GEORG GEORG BASELITZ BASELITZ - Babylon Kino
GEORG GEORG BASELITZ BASELITZ - Babylon Kino
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<strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong><br />
Weitere Infos auch unter www.GeorgBaselitz<br />
präsentiert<br />
Ein Film von Evelyn Schels<br />
<strong>Kino</strong>start: 11. April 2013<br />
www.GeorgBaselitz-DerFilm.de oder /GeorgBaselitz.DerFilm<br />
PRESSEHEFT<br />
Pressebetreuung:<br />
ana radica ! Presse Organisation<br />
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INHALTSVERZEICHNIS<br />
BESETZUNG / STAB / TECHNISCHE DATEN S. 3<br />
KURZINHALT & PRESSENOTIZ S. 4<br />
INHALT S. 5<br />
ÜBER <strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong> S. 8<br />
NOTIZ EVELYN SCHELS S. 10<br />
DIE FILMEMACHER S. 11<br />
2
STAB / TECHNISCHE DATEN<br />
Stab<br />
Buch & Regie: Evelyn Schels<br />
Produzent: Eine Produktion des Bayerischen Rundfunks 2013<br />
Kamera: Christian Meckel<br />
Schnitt: Susanne Hartmann<br />
Ton: Peter Kovaric, Rolf Ruffer, Daniel Tschitsch<br />
Musik: Christoph Rinnert<br />
Mischung: Bernd Schreiner<br />
Kamera-Assistent: Daniel Tschitsch<br />
Kamera (NY): Wolfgang Lehner<br />
Ton (NY): Peter Tooke<br />
HDV-Kamera: Evelyn Schels<br />
Lichttechnik: Gilda Pasler<br />
Redaktion: Christel Hinrichsen<br />
Technische Daten<br />
Länge: 105 Minuten<br />
Produktionsland / Jahr: Deutschland 2013<br />
Format: 1:1,85<br />
3
KURZINHALT<br />
Der Maler und Bildhauer <strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong> gehört zu den ganz Großen seiner Generation.<br />
Zum ersten Mal hat der zurückgezogen lebende Künstler seine Ateliers in Deutschland und<br />
Italien für Filmaufnahmen geöffnet. Die Regisseurin Evelyn Schels begleitet ihn über mehrere<br />
Jahre aus nächster Nähe. Sie darf in seinem Familienalbum blättern, befragt seine Ehefrau<br />
sowie seine Weggefährten und zeigt in diesem fesselnden Film die wichtigsten Stationen<br />
seines Lebens.<br />
Baselitz gewährt uns einen einmaligen Einblick in das Zentrum seines künstlerischen Schaffens.<br />
Der Zuschauer darf so den sensiblen Entstehungsphasen seiner Bilder und Skulpturen<br />
beiwohnen, beobachtet seine Pinselstriche, sieht ihn mal zweifelnd, dann euphorisch und<br />
entdeckt neben dem Künstler Baselitz auch den Menschen.<br />
Der Dokumentarfilm <strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong> ist ein aufmerksames, sehr privates und differenziertes<br />
Portrait über den Jahrhundertkünstler, dessen Leben und Werk untrennbar mit der<br />
deutschen Geschichte verknüpft sind. Ein Künstler, der die Kunstwelt buchstäblich auf den<br />
Kopf stellte und der sich auch mit 75 Jahren immer wieder neu erfindet.<br />
PRESSENOTIZ<br />
Nach ihrem ersten Portrait über Georg Baselitz im Jahr 2004 ist eine Freundschaft zwischen<br />
der Regisseurin Evelyn Schels und dem Ehepaar Baselitz entstanden. Diese jahrelange<br />
Verbundenheit und das dadurch entstandene Vertrauen zwischen dem Künstler und der Regisseurin<br />
bilden die Basis für ein intimes Bild des Künstlers. Über einen Zeitraum von drei<br />
Jahren begleitete Schels Baselitz nach New York, Paris, Berlin sowie in seine Ateliers in Italien<br />
und am Ammersee – nie zuvor hat man Baselitz so nah, authentisch und unmittelbar<br />
erleben dürfen.<br />
Der Maler und Bildhauer Georg Baselitz, der zu den führenden zeitgenössischen Künstlern<br />
