmodi Potential für eine Umstellung der System-<br />

ziele zu besitzen. Nur kann bislang nicht nachvollzogen werden, ob die Bildungs-<br />

standards als Referenzkategorien auch eine Konkurrenz von Zugriffsweisen, <strong>im</strong><br />

Sinne einer Verdrängung etablierter systemischer Weltsichten, bewirken. Bislang<br />

sind nur einige Vorschläge zu verzeichnen, die Ergebnisse aus den Erhebungen zu<br />

den Bildungsstandards zur Grundlage für die Ressourcenverteilung zu machen. Hier<br />

sollte, was <strong>im</strong> Rahmen dieser Arbeit mit Überblickscharakter nicht möglich war, de-<br />

zidierter nach modellhaften Umsetzungsbeispielen recherchiert werden.


109 5 Zusammenfassung und Perspektiven<br />

Den anderen beiden Instrumente, Ganztagsschule und Schulscharfes Lehreraus-<br />

wahl- und -einstellungsverfahren, konnten nur mittels kreativer Zuschreibungen<br />

Ökonomisierungspotentiale nachgewiesen werden. Sie meinen vielmehr organisato-<br />

rische und verfahrensmäßige Umgestaltungen des Systems und wären nur in Ver-<br />

bindung mit finanziellen Rahmungen ein Ausgangspunkt für das Eindringen wirt-<br />

schaftlicher Gesichtspunkte. In ihren jeweiligen Entstehungszusammenhang sind<br />

beide Steuerungsinstrumente pr<strong>im</strong>är durch pädagogische bzw. erzieherische Maxi-<br />

me begründet worden.<br />

Das Ziel dieser Arbeit war es, das <strong>Schulsystem</strong> auf, für die gesamte Gesellschaft<br />

angenommene, <strong>Ökonomisierungstendenzen</strong> zu befragen. Festgehalten werden<br />

kann, dass die hier vorgenommene selektive Betrachtung des <strong>Schulsystem</strong>s keine<br />

eindeutigen Belege hierfür liefern kann. Da noch <strong>im</strong>mer täglich erzieherische Kom-<br />

munikationen und Einwirkungen vollzogen werden, kann nicht von einer Entdifferen-<br />

zierung ausgegangen werden. Die Sichtung der vorliegenden Literatur konnte den-<br />

noch einige Hinweise in den Überlegungen weitergehender Systemreform nachwei-<br />

sen. Zukünftig sollte eine grundsätzlich andere Hinwendung zum Thema gesche-<br />

hen. Durch die Auswahl der Instrumente wurde der Blickwinkel verengt, die Emp-<br />

fänglichkeit für wirklich ökonomisierende Indizien wurde somit eingeschränkt.<br />

Es sollte ein Zugang sozusagen „von unten“, ausgehend von den handelnden Ak-<br />

teuren in den Schulen, gewählt werden. Unter Anwendung beispielweise des opera-<br />

tionalisierten Ökonomisierungsmodells von Sch<strong>im</strong>ank und Volkmann (2008) können<br />

stichprobenartig Einzelfalluntersuchungen vorgenommen werden. Eine empirische<br />

Analyse hält potentiell konkrete Anlässe bereit, dieses Thema weiterhin zu verfol-<br />

gen. Eine weitere interessante Forschungsperspektive wäre zudem eine retrospek-<br />

tive Analyse der Entstehungszusammenhänge verschiedener Steuerungsinstrumen-<br />

te, denen ökonomisierendes Potential nachgewiesen, oder zumindest begründet<br />

nachgesagt, werden kann. Hierbei könnten die damals bestehenden Konstellations-<br />

strukturen sowie die den Aushandlungsprozess kennzeichnenden Logiken betrach-<br />

tet werden. Dies wäre allerdings nur mittels einer umfassenden Dokumentenanalyse<br />

sowie einer Befragung beteiligter Akteure darstellbar und hat womöglich nur geringe<br />

Aussichten.


