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Primäre ZNS-Lymphome

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Agnieszka Korfel<br />

Eckhard Thiel<br />

Die Inzidenz primärer <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong> steigt, bedingt nicht<br />

nur durch die Assoziation mit der HIV-Infektion, sondern<br />

auch bei anscheinend immunkompetenten Patienten. Die<br />

schlechte Prognose der Erkrankung (mediane Überlebenszeit<br />

von wenigen Monaten) konnte mit Hilfe der Strahlentherapie<br />

signifikant verbessert werden (mediane Überlebenszeit<br />

von 15 bis 18 Monaten). Durch den kombinierten Einsatz<br />

von Chemotherapie und Strahlentherapie wurden erstmalig<br />

mediane Überlebenszeiten von über 30 Monaten und Fünf-<br />

Jahres-Überlebensraten von über 30 Prozent erreicht. Zwar<br />

konnte das optimale Chemotherapieprotokoll bisher noch<br />

Therapy of Primary CNS Lymphomas<br />

The incidence of the primary CNS lymphoma is increasing,<br />

not only due to its association with the HIV infection, but<br />

also in apparently immunocompetent patients. The poor prognosis<br />

of the disease (median survival time of a few months)<br />

can be significantly improved by ratiotherapy (median survival<br />

of 15 to 18 months). Using the combined treatment<br />

with chemotherapy and radiotherapy median survival of<br />

more than 30 months and a five-year survival rate of more<br />

M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

<strong>Primäre</strong><br />

<strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong><br />

Pathogenese, Klinik, Therapie<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

nicht etabliert werden; von entscheidender<br />

Bedeutung ist jedoch die Verwendung<br />

hirngängiger Zytostatika, wie am Beispiel von<br />

höher dosiertem Methotrexat belegt ist. Wegen des Risikos einer<br />

Leukenzephalopathie nach kombinierter Behandlung,<br />

insbesondere bei älteren Patienten, ist die Frage nach dem<br />

Stellenwert der Chemotherapie allein in der Behandlung der<br />

primären <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong> von zunehmendem Interesse.<br />

Schlüsselwörter: <strong>Primäre</strong> <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>, Strahlentherapie,<br />

Chemotherapie, Liquorgängigkeit der Zytostatika,<br />

Leukenzephalopathie<br />

SUMMARY<br />

than 30 per cent can be achieved. A prerequisite<br />

to improve the chemotherapy is the use of compounds<br />

which can penetrate the blood brain barrier. This<br />

approach was demonstrated to be successful by high-dose<br />

methotrexate. Since the combined treatment increases the<br />

risk for leukencephalopathy, particularly in the elderly, chemotherapy<br />

alone is gaining more interest.<br />

Key words: Primary CNS lymphoma, radiotherapy, chemotherapy,<br />

blood-brain barrier penetration, leukencephalopathy<br />

Das primäre <strong>ZNS</strong>-Lymphom<br />

(P<strong>ZNS</strong>L) war bis vor kurzem<br />

mit einer Häufigkeit von<br />

1 bis 2 Prozent aller Non-Hodgkin-<br />

<strong>Lymphome</strong> und 2 Prozent aller Hirntumoren<br />

(24, 37, 42) eine seltene Erkrankung.<br />

Die Häufigkeit nahm mit Ausbruch<br />

der AIDS-Epidemie in den<br />

80ern drastisch zu, bedingt durch die<br />

steigende Anzahl immunsupprimierter<br />

Patienten (57). Eine Inzidenzzunahme<br />

konnte allerdings aus bisher<br />

unerklärlichen Gründen auch bei Immunkompetenten<br />

beobachtet werden<br />

(15).<br />

Sollte die Inzidenz der primären<br />

<strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong> die zuletzt erreichte<br />

Steigerungsrate beibehalten, wird<br />

die Erkrankung bis zum Jahr 2000 die<br />

häufigste primäre maligne Erkrankung<br />

des zentralen Nervensystems<br />

sein.<br />

Das zentrale Nervensystem kann<br />

auch sekundär durch ein systemisches<br />

Tabelle 1<br />

<strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong> – klinische Symptomatik<br />

bei Diagnosestellung (nach Hochberg)<br />

Symptom Anteil (in %)<br />

Persönlichkeitsveränderungen<br />

24<br />

zerebelläre Symptome 21<br />

Kopfschmerzen 15<br />

Krampfanfälle 13<br />

motorische Dysfunktion 11<br />

Visusveränderungen 8<br />

Non-Hodgkin-Lymphom befallen<br />

werden. Die Häufigkeit sekundärer<br />

<strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong> beträgt 5 bis 29 Prozent<br />