gehört, feierte am 23. Januar seinen 75.Geburtstag. Geboren 1938 im Osten Deutschlands<br />
hat er sowohl die Nachkriegszeit wie auch die deutsche Teilung unmittelbar miterlebt, sein<br />
Leben und seine Kunst sind Zeugnisse der deutschen Geschichte. 1969 begann er damit<br />
seine Bilder ‚auf den Kopf‘ zu stellen. Seinen großen internationalen Durchbruch erlebte er<br />
nach der Ausstellung seiner ersten Skulptur auf der Biennale 1980 in Venedig. Heute sind<br />
seine Werke in allen großen Museen der Welt zu sehen und werden mit bis zu siebenstelligen<br />
Summen auf dem Kunstmarkt gehandelt.<br />
4
INHALT<br />
Im kreativen Herzstück eines jeden Künstlers, seinem Atelier, beginnt Evelyn Schels Dokumentarfilm<br />
<strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong>. Dort, wohin nur selten Journalisten oder Gäste geladen werden<br />
und Kameras eigentlich verboten sind, beobachtet die Filmemacherin den Künstler bei<br />
der Arbeit. Er überarbeitet gerade das Portrait seiner Frau, das Teil seiner „Negativ-Serie“<br />
ist. Das über zwei Meter hohe Bild liegt vor seinen Füßen auf dem Boden – verkehrt herum,<br />
natürlich. Er beginnt es nachdenklich zu beäugen, beugt sich vor und wieder zurück, gleicht<br />
es mit seiner Vorlage ab, kniet sich vor das Bild und beginnt zu tupfen, zieht Handschuhe an<br />
und trägt Farbe auf, kratzt Farbe auf, tupft, kleckst und verwischt. Ein Künstler ganz in seine<br />
Welt versunken, ein Künstler, der sich bei der Arbeit über die Schulter blicken lässt und sich<br />
über seine Arbeitsweise äußert:<br />
„Das Problem bei mir ist, ich arbeite sehr flüssig, sehr dünn und sehr schnell, dann läuft allerdings die Farbe runter,<br />
das geht nicht. Daher arbeite ich meist auf den Boden. Dann läuft alles weg. Das schwimmt einfach weg. Für mich ist<br />
wichtig, dass du immer, wenn du unten arbeitest, die Monumentalität oder die Größe beibehältst, dass du nicht so<br />
klein wirst. Ich muss immer umdenken. Normalerweise ist man gewohnt, diesen Sehraum zu benutzen. Man macht<br />
dann eine ganze Figur auf so einem kleinen Stück. Und ich will ja ein großes Format mit einem Detail ausfüllen. Also<br />
diese Vergrößerung, die ich immer vornehmen muss, die darf ich nicht vergessen. Manchmal vergesse ich sie. Das ist<br />
schlecht.“ (Georg Baselitz)<br />
Baselitz erzählt dem Zuschauer von dem harten Lehrgeld, das er früher für seinen Eigensinn<br />
und seine Unbelehrbarkeit zahlen musste. Der Film geht ganz an die Wurzeln zurück, widmet<br />
sich zunächst den jähen Anfängen, mit einem Blick ins Familienalbum: Bilder aus einer<br />
Kindheit inmitten der NS-Zeit und einer Jugend im Nachkriegsdeutschland. Georg Baselitz<br />
erzählt von seiner Kindheit, vom problematischen Verhältnis zu seinem nationalsozialistischen<br />
Vater, seiner renitenten Jugend, den vielen Streichen und der schwierigen Rolle, die<br />
seine Mutter als Frau eines Ex-Nazis nach Kriegsende zu tragen hatte.<br />
„Mein Vater war Deutschnationaler, also er war Nazi. Als der Krieg zu Ende war, war er erst mal im Gefängnis. Er<br />
durfte nicht mehr als Lehrer arbeiten, er wurde vollständig degradiert. Er musste als ‚Schlammräumer oder Grabenräumer‘<br />
arbeiten – heute würde man sagen „Müllmann“. Müllabfuhr hatten wir ja nicht. Er ging mit einem anderen Nazi<br />