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128 Literatur<br />

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129 Literatur<br />

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Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Luhmann, Niklas (1986): Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesell-<br />

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Luhmann, Niklas (1988): Die Wirtschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Luhmann, Niklas (1995): Legit<strong>im</strong>ation durch Verfahren. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhr-<br />

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Luhmann, Niklas (2000): Die Politik der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Luhmann, Niklas (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft. Frankfurt a.M.:<br />

Suhrkamp.<br />

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Luhmann, Niklas (2005): Soziologische Aufklärung 2. Ansätze zur Theorie der Ge-<br />

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Luhmann, Niklas (2006): Organisation und Entscheidung (2. Auflage). Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Luhmann, Niklas (2008): Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie. Frankfurt<br />

a.M.: Suhrkamp.<br />

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130 Literatur<br />

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131 Literatur<br />

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Münch, Richard (2002-2004): Soziologische Theorie. Band 1-3. Frankfurt a.M./New<br />

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Münch, Richard (2004): Soziologische Theorie. Band 3: Gesellschaftstheorie. Frank-<br />

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Nassehi, Armin (1999): Differenzierungsfolgen. Beiträge zur Soziologie der Moder-<br />

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Nassehi, Armin (2004): Die Theorie funktionaler Differenzierung <strong>im</strong> Horizont ihrer<br />

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132 Literatur<br />

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Pant, Hans Anand/Vock, Miriam/Pöhlmann, Claudia/Köller, Olaf (2008): Offenheit für<br />

Innovationen. Befunde aus Studie zur Rezeption der Bildungsstandards bei<br />

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Parsons, Talcott (1971): The System of modern Societies. Englewood Cliffs: Pren-<br />

tice Hall.<br />

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Perrow, Charles (1989): Eine Gesellschaft von Organisationen. In: Journal für Sozi-<br />

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Power, Michael (1999): The audit society: rituals of verification. Oxford: Oxford Uni-<br />

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133 Literatur<br />

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Radisch, Falk (2009): Qualität und Wirkung ganztägiger Schulorganisation. Theore-<br />

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Radisch, Falk/Klieme, Eckhard (2004): Wirkungen ganztägiger Schulorganisation.<br />

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169.<br />

Radisch, Falk/Klieme, Eckhard/Bos, Wilfried (2006): Gestaltungsmerkmale und Ef-<br />

fekte ganztägiger Angebote <strong>im</strong> Grundschulbereich. Eine Sekundäranalyse zu<br />

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(2012): Ganztagsschule als Hoffnungsträger für die Zukunft? Ein Reformpro-<br />

jekt auf dem Prüfstand. Expertise des Deutschen Jugendinstituts (DJI) <strong>im</strong><br />

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Ravitch, Diane (1995): National Standards in American Education. A Citizen’s Gui-<br />

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Reißig, Rolf (2009): Gesellschaftliche Transformation <strong>im</strong> 21. Jahrhundert: ein neues<br />

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Richter, Peter (2009). Ökonomisierung als gesellschaftliche Entdifferenzierung. Eine<br />

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Ritsert, Jürgen (2010): Der Positivismusstreit. In: G. Kneer/S. Moebius (Hrsg.): So-<br />

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134 Literatur<br />

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Rolff, Hans-Günter (1998): Entwicklung von Einzelschulen: Viel Praxis, wenig Theo-<br />

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Rosa. Hartmut (2009): Kapitalismus als Dynamisierungsspirale – Soziologie als Ge-<br />

sellschaftskritik. In: K. Dörre/S. Lessenich/H. Rosa (Hrsg.): Soziologie – Ka-<br />

pitalismus - Kritik. Eine Debatte (87-125). Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Rosewitz, Bernd/Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (1988). Verselbständigung und politische Steuer-<br />

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Rürup, Matthias (2007): Innovationswege <strong>im</strong> deutschen Bildungswesen. Die Ver-<br />

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Rürup, Matthias/Heinrich, Martin (2007): Schulen unter Zugzwang – Die Schulauto-<br />

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lung. In: H. Altrichter/T. Brüsemeister/J. Wissinger (Hrsg.): Educational<br />

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(157183). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sauer, Dieter (2008): »Du bist Kapitalismus« oder die Widersprüche der<br />

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in Kassel 2006 (609-621). Frankfurt a.M.: Campus Verlag.<br />

Schaefers, Christina (2004): Die erweiterte Entscheidungskompetenz von Schulen<br />

bei der Besetzung von Lehrstellen. In: W. Böttcher/E. Terhart (Hrsg.): Orga-<br />

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Schaefers, Christina/Terhart, Ewald (2004): The Participation of Schools in the Re-<br />

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Koinzer (Hrsg.): Was Schule macht. Schule, Unterricht und Werteerziehung:


135 Literatur<br />

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(183-196). Weinhe<strong>im</strong> und Basel: Beltz.<br />