systemischer Non-Hodgkin-<br />

<strong>Lymphome</strong> und ist üblicherweise mit<br />

einer fortgeschrittenen und disseminierten<br />

Erkrankung assoziiert (7).<br />

Medizinische Klinik III (Direktor: Prof. Dr.<br />

med. Eckhard Thiel), Klinikum Benjamin<br />

Franklin, Freie Universität Berlin<br />

Pathophysiologie<br />

Die Pathogenese der P<strong>ZNS</strong>L verbleibt<br />

Gegenstand von Spekulationen.<br />

Erste Untersuchungen der histogenetischen<br />

Abstammung der P<strong>ZNS</strong>L<br />

erbrachten den Nachweis von Mutationen<br />

des Protoonkogens BCL-6, eines<br />

Markers der Lymphozytenpassage<br />

durch das Follikelzentrum sowie der<br />

Expression des BCL-6-Proteins bei einem<br />

erheblichen Anteil der nicht mit<br />

AIDS assoziierten und der mit AIDS<br />

assoziierten P<strong>ZNS</strong>L. In Kombination<br />

mit der 100prozentigen Expression<br />

des MSH2-Proteins, eines DNA-reparierenden<br />

Enzyms, deuten diese Daten<br />

auf eine Follikelzentrum-Differenzierung<br />

der meisten nicht mit AIDS<br />

assoziierten P<strong>ZNS</strong>L und einer erheblichen<br />

Fraktion der mit AIDS assoziierten<br />

P<strong>ZNS</strong>L hin (20).<br />

Die am weitesten verbreitete<br />

Hypothese zur Entstehung der<br />

P<strong>ZNS</strong>L basiert auf der Annahme,<br />

daß das <strong>ZNS</strong> eine Art immunologisches<br />

„Sanktuarium“ darstellt, in<br />

dem neoplastisch entartete Lympho-<br />

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (45)<br />

A-353


M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

zyten, die systemisch durch ein intaktes<br />

Immunsystem eradiziert werden<br />

könnten, geschützt werden. Im Einklang<br />

damit steht die Beobachtung,<br />

daß selbst im fortgeschrittenen Stadium<br />

der Erkrankung keine systemische<br />

Beteiligung der P<strong>ZNS</strong>L beobachtet<br />

wird (45).<br />

Die Rolle des Immunsystems in<br />

der Pathogenese der P<strong>ZNS</strong>L wird<br />

durch die Assoziation mit angeborener<br />

und erworbener Immunsuppression<br />

unterstrichen. Ähnlich anderen<br />

<strong>Lymphome</strong>n bei immunsupprimierten<br />

Patienten weisen <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong><br />

in dieser Patientengruppe einige<br />

Charakteristika auf, die sie von <strong>ZNS</strong>-<br />

<strong>Lymphome</strong>n der Immunkompetenten<br />

unterscheiden. Typisch sind die Oligooder<br />

Polyklonalität der Lymphomzellen<br />

und die Korrelation mit dem Ausmaß<br />

der Immunsuppression (16). Den<br />

wichtigsten Unterschied stellt der<br />

Nachweis von Ebstein-Barr-Virus-<br />

(EBV-)DNA in nahezu 100 Prozent<br />

der P<strong>ZNS</strong>L-Zellen Immunsupprimierter<br />

dar (2, 26, 27). Wie beim endemischen<br />

Burkitt-Lymphom könnte<br />

das Virus B-Lymphozyten infizieren<br />

und dadurch ihre, zunächst polyklonale<br />

Proliferation induzieren, die bei<br />

Immunkompetenten durch Regulationsmechanismen<br />

eines intakten Immunsystems<br />

limitiert wird. Bei defektem<br />

Immunsystem dagegen ist die<br />

EBV-induzierte B-Lymphozyten-Proliferation<br />

nicht ausreichend kontrolliert,<br />

was zur Entstehung polyklonaler<br />

Tumoren führt. Alternativ könnte es<br />

bei der B-Zell-Proliferation zu genetischen<br />

Alterationen einiger Klone<br />

kommen, was in einem Wachstumsvorteil<br />

und Entstehung oligo- oder<br />

monoklonaler Tumoren resultiert.<br />

Auch das kürzlich in über der Hälfte<br />

der untersuchten PZNL sowohl bei<br />

HIV-positiven als auch HIV-negativen<br />

Patienten entdeckte humane Herpes-Virus-8<br />

(HHV8) könnte pathogenetisch<br />

beteiligt sein (12).<br />

NHL- und T-Zell-<strong>Lymphome</strong> werden<br />

nur in Einzelfällen diagnostiziert (30,<br />

41, 45, 58).<br />

Klinische Symptomatik<br />

Das mediane Alter der immunkompetenten<br />

Patienten beträgt 55 bis<br />

57 Jahre (16, 49). Es besteht keine Geschlechtsprädisposition.<br />

Die häufigste<br />

Manifestation entspricht einem diffusen,<br />

infiltrativen Wachstum mit zumeist<br />

supratentorieller Lokalisierung.<br />

Das Intervall zwischen Auftreten klinischer<br />

Symptomatik und Diagnosestellung<br />

beträgt Wochen bis zu wenigen<br />

Monaten (29). Im Vordergrund<br />

stehen Persönlichkeitsveränderungen<br />

und zerebelläre Symptomatik (Tabelle<br />

1). Eine häufig asymptomatische<br />

Meningeosis wird mit einer wohl methodisch<br />

bedingt breit gestreuten<br />

Häufigkeit zwischen 30 und 70 Prozent<br />

beobachtet. Das intraokuläre<br />

Lymphom (mit Lokalisation im Glaskörper<br />

oder Netzhaut) stellt eine Sonderform<br />

des P<strong>ZNS</strong>L dar und kann isoliert<br />

oder in Verbindung mit zerebralem<br />

Lymphom mit einer Häufigkeit<br />

von bis zu 25 Prozent auftreten (13,<br />

Tabelle 2<br />

Klinische Studien bei <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>n: Chemotherapie mit konsolidierender Strahlentherapie<br />

