Internistische Komplikationen nach Ecstasy
Internistische Komplikationen nach Ecstasy
Internistische Komplikationen nach Ecstasy
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Tammo von Schrenck<br />
<strong>Ecstasy</strong> (3,4-Methylendioxymethamphetamin, MDMA) hat<br />
wegen seiner stimmungsaufhellenden und euphorisierenden<br />
Wirkung in den letzten Jahren eine weite Anwendung vor allem<br />
unter den 15- bis 25jährigen bei Techno-Veranstaltungen<br />
gefunden. Epidemiologische Studien und die Daten des<br />
Bundeskriminalamtes lassen erkennen, daß die Zahl der<br />
Anwender von <strong>Ecstasy</strong> in den letzten Jahren stark gestiegen<br />
ist und sich jetzt auf einem hohen Niveau einpendelt. Seit<br />
Beginn der neunziger Jahre hat die Zahl der Berichte über<br />
internistische Notfälle und Langzeiteffekte <strong>nach</strong> Gebrauch<br />
von <strong>Ecstasy</strong> erheblich zugenommen. Im Vordergrund stehen<br />
dabei Fallbeschreibungen von schwerwiegenden, häufig<br />
auch tödlichen Verläufen. Das Spektrum umfaßt akute<br />
Medical Complications Due to <strong>Ecstasy</strong> Abuse<br />
<strong>Ecstasy</strong> is the common name for 3,4-Methylendioxymethamphetamine<br />
(MDMA). <strong>Ecstasy</strong> has gained worldwide<br />
popularity as a recreational, but illicit drug in ravedance<br />
sessions. Even though the number of users can only be<br />
estimated, epidemiological studies and the reports of customs<br />
officials and police sources indicate a widespread use of<br />
<strong>Ecstasy</strong>. Over the last years, the number of reports on adverse<br />
somatic effects of <strong>Ecstasy</strong> has increased. The range of<br />
effects include acute and chronic liver disease, liver failure,<br />
E<br />
pidemiologische Untersuchungen<br />
und die Berichte des<br />
Bundeskriminalamtes (BKA)<br />
erlauben Rückschlüsse auf eine<br />
weite Verbreitung der seit 1986<br />
dem Bundesbetäubungsmittelgesetz<br />
unterliegenden Designerdroge <strong>Ecstasy</strong>(3,4-Methylendioxymethamphetamin,<br />
MDMA, „Adam“, „XTC“, oder<br />
„X“). Deutsche, europäische und<br />
außereuropäische epidemiologische<br />
Untersuchungen zeigten, daß <strong>Ecstasy</strong><br />
hauptsächlich in der Altersgruppe der<br />
15- bis 25jährigen konsumiert wird,<br />
besonders hoch ist der Anteil an Studenten<br />
(47, 65). An einer Universität<br />
in den USA hatten 1987 bereits 37<br />
Prozent der Studenten mindestens<br />
einmal <strong>Ecstasy</strong> eingenommen (47).<br />
Dem BKA zufolge sind die hohen<br />
jährlichen Zuwachsraten an sichergestellten<br />
<strong>Ecstasy</strong>-Tabletten in den Jahren<br />
1993 (zirka + 300 Prozent) und<br />
1994 (zirka + 200 Prozent) im Jahr<br />
1997 zwar auf + 0,3 Prozent zurückge-<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL<br />
<strong>Internistische</strong><br />
<strong>Komplikationen</strong> <strong>nach</strong><br />
<strong>Ecstasy</strong><br />
gangen (8), die Zahl an sichergestellten<br />
<strong>Ecstasy</strong>-Tabletten pendelt sich<br />
aber auf einem konstant hohen Niveau<br />
ein (1996: 2 518 Sicherstellungsfälle,<br />
692 397 Konsumeinheiten; 1997:<br />
2 368 Sicherstellungsfälle, 694 281<br />
Konsumeinheiten) (8).<br />
Grund für die weite Verbreitung<br />
von <strong>Ecstasy</strong> ist die für sogenannte „rave<br />
parties“ in Techno-Veranstaltungen<br />
gewünschte euphorisierende Wirkung<br />
von 3,4-Methylendioxymethamphetamin<br />
(MDMA). In den letzten<br />
Jahren standen zunächst die psychiatrischen<br />
Befunde, die sich als <strong>Komplikationen</strong><br />
<strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong> einstellen und<br />
unter anderem in Panik-, Depersonalitäts-<br />
und Verhaltensstörungen bestehen<br />
können, im Mittelpunkt des Interesses<br />
(Thomasius und Jarchow [64]).<br />
Inzwischen liegen jedoch auch zahl-<br />
Medizinische Kernklinik und Poliklinik (Direktor:<br />
Prof. Dr. med. Heiner Greten), Universitäts-Krankenhaus<br />
Eppendorf, Hamburg<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
und chronische Hepatopathien, lebensbedrohliche,<br />
der malignen Hyperthermie<br />
ähnliche Verläufe, Gerinnungsstörungen mit<br />
thrombotischen und/oder hämorrhagischen <strong>Komplikationen</strong>,<br />
Rhabdomyolyse, Nierenversagen, Herzrhythmusstörungen,<br />
plötzlichen Herztod, arterielle Hypertonie,<br />