Scharpf, Fritz W. (1989): Politische Steuerung und politische Institutionen. In: Politi-<br />

sche Vierteljahresschrift 31, 10-21.<br />

Scharpf, Fritz W. (1997): Games Real Actors Play. Actor-centered Institutionalism in<br />

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Scheerens, Jaap (2000): Improving School Effectiveness. In: Unesco (Ed.): Funda-<br />

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Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (1998): Funktionale Differenzierung und soziale Ungleichheit. Die<br />

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a.M.: Suhrkamp.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2002): Gesellschaftliche Teilsysteme und Strukturdynamiken. In: U.<br />

Volkmann/U. Sch<strong>im</strong>ank (Hrsg.): Soziologische Gegenwartsdiagnosen II.<br />

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Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2005a): Die Entscheidungsgesellschaft. Komplexität und Rationali-<br />

tät der Moderne. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Opla-<br />

den/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2005b): Differenzierung und Integration der modernen Gesell-<br />

schaft. Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie 1. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2005c): Organisationsgesellschaft. In: W. Jäger/U. Sch<strong>im</strong>ank<br />

(Hrsg.): Organisationsgesellschaft. Facetten und Perspektiven (19-50).<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2006): Teilsystemische Autonomie und politische Gesellschafts-<br />

steuerung. Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie 2. Wiesba-<br />

den: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2007a): Theorien gesellschaftlicher Differenzierung (3. Auflage).<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2007b): „Feindliche Übernahmen“: Typen intersystemischer Auto-<br />

nomiebedrohung in der modernen Gesellschaft (17-34). In: G. Kruip/M. Fi-<br />

scher (Hrsg.): Feindliche Übernahmen? Zur Dynamik gesellschaftlicher<br />

Grenzüberschreitungen. Hamburg: LIT Verlag.


136 Literatur<br />

Sch<strong>im</strong>ank (2008): Ökonomisierung der Hochschulen – eine Makro-Meso-Mikro-<br />

Perspektive. In: K.-S. Rehberg (Hrsg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhand-<br />

lungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in<br />

Kassel 2006 (622-635). Frankfurt a.M.: Campus Verlag.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2009a): Wie sich funktionale Differenzierung reproduziert: eine<br />

akteurtheoretische Erklärung. In: Paul B. Hill/F. Kalter/J. Kopp/C. Kroneberg,<br />

R. Schnell (Hrsg.): Hartmut Essers Erklärende Soziologie. Kontroversen und<br />

Perspektiven (201-226). Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2009b): Die Moderne: eine funktional differenzierte kapitalistische<br />

Gesellschaft. In: Berliner Journal für Soziologie 3, 327-351.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2010a): Handeln und Strukturen. Einführung in die<br />

akteurtheoretische Soziologie (4. überarbeitete Auflage). Weinhe<strong>im</strong> und<br />

München: Juventa.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2010b): Die funktional differenzierte kapitalistische Gesellschaft als<br />

Organisationsgesellschaft – eine theoretische Skizze. In: M. Endreß/T. Matys<br />

(Hrsg.): Die Ökonomie der Organisation – die Organisation der Ökonomie<br />

(33-61). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe (2010c): Humboldt in Bologna – falscher Mann am falschen Ort? In:<br />

Hochschul-Informations-System (Hrsg.): Perspektive Studienqualität. The-<br />

men und Forschungsergebnisse der HIS-Fachtagung (44-61). Bielefeld: Ber-<br />

telsmann.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe/Volkmann, Ute (1999): Gesellschaftliche Differenzierung. Bielefeld:<br />

Transcript.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe/Volkmann, Ute (2008): Ökonomisierung der Gesellschaft. In: A.<br />

Maurer (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftssoziologie (382-393). Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Sch<strong>im</strong>ank, Uwe/Volkmann, Ute (2012): Die Ware Wissenschaft: Die fremdreferen-<br />

tielle finalisierte wirtschaftliche Rationalität von Wissenschaftsverlagen. In: A.<br />

Engels/L. Knoll (Hrsg.): Wirtschaftliche Rationalität: Soziologische Perspekti-<br />

ven (165-182). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Schneider, Wolfgang Ludwig (2009): Grundlagen der soziologischen Theorie. Band<br />

2: Garfinkel – RC – Habermas – Luhmann. Wiesbaden: VS Verlag für Sozi-<br />

alwissenschaften. B. Blanke/S. van Bandemer/F. Nullmeier/G. Wewer<br />

(Hrsg.): Handbuch zur Verwaltungsreform (3. überarbeitete Auflage) (63-73).<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.