jeden Morgen mit der Schaufel los, und die machten die Abwasserkanäle sauber. Meine Mutter musste dann in den<br />
Beruf meines Vaters einsteigen. Sie musste die Kinder aus dem Dorf unterrichten, obwohl sie es nie gemacht hatte,<br />
auch nicht gelernt hatte. Aber sie hat die Bücher von meinem Vater gehabt. Dann hat sie alle Prüfungen nachgeholt<br />
und wurde die Lehrerin. Was meine Mutter damals leisten musste, dafür schäme ich mich immer noch und es tut mir<br />
leid.“ (Georg Baselitz)<br />
Seine eigene Ehe mit Frau Elke könnte hingegen symbiotischer kaum sein. Seit über 50 Jahren<br />
sind die beiden verheiratet. Keiner kennt Baselitz so gut wie sie, weiß, was er macht und<br />
durchlebt. Niemand sonst darf ihn so ungefiltert kritisieren.<br />
Frage: „Wie viel Zeit verbringen sie miteinander?“<br />
– Elke Baselitz: „Immer. Wir haben uns nie getrennt. Wir haben uns eigentlich immer gefreut, wenn wir den anderen<br />
gesehen haben. Selbst am Tag, wenn man sich begegnet im Haus, dann hat man sich gefreut. Es war nie der Moment,<br />
wo man sich nicht gefreut hat, den anderen gesehen zu haben. Wir leben ja so eng zusammen, dass man es<br />
nicht beschreiben kann. Wir sind wirklich 24 Stunden zusammen. Wir unterhalten uns, wir streiten uns – alles Mögliche;<br />
ich weiß genau, was er macht. Ich weiß genau, was entsteht.“<br />
– Georg Baselitz: „Manchmal ist es einfacher, wenn man sofort jemanden hat, den man fragen kann in der Unsicherheit,<br />
die ich habe: Sag mal, ist das da okay oder nicht? (…) Sie muss gar nicht hingucken. Sie braucht mich ja nur anzuschauen,<br />
dann weiß sie, ich habe Mist gemacht.“<br />
Kennengelernt haben sie sich in West-Berlin an der Kunsthochschule. Was sie gleich zusammengeschweißt<br />
hat, war die Tatsache, dass sie beide aus der damaligen DDR kamen,<br />
denn „das Heimweh verbindet“ (Elke Baselitz). Baselitz war schon 1957, nach seinem<br />
Rauswurf aus der Ost-Berliner Kunsthochschule, „schweren Herzens“ in West-Berlin gelandet.<br />
Hier änderte er seinen Stil – weg von realitätsvergleichender Malerei – und ließ die vielen<br />
neuen Einflüsse, besonders die amerikanischen Maler, auf sich wirken.<br />
5
„1958 war die große Ausstellung von amerikanischem abstrakten Expressionismus an der Westberliner Akademie mit<br />
den Pollock-Stationen, mit de Kooning, mit Sam Francis, mit Rothko. Es war ungeheuer eindrücklich. Das war kaum<br />
zu verarbeiten. Ein Feuerwerk von neuen Dingen.“ (Georg Baselitz)<br />
Baselitz beginnt einen neuen, eigenen Stil außerhalb des Mainstreams zu finden, malt mit<br />
„Saufarben“, dem Farb-Schmutz, der von Leinwänden gekratzt wird. Bald verbindet ihn eine<br />
enge Freundschaft mit dem Maler Eugen Schönebeck. Lange Zeit sind die beiden Künstler<br />
untrennbar, beschließen nur gemeinsam auszustellen, sammeln ihre ersten Erfahrungen mit<br />
Berliner Galeristen.<br />
Frage: „Wie war Baselitz als junger Mann?“<br />
- Michael Werner, Galerist: „Neurotisch, verletzlich, sehr zielbewusst und fordernd. Ich habe ihn kennengelernt, da<br />
kamen zwei Jungs über den Hof mit einer großen Rolle, und die sahen ausgesprochen unmöglich aus. Die hatten<br />
lange dunkle Mäntel an, so fast bis auf die Erde, rauchten beide Kette, hatten lange Haare und haben gefragt, ob ich<br />
das Plakat aufhängen kann. Dann habe ich gesagt: ‚Jawohl, legt es mal auf den Tisch!‘ Dann haben sie gesagt: ‚Nein,<br />