Autor n CHT- Ansprechen Medianes<br />

Protokoll auf CHT Überleben<br />

(PR + CR) (Monate)<br />

McLaughlin, 1988 10 DHAP - RT 7 2–22<br />

Gabbai, 1989 13 HD MTX - RT 12 9 (max. 54)<br />

Chamberlain, 1989 16 RT/HU - PRCB, 16 41<br />

CCNU, VCR<br />

DeAngelis, 1992 31 HD MTX - RT - 27 42,5<br />

HD AraC<br />

Boiardi, 1993 14 M-BACOD - RT 13 –<br />

Glass, 1994 25 HD MTX - RT 19 33<br />

Blay, 1995 25 COP-COPADEM- 18 2 J. Überleben<br />

CYM-RT 70%<br />

5 J. Überleben<br />

56%<br />

Bessel, 1996 34 CHOD oder CHOD/ 22 CR 3 J. Überleben<br />

BVAM - RT 51%<br />

5 J. Überleben<br />

33%<br />

Thiel, 1997 11 BMPD - RT 8 4–42<br />

Abkürzungen: CHT Chemotherapie; PR partielle Remission; CR komplette Remission;<br />

DHAP: Dexamethason, Hochdosis AraC, Cisplatin; RT Radiotherapie; HD Hochdosis;<br />

MTX Methotrexat; HU Hydroxyurea; PRCB Procarbacin; VCR Vincristin;<br />

M-BACOD: HD Methotrexat, Bleomycin, Adriblastin, Cyclophosphamid, Vincristin,<br />

Dexamethason; COP: Cyclophosphamid, Vincristin, Prednisolon; ADEM: Adriblastin,<br />