137 Literatur<br />

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ke/S. van Bandemer/F. Nullmeier/G. Wewer (Hrsg.): Handbuch zur Verwal-<br />

tungsreform (2. Auflage) (71-82). Opladen: Leske + Budrich.<br />

Schüpbach, Marianne (2010): Ganztägige Bildung und Betreuung <strong>im</strong> Pr<strong>im</strong>arschulal-<br />

ter. Qualität und Wirksamkeit verschiedener Schulformen <strong>im</strong> Vergleich.<br />

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Schützeichel, Rainer (2011): „Doing Systems“ – Eine handlungstheoretische Re-<br />

konstruktion funktionaler Differenzierung. In T. Schwinn/C. Kronebert/J. Gre-<br />

ve (Hrsg.): Soziale Differenzierung: Handlungstheoretische Zugänge in der<br />

Diskussion (73-91). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Schwinn, Thomas (1998): Soziale Ungleichheit und funktionale Differenzierung.<br />

Wiederaufnahme einer Diskussion. Zeitschrift für Soziologie 27: 3-17.<br />

Schwinn, Thomas (2010): Brauchen wir einen Systembegriff? Zur (Un-<br />

)Vereinbarkeit von Akteurs- und Systemtheorie. In: G. Albert/S. Sigmund<br />

(Hrsg.): Soziologische Theorie kontrovers. Sonderheft 50 der Kölner Zeit-<br />

schrift für Soziologie und Sozialpsychologie (447-461). Wiesbaden: VS Ver-<br />

lag für Sozialwissenschaften.<br />

Schwinn, Thomas/Kroneberg, Clemens/Greve, Jens (Hrsg.) (2011): Soziale Diffe-<br />

renzierung. Handlungstheoretische Zugänge in der Diskussion. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Scott, W. R. (1986): Grundlagen der Organisationstheorie. Frankfurt a.M./New York:<br />

Campus.<br />

Sendzik, Norbert/Berkemeyer, Nils/Otto, Johanna (2011): Zur Rolle der Districts <strong>im</strong><br />

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leisten? In: F. Dietrich/M. Heinrich/N. Thieme (Hrsg.): Neue Steuerung – Alte<br />

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Münster: Waxmann.<br />

Senge, Konstanze/Hellmann, Kai-Uwe (Hrsg.) (2006): Einführung in den Neo-<br />

Institutionalismus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

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Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Spencer, Herbert (1882-1898): The Principles of Sociology (3 Bände). London:<br />

Routledge & Paul.


138 Literatur<br />

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schaften. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.<br />

Stehr, Nico (2007): Die Moralisierung der Märkte. Eine Gesellschaftstheorie. Frank-<br />

furt a.M.: Suhrkamp.<br />

Stichweh, Rudolph (2003): Niklas Luhmann (1927-1998). In: D. Kaesler (Hrsg.):<br />

Klassiker der Soziologie, Band II. von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu<br />

(206-229). München: Beck.<br />

Strünck, Christoph/Heinze, Rolf G. (2005): Public Private Partnership. In: B. Blan-<br />

ke/S. van Bandemer/F. Nullmeier/G. Wewer (Hrsg.): Handbuch zur Verwal-<br />

tungsreform (3. überarbeitete Auflage) (120-128). Wiesbaden: VS Verlag für<br />

Sozialwissenschaften.<br />

Taylor, Frederick W. (1922): Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung.<br />

München und Berlin: Oldenbourg.<br />

Tenorth, Heinz-Elmar (2004): Bildungsstandards und Kerncurriculum. Systemati-<br />

scher Kontext, bildungstheoretische Probleme. In: Zeitschrift für Pädagogik<br />

50, 650-611.<br />

Tenorth, Heinz-Elmar/Kudella, Sonja/Paetz, Andreas (1996): Politisierung <strong>im</strong> Schul-<br />

alltag der DDR: Durchsetzung und Scheitern einer Erziehungsambition.<br />

Weinhe<strong>im</strong>: Deutscher Studien-Verlag.<br />

Terhart, Ewald (2010): Personalauswahl, Personaleinsatz und Personalentwicklung<br />

an Schulen. In: H. Altrichter/K. Maag Merki (Hrsg.): Handbuch Neue Steue-<br />

rung <strong>im</strong> <strong>Schulsystem</strong> (255-275). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-<br />

schaften.<br />

Teubner, Gunther/Willke, Helmut (1984): Kontext und Autonomie. Gesellschaftliche<br />