Störungen im Wasser- und Elektrolythaushalt und die Entwicklung<br />
einer aplastischen Anämie. Der vorliegende Artikel<br />
beschreibt die <strong>nach</strong> Gebrauch von <strong>Ecstasy</strong> auftretenden<br />
Erkrankungen, die dem Fachgebiet der Inneren Medizin<br />
zuzuordnen sind.<br />
Schlüsselwörter: <strong>Ecstasy</strong>, 3,4-Methylendioxymethamphetamin<br />
(MDMA), Intoxikationen, Organschäden<br />
malignant hyperthermia, coagulation disorders<br />
causing thrombotic and/or haemorrhagic complications<br />
in various organs, rhabdomyolysis, acute renal<br />
failure, arrhythmia, sudden heart death, severe arterial<br />
hypertension, disturbances in the water and electrolyte<br />
balance and aplastic anemia. This report summarizes the<br />
adverse effects of <strong>Ecstasy</strong> with special focus on the complications<br />
that are relevant in the field of internal medicine.<br />
Key words: <strong>Ecstasy</strong>, 3,4-Methylendioxymethamphetamine<br />
(MDMA), toxicity, organ damage<br />
reiche Berichte über akut lebensgefährliche<br />
oder letale Zwischenfälle<br />
und erhebliche Organschäden <strong>nach</strong><br />
Gebrauch von <strong>Ecstasy</strong> vor. Die Anwendung<br />
von <strong>Ecstasy</strong> gewinnt somit<br />
auch aus internistischer Sicht zunehmend<br />
an Relevanz. Die Beurteilung<br />
dieser Erkrankungen <strong>nach</strong> Einnahme<br />
von <strong>Ecstasy</strong> beruht zur Zeit auf Einzelberichten.<br />
Nur in wenigen Beschreibungen<br />
liegen detaillierte quantitative<br />
Analysen zu Serumkonzentrationen<br />
von MDMA oder seinen Metaboliten<br />
vor. Es ist grundsätzlich nicht<br />
auszuschließen, aber auch nicht bewiesen,<br />
daß bei der Synthese anfallende<br />
andere Amphetaminderivate oder<br />
toxische Beiprodukte mit den beschriebenen<br />
Erkrankungen kausal zusammenhängen.<br />
30 bis 40 Prozent der<br />
Konsumenten nehmen nicht nur<br />
<strong>Ecstasy</strong> ein, sondern kombinieren<br />
MDMA zum Beispiel mit Amphetamin<br />
(65). Systematische Studien zu<br />
den somatischen Folgen des Konsums<br />
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (39)<br />
SUMMARY<br />
A-347
der synthetischen Drogen vom Typ<br />
des MDMA liegen zur Zeit noch nicht<br />
vor.<br />
Pharmakologie und<br />
Toxikologie<br />
MDMA leitet sich in seiner chemischen<br />
Struktur von Phenylethylamin<br />
ab und besitzt Ähnlichkeiten<br />
mit Dopamin und Serotonin (Grafik).3,4-Methylendioxymetamphetamin<br />
(MDMA), 3,4-Methylendioxyamphetamin<br />
(MDEA) und Methylendioxyamphetamin<br />
(MDA) (Grafik)<br />
werden als sogenannte Entaktogene<br />
bezeichnet und in ihrer Wirkung<br />
von den strukturell verwandten<br />
Stimulantien (Amphetamin und<br />
Metamphetamin) sowie von den Halluzinogenen<br />
(Meskalin, 4-Bromo-<br />
2,5-Methoxyamphetamin, DOB, Methoxyamphetamin,<br />
DOM) unterschieden<br />
(25). Der Wirkstoff MDMA<br />
wurde 1914 von der Firma Merck patentiert.<br />
Die als Appetitzügler konzipierte<br />
Substanz fand erst in den achtziger<br />
Jahren als Entaktogen Eingang<br />
in die psychiatrische Forschung. Die<br />
als angenehm empfundenen Wirkungen<br />
bestehen in einer Antriebssteigerung,<br />
einer mit dem Abbau von kommunikativen<br />
Hemmungen verbundenen<br />
erhöhten Emotionalität, einer<br />
gehobenen Stimmung und einer herabgesetzten<br />
Aggressivität (64).<br />
<strong>Ecstasy</strong> wird per os in Tablettenform<br />
in Dosen von zirka 50 bis 150<br />
Milligramm eingenommen. Nach enteraler<br />
Resorption unterliegt MDMA<br />
einer Verteilung und Metabolisierung,<br />
die sich speziesabhängig unterscheidet<br />
(61). Den Metaboliten von<br />
MDMA kommt dabei auch eine pharmakologische<br />
und toxikologische Bedeutung<br />
zu. Untersuchungen an der<br />
Ratte zeigten in vivo eine Metabolisierung<br />
durch N-Demethylierung, O-<br />
Dealkylierung, Desaminierung und<br />
Konjugation mittels O-Methylierung<br />
und O-Glukuronidierung (38, 71).<br />
Nicht konjugierte Metabolite wurden<br />
im Blut, Gehirn, Leber, Faeces und<br />
Urin <strong>nach</strong>gewiesen (38). Untersuchungen<br />
zur Pharmakokinetik beim<br />
Menschen liegen kaum vor. In einem<br />
Einzelbericht wurden bei einem Anwender<br />
<strong>nach</strong> oraler Einnahme von 50<br />
Milligramm MDMA Plasmaspiegel<br />
A-348<br />