wir wollten das jetzt gleich aufhängen.‘ Und irgendwie unter einer merkwürdigen Hypnose habe ich das gemacht. Die<br />
haben nicht geholfen, haben also an ihren Zigaretten gezogen. Dann habe ich das mühsam mit Tesafilm und Verrenkungen<br />
aufgehängt. Sie haben sich höflich bedankt, sind raus gegangen, und ich war wütend.“<br />
Michael Werner gehörte gemeinsam mit Benjamin Katz die Galerie „Werner & Katz“, die mit<br />
einer Baselitz Ausstellung 1962 den Skandal um das Werk „Die große Nacht im Eimer“ auslöste.<br />
Wie es dazu kam, welchen Anteil die Galeristen daran hatten und was die Konsequenzen<br />
daraus waren, erzählen die Beteiligten. Weitere Galeristen und Weggefährten Baselitz‘<br />
kommen zu Wort, berichten von den schwierigen frühen Jahren des Künstlers, in denen sich<br />
für seine Bilder einfach keine Käufer finden lassen wollten. Georg und Elke Baselitz halten<br />
sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, 80 Pfennig die Stunde, das war damals normal.<br />
„Baselitz war immer und wollte immer ein moderner Künstler sein. Nur die Moderne, die er wollte, die gab’s nicht. Das<br />
war irgendwie auch ein Glaubensbekenntnis, sich mit Herrn Baselitz zu beschäftigen. Und der große Teil der Öffentlichkeit<br />
oder der Sammlerschaft oder auch sehr, sehr viele Museen waren ziemlich aggressiv gegen die Sache eingestellt<br />
– auch die Presse.“ (Fred Jahn, Galerist)<br />
Mitte der 60er Jahre zieht das Ehepaar Baselitz aus Berlin weg nach Italien. Amüsant erzählt<br />
Baselitz von seinen ersten Eindrücken und Vorurteilen. Eine tiefe Verbundenheit mit Italien<br />
hat der Künstler noch heute, neben seinem Atelier am Ammersee hat er ein Domizil in<br />
Imperia. Während der Filmaufnahmen arbeitet der Künstler an zwei immensen Holzskulpturen,<br />
die seine Frau Elke und ihn darstellen. Mit der Motorsäge bewaffnet gräbt und sägt er<br />
sich durch die massiven Holzstücke. Die Skulptur wird er später in Bronze gießen lassen,<br />
ihre erste Ausstellung wird sie in New York haben, auch dahin wird der Zuschauer den<br />
Künstler begleiten.<br />
Auf seinem Weg zu einem der wichtigsten, zeitgenössischen Künstler ist die Biennale 1980<br />
der Wendepunkt. Alte Tagesschauberichte, die den – bis dato – reinen Maler Baselitz für<br />
seine erste Skulptur wenig rühmen. Doch auf der internationalen Ebene ändert sich für den<br />
jungen deutschen Künstler nun alles:<br />
„Das war der Zeitpunkt, wo alle Amerikaner einstiegen und die ganzen Künstler in die New Yorker Galerien gingen.<br />
Baselitz bekam gleich zwei Galerien, Fourcade und Sonnabend.“ (Michael Werner, Galerist)<br />
Auch aktuell sind selbst seine frühen Werke sehr gefragt:<br />
„Es gab eine berühmte Auktion in London. Da wurde die Sammlung von Graf Dürkheim verkauft, und da waren ja einige<br />
bedeutende Bilder von Baselitz auch mit dabei. Eines davon hat in Euro umgerechnet so um die 5,5 Mio. Euro<br />
gebracht. Das war ein Heldenbild aus den 60er-Jahren. Vor allem das Frühwerk hat eine Aufwertung erlebt, die schon<br />
sehr beeindruckend ist, aber die dem, was Baselitz darstellt, einfach ganz gerechtfertigt ist.“ (Thaddaeus Ropac, Galerist)<br />
Noch heute füllen Georg Baselitz‘ neuste Werke Pariser Museen und New Yorker Galerien,<br />
wohin der Film ihn begleitet, noch heute ist der Künstler jedoch aufgeregt und ängstlich vor<br />
den Reaktionen der Betrachter:<br />
6