Selbststeuerung durch reflexives Recht. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie 5,<br />

4-35.<br />

Tillmann, Katja/Rollet, Wolfram (2011): Multiprofessionelle Kooperation und Partizi-<br />

pation an Ganztagsschulen – Welche Auswirkung hat die strukturelle Einbin-<br />

dung des weiteren pädagogisch tätigen Personal auf die berufsgruppen-<br />

übergreifende Zusammenarbeit? In: K. Speck/T. Olk/O. Böhm-Kasper/H.-J.<br />

Stolz/C. Wiezoreck (Hrsg.): Ganztagsschulische Kooperation und Professi-<br />

onsentwicklung. Studien zu multiprofessionellen Teams und sozialräumlicher<br />

Vernetzung (29-47). Weinhe<strong>im</strong> und München: Juventa.


139 Literatur<br />

Tillmann, Klaus-Jürgen (2007): Qualitätssicherung durch Leistungsvergleiche und<br />

Bildungsstandards?. In: U. Herrmann (Hrsg.): In der Pädagogik etwas bewe-<br />

gen. Impulse für Bildungspolitik und Schulentwicklung (38-45). Weinhe<strong>im</strong><br />

und Basel: Beltz.<br />

Tillmann, Klaus-Jürgen (2009): Mehr Selbstständigkeit der Einzelschule – Bedin-<br />

gung und Ergebnis der Ganztagsschulentwicklung? In: F. Prüß/S. Kortas/M.<br />

Schöpa (Hrsg.): Die Ganztagsschule: von der Theorie zur Praxis. Anforde-<br />

rungen und Perspektiven für Erziehungswissenschaft und Schulentwicklung<br />

(251-259).<br />

Tillmann, Klaus-Jürgen/Dedering, Kathrin/Kneuper, Daniel/Kuhlmann, Chris-<br />

tian/Nessel, Isa (2008): PISA als bildungspolitisches Ereignis. Fallstudien in<br />

vier Bundesländern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Tilly, Charles (1972): Clio und Minerva. In: H.-U. Wehler (Hrsg.): Geschichte und<br />

Soziologie (97-131). Köln: Kiepenheuer & Witsch.<br />

Türk, Klaus (1995): „Die Organisation der Welt“. Herrschaft durch Organisation in<br />

der modernen Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag.<br />

Tyrell, Hartmann (1978): Anfragen an eine Theorie der gesellschaftlichen Differen-<br />

zierung. In: Zeitschrift für Soziologie 7, 175-193.<br />

Tyrell, Hartmann (2008): Soziale und gesellschaftliche Differenzierung. Aufsätze zur<br />

soziologischen Theorie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

van Ackeren, Isabell/Bellenberg, Gabriele (2004): Parallelarbeiten, Vergleichsarbei-<br />

ten und Zentrale Abschlussprüfungen. Bestandsaufnahme und Perspektiven.<br />

In: H.-G. Rolff/H.G. Holtappels/K. Klemm/H. Pfeiffer/R. Schulz-Zander<br />

(Hrsg.): Jahrbuch der Schulentwicklung Band 13 (125-159). Weinhe<strong>im</strong> und<br />

München: Juventa.<br />

van Ackeren, Isabell/Klemm, Klaus (2011): Entstehung, Struktur und Steuerung des<br />

deutschen <strong>Schulsystem</strong>s. Eine Einführung (2. überarbeitete und aktualisierte<br />

Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

von Saldern (2007): Endfassung. Die Bildungsstandards des Landes Hessen. Ein<br />

Gutachten. Lüneburg: Institut für Sozialwissenschaftliche Studien e.V..<br />

von Saldern, Matthias/Paulsen, Arne (2004): Sind Bildungsstandards die richtige<br />

Antwort auf PISA? In: J. Schlömerkemper (Hrsg.): Bildung und Standards.<br />

Zur Kritik der „Instandsetzung“ des deutschen Bildungswesens (66-100). Die<br />

Deutsche Schule, 8. Beiheft. Weinhe<strong>im</strong> und München: Juventa.