(40) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL<br />
von 59,5 ng/ml MDMA <strong>nach</strong> 60 Minuten<br />
und von 105,6 ng/ml MDMA<br />
<strong>nach</strong> 120 Minuten gemessen (79),<br />
<strong>nach</strong> 24 Stunden waren noch 5,1 ng/ml<br />
MDMA <strong>nach</strong>weisbar. Parallel mit<br />
dem Anstieg des MDMA-Plasmaspiegels<br />
kam es zu einem Anstieg der<br />
Konzentrationen des pharmakologisch<br />
aktiven Metaboliten 3,4-Methylendioxyamphetamin<br />
(MDA), der<br />
<strong>nach</strong> N-Demethylierung von MDMA<br />
entsteht (70). 36 Milligramm oder 72<br />
Prozent der applizierten MDMA-<br />
Grafik<br />
HO<br />
HO<br />
Dosis wurden unverändert im Urin<br />
ausgeschieden, somit unterlagen 28<br />
Prozent einer Biotransformation in<br />
andere Produkte (70). In Einzelfällen<br />
mit zum Teil letalem Ausgang wurden<br />
Plasmaspiegel von bis zu 7 000 ng/ml<br />
MDMA berichtet, diese Konzentrationen<br />
sind nur durch unüblich hohe<br />
Dosen zu erklären (7).<br />
Detaillierte toxikologisch-experimentelle<br />
Untersuchungen liegen bislang<br />
in bezug auf das Zentralnervensystem<br />
vor. Symptome einer Vergiftung<br />
sind eine erhöhte Krampfneigung<br />
beziehungsweise Krämpfe<br />
(61). Diese Wirkungen von MDMA<br />
werden erklärt durch eine dosisabhängige<br />
Reduktion der Konzentrationen<br />
des zerebralen Monoamins Serotonin<br />
(5-HT), durch eine Verminderung<br />
der 5-Hydroxyindolessigsäurekonzentrationen,<br />
durch eine Abnahme der<br />
Chemische Struktur von Phenyethylamin, Serotonin, Dopamin<br />
und verschiedenen Amphetaminderivaten<br />
Phenylethylamin Serotonin<br />
CH2 CH2 NH2<br />
HO<br />
N<br />
H<br />
CH2 CH2 NH2<br />
Dopamin Amphetamin<br />
CH2 CH2 NH2<br />
Metamphetamin MDA<br />
CH3<br />
MDMA MDEA<br />
CH2 CH NH2<br />
CH2 CH NH CH3 CH2 CH NH2<br />
CH2 CH NH<br />
CH3<br />
CH3<br />
CH3<br />
CH3 CH2 CH NH<br />
CH3<br />
CH2 CH3<br />
Amphetamin und seine Derivate leiten sich von Phenylethylamin ab und besitzen somit Ähnlichkeiten mit Serotinin<br />
und den Katecholaminen, für die stellvertretend die Struktur von Dopamin gezeigt wird. Die Abkürzungen<br />
bezeichnen die folgenden Substanzen: MDA: 3,4-Methylendioxyamphetamin; MDMA: 3,4-Methylendioxymetamphetamin;<br />
MDEA: 3,4-Methylendioxyethylamphetamin (auch MDE abgekürzt). Auch wenn mit „<strong>Ecstasy</strong>“<br />
im engeren Sinne MDMA bezeichnet wird, enthalten sogenannte „<strong>Ecstasy</strong>“-Tabletten häufig nicht nur<br />
MDMA, sondern auch andere Amphetaminderivate. MDA wird unter anderem als „Harmony“, MDEA unter anderem<br />
als „Eve“ gehandelt.<br />
Dichte der Bindungsstellen für 5-HT<br />
und durch eine verminderte Aktivität<br />
der Monoaminooxidase Typ A (61).<br />
Strukturähnlichkeiten vor allem mit<br />
Serotonin und den Katecholaminen<br />
erklären die Effekte auf Rezeptorund<br />
Signaltransduktionssysteme dieser<br />
beiden Substanzen. MDMA interagiert<br />
aber auch mit Histamin-1-
Rezeptoren sowie den muskarinartigen<br />
Rezeptoren (M1 und M2) (2). Die<br />
molekularen Mechanismen der toxischen<br />
Wirkungen von MDMA, insbesondere<br />
die Hepatotoxizität, die Effekte<br />
auf die Hämatopoese, Rhabdomyolyse<br />
und auf das akute Nierenversagen<br />
sind nicht geklärt.<br />
Organschäden<br />
Hepatopathien<br />
Die Hepatopathien <strong>nach</strong> Einnahme<br />
von <strong>Ecstasy</strong> gehen mit einer Cholestase,<br />
erhöhten Transaminasen und<br />
unterschiedlich stark eingeschränkter<br />
Synthesefunktion einher. Bislang sind<br />
mehrere fulminante Verläufe des Leberversagens<br />
berichtet worden, die<br />
tödlich endeten oder eine Lebertransplantation<br />
erforderlich machten (6,<br />
16, 30, 43, 50). Die histologischen Veränderungen<br />
zeigten eine akute Hepatitis<br />
mit kanikulärer Cholestase sowie<br />
eine lymphozytäre, histiozytäre und<br />
eosinophile Infiltration der periportalen<br />
und lobulären Areale (19, 24, 40,<br />
45). Eine infektiöse oder autoimmune<br />
Genese war in diesen Berichten ausgeschlossen<br />
worden. In einem Fall<br />
wurde über eine <strong>Ecstasy</strong>-induzierte<br />
Hepatitis mit schwerer, progredienter<br />
hepatischer Fibrose berichtet (35).<br />
Untersuchungen an größeren Kollektiven,<br />
die die hepatotoxischen Wirkungen<br />
von <strong>Ecstasy</strong> näher charakterisieren,<br />
liegen nicht vor.<br />