HD Methotrexat; CYM: AraC, HD Methotrexat; J Jahre; CHOD: Cyclophosphamid,<br />

Adriblastin, Vincristin, Dexamethason; BVAM: BCNU, Vincristin, HD AraC,<br />

HD Methotrexat; BMPD: BCNU, HD Methotrexat, Procarbacin, Dexamethason.<br />

Histologie<br />

Bei den <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>n handelt<br />

es sich fast ausschließlich um B-<br />

Zell-<strong>Lymphome</strong>, von denen am häufigsten<br />

(70 bis 90 Prozent) der diffusgroßzellige<br />

Typ diagnostiziert wird<br />

(28, 37, 42, 45, 58). Niedrig maligne<br />

22, 28). Intramedulläre Raumforderungen<br />

treten mit einer Häufigkeit<br />

von unter 1 Prozent auf (30).<br />

Patienten mit AIDS-assoziiertem<br />

P<strong>ZNS</strong>L sind deutlich jünger (medianes<br />

Alter 31 Jahre) und überwiegend<br />

Männer. Das klinische Bild entspricht<br />

in dieser Gruppe eher einer Enzephalopathie<br />

(16).<br />

A-354<br />

(46) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999


M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

Diagnosestellung<br />

Bildgebende Verfahren<br />

Das Vorliegen eines <strong>ZNS</strong>-Lymphoms<br />

kann bereits durch bildgebende<br />

Verfahren suggeriert werden. <strong>ZNS</strong>-<br />

<strong>Lymphome</strong> manifestieren sich angiographisch<br />

als avaskuläre und CT-morphologisch<br />

zumeist als iso- oder hyperdense,<br />

ventrikelnahe, kontrastmittelspeichernde<br />

Läsionen mit, im Gegensatz<br />

zu Gliomen oder Hirnmetastasen,<br />

vergleichsweise wenig Begleitödem.<br />

Die Kernspintomographie ist in der<br />

Darstellung der P<strong>ZNS</strong>L der Computertomographie<br />

überlegen. Der Hirnbefall<br />

ist in der optimalen Bildgebung<br />

bei bis zu 50 Prozent multifokal. Am<br />

häufigsten betroffen sind der Frontalund<br />

der Parietallappen; Corpus callosum,<br />

Hypothalamus, Stammhirn und<br />

Occipitallappen stellen eine seltene<br />

Lokalisation dar (60).<br />

Liquoruntersuchung<br />

Eine Diagnosestellung kann in<br />

einigen Fällen durch zytologische<br />

oder immunzytologische Liquoruntersuchung<br />

vermittelt werden. Eine<br />

Meningealbeteiligung wird bei 30 bis<br />

70 Prozent der P<strong>ZNS</strong>L beschrieben<br />

(1, 17, 23–25, 37, 39), wobei die breiten<br />

Unterschiede in den Häufigkeitsangaben<br />

durch methodische Unsicherheit<br />

in der Beurteilung bei niedriger<br />

Zellzahl, veränderter Zellmorphologie<br />

und mangelnde, insbesondere<br />

immunzytologische Expertise bedingt<br />

sind. Eine attraktive Alternative<br />

zu der konventionellen Immunfluoreszenzuntersuchung<br />

an Zellsuspensionen<br />

bietet die immunzytologische<br />

Untersuchung auf Poly-L-Lysin beschichteten<br />

Objektträgern, die mit<br />

wenig Zellen auskommt und den Vorteil<br />

einer besseren Beurteilbarkeit im<br />

Phasenkontrastmikroskop bietet (34).<br />

Eine Meningealbeteiligung eines<br />

<strong>ZNS</strong>-Lymphoms kann auch durch den<br />

molekulargenetischen Nachweis der<br />

Monoklonalität der B-Zellen gezeigt<br />

werden (21, 50). Von einigen Autoren<br />

wird eine Erhöhung des β-2-Mikroglobulin-Spiegels<br />

sowie der Nachweis<br />

des löslichen CD27-Antigens im Liquor<br />

als Hinweis für eine Meningealbeteiligung<br />

eines <strong>ZNS</strong>-Lymphoms beschrieben<br />

(32, 33).<br />

Während bei den meisten immunkompetenten<br />

Patienten eine Diagnosestellung<br />

aus dem Liquor nicht<br />

möglich sein wird, ist bei AIDS-Patienten<br />

mit intrakranieller Raumforderung<br />

der Nachweis von Epstein-Barr-<br />

Virus im Liquor zur Sicherung der<br />

Diagnose eines P<strong>ZNS</strong>L ausreichend.<br />

Hirnbiopsie<br />

Die Methode der Wahl zur Diagnosesicherung<br />

bei immunkompetenten<br />

Patienten stellt die Hirnbiopsie<br />

dar. In vielen Zentren kann heutzutage<br />

die stereotaktische Biopsie mit einer<br />

Trefferquote von 98 Prozent und<br />

einer Komplikationsrate von weniger<br />

Tabelle 3<br />

Liquorgängigkeit gebräuchlicher<br />

Zytostatika*<br />

Zytostatikum<br />

als 2 Prozent durchgeführt werden.<br />

Da Steroide die histologische Beurteilung<br />

unmöglich machen, sollte die<br />

Biopsie vor der Gabe von Steroiden<br />

erfolgen. Eine komplette Resektion<br />

eines <strong>ZNS</strong>-Lymphoms verlängert das<br />

Überleben nicht und sollte wegen des<br />

Risikos neurologischer Ausfälle nicht<br />

durchgeführt werden.<br />

Steroide<br />

Liquorgängigkeit<br />

Nitroseharnstoffe ++<br />

Cytosinarabinosid ++<br />

Thiotepa ++<br />

Ifosfamid ++<br />

Idarubicin +<br />

Methotrexat +<br />

Cyclophosphamid +<br />

Vinca Alkaloide –<br />

Cisplatin –<br />

Doxorubicin –<br />

Paclitaxel –<br />

++ > 30% des Serumspiegels wird im<br />

Liquor erreicht<br />

+ zytotoxischer Spiegel wird im Liquor<br />

erreicht (1–2% des Serumspiegels)<br />

– Liquorspiegel < 1% des Serumspiegels<br />

* nach 48, 53, 56, 61<br />

Typisch für P<strong>ZNS</strong>L ist die<br />

prompte und häufig komplette Rückbildung<br />

des Tumors und der tumorassoziierten<br />

Symptome auf die Gabe<br />

von Steroiden. Da diese Reaktion<br />

nicht lymphomspezifisch ist (sie kann<br />

auch bei Gliomen oder der progressiven<br />

multifokalen Leukenzephalopathie<br />

beobachtet werden), ist sie nicht<br />

sicher diagnostisch verwertbar und<br />