„Ich bin wahnsinnig aufgeregt, als hätte ich so was noch nie gemacht, als wäre es das erste Mal. Merkwürdigerweise.<br />
Alle sagen mir: Du hast doch alles, dir geht’s doch gut, du musst dich doch nicht … usw., aber es hilft nicht. Es gibt<br />
keine Therapie, weil ich grundsätzlich unsicher bin. Würde ich Bilder ausstellen, die ich schon öfter ausgestellt hätte<br />
und die, sagen wir mal, 20 Jahre alt wären oder 50, hätte ich vielleicht das Problem nicht. Aber da ich immer neue<br />
Sachen mache, gibt’s das Problem. Bist du noch da, akzeptieren die Leute das, lieben sie dich vielleicht sogar, oder<br />
finden sie es langweilig? Alle diese Fragen, da kannst du erst die Antwort finden, wenn die Sache gelaufen ist und alle<br />
Bilder verkauft sind.“ (Georg Baselitz)<br />
Indem Baselitz sich immer wieder diesen neuen Herausforderungen stellt, ist er auch mit<br />
seinen 75 Jahren nach wie vor ein gefragter Künstler auf der Höhe der Zeit, dessen Werk<br />
sich stetig weiterentwickelt und der nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat:<br />
„Georg Baselitz ist ein grandioser Maler. Man muss natürlich ein Maler mit so einer genialen Malkraft sein, dass man<br />
so eine Karriere machen kann. Er hat in der Qualität nie nachgelassen. Wenn Sie die letzten Bilder sehen, und bedenken,<br />
dass es sich um einen Künstler handelt, der Mitte 70 ist, dann denkt man sich, das hat eine Frische wie ein<br />
junger Maler.“ (Thaddaeus Ropac, Galerist)<br />
7
ÜBER <strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong><br />
Malerei, die Kunst, Farben mit einem Pinsel, ein Holzstiel mit festgebundenen Haaren, auf<br />
einer Fläche zu verteilen, ist eine Steinzeittechnik. Ihr Tod wurde schon oft deklariert. Fotografie,<br />
Film, Video, Happening und Konzeptkunst sollten sie ablösen. Trotzdem lebt sie und<br />
beherrscht den Kunstmarkt. Mit dieser „Steinzeittechnik“ gemalte Bilder sind das teuerste,<br />
was der Markt hergibt, besonders wenn sie aus Deutschland kommen.<br />
Maler aus dem Osten, die aus Dresden, Leipzig, Deutsch-Baselitz oder Liberec kamen und<br />
im Westen reüssierten, begründeten den Welterfolg deutscher Malerei vor 30 Jahren. Einer<br />
der ersten war Hans Georg Kern, der sich seit 1961 nach seinem Heimatdorf Baselitz nennt.<br />
Er malte große heftige Bilder, die Aufsehen erregten, weil darin alles auf dem Kopf steht,<br />
zumindest in seinen großen Leinwänden seit 1969.<br />
Baselitz hat Malerei 1956 an der Ostberliner Kunsthochschule bei Herbert Behrens-Hangeler<br />
und Walter Womacka studiert. Als er wegen „gesellschaftlicher Unreife“ ausgeschlossen<br />
wurde, ging er an die Westberliner Akademie zu Hann Trier. Aber die damals im Westen<br />
aktuelle Malerei des Action Painting und des Informel reichte ihm so wenig wie der sozialistische<br />
Realismus des Ostens. Er fühlte sich als Außenseiter „im Eimer“ und dies war der Titel<br />
des Bildes „Die große Nacht im Eimer“ (250x180cm), mit dem er 1962 berühmt wurde. Es<br />
wurde damals von der Polizei als „unsittlich“ aus der Galerie Werner & Katz in Berlin beschlagnahmt.<br />
Heute hängt es in Köln im Museum Ludwig. Im selben Jahr heiratete Georg<br />
Baselitz die Künstlerin Elke Kretzschmar; der erste Sohn kam zur Welt. 1965 ging der Künstler<br />
auf ein halbes Jahr als Stipendiat der Villa Romana nach Florenz. Danach begann er mit<br />