Störungen der<br />
Thermoregulation<br />
(Hyperthermie)<br />
Es liegen 18 Berichte über eine<br />
Hyperthermie <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong> vor, in<br />
elf Fällen bestand gleichzeitig eine<br />
disseminierte intravasale Gerinnung<br />
(DIG) und Rhabdomyolyse mit tödlichem<br />
Ausgang (Tabelle). Der Verlauf<br />
ähnelt dabei der malignen Hyperthermie,<br />
die in der Anästhesiologie<br />
als lebensbedrohliche Komplikation<br />
<strong>nach</strong> Gabe volatiler Anästhetika und<br />
Muskelrelaxantien beobachtet wird.<br />
Als Ursachen für die Hyperthermie<br />
<strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong>-Gebrauch werden diskutiert:<br />
1. ein Effekt auf die zentrale<br />
dopaminabhängige Temperaturregulation<br />
(11, 44); 2. eine periphere Wir-<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL<br />
kung, die in Analogie zur malignen<br />
Hyperthermie zu einem Anstieg des<br />
muskulären Metabolismus, einer gesteigerten<br />
Kalziumfreisetzung aus<br />
dem sarkoplasmatischen Retikulum<br />
und zu einem exzessiven Anstieg der<br />
myoplasmatischen Kalziumkonzentrationen,<br />
einer Aktivierung der<br />
Myosin-ATPase und zur Wärmeproduktion<br />
führt. Dieses Konzept findet<br />
durch den in einigen Fällen erfolgreichen<br />
Einsatz von Dantrolen in der<br />
Therapie von MDMA-induzierten<br />
Hyperthermie Unterstützung (9, 39,<br />
57, 66, 67). Allerdings ist diese Wirkung<br />
von Dantrolen nicht spezifisch<br />
und beweist nicht die primär periphere<br />
Wirkung von <strong>Ecstasy</strong>. Hyperthermische<br />
Reaktionen sind auch berichtet<br />
worden <strong>nach</strong> Gabe von Medikamenten,<br />
die die zentralnervösen Konzentrationen<br />
von Serotonin erhöhen<br />
(„Serotonin-Syndrom“). Zu diesen<br />
gehören Fluoxetin als sogenannter<br />
Uptake-Inhibitor, Inhibitoren der<br />
Monoaminoxidase (52, 53) und eben<br />
auch MDMA, das die Freisetzung<br />
von Serotonin von Nervenendigungen<br />
bewirkt (61).<br />
Kardiale <strong>Komplikationen</strong>,<br />
Kreislaufdysregulation<br />
Das Spektrum kardialer <strong>Komplikationen</strong><br />
reicht von Palpitationen und<br />
Sinustachykardien (51) bis zu tödlichen<br />
Herzrhythmusstörungen (12, 21)<br />
(Tabelle). Die Effekte werden durch<br />
die sympathomimetischen Eigenschaften<br />
von MDMA erklärt und bestehen<br />
in einer gesteigerten Stimulation<br />
des Sinusknotens, der beschleunigten<br />
Überleitung durch den AV-<br />
Knoten und einer erhöhten ektopen<br />
Reizbildung auf Vorhof- und Ventrikelebene.<br />
Plötzliche Todesfälle bei<br />
kardial Gesunden werden auf ventrikuläre<br />
Tachykardien zurückgeführt.<br />
Das Wolff-Parkinson-White-Syndrom<br />
prädisponiert zu schwerwiegenden<br />
Rhythmusstörungen <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong><br />
(62): Bei akzessorischen Reizleitungsbahnen<br />
kann bei fehlender frequenzkontrollierender<br />
Funktion des<br />
AV-Knotens ein Vorhofflimmern in<br />
Kammerflimmern degenieren.<br />
Die Hypertonie ist einer der<br />
am häufigsten beobachteten akuten<br />
Kreislaufeffekte <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong> (13)<br />
(Tabelle). Symptome wie Schwindel-<br />
attacken oder Erbrechen treten häufig<br />
mit einer Kreislaufdysregulation<br />
auf. Kreislaufdepressionen können<br />
die Folge einer Herzrhythmusstörung,<br />
einer zumeist erheblichen<br />
Exsikkose oder einer bereits eingetretenen<br />
anderen Komplikation (zum<br />
Beispiel durch zentrale Effekte) sein.<br />
Es liegen auch Berichte vor über die<br />
Entwicklung einer schweren orthostatischen<br />
Dysregulation im Sinne einer<br />
arteriellen Hypotonie, die erst<br />
drei Tage <strong>nach</strong> der Einnahme von<br />
Amphetaminen reversibel war (59).<br />
Inwieweit die Einnahme von <strong>Ecstasy</strong><br />
in Analogie zu Amphetaminen auch<br />
zur Entwicklung eines pulmonalen<br />
Hypertonus führt, ist bis heute nicht<br />
geklärt.<br />
Gerinnungsstörungen<br />
Schwere Gerinnungsstörungen<br />
treten meist zusammen mit der Hyperthermie<br />
auf und sind besonders<br />
bedrohlich. Die häufigste Form der<br />
schweren Koagulopathie <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong><br />
ist die meist akute disseminierte intravasale<br />
Gerinnung (DIG) mit mikro-<br />