kann nur in Ausnahmefällen, zum<br />

Beispiel bei positivem Liquorbefund,<br />

bestätigend genutzt werden.<br />

Intraokuläres Lymphom<br />

Bei der Mehrheit der Patienten<br />

mit intraokulärem Befall entwickelt<br />

sich dieser einige Monate vor der Diagnosestellung<br />

eines intrazerebralen<br />

Lymphoms (28). Charakteristisch ist<br />

der Nachweis von Präzipitaten in der<br />

vorderen Augenkammer bei der<br />

Spaltlampenuntersuchung. Eine Bestätigung<br />

erfolgt durch den zytologischen<br />

Nachweis von Lymphomzellen<br />

im Aspirat aus dem Glaskörper. Wegen<br />

der daraus resultierenden therapeutischen<br />

Konsequenzen (Bestrahlung<br />

der Augen) sollte eine Spaltlampenuntersuchung<br />

zum Ausschluß des<br />

intraokulären Befalls bei jedem<br />

P<strong>ZNS</strong>L-Patienten durchgeführt werden.<br />

Therapie und Prognose<br />

P<strong>ZNS</strong>L bei immunkompetenten<br />

Patienten<br />

✑ Strahlentherapie<br />

Von allen hochmalignen Non-<br />

Hodgkin-<strong>Lymphome</strong>n haben die<br />

P<strong>ZNS</strong>L die schlechteste Prognose.<br />

Das mediane Überleben beträgt bei<br />

unbehandelten Patienten nur wenige<br />

Monate (24). Die Beobachtung, daß<br />

durch eine Schädelbestrahlung eine<br />

Verlängerung der medianen Überlebenszeit<br />

bis zu 18 Monaten erreichbar<br />

war (24), führte zur Etablierung<br />

der Strahlentherapie als Standardbehandlung<br />

der P<strong>ZNS</strong>L in den letzten 20<br />

Jahren. Die durch retrospektive Auswertungen<br />

angenommene Dosis-Wirkungs-Beziehung<br />

(42, 51) konnte in<br />

einer von der Radiation Therapy Oncology<br />

Group (RTOG) durchgeführten<br />

prospektiven Phase-II-Studie<br />

nicht bestätigt werden (43). Das mediane<br />

Überleben betrug 11,6 Monate<br />

und die Lokalrezidivrate 92 Prozent.<br />

Das Fehlen eines Plateaus in der<br />

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (47)<br />

A-355


M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

Überlebenskurve in der RTOG-Studie<br />

korrespondierte mit der in einer<br />

retrospektiven Auswertung von 308<br />

P<strong>ZNS</strong>L-Patienten ermittelten Fünf-<br />

Jahres-Überlebensrate von sieben<br />

Prozent (38) und bestätigte, daß die<br />

Strahlentherapie trotz der Verwendung<br />

maximal tolerabler Dosen in<br />

der Behandlung der P<strong>ZNS</strong>L keinen<br />

kurativen Stellenwert hat. Die Bestrahlung<br />

der Neuroachse verbessert<br />

das Überleben der Patienten nicht<br />

und kann wegen Zerstörung der Knochenmarkreserve<br />

die spätere Durchführung<br />

einer Chemotherapie erschweren<br />

(29, 49).<br />

✑ Chemotherapie mit<br />

Radiotherapie<br />

Der erste erfolgreiche Behandlungsversuch<br />

eines P<strong>ZNS</strong>L mit systemischer<br />

Gabe von hochdosiertem<br />

Methotrexat (MTX) mit Leukovorin-<br />

Rescue wurde 1977 durchgeführt (55).<br />

Seither berichteten mehrere Untersucher<br />

über ihre Erfahrungen mit systemischer<br />

Chemotherapie bei zumeist<br />

kleinen Kollektiven von Patienten<br />

mit primären und sekundären <strong>ZNS</strong>-<br />

<strong>Lymphome</strong>n (Tabelle 2) (3, 6, 8, 10, 13,<br />

14, 19, 22, 28, 31, 40, 52, 58). Die Protokolle<br />

enthielten nahezu alle mittelbis<br />

hochdosiertes MTX als Monosubstanz<br />

oder in Kombination mit anderen<br />

Zytostatika und eine konsolidierende<br />

Schädelbestrahlung. Einige<br />

Arbeitsgruppen konnten mediane<br />

Überlebenszeiten von über 40 Monaten<br />

und Fünf-Jahres-Überlebensraten<br />

von über 30 Prozent erzielen. In der<br />

wohl bekanntesten, prospektiven Studie<br />

mit 31 Patienten, durchgeführt<br />

von DeAngelis (14), konnte mit einer<br />

Kombinationstherapie, bestehend<br />

aus mittelhochdosiertem MTX systemisch<br />

und mehrfach wiederholt intrathekal,<br />

Schädelradiatio und anschließend<br />

hochdosiertem Cytosinarabinosid<br />

(AraC) eine mediane Überlebenszeit<br />

von 42,5 Monaten erreicht<br />

werden. In zwei Zusammenfassungen<br />

der bisher publizierten Studien, die jeweils<br />

über 1 000 Patienten umfaßten,<br />

betrugen die medianen Überlebenszeiten<br />

der nur bestrahlten Patienten<br />

16,6 beziehungsweise 16 Monate und<br />

die der kombiniert behandelten Patienten<br />

29,1 beziehungsweise 27 Monate<br />

(16, 49).<br />

Das Design der meisten Therapieprotokolle<br />

ist bisher an die Behandlung<br />

systemischer <strong>Lymphome</strong><br />

angelehnt ohne Berücksichtigung<br />

pharmakokinetischer Prinzipien der<br />

Medikamentenaufnahme in das <strong>ZNS</strong><br />

(Tabelle 3). Zwar ist bei großen zerebralen<br />

Tumoren initial die Blut-Hirn-<br />

Schranke gestört und der Tumor dadurch<br />

auch nicht hirngängiger Chemotherapie<br />

zugängig. Innerhalb weniger<br />

Wochen nach Beginn der Chemotherapie<br />

kommt es jedoch parallel zur<br />

Rückbildung des Tumors zu einer<br />

vollständigen Restitution der Blut-<br />

Hirn-Schranke, wodurch residuelle<br />

Tabelle 4<br />

BMPD-Protokoll (nach Thiel)<br />

Zytostatikum Dosierung Verabreichung Therapieschema<br />

BCNU 80 mg/m 2 IV Tag 1<br />

Methotrexat 15 mg intrathekal Tag 1 1<br />

Methotrexat 1500 mg/m 2 /24 h IV Tag 2 2<br />

Leukovorin-Rescue 30 mg/m 2 IV 36 h, 42 h, 48 h, 54,<br />

15 mg/m 2 IV 68 und 78 h nach<br />

5 mg/m 2 oral Beginn der<br />

Methotrexat-Infusion<br />