140 Literatur<br />

Waldow, Florian (2012): Taylorismus <strong>im</strong> Klassenz<strong>im</strong>mer: John Franklin Bobbitts<br />

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175.<br />

Walgenbach, Peter/Meyer, Renate E. (2008): Neoinstitutionalistische Organisations-<br />

theorie. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Weber, Max (1972): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Sozio-<br />

logie (5. Auflage). Tübingen: J.C.B. Mohr.<br />

Weber, Max (1976): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Sozio-<br />

logie (5. revidierte Auflage). Tübingen: J.C.B. Mohr.<br />

Weber, Max (1988): Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie (zuerst 1920).<br />

Tübingen: J.C.B. Mohr.<br />

Weick, Karl E. (1976): Educational Organizations as Loosely Coupled Systems. In:<br />

Administrative Science Quarterly 21, 1-19.<br />

Weick, Karl E./Orton, J. Douglas (1990): Loosely Coupled Systems: A Reconceptu-<br />

alization. In: Academy of Management Review 15, 203-233.<br />

Weinert, Franz E. (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine um-<br />

strittene Selbstverständlichkeit. In: F. E. Weinert (Hrsg.): Leistungsmessung<br />

in Schulen (17-31). Weinhe<strong>im</strong>/Basel: Beltz.<br />

Weiß, Manfred (2001): Quasi-Märkte <strong>im</strong> Schulbereich. Eine ökonomische Analyse.<br />

Zeitschrift für Pädagogik 47, 69-95.<br />

Wiesenthal, Helmut (2006): Gesellschaftssteuerung und gesellschaftliche Selbst-<br />

steuerung. Eine Einführung. Wiesbaden: VS Verlag.<br />

Wiesenthal, Helmut (2009): Rationalität und Unsicherheit in der Zweiten Moderne.<br />

In: F.Böhle/M. Weihrich (Hrsg.): Handeln unter Unsicherheit (25-47). Wies-<br />

baden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Willke, Gerhard (2006): Kapitalismus. Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag.<br />

Willke, Helmut (1989): Systemtheorie entwickelter Gesellschaften. Dynamik und<br />

Riskanz moderner gesellschaftlicher Selbstorganisation. München: Juventa.<br />

Willke, Helmut (1999): Systemtheorie II: Interventionstheorie. Stuttgart: UTB.<br />

Willke, Helmut (2001): Systemtheorie III: Steuerungstheorie. Stuttgart: UTB.<br />

Winkler, Michael (2008): PISA und Sozialpädagogik. Anmerkungen zu einer verkürzt<br />

geführten Debatte. In: H.-U. Otto/T. Rauschenbach (Hrsg.): Die andere Seite


141 Literatur<br />

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sen (2. Aufl.) (71-79). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Wissinger, Jochen (1996): Perspektiven schulischen Führungshandelns. Eine Un-<br />

tersuchung über das Selbstverständnis von SchulleiterInnen. Weinhe<strong>im</strong> und<br />

München: Juventa.<br />

Wohlfahrt, Norbert (2011): Privatisierung und Ausgliederung auf kommunaler Ebe-<br />

ne. In H.-J. Dahme/N. Wohlfahrt (Hrsg.): Handbuch kommunale Sozialpolitik<br />

(102-113). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Wolter, Stefan C. (2002): Bildungsökonomie – Eine Standortbest<strong>im</strong>mung. In:<br />

Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften 24, 149-169.<br />

Wößmann, Ludger (2003): Specifying Human Capital. In: Journal of Economic Sur-<br />

veys 17, 239-270.<br />

Wößmann, Ludger/Piopiunik, Marc (2009): Was unzureichende Bildung kostet. Eine<br />

Berechnung der Folgekosten durch entgangenes Wirtschaftswachstum. Gü-<br />

tersloh: Bertelsmann Stiftung.<br />

Zapf, Wolfgang (Hrsg.) (1969): Theorien des sozialen Wandels. Köln/Berlin: Kie-<br />

penheuer & Witsch.<br />

Zeitler, Sigrid/Köller, Olaf/Tesch, Bernd (2010): Bildungsstandards und ihre Implika-<br />

tionen für Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. In: A. Gehrmann/U.<br />

Hericks/M. Lüders (Hrsg.): Bildungsstandards und Kompetenzmodelle. Bei-<br />

träge zu einer aktuellen Diskussion über Schule, Lehrerbildung und Unter-<br />

richt (23-36). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.<br />

Züchner, Ivo (2011): Ganztagsschulen und Familienleben. Auswirkungen des ganz-<br />

tägigen Schulbesuchs. In: N. Fischer/H.G. Holtappels/E. Klieme/T. Raus-<br />

chenbach/L. Stecher/I. Züchner (Hrsg.): Ganztagsschule: Entwicklung, Quali-<br />

tät, Wirkungen. Längsschnittliche Befunde der Studie zur Entwicklung von<br />

Ganztagsschulen (StEG) (291-311). Weinhe<strong>im</strong> und München: Juventa.