und auch makrovaskulären Perfusionsstörungen<br />
an inneren Organen<br />
oder auch in den peripheren Gebieten.<br />
Bei aufrechterhaltener DIG<br />
kommt es zum Verbrauch an Thrombozyten,<br />
Fibrinogen und anderen Gerinnungsfaktoren,<br />
zur Freisetzung<br />
von Plasmin in die Zirkulation und<br />
apparenter Blutungsneigung, die jedoch<br />
mit thrombotisch-okklusiven<br />
Störungen der Mikro- und Makrozirkulation<br />
einhergeht (3, 4). Die <strong>nach</strong><br />
<strong>Ecstasy</strong> auftretenden intrakraniellen<br />
Hämorrhagien und Thrombosierungen<br />
intrakranieller Gefäße sind für<br />
die Patienten prognostisch besonders<br />
ungünstig.<br />
Nephropathien,<br />
Rhabdomyolyse<br />
Auch die renalen <strong>Komplikationen</strong><br />
treten in der Regel nicht isoliert,<br />
sondern in Zusammenhang mit der<br />
Hyperthermie oder der DIG auf (18,<br />
32) (Tabelle). Dabei wird der meist<br />
erheblichen Exsikkose durch inadäquate<br />
Flüssigkeitszufuhr bei körperlicher<br />
Anstrengung in überhitzten Räumen<br />
eine erhebliche Bedeutung zugeschrieben.<br />
Als Ursachen für die Ef-<br />
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (41)<br />
A-349
Tabelle<br />
Effekte <strong>nach</strong> Einnahme von <strong>Ecstasy</strong><br />
A-350<br />
(42) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL<br />
Organsystem Zahl Tod Land, Jahr Autoren<br />
Vegetative Symptome<br />
Tachykardie, Hypertonus, Nausea 94 – USA, 1986 Downing (13)<br />
USA, 1986 Siegel (56)<br />
USA, 1986 Grerr (26)<br />
60 – D, 1997 Sauer, Weilmann (51)<br />
+ Trismus oder Bruxismus 20 – USA, 1992 Liester (37)<br />
+ psychische Alterationen 22 – D, 1997 Sauer, Weilmann (51)<br />
+ konsekutive <strong>Komplikationen</strong> 7 – D, 1997 Sauer, Weilmann (51)<br />
Hepatopathien Σ 28 5<br />
Hepatitis 6 – GB, 1992 Henry et al. (32)<br />
1 – GB, 1992 Shearman et al. (55)<br />
1 – GB, 1992 Gorard et al. (24)<br />
1 – NL, 1993 Oranje et al. (45)<br />
3 – GB, 1995 Dykhiuzen et al. (15)<br />
1 – GB, 1995 Khakoo et al. (35)<br />
1 – D, 1995 Skopp et al. (58)<br />
3 – GB, 1996 Ellis et al. (16)<br />
1 – NL, 1993 de Man et al. (40)<br />
2 – GB, 1996 Fidler et al. (19)<br />
Akutes Leberversagen 2 2 GB, 1996 Milroy et al. (43)<br />
+ konsekutive Lebertransplantation 4 3 GB, 1996 Ellis et al. (16)<br />
1 – D, 1997 Hellinger et al. (30)<br />
1 – D, 1997 Brauer et al. (6)<br />
Störungen der Thermoregulation (Hyperthermie) Σ 19 11<br />
+ DIG 1 1 GB, 1991 Chadwick et al. (10)<br />
2 2 GB, 1992 Henry et al. (32)<br />
2 2 GB, 1996 Milroy et al. (43)<br />
1 1 GB, 1996 Dar, McBrien (11)<br />
+ DIG, Multiorganversagen 1 – GB, 1993 Barrett, Taylor (1)<br />
1 – GB, 1996 Hall et al. (27)<br />
+ DIG, Rhabomyoloyse 3 2 GB, 1992 Screaton et al. (54)<br />
1 1 GB, 1992 Campkin, Davies (9)<br />
1 – GB, 1995 Lehmann et al. (36)<br />
1 1 I, 1996 Fineschi, Masti (20)<br />
+ toxische Hepatitis 1 – GB, 1996 Ellis et al. (16)<br />
1 – GB, 1987 Brown, Osterloh (7)<br />
+ ZNS-Entzündung 1 – D, 1996 Bitsch et al. (5)<br />
+ Grand Mal 1 – GB, 1993 Nimmo et al. (44)<br />
1 1 GB, 1993 Maxwell et al. (42)<br />
Kardiovaskuläres System Σ 12 7<br />
Plötzlicher Herztod 2 2 USA, 1987 Dowling et al. (12)<br />
1 1 GB, 1994 Forrest et al. (21)<br />
2 2 GB, 1996 Milroy et al. (43)<br />
Plötzlicher Herztod bei WPW 1 1 USA, 1988 Suarez, Riemersma (62)<br />
Arrhythmie, Asystolie 1 1 GB, 1992 Henry et al. (32)<br />
Hypertonie, Tachykardie QT-Streckenveränderungen 3 – GB, 1992 Rittoo, Rittoo (48)<br />
– Hyponatriämie 1 – GB, 1993 Maxwell et al. (42)<br />
– Hyperthermie 1 – GB, 1996 Drake, Broadhurst (14)<br />
Gerinnungsstörungen Σ 12 4<br />
Intrazerebrale Blutungen 4 1 GB, 1992 Harris, de Silva (29)<br />
– bei Angiom 1 – GB, 1993 Hughes et al. (33)<br />
– bei Hyperthermie 1 1 GB, 1996 Milroy et al. (43)<br />
subarachnoidale Blutungen 2 1 GB, 1992 Henry et al. (32)<br />
GB, 1993 Gledhill et al. (23)<br />
GI-Blutung 1 1 GB, 1992 Henry et al. (31)<br />
Sinusvenenthrombose 1 – GB, 1993 Rothwell, Grant (49)<br />
Zerebrovaskulärer Infarkt 1 – Südafrika, 1992 Teggin (63)<br />
1 – Japan, 1995 Hanyo et al. (28)<br />
Enzephalopathie, Elektrolytentgleisung 1 – Australien, 1997 Parr et al. (46)<br />
Nephropathie Σ 7 3<br />
Nierenversagen in Assoziation mit 5 3 GB, 1992 Henry et al. (32)<br />
Hyperthermie, DIG, Rhabdomyolyse 1 – GB, 1992 Fahal et al. (18)<br />
Nierenversagen (ohne Hyperthermie)<br />