großen Bildern von „Helden“, überlebensgroßen zerrissenen Mannsbildern, die jede Heldenverehrung<br />
absurd erscheinen lassen. Darauf folgten Landschaftsbilder in Erinnerung an die<br />
Wälder der Lausitz, darunter 1969 „Der Wald auf dem Kopf“. Dabei erprobte er zum ersten<br />
Mal eine neue Sicht auf Thema und Bild. Das Bild soll nicht mit seinem Modell verglichen,<br />
sondern als Bild wahrgenommen werden; es ist Kunst, nicht Natur. Diese Umkehrung, von<br />
vielen als Markenzeichen des Künstlers missverstanden, öffnete einen neuen Blick auf alte<br />
und, wie es schien, ausgeschöpfte Aufgaben: das Portrait, den Akt, die Landschaft, Vögel,<br />
Stillleben. Sein Stillleben mit Flaschen und Früchten, das er 1977 auf der Documenta zeigte<br />
(250x200cm) in schwarz, weiß blau und rot, ist durchaus nicht still sondern dröhnt und droht<br />
wie ein Weltuntergang. Die hinter Äpfeln ruhig stehende Flasche kommt im Bild als dunkle<br />
Form von oben herunter wie ein Tornado. Das Bild ist im Stehen gemalt; unten läuft die<br />
schwarze Farbe in vielen Rinnsalen weg. Heute malt Baselitz meist auf dem Boden, trampelt<br />
mit farbverklecksten Filzpantoffeln auf seinen Leinwänden herum und trägt immer noch die<br />
Farben dick auf, sperrt sie nie in feste Umrisse ein. Diese offene Malweise lässt auch die<br />
Deutung offen. Der Betrachter sieht die Spuren des Pinsels oder der Hände, sieht die Übermalungen,<br />
sieht wie das Bild gemacht ist, das Bild als Bild, nicht als Thema. Die Farben sind<br />
davon befreit, Gegenstände zu kolorieren; das ist das Erbe der abstrakten Malerei von Kandinsky,<br />
Jackson Pollock und vielen anderen. Aber zugleich hält der Maler am Blick auf die<br />
Welt und den Menschen fest; das ist wiederum das Erbe der Neuen Sachlichkeit, Max<br />
Beckmanns und des sozialistischen Realismus.<br />
1966-75 lebte die Familie Baselitz in Rheinhessen, danach in Schloss Derneburg, einem<br />
ehemaligen Zisterzienserkloster bei Hildesheim, von dort zogen sie 2006 nach Bayern. Seit<br />
1976 war Georg Baselitz Professor an der Akademie in Karlsruhe, seit 1983 in Berlin. 1972,<br />
1977, 1982 wurden seine Bilder auf der Documenta in Kassel gezeigt, 1975 auch in Sao<br />
8
Paolo, 1981 zum ersten Mal in New York. Auf der Biennale in Venedig 1980 stellte sich Baselitz<br />
als Bildhauer mit großen bemalten Holzskulpturen vor. Der Weltruhm begann. Heute<br />
besitzt jede bedeutende Kunstsammlung auf der Welt mindestens einen Baselitz. Aber der<br />
Künstler stellt seinen Stil, sein Konzept immer aufs Neue in Frage. So, wenn er sich in einem<br />
„Remix“ seine alten Werke wieder vornimmt, wenn er sie schwarz übermalt, wenn er wieder<br />
einen neuen Baumstamm zu einer Figur zu recht sägt und bemalt.<br />
Baselitz, ein Neuer Wilder?<br />
Das Schlagwort von „den Neuen Wilden“ hat 1979 der Aachener Museumsdirektor Wolfgang<br />
Becker mit dem Titel einer Ausstellung im Ludwig Forum geprägt. Museumsleute müssen<br />
aufräumen, Künstler wehren sich lebenslänglich dagegen, einsortiert, in Schubladen gesteckt<br />
zu werden. „Neue Wilde“, das bezeichnet eine Malerei, die mit großen Gesten politische<br />
und gesellschaftliche Tabus angreift, die Sozialkritik mit Sinnlichkeit verbindet. 1979<br />
war Baselitz schon drei Jahre Professor und Schlossherr zu Derneburg mit Zweitwohnsitz in<br />
Itallien. Er, Penck und Immendorf haben den Jungen Wilden den Weg gezeigt, waren ihre<br />
