Aurora Luque Gedichte Hölderlins Turm Du ahnst die erneuerten ...

und erfinde dem Gott der Wünsche, wenn es ihn gibt,
heuchlerisch und rituell, ein ketzerisches, heilsames Gebet.
Sonnenblumen vom Karlsplatz
Du sonnst dich in alten ausgestorbenen Sprachen.
Ne scitis neque diem neque horam.
Du wirst den gewaltigen Torso eines Kentauren
reiten, seine wollüstigen Schultern, auftauchend
über dem Strauβ Sonnenblumen.
Die Sonne wird Schuld sein: Sie wird Pferde,
feuchte Muskeln und brennbare Schultern schmelzen.
Du wirst den feurigen Rücken des Kentauren reiten...
Deutsch von Marie-Thérèse Kerschbaumer
Aurora Luque
Eros als Einwohner Arkadiens
(Originaltitel: Eros, inquilino de la Arcadia)
Fragmento
Nähern wir uns Arkadien noch einmal an der Hand Vergils. Dort, in den
Gefilden der zehnten Ekloge der Bucolica begegnen wir seinem Freund
Cornelius Gallus, Dichter und Liebhaber, der davon träumt, in einer waldigen
Klause von seinen Liebesabenteuern zu genesen. Gallus liebt Lykoris, die ihn
verschmäht. Der Dichter beklagt seine unerwiederte Liebe. Lorbeerbäume,
Felsen, Schafherden und selbst die Götter empfinden für den Schmerz von
Gallus. Apollo, Sylvanus der Waldgott, der seine Blütenstengel und
gigantischen Lilien schüttelt und Pan, das Gesicht mit dem Saft von
Waldbeeren beträufelt, alle versuchen ihn zu trösten. In den Bucolica, die
Hymnen Arkadiens, erscheinen immer die bekannten Elemente: Die
Waldlandschaft, Inbegriff des gelobten einsamen Lebens, Gesang, Liebe,
Mythos und als Schlußformel die Abenddämmerung mit ihren symbolischen
Schatten.
Der Gesang übt eine unwiderstehliche Macht auf die Geschöpfe der Natur
aus. Für den leidenden Dichter ist der Gesang remedium amoris und besitzt
heilende Kräfte. Die bukolische Liebe ist auf ein unerreichbares Objekt
gerichtet und deshalb die Liebe der Dichter aller Zeiten. Die erreichbare Liebe