Hämatopoetisches System<br />
1 – GB, 1995 Woodrow et al. (69)<br />
Aplastische Anämie 2 – GB, 1994 Marsh (41)<br />
Verschiedenes<br />
Erhöhung der Kreatinkinase 2 – GB, 1997 Williams, Unwin (68)<br />
Koma bei Lithiumtherapie 1 – USA, 1992 Kaskey (34)
fekte von <strong>Ecstasy</strong> an der Niere werden<br />
diskutiert: 1. Folgen der DIG an<br />
der Niere mit konsekutiver Störung<br />
der Mikrozirkulation; 2. Folgen einer<br />
<strong>Ecstasy</strong>-assoziierten atraumatischen<br />
Rhabdomyolyse und Myoglobinurie;<br />
3. direkt nephrotoxische Effekte; 4.<br />
Abfall des arteriellen Systemdrucks;<br />
5. Folgen der Hyperthermie (22). Ein<br />
Fallbericht schildert die Entwicklung<br />
einer schweren arteriellen Hypertonie<br />
mit konsekutiver dialysepflichtiger<br />
Niereninsuffizienz (69).<br />
Elektrolyte und<br />
Wasserhaushalt<br />
Störungen im Elektrolyt- und<br />
Wasserhaushalt treten <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong><br />
vor allem bei schwerwiegenden Zwischenfällen<br />
(Schock, Hyperthermie)<br />
auf. Es existieren auch Berichte über<br />
eine Hyponatriämie und verminderte<br />
Serumosmolarität, für die eine inadäquate<br />
Sekretion des antidiuretischen<br />
Hormons (ADH) (46) oder eine zu<br />
hohe Flüssigkeitszufuhr verantwortlich<br />
gemacht wurde (36, 42).<br />
Hämatopoetisches System<br />
Ein Einzelbericht beschreibt die<br />
Entwicklung <strong>nach</strong> einer sieben bis<br />
neun Wochen spontan reversiblen<br />
aplastischen Anämie mit Panzytopenie<br />
(41). Da andere Ursachen einer<br />
aplastischen Anämie (virale Genese,<br />
Einnahme von Pharmaka in den Monaten<br />
vor Eintritt der Aplasie) ausgeschlossen<br />
worden waren, wurde ein<br />
toxischer Effekt von <strong>Ecstasy</strong> angenommen.<br />
Notfälle<br />
Klinik und Diagnostik<br />
Typisch sind die vegetativen Zeichen<br />
eines aktivierten Sympathikotonus<br />
mit Mundtrockenheit und Mydriasis.<br />
In einer Publikation der<br />
Mainzer Vergiftungszentrale fanden<br />
sich bei 89 gemeldeten Fällen am<br />
häufigsten die Symptome Agitation,<br />
Tachykardie, Mydriasis, psychische<br />
Alterationen, Krämpfe und Hypertonie<br />
(51). Lebensbedrohlich sind<br />
Hepatopathien, Gerinnungsstörungen,<br />
Rhabdomyolyse, Nierenversagen<br />
und gegebenenfalls Herzrhythmusstörungen.<br />
Die internistische Diagnostik<br />
sollte bei einem Verdacht auf<br />
eine durch <strong>Ecstasy</strong> bedingte Komplikation<br />
Kreislaufkontrollen (Blutdruck,<br />
Puls), EKG, Laboruntersuchungen<br />
mit Bestimmung von<br />
Leukozyten, Hämoglobin, Thrombozyten,<br />
Natrium, Kalium, Chlorid,<br />
Kreatinin, Kreatinkinase, gegebenenfalls<br />
Gerinnungsanalysen und Erfassung<br />
des Säure-Basen-Haushaltes<br />
umfassen. In jedem Falle sollten Verlaufskontrollen<br />
erfolgen, um innerhalb<br />
von Tagen einsetzende Organschäden<br />
(Entwicklung von Nierenversagen,<br />
Hepatopathie) zu erfassen.<br />
Auch die lebensbedrohlichen Wirkungen<br />
von <strong>Ecstasy</strong> können bei der<br />
initialen Untersuchung nur gering<br />
ausgeprägt sein oder sogar fehlen<br />
(zum Beispiel Hepatotoxizität). Für<br />
qualitative und quantitative Bestimmungen<br />
der Konzentrationen von<br />
MDMA oder anderer Amphetaminderivate<br />
eignen sich neben Serum<br />
und Urin auch Haarproben, da<br />
MDMA und andere Amphetaminderivate<br />
in die Haare eingelagert und<br />
reversibel gebunden werden. Die<br />
zurückliegende häufigere Einnahme<br />
kann somit durch Haaranalysen<br />
<strong>nach</strong>gewiesen werden.<br />
Therapie<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL<br />
Die Therapie bei <strong>Ecstasy</strong>-bedingten<br />
internistischen Erkrankungen<br />
ist symptomatisch. Eine primäre<br />
Giftelimination <strong>nach</strong> Einnahme üblicher<br />
Dosen ist wegen der <strong>nach</strong> oraler<br />
Gabe raschen Resorption wenig erfolgversprechend.<br />
Bei Einnahme<br />
größerer Mengen (zum Beispiel in<br />
suizidaler Absicht) kann der Versuch<br />
unternommen werden, die Resorption<br />
mit medizinischer Kohle und<br />
durch Induktion einer Diarrhöe zu<br />
reduzieren. Die Exsikkose erfordert<br />
eine Flüssigkeitssubstitution, Elektrolytstörungen<br />
einen Ausgleich der<br />
jeweiligen Veränderungen. Die Hypertonie<br />
kann mit Kalziumkanalantagonisten<br />