Procarbacin 100 mg/m 2 oral Tag 1–8<br />

Dexamethason 3 x 8 mg oral Tag 1–14 3<br />

1 wiederholt bei positiver Liquorzytologie<br />

2 10% der Dosis über 0,5 h, der Rest über 23,5 h<br />

3 nur im Zyklus 1<br />

BMPD: BCNU, HD Methotrexat, Procarbacin, Dexamethason.<br />

Wiederholung Tag 22<br />

Tumorzellen geschützt werden und<br />

später zu einem Rezidiv führen (46).<br />

Die Bedeutung der Hirngängigkeit<br />

der Zytostatika wird offensichtlich<br />

durch die fehlende Überlebenszeitverlängerung<br />

im Vergleich zur Strahlentherapie<br />

allein in Studien, die ausschließlich<br />

nicht hirngängige Substanzen<br />

verwendeten (9, 35, 54). Eine Verbesserung<br />

der Blut-Hirn-Schranken-<br />

Penetration wurde von Neuwelt<br />

durch die osmotische Disruption mit<br />

Mannitol in einem sehr aufwendigen<br />

Verfahren erreicht (44). Einfacher<br />

und ebenfalls effektiv ist die Verwendung<br />

ausschließlich hirngängiger Zytostatikakombinationen,<br />

wie zum<br />

Beispiel das von uns entwickelte<br />

BMPD-Protokoll (Tabelle 4). Von den<br />

elf auswertbaren Patienten mit primären<br />

und sekundären <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>n<br />

konnte mit Chemotherapie allein<br />

eine Remission bei acht Patienten erreicht<br />

werden; die Nebenwirkungsrate<br />

war auch bei über 70jährigen Patienten<br />

erstaunlich gering. Nach einer<br />

konsolidierenden Schädelbestrahlung<br />

betrugen die Überlebenszeiten bis zu<br />

vier und 42 Monate (58). Einen CT-<br />

Verlauf nach BMPD-Therapie demonstriert<br />

die Abbildung.<br />

✑ Chemotherapie allein<br />

Mit Verlängerung der Überlebenszeit<br />

der Patienten mit P<strong>ZNS</strong>L gewinnt<br />

das Problem der späten neurologischen<br />

Toxizität in Form von<br />

Ataxie und Demenz an Bedeutung.<br />

Ihre Häufigkeit beträgt bei über<br />

50jährigen bis 41 Prozent (14). Prädisponierend<br />

sind: fortgeschrittenes Alter,<br />

hohe Strahlendosen und Behandlung<br />

mit Chemotherapie nach bereits<br />

erfolgter Schädelbestrahlung (14, 58).<br />

Zwar ist die Leukenzephalopathie<br />

auch nach hochdosiertem MTX allein<br />

berichtet worden, ihre Häufigkeit<br />

steigt jedoch deutlich bei zusätzlicher<br />

Verwendung von Strahlentherapie. Es<br />

wurde daher von einigen Untersuchern<br />

bewußt auf den Einsatz von<br />

Strahlentherapie zur Konsolidierung<br />

des Chemotherapieeffektes verzichtet<br />

(Tabelle 5) (11, 18, 44). In der bereits<br />

erwähnten Studie behandelte Neuwelt<br />

A-356<br />

(48) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999


M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG<br />

16 Patienten mit einem aufwendigen<br />

Protokoll, das aus hyperosmolarer<br />

Blut-Hirn-Schranken-Disruption in<br />

Verbindung mit hochdosiertem MTX,<br />

Endoxan und Procarbacin bestand,<br />

wodurch eine mediane Überlebenszeit<br />

von 44,5 Monaten erreicht wurde<br />

(44). In den Studien von Freilich und<br />

Cher (11, 18) erhielten die Patienten<br />

mittel- bis hochdosiertes MTX-enthaltende<br />

Chemotherapieprotokolle und<br />

wie bei Neuwelt, Schädelbestrahlung<br />

nur bei keinem Ansprechen oder bei<br />

Rezidiv. Die mediane Überlebenszeit<br />

betrug 30 Monate. Unter<br />

Berücksichtigung der kleinen<br />

Patientenkollektive scheinen<br />

die Therapieergebnisse in diesen<br />

Studien im Hinblick auf<br />

die Remissions- und Überlebenszeiten<br />

mit denen kombinierter<br />

Behandlungsverfahren<br />

vergleichbar zu sein. Eine<br />

randomisierte Überprüfung<br />

dieses Therapiekonzeptes bei<br />

den <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>n ist das<br />

Ziel einer von uns initiierten<br />

multizentrischen Studie. Das<br />

Behandlungsprotokoll sieht<br />

eine initiale Therapie mit dem<br />

BMPD-Schema (58) und bei<br />

ungenügendem Ansprechen<br />

Umstellung auf das Idarubicin/Ifosfamid-Protokoll<br />

vor.<br />

Alle Patienten, die unter der<br />

Chemotherapie eine komplette<br />

Remission erreichen, erhalten<br />

randomisiert entweder eine<br />

Schädelbestrahlung oder<br />

einen konsolidierenden Chemotherapiezyklus;<br />

die Schädelbestrahlung<br />

wird in jedem Fall bei Versagen<br />

der Chemotherapie und im Rezidiv<br />

durchgeführt. Neben der Effektivität<br />

der Therapie wird in dieser Studie<br />

der Langzeiteinfluß der Therapie<br />

auf die kognitive Leistung mit Hilfe<br />

neuropsychologischer Tests evaluiert<br />

(Näheres zum Studienprotokoll bei<br />

den Autoren).<br />

✑ Intrathekale Chemotherapie<br />

Die intrathekale Zytostatikainstillation<br />

(MTX, AraC) ist wegen der<br />

minimalen Hirnpenetration der Zytostatika<br />

aus dem Liquor zur Behandlung<br />

intrazerebraler Tumoren nicht<br />

geeignet (4). Sie stellt allerdings ein<br />

Standardverfahren zur Behandlung<br />

einer Meningealbeteiligung dar. Da<br />

bei Verwendung entsprechend hoher<br />

CT-Aufnahmen des Schädels einer 72jährigen Patientin mit primärem<br />

<strong>ZNS</strong>-Lymphom bei Diagnosestellung (am 22. Februar 1994)<br />

und 40 Monate nach der Behandlung mit drei Zyklen des BMPD-<br />

Chemotherapieprotokolls und konsolidierender Schädelbestrahlung<br />

dokumentieren eine lang anhaltende komplette Remission.<br />

Dosierung und optimaler Infusionszeiten<br />

auch nach systemischer Gabe<br />