142 Tabellenverzeichnis<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1 Verfahren und Verfahrenskombinationen der Rekrutierung von<br />

Lehrkräften je Bundesland, Stand August 2012 ................................................... 64<br />

Tabelle 2: Quellentabelle zu Tabelle 1 ........... Fehler! Textmarke nicht definiert.


Bundesland Links zu den Internetauftritten der Kultusministerien der Länder<br />

143 Anhang<br />

Anhang<br />

Tabelle 2: Quellentabelle zu Tabelle 1<br />

https://www.lehrer-online-bw.de/servlet/PB/show/1154037/VwV%20Lehrereinstellung%202009.pdf<br />

https://www.lehrer-online-<br />

Baden-Württemberg bw.de/servlet/PB/show/1147133_l1/Hinweise%20GHRS%202009%20Nov%2008.pdf<br />

Bayern https://www.km.bayern.de/lehrer/stellen/stellenboersen-und-vertretungskraefte.html<br />

Berlin http://www.berlin.de/sen/bildung/lehrer_werden/einstellungen/#einstellungsverfahren<br />

Brandenburg http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/5lbm1.c.114012.de<br />

Bremen https://www.bildung.bremen.de/lehrerOnline/index.php<br />

Hamburg http://www.hamburg.de/bewerbungen-online/64692/hinweise-einstellungsverfahren.html<br />

http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet?uid=5722098e-55bf-7731-79cdaa2b417c0cf4<br />

Hessen<br />

Erlass zum "Einstellungsverfahren in den hessischen Schuldienst 2010"<br />

http://www.regierungmv.de/cms2/Regierungsportal_prod/Regierungsportal/de/bm/Themen/Schule/Informationen_fuer_<br />

Lehrer_und_Schulleiter/Stellenausschreibungen_fuer_Lehrkraefte_an_oeffentlichen_allgemein_bil<br />

Mecklenburg-Vorpommern denden_und_oeffentlichen_beruflichen_Schulen/Unbefristete_Einstellung27557/index.jsp<br />

http://www.mk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=1997&article_id=6560&_psmand=<br />

8<br />

Niedersachsen<br />

"Merkblatt für die Bewerbung an allgemein bildenden Schulen"<br />

http://www.schulministerium.nrw.de/BP/LEOTexte/Erlasse/Grundlagenerlass_Lehrereinstellung.p<br />

Nordrhein-Westfalen df<br />

http://www.add.rlp.de/Schulen/Bewerbungsverfahren-und-<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Stellenausschreibungen/broker.jsp?uMen=77510730-96cc-b001-33e2-dc13e9246ca9<br />

Saarland http://www.saarland.de/3399.htm<br />

Sachsen http://www.smk.sachsen.de/4878.htm#schule<br />

Sachsen-Anhalt http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=12124<br />

http://www.schleswig-<br />

Schleswig-Holstein holstein.de/Bildung/DE/StellenmarktSchule/Stellen_online/StellenOnline_node.html<br />

Thüringen http://www.thueringen.de/de/tmbwk/bildung/lehrer/einstellung/content.html#2


Hiermit versichere ich, dass ich die MA.-<br />

Arbeit selbstständig verfasst und keine<br />

anderen als die angegebenen Quellen<br />

und Hilfsmittel benutzt habe, alle bildli-<br />

chen Darstellungen und Ausführungen,<br />

die anderen Schriften wörtlich oder sinn-<br />

gemäß entnommen wurden, kenntlich<br />

gemacht sind und die Arbeit in gleicher<br />

oder ähnlicher Fassung noch nicht Be-<br />

standteil einer Prüfungsleistung an die-<br />

ser oder einer anderen Fakultät oder<br />

Prüfungsbehörde war.<br />

Bochum, den<br />

_________________________<br />

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