oder auch Clonidin in<br />
Verbindung mit einem peripheren<br />
Vasodilatator behandelt werden. Bei<br />
agitierten Verhaltensstörungen eignen<br />
sich niedrig dosierte Benzodiazepine.<br />
Sinustachykardien bei Agitation<br />
und Volumenmangel erfordern<br />
eine Volumengabe und Sedation,<br />
ventrikuläre Tachykardien stellen<br />
wie bei anderen Ursachen auch uneingeschränkt<br />
eine absolute Notfallsituation<br />
dar und bedürfen einer<br />
elektrischen oder medikamentösen<br />
Rhythmisierung. Bei Vorliegen einer<br />
Hyperthermie ist die effektive physikalische<br />
Kühlung und eine gezielte<br />
Volumensubstitution unter Kontrolle<br />
des zentralvenösen Druckes erforderlich.<br />
In Einzelfällen wurde das<br />
auch bei der malignen Hyperthermie<br />
angewandte Dantrolen mit Erfolg<br />
eingesetzt (9, 39, 57, 66, 67). Liegt eine<br />
Hyperthermie vor, sollten Gerinnungsanalysen<br />
in Hinblick auf eine<br />
disseminierte intravasale Gerinnung<br />
(DIG) erfolgen. Der Stellenwert einer<br />
Antikoagulation mittels niedrig<br />
dosierter Gabe von Heparin wird bei<br />
der DIG zwar nicht einheitlich beurteilt,<br />
ist aber bei der vermehrten<br />
Thrombinformation und den thrombotischen<br />
Zirkulationsstörungen<br />
plausibel. Kontraindikation für die<br />
Gabe von Heparin sind intrakranielle<br />
Blutungen und das fulminante Leberversagen.<br />
In Abhängigkeit von<br />
den Plasmakonzentrationen der Gerinnungsfaktoren<br />
(AT III, Faktoren<br />
V, VII, VIII, Fibrinogen) sollten Faktorenkonzentrate,<br />
fresh frozen plasma<br />
(FFP) oder Thrombozytenkonzentrate<br />
gegeben werden.<br />
Renale Funktionsstörungen erfordern<br />
bei durch Diuretika nicht<br />
beherrschbaren Volumensituationen,<br />
bei einer Hyperkaliämie und/oder<br />
bei Entgleisungen des Säure-Basen-<br />
Haushaltes (metabolische Azidose)<br />
den Einsatz eines Nierenersatzverfahrens.<br />
Die Hepatopathie erfordert eine<br />
bedarfsorientierte Therapie in<br />
Abhängigkeit von klinischen Befunden<br />
(unter anderem Enzephalopathie)<br />
und den Leberfunktionsparametern<br />
(Bilirubin, Transaminasen,<br />
Albumin, Cholinesterase). Bei progredienter<br />
Verschlechterung sollte<br />
rechtzeitig die Möglichkeit einer Lebertransplantation<br />
ins Auge gefaßt<br />
werden und die Verlegung des Patienten<br />
in ein Transplantationszentrum<br />
vorgenommen werden. Es liegen<br />
inzwischen Berichte über erfolgreiche<br />
Lebertransplantationen <strong>nach</strong><br />
<strong>Ecstasy</strong>-bedingtem Leberversagen<br />
vor (6, 30). ✁<br />
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (43)<br />
A-351
Chronische Schäden<br />
Diagnostik<br />
Studien zu den Langzeitfolgen von<br />
<strong>Ecstasy</strong> an größeren Populationen liegen<br />
nicht vor. Die Symptome einer<br />
durch <strong>Ecstasy</strong> bedingten internistischen<br />
Erkrankung sind uncharakteristisch<br />
und davon abhängig, welches Organ<br />
betroffen ist und in welchem Maße<br />
die Funktion eingeschränkt ist. Insbesondere<br />
Leberschäden ohne Hinweis<br />
auf eine virale oder autoimmune Genese<br />
bei jungen Patienten sollten an die<br />
Folgen eines <strong>Ecstasy</strong>-Konsums denken<br />
lassen. Hier können toxikologische<br />
Methoden eine Bedeutung erlangen,<br />
da sich MDMA in Haarproben noch<br />
mehrere Wochen <strong>nach</strong> der letzten Einnahme<br />
<strong>nach</strong>weisen läßt (58).<br />
Therapie<br />
Liegen Langzeitfolgen <strong>nach</strong> <strong>Ecstasy</strong>-Gebrauch<br />
vor, ist die internistische<br />
Therapie symptomatisch und<br />
richtet sich <strong>nach</strong> Art und Ausmaß des<br />
Organbefalls.<br />
A-352<br />
Ausblick<br />
M E D I Z I N<br />
AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT<br />
Der Kenntnisstand über <strong>Ecstasy</strong>bedingte<br />
Erkrankungen in der Inneren<br />
Medizin ist unbefriedigend: Es liegen<br />
zwar zahlreiche Fallberichte über<br />
internistische <strong>Komplikationen</strong> an einzelnen<br />
oder auch mehreren Patienten<br />
vor, aber keine prospektiven Studien<br />
an größeren Populationen. In den<br />
nächsten Jahren dürfte an Bedeutung<br />
gewinnen, daß gezielt solche Designer-Drogen<br />
entwickelt und in den illegalen<br />
Handel gebracht werden, die<br />
in den jeweiligen nationalen Betäubungsmittelgesetzen<br />