von MTX oder AraC therapeutische<br />

Spiegel im Liquor erreichbar sind (53,<br />

56) und andererseits intrathekale<br />

MTX-Instillationen das Risiko einer<br />

späteren Leukenzephalopathie<br />

erhöhen, sollte die Notwendigkeit einer<br />

intrathekalen Chemotherapie bei<br />

P<strong>ZNS</strong>L ohne Meningealbeteiligung<br />

kritisch hinterfragt werden.<br />

Intraokuläre <strong>Lymphome</strong> sollten<br />

analog zu dem intrazerebralen Lymphom<br />

primär mit systemischer Chemotherapie<br />

behandelt werden. Anschließend<br />

sollte eine biokuläre Bestrahlung<br />

durchgeführt werden. Bei<br />

den sehr seltenen intramedullären<br />

<strong>Lymphome</strong>n ist eine umgehende Involved-field-Bestrahlung<br />

indiziert.<br />

✑ Prognosefaktoren<br />

Eine ungünstige Prognose ist mit<br />

einem Alter über 60 Jahre (3, 5, 6, 22,<br />

47, 59), schlechtem Karnofsky-Index<br />

(5, 44, 47), multifokalem Hirnbefall<br />

(3, 28), tiefer Lokalisierung der Läsionen<br />

(47) und hoher Proteinkonzentration<br />

im Liquor (5) assoziiert.<br />

P<strong>ZNS</strong>L bei HIV-Patienten<br />

Die Fortschritte, die in der Behandlung<br />

der P<strong>ZNS</strong>L bei Immunkompetenten<br />

in den letzten Jahren erreicht<br />

wurden, lassen sich leider bisher nicht<br />

auf die P<strong>ZNS</strong>L der HIV-Patienten<br />

übertragen. Das durchschnittliche<br />

Überleben der Patienten mit AIDSassoziiertem<br />

P<strong>ZNS</strong>L ist mit 2,6 Monaten<br />

unvergleichbar kürzer (16).<br />

Die Mehrzahl der in der Metaanalyse<br />

von Fine erfaßten Patienten<br />

mit AIDS-assoziiertem P<strong>ZNS</strong>L erhielt<br />

eine Schädelbestrahlung und<br />

erreichte darunter eine mediane<br />

Überlebenszeit von drei Monaten,<br />

während die mediane Überlebenszeit<br />

der ebenfalls nur bestrahlten nicht an<br />

AIDS erkrankten Patienten bei 16,6<br />

Monaten lag (16). Möglicherweise ist<br />

die unterschiedliche Biologie der<br />

P<strong>ZNS</strong>L in den beiden Patientengruppen<br />

sowie eventuell auch eine niedriger<br />

dosierte Strahlentherapie in der<br />

AIDS-Gruppe für den Unterschied<br />

verantwortlich. Der wichtigste Faktor<br />

erscheint jedoch die HIV-Infektion<br />

selbst zu sein mit der resultierenden<br />

Immunsuppression. Bei der Mehrzahl<br />

der Patienten mit AIDS-assoziiertem<br />

P<strong>ZNS</strong>L beträgt die CD4-Zellzahl weniger<br />

als 50/mm 3 (36). Da die Todesursache<br />

bei den meisten Patienten mit<br />

AIDS-assoziiertem P<strong>ZNS</strong>L eine opportunistische<br />

Infektion ist, erscheint<br />

es fraglich, ob eine erfolgreiche Behandlung<br />

des Lymphoms das Überleben<br />

dieser Patienten beeinflussen<br />

würde. Eine Ausnahme stellen HIVinfizierte<br />

Patienten dar, bei denen ein<br />

P<strong>ZNS</strong>L die einzige beziehungsweise<br />

primäre AIDS-definierende Erkrankung<br />

darstellt. Diese Patienten sind<br />

die einzigen in der Literatur berichteten<br />

Langzeitüberlebenden. Bei letzteren<br />

ist der Stellenwert der Chemotherapie<br />

aufgrund der nur spärlichen Daten<br />

nicht ausreichend geklärt.<br />

Therapieempfehlung<br />

HIV-negative Patienten sollten initial<br />

eine systemische MTX-haltige<br />

Chemotherapie erhalten. Bei Verwendung<br />

wenig toxischer Protokolle wie<br />

zum Beispiel des BMPD-Protokolls<br />

und Beachtung adäquater Begleitmaßnahmen<br />

ist ein fortgeschrittenes Alter<br />

allein keine Kontraindikation für eine<br />

systemische Chemotherapie. Ob eine<br />

konsolidierende Schädelbestrahlung<br />

notwendig ist, ist zur Zeit Gegenstand<br />

von Untersuchungen. Bei mangelhaf-<br />

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999 (49)<br />

A-357


M E D I Z I N<br />

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT<br />

tem Ansprechen auf die Chemotherapie<br />

ist die Strahlentherapie des Schädels<br />

mit 40 Gy auf alle Fälle indiziert.<br />

Wegen der Seltenheit des Krankheitsbildes<br />

sollte eine Behandlung im Rahmen<br />

einer klinischen Studie angestrebt<br />

werden. HIV-infizierte Patienten mit<br />

einer CD4-Zellzahl größer als 200/m 3<br />

können mit einer Schädelbestrahlung,<br />

Tabelle 5<br />

Klinische Studien bei <strong>ZNS</strong>-<strong>Lymphome</strong>n: Chemotherapie allein<br />

systemischen Chemotherapie und/oder<br />

antiviralen Therapie nach Möglichkeit<br />

ebenfalls im Rahmen einer klinischen<br />

Studie behandelt werden. Welcher dieser<br />

Therapiemodalitäten Vorzug zu geben<br />

ist und in welcher Sequenz sie bei<br />

HIV-Patienten eingesetzt werden sollen,<br />

ist zur Zeit nicht ausreichend geklärt.<br />

Zitierweise dieses Beitrags:<br />

Dt Ärztebl 1999; 96: A-353–358<br />

[Heft 6]<br />

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf<br />

das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck<br />

beim Verfasser und über die Internetseiten<br />

(unter http: /www.aerzteblatt.de)<br />

erhältlich ist.<br />

Autor n Protokoll Ansprechen Medianes<br />

(PR + CR) Überleben<br />

(Monate)<br />

Neuwelt, 1991 16 i. a. Mannitol, CTX, 16 44,5<br />

HD MTX, PRCB<br />

Freilich, 1996 13 HD MTX, VCR, 12 30,5<br />

PRCB, (HD AraC)<br />

Cher, 1996 19 HD MTX - Erh. 18 3–122<br />

HD MTX,<br />

M-CHOD<br />

Abkürzungen: PR partielle Remission; CR komplette Remission; i. a. intraarteriell;<br />