Vorläufer.<br />
Seit 2006 lebt Georg Baselitz am Ammersee, der von den Alpen und den beiden Klosterkirchen<br />
von Andechs und Diessen überragt wird. Nach Süden breitet sich eine von kunstreichen<br />
Klosterkirchen bestimmte Landschaft aus, der Pfaffenwinkel. Er wurde durch die Maler<br />
Franz Marc und Wassily Kandinsky in Benediktbeuern und Murnau auch zum Land des<br />
Blauen Reiter.<br />
Diese Kunstlandschaft hat mit Georg Baselitz (und seinem von Herzog und de Meuron erbauten<br />
Wohnhaus mit Atelier) einen neuen Stern gewonnen.<br />
Baselitz gelang es wie Gerhard Richter und einigen anderen deutschen Malern, den Erfolg<br />
von Peter Paul Rubens oder der Münchner Malerfürsten Franz von Lenbach und Franz von<br />
Stuck zu wiederholen. Sie erhielten zahlreiche Auszeichnungen und sehen ihr Werk immer<br />
wieder gedruckt und weithin gehandelt. Die Millionenpreise, die nicht die Künstler sondern<br />
die Kunsthändler mit ihren Werken erzielen, sind ein Beweis, dass unsere Gesellschaft immer<br />
noch Kunst braucht und dass die Malerei alles andere als tot ist.<br />
Wenn das technische Medium Film der uralten Handarbeit Malerei (und Bildhauerei) nachgeht<br />
und sich herausragenden Malern widmet, wird es interessant, weil die eine Sichtweise<br />
die andere darstellt und so Dinge zeigt, die wir sonst übersehen, sie wird zu einer Schule des<br />
Sehens.<br />
9
NOTIZ VON EVELYN SCHELS (Regie)<br />
Im Jahr 2004 entstand bereits mein erstes kürzeres Portrait über den Künstler Georg Baselitz.<br />
Aus dieser Zusammenarbeit entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Bei unseren<br />
gelegentlichen Treffen tauchte – zunächst scherzhaft – schon bald der Gedanke auf,<br />
einen zweiten Teil zu realisieren.<br />
Bei einem Besuch im Sommer 2009 in Georg Baselitz’ Atelier in Imperia erlebte ich ihn bei<br />
der Arbeit an einer Skulptur. Dieses Erlebnis gab mir den Anstoß tatsächlich einen zweiten<br />
Film in Angriff zu nehmen. Einen der größten und radikalsten und kompromisslosesten<br />
Künstler filmisch zu beschreiben – das war die Herausforderung. Der Beginn einer Entdeckungsreise<br />
in die Welt des Georg Baselitz, in die Geschichte seines Lebens.<br />
Noch ohne Produzent oder Auftrag, begann ich im Herbst 2009 mit den Dreharbeiten anlässlich<br />
seiner Ausstellung in Dresden. Und es ging weiter: Ich durfte mit meiner Kamera in seinem<br />
Atelier in Imperia drehen, in Paris inmitten seiner Skulpturen, ihn nach Berlin begleiten<br />
und die Vorbereitung seiner New Yorker Ausstellung festhalten.<br />
10
DIE FILMEMACHER<br />
EVELYN SCHELS (Buch & Regie)<br />
Die in München geborene Autorin und Regisseurin von Dokumentarfilmen arbeitet bereits<br />
seit vielen Jahren für verschiedene Sender der ARD und ARTE. Im Bereich Kultur entstanden<br />
u.a. Portraits über Patrice Chéreau, Luc Bondy, Per Kirkeby, Man Ray, Amedeo Modigliani,<br />
Henri Matisse, Jean Tinguely oder Robert Delaunay. Im Bereich Politik und Gesellschaft<br />
drehte sie abendfüllende Filme wie SALZ IM MOKKA (2010), ...UND DIE LIEBE<br />
KOMMT SPÄTER – die Geschichte einer Einwandererfamilie in Frankreich (2007), ZEIT<br />
DER HOFFNUNGEN – drei Frauen in einer portugiesischen Familie (2003). Seit 2009 ist sie<br />
Gastdozentin an der Hochschule für Film und Fernsehen, München. Sie lebt und arbeitet in<br />