nicht erfaßt werden.<br />
Im Vergleich zu der Ausgangssubstanz<br />
sind diese Drogen strukturell<br />
oft nur geringgradig modifiziert,<br />
besitzen aber pharmakologisch sehr<br />
ähnliche Effekte.<br />
Auf dem Gebiet der Designerdrogen<br />
besteht ein Bedarf an wissenschaftlichen<br />
Arbeiten. Am Universitäts-Krankenhaus<br />
Eppendorf wird<br />
zur Zeit unter der Leitung von<br />
Privat-Dozent Dr. med. Rainer Thomasius,<br />
Psychiatrische Klinik, eine<br />
durch das Bundesgesundheitsmini-<br />
Komplette Remission der akuten<br />
Promyelozytenleukämie unter Arsentrioxid<br />
Nach der Publikation zweier vielversprechender<br />
Untersuchungen aus<br />
China über den Effekt von dem aus<br />
der traditionellen chinesischen Medizin<br />
bekannten Arsentrioxid bei Patienten<br />
mit akuter Promyelozytenleukämie<br />
(APL) untersuchte nun<br />
erstmals eine westliche Forschergruppe<br />
diese Wirksubstanz.<br />
Bei zwölf Patienten mit Rezidiv<br />
einer APL <strong>nach</strong> Chemotherapie, Alltrans-Retinol-Therapie<br />
oder Knochenmarktransplantation<br />
wurde eine<br />
Therapie mit Arsentrioxid in Dosen<br />
von 0,06 bis 0,2 mg/kg/KG täglich bis<br />
zum Verschwinden der Leukämiezellen<br />
aus dem Knochenmark durchgeführt.<br />
Elf der zwölf Patienten konnten<br />
durch diese zum Teil ambulant durchführbare<br />
Therapie in eine komplette<br />
Remission gebracht werden, die bei<br />
acht der zwölf Patienten länger anhaltend<br />
war. Der Wirkmechanismus der<br />
Substanz scheint auf einer Inhibie-<br />
(44) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999<br />
rung der Zelldifferenzierung mit<br />
<strong>nach</strong>folgender Aktivation der Protease<br />
Caspase zu beruhen, die zu einer<br />
Apoptose der Leukämiezellen führt.<br />
Aufgrund dieser positiven Ergebnisse<br />
sollten <strong>nach</strong> Ansicht der Autoren<br />
weitere Untersuchungen mit<br />
dieser Substanz durchgeführt werden.<br />
Etwa 1 Promille aller Helicobacter-Infektionen<br />
des Menschen gehen<br />
auf die Spezies Helicobacter heilmannii<br />
zurück, die eine relativ blande<br />
verlaufende Gastritis induziert, jedoch<br />
möglicherweise zum Non-Hodgkin-<br />
Lymphom des Magens prädisponiert.<br />
Bei 202 Patienten, bei denen eine<br />
H.-heilmannii-Infektion histologisch<br />
gesichert worden war, wurden Umgebungsbefragungen<br />
durchgeführt. Dabei<br />
zeigte sich, daß bei diesen Patienten<br />
ein häufigerer Kontakt mit Schweinen,<br />
sterium unterstützte interdisziplinäre<br />
Studie durchgeführt, in der eine<br />
umfangreiche psychiatrisch-psychodynamische<br />
Diagnostik mit einer<br />
breitgefächerten internistischen und<br />
neurologischen sowie toxikologischen<br />
Untersuchung bei Anwendern<br />
von <strong>Ecstasy</strong> und bei Kontrollpersonen<br />
vorgenommen wird.<br />
Zitierweise dieses Beitrags:<br />
Dt Ärztebl 1999; 96: A-347–352<br />
[Heft 6]<br />
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf<br />
das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck<br />
beim Verfasser und über die Internetseiten<br />
(unter http: /www.aerzteblatt.de)<br />
erhältlich ist.<br />
Anschrift des Verfassers<br />
Priv.-Doz. Dr. med.<br />
Tammo von Schrenck<br />
Medizinische Kernklinik und<br />
Poliklinik<br />
Universitäts-Krankenhaus<br />
Eppendorf<br />
Martinistraße 52<br />
20246 Hamburg<br />
Da der beschriebene Wirkmechanismus<br />
nicht spezifisch für die APL ist,<br />
erscheint ein experimenteller Einsatz<br />
bei anderen onkologischen Erkrankungen<br />
sinnvoll. acc<br />
Soignet SL et al.: Complete remission<br />
after treatment of acute promyelocytic<br />
leukemia with arsenic trioxide. N Engl J<br />
Med 1998; 339: 1341–1348.<br />
Dr. Warrell, Memorial Sloan-Kettering<br />
Cancer Center, 1275 York Avenue, New<br />
York, NY 10021, USA.<br />
Tierreservoir für Helicobacter heilmannii<br />
Katzen und Hunden im Vergleich zu<br />
einer Kontrollgruppe gefunden werden<br />
konnte, so daß diese Tierspezies als<br />
Reservoir für die Übertragung von<br />
H.-heilmannii in Frage kommen. w<br />
Meining A, Kroher G, Stolte M: Animal<br />
reservoirs in the transmission of helicobacter<br />
heilmannii. Results of a questionnaire-based<br />
study. Scand J Gastroenterol<br />
1998; 33: 795–798.<br />
Pathologisches Institut, Klinikum Bayreuth,<br />
Preuschwitzer Straße 101, 95445<br />
Bayreuth.