CTX Cyclophosphamid; HD Hochdosis; MTX Methotrexat; VCR Vincristin;<br />

PRCB Procarbacin; Erh Erhaltung; M-CHOD: Methotrexat, Cyclophosphamid,<br />

Adriblastin, Vincristin, Dexamethason<br />

Anschrift für die Verfasser<br />

Prof. Dr. med. Eckhard Thiel<br />

Leiter der Medizinischen Klinik III<br />

Hämatologie, Onkologie und<br />

Transfusionsmedizin<br />

Klinikum Benjam Franklin<br />

Freie Universität Berlin<br />

Hindenburgdamm 30<br />

12200 Berlin<br />

Helicobacter-pylori-Prävalenz bei der BASF<br />

Gastritis und Duodenitis waren<br />

1994 für 1 Million Tage Arbeitsunfähigkeit<br />

verantwortlich. Ursache dieser<br />

Beschwerden kann eine Infektion<br />

mit Helicobacter pylori sein. Die Autoren<br />

führten bei 6 143 Beschäftigten<br />

der BASF, Ludwigshafen, eine Untersuchung<br />

auf H.-pylori-Antikörper<br />

durch, wobei insbesondere Personen<br />

mit Oberbauchbeschwerden, Ulkusanamnese<br />

und familiärer Magenkarzinombelastung<br />

zu einer Untersuchung<br />

aufgefordert wurden. IgG-<br />

Antikörper wurden bei 38,2 Prozent<br />

der Untersuchten gefunden, ein Ulkus<br />

bei 4,9 Prozent und eine nicht ulzeröse<br />

Dyspepsie bei 20,4 Prozent. In<br />

12,9 Prozent der Fälle wurde eine<br />

Heblicobacter-pylori-Therapie empfohlen,<br />

die bei 541 Angestellten dann<br />

auch realisiert wurde. Schichtarbeiter<br />

waren häufiger Helicobacter-pyloripositiv<br />

als normal Beschäftigte. w<br />

Zober A, Schilling D, Ott MG, Schauwecker<br />

P, Riemann JF, Messerer P.: Helicobacter-pylori-infection:<br />

prevalence<br />

and clinical relevance in a large company.<br />

Am College of Occupational and Environmental<br />

Medicine 1998; 40: 586–594.<br />

Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz<br />

BASF AG, 67056 Ludwigshafen.<br />

Plazentablut statt<br />

Knochenmark<br />

Die Transplantation von hämatopoetischen<br />

Stammzellen aus Plazentablut<br />

ist ebenso wie die Knochenmark-(KM-)Transplantation<br />

in<br />

der Lage, eine ausreichende Blutbildung<br />

zu restaurieren. Dies trifft sowohl<br />

für verwandte als auch unverwandte<br />

Empfänger zu. Als Vorteile<br />

des auch als Nabelschnurblut bezeichneten<br />

Plazentabluts gelten die<br />

einfache Gewinnung, die rasche Verfügbarkeit,<br />

das fehlende Risiko für<br />

den Spender und die geringe Wahrscheinlichkeit<br />

einer Übertragung klinisch<br />

relevanter Infektionen. Auch<br />

die gefürchtete GVHD (graft versus<br />

host disease) ist weniger ausgeprägt<br />

als bei der KM-Transplantation, so<br />

daß sich dieses Verfahren gerade bei<br />

HLA-Inkompatibilität anbietet.<br />

Eine New Yorker Arbeitsgruppe<br />

wertete die Daten von 562 Patienten<br />

aus, die seit 1992 mit diesem Verfahren<br />

bei verschiedenen Grunderkrankungen<br />

behandelt worden waren.<br />

Die Raten für ein Angehen der<br />

Transplantation lagen mit 81 Prozent<br />

bei den Neutrophilen und 85 Prozent<br />

bei den Thrombozyten hoch und waren<br />

der KM-Transplantation vergleichbar.<br />

Ebenso waren die Zahlen<br />

der akuten- und chronischen GVHD<br />

mit denen der KM-Transplantation<br />

vergleichbar. Als Variablen für das<br />

Gelingen der Tranplantation von<br />

Stammzellen aus Plazentablut erwiesen<br />

sich neben der Leukozytenzahl<br />

im Transplantat vor allem die zugrunde<br />

liegende Erkrankung, das<br />

Patientenalter, der Grad der HLA-<br />

Inkompatibilität sowie das Transplantationszentrum<br />

selbst.<br />

Die Autoren resümieren, daß<br />

Plazentablut eine geeignete Quelle<br />

für hämatopoetische Stammzellen<br />

darstellt und die klinische Wirksamkeit<br />

der einer konventionellen Knochenmarktransplantation<br />

nicht nachsteht.<br />

acc<br />

Rubinstein P et al.: Outcomes among 562<br />

recipients of placental-blood transplants<br />

from unrelated donors. N Eng J Med<br />

1998;339: 1565–1577.<br />

Dr. Rubinstein, New York Blood Center,<br />

310 E. 67 th St., New York, NY 10021, USA.<br />

A-358<br />

(50) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999

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