München und Paris. Mehr Informationen finden sie auch unter: www.evelynschels.com<br />
FILMOGRAPHIE – AUSWAHL<br />
2010 SALZ IM MOKKA<br />
Innenansicht einer türkischen Einwandererfamilie. BR, 90 Min.<br />
2009 AMEDEO MODIGLIANI – EIN ITALIENER IN PARIS<br />
Portrait, Faszination Kunst. BR, 45 Min.<br />
2008 PER KIRKEBY – DER NATUR AUF DER SPUR<br />
Portrait, Faszination Kunst. BR, 45 Min.<br />
2006 VON STEIN ZU STEIN<br />
Portrait einer Steinmetzin, Reihe Lebenslinien. BR, 45 Min.<br />
2005 DIE FARBEN DES SÜDENS – HENRI MATISSE<br />
Portrait. BR – 3sat, 45 Min.<br />
2004 <strong>GEORG</strong> <strong>BASELITZ</strong>. MALER.<br />
Portrait. ARTE – BR 45 Min. Festival de Film sur l’Art, Montreal 2005 / Milano Doc Art Festival 2007<br />
2003 WELTBÜRGER UND GRENZGÄNGER – CITOYEN DU MONDE<br />
Die Hand am Ruder – Hans Olaf Henkel. ARTE - BR, 45 Min.<br />
2001 MIT DEN AUGEN DER FRAUEN – ASIYE UND IHRE TÖCHTER<br />
Drei Frauen in einer türkischen Familie. BR, 83 Min. Internationales Dokumentarfilmfestival München<br />
11
CHRISTIAN MECKEL (Kamera)<br />
Geboren in Fahrenzhausen bei Freising, absolvierte er die Staatliche Fachschule für Optik<br />
und Fototechnik in Berlin. Seit 2004 ist Christian Meckel festangestellter Kameramann beim<br />
Bayerischen Rundfunk. Im szenischen Bereich ist er seitdem unter anderem für die zweite<br />
Kamera bei MÜNCHEN 7 (2005) und DER KAISER VON SCHEXING (2006/07) von Franz<br />
X. Bogner zuständig. Ab 2009 drehte Meckel über 60 Folgen der Daily DAHOAM IS<br />
DAHOAM und hat mehr als 30 Dokumentationen als verantwortlicher Kameramann fotografiert,<br />
darunter DAS RÖMERBOOT (2006), DIE PUSTER BUAM (2008), HANS JÜRGEN<br />
SYBERBERG – DER UNBERECHENBARE (2010).<br />
SUSANNE HARTMANN (Schnitt)<br />
Die in Bad Kissingen geborene Cutterin absolvierte ihre filmische Ausbildung in den Bavaria<br />
Studios in München Geiselgasteig und im Fernsehstudio München und war zwischenzeitlich<br />
als Regieassistentin tätig. Seit 1979 ist sie Schnittmeisterin bei diversen <strong>Kino</strong>- und Fernsehproduktionen<br />
und erhielt 2007 eine Nominierung zum Deutschen Filmpreis. Sie arbeitete mit<br />
Filmemachern wie Marcus H. Rosenmüller, Edgar Reitz, Volker Schlöndorff oder Hans<br />
Steinbichler zusammen. Im dokumentarischen Bereich realisierte sie bereits Filme mit H.G.<br />
Oestereich, Angela Graas, Barbara Weber sowie Evelyn Schels.<br />
CHRISTOPH RINNERT (Musik)<br />
Der 1957 in Berlin geborene Christoph Rinnert verbrachte seine Kindheit und Jugend in der<br />
Türkei, bevor er ein Studium der Islamwissenschaften und Vergleichenden Musikwissenschaften<br />
an der FU Berlin antrat. Nach vielen Bandprojekten und Tourneen arbeitete er erfolgreich<br />
als Studiomusiker, Produzent und Komponist im Rahmen von Auftragskompositionen<br />
für Filme im Bereich Dokumentation und Fiction für <strong>Kino</strong> und TV. Die Nähe zur türkischen<br />
Kultur ist prägend für viele Filmmusiken u.a. SALZ IM MOKKA (Evelyn Schels, TV)<br />
BOLD OR BALD (Güliz Richie, TV) oder AYLIN (Evelyn Schels, TV). Im Bereich Contemporary<br />
Score entstanden u.a die Musiken zu Filmen wie METHOD (Ulas Inac, <strong>Kino</strong>) NANO<br />
NOW (Ilse Biberti, TV), 70° (Lothar Berg, <strong>Kino</strong>). Derzeit lebt er mit seiner Familie in Berlin.<br />
Mehr Informationen auch unter www.rinnert.com.<br />
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